24. April 1834
Man legt oft etwas dem Menschen zur Last, woran eigentlich die Chemie alle Schuld hat. Es ist offenbar, daß, wenn ein Mensch zu wenig Metalle, zum Beispiel Eisen, in sein Blut bekommen hat, die andern Atome gleichsam darnach lechzen müssen, um, damit verbunden, das chemisch heilsame Gleichgewicht herstellen zu können. Nur mißversteht aber der so schlimm Begabte meistens seinen Drang, und statt ins Blut, schleppt er unbeholfen die Metalle in seine Stube und in die Kästen, und greift hierbei ganz ungeschickt nach Silber und dergleichen. Wir heißen den armen Schelm dann einen Geizhals; – sei's um den Namen – aber verachten soll man ihn nicht so leichtfertig, als sei er selber schuld, was sich doch offenbar durch die Tatsache widerlegt, daß gerade der echteste darunter alles Papiergeld haßt und durchaus nicht nach Zinsen trachtet, sondern das einfache, reine, schöne Metallgeld aufhebt und hütet.
Andere haben andere Verwandtschaften, lieber Titus! zum Beispiel ich und Du, denen
man es übel nahm, daß sie die Damen, und darunter wieder die schönsten, oft unbillig
anstarren; – aber bei mir wenigstens ist es nicht abzustellen, weil ich, so zu sagen,
ein Schönheitsgeizhals bin. Ich habe es jetzt heraus, wie mich das Ding schon als
Kind verfolgte, wo ich oft um lichte Steinchen raufte, oder als Knabe mit dicken,
rotgeweinten Augen von dem Taubenschlage herabkam, in dem ich stundenlang gekauert
Freilich werde ich hierbei nicht reich; aber mein Vetter, der Metallgeizhals, kümmert
sich auch nicht um Schönheit. – Die Dinge sind eben ganz entgegengesetzt; nur können
wir uns beide die Sache nicht ausschlagen, weil das Leben keinen Dreier mehr wert
ist, sobald man unser Streben daraus wegnimmt. Darum sollte man es jedem lassen,
keinen fremden Maßstab und leichtfertigen Tadel an unser Tun legen, weil man die
Chemie nicht einsieht. Da bin ich milder und schreie nicht gleich Zeter, wenn mein
ehrlicher Doppelgänger einigen zweckmäßigen Hunger leidet, weil noch eine Prachtsumme
zurückzulegen ist, die seiner Sammlung zur wahren Zierde gereichen wird; – aber er
und andere sollen dafür auch nicht murren,
Ich will aber jetzt von dieser Vergleichung aufhören und Dir andere Dinge in diesem
Tageblatte berichten. Ich habe mein Modell wieder gesehen. Sie ist noch immer
dieselbe. Aus Zufall sah ich sie mit ihrer Mutter in die Annenkirche gehen, und ich
ging dann auch hinein. Sollte ich sie hier öfter sehen können, so will ich suchen,
mir ihre Züge zu stehlen und in einer glücklichen Stunde auf die Leinwand zu werfen;
dann sende ich Dir ein Miniaturbild davon für deine Sammlung schöner Menschenköpfe.
Vielleicht kann ich Dir gleich zwei erlesene Stücke senden; denn Aston versprach, daß
ich in den nächsten Tagen bei seiner Familie eine der größten Schönheiten sehen solle
– ja, die größte, wie er unumwunden erklärte, welche die Luft innerhalb der Mauern
Wiens atme – und daß er es so veranstalten wolle, daß ich unvermerkt ihr Bild in
meine Mappe bekomme, da sie außer andern tausend Torheiten auch die besitze, nie
einem Maler sitzen zu wollen. Sie ist die vertraute Freundin seiner Töchter, denen
sie, wie er sagt, den Kopf eben so albern mache, wie der ihrige ist. Jetzt kommt sie
nicht, weil ihre Tante krank ist. Ihr Vorname ist Angela, welchem Vornamen sie wohl
körperlich, aber nicht geistig entsprechen soll. Nun, ich bin neugierig – toll wäre
es, wenn sie meine Antike wäre.
Weithin über den Horizont Ungarns schweiften trübe, gedehnte Streifen – der Abend kam
endlich – ein weißlicher Rauch trank die Stadt ein – Frühlingsabenddünste
beschmutzten das Gold des Himmels, und ein dumpfer, roter Mond kämpfte sich langsam
herauf. – Ich aber
25. April 1834
Heute ist weithin heiterer Himmel mit tiefem Blau, die Sonne scheint durch mein geöffnetes Fenster; das draußen schallende Leben dringt klarer herein, und ich höre das Rufen spielender Kinder. Gegen Süden stellen sich kleine Wolkenballen auf, die nur der Frühling so schön färben kann; die Metalldächer der Stadt glänzen und schillern, der Vorstadtturm wirft goldne Funken, und ein ferner Taubenflug läßt aus dem Blau zu Zeiten weiße Schwenkungen vortauchen.
Wäre ich ein Vogel, ich sänge heute ohne Aufhören auf jedem Zweige, auf jedem Zaunpfahle, auf jeder Scholle, nur in keinem Käfig – und dennoch hat mich der Arzt in einen gesperrt und mir Bewegung untersagt; deshalb sitze ich nun da, dem Fenster gegenüber, und sehe in den Lenz hinaus, von dem ein Stück gütig zu mir hereinkommt. Auf dem Fenstergesimse stehen Töpfe mit Levkojenpflänzchen, die sich vergnüglich sonnen und ordentlich jede Sekunde grüner werden; einige Zweige aus des Nachbars Garten ragen um die Ecke und zeigen mir, wie frohe Kinder, ihre kleinen, lichtgrünen, unschuldigen Blättchen.
Zwei alte Wünsche meines Herzens stehen auf. Ich möchte eine Wohnung von zwei großen
Zimmern haben, mit wohlgebohnten Fußböden, auf denen kein Stäubchen liegt; sanft
grüne oder perlgraue Wände, daran neue Geräte, edel, massiv, antik einfach,
scharfkantig und glänzend; seidne, graue Fenstervorhänge, wie matt geschliffenes
Glas, in kleine Falten gespannt und von seitwärts gegen die Mitte zu ziehen. In dem
einen der Zimmer wären ungeheure Fenster, um Lichtmassen hereinzulassen
Sommerabends, wenn ich für die Blumen die Fenster öffnete, daß ein Luftbad
hereinströme, säße ich im zweiten Zimmer, das das gemeine Wohngehäuse mit Tisch und
Bett und Schrank und Schreibtisch ist, nähme auf ein Stündchen Vater Goethe zu Handen
oder schriebe, oder ginge hin und wieder, oder säße weit weg von der Abendlampe und
schaute durch die geöffneten Türflügel nach Paphos, in dem bereits die Dämmerung
anginge oder gar schon Mondenschein wäre, der im Gegensatze zu dem trübgelben Erze
meines Lampenlichtes schöne, weiße Lilientafeln draußen auf die Wände legte, durch
das Gezweig spielte, über die Steinbilder glitte und Silbermosaik auf den Fußboden
setzte. Dann stellte ich wohl den guten Refraktor von Fraunhofer, den ich auch hätte,
auf, um in den Licht- und Nebelauen des Mondes eine halbe Stunde zu wandeln; dann
suchte ich den Jupiter, die Vesta und andere, dann unersättlich den Sirius, die
Milchstraße, die Nebelflecken; dann neue, nur mit dem Rohre sichtbare Nebelflecken;
gleichsam durch tausend Himmel
Doch dies fahrt mich auf den zweiten Wunsch: nämlich außer obiger Wohnung von zwei Zimmern noch drei anstoßende zu haben, in denen die allerschönste, holdeste, liebevollste Gattin der Welt ihr Paphos hätte, aus dem sie zuweilen hinter meinen Stuhl träte und sagte: diesen Berg, dieses Wasser, diese Augen hast du schön gemacht. Zu dieser Außerordentlichen ihres Geschlechts ginge ich nun an jenem Abende hinein, führte sie heraus vor den Fraunhofer, zeigte ihr die Welten des Himmels, und ginge von einer zur andern, bis auch sie ergriffen würde von dem Schauder dieser Unendlichkeit – und dann fingen begeisterte Gespräche an, und wir schauten gegenseitig in unsere Herzen, die auch ein Abgrund sind, wie der Himmel, aber auch einer voll lauter Licht und Liebe, nur einige Nebelflecke abgerechnet; – oder wir gingen dann zu ihrem Pianoforte hinein, zündeten kein Licht an (denn der Mond gießt breite Ströme desselben bei den Fenstern herein), und sie spielte herrliche Mozart, die sie auswendig weiß, oder ein Lied von Schubert, oder schwärmte in eigenen Phantasieen herum – ich ginge auf und ab oder öffnete die Glastüren, die auf den Balkon führen, träte hinaus, ließe mir die Töne nachrauschen und sähe über das unendliche Funkengewimmel auf allen Blättern und Wipfeln unseres Gartens, oder wenn mein Haus an einem See stände – – –
Aber, siehst Du, so bin ich – da wachsen die zwei Wünsche, daß sie mir am Ende kein
König mehr verwirklichen könnte. Freilich wäre alles das sehr himmlisch, selbst wenn
vor der Hand nur die zwei Zimmer da wären, auch mit etwas geringern Bildern; denn die
Herrliche, die ich mir einbilde, wäre ja ohnedies nicht für mich leidenschaftlichen
29. April 1834
Ein Tagebuch ist eigentlich nur für den Führer desselben ansprechend, und ich müßte Dich schlecht lieben, mein Titus, wenn ich Dich erbarmungslos durch alle Tage meines Kalenders schleppte. Als wir an jenem Abende auf dem Rigi, mitten unter kalten Reisebeispielen von Engländern, beide zwar so arm wie Kirchenmäuse, aber toll und lustig genug, Abschiedsfeste feierten und in unsrer Lyrik erst unsre Namen tauschen wollten, dann aber dieses sogar zu dürftig fanden, sondern versprachen, unser ganzes künftiges Leben auszuwechseln, das heißt uns gegenseitige gewissenhafte Tagebücher zu senden – als alles dies vorfiel, konnte es doch unmöglich so gemeint sein, daß ich Dir jeden kahlen Tag übermache, der mich in dieser Hauptstadt überfällt, welche Hauptstadt mir oft kleinstädtisch genug und abgeschabt vorkommt gegen die freie, gewaltige Residenzstadt der Natur, insonderheit, da mir Deine Pyrenäenreise ganze Prachteindrücke übersendet. Du bist wohl noch der alte Narr, und ein hiesiger Freund oder, besser gesagt, nur ein Bekannter, den ich unlängst erwarb, Anselm Ruffo, sagte, ich sei auch ein großer, aber unschädlicher, das heißt für andere, mir selber aber beständig im Lichte. Es kann sein, und wenn Du eine stichhaltige Beschreibung eines Narren auftreibst, so sende sie schleunigst; dann läßt sich die Sache eher entscheiden – bisher wußte ich keine. Bleibe fürerst nur der liebe, gute, treue und schönheitsbegeisterte Narr, als welchen ich Dich kenne, und ich will Dich einige millionenmal mehr lieben, als die andern gescheiten Leute. Sende fleißig Pyrenäentage und zürne nicht, wenn Dir unser Lyoner Spediteur von mir ein Päckchen sendet, in denen nicht jeder Tag ein Gesicht zeigt – es hat eben nicht jeder eines.
Disson war während der Zeit wieder bei mir, und wir gefielen
Ich habe richtig jenes Mädchen in der Annenkirche wieder gesehen; sie geht täglich um zehn Uhr dahin in Begleitung einer alten Frau, die ich für ihre Mutter halte. Du würdest Dich wundern, ganz eigen ist der ruhige, große, fromme Blick der blauen Augen.
Sie wäre, wie ich anfangs scherzte, in der Tat ein antikes Modell. Als ich sie der Gasse entlang schreiten sah und ihr nachblickte, dachte ich: so müßte ein altgriechisches Marmorbild ausgesehen haben, das wandeln könnte und Augen gehabt hätte. Da kamen mir allerlei Spintisierungen über sie: ich möchte sie einmal beten sehen; aber nicht in der Kirche, wo sie die Augen mit den Wimpern kalt verhüllt, sondern wenn sie in ihrem Zimmer einsam Gott dankt oder um Abwendung eines entsetzlichen Wehes bittet; – oder ich möchte sie in Liebesfreude schwärmen sehen oder im Schmerze das Auge aufschlagen – oder tanzen – oder eine Gebirgspartie machen – lachen – ihren Vogel kosen – eine kleine Schwester belehren; oder wenn sie Tee bietet; wenn ihr etwas sehr komisch erscheint – und so weiter – und so weiter.
Aston will Bilder aus Wiens Umgebungen von mir, und findet sie immer sehr schön, wenn
ich ihm auch noch so sehr (nach meiner alten Untugend, wie Du sie nennst) die Fehler
darin aufdecke – – aber siehe, Titus, ich muß es ja tun, sonst meinen fürwahr die
Leute, ich sehe die Fehler nicht ein und wolle mich nicht bessern – – also er findet
die Bilder immer schön, und wir sind in voller Arbeit – ich mit Malen und er mit
Anordnungen, die ich immer nicht befolge. Im August wird eine Alpenreise gemacht, und
vielleicht berede ich Lothar auch dazu, wenn nämlich der Verlauf der Bekanntschaft
mit ihm so
Lebe wohl und bleib mein treues Bruderherz.
Das heutige Tagebuchblatt ist nur dieser Brief an Dich; aber ich dachte auch nichts als Dich. Lebe wohl!
3. Mai 1834
Ich hasse eigentlich keinen Menschen auf Gottes ganzer grüner Erde – aber da ist ein junger Mann, der mir nachgerade zuwider wird, wie die ärgste meiner Sünden. Er ist ein Begegner, deren fast jeder einen hat, so wie ich ihn; ob aber der andern ihre auch so emsig und unermüdlich sind, daran zweifle ich. Gehe ich in den Prater, so sitzt er auf einer Bank, fliege ich von da ins Belveder, so geht er schon am Rennwege herein. Wenn Dir etwa in den Pyrenäen ein langer Herr vorfällt, der kein Halstuch umhat, und schlechthin den Mylord spielt, der ist es und kein anderer. Es ist mir, als suche er mich ordentlich. Entweder ist er der ewige Jude, oder jener Reisende, dessen Name überall steht, oder, weil dieser gestorben sein soll, sein Geist. Es wäre das vernünftigste, wir grüßten uns gegenseitig höflich.
Ich hätte mich weniger über ihn aufgehalten – aber am ersten Mai, da ich mit Lothar
von Dornbach den so schönen Weg nach Haimbach machte und eben dort ankam,
Daß wir alle Wirtsleute fragten, wer die Abfahrenden wären, war sehr natürlich; daß es aber niemand wußte, ärgerlich.
Wir blieben fast den ganzen Nachmittag in dem lieblichen Tale, und als ich, wie zur
Spielerei, die Wirtsfrau, ein mitteljähriges, gutmütiges Gesicht, in meine Mappe
zeichnete, so lächelte sie unbeholfen verschämt und meinte, wenn ich und der andere
Herr in unsere Bücher da Gesichter und Leute abmalten, so hätten wir um zwei Stunden
früher kommen sollen, als noch die zwei jungen Fräulein da waren, die wären der Mühe
wert gewesen; denn von allen Stadtjungfern sei noch keine so schöne da gewesen, wie
Milch und Blut, und so freundlich wie zwei Engel – auch der junge Herr sei sanft und
stille, wie die andern alle nicht, die aus der Stadt kommen (außer uns beiden, die
wir auch recht gutherzig aussähen) und die alte Frau habe so viele Freude über die
jungen Leute, daß sie immer lächle. Die gute Wirtsfrau wurde zutraulich, und freute
sich, daß sie ihr Gesicht in dem schönen, großen Buche habe neben den schönen
Fräulein und vornehmen Herren, die wohl alle noch darin wären – dabei sah sie
neugierig die Mappen an, daß ich sie ihr endlich aufschlug, und ihr Erstaunen auf das
höchste trieb, als sie ihr eigenes Haus fand, und die Bäume um dasselbe in netten
Farben und die Berge und den Himmel mit leibhaftigen Lämmerwolken (wie sie sie
nannte) und noch dazu Leute, die unter dem Apfelbaume frühstückten –
»Jawohl,« lachte Lothar, »wir wollen sogar zuversichtlich hoffen, daß gerade diese zwei Engel, welche am ersten Mai anno domini 1834 in Haimbach frühstückten, dereinst noch unsere Frauen werden, und wieder eines schönen Tages in unsrer Gesellschaft frühstücken werden. Was meinen Sie dazu, Herr Kollege?«
»Topp«, rief ich; »aber mir muß die Unverschleierte bleiben.«
»Die andere ist noch schöner«, rief die Wirtin.
Ich meinte, das sei nicht möglich, und halte mich an das Gewisse.
»Gut,« sagte Lothar, »von heute binnen drei Jahren, Frau Wirtin, rüsten Sie ein
wackeres Frühstück und Mittagsmahl; denn wir werden den ganzen Tag mit den zwei
Engeln, unsern lieben, rechtschaffenen Ehefrauen, in Haimbach zubringen. Ich nehme in
Gottes Namen die Verschleierte, da ich keine von beiden von Angesicht
»Und ich dagegen«, fiel ich ein, »will diese besagte Frau Wirtin zum Andenken an diesen Tag recht sauber auf schneeweißes Papier malen und in einem schmucken Goldrahmen mitbringen.«
Ei, das wäre für sie alte Frau viel zu viel Ehre, vermeinte sie, und übrigens könnte ich so etwas leicht versprechen, ohne deswegen mein Farbenzeug aufmachen zu dürfen, da zwei solche lustige Herren gewiß ohne dies schon jeder eine Fräulein Liebste in der Stadt haben würden, die schon unter den schönen Gesichtern des Buches sein werde.
Wir sahen uns beide an, und lachten: denn wahrhaftig, keiner hatte nicht im geringsten ein derlei Wesen aufzuweisen. – Übrigens fingen wir zwei dann selber an, die Sache weiter auszumalen, und dichteten den zwei Huldinnen eine unaussprechliche Sehnsucht nach uns an, stießen die Gläser an, ließen sie hoch leben und entwarfen Plane, ihnen den Ehestand zu versüßen.
Nach Tische wurde gezeichnet.
Spät erst, als schon das Abendrot an allen Bergen hing und im jungen Buchengrün von Laub zu Laub neben uns hüpfte, gingen wir selig durch die Loudonischen Anlagen nach Hadersdorf, wo wir übernachteten, weil wir am andern Tage Tiergartenpartieen malen wollten, wozu uns Lothar die Erlaubnis ausgewirkt hatte. Noch beim Einschlafen neckten wir uns mit den Vorzügen unserer neuen Liebchen ein gut Stück in die Nacht hinein, und spintisierten über den Engländer, der ein Anbeter zu sein drohe.
Wir schliefen fest, und zeichneten am zweiten Mai tüchtig darauf los, und rückten meilenweit in gegenseitige Bekanntschaft und Freundschaft hinein.
Ich hätte die Sache gar nicht erwähnt und sie gewiß heute
Lasse mich dem Gedanken nachhängen.
Seit der ersten Kindheit, wie viel tausend verschwimmende Gestalten von kleinen
Gedanken, Ahnungen, dann halbgeborne Dichtungen, Träume, Ideen, Kleinode von
Empfindungen, mögen das lange Leben eines Menschen
Titus! Dieser Gedanke hat mich ernst gemacht!! Als wir auf dem Rigi, umgeben von dem Abendglühen der Alpen, standen und Abschied nahmen, als mein Mund an Deinem brannte, als wir uns an die Brust drückten, daß wir meinten, sie müsse knirschen – was hatten wir von einander, und wie nahe waren wir uns?
Ein Sirius sandte zwei einsame Strahlen, und diese wurden auf einem andern Sirius gesehen – aber es waren zwei Weltkörper, und eine Wucht von Leben trugen sie ungekannt durch ihren öden Weltraum.
Oft und oft, wenn ich die ewigen Sterne sah, diese glänzenden Tropfen, von dem
äußeren, großen Weltenozeane
Noch sind Kriege, noch ist Reichtum und Armut.
Was hat denn der unergründliche Werkmeister vor mit dem Goldkorne, Mensch, das er an einen wüsten Felsen klebt, dem gegenüber der glänzende Sand einer endlosen Küste schimmert, der Saum eines unentdeckten Weltteils? und wenn dereinst ein Nachen hinüberträgt, wird da nicht etwa wieder eine neue, schönere Küste herüberschimmern? –
Ich weiß nur das eine, Titus, daß ich alle Menschen, die eine Welle dieses Meeres an mein Herz trägt, für dies kurze Dasein lieben und schonen will, so sehr es nur ein Mensch vermag – ich muß es tun, daß nur etwas, etwas von dem Ungeheuren geschehe, wozu mich dieses Herz treibt. – Ich werde oft getäuscht sein, aber ich werde wieder Liebe geben, auch wenn ich nicht Liebe glaube nicht aus Schwäche werde ich es tun, sondern aus Pflicht. Haß und Zank zu hegen oder zu erwidern ist Schwäche, – sie übersehen und mit Liebe zurückzuzahlen ist Stärke. Es ist tief in der Nacht, lebe wohl, guter, geliebter Mensch.
