Wie Anne Bäbi Jowäger haushaltet und wie es ihm mit dem Doktern geht: ELTeC Ausgabe Gotthelf, Jeremias (1797-1854) ELTeC conversion Automatic Script 434 299313

2021-11-19

Transcription UB Basel Scan UB Basel Wie Anne Bäbi Jowäger haushaltet und wie es ihm mit dem Doktern geht Gotthelf, Jeremias Verlag von Jent und Gassmann Solothurn 1843

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18438. Vorwort.

Viel Unverstand herrscht im Leben seit uralten Zeiten; aber auch manch Lebensverhältniß ist verdoktert worden in der neusten Zeit; unglückliches Doktern ist eine Krankheit der Zeit, welche auch im Kanton Bern umgeht, und wo unglückliches Doktern ist, da ist auch ein seltsam Haushalten, unter welchem Leib und Seele leiden.Gegen den Unverstand, eigenen und fremden, hat der Verfasser sich zu Felde gelegt; so ward ihm aufgetragen, einen Feldzug zu versuchen gegen den Unverstand im medizinischen Doktern.

Da Haushalten und Doktern genau verbunden sind,eins im andern sich spiegelt, so ist man erst dann im Stande, ein Anne Bäbi in seinem Doktern zu fassen,wenn man es in seinem Haushalt zu ergründen vermag; daher wird dem ehrenden Publikum Anne Bäbi in beiden Verhältnissen dargestellt. Der Verfasser empfiehlt dasselbe zu freundlicher Aufnahme, und hofft sie um so sicherer, da wohl Niemand Anne Bäbi genug sein wird, im Anne Bäbi Anzüglichkeiten und Sticheleien 1v“ zu wittern, und wer vieles vermißt, der denke, daß vielleicht noch Mehreres nachkömmt. Ganz besonders von den Herren Doktoren, denen zu Lieb und Ehr Anne Bäbi in der Welt erscheint, hoffet der Verfasser,daß sie manierlich mit Anne Bäbi umgehen werden;und wird sie des Verfassers Schwäche im Doktern vielfach lächern, so sind sie ihm vielleicht dankbar für das,was sie übers Haushalten von ihm lernen. Auf Eins möchte er aufmerksam machen.

Ein Unheil der Zeit ist es, daß, je mehr manGott weiß, von was für Centralisationen aller Art schwadronirt, die geistigen Kräfte sich immer mehr isoliren, die verschiedenen Berufsweisen sich immer mehr absondern und gegenseitig schikaniren, so daß jemehr und mehr der Staat der Schneiderfahne ähnlich wird,die bekanntlich aus lauter Lappen dürftig zusammengenäht ist, wo keiner zum andern paßt, jeder vom andern strebt.

Wie wäre es, wenn die, welche den Leib, und die,welche die Seele doktern sollen, den Andern ein Beispiel gäben und wieder einig würden, Hand in Hand dokterten? Die Hand dazu wäre geboten!Anne Bäbi marschirt auf sammt seiner ganzen Haushaltung.

Hansli Jowäger war ein braver Mann, und Anne Bäbi, sein Weib, meinte es auch gut, aber uf sy Gattig. Hansli Jowäger hatte noch Speckseitenkutten,Gilet, wo die Säcke Deckel hatten, und wenn er nicht Spitzhosen trug, so waren seine Hosen doch aufgeschlitzt bis zum Knie, und selten war der lange Schlitz zugeknöpft. Sein Hut hatte keinen hohen Gupf, desto breiter war der Schirm, und wenn er an einem Stock z'Märit ging, so stellte er gerne das Kinn auf selbigen ab, während er um eine Kuh märtete. Sein Weib Anne Bäbi plagte ihn auch nicht mit der Hoffarth.Ihrer Großmutter Hochzeitkittel trug sie an den heiligen Sonntagen, und ihren eigenen Hochzeitkittel sparte sie der Nachkommenschaft auf. Sie hatte noch Schuhe mit währschaften Böden, aber weit ausgeschnitten, daß sie mit den Zehen kaum anhängen konnte, und für ärgäuer Fürtücher hatte ste noch keinen Kreutzer ausgegeben. Sie schämte sich, sagte sie, ein solches Hüdeli umzuhängen, in welches man nicht einmal herzhaft schneutzen könne, wenn man nicht wolle, daß die NRase am andern Ort zum Vorschein komme. Halbrystigs,das sei das Fundament in einer Haushaltung, sagte sie. Hansli Jowäger hatte sein Anne Bäbi erst geheirathet, als seine Mutter gestorben und beide weit ůber die Dreißig hinaus waren. Er wolle seinem Muetti keinen Verdruß mit einem Söhniswyb machen, sagte 1 er, man wisse wohl, wie es öppe gehe, wenn zwei an einer Feuerplatte zusammenkäͤnen. Die Frucht dieser Ehe war ein Söhnlein, welches man Jakobli nannte,gar werth hielt, als das einzige späte Sprößlein, und das ein Ausbund von Tugend und Frömmigkeit werden sollte vor Gott und Menschen.

Einmal, als Jakobeli zwei Jahre alt war, saß er auf der Mutter Schooß am Tische, und die Andern saßen auch darum und beteten und falteten die Hände wie üblich. Und weil Jakobeli schon mehr als ein Jahr lang auf der Mutter Schooß gesessen war während dem Essen, und gesehen hatte, wie man die Hände faltete, so kam es ihm endlich auch in Sinn, und er legte seine Händchen auch zusammen. Da entstand in den Eltern ein großes Erstaunen, daß dem Jakobeli etwas in Sinn gekommen, und noch dazu so etwas geistliches. Er sei ein bsonderbar Kind, hieß es, seine größte Freude hätte er am Beten, so ein geistlich Kind hatten sie noch nie gesehen; und wenn ein fremder Mensch in's Haus kam, so mußte Jakobeli zeigen, wie man bete, und allemal wurden dabei dem Hansli Jowäger und seinem Anne Bäbi die Augen naß, und alle Abende dankten sie Gott von ganzem Herzen, daß er sie mit einem so frommen Kinde gesegnet, und von da an nahmen sie an als eine heilige Wahrheit, ihr Jakobeli sei ein bsonderbar frommes Kind, und bereits geistlicher als mancher Schulmeister. So hatten sie eine göttliche Freude an ihm, und was er machte schien ihnen geistlich; und wenn etwas auch so weltlich war,daß sie es nicht abläugnen konnten, so sagte Hansli Jowäger: das sei freilich nicht ganz recht, aber man solle nur warten, Jakobeli haälte den Geist und der werde der Welt schon Meister werden, man solle ihn nur machen lassen.

Hansli Jowäger wohnte zu Gutmüthigen, und Gutmüthigen lag in einer fruchtbaren Gegend im Bernerlande.