11. Mai 1834
Schon wieder muß ich die Nacht zu Hilfe nehmen, und wer weiß es, ob ich sie nicht verschreibe, bis die helle Morgendämmerung durch meine Fenster scheint; in dieser gehobenen Stimmung ist an keinen Schlaf zu denken. Und sollte ich töricht und lächerlich im höchsten Grade sein, – Titus, Dir muß mein Herz offen liegen – aber es ist geschwellt, schwärmend und genugsam verrückt. Ich spielte und scherzte in Haimbach mit gewissen Wünschen und Verhältnissen, und der Himmel strafte mich mit einer verkehrten Gewährung. Höre nur. Ich weiß nicht, ob damals, als wir beide zugleich in Wien waren, in der Mitte des Paradiesgartens ein schwarzer erhabner Spiegel auf einem Untersatze angebracht war – den Garten kennst Du – kurz, jetzt ist ein solcher Spiegel da, und ein Teil der Stadt, die grünen Bäume und der Rasenplatz vor derselben und der Ring der Vorstädte steht in niedlicher Kleinheit darinnen, durch die Schwärze des Spiegels in einer Art Dämmerungsdüster schwimmend. An diesem Spiegel stand, als mich heute mittags, wo fast gar keine Menschen in dem Garten sind, meine gewöhnliche Frühlingsspaziersucht vorbeiführte, ein Weib, durch ihren Bau, den ich nur von rückwärts sah, große Schönheit versprechend, und sah hinein. Ich blieb stehen und zeichnete mit den Augen die wirklich ausnehmend schöne Gestalt – deshalb war ich fest entschlossen, auch ihr Angesicht zu sehen. Ich stellte mich ruhig hinter sie, um ihr Weggehen zu erwarten; denn mich ihr gegenüber zu stellen, war ich nicht dreist genug.
Als sie immer und immer stehen blieb, malte ich im Gedanken die lächerliche Gruppe,
die wir bildeten, und hierdurch kam mir der Mut, sie zum Umsehen zu zwingen, nämlich
ich sagte plötzlich: »Eine wahre Unterweltbeleuchtung schwebt über diesem kleinen
Nachbilde.« Sie
War sie so unermeßlich schön?
Ich weiß es nicht, aber es war mir wie einem Menschen, der in dunkler Nacht wandert in vermeintlich unbekannter Gegend – auf einmal geschieht ein Blitz – und siehe, wunderbar vergoldet steht sein Vaterhaus und seine Kindesfluren vor den Augen.
Ein Blick von mir war es, ein einziger, ein heftiger, der die ganze Dichtung dieses Angesichts in sich schlingen wollte – dann schnell ein zweiter und dritter. Sie sah mich ernst und unverwirrt an, und ließ dann einen dichten Schleier herabfallen. In mein Angesicht flog die brennende Röte der Scham, daß ich ihr aufgelauert hatte.
Ob ich in sie verliebt wurde? – Nein, in diese war ich es seit meinem ganzen Leben schon gewesen.
Sie ging langsam, wie eine stolze Südländerin – wie jene Zenobia, die Königin der
Wüstenstadt – zu einer Gruppe Herren und Frauen und mischte sich unter sie – und ich
auf einmal unendlich verarmt schritt aus dem Garten, und als ich die Steintreppe in
die düstre Stadtgasse hinabstieg, wallte mir das vorher erschrockene Herz erst recht
auf, und es wurde mir, als sollt' ich sie ohne Maß und ohne Grenzen lieben. Eine
Ahnung solchen Gefühles vermag Beethoven zu geben, wenn er dir den schönsten
unbekannten Demant aus deinem eigenen Herzen hebt und ihn dir glänzend und
lichtersprühend vor die Augen hält. Ich ging noch sehr lange in den lärmenden Gassen
und auf den Basteien herum, und suchte erst, als schon alle
Diese ist es.
Alle, die mir sonst so sehr gefielen, selbst die aus der Annenkirche – sie sind gar nicht mehr. –
Und nun erkläre mir ein Erdenmensch die Heftigkeit eines solchen Eindruckes. Es ist im Leben schon öfters dagewesen – auch zwischen Mann und Mann war es schon. Ich bin kein Kind, das sich überraschen läßt, ich bin kein Weichling, der sich Gefühle vorlügt – das Leben hat mich wacker durchgerüttelt – aber ihr Erscheinen in dem Kreis meiner Vorstellungen wirkte wie ein Riß in dieselben. Ist es ein Schönheitseindruck, den ich nur verkenne? wie etwa alle Gemälde, Musiken, Dichtungen flach werden, sobald etwas Außerordentliches dieser Art an unser Herz tritt? Aber ich sah ja Raffaele, Guidos, Correggios – sie waren wunderschön, aber anders. Ich sah ungewöhnlich schöne Weiber, und fühlte etwas anderes. – Aber Schönheit war es ja nicht, was eben wirkte; denn ich erinnere mich keines Zuges ihres Angesichtes, selbst wenn ich alle Nerven des Gehirns martere; nur das eine, das ganze Bild liegt auf ihnen, wie eingebrannt dem Spiegel meiner Augen, und wenn ich sie beide schließe, so sehe ich es noch immer vor mir schweben. Ich kann nicht sagen, daß ich sie liebe; denn man liebt ja nur, was man kennt und doch ists, als wäre sie vor ungezählten Jahren in einem andern Sterne meine Gattin gewesen.
Sind das Wechselseitigkeiten der Geister, sind es Seelenwahlverwandtschaften? Ist es gänzliche Narrheit?
O Titus, Titus! da gehe ich in meinem Zimmer auf und ab, draußen am Himmel liegt eine schwere, warme Wolkennacht, ganz ruhig, ganz ruhig – – und ich herinnen bin ein heftiger, schwärmerischer Tor und trage mich selber in ein immer heißeres Gefühl hinein.
Ich mag nun Astons versprochene Angela gar nicht ein
Ich war ans Fenster getreten.
Du große, weite, dämmervolle Stadt unter mir, ruhe wohl – auch ihr Herz, ein lebender, klopfender, fühlender Punkt unter den andern tausenden, pocht schlummernd in einem deiner Häuser. Über all die Dome und Paläste und Türme breitet sich stumm und elektrisch der Gewitterhimmel und brütet Fruchtbarkeit. In den Wohnungen der Menschen gehen die Träume aus und ein, und die Nacht fördert ihr Werk. Erst hatte sie über alle Dächer sanft das große Tuch des Schlummers ausgebreitet, und als sie alles zur Ruhe gebracht, und das Schweigen kam, dann löste sie hoch über den Lagern der begrabenen Menschen von ihrer erhabenen Trauerfahne sachte eine Falte nach der andern und ließ dieselbe endlich schwer und breit vom Himmel niederhängen.
So ruhet wohl, alle Menschenherzen – und auch Du, unbekanntes Herz in Deinem schönen Busen, schlummre wohl – und auch Du, des fernen lieben Reisenden, schlummre wohl!
12. Mai 1834
Die Nacht ist vorübergegangen und hat mancherlei geändert. Vom Himmel hat sie die Perlen der Fruchtbarkeit herabgeschüttet und ihn gänzlich rein gefegt, daß er mit dem klaren, frühen Morgengelb zu mir hereinsieht – die Schornsteine und nassen Dächer schneiden sich scharf gegen ihn, und die kühle Luft regt die Nachbarzweige und strömt zu meinem offen gebliebenen Fenster herein. – Ich schreibe noch im Bette.
Was ist es nun mit dem Menschen, wenn er heute dieser ist und morgen jener? Auch mein Herz, wie der Himmel, ist frisch und kühl und sucht sich auf gestern zu besinnen. Was ists nun weiter?
Hat die Flasche Rüdesheimer, die ich gestern zu meinen Nachteinbildungen getrunken, die Seele so voll Sehnsucht angeschwellt – und ist sie heute leer, so wie die Flasche, die dort so wesenlos auf dem Tische steht, daß das Morgenlicht hindurch scheint?
Was ists nun weiter?
Mein Herz ist kraftvoll und jede Fiber daran gesund, und Du darfst schon heute auf Scherze rechnen, lieber Titus; denn wenn auch die zauberische Armida noch im Spiegel meines Innern schwebt, so ist derselbe doch ein fester, blanker Stahlspiegel, nicht das weiche Ding von gestern. Vor der Hand bleibt sie als Studie, als neue Kunstblüte da, als schönes Bild im Odeon, wo die andern stehen. Heute muß noch versucht werden, ob ich den Eindruck nicht in Farben herstellen kann, um mir seine reine Schönheit in alle Zukunft hinüber zu retten.
Da fällt mir nun ein närrischer Gedanke ein. Außerordentlich schwärmerische Menschen,
Genies und Narren sollten gar nicht heiraten, aber die erste Liebe äußerst heiß, just
bis zum ersten Kusse treiben – und dann auf und davon gehen. Warte mit dem Zorne, die
Gründe kommen. Der Narr nämlich und das Genie, und der besagte schwärmerische Mensch
tragen so ein Himmelsbild der Geliebten für alle künftigen Zeiten davon, und es wird
immer himmlischer, je länger es der Phantasie vermählt ist; denn bei dieser ist es
unglaublich gut aufgehoben; die Unglückliche aber, der er so entflieht, ist eben auch
nicht unglücklich, denn solche herrliche Menschen, wie der Flüchtling, werden meist
spottschlechte Ehegemahle, weil sie über vierzig Jahre immer den ersten Kuß und die
erste Liebe von ihrer Frau verlangen und die dazu gehörige Glut und Schwärmerei – und
weil er ihr nicht durch die Flucht so zuwider wird, wie er es als Ehemann mit seinen
Launen und Überschwenglichkeiten würde, sondern sie sieht auch durch alle Zukunft in
ihm den liebenswürdigen, schönen, geistvollen, starken, göttergleichen Mann, der sie
gewiß höchst beseligt hätte,
Alle Millionen Jungfrauen Europas habe ich hier zu Gegnerinnen, weil sie meinen, alle künftigen Himmelreiche würden ja durch einen solchen Entschluß freiwillig bei Seite gestellt, und diese müßten gerade jetzt erst recht angehen, da die Aufschrift an dem Tore schon so schön gewesen sei – aber das Prachttor führt nur zu oft in einen artigen Garten, der sich in Steppen verflacht oder leider oft in einem Sumpf vergeht.
Groß müssen zwei Herzen sein, die, dem leise nagenden Zahn der Alltäglichkeit nicht
untertan, sich in ein reiches Leben schauen lassen, wo die Grazie täglich in einer
andern Gestalt auf dem Throne sitzt; – groß müssen sie
Ein närrischer Gedanke heckt den andern aus. Ein solches Ehepaar – nein, zwei, drei, vier solche Ehepaare möchte ich an einem schönen See haben, zum Beispiel dem Traunsee, der so reizend aus schönem Hügellande ins Hochgebirge zieht. Dort baue ich zwei, drei Landhäuser fast altgriechisch einfach, mit Säulenreihen gegen den See, nur durch einen schönen Blumengarten von ihm getrennt. Aus dem Garten führen zehn breite Marmorstufen zu ihm hinunter, wo unter Hallen die Kähne angebunden sind, die zu Lustfahrten bereit stehen. Der Garten hat Glashäuser für die Tropengewächse – sie sind ganz aus Glas, mit eisernem Gerippe, nur äußerlich mit einem Drahtgitter gegen den Hagel überspannt. – Auch ganz gläserne Säle fehlen in ihm nicht, daß man wie in einer Laterne mitten in der Paradiesesaussicht schwebe. Von dem Garten wieder auf zehn Stufen steigt man zum Landhause, das den Eintretenden mit einer Säulenrundung empfängt. Diese Rundung ist durch Glas zu schließen, hat an der Hinterwand Sitze, und rings stehen dunkelblättrige Topfpflanzen, als da sind: Oleander, Kamelien, Orangen usw.
Zwischen diesen glänzen Marmorbilder. Zu den Seiten dieser Halle und über ihr sind
die Zimmer, zu denen breite, sanfte, lichte Treppen mit Standbildern führen. Das
ebene Dach ist ganz mit Blumen, Bäumchen und Sitzen bedeckt. Von ihm ragt der
astronomische Saal empor. Auch ein paar Spiegelzimmer dürfen nicht fehlen, – von dem
Fußboden bis zur Decke Spiegelebenen, im Vieleck gestellt, mit veränderlichem
Neigungswinkel, daß man im lustigen Humor die Aussicht durch einander wirren und
stückweise zerwerfen kann. Der naturwissenschaftliche Saal ist hinten im Baumgarten.
Am Hause
In diesem Tuskulum nun wird gelebt und eine Schönheitswelt gebaut. Der Himmel segnete die Ansiedlung mit Weltgütern (sonst hätten sie die Landhäuser gar nicht erbauen können), und keiner der Männer ist an ein sogenanntes Geschäft gebunden, das ihm die allerschönsten Lebensjahre wegfrißt und das Herz ertötet, sondern jeder weiht seine Tätigkeit nur dem Allerschönsten und sucht, so viel an ihm ist, das Reich der Vernunft auf Erden zu gründen. Wissenschaft und Kunst werden gepflegt, und jede rohe Leidenschaft, die sich äußert, hat Verbannung aus dem Tuskulum zur Folge. Kurz, ein wahres Götterleben beginnt in dieser großartigen Natur unter lauter großen, sanften Menschen. Auch für ihre etwa kommenden Kinder ist mir nicht bange; sie werden schon recht erzogen werden.
Ich gehe hin und bitte die Eheleute um des Himmels willen, sie möchten mich bei sich leben, malen und dichten lassen, als Kebsmann des Bildes meiner getrennten Zenobia, die ihrerseits wieder anderswo mit meinem Bilde in geistiger Ehe lebt.
Aber der Gedanke von den Landhäusern ist nicht neu nur die trefflichen Ehepaare habe ich erst jetzt dorthin versetzt. Die Landhäuser sind schon seit 1830 fertig, das heißt ich suchte den Platz dazu aus, als ich im besagten Jahre den Juli, August und September an den Ufern dieses Sees zubrachte. Ich lebte damals abwechselnd fast an allen Punkten seiner Umgebung und oft ganze Tage auf ihm selber. Ja, ich muß nur meine ganze Schwäche eingestehen – ich malte das Traunkirchner Ufer dazumal und die fertigen Häuser bereits hinein. Sie stehen der Landschaft trefflich zu Gesichte. Vom Traunsteiner Ufer gesehen, sind sie weißglänzende Punkte; aber dem Näherschiffenden wachsen liebliche Säulen aus dem Wasser und flattern umgekehrt, wie leichtfertige Bänder, in dem schwanken Spiegel. Es sind ihrer mehrere gezeichnet worden, und ein Billionär, der sie etwa auf das großartigste ausführen wollte, kann täglich bei mir die Plane und Gemälde einsehen; ja ich wäre erbötig, dem Manne noch mehrere, die bis jetzt nur in meinem Kopfe sind, auf schönes Bristolpapier zu werfen. – –
Nun, Freund, da ich ausgeschwärmt, stehe ich Deiner letzten Frage und Klage Rede, daß
ich nämlich immer in Phantasieen und Späßen herumjage und in meinem Tagebuche nichts
von meinen persönlichen Verhältnissen anmerke. – Liebster, ich habe aber gar keine
persönlichen Verhältnisse. Meine Seele bin ich, das heißt eben jenes spaßige,
phantasierende Ding, das nebenher oft wieder gerührter ist, als kluge Leute leiden
können. Willst Du aber auch von der Fassung dieses Dinges etwas wissen, so horche
nur: Vier Treppen hoch liegt eine Stube Schreib-, Wohn-, Schlaf- und Kunstgemach –
lächerlich sieht es drinnen aus! Dichter, Geschichtschreiber, Philosophen, auch
Mathematiker und Naturforscher liegen
Sonderbar ist mir noch eines, was ich hier anmerken muß, daß ich mich nämlich schon
seit einiger Zeit mit einem Netze von Heimlichkeiten umgeben fühle, dessen Fäden ich
oft sichtbar vor mir zu haben wähne, und wenn ich danach greife, so ist nichts da.
Gestalten von Bedeutung sind zuweilen in meinem Bereiche, wiederholen sich und
verlieren sich. Wünsche, die ich nie ausgesprochen habe, finde ich oft in meinem
Zimmer verwirklicht. Nachfragen werden gehalten, Bestellungen gemacht, von denen
Das Allerverkehrteste ist aber das, daß meine unbekannte Südländerin, die stolze Zenobia, nichts weniger als eine Südländerin ist, sondern die russische Fürstin Fodor. Sie reist bloß durch, und zwar aus Frankreich kommend, wo sie mit ihrem Gemahle das Grab ihrer Eltern besuchte, die dort vor vielen Jahren auf eine gewaltsame und geheimnisvolle Weise umgekommen sein sollen. Sie wird in einigen Tagen nach Petersburg abreisen, um die dortigen Gesellschaften zu verherrlichen, wo sie mit ihrem Gemahle das schönste Paar sein soll. Woher ich dies alles weiß? – – Ja, noch mehr – – während ich hier schreibe, liegt ihr äußerst gelungenes kleines Abbild neben dem Papiere auf dem Schreibtische. Niemand anders nämlich wurde mit dem Auftrage beglückt, sie lebensgroß zu malen, als Freund Lothar. Er malte sie in ihrer Wohnung und färbte sich heimlich das kleine Bildchen zusammen, als einen Schönheits-Diebstahl, und lief sogleich zu mir, um damit meine Paradiesgartenschönheit, von der ich ihm erzählte, auszustechen.
Wie staunte er, als ich ihm sagte, die sei es eben – und beide wunderten wir uns über
den Zufall. Er verschaffte mir später sogar, daß ich das große Bild selbst sehen
konnte, zu welchem Zwecke er ein Mädchen der Fürstin mit Geld und Liebesworten
bestach. Die Arbeit war schön, und obwohl er sagte, daß sie nicht von weitem an das
Urbild reiche, so wiederholte sich doch an mir fast dieselbe Wirkung, wie damals vor
jenem erhabnen Spiegel. Er ergötzte sich herzlich an meinem elektrischen Funkeln,
teilte es aber nicht im mindesten, obwohl er zugab, daß diese Arbeit die schönste
Belohnung seines Pinsels sei, die er je zu hoffen habe, und er wolle nun recht
geduldig viele der häßlichsten Gesichter nachbilden. Er schenkte mir das kleine
Gemälde, und ich bewahre
3. Juni 1834
Seit dem zwölften Mai gab es gar nichts; aber das Ende dieses Monats war eigentümlich genug. Das Wetter hatte sich lange zusammengezogen, und Anzeichen und Wahrsagungen und Ahnungen und alles ging vorher; nun ist es da – ich bin verliebt, und, bei Gott! ich nehme mir vor, es ganz unmäßig zu sein und den Becher tüchtig rasch hineinzutrinken, in den sie uns das himmlisch süße Gift tun.
Höre mich – ich will Dir alles schreiben. Am letzten Mai war ich bei Aston geladen
und ging hin. Die Pastoralsymphonie wurde von lauter feurigen Verehrern des toten
Meisters vortrefflich ausgeführt. Ich floh in sein Schreibstübchen, in das keine
andere Beleuchtung floß, als eine sanfte Dämmerung aus einem dritten Zimmer, in
welchem vier dicht bei einander stehende Lampen aus matt geschliffenem Glase die
Milch ihres Lichtes ergossen. An dieses ferne Zimmer erst stieß der Saal, wo die
Musik und die Gesellschaft war; ich war also so gut wie allein. Auf dem weichen,
weißen Samte dieses Lichtes nun wallte die Symphonie zu mir herein und brachte alle
Idyllen und Kindheitsträume mit, und je mehr sie schwoll und rauschte, um so mehr zog
sie gleichsam goldne Fäden um das Herz. Wie ist diese Musik rein und sittlich
gegen
Ich wäre ohne weiteres mit ihrem Ende fortgegangen, wenn dies auf eine andere Weise möglich gewesen wäre, als mitten durch alle Anwesende, deren Grüße, Fragen, Anreden, Gutenachtwünsche usw. mir unangenehm waren. Der letzte Ton war verhallt, und sogleich ging draußen ein Brausen an und ein Sesselrücken, und ein leidiges Tanzen begann. Im Lampenzimmer wurden gar Spieltische gestellt, und bis zu mir herein drangen die Streifenden. Sofort hob für mich die Langeweile an. Emma, die jüngere Tochter Astons, wollte, ich solle tanzen. Ich erwiderte, daß ich nicht starker Geist genug sei zu solchen Übergängen, wie unser Jungfrauengeschlecht, das dicht an Beethoven das Tanzen nicht verachte. »Doch ist jemand aus dem Geschlechte so stark,« sagte Emma lächelnd, »und sogar zwei sind es. Lucie und ihre altrömische Freundin, die Sie heute werden kennen lernen, – der weibliche Cato von Utika – oder von wo – sie sind sogar in den Garten hinabgegangen. Übrigens,« fügte sie bei, »mir hat die Symphonie sehr gut gefallen; aber jetzt gefallen mir sämtliche Tänzer auch, und ich kann mit meiner Empfindung nicht so breit tun, wie mit einem steifseidenen Gewande, und wie die andern, und so ade, Herr Aristoteles.« Sie knickste ernsthaft und schwebte künstlich zwischen all den Klippen der Spieltische, wie ein leichtes Fahrzeug, hinaus in die wogende See des Tanzsaales.
Nach dem Garten hätte ich wohl auch ein Gelüste getragen, aber ich mußte es nun
aufgeben, um die zwei Freundinnen nicht zu stören, die ihn wahrscheinlich für ganz
unbesucht hielten. Ich trat daher, wie gewöhnlich, Reisen durch alle Zimmer und durch
die Gruppen darin an, und als ich im Bedientenzimmer die Pulte und Reste
Arme Angela, dies ist nun seit einer kleinen halben Stunde schon die zweite harte Äußerung über dich – noch dazu an deinem Namenstage – so dachte ich und nahm mir vor, sobald sie heraufkäme, sie mir zeigen zu lassen und sie gerade recht mit Auszeichnung zu behandeln, namentlich auch, um die Putzhauben zu ärgern.
Ich trat wieder unter die Tanzenden – alles – die herumfliegenden Gestalten, die
glühenden Wangen und strahlenden Augen der Mädchen, das Vergnügen der zusehenden
Mütter, selbst die spielenden Herren – alles nimmt nun in meiner Erinnerung eine
rührende Gestalt an. Ich werde den Grund angeben. Als ich nämlich sattsam wie ein
Irrstern unter diesen Wandelsternen herumgeschweift war, ließ ich mich endlich
häuslich nieder vor einer Rheinweinflasche, die mir Aston immer aus Vorliebe gibt,
und rief einen Bekannten herzu, der ebenfalls ein Fremdling in der Tanz- und
Spielwelt war. Wir gerieten ins Plaudern, während der Tanz draußen schleifte und
schwirrte und rauschte. Unser Tisch war gleichsam ein Landsitz außerhalb dieses
Stadtgewühls; denn er stand im Schreibstübchen, das aber jetzt beleuchtet war. Im
Zimmer daneben und im dritten, im Lampenzimmer, saßen hartnäckige Whistgesellen. Wir
hatten bereits die zweite Flasche angebrochen und handelten den Virgil ab, die
musikalischste Muse der Römer, als sich folgendes
Aber weder er noch ich wußten den schönen Vers zu Ende – da sprach unglaublich sanft eine weibliche Stimme hinter mir:
et dono divum gratissima serpit.
Ich sah neugierig um und – lege den größten Maßstab an mein Erschrecken – dicht hinter meiner Stuhllehne an der Seite Luciens, von unserer Lampe scharf beleuchtet, schwebt das Gesicht aus dem Paradiesgarten – dasselbe edle, sanfte, unbeschreiblich schöne Angesicht in der ersten Blüte der Jugend, dieselben Augen, zwei Sonnenräder, nur darüber dämmernd die langen, feinen Wimpern, wie Mondesstrahlen. Ich war aufgesprungen und starrte sie töricht an, während sie mit tiefem Purpur übergossen wurde.
»So schlagen Sie mich überall aus dem Felde, schöne Feindin«, sagte mein Nachbar, der auch aufgestanden war und sich artig lächelnd verbeugte; »auch im Virgil sind Sie mir überlegen.«
»Hier führe ich Ihnen«, sprach Lucie, »meine liebste Freundin auf, die längst versprochene Angela« – und dann zu ihr gewendet – »dies ist der bescheidene Maler der Umgebungen Wiens.«
Wir verbeugten uns gegenseitig.
Mein Nachbar sprach sogleich darein und benahm sich überhaupt wie ein Bekannter Angelas.
In diesem Augenblicke trat auch Aston herbei, und in seinem Angesichte war ein
Weltmeer von Freude zu sehen über die gänzlich gelungene Überraschung, von der er
alles und jedes auf seine Rechnung setzte, was an Ratlosigkeit in meinem Gesichte
mußte sichtbar gewesen
So dachte ich ungefähr in dem Augenblicke, als ich vor ihr stand; was ich aber geredet habe, weiß ich nicht mehr. Ersprießlich muß es nicht gewesen sein; denn sie wurde sichtbar verwirrt und errötete wiederholt, und Lucie machte immer größere Augen.
Aston sprang uns allen, wie ein Engel des Himmels, bei, als er die Nachricht brachte, draußen stehe alles aufgedeckt, und man warte schon auf uns zum Speisen.
Auf dem Wege ins Tafelzimmer nahm er mich am Arm, während die zwei schönen
Mädchengestalten vor uns gingen, und flüsterte mir ins Ohr: »Hab ich Ihnen mit dieser
das Konzept verrückt? – und sie wird Ihnen sogar zu einem Bilde sitzen, wenn es
Lucien gelingt, sie vollends zu überreden; denn nur ihr, als Freundin, wolle sie ein
Bild von sich als Andenken überlassen. Dann wird sie gleich lebensgroß gemacht; die
Kleiderverhältnisse wählen Sie selber, und ich stehe Ihnen bei, und wenn wir sie
überreden, daß sie Ihnen zu Ruhm und Glück dadurch verhelfen kann, so erlaubt sie
auch, daß das Bild in die Ausstellung darf, und dann ist Ihr Ruf gegründet, Freund.
Diese ist einmal ein Gegenstand, durch den sich ein Künstler Ehre gewinnen kann. Die
ganze Männerschaft ist verloren, wenn sie das Bild anschaut, und verliebt sich bei
dieser Gelegenheit auch in den Künstler, und die Weiber werden sofort alle von Ihnen
gemalt sein wollen, weil sie meinen, sie würden dann auch so hübsch aussehen und so
prachtvoll zwischen dem Goldrahmen sitzen. Wären Sie nur letzte Zeit nicht so
halsstarrig gewesen – sie hat sogar einige Male nach Ihnen gefragt so hätten Sie sie
schon längst sehen können; denn mein Plan war es schon vom Winter her, Ihnen mit ihr
den Verstand zu zerrütten. Aber es ist nicht aller Tage Abend
Mittlerweile gelangten wir an den Tisch, und er setzte mich ihr gegenüber. Meine Ruhe war durch den Gang ziemlich hergestellt, und ich saß voll Gelassenheit zwischen zwei schönen angewiesenen Tischnachbarinnen nieder, um mein Gegenüber auch einmal mit Ordnung und Verstand zu betrachten und über selbes zu richten.
Aber gefährlich blieb es; denn selbst jetzt, in dieser Prosa des Anschauens – das
Himmelsbild setzte gar eine Tasse mit Rindsuppe an den Mund – verspürte ich doch
gleich beim ersten Blicke wieder etwas von jener Zauberei, wie vor drei Wochen im
Paradiesgarten. Ich sprach daher mit meiner Nachbarin rechts über das auserlesene
Wetter; dann mit meiner Nachbarin links auch über das auserlesene Wetter – es ist
aber auch wirklich auserlesen, wie es hier seit dem Jahre 1811 nicht gewesen ist; so
sagen die Weinkenner – dann aß ich, reichte Teller herum, mischte mich in Gespräche
und verlegte mich überhaupt auf die Unbefangenheit. Aston sah verschmitzt aus. Man
sprach über die Symphonie und stritt. Ich mischte mich ein. Auf einmal, mitten in dem
allgemeinen Brausen, tönte wieder die unglückselige, sanfte lateinische Stimme, aber
diesmal deutsch. – Ohne Verzug lagen meine Augen drüben und begegneten einem großen,
unschuldig schönen Blick voll Männerernstes. Sie fing eben an, den armen Ludwig gegen
zwei ältliche Frauen zu verteidigen, die ihm Überspanntheit und Verworrenheit
vorwarfen. Ein alter Herr mit schneeweißen Haaren – er hatte das Violoncell gespielt
– stimmte ihr bei und ereiferte sich jugendlich für seinen Liebling, wofür ihn das
schönste Augenpaar des Saales einigemal recht töchterlich lieb ansah. Der ewig alte
Hader, in den man allezeit gerät, wenn man von Beethoven spricht, ob er oder Mozart
vorzuziehen sei, entstand auch hier und ward mit Hast verfochten.
Mir war das Urteil aus der Seele gesprochen; aber ich war eigentlich nicht im Stande,
etwas recht zu genießen, weil es in mir noch immer durcheinander ging und mir niemand
gutstehen konnte, daß ich nicht jeden Augenblick mit der Frage herausfahre, ob sie
denn ganz und gar und ohne weiteres die Fürstin Fodor sei, die mit ihrem Gemahle nach
Rußland gehen werde, um dort die Leute zu bezaubern; aber dies ist ja unmöglich, denn
sie ist Luciens Jugendfreundin, und ich werde sie diesen Sommer malen; aber dennoch
ist sie mit jeder Linie und Färbung des Angesichtes mein kleines Abbild, das ich von
Lothar erhalten hatte. Diese Doppelgängerei fing nun an, etwas Unheimliches zu
gewinnen. Ich mußte sie mir hier und zugleich beim goldnen Lamme oder gar bereits in
einer polnischen Herberge schlafend denken. Das beklagenswerte Essen nahm auch kein
Ende, und da der
Titus, sie ist wahrlich und wahrhaftig unbegreiflich schön, zumal im Profil; da zeichnet sich die schönste Linie in die Luft, welche das Weltall besitzt, und die man versucht wird, sich nur ein Mal daseiend zu denken. Hinter ihr war an den Wänden dunkelsamtnes Gehänge, und bei jeder Wendung schnitt sich das hellbeleuchtete Angesicht aus rabenschwarzem Grunde. In unsern Zeichenbüchern ist diese Linie noch nicht; sie stammt aus der schönsten Zeit des alten Perikles – und wenn sie sich dann plötzlich zu dir wendet und die beiden Augen auf dich richtet, in denen etwas Treuherziges und Schwärmerisches ist, so wird das Bild wieder ein ganz neues, und aus der Antike springt eine romantische Shakespearesgestalt. Wenn unter dem eine törichte und verschrobene Seele voll Albernheit wohnt, wie Aston und jeder von ihr sagt, so ist es die schmerzlichste Ironie, und ich möchte dann den Apoll von Belvedere zertrümmern; denn was hat denn Schönheit dann für eine Bedeutung, als daß sie geradehin nur Grimm des Herzens aufrühren mag? Aber ich glaube es nun und in Ewigkeit nicht. Ich wollte nur, Du könntest sie sehen, mein Titus; eine Last dunkler Haare, daraus hervorleuchtend die weiße Stirn voll Sittlichkeit, adelig geschnitten von zwei feinen Bogen, und darunter die zwei ungewöhnlich großen, lavaschwarzen Augen, brennend und lodernd, aber mit jenem keuschen Madonnenblicke, den ich an feurigen Augen so sehr liebe, sittsam und ruhevoll – Du würdest wähnen, in dieser Klarheit müsse man bis auf den Grund der Seele blicken können – und wenn sie mit dem weichen, klugen Munde doch so blöde lächelt, so meint man Pallas Athene als Kind zu sehen.
Wie ich ihr so gegenüber saß, schwoll mir das Herz wehmütig
Champagner kam; denn von Astons Sitze schollen dessen Begrüßungsschüsse, und bald, da jene schlanksten aller Gläser rings gefüllt waren, tönte es: »der Namenstag hoch!« Sie stand auf und dankte; ein Knäuel von Gläsern drängte sich an ihres, um anzustoßen; sie stand mild, wie eine Märtyrerin, und ließ den Wirrwarr über sich ergehen. Manche kamen zwei-, dreimal, um anzustoßen, ich weiß nicht, ihretwegen oder wegen des Champagners. Endlich, wie alles in der Welt, nahm auch dieses Glockenspiel ein Ende, und sie setzte ihr Glas nieder, ohne einen Tropfen zu kosten.
Auch andere Sprüche brachen los; man stand schon teilweise an dem Tische, – da kamen
zwei schöne Arme von rückwärts um sie geschlungen und zogen sie küssend in eine
Umarmung und in einen Glückwunsch – Lucie war es – auch Emma kam, und Rosa und Clara
und Lina, und wie sie alle heißen: auch die verleumdenden Putzhauben,
Deinem armen Freunde war es nun, als hätte man alles Licht aus dem Saale fortgetragen, in welchem es bereits lustig und laut zu werden begann. Dichte Gruppen taten sich um die Flasche zusammen, und alle redeten wie die Apostel am Pfingstfeste, in lauter fremden Zungen, daß ein eitel Gebrause und Gesause wurde. Ein junger Mann mit dem richtigst gezeichneten Angesichte, was ich je sah, schritt auf mich mit seinem Glase zu, um anzustoßen. »Auf Ihr schönes Gegenüber«, sagte er; »wir zwei allein stießen vorher mit ihr nicht an.« Also hatte er es auch bemerkt – ich habe wohl gesehen, wie er nicht anstieß, – vielleicht aus demselben Grunde wie ich, weil ich ihr nämlich nicht auch noch zur Last sein wollte.
Ein neues Tanzen jubelte draußen los, vom Champagner angezündet, und trieb seine hochgehenden Wogen herein in den trüben Schwemmteich von Reden, Streiten, Lachen, Scherzen, daß ein tosendes Meer um die Ohren kochte.
Ich stand auf, unendlich erleichtert, daß ich von dem Tische losgeschmiedet sei und
dem sinnverwirrenden Klingen und Schleifen und Schweifen und Reden und Brausen
entfliehen könne. Mein Weg führte durch das Tanzzimmer, und es kam mir vor, als seien
der Paare noch einmal so viel geworden, und als würden sie ohne Ende mehr, wie sie
von einer tollen Galoppe herumgeschleudert wurden, immer schneller und schneller,
weil einer, der auf dem armen Piano wie mit Keulen hämmerte, den Kreisel wie zur Lust
immer bacchantischer drehte, vom Fieber angesteckt und alles ansteckend. Ich haschte
mit den Augen nach Gesichtern, und wie die Mädchen vorüberjagten mit dem wilden
Wangenfeuer, unschön, mit den hartroten Antlitzen, so fürchtete ich, auch ihres in
dem Zustande zu sehen – aber es war nicht
Im Lampenzimmer endlich, wo noch die Kartenruinen lagen, stand sie, aber eingewickelt in einen Ballen von Freundinnen und Feindinnen, die Glück wünschten, und von Männern, die den Hof machten. – So hat denn heute Aston, wie jener König im Evangelio, die Blinden und Lahmen und die ganze Wiener Stadt und den Erdkreis zu diesem Feste eingeladen, daß die Menschen kein Ende nehmen wollten!! Ich ging noch weiter in das nächste Zimmer, wo endlich bloß drei waren, die Langeweile hatten, und ich setzte mich dort in einem Winkel als vierter nieder.
Ich war unsäglich traurig und konnte mich der tiefsten Schwermut fast nicht erwehren. Ich sah durch die Türen in alle Zimmer zurück, die ich durchwandelt hatte, und lud meinen armen Augen die Last aller Bilder derselben auf: den fernen, schwarzen Grund der Männer im Tafelzimmer, undeutlich wogend und im Lichterrauche schwimmend – auf diesem Grunde gedreht, gewirbelt, gejagt der weiße Kranz der Galoppe, seinerseits wieder zerschnitten durch die stehenden Gestalten und Gruppen im nächsten Zimmer herwärts – durch die wieder manche ganz im Vordergrund wandelnde Gestalt bald eine schwarze, bald eine weiße Linie zog – und auf diesen Wust von Bildern und Farben, noch dazu wankend und wallend in einem betäubenden Lichterglanze, zeichnete sich ihre Gestalt, die einzig ruhige, wie in die wimmelnde, zitternde Luft eine liebliche, feste fata morgana.
Leider kam nun Aston zu mir herein, der mich suchte, und fing zu reden an. Er glänzte
von Wein und Freude und unterhielt sich nach seinem Ausdrucke ›köstlich‹. Er sagte,
wenn er reden dürfte, so könnte er mir Dinge sagen – Dinge – aber es werde sich
alles, alles aufklären,
Da trat der Violoncellist zu mir und fing an, über Beethoven zu sprechen und über den guten Takt des schönen, fremden Fräuleins in Beurteilung des größten aller Tondichter.
Das schöne, fremde Fräulein hatte sich indes auf einen Diwan niedergesetzt, und der schöne, fremde Herr stand vor ihr.
Auch er schied endlich, und als ich aufblickte, war auch sie und ihr Gesellschafter fort, vielleicht gar zum Tanze; auch meine Genossen, die drei langweilenden Gesellen, waren verschwunden, und das Zimmer stand ganz leer; nur aus dem Spiegel gegenüber starrte mein eigenes Angesicht.
Da saß ich nun und wußte durchaus nicht, was in der nächsten Zeit zu tun sein werde.
Endlich ging ich wieder in das Tanzzimmer, ob ihr denn nicht auch das Tanzen anders lasse als den andern. Man führte jetzt eben Figuren aus, was ich viel lieber sehe als das leere Galoppjagen – aber sie war nicht bei den Figuren. Bei einer alten Frau saß sie und redete äußerst freundlich mit ihr.
Ich weiß es nicht, was mich denn so zauberisch bindet. In ihren Augen – in der Art,
sie zu heben oder zu senken, oder hinträumen zu lassen in dichterischer Ruhe – in dem
Munde, wenn auf ihm das Licht des Lächelns aufgeht selbst in der Hand, die eben jetzt
wie ein weißes Apfelblütenblatt auf ihrem schwarzseidnen Kleide lag – – in allem, in
allem ist ein Stück meines eignen Herzens, was
Ich ging wieder in das leere Zimmer zurück. Fraget mich nicht, warum ich denn eine so große, feierliche, unabweisbare Empfindung in mir zurücktrug – ich weiß es nicht. Unter allen, die da freudig hüpften und freudig zusahen, ist nur ein einzig Herz, mein Herz ist es, das bitterlich weinen möchte. Sie ist der unschuldige Gegenstand, daß eine Empfindung in mir emporschwoll, ungeheuer, riesig, wohl- und wehmütig, verwaist und einsam in dem Herzen liegend – mir war, als hätte ich bisher keinen Freund und keine Freundin gehabt!!
Endlich war der Tanz aus, und die erhitzten Paare fluteten herein.
Jetzt mußt' ich Lucien sprechen. Sie trat auch zu mir, Angela und die hochatmende Emma am Arme führend.
Wie ganz anders sind die Worte, die man einer geliebten Gestalt in Gedanken sagt, als wenn sie dann vor uns tritt und das dumme Herz erschrocken zurücksinkt und eine Flachheit vorbringt.
Emma sagte, ich sei heute der unerträglichste Mensch; auch Lucie fand mich verstimmt. Ich entschuldigte mich, daß ich nicht tanze und also nichts zum allgemeinen Vergnügen beitragen könne. Angela sagte, daß sie mich schon lange aus meinen Bildern und aus den Beschreibungen kenne! die ihre zwei Freundinnen von mir machten, und es sei gar nicht schön von mir, daß ich ihr fast absichtlich auswich; – ich errötete heftig und konnte es zu keiner Entschuldigung bringen. Indessen kamen wir zu einem Sitze; alle drei setzten sich, und ich blieb vor ihnen stehen.
»Jetzt müssen Sie aber sehr oft kommen«, sagte Lucie, »und unsere liebe Freundin kennen lernen; sie ist es wohl ein wenig wert.« Hierbei sah sie dieser lieben Freundin zärtlich ins Antlitz und nahm ihre weiße Hand.
Plötzlich, als sie meiner Phantasie das Bild einer antiken Priesterin bot, fiel mir ihr Latein ein, und ich griff hastig nach diesem Gesprächsanker, mit der Bemerkung, daß es wohl ein seltner Fall sein möge, daß ein Mädchen den Virgil in der Ursprache lese.
»In gar keiner sollte man den langweiligen Menschen lesen«, meinte die ewig dareinsprechende Emma.
»Als nur in der Ursprache«, entgegnete Angela; »weil selbst in der besten Übersetzung drei Vierteile verloren gehen und das vierte seelenlos bleibt.« Dann, zu mir gewendet, fuhr sie wie entschuldigend fort: »Ich kann aber auch sehr wenig; mein gütiger Lehrer erzählte mir eine so schöne Geschichte von den Taten der alten Heiden, daß ich ihn bat, mich auch ihre Sprache zu lehren, ihre Seele, wie er sagte. Er tat es, und ich lernte auf diese Weise ein weniges.«
»Also können Sie auch Griechisch?« platzte ich heraus, sie mit offenen Augen anstarrend.
Jungfräulich errötend und fast erschrocken durch meine Hast, sagte sie verwundert: »Ja« und sah mich verlegen an.