Hanslis Haus lag nicht mitten im Dorfe, sondern etwas bei Seite in einem schönen Baumgarten, an welchem ein lustiger Bach vorüber hüpfte. Vor dem Hause war ein anmuthiges Gärtchen mit kleinen Weglein und hohem Kraut, zwischen welchem einige Pfingstnägeli und halbdünne andere Nägeli (Nelken) sichtbar waren; darüber weg sah man die Schneeberge gucken über die Vorberge her ins weite Land hinein. Hinter dem Hause lag der schöne appetitliche Misthaufen, das eigentliche Herz des Bernerbaurenhofes, ihn umfloß die braune Jauche, gleichsam ein Pudding an brauner Sauce (Chocoladé erême), und darüber weg sah man den blauen Berg, das himmelblaue Börtchen, mit welchem der liebe Gott selbst den lützelesten Theil der Schweiz eingefaßt hat.

Das Haus war ein braves Bauernhaus von altem Schlage. Tief herab hing sein Dach, aber reinlich war es drinn und drumm. Hansli war kein lützeler Bauer, er hatte ein Roß im Stall und drei bis vier Kühe, und hätte noch mehr Waare haben können,wenn er nicht gemeint hätte, weil er gerne selbst esse bis genug, so müsse auch sein Vieh fressen bis genug,und es sei im Frühling viel komoder, wenn Heukäufer einem zum Hause kämen, als wenn man um Heu den dansen nachlaufen müsse, wie die Länder den Erdäpfeln.

Schulden plagten ihn nicht, sein Gut war bezahlt,und er war einer von denen, deren es nicht so viele mehr giebt, die heimlich fett waren, die ein Säͤcklein Geld hier hatten und ein Hämpfeli dort, im Spycher,im Keller, im Trog und sonst noch wo. Zuweilen,wenn Hanusli ein neues Säcklein füllte und irgendwo verstoßen wollte, so sagte Anne Bäbi: „Aber Hansli,es gruset mir so viel Geld hier und dort, denk auch,wenn es ein Unglück geben sollte, wer könnte an Alles sinnen, und zu allem kommen im Keller, im Trog,im Spycher. Wär's nicht gut, wir machten es wie andere Leute, thäten es an Zins, wir koönnten andern helfen, und es würde uns doch nicht verbrennen.“ „Ja,ja, Anne Bäbi, ja freilich du hast recht, aber an Zins thue ich doch nicht mehr, als die Leute mich dazu zwingen. Können uns die Schriften nicht auch verbrennen,und müssen wir die Leute nicht auch plagen, wenn wir unfer Geld wieder wollen oder gar noch Zins?“ sagte dann Hansli. „Ich habe es wie David, der lieber in Gottes Hand sein wollte, als in der Menschen Hand;so vertraue ich mein Geld lieber Gott an, als den Menschen. Und denn, Anne Bäbi, wenn Krieg kommen sollte, oder Hungersnoth, oder eine Feuersbrunst,Gott behüt uns davor, wären wir nicht froh, wenn wir Geld hätten, Niemand plagen müßten, und der Zeit erwarten dürften. Anne Bäbi, wenn ich einmal den Leuten nach müßte, und um Geld aus, Anne Bäbi,ich stünde es nicht aus, ich hätte keine gesunde Stunde mehr.“ „Jo wäger Hansli, jo wäger, sagte Anne Bäbi,Du hast recht, das wäre schrecklich; und wer weiß,wie es unser Jakobeli entgelten müßte, das arme Bubeli, er müßte es sein Lebtag hören.“ Dann ging Hansli mit Anne Bäbi zu Rath, wo man das neue Säcklein verstoßen könnte, sicher und doch komod, damit es niemand fände und man es doch bei der Hand hätte in der Stunde der Noth.

So lebten sie in gutem Frieden, und Jahre lang fast, als wären sie nicht in der Welt, das heißt fast ohne alle Veränderung, ohne daß ihr Schicksal einen Stoß erlitten, ohne daß Gottes Hand an ihrem Zustande gerüͤttelt hätte.

Freilich kam in dem einen Jahr der Rost in den Flachs, ein andermal die Erdflöh dahinter, in einem Jahr waren die Käfer im Gras, in einem andern die Graswürmer im Kabis, und bald galt der Anken nur drei Batzen statt vier, und Eier mußle man gar 13 um 2 Btz. geben, und gaben doch die Kühe in diesem Jahre weniger Milch als sonst. Aber solche kleinen Abwechslungen machen selbst einen Theil der Unveranderlichkeit aus, weil sie in einer gewissen Art von Regelmäßigkeit wiederkehren. Hingegen hatte Hansli Jowääger fseit Jahren den gleichen Knecht und Anne Bäbi die gleiche Magd. Der Schneider hatte schon Hanslis Väter geschneidert, und als ihr Schuhmacher B8 starb nahmen sie dessen Jungen, der schon lange Jahre mit seinem Vater gekommen war. Beide waren kerngesund, und wenn Hansli sich verletzte, wirsete, so strich er Wagensalbe darauf, und wenn es Aune Bäbi fehlte, wenn es mucht ward, oder schwere Glieder kriegte oder Kopfweh, so aß es entweder ein Stüück guten Käs oder es trank Melissenthee, und alsobald ward es wieder gesund. Lange entstund die gröößte Veränderung, welche die meiste Unruhe schaffte, wenn eine neue Kuh in den Stall mußte. Bis Hansli eine hatte, bis er wußte ob sie schlug und ob sie trug, bis Anne Bäbi wußte, wie viel Milch sie gab, und ob blaue oder gelbe, ging wohl nicht manche Nacht vorüber,in der Hansli seine Anne Bäbi oder Anne Bäbi seinen Hansli mit schweren Seufzern nicht geweckt, Rath gepflogen, Trost gesucht hätte. Als aber einmal Jakobli da war, verloren die Kuhe an Gewicht, und je groößer er ward, um so mehr; er war es nun, der die größte Aufregung, das meiste Neue in ihr Leben brachte.

Nicht nur war er geistlich, sondern er ward auch b'sunderbar listig, und b'sunderbar groß für sein Alter,und b'sunderbar hübsch und alle Tage hübscher und alle Tage listiger, und kein Kind war noch so gewesen,und kein Kind wird es mehr so geben; und dieser Meinung waren nicht nur Hansli und Anne Bäbi, sondern auch Knecht und Magd, nicht nur Schneider und Schuhmacher, sondern auch alle Weiber, welche abgenommene Milch holten dr'Gottswillen, und auch das Maurer Vreni, welches Seife und Kaffee herumtrug alle Freitage, und weit umher kam, und also wissen mußte, wie an andern Orten die Kinder waren, und doch nirgend eins kannte, welches dem Jakobeli die Schuhriemen auflöste.

Als er drei Jahre alt war, konnte er schon sagen:das Walt Gott, im vierten Jahre betete er Speiß Gott im fünften konnte er bereits das halbe Unser Vater und im sechssten das ganze ABC.