Emma, die einen Instinkt hat, zu rechter Zeit drollig zu sein, sagte: »Sie lernt noch die Taktik, wenn Sie ihr einen Meister auftreiben.«
»Warum nicht?« entgegnete Angela; »wenn man nicht so
Die sanfte Lucie nahm nun das Wort, indem sie den früher um Angelas Nacken geschlungenen Arm herabzog und die schöne Gruppe auflöste und sagte: »Sie müssen nämlich erfahren, daß unsere Freundin nicht in Wien erzogen worden ist und auch nicht von einem Manne, der mit unsern Sitten sehr einverstanden wäre. Wenn Sie uns nicht schon geraume Zeit her so sehr vernachlässigt hätten, so hätten Sie ihn kennen gelernt, da er die letzte Zeit fast täglich in unser Haus kam; aber eine seiner ewigen Reisen führte ihn mit seiner Schwester nach Frankreich, von wo er kaum vor September zurück sein wird. Der Vater hat ihm von Ihnen so viel Gutes gesagt, daß er Ihre Bekanntschaft verlangte. Aber er mußte abreisen, ehe dies bewerkstelligt werden konnte. Seine Schülerin kennen Sie jetzt in unserer Angela; seiner Tante werden wir Sie später vorstellen; auf ihn und die Schwester aber müssen Sie bis zum Herbste warten. Ich bin der vollsten Überzeugung, daß ihr euch gegenseitig sehr gefallen werdet.«
»O, ich auch der vollsten«, sprach Emma drein; »da wird ein Leben losgehen, närrische
Leute die Hülle und Fülle: Sie, er, seine Schwester, Fräulein Natalie, Angela, ich,
die zärtliche Schwester Lucie beginnt auch schon, der Vater obendrein, – die Plane
sollen sich kreuzen und mehren und verwirren; wir müssen noch mehr solches Zeug
herbeischaffen – Sie haben ja da einen neuen Freund angeworben – Disson, glaub ich,
heißt er – den Sie so sehr lobten – der wird doch auch einen oder den andern Sinn
verkehrt haben – diesen bringen Sie – und in den Pyrenäen reist auch einer, den Sie
neulich lobposaunt
Lucie, die seit dem Tode der Mutter eine Art sanfter Vormundschaft über den jungen
Wildfang übte, verwies ihr lächelnd ihre unartige Übermütigkeit. In den lebhaften
jugendlichen Augen glänzte so eben ein neuer Übermut; aber in dem Augenblicke stob
eine ganze Spreu von weißen Mädchen herbei, gefolgt von jungen Männern, die alle über
den Schlußtanz unterhandelten. Emma war sogleich mitten drinnen, hielt kurze
Staats-Versammlungsreden und stimmte unmittelbar darauf. In diesem Augenblicke
ergriff ich die Gelegenheit, endlich einmal mit meiner Paradiesgartenbegegnung
hervorzukommen – vor Emma wollte ich nicht. – Ich erzählte etwas lügnerischer Weise,
daß es wahrscheinlich eine russische Fürstin gewesen sei, die ich unlängst im
Paradiesgarten vor dem schwarzen Hochspiegel sah und die mit dem gegenwärtigen
Fräulein die vollständigste Ähnlichkeit habe, die ich je auf Erden gefunden; darum
habe es mich so sehr verwirrt, als ich heute dieselbe Gestalt und dasselbe Angesicht
hinter meiner Stuhllehne sah und sogleich als Freundin Luciens und Emmas aufgeführt
bekam. »Und«, schloß ich, »doppelt überraschend war mir Ihr Anblick, weil ich neulich
durch Zufall ein lebensgroßes Bild der Fürstin zu sehen bekam, auf dem sie in einem
schwarzseidnen Kleide saß, gerade so, wie Sie hier eines anhaben; ja, was mir beinahe
Schreck einjagte, war noch, daß Sie auch das kleine goldne Kreuzchen tragen, wie jene
Fürstin mit einem abgebildet ist. Ich besitze ein kleines
Beide Schwestern sahen sich seltsam an, als ich dieses sprach – Angela aber mußte bis zu Tode erschrocken sein, denn sie stand weiß wie eine getünchte Wand da und wankte; mit unbeholfener Verlegenheit suchte sie das äußerst kleine Kreuzchen in ihrem Busen zu bergen – es gelang – eine Sekunde nur wars, sie bezwang sich, und die ernsten, schönen Augen auf mich richtend, sprach Angela, daß sie mit dieser Fürstin nichts gemein habe; ich möge sie nur als ein einfaches Mädchen ansehen und behandeln, das nie einen Adelsbrief gehabt habe, noch je einen haben werde.
»Außer den lilienweißen des allerschönsten und liebsten Herzens, das auf dieser Erde
schlägt«, rief Lucie mit sonderbarer Rührung, die mir für diese Veranlassung zu
heftig vorkam, und küßte sie auf die Augen und suchte sie hinwegzuziehen; allein es
war nicht möglich, denn in demselben Augenblicke erschien ein Mann und erinnerte
Lucien an ihr Versprechen, die dritte Figur mitzumachen – und – so ist der Mensch –
in höchster Verwirrung und Not tut er noch immer eher das Schickliche als das Rechte:
Lucie ließ sich in der Betäubung fortziehen; sie fand das Wort der Widerrede nicht,
und die Fremde stand verlassen in ihrer so seltsamen Erregung vor dem Fremden – aber
so klar es war, daß ich irgendein unheimlich Sonderbares getroffen haben mußte: so
klar war es auch, daß in dem Augenblicke keine Spur mehr davon in ihrem Antlitze
übrig war. Wie ich nämlich beklommen scheu in dasselbe blickte, war das sanfte Rot
wieder in die vorher lilienweiße Wange geflossen, und das große Auge sah freundlich
auf mich, als sie die Worte sagte: »Mir ist nicht unwohl geworden, wie Sie etwa
denken können, sondern, wie es wohl öfters bei Menschen geschieht, es ist plötzlich
ein sehr wichtiges Ereignis meines
Mir war diese ruhige Aufrichtigkeit bei einer Sache, die jede andere verborgen, ja, gerade unter Unwohlsein verborgen hätte, sonderbar, zum mindesten neu; ich blieb daher befangen stehen und sagte kein Wort.
»Ich werde jetzt fortgehen«, sagte sie nach einem Augenblicke; »aber vorher muß ich Ihnen noch sagen: daß ich es gewesen bin, die Sie an dem erhabenen Spiegel gesehen haben – nannten Sie nicht die Beleuchtung eine Unterweltsbeleuchtung?«
»Ja, ja, ich nannte sie so«, antwortete ich freudig, als wir bereits im Hinausgehen waren, wo sie sich dann verneigte und wieder zu jener ältlichen Frau ging, bei der ich sie heute schon einmal gesehen hatte. Später, als der Tanz aus war, sah ich sie noch einmal hinter einem Vorhange in Luciens Armen und heftig mit ihr reden – dann sah ich sie nicht mehr; denn sie war fortgefahren – nur ein schönes, liebes, süßes Bild schwebte mir im Haupte und im Herzen.
Also war es doch sie gewesen!
Welch schöne Größe und Milde sah ich damals in ihrem Angesichte; wie wahr hatte meine Empfindung geredet! nun ist sie fort; das Rollen ihrer Räder hörte ich herauf; ich hörte es mit dem Herzen; ihr Bild schwebt noch in dem Gewirre, das um mich ist, und ich stehe wie ein Fremder in dem Sausen.
Gütiger, heiliger Gott! welch sanftes, schönes Fühlen legtest du in des Menschen Seele, und wie groß wird sie selbst vor dir, wenn sie Freude fühlt, in ein fremdes Herz zu schauen und es zu lieben, weil sie weiß, daß dieses Herz schön sein wird. – Dies nennen sie Unnatur, was wie ein einfach Licht der Engel um ihr Haupt fließt.
Freilich, weil sie diesen Schein nicht kennen, und sich dafür nur armseligen Modeflitter hinaufstecken.
4. Juni 1834
Es greifen immer sonderbarere Menschen in mein Leben – es ist, als sollte ich mit lauter ausländischen Dingen umringt werden. Ich wußte eigentlich bisher gar nie recht, was ein Nabob ist, und weiß es noch nicht; aber doch soll ich mit einem zusammenkommen, und Aston sagt, daß dies mein Lebensglück gründen werde; – nun, ich bin neugierig – er sagt nicht, wie? – überhaupt muß man mit mir irgendein Geheimnis haben; ich merke es an Lucien und Emma – aber ich kann es nicht ergreifen mögen sie immerhin – aber seltsamer Weise, wie man oft vorgefaßte Meinungen über das Aussehen und den Charakter von Menschen hat, die man nie sah, so geht es einem auch oft mit Worten und Begriffen. Dieses ›Nabob‹ ist so ein Wort für mich gewesen seit meiner Kindheit. Ich stellte mir darunter immer einen Mann vor zwischen fünfzig und sechzig Jahren, gut erhalten, braunen Angesichts, ein farbiges Tuch um den Hals, einen Hut mit breiten Krempen, einen lichten, meistens gelben Rock an – einen Mann, der in irgendeinem Indien Pflanzer war, alle seine Neger hindanngegeben und nun in Europa viel Gold genießt und grob ist.
Ist diese Beschreibung falsch, so bitte ich alle um Verzeihung, die sich dadurch gekränkt fühlen; denn ich kenne keine Schuldefinition eines Nabob – ja, sogar der Name war mir von jeher fast lächerlich.
Aston sagt, dieser Mann und ich gleichen uns in Launen und Gutherzigkeit, wie ein
Wassertropfen dem andern wäre ich nur diese Zeit her, wie er sich ausdrückte, nicht
Lieber Titus! Wenn der Nabob, wie ihn Aston nennt, etwa so ein Mann ist, der um sein gutes Geld auch ein Mäcenas sein will, so wird das Wohlvernehmen von kurzer Dauer sein; denn ich meine, daß bei einem solchen Seebär, wie ich mir ihn vorstelle, nicht leicht geistige Duldung vorhanden sein wird. Daß es übrigens der gute Daniel Aston mit seiner Güte und Pfiffigkeit, womit er den Gefühlen in die Schuhe hilft und Freundschaften übereilt, unsäglich gut meine, bin ich vollkommen überzeugt – jedoch bei all den Geschäften, die er sich immer zum Heile der Menschheit auf den Hals ladet, und wofür ihm niemand dankt, tappt er oft zu; es geht ihm, wie mir einst als Knaben, da ich gefangene Schmetterlinge unter Gläser einsperrte und mit dem besten Rindfleisch fütterte.
Ehe ich schließe, muß ich Dir noch den Verlauf mit dem kleinen Bilde erzählen. Man
hat mich bei Aston dringend gebeten, es zu bringen; ich versprach es auf meinen
nächsten Besuch. Da ich nun des andern Tages kam, hielt mich der Diener im Vorzimmer
auf und sagte, er müsse Lady Lucia rufen. Sie kam und bat mich mit ihrer eigentümlich
gewinnenden Leutseligkeit, ich möchte ihr das Bildchen einhändigen, sie würde es zu
rechter Zeit vorbringen. Wir traten zu Emma und Angela ein, die im Besuchzimmer
waren. Sogleich heftete sie ihre großen
»Es wird wohl später sein wie jetzt«, entgegnete Angela; »aber wenn du es wünschest, will ich warten.«
Zögernd reichte Lucie das Elfenbein hin, und wie ein Pfeil schoß Angelas Auge darauf und darüber weg auf den Spiegel; dann erblaßte sie – Lucie sah nicht das Bild, sondern die Freundin an und hütete jeden Zug derselben. Emma flog herbei, und den überraschten Lippen entfuhr der leise Ausruf: »Ach Gott, wie treu!« und sogleich sah sie Angela an und ich auch. Wie eine schneeweiße Rose war auch heute wieder ihr schönes Haupt; aber nach wenig Augenblicken ward eine purpurrote daraus, und so stand sie da, zitternd vor innerer Bewegung, die sie sichtlich zu bemeistern strebte. Was das mit dem Bilde bedeuten mag – Gott kanns wissen!
Ich ging augenblicklich in das Nebenzimmer und sah zum Fenster hinaus. In dem von mir verlassenen Gemache hob nun ein langes Reden und Flüstern an, das ich beinahe hineinhörte; ich wäre gerne fortgegangen, wenn das Zimmer einen Ausgang gehabt hätte; aber endlich wurde ich durch Emmas Stimme gerufen, und ruhig, wie ich sie gewöhnlich sah, bat mich Angela, ihr ein Nachbild dieses Bildes nehmen zu lassen. Mit Hast trug ich ihr das Urbild selber an; sie nahm es nur unter der Bedingung, daß sie mir ein Nachbild davon zustellen lassen dürfe.
Ich ging es ein; das Bildchen lag indes verkehrt auf dem Nebentische.
Gezwungene Gespräche wollten nun anheben; allein ich fühlte, daß ich heute bald gehen müsse, und ich ging.
26. Juni 1834
Fast ein Monat, merke ich, ist verflossen, ohne daß ich eine Zeile für Dich
aufgesetzt – es ist kein Vergessen auf Dich; aber es war keine Zeit zu dem
unerträglich langsamen Schreiben übrig; im Kopfe habe ich Dich mehr als je. Selbst
heute kann ich in der Schnelligkeit nur ein paar Worte hersetzen; aber noch diese
Woche schieße ich einen eigenen Tag für Dich aus, um Dir alles zu schreiben. Es war
irgendein Geheimnisvolles oder Schmerzhaftes oder sonst etwas – kurz es war eine
seltsame Bewegung im Hause Astons unmittelbar nach jener Zeit, da ich das Bildchen
übergeben hatte, man kümmerte sich wenig um mich, sondern hatte mit eigenen
Angelegenheiten zu tun – dann war alles wieder gleich und ruhig – wie ein Schatten
war es vorüber, den eine Wolke wirft, die man nicht sieht – mir kann es gleich sein;
denn es wurde dann eine heitere, klare, liebe Zeit – ich komme nun, so wie früher gar
nicht, ebenso jetzt täglich in Astons Haus. – Das Leben des Menschen ist fast, wie
man eine Hand umkehrt; es ist dieselbe und doch ganz anders – ein ruhiger Umgang
eröffnete sich, ein heiteres Entgegenkommen, und jetzt sind Verträge gemacht, daß wir
Musik machen, lesen und Malerei treiben wollen; es mußte gleich die bestimmte Zeit
hiezu vermessen werden; denn es gehört mit zu Angelas Verschrobenheiten, daß sie
alles nach der strengsten Zeiteinteilung tut. Emma, die wieder alles zeitlos tut, das
heißt wie es eben der Augenblick bringt, wollte mit der Pedanterei verschont bleiben,
wie sie sagte, und beschloß, dabei zu sein oder nicht, wie es eben ihr Inneres füge.
Aston, der sonst vielleicht störte, reitet zum Glücke sehr viel; der Arzt hat es ihm
verordnet, und in Folge dessen geriet er auf den Einfall, sich für einen Pferdekenner
zu halten, was ihn täglich stundenlang auf die Plätze führt, wo Reiter
Außer dieser Zeit, die einzig lieb und schön ist, hat sich auch etwas anders begeben, was einen festen Halt und viele Freude in mein Leben bringt: das Amt nämlich, in das mich wohlmeinende Freunde bringen wollten, um jene Erscheinung an mir darzustellen, die man gesichertes Dasein nennt, ist mir glückseliger Weise abgeschlagen worden, und als ich mit dem lieben Bescheide in der Tasche nach Hause kam, so war es nicht anders, als hüpften mir meine Farben entgegen und sähen mich noch einmal so freundlich an: Du kennst das Gläschen mit dem Ultramarin; es sah mit seinem Feuerblau wie ein tiefer Harmonikaton aus, – der Purpur wie Liebeslieder – die Grün wie sanfte Flöten – das Rot wie Trompetengeschmetter, und so weiter. Jetzt will ich nicht mehr auf Abfall und Felonie sinnen, ihr lieben, treuen, herzigen Vasallen, bis ich sterbe, und dann wird schon im Testamente stehen, daß mit euch die Hand eines närrischen Freundes, den ich jetzt noch nicht nenne, ein heiteres Bild auf meinen Sarg malen soll. Wir bleiben bei einander und handieren nun erst recht mit Wonne und mit Lust, seit es gewiß ist, daß uns nun nichts mehr auf dieser Erde trennen kann, wie wohlgetraute Eheleute, die der Tod nur scheidet.
Das erste sollen Deine wunderschönen Skizzen sein, wofür ich Dir tausend Dank sage;
sie freuten mich unendlich. Wir haben bereits zwei große Tafeln mit dem zartesten
grauen Grunde bereiten lassen, worauf wir sie ausführen werden; Lothar den Mont perdu
und ich den schwarzen See, dessen Namen ich in Deinem Schreiben nicht lesen kann, und
den Du besser geschrieben wiederholen magst. Es soll das erste und schönste Fest
werden, sobald wir von unserer Reise zurück sind. Lothar geht nämlich mit, und nach
der Zurückkunft werden wir zusammen
Ich bin heute fast so lustig, als wären mir meine Farben ganz neu geschenkt worden, wie damals, da mir mein Vater in unser abgelegenes Waldbaus das erste Farbkästchen brachte und mir zeigte, wie man mit den prächtigen Täfelchen Reiter und Hirsche und Soldaten anfärbe – besonders für die Hirsche hatte ich eine Vorliebe, und wenn Du einmal meine alte Mutter besuchst, so kannst Du auf dem Scheunentore noch viele gelungene Beispiele sehen, schön ziegelrot und von hochgrünen Hunden heftig verfolgt. Ich bin wieder zum heitern Kinde geworden und möchte mit Lust heute noch Reiter und Hirsche färben – und ich tu's auch, weil ich sie dem kleinen Sandi (dem Söhnchen der Leute, wo ich zur Miete bin) geben kann, den sie auf drei Tage glücklich machen.
Der russischen Fürstin habe ich vor dem goldnen Lamme vorgewartet; ich sah sie auch ausfahren – wahrhaftig, als ob Angela, wie sie leibt und lebt, in dem Wagen säße. Jetzt ist die Fürstin längst fort, aber Angela noch da. Das kleine Bildchen sah ich seit der Zeit, als ich mir eine schnelle Kopie davon machte, weder bei Aston noch bei ihr.
Der lange Engländer, mein ewiger Jude, begegnet mir zu meiner Freude auch schon seit Wochen nicht mehr. Wasserfarben nehme ich in die Tasche, und in Weidling am Bache will ich zu Mittag essen, und dort im Kastanienschatten male ich für Sandi Hirsche und Reiter, um einmal ein Kind zu sein und einen rechten Idyllentag herumzubringen.
Heute schreib ich nichts mehr, – morgen ein Weiteres.
Spanne Dir Gott auch einen so glänzenden Sommer über Deine Berge, wie er uns hier tut – ich erlebte nie so andauernd schönes Wetter – und ein Glück ists für unser einen, daß Wien so liebliche Umgebungen hat.
Aber jetzt muß ich fort, ohne Widerrede.
Lebe mit Gott.
27 Juni 1834
Um zwölf Uhr in der Nacht kam ich erst zurück und brachte Freude, Sehnsucht, Gedichte, Müdigkeit, Hirsche und Reiter genug nach Hause, Bäume und Häuser obendrein.
Eben wird alles geordnet und dann zu Sandi getragen Der Bube wird mir ordentlich
lieb, weil ich ihm eine Freude zudenke, und ich machte weit mehr, als ich anfangs
dachte, und konnte ordentlich nicht aufhören, als ich einmal daran war, obwohl alle
Kellner zuschauten. Beiläufig, Titus, – es muß eine große Freude sein, Kinder
Es ist heute Sonntag, und ich will ihn, wie ich versprach, ganz für Dich ausschießen und Dir eine Menge aufschreiben und schildern. Sonntag ist hierorts der Tag der Landausflüge, und was in der Woche am Webstuhle des Lebens keuchte, gibt sich am Sonntage der Freude und wo möglich dem Lande hin – und an diesem Tage gilt der Vers in seinem vollen Maße:
und aus den expansis portis strömt Wien hinaus. So will ich denn auch auf den gestrigen Spaziergang heute wieder einen machen, aber nur ganz allein mit Dir, das heißt ich will ein Stück Wiener-Wald bewohnen und aus der einen oder andern Baumgruppe einen Flug Brieftauben an Dich abfertigen. Ich trage zu solchem Behufe tragbares Schreibgeräte mit mir, da ich zu artig bin, an Dich mit Bleifeder zu schreiben; zudem muß alles, was an Dich losfliegt, gewissenhaft in mein hiesiges Tagebuch eingetragen werden.
Studiere Dir nur fleißig den Plan von Wiens Umgebungen, den ich Dir sandte, denn Du
wirst noch viele Spaziergänge mit mir tun müssen, ehe Du da bist – und noch mehrere,
wenn Du da bist – und es ist der Mühe wert: Stille Täler, ganz abgeschieden –
Waldeinsamkeit mit ganzen Wolken von Vögeln, die den blauen Himmel ansingen –
Aussichten ins Hochgebirge – selbst Schluchten mit flinken Wässerlein, als wärest Du
in der Wildnis, nicht etwa eine bis zwei Meilen von einer der lebhaftesten
Hauptstädte der Welt. Viele, selbst hier Geborne, kennen die eigentlichen Schätze
nicht, weil sie nicht weit von den Spazierwegen abgehen, die man ihnen überall bahnt;
aber da muß man abseits gehen, wohin
Suche auf Deiner Karte Mariabrunn, dann wirst Du finden, daß dort ein Waldgebirge beginnt, das mit dem Norischen Alpenzuge zusammenhängt und hier Wienerwald genannt wird. In einem schmalen Tale, welches rechts von dem Dorfe Weidlingau über eine Wiese hineinläuft, sitzt in diesem Augenblicke Dein Freund an einem hölzernen Tischchen in dem schönsten Buchenschatten und schreibt dieses für Dich. Freilich steht neben dem Tintenfasse auch ein Fläschchen Nußberger; denn das Ungeheuer eines Gesellschaftswagens hat uns etwas gerädert, und wenigstens ich muß, wie der barmherzige Samaritaner, auf die zerschlagenen Glieder das Labsal des Weines gießen, und bis jetzt tunkte ich öfter den Zwieback als die Feder ein. Es geht mir wieder, wie alle Mal, wenn ich unendlich viel zu schreiben weiß, daß ich vor Fülle des Stoffes gar nicht anfangen kann und mich blätterweise in Unbedeutenheiten umtreibe, gleichsam das Köstlichste, Labende aufzuschieben, wie einen auserlesenen Nachtisch – und am Ende kommt der Abend oder ein Regen oder ein Besuch, und ich kann das Zuckerwerk nur ruhig in der Tasche lassen. So ging es mir tausend Male.
Durch meine Buchenzweige, die ein hereinspielender Sonnenstrahl in grünes Feuer
setzt, sehe ich auf die dämmernden Farben der Tiergartenwälder; höher hängt in dem
Laubwerk das blaue Email des Himmels, in tausend Stücke zerschnitten, wie lauter
Vergißmeinnicht. Ein Fink schlägt zu meiner Rechten fast leidenschaftlich; aus dem
vom Walde abwärts liegenden Wirtsgarten
An diesem versteckten Waldtische sitze ich und will ihn bis nach Mittag bewohnen,
nichts um mich, als die Millionen kleiner Mitwaldbewohner, die bereits alle an ihre
Geschäfte gingen – und zwei liebste Gestalten, die ich mir auf den ganzen Tag geladen
habe und die ich still überall mit mir herumführen will: Dich und sie. Wenn ja von
dem außen schwärmenden Volke einer herein verschlagen wird und den fremden Mann an
dem abgelegenen Tische sitzen sieht und noch dazu schreiben und die hundert Sachen
ringsum ausgebreitet, so geht er schon sachte vorüber, weil er den Sonderling nicht
stören mag. Wie aber soll ich nun beginnen, Dir diese Tage her abzuschildern? Binde
alle bisher von mir erhaltenen Papiere zusammen und schreibe auf den Umschlag: ›alte
Geschichte‹ – die neue, die romantische, beginnt mit jenem Balle bei Aston. Titus,
eine Tempelhalle, weit und ungeheuer, hat sich in meinem Herzen aufgebaut, und ich
trage einen neuen seligen Gott darinnen. Wärest Du nur da, oder wenigstens Lothar,
der auf dem Hochschwab oder Schneeberg Studien macht; denn so habe ich keine
Und wenn ich nicht mit der Natur umgehe, so sitze ich zu Hause und arbeite an meinen Tafeln – oft sehe ich sie stundenlang an und habe das Gefühl, als sollt ich wunderschöne Dinge machen – da kommen mir dann Träume von glänzenden Lüften und schönen Wolkenbildern darin, lieben fernen Bergen und ihrem Sehnsuchtsblau, wie Heimwehgefühle, von sonnigen Abhängen, von Waldesdunkel und kühlen Wässern drinnen und von tausend andern Dingen, die sich nicht erhaschen lassen, schattenhaft und träumerisch durch die Seele ziehend, wie Vormahnungen von unendlicher Seligkeit, die bald, bald kommen müsse. Dann male ich und lasse das Ding so gehen, wie es geht, und es ist mir, Titus, als finge manches Bild an, mir zu gefallen.
Endlich, mein Pylades, bin ich dort angelangt, wohin ich doch eigentlich mit meinem ganzen heutigen vorgerichteten Tage, mit meinem Waldtischchen, mit allen Einleitungen und allen Aufschiebungen ganz allein zielte bei ihr. Nun habe ich euch beide neben mir, und ich will euch den ganzen Tag nicht entlassen und ein wahres Götterleben fahren. Ihr sollt mir mit einander bekannt werden und euch wacker lieben.
Nichts stört und hindert uns hier; der Sonnenstreifen auf dem Tische rückt nicht näher, sondern ist ganz weg; der Fink schweigt, die kleine Gesellschaft, die gegen meinen Platz gewandert kam, ging bescheiden vorüber, und ein einladendes Dämmern ist überall zwischen den Stämmen, nur hie und da geschnitten von einem glänzenden Streiflichtchen, das traulich herüberschaut. Ich fahre also fort:
Auch Lucie verklärt ihr Wesen in den Strahlen dieses schönen weiblichen Geistes, und aus ihrem Innern wächst ordentlich täglich sichtbarer eine höhere Gestalt hervor, an der die Weihe des ernsten Strebens sichtlich wird; denn sie ging schon seit länger her unter Angelas Leitung an die Wissenschaften der Männer und erobert sich freudig ein Feld nach dem andern. Selbst die kindische Emma wird eingeschüchtert von ihrer vorausschreitenden Schwester; sie mag es wohl fühlen, daß hinter dem pedantischen Krame, wie sie ihn nennt, wohl mehr stecke, als sie ahnte und mancher sich gern den Anschein gäbe; denn das drückt den andern ewig. – Das Wissen stellt den Menschen glänzender unter seine Brüder zurück, wie einen fremden Weisen, vor dem man Ehrfurcht hat.
Der Gedanke, daß wir statt des gebräuchlichen unersprießlichen Besuchwesens einen
geistigen Umgang eröffnen sollen mit den größten Menschen, lebenden und toten; daß
wir an ihnen uns erheben und vor uns selber liebenswerter werden mögen, ging von
Angela aus, der jedes Leere fremd ist; darum sie auch in jenem Umgange, der unsern
Jungfrauen eigen zu sein pflegt, linkisch und unwohl ist, und eben darum von den
Besuchen
Selbst von den weichen Locken des sechzehnjährigen Kindes Emma spielt ihre goldne
Flamme; denn als neulich eine Stelle gelesen wurde, ungefähr so lautend: »Ihr großen,
seligen Geister, die wir bewundern und zu denen wir beten, wenn der Mensch sein Glück
wegwirft, weil er es kleiner achtet als sein Herz, so ist er so groß als ihr!« und
als in jedem Auge der Beifall glänzte, sprang sie auf, und in den schönen braunen
Kindesaugen schimmerten die Tränen – sie stand neben mir und blickte mich
liebeglühend an; ich war selbst tiefgerührt und wußte nicht, wie es geschah, daß ich
sie an mich zog und voll Liebe meinen Mund an die Kinderknospe ihrer Lippen drückte –
sie drückte heiß entgegen und schlang die Arme um meinen Nacken. Es war nur ein
Moment, und gleich darauf stand sie, wie eine Purpurrose, glühend vor Scham da, die
Tränen noch in den Augen. Uns allen schien sie in diesem Augenblicke kein Kind mehr
zu sein. Ich war im höchsten Grade verlegen: da trat Lucie zu uns, nahm
Durch die Tränen schon wieder lächelnd, sagte Emma zu ihr: »Du selbst bist auch so eine Prophetin und kannst das Predigen nicht lassen, und denkst gar nicht daran, daß andere auch ein Herz haben, das seine Gefühle so gut hat, wie ihr alle, wenn man auch dieselben nicht so gelehrt sagen kann, wie ihr.«
Nach diesem Zwischenspiele lasen wir – Lucie war die Vorleserin – noch den Abschnitt zu Ende, und seit jenem Tage versäumt Emma keine einzige Vorlesung, ja, sie fing sogar an, Meßkunst zu lernen.
Nach solchen Abenden gehe ich dann im milden Vollmondscheine, den wir eben haben, mit einer fast unschuldigen, hochtönenden Seele durch alle möglichen Umwege in die Stadt zurück.
Zur Musik sind auch bestimmte Tage auserkoren. Daß aber da von keinem bloßen
Herabschütten der Noten die Rede sein kann, begreifst Du; sondern da wird an das
Pianoforte gesessen, jede Stelle des Tonstückes geprüft und um ihr Gefühl gefragt,
wobei jedes seine Meinung abgibt, weil sie vorgetragen zu werden verlangt; dann
forscht man nach der Seele des Ganzen und paßt ihr die Glieder an – dann so lange
Proben, bis nicht mehr die kleinste Ausführungsschwierigkeit vorhanden ist – dann
Einmal war schon volle Instrumentalmusik; meistens aber wird er vierhändig auf dem Piano vorgetragen.
Angela ist auch hier wieder die Meisterin, und behandelt das Instrument so kräftig wie ein Mann. Ihr Lehrer hierin war derselbe Mann, der sie auch in dem andern unterrichtete. Dann, wenn sie vor dem Instrumente sitzt, zieht ein neuer Geist in dies seltsame Wesen; sie wird ordentlich größer, und wenn die Töne unter ihren Fingern vorquellen und dies unbegreiflich überschwengliche Tonherz, Beethoven, sich begeistert, die Tore aufreißt von seinem innern tobenden Universum, und einen Sturmwind über die Schöpfung gehen läßt, daß sich unter ihm die Wälder Gottes beugen – – und wenn der wilde geliebte Mensch dann wieder sanft wird und hinschmilzt, um Liebe klagt oder sie fordert für sein großes Herz, und wenn hierbei ihre Finger über die Tasten gehen, kaum streifend, wie ein Kind andrücken würde, und die guten, frommen Töne wie goldene Bienen aus den vier Händen fliegen, und draußen die Nachtigall darein schmettert, und die untergehende Sonne das ganze Zimmer in Flammen und Blitze setzt – und ihr gerührtes Auge so groß und lieb und gütig auf mich fällt, als wäre der Traum wahr, als liebte sie mich: dann geht eine schöne Freude durch mein Herz, wie eine Morgenröte, die sich aufhellt – die Töne werden wie von ihr an mich geredete Liebesworte, die vertrauen und flehen und alles sagen, was der Mund verschweigt.
Solches Tun und solche Freuden reinigen das Herz. Wir stehen dann alle vier am
Fenster, wie lauter Geschwister, die keiner Schranke gegen einander bedürfen, weil
kein Wunsch da ist, eine zu überspringen, sondern nur einfache Liebe. Und wenn ich
fortgehe, so geschah es schon, daß sie mir freiwillig, Lucie und Angela, die liebe
Hand
Seit jenem Balle sind nun vier Wochen, und ich sehe sie seit der Zeit täglich – und
dennoch weiß ich von ihren gewöhnlichen Verhältnissen nichts, ja nicht einmal ihren
Familiennamen, sondern nur, daß sie bei Oheim und Tante wohnt, die alle Welt Oheim
und Tante heißt, und die sehr reich sein sollen. Den Oheim sah ich nie, die Tante
schon öfter, eine gutmütige, aber unbedeutende alte Frau, deren Gesicht ich schon muß
irgendwo gesehen haben; aber ich kann durchaus nicht herausbringen, wo. Sehr
neugierig bin ich auf ihren Lehrer. Im ganzen ist mir aber nicht zu Mute, als sollte
ich um Näheres über sie fragen; genug, sie ist da, und scheint von dem gütigen
Schicksale mir angenähert worden zu sein, auf daß kein Herz vergessen werde und
seinen Anteil an Freude zugeteilt erhalte. Meine Stellung gegen sie ist ruhig, wie es
nach der Aufregung in Folge ihres ersten Anblicks kaum zu erwarten war; aber sie ist
so; jedes Scharfe und Harte entfernt sie von sich, oder es entfernt sich selber.
Meine Empfindung ist sanft und still, und es
Im Sommer ist sie meistens weiß gekleidet, und ihre Kleider, abweichend von der jetzigen Mode, reichen ohne Ausnahme bis zum Halse. Ich glaube, es täte mir weh, wenn ich ihre nackte Schulter sähe – was ich doch bei den Hunderten, die sie täglich und gern zur Schau tragen, nicht anstößig finde. Lucie trägt es auch so, Emma nicht, ich glaube aus Widerspruchsgeist. –
Siehe da – der Diener bringt schon mein heraufbestelltes Mittagessen – nun, da ihr zwei, Du und sie, als Scheinwesen, nichts brauchet, so bleibet mittlerweile hübsch artig auf der Holzbank sitzen, indes ich aufstehen und ein wenig heraumschauen und den vorliegenden kalten Braten und den schönen Salat essen werde. Dann wollen wir weiter fahren und den Rest des Tages gemütvoll verwenden. – – – Aber fort waret ihr, als ich Messer und Gabel hinlegte – die Gestalten mit wirklichem Fleische und Blute, die um den Tisch stehen, haben euch verscheucht. – Nun sehr bald das Weitere; für jetzt lebe wohl, guter Titus; Aston und zwei Herren, und seine Mädchen und Angela (die körperliche) – das steht alles vor mir und lacht mich aus, daß sie um mein Vorhaben gewußt und mich hier überfallen haben. Ich muß mit ihnen fort. Merke Dir, wo wir in unserer Geschichte geblieben sind.
22. Juli 1834
Armer Freund! Du hast lange warten müssen – und heute, mit welch ganz anderer Empfindung fahre ich fort, als ich damals begonnen.
Gibt es eine Liebe, die so groß, so unermeßlich, so endlos still ist, wie das blaue
Firmament? Sie flößt eine solche ein. O mein Titus, mein guter, mein einziger Freund!
Siehst Du, Titus, das ist es, was die Welt an ihr die Verschrobenheit heißt. Was sie
sechzig Jahre sehen, und was ihr Vater und Großvater auch sechzig Jahre gesehen
haben, das ist ihnen das Natürliche, wie verkehrt es auch
Ich will Dir noch einiges von ihr erzählen; höre mir gütig zu, mein Titus.
Erstens weiß sie Latein und Griechisch – das Französische und Englische wird ihr nicht übel genommen. Zweitens weiß sie so viel Mathematik, als zum Verständnis einer allgemeinen Naturlehre nötig ist; ja, sie weiß noch mehr, weil sie die Sternkunde verstehen wollte und nun wirklich versteht. Drittens, daß sie Bücher über Seelenkunde und Naturrecht studierte, ward für lächerlich erklärt, sie aber meinte, sonst die Weltgeschichte nicht verstehen zu können. Selbst in philosophische Systeme steckte sie den Kopf – nur gegen Physiologie wehrte sie sich hartnäckig; sie fürchtete Zerstörung der schönen innern Welt. – O, die ist ja gelehrt, ein Ausbund, sagen viele ihrer Mitschwestern, aber ich glaube, es ist bei vielen Neid, bei vielen Beschränktheit – die Männer sagen, das müsse fade sein – und dennoch schrumpft der, der es sagte, in ihrer Gegenwart jämmerlich ein, wenn auch nur Alltägliches gesprochen wird. Ich bewundere ihren Lehrer, wie ich Dir schon mehrfach sagte, der mir bis längstens im August versprochen wird; denn er war es, welcher ihren schönen Geist in die ersten Hallen der Wissenschaft führte und ihr die Bilder dieses Isistempels deutete. Darum ist ihr die Wissenschaft Schmuck des Herzens geworden, und das ist die größte und schönste Macht derselben, daß sie den Menschen mit einer heiligenden Hand berührt und ihn als einen des hohen Adels der Menschheit aus ihrer Schule läßt – freilich, bei andern bleibt es dürr liegen, wie die glänzenden Dinge, die ein Rabe in sein Nest trägt, und auf denen er dann blödsinnig sitzt.
Die Sprachen lernte sie in der Kindheit – die Wissenschaften von ihrem zwölften bis
in das zweiundzwanzigste
Ferner das Sticken, von dem ihr Lehrer sagte, es sei die sündenvollste Zeitverschwendung; denn das endlich fertige Ding sei kein Kunstwerk; ist es schön, so ist das Vorbild schuld, nicht die Nachmacherin; meist aber bleibt es hinter dem mittelmäßigsten Gemälde zurück, und kann solches auch seiner Verfertigung zufolge nicht erreichen, kostet aber so viel Zeit und Mühe, daß man mit derselben ein wahrer Künstler in Farben werden könnte – ferner als Geräte dient die Stickerei nicht, da zu viel Zeit und Geld daran haftet, als daß man sie sofort ohne Umstände gebrauchen könne, da man Polster, Teppiche usw. sehr geschmackvoll haben kann, und um weit geringere Mühe und Preise. Das Machen – und dies ist das Traurigste – gewährt auch nicht das geringste Ersprießliche; denn man denke, wie viel schöne Gedanken und Empfindungen könnten in der Zeit durch das Herz der Jungfrau gehen und ihr geläufig werden, während sie zusammengebeugt und eingeknickt die mechanische Arbeit verrichtet und in den gefärbten Wollknäueln wirtschaftet. Ja, dieses langsame, tote Nachstechen von Form in Form verödet das Herz, und der Geist wird dumpf und leer. Die Nachwelt wird einmal staunen, daß die Töchter der ausgezeichnetsten Geschlechter drei Vierteile ihrer Jugend auf so geistloses Tun verwenden konnten, wodurch ein Zwitterding von Kunstwerk und Prunkstock zu Stande kommt, daran das Verdienst eine Million Stiche war.
Dann welcher Nachteil für die Gesundheit, wenn der blühende, drängende, treibende Jugendkörper zusammengeknickt wird und in einer Stellung stundenlang verharrt, die ihm unnatürlich ist, und im Eifer der Arbeit noch unnatürlicher gemacht wird durch vermehrtes Bücken, durch das Andrucken des Rahmens an die Brust, und dergleichen.
Freilich sagen die Guten: »Aber es freut uns, solches zu bilden und dann unserer Hände Arbeit in der lieben Wohnung zu erblicken und uns zu freuen, wenn sie dem Geräte zur Zierde dient, und uns an den Werken einstens in die schöne Jugendzeit zurückzuzählen.«
»Ihr Lieben, Holden!« sag ich dagegen – »ja, bildet nur, aber gleich noch etwas
Schöneres, wenn ihr schon den Bildungstrieb habt – etwas, das noch dazu leichter ist;
– lernet, daß es ein Schaffen gibt, ein Erschaffen des eignen Herzens, Bildung dieses
schönen Kunststückes, Ansammlung und Eigenmachung der größten Gedanken, welche
erhabene Sterbliche vor uns gedacht haben und uns als teures Erbstück hinterließen;
ja lernet, daß ihr leicht in der wahren Kunst etwas zu machen verstehen werdet, was
aus der freien Seele quillt, nicht als Aftertrieb eines fremden Stammes, und woran
ihr, als an einer viel schönern Blumenkette, in eure Jugend zurückgehen könnet Wenn
ihr mir aber vorhalten könntet, es freue euch nun einmal so und nicht anders, und die
Freude sei der Zweck: dann widerlege ich euch nicht mehr; denn es muß Leute geben,
die an derlei Freude haben, weil sie eine höhere nicht haben können, und ich erinnere
mich, einmal mit Rührung einer geistesschwachen Frau zugesehen
Dann haben sie ein anderes Zauberwort, mit dem sie sich tragen und alles abfertigen: die Häuslichkeit. Diese Häuslichkeit aber ist ein Hinfristen an Bändern und Kram, ein Ordnen der Hausbälle und Tafeln und Gesellschaften, und ein unnötiger Prunk an Kleidern und Gerätstücken. Freilich hat da eine Frau samt der ihr beigegebenen Dienerschaft genug zu tun. Wenn aber Häuslichkeit nur heißt: Wohnung, Kleider, Speise in ordentlichem Stande zu erhalten, so mag sie allerdings ein Teil und zwar ein kleiner Teil des weiblichen Berufes sein, der aber so leicht zu erfüllen ist, daß zu dem größern und höhern noch Zeit genug übrig bleibt, da ohnehin in diesen Dingen Mutter Natur die größte Einfachheit vorgeschrieben hat und die Abweichung durch Krankheiten aller Art bestraft. Diese letzte Häuslichkeit hat Angela in hohem Grade; denn sie ist immer, obgleich einfach, doch bis zum Eigensinne rein und edel gekleidet, und zu Hause, wo sie die Oberleitung fahrt, soll es immer aussehen wie in einer Kapelle. Einen andern schönen Teil der Weiberpflicht aber erfüllt sie, wie wenige ihrer Schwestern: Bildung des künftigen Mutterherzens, von dem man nicht wissen kann, ob nicht ein Sokrates, Epaminondas, Gracchus als wehrloser Säugling an demselben liegt und die ersten Geisterflammen von ihm fordert und fordern darf. Wie nun, wenn sie der Sendung nicht gewachsen wäre, und den Geistesriesen zu einem Nero und Octavianus verkommen ließe? Und der erste Druck in das weiche Herz gibt ihm meist seine Gestalt für Leben lang.
Endlich selbst Vorbereitung und Erfüllung der Mutterpflicht schließt nicht den Kreis
des Weibes. Ist es nicht auch um sein selbst willen da? Stehen ihm nicht Geister- und
Körperreich offen? Soll es nicht, wie der Mann,
O Titus! Angela hat mir die Augen geöffnet über Wert und Bedeutung des Weibes. – Ich schaudere, welche Fülle von Seelenblüte taub bleibt; wenn die Besterzogenen dastehen, nichts in der Hand als den dürren Stengel der Wirtschaftlichkeit und das leere, schneeweiße Blatt der angebornen Unschuld, auf das, wenn nicht mehr das Mutterauge darauf fällt, wie leicht ein schlechter Gatte oder Hausfreund seinen Schmutz schreiben kann – und die Guten merken es lange nicht oder erst, wenn es zu spät ist, ihn wegzulöschen. Andere werden freilich unterrichtet, aber obiges Blatt wird dann eine bunte Musterkarte von unnützen Künsten und Fertigkeiten, die man unordentlich und oberflächlich darauf malte.