Wenn der Vater die Sonntagskutte anzog, brachte ihm Jakobli den Stecken. Als er einmal den Pfarrer 6 sah, sagte er: „Lue dert dä schwarz Ma.“ Wenn er eine Kuh sah, so rief er Milch, und wenn ein Schaf vorüber lief, so machte er bä. Und als einmal Mädi,die Magd, einen ganzen Tag b'schüttet hatte und am Abend den Jakobli auf die Arme nehmen wollte, wehrte er sich und rief: „Müetti, Müetti, hilf, hilf, Mäãdi stinkt.“ Selbe Nacht schliefen Hansli und Bäbeli wenig,und redeten viel von Jakobeli und was das für ein Kind fei. Und von dem Tage an mußte Jakobeli jedem,der ins Haus trat, wiederholen: „Müetti, Müetti hilf,Mädi sünkt,“ und wenn das vorüber war, mußte er fagen, was der Pfarrer für ein Mann sei, und wie das Schaf mache. Dann liefen Hansli und Anne Bäbi die Freudenthränen d'Backen ab, sie troöhlten sich in seligen Hoffnungen, und wie ihre Augen glänzten in elterlichet Wonne, glänzt kein Stern am Himmel.

Jeweilen hatten sie auch Tagelöhner, und einer derselben mochte Veränderung lieben. Der gab Jakobeli an, wenn Mädi ihn nehmen wolle, so solle er nicht mehr schreien: „hilf Müeiti hilf, z'Mädi stinkt,“sondern er folle rufen: „laß mich sein und hänge mir nicht deine Flöhe an; lue doch, wie sie auf dir ume gumpen (hupfen). “Jakobeli sagte das richtig, als Abends nach dem Feierabend die Leute sich einen Genuß verschaffen wollten und der Jakobeli an den Tanz mußte.Da gafften die Leute, Maul und Nase offen. „Wie sagst du, wie sagst du?“ tönte es hier, tönte es da.Aber Jakobeli, was sagst du,“ sagte Anne Bäbi; „nein,aber lofet mir doch,“ sagte Hansli. „Wer giebt dir solches an,“ fragte Mädi. „Der Res hat es mir gesagt,“ sagte Jakobeli. Aber das glaubte ihm Niemand,man wußte, was dem Kleinen schon in Sinn kam,mehr als manchem Großen, und von dem an galt er als Genie, und man erwartete Wunder.

Um so ärgerlicher war es den beiden Eltern, daß Jakobeli in der Schule nicht der Oberste war, ja sich nicht einmal auszeichnete. Anne Bäbi hatte ihn selbst in die Schule gebracht, als er zum erstenmal sie besuchte, und nachdem sie und Hansli schon mehr als ein halbes Dutzendmal den Schulmeister auf die Erscheinung ihres Sohnes vorbereitet, ihn Zweimal eingeladen hatten, damit sie sich an einander gewöhnten.Anne Bäbeli hatte ihm die Haare schön glatt gestrählt,den Hemdekragen schön grad aufgezogen, das Halstuch herzhaft zugebunden, ihm das schoöne Namenbuch in den einen Hosensack, ein Nastuch in den andern gethan, ihn darauf an der Hand genommen und Hansli hatte gesagt: „geht in Gottös Namen!“

Jakobeli war ganz still an der Mutter Hand in die Schule gepfoselt, hatte folgsam dem Schulmeister die Hand gegeben, und als die Mutter ihm sagte, säg:„Gott grüßech Schulmeister, und Gott grüßech mit e nangere,“ hatte er gesagt: „Gott grüß ech Schulmeister,Gott grüßech mit e nangere.“ Darauf gab der Schulmeister dem Jakobeli einen schönen Batzen, damit er ihn lieb gewinne, und die Mutter sagte: „Halte dich schön stille und folg dem Schulmeister, er ist gar ein kLieber. Behüt dich Gott und komme gleich heim wenn die Schule aus ist.“ Darauf übersah sie die Kinder,dachte: Gottlob, so ein schönes und ein witziges wie unser Jakobeli ist keines da, drehte sich um, sagte dem Schulmeister: „Kömit und losit Neuis.“ Draußen steckte sie ihm noch Nüsse und Aepfel zu, damit, wenn Jakobeli Langeweile kriege, der Schulmeister ihn b'sänftigen könne, ihm die Schule nicht verleide. Und richtig,als der Schulmeister wieder hinein kam, weinte Jakobeli dem Müetti nach, mit Aepfel und Nüssen jedoch ließ er sich besäͤnftigen, und verbrachte die Zeit mit Betrachtungen und Schließen von Bekanntschaften.

Daheim harrten Hansli und seine Anne Bäbi in roßen Erwartungen ihres Söhnleins; es nahm sie b Wunder, wie viel er gelernt hatte im halben Tag,und was der Schulmeister über seine Talente sagen werde. Als man ihn von ferne her kommen sah, ging Anne Bäbi ihm entgegen, trug ihn heim, setzte ihn auf den Ofen, zog das Buch ihm aus der Tasche,und sagen sollte er, wie weit er gekommen, wenigstens zwei, drei Seiten weit, meinten sie. Allein er war ?am gleichen Orte geblieben, hatte gar nicht aufsagen můssen, da schüttelten beide den Kopf über die Verschlimmerung der Welt. Zu ihren Zeiten hätten die Schulmeister sich anders g'mühen mögen, sagten Beide,allein heut zu Tage seien Alle gleich, und Niemand mache mehr als er müsse. Der Schulmeister hatte gemeint, das Kind zu schonen, gemeint, wenn es aufsagen müßte, so könnte ihm die Schule erleiden, und dem Kinde hatte er es getroffen, aber leider gegen die Eltern sich übel verfehlet; er erfuhr es, wie schwer es ist,Allen es zu treffen. Anne Bäbi hatte ein schönes Hammli zweg, welches Jakobeli nach seinen ersten Heldenthaten dem Schulmeister bringen sollte; allein es that dasselbe wieder in den Spycher. Sie erwartete alle Tage den Schulmeister, um von ihm zu hören, warum Jakobeli nicht besser wurde, und jeden Tag, an welchem der Schulmeister nicht kam, scharrte sie einen größern Haufen Spreuer über das Hammli und sagte dazu: „Nei wäger, dich bekommt unser Schulmeister nicht;“ und doch kriegte er es, als er nach dem siebenten Tag kam,dem Jakobli ein Buchzeichen brachte und ihn rühmte,wie er schön stille sitzen könne, und sie troöͤstete, daß sie mit dem Lernen nur nicht Kummer haben sollten,er müsse ihn erst auf dem Bank erwarmen lassen, dann aber wolle er mit ihm fahren wie g'hexet.

So kam der Schulmeister für den Augenblick wieder in Sattel, nicht so aber der Vicari. Jakobli sagte eines Tages, der Vicari sei in der Schule gewesen und er hätte ihm aufsagen müͤssen, und derselbe hätte ein ganz b'sonderbar Gesicht gemacht und etwas gesagt,aber er habe es nicht verstanden. Hansli und Anne Bäbi waren überzeugt, daß er ob ihrem Jakobli in Erstaunen gerathen, und die nächsten Tage kommen werde, ihnen das Wunderbubli zu rühmen und es noch näher zu besehen. Aber der Vicari kam nicht, kam Tag um Tag nicht; ja als einmal Hansli den Vicari antraf und ihm die Zeit wünschte, that der nicht einmal als ob er ihn kennte, als ob er wüßte, daß er Hansli Jowäger und Jakoblis Vater wäre. Von da

*an hatte es der Vicari verspielt in diesem Hause, sie sagten eben nicht viel über ihn, aber wenn man von hen redete, so schüttelten sie die Kopfe und thaten bedenkliche Seufzer. Hier und da entrann Anne Bäbi blos das Wort: der alte Herr hätte am kleinen Finger mehr Verstand als der Junge an der ganzen Hand.