Es ist ein schweres Ding um die rechte, echte Einfalt und Naturgemäßheit – zumal jetzt, wo man bereits schon so tief in die Irre gefahren ist.
Wie manche warme und großgeartete Seele in diesem Geschlechte mag darben und dürsten, so lange sie lebt bloß angewiesen an den Tand, den ihr der Herr der Schöpfung seit Jahrtausenden in die Hände gibt.
Doch genug hievon.
Lächerlich ist es oft, die heitere, überfröhliche Emma ihr gegenüber sich bemühen zu sehen, Bänder und Kleider und Stickereien und dergleichen geltend zu machen. Sie läßt sie in allem gewähren und ist stets mild und freundlich, und am Ende merkt doch das kleine, hocherrötende Trotzköpfchen, daß es widerlegt ist.
Ob es Angela ahnt, wie sehr ich sie liebe, weiß ich nicht,
Luciens Geist ist ihr am verwandtesten, oder vielmehr, es mögen es viele sein, jedoch
sie wurden nicht wie diese zu ihr hinangebildet. Emma, wie sehr auch noch ein Kind,
zeigt doch schon Spuren, wie unwiderstehlich das gelassen fortwirkende Beispiel
eingreift. Daß man es wagt, in gewissen Kreisen, ja fast in allen, den Stab über
Angela zu brechen, wirst du wohl begreifen; unserer weiblichen
Ich forsche nicht; aber es erschreckte mich, als ich sie vorgestern abends am Apfelbaume lesend fand; ich war ungehört näher gekommen, und als ich sie grüßte, schlug ein erschrockenes Auge zu mir empor, das offenbar nicht gelesen hatte, und das zu schnell in die größte Freundlichkeit überging.
Aber sei es genug – wer stellt mich auch zum Wächter ihrer Augen auf?
Eine Narrheit von mir muß ich Dir noch melden, lieber Titus. Wenn mir dieser Tage her
irgendein Mann mit einem spanischen Rohre begegnet und dem Goldknopf darauf, und ein
westindisches Gesicht macht, so jage ich mir Schrecken ein, daß es bereits mein Nabob
sei, mit dem ich zerfallen werde; denn Aston kündete ihn nun zuverlässig in
›baldester Bälde‹ an, und er werde auf meine Zukunft den entscheidendsten Einfluß
haben. Ich verlange aber nicht im geringsten einen derlei Einfluß. Im übrigen muß der
Nabob bald kommen, und der Einfluß
2. August 1834
Ich bitte Dich, bleibe bei Deinem Vorsatze und komme bald; denn ich brauche Dich hier, wie nie in meinem ganzen Leben. Zwei Dinge sind hereingebrochen, die alles ändern und alles zerbrechen. Lothar ist bereits zurück, und auf übermorgen ist der Postwagen nach Linz bestellt. Angelas Lehrer ist zurück – aber ich tat etwas und ich erfuhr etwas, das mich auf ewig um diesen ersehnten Menschen bringen kann und muß.
Ich bin in Verwirrung; aber dennoch will ich versuchen, Dir alles in der Ordnung zu schreiben.
Am dreißigsten Juli abends ging ich zu Aston. Sie waren alle in Dornbach, sollten aber jeden Augenblick kommen; ich ging ins Musikzimmer, um ihre Rückkunft abzuwarten. Angela saß am Piano, und aus der Abendröte strömte mir eine heitere Tonflut entgegen, als ich eintrat. Sie stand sogleich auf, da sie mich erblickte, und kam mir mit einem strahlenden Gesichte entgegen, meldend, heute morgens endlich sei ihr teurer Freund und Lehrer Emil gekommen, und morgen nach Tische dürfe ich keinen Pinsel mehr berühren, sondern müsse gleich in Astons Garten erscheinen, da werde er, der Oheim und alles da sein, und sie müsse die Freude haben, zwei Menschen, wie er und ich, mit einander bekannt zu machen, »und ihr werdet euch«, setzte sie hinzu, »im Fluge lieb gewinnen und dann nie mehr von einander lassen können; das weiß ich so gewiß, als es gewiß ist, daß ich schon über eine Stunde hier auf die böse Lucie warte.«
O Titus! Jetzt, wie ich davon schreibe, quellen die Empfindungen jener merkwürdigen Stunde wieder in mir empor, jener Stunde, die ich hervorrief und ewig, ewig, ach, ewig nicht vergessen werde können.
Ich sagte ihr, daß ich recht gern kommen werde, setzte aber hinzu, daß die Bewillkommnung sehr bald in einen Abschied übergehen werde, da ich mit Freund Lothar in einigen Tagen eine Reise nach dem Glockner antreten werde. – Denke Dir, Titus, wie mir ward, da bei diesen Worten ihr Gesicht, noch eben leuchtend von der höchsten Freude, auf einmal mit Todesblässe überzogen wurde! »Wie lange bleiben Sie aus?« fragte sie.
»Zwei Monate«, sagte ich.
»Dann sind wir bei Ihrer Rückkehr schon in Frankreich«, erwiderte sie leise; »in vierzehn Tagen gehen wir auf immer fort und werden am Jura wohnen.«
Nun war der Schrecken an mir: ich starrte sie zu Tode betroffen an.
»Wußten Sie das nicht?« fragte sie.
»Ich nicht, sonst hätte ich die Reise verschoben.«
Sie schwieg, und ich auch – es war ein peinlich schwüler Augenblick. Die Ankündigung
meines Entschlusses, daß ich ja meine Reise aufgeben könne, hätte alles gelöst; aber
es wollte schon so sein, wie es war. – Ich sagte nichts; mir wurde, als liebe ich sie
seit einer einzigen Sekunde millionenmal mehr als je – ich begreife jetzt gar nicht,
warum ich denn das Wort nicht sagen konnte, daß ich gar nicht reisen wolle – sondern
eine Stimme lag in
Ich wendete mich nicht um und starrte in das Blut des Abendhimmels hinaus; sie regte sich auch nicht hinter mir – wahrscheinlich war sie erschrocken – da trat ein Diener Astons herein und meldete, sein Herr habe den Wagen geschickt und lasse das Fräulein bitten, damit in den Augarten zu fahren, wo man sie am Eingange erwarten werde. Als er abgegangen, wandte ich mich um und suchte scheu ihr Auge – sie stand noch auf demselben Flecke, und ihre Blicke wurzelten auf dem Boden. Ich konnte nicht reden, sondern ging zweimal im Zimmer auf und ab; dann leise zu ihr tretend, sagte ich sanft: »Da es nun einmal unvermeidlich ist – da es doch einmal sein müßte, so gestatten Sie, daß ich Ihnen hier, wo wir allein sind, das Abschiedswort sage; denn vor den vielen Blicken vermochte ich es nicht – –«
Da hob sie auf einmal die zwei Augen auf, groß und dunkel auf mich gerichtet, und von
etwas umdüstert, wie von einem schweren Schmerze – dies lockte plötzlich auch den
ganzen Strom des meinen hervor. – Es ist ja eine alte Schönheit des Menschenherzens:
Scheidende lieben sich am heißesten, und alles Schöne und alles Gute,
Auch durch ihre ganze Gestalt ging eine Erschütterung und Abschiedswehmut, die immer wuchs und immer mehr ihr Angesicht entfärbte – aber schneebleich wurde sie plötzlich, und plötzlich wegtreten mußte sie, als ich die Worte sagte: »Waren Sie mir denn auch nur im kleinsten, nur im wenigsten gut, das heißt anders gut, als Sie es ja allen Menschen, selbst den bösen sind? – Ach, ich weiß erst jetzt, wie unaussprechlich lieb Sie mir gewesen – ach, so unaussprechlich lieb!«
Sie stand am Fenster in Unentschlossenheit und Tränen wankend – mir war vor Bewegung und Erregung alle Welt vergangen; nur das Glutauge der untergehenden Sonne, war mir, als sähe ich es draußen zwischen den grünen Zweigen liegen und eine Gestalt mit Gold besäumen, die hier vor mir stand und mir so unermeßlich bedeutsam geworden war.
Ich weiß nicht mehr, wie kurz, wie lang diese Zeitlage dauerte – vor meinen Augen
schwebt nur immer noch das so weiche, so gütige Angesicht der sonst immer so ruhigen
Gestalt, das Angesicht, mit dem sie sich zu mir umwandte – die verhaltnen Tränen
waren hervorgebrochen, sie aber trocknete dieselben schnell und sagte mit gesammelter
Stimme: »Ich weiß es ja erst seit einer Minute, was ich weiß – gegen Sie muß ich
aufrichtig und wahr sein; Sie sind es auch immer gegen mich – ich weiß nicht, ist es
gut, was ich tue, ist es nicht gut; aber ich folge meinem Gefühle, das mir sagt, ich
müsse es tun; – ich gebe Ihnen gern, gern mein Herz, und ich will Sie
Ich stand sprachlos bei ihr; in die großen, schönen Augen waren wieder Tränen getreten, und freiwillig, ohne Ziererei und gütig durch die Tränen lächelnd reichte sie mir die Hand, nach der ich schüchtern langte – ich beugte mich darauf nieder und drückte meine Lippen darauf: sie aber, welche meinte, sie müsse nun recht treuherzig gegen mich sein, legte unbeholfen ihre andere Hand auf mein Haupt – ich glaubte, wir haben beide in jenem Augenblicke gezittert.
Ich weiß nicht, wie es war; nur daß ich ihre Hand immer fester gegen mich ziehend, fast erstickt sagte: »Wie, wie nur in der Welt kann ich dieses Glück begreifen und verdienen? O Angela, o Braut, o Gattin!«
Sie zuckte bei diesem Worte auf, und sich sanft los machend, sprach sie sehr ernst: »So muß es ja auch sein so muß es sein, ich werde gern und mit Freuden Ihre Gattin werden; aber es ist noch ein Mensch, dem ich alles sagen muß – und er ist gut, so gut, wie Sie sich kaum vorstellen können; auch er wird sich sehr darüber freuen. Morgen werden wir wieder davon sprechen.«
O Titus! Du ahnst nicht, wie selig dieses reine Gold der Natürlichkeit in meine Seele floß. Es öffnete sich ein weites Paradies vor mir, und hatte ich jemals in meinem Leben einen Himmel zu erwarten, in jenem Augenblicke war er mein.
Einige Minuten standen wir noch neben einander am Fenster und sahen in das Abendrot,
das langsam ausbrannte, und sprachen nichts; – dann, als wieder, gleichsam mahnend,
der Diener eintrat, nahm sie ihren Hut und sagte, sie wolle nun in den Augarten
fahren, aber ich
Ich will versuchen, Dir das Ende noch zu schreiben, wie es sich begab.
Ich ging, da mir das letzte Rad ihres Wagens entschwunden war, vor die Stadt ins Grüne. Ich war wie ein Träumer, wie ein Trunkener, fast nicht ertragend das ungeheure Glück – und als ich schon zu Hause war – als ich ohne Licht auf meinem Sofa saß, malte ich mir dieses Glück noch seliger in die finstere, wimmelnde Luft.
O, ich Tor! ich Tor!
Auch am andern Tage, als ich erwachte, mußte erst einige Zeit verfließen, ehe ich es mir wieder stückweise klar machen konnte, was seit gestern mit mir geschehen.
Es war erst vier Uhr; ich aber stand auf und dachte, ich wolle den Morgen im Freien genießen. Mein Weg führte mich in den Park von Schönbrunn, alle Zweige hingen voll Morgengetön der Vögel, und ganz fern über den Karpathen stand der sanftblaue Duft eines Morgengewitters, und die Luft versprach etwas mehr als einen gewöhnlich schönen Tag.
Du kennst den Obelisk im kaiserlichen Garten; hinter ihm erhebt sich eine kleine
buschige Wildnis, die ich sehr liebe. Deshalb lenkte ich meine Schritte dorthin – es
war kaum fünf Uhr morgens vorüber; in dem ganzen Parke war kein einziger Mensch zu
sehen, als nur die Schildwache am Schlosse. Rechts vor dem Obelisk ist
Einen Augenblick nur hätte es noch bedurft, und ich wäre weiter gegangen; aber gerade in diesem Augenblicke hob sie ihr Haupt empor und zeigte mir durch eine Wendung ihr volles Gesicht, und denke Dir, es war Angela!
Ich weiß nicht mehr, wie mir wurde – ich weiß es eigentlich noch nicht, wie mir ist –
aber ich will jede Empfindung wegweisen und nur erzählen, was sich weiter ergab. In
meiner Jugend geschah es einmal, daß ich mit einem Messer im Spiele meinen Bruder in
die Seite stach, und als sogleich ein dunkler Blutbach das Kinderhemdlein netzte, und
der rote Fleck riesig weiter wuchs – damals verzweifelte ich, hielt mich für einen
Mörder und wurde ohnmächtig – später, als der Bruder verbunden und ich
Jetzt redete er, und sie sah ihn unverwandt an; dann redete sie, und er horchte –
dann schien es wieder, als schwiegen sie und schauten rätselhaft in das Wasser, wie
ich sie gefunden hatte. Ich mußte eine Sekunde die Augen schließen – dann öffnete ich
sie wieder. Sie hatte das Antlitz jetzt weggewendet, und auch von der bloßen Gestalt
war es, als flösse noch der ganze betörende Zauber nieder, und die Hoheit und die
Unschuld, womit sie mich besiegt hatte. An ihm war, wie ich schon gesagt habe, jene
Art Herrschaft und Sicherheit der hohen Stände. – Einmal streckte er den Arm aus; sie
schmiegte sich etwas näher gegen ihn und bog das Hinterhaupt zurück, wie eine, die
emporschaue; er aber krümmte mit Feinheit den ausgestreckten Arm zurück und endete
damit, daß er die Hand auf ihr Haupt legte, gleichsam mit Zärtlichkeit die
gescheitelten Haare streichelnd, denn sie war barhaupt, und der wohlbekannte Strohhut
hing an ihrem linken Arme. Dann wendeten sie sich; ich sah noch ihre Hand in seinem
Arme liegend – ein dichtbelaubter
O Titus, ein Gefühl, so häßlich, daß ich mich fast verachtete, kroch in mir herauf, – aber dennoch war es, als riefe jede Ader in mir, das Gefühl sei gerecht!
Ich blieb sitzen an der Pyramide und brütete, wie der Vormittag, der sein Gewitter
braute. Nicht ein Hälmchen rührte sich, und der ganze Garten wartete gedrückt; über
ihm stand schwer niederhängend die Wucht stummer, warmer, dicker Wolken, die sich
rüsteten und mit leisen Regungen durcheinanderschoben. Mein Auge starrte entzündet
hinauf, und dem Herzen taten ordentlich die armen kleinen, glänzenden Flöckchen weh,
die aus dem dunkeln Knäuel vorhingen – gleichsam gerettete schöne Kindheitsgedanken
in einem dumpfen Herzen und immer dicker und schwerer wurden Luft und Wolken; im
fernen Osten ging in schiefen Streifen schon der rötlich graue Schleier des Regens
nieder – da kam der Wind geflogen und der Donner, rollend über alle Wipfel des
Gartens; große Tropfen fielen, und somit löste sich die Stille am Himmel und auch in
mir. Ein frisches Rauschen wühlte in den Bäumen und mischte Grün und Silber durch
einander, und in mir raffte sich ein fester, körniger Entschluß empor und gab mir
meine Schnellkraft wieder, nämlich der Entschluß, sogleich abzureisen. – Fahre wohl,
Armida, – dachte ich – fahre wohl! Ich ging nach Hause; ein prachtvoller Regen
rauschte
Den Rest des Tages, als ich mich umgekleidet hatte, verbrachte ich mit Packen, war abgesperrt und ließ niemanden zu mir. Den Lothar hatte ich beredet, daß wir am andern Tage, das ist: heute abreisen. Von der Familie Aston nahm ich schriftlich Abschied, weil ich Angela dort zu treffen fürchtete. Ich sagte in dem Briefe, daß mich am letzten Juli um fünf Uhr früh am Obelisk zu Schönbrunn etwas betroffen habe, was es mir unmöglich mache, ihn persönlich zu sehen. Bei meiner Zurückkunft werde sich vielleicht manches aufklären; an die liebe Lucie und Emma gab ich viele Grüße auf.
Noch eins muß ich Dir melden. Anselm Ruffo, ein Bekannter von mir, ein kalter philosophischer Geselle, begegnete mir zufällig auf der Straße und hing sich an mich und sagte mir nebst vielem andern, ich möchte mich in Acht nehmen mit meinem weiblichen Umgange; denn das Mädchen, dem ich sehr viele Aufmerksamkeiten erweise, sei stadtbekannt als die Geliebte des Engländers Grafen Lorrel. Ich dankte ihm kühl für die Nachricht – sie war mir nun fast gleichgültig.
Und nun, Titus! Wenn Du Deine Herreise beschleunigen kannst, so tue es, ich bitte Dich, tue es; ohnedies bangt mir oft sehr für Dich, wenn ich von den Abscheulichkeiten lese, die der spanische Bürgerkrieg erzeugt. Lebe wohl für heute! In München triffst Du Briefe, die Dir sagen, wo Du mich findest. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Abends um 8 Uhr
Es wird doch heute ewig nicht zehn Uhr, welcher Glockenschlag mich endlich aus dieser
Stadt bringt. Alles ist geordnet; Lothar geht herum Abschied nehmen, und ich gehe
schon tausendmal in meinem Zimmer auf und ab.
Linz, 3. August 1834
O Titus! was sind denn eigentlich drei Tage? – und welche Macht haben sie auf den
Menschen! – Zürne nur
So geschieht es auch: ich bin in kindischer Raserei nach Linz gefahren, und nun ist
der Postwagen wieder bestellt; morgen um fünf Uhr gehe ich mit ihm nach Wien. Lothar
ist einverstanden, und wird acht Jage in Linz warten, bis ich selber wieder komme
oder ein Brief. Er weiß alles und erschrak fast über die Rücksichtslosigkeit meines
Verfahrens. Erst einen Tag vorher sagte sie die Worte: »Da es nun gesagt ist, so
dürfen Sie für alle Zukunft darauf bauen«, und ich glaube schon am andern Morgen
darauf den Ratschlägen der bösesten, blindesten Leidenschaft mehr, als der ganzen
klaren Sittlichkeit ihres Wesens, die mir so lange vorlag – einer Leidenschaft, die
berühmt ist wegen ihrer Roheit und ihrer Trugschlüsse. Sie, an allem, was gut ist, so
weit über mir, gab sich mir als Braut, und vertraute mir, mir unbedeutendem Menschen,
der ich noch vor wenig Tagen jeden Mann für sie zu schlecht hielt – und in der ersten
Probe sinke ich schon so schmachvoll tief. Ich schäme mich, so knabenhaft gehandelt
zu haben. Eifersüchtig zu werden, alle Welt vor den Kopf zu stoßen und auf und davon
zu fahren! Setzen wir den Fall umgekehrt: was würde sie getan haben? Entweder sie
hätte gar nichts gesagt, oder etwa, warum ich so geizig bin und eine Freundin, die
ich so lieb habe, ihr vorenthalte; es wäre ja schöner, wenn ein Mensch mehr im Bunde
sei, der sich unsers Lebens und Strebens freue. Ich will des Todes sterben, wenn sie
Endlich, jeder Erscheinung gehen ihre Zeichen vorher und nachher, und jede
Erscheinung muß umringt sein von Nachbarn und Verwandten. Nie steht die glühende
Abendwolke einzeln und geschnitten an dem Scheitel des blauen Mittaghimmels. Eben so
ist dieser vereinzelte Verrat mitten in ihrem andern Leben eine Unmöglichkeit,
Linz, 8. August 1834
›Wer des Drachen Zähne säet, der hoffe nichts Erfreuliches zu ernten.‹ Es ist alles aus, und ich bin selbst schuld daran. Ich dichtete mir einst am Traunsee ein schönes Tuskulum, aus dem jede Äußerung roher Leidenschaft Verbannung nach sich zieht – jetzt habe ich mich selbst durch solche Leidenschaft von einem schönern Tuskulum verbannt. Sie muß eingesehen haben, daß sie sich in mir irrte – und sie hat sich auch geirrt.