Jakobeli war ein gutes Bubeli, allein Anlagen zu einem Hexenmeister hatte er nicht, mit dem Lernen rückte es daher nicht besonders, wie sehr sie sich daheim auch g'mühten und Fleiß hatten. Sie klagten oft:es fei gar nicht mehr wie albez, und auf die heutige Lehr könnten fie sich nicht verssehen. Wenn zu ihrer Zeit Einer sich nur halb g'muht hätte und angewendet wie ihr Jakobeli, er hätte längst alle Bücher hinten aus gelernt. Jakobeli war ein hübsches Bubli, er hatte schöne blaue Augen, schön weißes Haar, und es Gringli, man konnte nicht genug daran luegen, wenn ihn die Mutter frisch gewaschen hatte, so schoön roth und weiß ist es gewesen, gerade wie Milch und Blut.Nur schade ist es gewesen, daß er zuweilen etwas Boses daran hatte; bald böse Augen, bald eine böse Nase, bald böse Ohren; kurz mit etwas Bösem kam er selten aus. Anne Bäbi sagte, Jakobli sei ein b'sonderbar gesundes Kind, und die seien alle wohl flüssig,und es hätte immer gehört, das gebe die chächsten (robustesten) Leute, wo in der Jugend viel ausgebrochen gewesen seien, das Ungsunge hätte sich vor use gelassen und was drinne bleibe, das sei dann lauter Zefunde Rustig (Materie, Stoff). Anne Bäbi brauchte bie Milch nicht zu sparen, und die beste kriegte Jakobeli, und felten fand sie Anne Bäbi für das Bübchen noch gut genug wie sie von der Kuh kam, sondern meist mußte in sein Kacheli noch Nidle geschüttet sein,und so halb Nidle, halb gute Milch ist ein Trank, mit welchem man ein Zaunsiecken flüssig machen könnte.Und wenn Anne Bäbi ein Schnaäͤfeli Fleisch im Kuchischäftli hatte, grünes oder gesalzenes von einer Kuh oder von einer Sau, so hatte seine Seele keine Ruhe,bis Jakobli es im Leibe hatte. Ein Schnäfeli Fleisch thäte einem Kinde b'sonderbar wohl, sagte Anne Bäbi,es mache nichts so chäches Fleisch als Fleisch, b'sonderbar wenn es es Wyltschi (eine Weile) im Kämi gewesen sei. So meinte Anne Bäbi, und wenn ein Engel vom Himmel gekommen wääre und gesagt hätte:„Hör Anne Bäbi, der liebe Gott läßt dich grüßen und dir sagen, die Nidle für dein Bübli sei zu mastig, das Fleisch für dein Bübli zu scharf, daher kämen seine bösen Ohren und Augen. Milch ist lange gut genug,und wenn du auch noch Wasser darein thätest, so würde es nichts schaden, und ein Schnäfeli grünes Fleisch könnte er wohl brauchen, aber kein anderes,“ so hätte Anne Bäbi mit Nidle und Speck fortgefahren und bei sich selbst gedacht: auf das verstehe sich der liebe Gott nicht, was Nidle und Speck konnten, wüßte man ja im Himmel nicht, und was me nit verstang, dary söll me si in Gottes Namen nit mischle. Zudem sah Anne Bäbi nicht, daß wegen einer bösen Nase Jakobeli weniger hübsch sei, es dünkete ihn gleich schön, und wenn es mit ihm z'Kilche gehen konnte, Vormittag oder Nachmittag, so war dieß seine größte Seligkeit, und wenn ihm die Leute sein Bübli rühmten, wie es afe ein hübsches und ein großes sei, sie hätten fry noch keins so esehen, so konnte es dabei die schönste Predigt über* Ja es dunkte Anne Bäbi manchmal, es thääte es dem Vicari sauft (wohl), den Jakobli einmal anzuziehen in der Predigt, aber wenn man den Verstand d hätte, so sei es halt bbs, zu kaufen fände man einen.

Anne Bäbi wendete aber auch an, wenn es mit dem Jakobeli z'Kilche ging. Seine Schuhe waren schön gesalbet, schön glatt war das Haar gestrählt, das Halstuch scharf gebunden und ein großer Läätsch stand poltzgrad use. Der Hemdekragen war schön hoch über den Kopf hinausgezogen, und in einer määchtigen Tellerkappe stach der Kopf, die Ohren darunter wohl geborgen und an der Kappe stach ein Meyen. Diese Tellerkappe hatte fast Hausstreit entzundet, und Hansli Jowäger hatte seinem Anne Bäbi das härteste Wort gesagt, welches während ihrer Ehe ihm zum Munde heraus kam; er hatte ihm gesagt: „He nu so de, wennd's zwänge witi, so zwängs.“ Dieses Wort konnte ihm Anne Bäbi lange nicht vergessen, und es dünkte ihn's,wenn er es ihm noch einmal sagte, so hätte es Muth fortzulaufen. Die Sache war nämlich die:

Sie waren einmal z'Märit gegangen alle drei, und Jakobli hatte eine schöͤne weiße Kappe an, tief über die Ohren gezogen, und das Zötteli poltzgrad auf.Aber auf dem Märit hatten alle Buben Tellerkappen,und es dünkte Anne Bäbi, wenn Jakobli auch eine hätte, so wuürde ihm kein anderer Bub nur die Zechen lecken (Schuhrieme auflöͤsen), und wohin es sah, sah es einen Kappenmann, und es dünkte ihns, einer hätte eine schönere als der andere, und unwillkürlich blieb Anne Bääbi vor einem Kappenstande stehen und Hansli auch, aber daß sein Anne Bäbi an eine Kappe dachte,kam ihm nicht von ferne in Sinn. Da rief Jakobli aus: „E Mütti, lue doch, lue, e wettigi Kappe!“ Es war eine grüne mit einem goldenen Trodel und einem rothen Bord und das Bord' war noch gelb eingefasset.Da dünkte es Anne Bäbi, man schreiße es an allen Haaren, es mußte die Kappe in die Finger nehmen,und noch immer merkte Hansli nichts, von wegen er sah zu wie ein Metzger Kälber auf einen Wagen lud,und bei jedem dachte er, ob das wohl überhauptsyche verkauft worden sei, oder bei der Gewicht. Da hörts er plötzlich Anne Bäbi fragen: Was sollte so eine kosten? Das duechte ihn von Anne Bäͤbi b'sunderbar gwunderig und uverschant, so nach etwas zu fragen,das ihns nichts anginge, und es duechte ihn, er müßte sich schänen und es wäre nützer, sie gingen. Als er,um dieß ins Werk zu setzen, sich von den Kälbern losriß und zu Weib und Kindern drehte, sah er, wie Anne Bäbi die Kappe auf Jakoblis Kopf drückte, das,duechte ihn nun, hätte afe kei Gattig. Daher sagte er;es dueche ihn, sie wollten gehen. Aber Anne Bäbi hörte nicht auf ihn, sondern sagte: sie sei wohl groß und falle dem Bub über die Augen herab, aber de Gring wachse alle Tag und wenn man sie hingerache stoße, so bessere es vorfer, und wenn er es billig mache,so könnte es einen Handel geben. „Oder was meinst,Hansli?“ sagte Anne Bäbi, da es sah, wie Hansli ein Gesicht machte gegen ihns. „He, man kann öppe luegen, es ist von heute über 9 Wochen wieder Märit.“„He man wäͤre jetzt gleich hier, sagte Anne Bäbi, und der Jakobli hanget grusam daran.“ „Komm du afe,sagte Hansli, man kann dann noch immer sehen, es duecht mi so eine Tellerkappe trage nicht viel ab.“ „He,es giebt alleweil was Neues, sagte Anne Bäbi, und zBubi daurete mich, wenn es nicht auch haben sollte,was die andern. Willst du sie zahlen, oder soll ich es machen?“ Da sprach Hansli das verhängnißvolle Wort: „He nu so de wenn du's zwänge witt, so zwängs!“und das sagte er noch dazu vor andern Leuten. Es hat Anne Bäbi duecht, man gebe ihm nicht nur einen Klapf, sondern eine ganze Hutte voll Kläpfe. Es hat sich natürlich nicht dafür gehalten, daß es die Kappe nicht gekauft hätte, aber selben Tages duechte ihns kein Wein gut und kein Fleisch; es hat immer daran denken müssen: wenn du es zwängen willst, so zwängs,und es hets duecht, wenn Hansli so werden wolle,so möchte es lieber nicht lange mehr dabei sein.Aehnliche Streitigkeiten wegen der Kleidung des Söhnchens wiederholten sich noch hier und da. Doch nicht mehr so arg, daß es Anne Bäbi duechte, es möchte nicht mehr dabei sein. Am meisten Stoff zur Rede gaben die Hosen. Hansli meinte, sein Bübchen müsse entweder Spitzhosen tragen oder doch Hosen mit Schlitzen bis an die Knie und Knöpfe dran zum Zumachen. Die seien b'sonderbar komod, sagte er, wenn einem eine Floh plage oder das Strumpfband losgehe, wie man es doch machen wollte, wenn man nicht Schlitze in den Hosen hätte. „He, es duechts,sagte Anne Bäbi, das sollte oppe sonst auch zu machen sein.“ „He, sagte Hansli, e Kittel und Hose sind zwei.“Da legte sich der Schneider drein und half Anne Bäbi,und sagte, von wegen den Flöhen und den Strumpf

143 bändern solle er nicht im Kummer sein; es hätten freilich alle Leute beider Gattig: aber man mache die Hosen nicht so eng, daß man sie nicht über das Bein hinaufstoßen könnte, so daß man die Flöhe wehren könne, wie man nur wollte. Er sehe wohl z'Weibervolk und d'Schneider seien immer unter einer Decke und zögen am gleichen Seil, sagte Hansli. Es duechne so ne Schneider müsse einen arige Kopf haben, daß er immer so neuen Moden nachfahren möge, einmal er mochte das nicht.

Jakobli war bei diesen Streitigkeiten natürlich auf der Mutter Seite, doch hatte er auch den Vater recht lieb; er war überhaupt gar kein böses Bübchen, wie er eins hätte werden können, bei all der Meisterlostgkeit,welche man ihm nach ließ. Er aß freilich kein Kraut und von der Mehlsuppe sagte er:? er möge neue nit,daran war er aber nicht Schuld, er hörte von Jugend auf immer: Jakobli, wenn nicht magst, so laß es nur sein, es ist nicht gesagt, daß du von dem essen mußt,brauch du, was“ dich gut dünkt. In diesem Stück waren Hansli Jowäger und seine Frau vollkommen einig, fie sagten beide: Einmal sie würden kein Kind zwingen, dieses oder jenes zu essen, wenn er sterben fjollte, so müßten sie sich ja ein Gewissen machen und denken, er sei an der Sache gestorben, denn wenn Gott hätte wollen, daß es dieses oder jenes brauche, so hätte er auch gemacht, daß es ihns gut dünke, und es stehe nirgends in der Bibel, daß ein Mensch von Allem brauchen solle, und wenn ein Kind zum Verstand komme,so werde es dann schon von dem brauchen, von dem es glaube, es mache ihm wohl.

Reur in Beziehung auf die Arbeit waren sie nicht immer von vornen herein gleicher Meinung. Es duechte Hansli, Jakobli sollte nach und nach zur Arbeit gesommen werden, wo er so alt gewesen sei, wie er,so hätte er schon vieles machen müssen, er lerne es nie junger, hätte albez sein Vater gesagt, sagte Haunsli.Wenn aber Anne Bäbi sagte, er solle doch nicht ein Hung sein an seinem eigenen Kinde; ein soövli witziges Kind, wie Jakobli sei, werde selbst am besten wissen,wenn es Zeit sei, daß es mit dem Arbeiten anfange,und es sehe ja, Jakobli sei nie müssig und wenn er nicht lerne, so grüble er im Herd, oder schnefle er an einem Stecken, und alles, was er vornehme stehe ihm bsonderbar wohl an, sie hätte noch kein Kind so gesehen; so stimmte Hansli völlig bei und plagte Jakobli mit der Arbeit nicht mehr.

So wuchs Jakobli auf. Er war 14 Jahre alt geworden und konnte den Flegel noch nicht stellen, hatte noch nie eine Bähreten Gras gemäht, zu dem konnte er nicht Zybern und vor dem Stöcklen hatte er einen eigentlichen Grausen, denn die Mutter hatte ihm gean. Da begannen die anderen Buben ihn auszulachen,hielten ihm vor er müsse daheim Kuderspinnen, und dem Muetti strählen und Fürfüße plätzen und Jakobli mußte darüber gar bitterlich weinen, denn er hatte ihnen nichts zu leid gethan und Anne Bäbi sagte: „Schweig nur, schweig, das sind bose Buben, du mußt dich ihrer nicht achten.“ Aber Jakobli achtete sich ihrer doch,lernte dreschen und mähen und Hansli sagte: er hätte doch gedacht, es sei am besten, man lasse die Kinder machen, wenn dann der Verstand komme so ginge es von selbst.