Ich mietete die Rudersmänner; sie flogen beinahe mit mir die Donau entlang, und ich
war schon um acht Uhr früh des vierten August in Nußdorf und um neun Uhr in Astons
Wohnung. Er allein war zu Hause. Auch ihn habe ich fast verloren. Es ging mir tiefer
zu Herzen, als ich je ahnte, wie ich bemerkte, daß selbst dieser Mensch, sonst die
lautere Güte gegen mich, nun ernst und scheu und kalt war – aufgeschreckt aus seinem
Glauben an mich. Er erzählte ruhig und ohne Vorwurf, daß Angela mit ihrem Lehrer die
Morgenstunde gewählt habe, nach Schönbrunn zu fahren; auch die Tante und die
Schwester sind dabei gewesen; nur gingen sie entfernter, und
Ich schleuderte die zwei glühenden Funken, die mir bei seinem Berichte in die Augen stiegen, seitwärts, und schüttelte ihm heftig die Hand, sagend, daß ich gewiß nicht so schlecht sei, als alles scheine, und daß ich nun in die Gebirge gehe. Etwas freundlicher durch meine unverkennliche Reue, fragte er um meinen Reiseplan, und ich sagte ihm denselben – und als ich fortging, küßte er mich wohl wieder, aber nicht so herzlich als sonst, wenn ich nur auf einige Tage verreiste.
Und nun sitze ich wieder in derselben Stube meines Gasthofes in Linz, von der ich vor
kurzem mit solcher Glut und solchen Hoffnungen nach Wien geflogen – aber alles ist
aus – und wie anders, wie anders als noch vor zwei Tagen ist mein Herz! – Es ist aus,
es hat sich beruhigt; aber wie beruhigt? Gleichsam gelassen entzweigedrückt liegt es
in der Brust. Die Natur, das einzige Unschuldige, ist freundlich wie immer – meine
Fenster gehen auf den Landungsplatz und die Donau. Der Tageslärm ist verstummt, durch
die Fenster schwimmt die laue Augustusnachtluft herein und krümmt mein Licht, an dem
ich schreibe, und trägt das Rauschen des Stromes mit herein und sein Plätschern an
den Schiffen, die beiliegen.
Morgen geht die Reise von hier über Steier, wo wir mit zwei Reisegefährten, ältern Bekannten von mir, zusammentreffen werden, mit denen ich eigentlich diese Reise schon längst verabredet hatte. Ich werde Dir von Zeit zu Zeit aus einem und dem andern Orte ein Blättchen senden; aber es wäre recht lieb und schön von Dir, wenn Du viel eher kämest, als Du vorhast.
Kennst Du nicht ein Lied von Justinus Kerner: ›Das Alpenhorn‹? Es ist, wie einer
immer, wo er geht und steht, das Alpenhorn seiner Heimat leise, leise klingen hört,
und es ihn mahnt, als müsse er sogleich nach dem Elternhause aufbrechen – eben wird
es in einem Zimmer neben dem unsrigen von einer außerordentlich schönen Männerstimme
gesungen – ach! Mancher hat eine Heimat, an
Aussee, 15. August 1834
Es ist heute Sonntag und auch nicht mehr viel davon übrig. Ich will ihn größtenteils
zum Schreiben an Dich verwenden. Wir fuhren von Steier bis Kirchdorf, um von dort
abends im Mondscheine nach Scharnstein zu gehen. Die zwei andern Begleiter unserer
Reise sind ein junger Doktor der Arzneikunde, Josef Knar, und Isidor Stollberg (kein
Verwandter der Grafen). Wir blieben fast einen ganzen Nachmittag in Kirchdorf. Lothar
malte das Kremstal, und Isidor und ich saßen im Schatten der Apfelbäume bis fünf Uhr;
da kam Lothar wieder, und der Aufbruch wurde beschlossen; aber es fehlte der Doktor.
Auf der Kegelbahn war er gesehen worden; auch in der Wirtsstube, im Hofe, selbst im
Stalle – und jetzt war er nirgends zu finden. Erst um sechs Uhr kam er mit
leuchtenden Augen und erzählte, daß er beim Wirte Brunmaier gewesen – ein Reisewagen
habe ihn hingelockt, der auf der Gasse stand und prächtig war. Eine blutjunge Dame
mit nur einem Diener habe im Wirtsgarten gewartet, bis ihre zwei Begleiter, die zu
gewissen Eisenwerken in das Tal gegangen waren, zurückkamen; – mit dieser Dame habe
er bis jetzt streiten müssen und habe sich in sie verliebt. Der Doktor ist ein
drolliger, sehr lutiger
In Scharnstein – ich habe Dir einmal gesagt, daß ich einen Menschen habe, der mir überall begegnet – einen Engländer hieß ich ihn – in Scharnstein saß er in der Wirtsstube, als wir eintraten. Ich erschrak fast über diese seltsame Laune des Zufalls, später aber knüpfte ich sogar ein Gespräch mit ihm an und fand ihn gar nicht so übel, und als er unsern Reiseplan erfuhr, so trug er sich zum Begleiter an, wenn wir es nicht übel nähmen. Es wurde einmütig angenommen.
Wir brachen zeitlich morgens auf, natürlich alles zu Fuß. Lothar wird von Stunde zu Stunde herrlicher: wie die reine Alpennatur in seine Seele fällt, so breitet er sie himmlisch aus auf seiner Leinwand. Jede Studie, von der man meint, sie sei die beste, wird von ihrer Nachfolgerin übertroffen – und er wird schwärmerisch begeistert für die Berge und Wolken und Seen, wie für eine Jugendgeliebte.
Ein schöner Augenblick war es am Freitag nachmittag, da das kleine Tal von Habenau
skizziert wurde. Der Platz ist wunderbar lieblich: eine heitergrüne Wiese in sanften
Wellenbildungen, rechts ein dunkler Wald, hinter dem eben eine Wolke zwei schneeweiße
Taubenflügel heraufschlug – vor uns die wunderlichen Felsen des Almseegebirgs, und
links tief zurück der große und kleine Briel, die lichten Häupter in finstrer Bläue
badend – kein Lüftchen – blendender Sonnenschein. Nach drei Stunden Malens stand
Lothar auf, und seine Wangen glänzten,
Ich konnte nichts malen, und werde es wahrscheinlich auf der ganzen Reise nicht tun können; denn der große, der drückende Schmerz über mich und das Mitleid mit ihr, der unschuldig Gekränkten, liegen wie Bergeslasten über meine Brust gedeckt und sehen mich aus der Natur an, als hätte sie ein dunkleres Trauergewand angelegt. So saß ich auch, als wir uns in dem Seehause eingerichtet hatten, wo wir über Nacht bleiben wollten, und als alle wieder auf Spaziergänge fort waren, so saß ich auch vor dem Hause auf der Bank und sah diese Berge an, die ich unter ganz andern Umständen zu sehen hoffte. Sie standen da in müder Tagesruhe, und das späte, kühle Nachmittagslicht lag auf ihnen, sachte aufwärts glimmend. Im See schliefen die Wellen, und in der Luft das Echo. Italien fiel mir ein und Indien und Griechenland und Amerika, und die ganze schöne Kugel und die Meere darauf und die Palmenwälder – und daß ich all das nie in meinem Leben werde sehen können.
Mein Reisedurst brannte, wie so oft – ich stand nun auch auf und ging von dem
Seehause fort ins Ungewisse herum und senkte mich in meine Träume. Die Natur hielt
Abendfeier, das Sonnenlicht schritt nur noch auf den höchsten Spitzen, die Luft ward
immer wellenloser und stiller – ich ging südwärts gegen die Felsen – da war es, als
ob das Echo, das tausendfältig in diesen Bergen schläft,
Ihr Auge, dieser schöne Mond ihrer Herzenssonne – wo mag dieses nun aufblicken zu
seinem Schwestergestirne des Himmels? O, ihr schönen Felsen und du, schimmerndes
Firmament! Was ist zwischen heute und jenem Abende vor zwölf Jahren, als ich das
erste Mal an diesem Ufer stand, ein unschuldiger Jüngling voll ungebändigter
Hoffnungen und ein unerschöpfliches Weltmeer von Vertrauen
»Geht schlafen, lieber Herr«, sagte plötzlich der Jäger zu mir: »Ihr habt morgen einen weiten Weg, und es wird heiter und heiß sein – ich verlasse Euch, da mir der Mond schon hoch genug ist.«
Ich schlafen gehen? Dazu war ich viel zu bewegt. Ich ging den See entlang, von dem jetzt Ruderschläge herkamen, und bald darauf das Schiff der Freunde. Isidor sprang heraus und jubelte und sagte, es sei eine Götternacht, und der Doktor bedauerte mich, daß ich nicht mit zu Schiffe gewesen; an diesem einen der zwei angekommenen Fremden habe er einen wahren Fund getan; er singe einen unvergleichlichen Tenor; der sei noch immer abgegangen; Lothars Stimme sei doch nur ein Bariton; nur schade, daß die Zither, die der Fremde mitgebracht, in der Eile in dem Hause vergessen worden sei. Sie gingen alle dem Hause zu – ich nicht; denn wo sie ihr Schiff anlegten, bemerkte ich ein zweites kleines; mit diesem wollte ich ganz allein auf den See hinausfahren. Ich band es leicht los und stieß ab.
Nun wurde es weit um mich – die Berge traten zurück und standen groß da in
lichtnebligen Schleiern und sanft in träumerischer Magie, und ich schwamm auf dem
schönen, glatten, flimmernden Elemente, und bei jedem Ruderschlage rann flüssiges
Silber um mein Schiffchen. Aus dem Seehause schallten noch die Reden meiner
Reisegefährten, die schlafen gingen, und als es immer mehr und
Ich konnte nicht anders: ich ließ die Tränen in die Augen steigen, daß der Mond
zitternd und zerblitzend drinnen schwankte – o, mein Traumgold war heute auch schon
längstens wieder gekommen – ich vermochte es aber nicht wegzuweisen und zu sagen:
»Hier auch Lieb' und Leben ist.« Das Lied ging fort und wurde groß und fromm,
erschütternd einfach, wie im Kirchenstile vorgetragen – ich regte mich nicht in dem
Kahne; aber als es geendet und nur noch die Zithertöne, dieser wahre Kuhreigen der
Oberennsischen Alpen, fortdauerten und hüpften und
»Sie stören mich nicht«, antwortete er: »ich dachte mir wohl halb und halb, daß Sie oder Disson auf den See herausfahren würden. Als ich nämlich meinen Kahn ablösete, sah ich, daß an der Stelle noch mehrere angebunden lagen, die vielleicht andere benützen könnten. Die Zither, die ich hier habe, gehört gar einem ganz fremden Menschen, der sie im Seehause liegen gelassen hatte, als alle auf das Wasser hinausfuhren, um zu singen, ich nahm sie; denn in solch schöner Nacht, dachte ich, dürfte sie nicht zu Hause bleiben. Auf Sie war ich beinahe gewiß gefaßt, daß Sie kommen würden.«
»Auf mich waren Sie gefaßt?« fragte ich erstaunt.
»Ja, auf Sie,« sagte er, »und daß ich aufrichtig bin: ich erwartete Sie sogar hier.
Ich kenne Ihre Gemütslage, ich will nicht zurückhaltend sein – da Sie nun wirklich da
sind, so lassen Sie uns hier den ersten Handschlag geben, wo uns nicht die Augen all
dieser Menschen umgeben.«-Bei diesen Worten reichte er die Hand über den Bord seines
Schiffes herüber, und fuhr fort: »Wir kennen uns eigentlich schon lange; ich bin der
Freund, ich
»Emil?« rief ich.
»Ja, Emil«, antwortete er.
»Und Sie suchten mich?« fragte ich in höchster Spannung.
»Ich suchte Sie«, erwiderte er.
Wie von einer freudenvollen, schmerzensvollen Ahnung durchflogen, sprang ich auf, und wäre im Schaukeln meines Schiffchens bald in das Wasser gestürzt.
Dann mit einem Sprunge war ich in seinem Kahne, und wir lagen uns in den Armen – ich fast in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrechend – er mich fest und lange an seine Männerbrust drückend.
Endlich ließen wir los und blickten uns in die Gesichter – zwei Menschen, die sich lange suchten, geistig längst berührten, ja sich liebten und sogar körperlich schon kannten, und nun sich so seltsam fanden.
»Da ich Sie nun gefunden,« fing er wieder an, »so lassen Sie mich eine freundliche Bitte tun: Fassen Sie Vertrauen zu mir – und die ersten Tage keine Frage um Dinge in Wien.«
Schon sein Erscheinen und Aufsuchen war Seligkeit und Freude für mich, und ich schlug gerne ein. Und nun erzählte er mir, daß er gleich erkannt, eine unverstandne Wallung habe wahrscheinlich ein sonst rechtes Herz beirrt – er habe mich gesucht; er habe sogar in Linz eine Nacht im Zimmer neben mir geschlafen, ohne es zu wissen, und erst von Aston habe er brieflich erfahren, daß ich in Wien gewesen, was ihn außerordentlich erfreuet und mich gerechtfertigt habe; – von Aston endlich habe er meinen Reiseplan erfahren, und in Folge dessen habe er mir in Scharnstein vorgewartet.
»Also sind nicht alle nach Frankreich?« fragte ich.
»Nein«, antwortete er; »wir wollten es. Aber da ich
»Der Nabob?« fuhr ich heraus.
»So heißt mich Aston immer wegen meiner ostindischen Geburt«, erwiderte er.
»O Gott! o Gott! wie das alles einfach gewesen wäre,« rief ich, »und wie es jetzt geworden ist!«
»Lassen Sie nur das,« sagte er, meine Hand nehmend, »ich liebe Sie schon lange und recht von Herzen...«
»Ich habe Sie verehrt«, unterbrach ich ihn.
»Daran taten Sie zu viel,« sagte er, »und die Quelle, die unsere gegenseitigen Gefühle vermittelte, mag wohl beiderseits ein wenig parteiisch gewesen sein. Lassen Sie nur jeden Kummer, und geben Sie der jungen Freundschaft ein kleines Recht; die Verzeihung von einer andern Seite wird wahrscheinlich viel leichter zu erhalten sein, als von Aston und mir. Jetzt lassen Sie uns zusammen ein Stück reisen – und vertrauen Sie mir ein wenig.«
»Ganz und mit vollem Herzen!« rief ich aus.
»Amen,« sagte er, »und nun reisen wir zusammen, und lernen auch unsere Fehler ein wenig kennen. Vor allem ist einer gut zu machen, nämlich Ihren Kahn aufzusuchen, den Sie beim Überspringen in mein Schiff weggestoßen haben.«
Sohin nahm er ein Ruder, und ich auch eines. Der Kahn war bald gefunden und an den
andern angehängt, und dann unter verschiedenem Gespräche fuhren wir fast noch eine
Stunde auf diesem Zauberspiegel herum, und gönnten unsern Seelen Frist, so nach und
nach
O wie schön, und wie anders als vor zwei Stunden, stand der Mond jetzt am Himmel, sich neigend gegen die Felsen, die im Abend standen – herabsehend auf ein erleichtert Herz, und ruhig silbern fortglänzend, weil sich alles und jedes auf der Erde friedlich lösen müsse – und sei es auch in dem Grabe!
Nach Mitternacht gingen wir schlafen, und auch hier im engen Zimmer floß das milde Licht und zeichnete auf dem Fußboden das ruhige Fensterkreuz. Ich schaute es so lange an, bis die Mohnkörner des Schlummers auf mein Haupt fielen, – meine Mutter, meine ferne Schwester als Traumgestalten ein-, zweimal vor dem schon halb verhüllten Gehirne vorübergingen – und dann der feste, ruhige Schlaf kam.
Um vier Uhr weckte uns der Führer, und siehe, noch einmal sah ich den heutigen Mond, der mir so lieb geworden war. Auf einem gezackten Blocke des Westen lag er vor dem Tag erlöschend, während im Morgen die Röte flammte und auf dem See die langen Elfenstreifen von weißen Nebeln woben. Bis wir frühstückten, uns ankleideten und rüsteten, hatte die Sonne schon alles ins Klare gebracht, und der junge Tag blitzte freundlich auf allen Bergen. Ich wunderte mich, daß der See so klein sei; das zauberische Nachtlicht hatte mir alles in seinen Schleiern auseinandergerückt und vergrößert. Ich schaute mit frischem Morgengefühl noch einmal den Schauplatz der vergangenen Nacht an, und prägte mir das Bild dieses liebgewordenen Sees in mein Herz, um es lange nicht daraus zu lassen.
Von dem sogenannten lustigen Örtl sahen wir den See noch einmal, dann rückwärts alle
Berge bis Spital. Die andern warfen Grüße und Küsse zurück; – ich sah auf das Auge
des nächtlichen Sängers, – es lag in mildem
Um acht Uhr waren wir in Aussee.
Obwohl körperlich beschwerdevoll, war es doch geistig ein schöner Wandertag gewesen, der hinter mir lag. Viele tausend Berührpunkte fand ich an Emil, und konnte freudig anknüpfen. Alle jene Einfachheit, aller Ernst und alle Glut, die ich an ihr so liebte, ist auch in ihm, aber noch, schien es mir, natürlicher und freier herausgebildet selbst Lothar erschien etwas weiblich gegen ihn, und die Studenten scheuten ihn, wie einen Professor.
Vor großer Ermüdung gingen wir sehr früh schlafen, und beschlossen, den andern Tag,
eben den heutigen, hier zuzubringen. Nach dem Frühstücke sahen wir bei den Fenstern
auf eine Art Platz hinaus; es war wieder schön, ja der Himmel hatte ein noch blaueres
Sonntagsgewand angetan, und die Sonne strahlte festlich geschmückt. Der Platz vor dem
Hause war sauber gekehrt, auf der Bank unten saß ein uraltes Mütterchen, schön
angezogen, wie ein Kind, das man Sonntags putzt; ein nettes Mädchen ging vorüber, den
Braten zum Bäcker tragend, und gegenüber vor einem Hause standen die Leiterwagen in
einem Winkel geschoben, und der Hahn stand darauf und krähte seinen Morgenruf hinaus.
Landleute in ihrem Feiertagsanzuge kamen, und aus den Tälern erschienen
Als ich aufgestanden war, schrieb er Briefe, und ich das vorliegende Blatt an Dich, bis es sehr spät abends war.
Eben kommt alles von dem Grundelsee zurück. Es soll sehr schön gewesen sein. Man fuhr
auf dem See, und tanzte sogar im Seehaus. Der Wiener Studiosus dichtete ein Lied und
trug es aus dem Stegreif vor, dann sangen sie ein Männerquartett auf dem See; der
Doktor verschoß ein Pulverhorn voll Pulver – und ans Heimgehen dachten sie erst, als,
wie Lothar sagte, See und Felsen im Abende loderten, und ringsum das klangreiche
Lullen
Hallstadt, 17. August 1834
Emil eröffnete mir auf dem Wege von Aussee nach Hallstadt freiwillig, daß, wenn ich meine Reise abkürzen wolle, alles, was noch von Besorgnis in meinem Gemüte sei, sich viel kürzer ins Klare bringen lasse. »Augenblicklich will ich umkehren«, sagte ich; »der Großglockner hat bei meiner innern Unruhe jeden Wert für mich ohnedies schon längst verloren.«
Nur eine Woche, bat er, solle ich ihm in Hallstadt schenken; er habe diese Bitte einer eigensinnigen Person versprochen, die er mir bald vorführen werde, und die mich auch wolle kennen lernen.
Wir kamen früh genug in Hallstadt an, um die Einladung Emils annehmen zu können, mit ihm in der Gosaumühle zu essen. Er, Isidor, der Doktor, Lothar und ich fuhren in einem Kahne dahin. Auf der Gasse vor der Mühle stand ein schöner Reisewagen, und der Doktor behauptete sogleich, es sei derselbe, den er in Kirchdorf gesehen habe. – In demselben Augenblicke hüpfte eine grüngekleidete Dame aus dem Hause, und mit den Worten: »Gott grüße dich, Emil!« nahm sie unsern Begleiter schlechtweg bei dem Kopfe und küßte ihn herzlich – und als sie auch uns grüßte, denke Dir meine Überraschung, war es dieselbe Dame, die ich einst mein Griechenbild von St. Anna nannte, dieselbe schöne, blauäugige Dame, deren Angesicht ich oft in der Annenkirche studierte, und die ich nachträglich einmal in Haimbach mit Emil sah – also war die andere Verschleierte damals ohne weiteres niemand anders gewesen als Angela, und die alte Frau die Tante.
Emil stellte uns die Dame als seine Schwester vor. Sie verbeugte sich schelmisch gegen den höchst verlegenen Doktor. Ein ältlicher Mann kam mit umgebundenem Speisetuche heraus und rief unter uns: »Na, da sind sie, aber Du hast lange warten lassen; gestern den ganzen Tag saßen wir hier, und das sind vermaledeite Berge. Du mußt einen andern Wagen schaffen.«
»Oheim,« entgegnete Emil, »wir fahren ohnedies für diesmal nicht tiefer in die Berge. Natalie will nur, daß wir ein bißchen in Hallstadt verweilen.«
Natalie grüßte uns alle noch einmal als Reisegefährten des Bruders, und dann ging es an das Mittagsessen und an das Plaudern, und jeder sagte nach Tische dem andern, daß ihm die junge Dame ausnehmend gefalle.
Nachmittag fuhren wir in zwei Kähnen nach Hallstadt zurück, und richteten uns in unsern Zimmern ein, so gut es ging. Lothar wird Punkte des Sees malen.