Wie Jakobli unterwiesen wird und die Mutter mit ihm spazieren geht.Jakobli wuchs in die Unterweisung hinein, die Eltern wußten nicht wie. Als einmal Hausli die Bibel aufschlug, wo die Geburts- und Sterbefälle der Familie verzeichnet waren, und dort Jakobli's Taufzeit fand,so wollte Anna Bäbi zuerst behaupten, Hansli sei beim Aufzeichnen verschossen. Als aber die Taufzettel der Gevatterleute die gleiche Jahreszahl auswiesen, so wollte Anne Bäbi noch lange nicht glauben, daß deßwegen Jakobli fünfzehn Jahre alt sei, sondern behauptete lange, es möge rechnen wie es wolle, so mache es nur vierzehn. Als es sich endlich ergeben mußte, da weinte es gar bitterlich, daß es Hansli fast nicht trösten konnte. Ach wenn ein Kind einmal unterwiesen sei, so sei man nicht mehr Meister, so ein Müetti werde nur verachtet, und gab wie gut einer sei, so werde er verführt, und der Teufel gehe umher wie ein brüllender Löwe und suche wen er verschlinge,und Herr Jeses, Herr Jeses, wer weiß was er aus unserem Jakobli macht, so klagte Anne Bäbi. Indessen wie über jedes Grab das Gras wächst, wächst über jedes Leid ein Trost und als Jakobli einmal in der Unterweisung war, hatte Anne Bäbi große Freude daran und mochte fast nicht warten bis die Erlaubniß nahte und es wußte, was Jakobli für einen Spruch erhielt. Sobald er aus der Unterweisung heim kam,so wurde er gefragt: „Was habt ihr heute gehabt, was hat der Herr gesagt, hast du auch antworten müssen?“Sie waren mit dem Herrn nie recht zufrieden.“ Hatte er antworten müssen, so sagten sie: es dueche sie, er sei immer nur hinter ihrem Jakobli; hatte er nicht antworten müssen, so sagten sie: sie wüßten doch nicht,was sie dem Herrn zu leid gethan hätten, aber es dueche sie, er möge sich mit ihrem Buben nicht recht g'mühen, es duechte sie, es wäre ihm das Rechte,wenn er ihn schauben (zurückstellen) könnte. Hatte er antworten können, so freute es sie sehr und sie sagten,das sei so eine Frage gewesen, mancher Erwachsene hätte nicht darauf antworten können, und wenn der Herr solches frage, so dueche es sie nichts anders,wenn die Meisten nicht antworten könnten. Hatte aber Jakobli nicht antworten können, so sagten sie, er solle ihm das andere Mal, wenn er solche Dinge frage,nur herzhaft sagen, das wüßte er nicht, das gehöre nicht zur Lehre. Keinem vernünftigen Menschen wäre zu ihrer Zeit solches in Sinn gekommen und in einer Unterweisung dann erst nicht. 4146 Indessen sagte das Jakobli nie, und wer am meisten erschrocken wäre, wenn er es gesagt hätte, wären Hansli und sein Anne Bäbi gewesen. Jakobli war nicht von den Aufbegährischen, nicht von den Naturen,welche die Revolutionen machen, er war froh, wenn ihn der Herr ruhig ließ, und wenn der Herr ihn gepiaget hätte, so hätte er geweint, aber unverschämt wäre er nie geworden; die Familienanlage fehlte ihm.Aber der Pfarrer plagete ihn nicht, das freundliche roth und weiße Gesicht gefiel ihm so übel nicht, höchstens sagte er ihm: „Jakobli fürchte dich nicht, aber gib Achtung und sage, was du weißt, mit Hocke und Ufstah ist d'Sach nit g'macht.“

Und Jakobli gab Achtung und es setzte sich Manches in ihm an, und gute Gedanken lagerten sich ab in seiner Seele, und wenn die Angst um das Antworten nicht gewesen wäre, es hatte sich noch mehr da abgelagert. Es wurde ihm manchmal, wenn der Pfarrer sich aus den Fragen und Antworten herausredete und in die Herrlichkeil Gottes und die höhere Bestimmung der Menschen hinein, ganz heiß um das Herz und das Wasser kam ihm in die Augen und er wußte nicht wo er war, und es dunkte ihn, als höre er mit Engelszungen reden in einer Sprache, wie man sie, im Himmel rede; daß er sie schon zu verstehen vermöge,das verwunderte ihn sehr, so daß es ihm manchmal war als sei er gestorben und ab der Welt. Je mehr Ostern nahte, wo er die Erlaubniß erhalten sollte,desto mehr machte ihm dieselbe Gedanken, denn da sollte er Gott selbst etwas versprechen, wie der Pfarrer sagte, und ob er es dann auch halten könnte, das machte ihm bange. Anne Bäbi sah bald, daß Jakobli ernsthafter ward und sagte ihm fast allemal, wenn er aus der Unterweisung kam: „Jakobli du mußt das nicht zu schwer nehmen, das macht nit halb sövpli und es ist grad für. Der Pfarrer ist e Göhl, daß er euch so in die Aengsten jagt, er sollte doch wissen, daß das nichts abträgt, und daß deßwegen Niemand ein anderer Mensch wird. Wenn ich zu ihm käme, ich sagte es ihm.“ Dann sagte Jakobli, daß sie das ihm nicht z'Hergotts wäre, der Pfarrer sei ihm lieb und er mache es gerade recht, und es sei ihm nie wöhler, als wenn er so alles vergesse, nicht wisse, sei er in der Kirche oder im Schulhause, im Grabe oder im Himmel, und Leib und Seele nur ein Ohr zu sein scheinen, in welches des Pfarrers Reden fielen. Er sei ihm gar b'sunderbar lieb, und er wisse einmal nicht, wie es gehe, wenn er nicht mehr in die Unterweisung könne. ZAugenwasser komme ihm allemale, wenn er daran sinne.

Solche Reden erbauten die Eltern sehr, machten aber Hansli besonders Angst. Jakobli sei viel zu gut für diese Welt und er hätte immer gehört, solche Kinder sterben frühe, aber man sehe jetzt, daß er nicht umsonst so frühe schon die Hände zum Gebete gefaltet hätte,sagte der bekümmerte Vater. Als Jakobli nach der Voradmission heim kam, so bat er Vater und Mutter um Verzeihung, wenn er sie etwa beleidiget hätte, dankte für alles Gute das sie ihm erwiesen, und versprach ihnen, daß er ihr Lebenlang ihr gehorsamer, geltreuer Sohn sein wolle.

Da ward die Rührung groß bei Hansli und Anne Bäbi und ste sagten, das sei öppe noch nie erhört worden, daß so etwas einem Kinde in den Sinn gekommen wäre. Und Sami und Mädi mußten auch in die Stube kommen und Jakobli mußte wiederholen was er gesagt hatte, und da sagten beide auch, sie haätten das nie erlebt und nie davon gehört, daß ein Unterweisiger solches zu seinen Eltern geredet hätte. Jakobli sagte endlich, es wäre ihm auch nicht in Sinn gekommen, allein der Pfarrer hätte sie dazu ermahnt.Das glaubten aber weder Hansli nach Sami, weder Mädi noch Anne Bäbi. Anne Bäbi fagte, wenn es der Pfarrer gesagt hätte, so würden es die andern Kinder auch machen und nun hätte es von keinem gehört,welches so daheim geredet hätte. Selligs käme auch einem Pfarrer nicht in Sinn, die hätten ganz andere Sachen z'sinne. Und bei diesem Glauben blieben Alle.gäb wie Jakobli widerredete. Das sei eben schön an