19. August
Verzeihe, daß ich zwei Tage an diesem Blatte nichts schrieb: es war keine Zeit. Manche Wienerin würde es übel nehmen, daß eine junge Dame mit den glänzendsten braunen Haaren, dem tiefsten, schwermütig funkelnden Augenblau, und dem edelsten Gesichte, das noch dazu voll lauter Blüte und Huld ist – daß diese Dame so allein (nur ein Mädchen hat sie zur Bedienung) mit jungen Männern im Gebirge herumgehen kann; aber Natalie tut das alles so schön und einzig, daß man es ganz in der Ordnung findet; überhaupt ist sie, wenn es möglich wäre, die zweite Ausgabe von Angela, dieselbe schöne sittliche Grazie und, ich glaube fast, dieselbe Bildung. Wir vergingen die ganzen zwei Tage buchstäblich im Freien in den Gebirgen.
Es ist bereits der sechste Tag, daß wir in Hallstadt sind. Emil hat Instrumente in dem Wagen gehabt, und stellte manchmal physikalische Versuche an, während der Doktor und Isidor das Echo müde singen. Der Doktor bleibt immer noch hier, weil er in Natalie wirklich verliebt ist, und Isidor, weil ihm die ganze Sache Spaß macht.
Lothar ist nie bei uns. Er malt den ganzen Tag, und bringt von seinen einsamen Wanderungen jeden Abend himmlischere Bilder. Er ist ordentlich verwandelt in dieser schönen Bergwelt; sein Angesicht ist verklärt, sein ganzes Wesen klingt und schwebt, und er spricht nie anders als in Bildern.
Gestern abends vor Schlafengehen reichte mir Emil die Hand und sagte: »Wir sind im Klaren, Bruder; schenk dem Eigensinne der Schwester noch ein paar Tage.« Er nennt mich öfter scherzweise du, aber ich kann es nicht über das Herz bringen, ihn im Ernste darum zu bitten.
O Titus! mir ist seltsam im Umgange dieser zwei Menschen, die so einzig trefflich sind. Emil ist überall hoch und schön, wie eine große ruhevolle Alpe: sie säugt Kräuter und Blumen, trägt wehende Wälder am Busen und das leuchtende Gletschersilber; – doch weiß sie's nicht, und über ihr Haupt ist das schöne zarte Duftblau der Anmut ausgegossen. Natalie ist dasselbe, nur als sei es noch durchsichtiger, wie von einer Seesfläche zurückgespiegelt. In Wien, umgeben von den hunderttausend Lastern und Torheiten der Leute, war ich oft selbst nicht gut; in diesen Landschaften, unter diesen Menschen wird mein Wesen immer klarer und fester, und selbst der sanfte Schmerz, der noch immer in dem Herzen sitzt, steht verschönernd drinnen, wie jene Träne, die man oft mitten in Kristallen findet.
Wenn es dem Doktor gelänge, Natalie zu gewinnen, so hat er in seiner Blindheit den
Stein der Weisen gefunden.
24. August
Heute morgens nach neun Uhr saß ich mit dem Fernrohre auf dem Hallstädter Kirchhofe und sah hinunter auf den See. Er warf nicht eine einzige Welle, und die Throne um ihn ruhten tief und sonnenhell und einsam in seinem feuchten Grün – und ein Schiffchen glitt heran – einen schimmernden Streifen ziehend. – Ich richtete das Rohr darauf, und sah – es war, als träume ich – Aston mit seinen Mädchen sah ich. Fast ein Hinabstürzen war es von der Kirche in den Ort, und eben stiegen sie alle aus – der alte Herr in meine Arme, jubelnd, freudevoll Emma, lachend, sprang herbei und sagte, daß sie in ihrem ganzen Leben noch auf keinen Menschen so zornig gewesen sei, als auf mich – und Lucie reichte mir lächelnd die Hand, und schwieg und war freundlich wie immer. Sie sind in Ischl, und werden noch vier Wochen dort bleiben. Wir traten alle in die obere hölzerne Gaststube, die die Aussicht auf den See bietet, und nun ging es an ein Fragen und an ein Erzählen, und an ein Essen und Trinken – und kein Wort von ihr. Im Anschauen dieser geliebten Menschen und Freunde wurde mir Angela wieder so heiß lieb, wie in jenen schönen Tagen, ja, noch unendlich heißer und sehnsuchtsvoller; es ist, als könnte ich nicht leben, ohne sie nur einmal noch zu sehen. Jede Miene, jeder Laut, jeder Blick zog eine Reihe jener eingesunkenen Tage hervor, die so tief und so selig zurückstanden, als lägen schon Jahre dazwischen – aber heute kamen sie alle jene Tage, wieder, und standen so lieb und allbekannt vor meinem Herzen.
25. August
Der gestrige Abend hat eine Folge gehabt, die alles löste. Natalie bat mich heute, sie ein wenig in das Strubtal zu begleiten; dort aber bat sie mich um Aufmerksamkeit, sie müsse mir etwas erzählen, das lang sei – und dann erzählte sie mir folgendes:
»In den blutigsten Tagen der Französischen Revolution floh nebst vielen andern auch
Eduard Morus, aus Boston gebürtig, weil ihm Gefahr drohte, aus Paris, wo er
handelshalber ansässig war. Er ging nach Ostindien, wo er einen Bruder hatte, und
wurde dort zum reichen Manne. Seine Frau gebar ihm, nach langer kinderloser Ehe,
hintereinander vier Söhne und zwei Töchter; aber nur der älteste Sohn und die jüngste
Tochter lebten. Der Knabe war zehn, das Mädchen zwei Jahre alt, als Morus starb. Die
Mutter, eine Pariserin, konnte ihr Vaterland nicht
»Der Knabe wurde bald mit einem Lehrer nach Paris getan, und das Mädchen erhielt eine Erzieherin. Als er zwölf Jahre alt war, geschah es, daß er mit seinem Erzieher auf der Reise nach dem Landhause in eine Schenke der Cevennen trat. Viele Leute gingen aus einer Kammer aus und ein und machten traurige Gesichter, und als er auch hineinging, sah er einen toten Mann liegen, mit jungem, blassem Gesichte und einer breiten Stirnwunde, aus der kein Blut mehr floß, und die sauber ausgewaschen war. Über den Leib war ein weißes Tuch gebreitet. Als er sich erschrocken wegwendete, sah er auf einer zweiten Bank eine Frau liegen, bis auf die Brust zugedeckt; diese aber und das Angesicht waren weiß wie Wachs und wunderschön, nur in der Gegend des Herzens war ein roter Fleck, wo, wie sie sagten, die Bleikugel hineingegangen sei. Was aber den Knaben zumeist jammerte, war ein etwa zweijähriges Kind, das bei der Frau saß und fortwährend die weißen Wangen streichelte. Des Morgens hatte man sie etwa eine halbe Meile tiefer im Walde bei einem umgestürzten und geplünderten Wagen gefunden. Das Mädchen sei unverletzt unter einem Haufen schlechter Kleider gelegen, und hatte ein sehr kleines goldnes Kreuzchen um den bloßen Hals hängen.«
»Angela!« rief ich –
»Ja, unsere Angela!« erwiderte sie, und fuhr fort: »Emil
»Sechs Jahre blieb er aus, und als er zurückkam, war er ein Mann, stark und gütig.
Auch das unscheinbare Kräutlein, Angela, war eine schöne Wunderblume geworden, so daß
er betreten war bei ihrem Anblicke. Wir siedelten damals nach Wien über. Er unternahm
nun ausschließlich unsere Erziehung, und erzog sich selbst dabei. Er fing die
Wissenschaften an, und dichtete uns nebenbei indische Märchen vor, voll fremden Dufts
und fremder Farben. Er predigte und lehrte nie, sondern sprach nur und erzählte uns,
und gab uns Bücher. Wir lernten trotz Männern. Die Dichter las er vor. So wurden wir
uns nach
»Wen sie so lange geachtet hat,« sagte er, »der verdient nicht, daß man ihn so
behandle und ohne weiters
»Nun aber verzeihen Sie, daß wir Sie so lange in Hallstadt aufgehalten haben; wir liebten Sie wohl schon früher, aber durch Ihre Eifersucht geschreckt, bat ich den Bruder, daß er mir erlaube, hieher zu kommen, damit ich doch auch mit eigenen Augen sähe, an wen er unsere Angela hingeben wolle. Ich las durch Emil Ihr Tagebuch, und dieses tilgte den letzten bösen Funken, der in mir war – wie Ihnen ja die heutige Unterredung zeigt. – Sie sind ein guter Mensch, das genügt mir: was Sie sonst sind, mag die Männer angehen. Das Tagebuch ist bereits an Angela abgesendet – zürnen Sie nicht, ich habe es so angeordnet; denn unter uns ist es Sitte, daß unbeschränkte Aufrichtigkeit herrscht. Emil ist der beste und stärkste Mensch. Er opferte freudig jeden Anspruch; er liebt Sie, und will das Glück seiner Schwester gründen. Noch dürfte es Ihnen zum Verständnis dienen, daß mein Bruder der Graf Lorrel ist; Morus, Grafen von Lorrel waren unsere Vorfahrer, aber wir sind nur die Kaufleute Morus. In Wien ist man ohne unser Zutun dahintergekommen. Es wird Ihnen jetzt auch ein gewisser Satz Ihres Tagebuchs verständlich sein. In gewissem Sinne war sie immer Emils Geliebte.«
»Auch ihre Herkunft hat sich im vergangenen Sommer aufgeklärt, und Sie waren die
eigentliche Veranlassung dazu. Sie ist die Zwillingsschwester der russischen Fürstin
Fodor, der sie schon als Kind so ähnlich war, daß ihnen ihr Großvater kleine goldne
Kreuzchen mit verschiedener Bezeichnung umhing, daß man sie unterscheiden könne. Die
Fürstin wurde bei ihrem Großvater erzogen, dessen Liebling sie war, und dessen Erbin
sie werden sollte; Angela aber, die, wie wir jetzt wissen, eigentlich Alexandra
heißt, blieb bei den Eltern, und wurde
Hallstadt, 26. August 1834
Und nun habe ich meine Angela wieder gesehen, auf ewig meine Angela! Heute sind wir alle, Emil, Aston, seine Mädchen, Angela, Natalie, Lothar und ich, bis tief in die Nacht beieinander gewesen, und obwohl es spät ist, so muß ich doch noch ein Stück meines lärmenden, freudefunkelnden Herzens an Dich absenden. O komme nur, o komme nur – das sind Menschen!! Du fehlest noch, und die Häuser am Traunsee – dann wäre ja der schönste, einst so närrische Traum erfüllt; das Schwerste ist überwunden, die Menschen sind da!
Nur in Kürze kann ich Dir etwas senden – in Genf wirst Du wieder ein Blatt finden, das letzte. – Dann eile mit Windesflügeln nach Wien.
Nun etwas von dem Wiedersehen Angelas. – O Titus! komme nur, daß Du sie sehen kannst, Du siehst die reinste, fleckenloseste Lilie!
Wir kamen abends in Gmunden an! Atemlos ging ich mit Emil die Treppe hinan auf ihr
Zimmer – nur der beigegebene Diener war da und sagte, sie sei mit ihrem Mädchen längs
des Sees gegen Altmünster gegangen. Wir gingen eilig nach – meine Augen fanden sie
bald. Im gewohnten weißen Kleide wandelte sie langsam vor uns, das Antlitz auf den
abendglühenden Traunstein gerichtet. Kaum zwei Schritte waren wir nur noch hinter
ihr, als sie sich umsah – ach! ganz so schön, wie ich gedacht hatte, war ihr Benehmen
– nur eine Sekunde stockte sie, dann, nur Freude, die schöne, die herrliche Freude,
der
»Ich habe unrecht getan, Angela!« sagte ich zitternd, indem ich ihre Hand hielt und in ihre Augen sah. Fast ihren Bruder vernachlässigend, wandte sie sich ganz zu mir; und meinem Blicke voll Sanftmut begegnend, sagte sie: »Nicht unrecht taten Sie, nur übereilt geurteilt haben Sie, und sich recht viel Weh bereitet – ich will es durch noch mehr Liebe gut zu machen suchen, daß ich die Ursache war.«
»Nein!« rief ich, »ich kann nur durch die grenzenloseste Liebe schwach vergelten, daß einmal bittere Tropfen durch mich in diese Augen stiegen – und, Angela, ich will es auch vergelten, so lange in mir ein Hauch des Lebens ist.«
»Liebe verbricht nichts«, antwortete sie; »sondern nur der Haß – und Liebe vergilt nicht, sondern nur die Gerechtigkeit. – Liebe ist da, weil sie da ist, und beglückt so Geber wie Empfänger – ich bin erst recht glücklich geworden, als ich Sie so lieb gewonnen. Lassen Sie mir auch die Tropfen; sie waren nicht bitter – und ich gäbe sie jetzt durchaus nicht mehr zurück. Eines aber haben Sie zu büßen, daß Sie mir die Freude, die ich mir selbstsüchtig zubereiten wollte, verdarben; nämlich euch beide einander im Triumphe zuzuführen, und zu sehen, wie Schritt um Schritt einer den andern an sich reißen wird und nun kommen sie beide und haben am Almsee die schönste Nacht gefeiert, während die arme Schwester sich in Wien mit Ahnungen abquälen mußte: wo werden sie jetzt sein, was werden sie tun, wie viel werden sie schon gesprochen haben, wie gefallen sie sich?....«
»Aber nun sei herzlich und tausendmal gegrüßt!« fiel Emil ein; »hier hast Du beide,
und betrachte sie nur, wie sie sich schon gut sind, und es täglich noch mehr werden
Ich errötete, weil mir einfiel, daß sie so eben mein Tagebuch gelesen habe. Sie fühlte es augenblicklich und sagte freundlich: »Wenn wir in den Gasthof kommen, werde ich Ihnen alle meine geheimsten Schriften einhändigen.«
Der erste Augenblick war nun überstanden – wir gingen weiter den See entlang, und immer leichter und immer traulicher lösete sich das Band der Rede, bis alles war, wie einst, wenn ich mit ihr manche Stunde so recht in den dichterischsten Schwärmereien herumwandelte. Emil war mir keine fremde Störung, ihr ohnehin nicht, ja es war, als gehörte er eben so, wie er ist, dazu. Die Reden wurden immer wärmer und begeisterter, und die Herzen gaben sich immer reiner und unverhüllter. Drei glücklichere Menschen mochten an diesem Abende gewiß nicht in den Mauern der reizenden Uferstadt gewesen sein. Wir gingen erst in unser Gasthaus, als schon zwei Sternenhimmel leuchteten, einer über, einer unter dem See. Als Emil und ich in unserem Zimmer waren, trat ich an das Fenster, das auf den See sah, und bat Gott sonst um gar nichts, als: er möge mir die Gnade verleihen, diesem weiblichen Wesen ganz so vergelten zu können, wie sie es verdient. Ehe wir schlafen gingen, tat ich etwas, was seit Jahren das Albernste war, was ich erdenken konnte. Ich trat nämlich beklommen zu Emil und sagte, daß ich es für meine Pflicht halte, ihm zu eröffnen, daß meine Vermögensumstände geringe seien und ich seiner Ziehschwester daher nur ein sehr bescheidenes Los anbieten könne – und es drücke mich dieser Gedanke schon lange her – –
Er sah mich befremdet an, dann sagte er lächelnd: »Da hast du dir einen netten Zopf
in dem alten Europa geflochten
»Ich verachte selbst den Mann, der, wenn er ein reiches Weib heiratet, sofort jedes Geschäft fahren und sich von ihr ernähren läßt – – aber wird dein Streben in all unsrer schönen Zukunft nicht weit mehr wert sein als das, was dir hier zufällig entgegenkommt? Doch genug, es ließ dir naiv; aber ich habe es von dir nicht erwartet, daß du mit dieser Last angefahren kommen wirst. Wir wollen es den Mädchen verheimlichen: sie müßten dich auslachen.«
»So höre einmal auf!« rief ich aus, und in der Tat, Titus! es kam etwas Schamröte über mich, wie er die Dinge so gelassen einfach entwickelte. – Wie töricht weit sind wir doch in unserer Ausbildung schon in Unverstand und Unnatur hineingefahren!
»Lothar scheint derselbe Narr zu sein«, fuhr er nach einer Weile fort; »er quält sich sichtbar ab – und dennoch, als der Doktor Natalien den Hof machte, konnte sie nichts Eiligeres tun, als ihr Herz an die frommen, schönen Künstleraugen Lothars weggeben – ich habe es gleich bemerkt; er nicht, sondern er ringt und malt, und malt in jedes Bild deutlicher seine Liebe hinein. Nun, es wird sich finden. Dadurch, daß Natalie diesen Menschen wählte, hat sie ihrem schönen Wesen die Krone aufgesetzt, und dann, Albrecht, sollen deine Villen auferstehen, wenn anders Raum zu ihnen zu bekommen ist. Bringe nur bald auch den Titus.«
Die Bemerkung über Lothar war mir nicht neu – ich
Heute fuhren wir schon um vier Uhr früh über den See, in der Lambath wartete der Wagen, und wir verlebten alle den herrlichen Tag in Ischl.
Wir bleiben noch drei Wochen in dem Gebirge, und dann geht es wieder vorläufig nach Wien.
Wien, 18. September 1834
Ich muß Dir noch dies Blättchen senden, ehe ich Dich an meinem Herzen habe. Es freut
mich etwas gar zu sehr. Aston hat es zwar allein geordnet, der Plan aber ging von
allen aus. Mein Paphos, mein Eldorado, meine zwei Zimmer, wie ich sie einst dichtete,
sind leibhaftig und in Wahrheit da. Aston, der vor Freude um volle dreißig Jahre
jünger ist, und Emil holten mich heute in meiner Stube ab, und führten mich hin.
Diese Zeilen schreibe ich schon da. Die Staffelei, die Tropenpflanzen, die Bilder,
die Statuen, die grauen Vorhänge, die Geräte, das Fernrohr (aber es ist ein Plößl),
alles, alles ist da, und wie ich so recht freudig war, wie ein Kind, und dem guten,
freudigen Aston die Hände drückte, machte er sich los, riß eine unbemerkte Tapetentür
auf, und dahinter stand lächelnd Angela und Lucie, und Natalie und Emma, und hinter
ihnen die drei Zimmer, wie sie gewünscht wurden, mit dem Piano, und der Glastür und
dem Balkone und dem Garten. Alle Mädchen lachten und freuten sich, und alle mußten
den alten Aston küssen; denn er allein hat alles gemacht und ordnen lassen, und kein
Auge durfte es früher sehen, als heute. Eine Tafel stand in einem der Zimmer gedeckt
und bereitet, das Mahl zu empfangen, das heute hier in meiner Wohnung eingenommen
werden
Wien, 1. Mai 1835
Die Gundelrebe war das letzte Tagebuchblatt Albrechts, und das Himmelsröschen ist
ganz von mir, das heißt von dem Sammler und Erzähler der obigen Blätter – und das
Himmelsröschen hätte mit Fug eine Vorrede abgegeben, wenn nicht alles dadurch
verraten worden wäre. Deshalb folgt es jetzt gleichsam als Nachrede, und enthält
wieder eine Geschichte. Am ersten Mai anno domini 1835 war zu Haimbach ein großes
Frühstück. Es war da: erstens ein junger, schöner, höchst geistvoller Mann mit
ernsten Augen und mutigem Antlitz, Albrecht, der Schreiber obiger Blätter; an seiner
Seite war Angela, sein wohlgetrautes Eheweib, eine vollendete Minerva. Item ein
zweites junges Ehepaar: Lothar und Natalie; Albrecht zeichnete sie in seinen Blättern
ohnedies sehr gut. Tertio: Emil und Lucie, kein Ehepaar, sondern gute Freunde. Ferner
ein sonnverbrannter, feurig blickender Mann, mit mehr Lockenwald als Jupiter
Olympicus, aber etwas klein und stämmig: der Titus aus den Pyrenäen. Ihm
So war also jener Scherz schon in einem Jahre in Erfüllung gegangen, nur verkehrt. Lothar hatte das Griechenbild und Albrecht die Verschleierte gewonnen. Und dem damaligen Scherze zu lieb wurde das heutige Frühstück veranlaßt, um die Voraussagung so wahr als möglich zu machen.
Ich saß jenes gesegneten Tages aus purem blindem Zufalle in Haimbach, und diesem Zufalle verdankt der Leser die ganze obige Geschichte; denn, weiß Gott, wie es kam – die Leutchen alle gefielen mir so sehr, und ich etwa ihnen auch, daß sich eine Bekanntschaft entspann, und dann gar ein Mitihnenfahren, und sofort eine nähere bis heute fortgesetzte Freundlichkeit und ein traulicher Umgang, und lieb wäre es mir, wenn ich eines schönen Tages die liebholdeste Emma zum Altare führen könnte. Noch einen Rat füge ich in Schnelle bei, bevor wir scheiden, nämlich:
»Wer etwa diese Zeit her Lust hat, den Traunsee zu besuchen, der warte noch zwei oder
drei Jahre, wenn es angeht; denn dann sind die zwei wunderschönen Landhäuser schon
fertig, die ganz nach Albrechts Angabe am Traunkirchner Ufer werden aufgeführt
werden, als Wohnung der obigen Frühstückgesellschaft – wenn nicht bis
Und so, lieber Leser, gehabet dich wohl!!!