2 ihm, daß er nicht einmal den Namen haben wolle,sagten die Anderen.Am Tage der öffentlichen Admission gingen Alle im Hause in die Kirche; ein Jeder wollte sehen, ob Jakobli nicht der braävst und töllst unter Allen wäre,und Mädi wollte auch gleich Musterung halten, welches Meitli sich wohl für ihn am besten schicken würde.Aber zur Steuer der Wahrheit muß man es sagen,daß in der Kirche die meisten weltlichen Gedanken untergingen, und daß alle recht andächtigen Theil an der feierlichen Handlung nahmen, und daß selbst Anne Bäbi von Herzen betete, es möchten doch alle Kinder treu und fromm bleiben und nicht bloß ihr Jakobli.Am folgenden Tag war allen seltsam zu Muth.Es war keine Schule, keine Unterweisung mehr; Jakobli war daheim, war unterwiesen, konnte mit ihnen das Nachtmahl nehmen, es war ihnen fast als sei eine Thüre aufgegangen und durch diese Thüre mußten sie jetzt hinaus in eine neue Welt; oder als müßten sie Jemand erwarten, müßten Vorbereitungen machen,müßte etwas Ausserordentliches sich ereignen, der Bräutigam komme in selbst eigener Person, zu sehen ob sie Del hätten in ihren Lampen. Wenn die Eltern ihren Jakobli ansahen, so schoß ihnen das Wasser in die Augen und Jakobli strich um Vater und Mutter herum,wie treue Hündchen thun; es war ihm, als seien sie ihm noch nie so lieb gewesen und wenn er sie unvermerket anrühren konnte, so hüpfte ihm das Herz vor Freude. Diese feierliche Stimmung schwand nach und nach, aber seltsam blieb ihnen der Gedanke, daß sie einen erwachsenen Sohn haben sollten, und bei Anne Bäbi knüpften sich an den einen Gedanken unwillkürlich andere Gedanken, und weil Anne Bäbi diese Gedanken hatte, so meinte es, Jakobli hätte sie auch und daher ward es mißtrauisch gegen ihn und bewachte ihn Schritt für Schritt, und weil er ihm nichts sagen wollte, und so eine gleichgültige Miene machte, so meinte Anne Bäbi, er wolle ihm Ales verheimlichen, er hätte Wenehi mehr lieb und das kostete ihns manche bittere räne.

Die Sonntage wurden Anne Bäbi schwere Tage,die Tanzsonntage und die Anderen. Jakobli war gewohnt des Sonntags den Gottesdienst zu besuchen Vormittag und Nachmittag, und auch unterwiesen setzte er die Gewohnheit fort. Nun kam er aber nicht immer gleich nach dessen Ende heim, sondern stund hier und dort mit den jungen Burschen zusammen, stund bei den Keglern oder lief Kugelwerfern nach, ja er hatte sogar hier und da einen Schoppen, und kam erst zum Nachtessen heim. Das ließ nun Anne Bäbi fast nicht leben,es wußte nicht warum, und der Angst, welche ihns alle Sonntage Nachmittags ergriff, wenn Jakobli fort war, konnte es keinen Namen geben. Es suchte daher ihn vom Nachmittagsgottesdienst abzuhalten, that ihm,wie aus Vergeß, den Hut oder die Sonntag-Kappe in den Schaft, sobald er aus der Predigt kam, und Jakobli durfte sie entweder nicht fordern, oder wenn er sie suchte und darnach fragte, so sagte Anne Bäbi:„El! ich habe sie im Vergeß weg gethan, aber bleib du heute daheim, ich glaube es gebe ander Wetter.“ Andere Male redete es mit ihm eine Parthie nach dem Bohnenplätz oder der Flachsern ab, welche Jakobli nicht wohl ausschlagen konnte. Ging er aber einmal alleine fort,so hatte Anne Bäbi keine Ruhe daheim, es lief ihm nach ins Dorf, hatte hier etwas zu verrichten oder dort, spionirte dabei um Kirchhof und Wirthshaus herum, wo sein Jakobli sei und bei wem, und wenn er zur Seltenheit einmal im Wirthshause selbst war, so lief Anne Bäbi darum herum, wie eine Gluggere (Gluckhenne) um eine Krätze, in welche eins ihrer Hühnchen verlaufen. Kaum war dann Jakobli daheim und endlich im Bett, so kam Anne Bäbi, nahm die Sonntagshosen, losste die Hosenträger ab, und sagte,es wolle sie putzen und wegthun, Morgen hätte es nicht Zeit dazu, und sie eine ganze Woche da herum liegen zu lassen, sei ihm nicht änständig. Hatte Anne Bäbi dieselben einmal in Händen, so war es ihm als falle ihm ein Stein ab dem Herzen, als sei es einem rechten Unglück entronnen. Nun lag Jakobli im Bett und lief ihm selbe Nacht nicht mehr fort, seine Sonntagshosen waren hinter Schloß und Riegel, die Werktagshofen gab es ihm erst am Morgen zum Bette, und öhne Hosen lief er nicht herum, das wußte es wohl.Dann leerte es die Hosensäcke und zählte leise das Geld nach, wie viel wohl fehle. Jakobli hatte viel Geld aber Anne Bäbi hatie es gut in der Rechnung,und jeden mangelnden Kreuzer merkte es. Es war Jakobli auch nicht verboten Geld zu brauchen, aber wenn an seinem Gelde ein Kreuzer fehlte, so hatte Anne Bäbis Seele keine Ruhe, bis es wußte, wo derselbe hingekommen und Jakobli mußte genau brichten.Wenn es nun zu machen war, so suchte es dem Jakobli alle Münze abzulocken bis er nur grobe Silberstücke im Sack hatte; es wußte, so ein Silberstück reute ihn, er ging manchmal lieber nicht ins Wirthshaus, als daß er wechseln ließ und wenn er es that,so sagte am Abend Anne Bäbi: „E Jakobli, warum gibst du doch das schöne Silber weg, e Jakobli, das kömmt nicht gut. Warum sagst dus nicht, daß du Geld brauchen wollest, ich hätte dir auch wechseln können.E Jakobli das thue mir nicht mehr.“ Und Jakobli nahm es zu Herzen, er that der Mutter nicht gerne etwas zu leid.

Schweigend sah Hansli diesem Spiel zu, obgleich es ihm nicht ganz recht war. Er wußte von Jugend auf nichts anders, als daß ein junger Bursch mit den jungen Burschen laufe, daß er mit mache, so weit es der Grundsatz, daß jeder zu sich selbst sehen müsse, es erlaube. Ohne den geringsten Kummer hätte er Jakobli ganze Nächte ausbleiben sehen, denn warum sollte ihm eiwas Kummer machen, was Großvater, Vater und er gethan, was der Brauch war. Er hätte auch gar nicht ungern gehört, Jakobli sei bei einer Schlägerei gewesen und hätte sich brav gestellt, und wenn eine solche Schlägerei 20, 40 und mehr Kronen gekostet, er hätte nicht Mur gemacht, sondern während er das 241 Geld aufgezählt, vielleicht gesagt: „Es ist viel Geld,aber wenn man es hat, so macht es desto minder und wer weiß, ob da, wo dieß gewesen ist, nicht noch mehr ist.“

Dieses war Hansli's Ansicht. Aber er war nicht der Mann, der viel von seinen Ansichten redete, und auch nicht der, welcher seine Ansicht andern aufdrang,er war nicht der Meinung, daß er anderer Menschen Naturen meistern und modeln müsse. Es mußte stark kommen, ehe er sich gegen Frau oder Knecht die leiseste Bemerkung über ihr Betragen erlaubte, und wenn es in drei Jahren zwei Mal geschah, so meinte Anne Bäbi, wie übel es gegangen, und der Knecht sagte zur Magd, wenn er nichts mehr recht machen könne, so sei es denn nicht, daß er sein Lebtag da bleiben müsse.

So hatte Hansli Jowääger ein einziges Mal zu seinem Anne Bäbi gesagt, als Anne Bäbden Jakobli von dem Nachmittagsgottesdienst abhalten, und für einen Spaziergang in den Kabisplätz gewinnen wollte:es dueche ne, sie seien erst den lezten Sonntag im Kabisplätz gewesen.

Aber Hansli sagte so etwas lange nicht wieder,denn Anne Bäbi sagte, so erleide ihm das Leben, wenn es es so gut meine, und er reise (weise) ihm den Bub so auf. In der heutigen Welt könne man nicht Sorge und Kummer genug haben, und wenn der Vater selbst noch helfe die Kinder verführen, wo das dann hin solle? Hansli schwieg, obgleich es in duechte, Anne Bäbi thue nur zu nöthlich und der alte Gott lebe auch noch. So floß ihnen ein Sommer und ein Winter dahin und Anne Bäbi lebte übel dabei, besonders im Winter, wo es nirgends ein Bohnenplätz war, nach welchem es das Söhnchen führen konnte.

Es konnte Gott nicht genug danken, als endlich der Winter dahin ging, der Früuhling sich regte, das Pflanzen anfing und man hingehen konnte zu sehen,ob der Flachs errinnen wolle, und ob die Erdflöhe ihm was thaten, und ob die Bäume blühen wollten und kein Ungeziefer daran sei?So hatte den Sonntag nach Ostern Anne Bäbi ihren Sohn auch daheim zu behalten gewußt; dießmal hatte er es grusam ungern gethan. Man las hinter dem Wirthshause Eier auf, und wenn er schon in keine Parthie getreten war, so hätte er doch für sein Leben gerne zugesehen. Auch schaämte er sich dieser Privatvergnugen mit seiner Mutter im Bohnen und Kabisplätz immer mehr.

Seine Kameraden hatten ihn schon manchal damit aufgezogen, ihn ausgelacht, ihn gefragt, ob er sein Lebtag an der Mutter Scheube (Fürtuch) hangen wolle, ob er vielleicht noch nicht entwöhnt sei, oder noch am Lulli sauge? Jakobli war das zu Herzen gegangen; er ließ sich nicht gerne auslachen. Aber seiner Mutter sagte er solche Reden nicht wieder, ließ sie dieselben auch nicht entgelten, liebte sie nicht weniger,aber lieber wäre er nicht mehr so oft mit ihr spazieren gegangen den Bäumen oder dem Flachs nach.

LAls daher an jenem Sonntage die Mutter seine Kappe, wie im Vergeß, ergriff, sie abbürstete und weg thun wollte, sagte er recht freundlich: „Habe nicht Mühe,Mutter, ich brauche sie diesen Nachmittag noch.“ „Wo wottsch?“ fragte Anne Bäbi ärgerlich. „He Mutter, sagte Jakobli, es sind frische Unterweisungskinder heute in der Kinderlehre, und da nimmt es mich wunder, wie viel seien und was sie können?“ „He das kannst du an einem andern Sonntag noch immer erfahren.“ „Ja,Mutter, und dann möchte ich sehen, wie man Eier aufliest; ich habe schon manchmal davon gehört und es noch nie gesehen.“ „Selligs Lumpewerch sieht man immer noch früh genug, sagte Änne Bäbi. Heute ist der erste Sonntag, wo man so recht hinaus mag und do duünkt mich, es wäre anständiger, du kämest mit mir und saähest wie unsere Sachen sind; du mußt dich der Sachen auch etwas annehmen und nicht immer so sein, als gehe dich alles nichts an.“ Da schoß Jakobli das Wasser in die Augen, aber er sagte nichts mehr. Das kam nun Hansli übers Herz und er nahm es in beide Hände und sagte, es dueche ihn am andern Sonntag lese man keine Eier auf, aber auf dem Lande könne man viel mehr sehen als an diesem; es werde jetzt kaum noch etwas hervor sein. Da sagte Anne Bäbi, es wolle nichts gesagt haben, wenn das so gemeint sei;es könne schweigen, ja freilich, und ihm die Sache auch lassen gleich sein. Aber es duechs, man sollte afe wissen, wie es in der Welt gehe, und ihm nicht immer darein reden, wenn es es gut meine.

Da schwiegen allerdings Alle, und während die Mutter abwusch, saß Jakobli ganz traurig vor dem Hause, sah wie das junge Volk dem Dorfe zuströmte und konnte manchen Ruf, mit zu kommen, fast nicht beantworten, so würgte es ihn im Halse, er wußte nicht war es Halsweh oder sonst was. Hansli stund vor dem Stall, wollte tubacken, aber das Feuer ging ihm immer aus, allemal wenn er nach Jakobli sah.Der Bursche dauerte ihn, es schien ihm nicht recht,daß man ihm so vor Allem sei und ihm keine Freude lasse, ihn eingänterle, wie einen gefangenen Vogel.Er haätte gerne etwas zu seinen Gunsten gethan, er werweisete, ob er den Vorschlag machen wolle, daß sie sammt und sonders hingehen und dem CEierlesen zu sehen wollten, oder ob er noch einmal es wagen wolle,ihim z'best z'reden? Heute sei es nun einmal so, dachte er endlich, aber so könne es nicht gehen, ein andermal müsse er doch noch ein Wort reden; so habe ja der Bube keine Freude, und doch war es ihm wieder nicht recht, daß er ihn so im Stich ließ; er trätschete ihm näher und näher und fing ihm an zu reden von seinen Schafen und Tauben, und es dueche ihn, es wäre Zeit fort mit seinen zwei Widderlämmern, er löse jetzt am meisten. Am andern Dienstag sei Markt in Solothurn,er sollte hinab wegen einer Kuh und wenn Jakobli Lust hätte, so könnte er mit seinen zwei Lämmern ihn begleiten, er wollte sie ihm treiben helfen.

Anne Bäbi hörte das beim Abwaschen, und es duechte ihns, einem solchen Alten, der seinen Sohn selbst aufweise und zur Liederlichkeit verführe, sollte man die Ruthe geben. Aber wenn es sein müsse, so wolle es es ihnen schon reisen. Der Weg werde wohl breit genug sein für alle drei, und im Keller oder im Gaden werde wohl auch etwas sein, das verkauft sein müsse.Anne Bäbi pressirte mit dem Abwaschen nicht, die Hauptsache war ihm die, den Nachmittag zu verbrauchen. Längst hatte es verläutet, als es hinauskam,noch die Kappe bindend. „Du wirst wohl nicht mit lommen, sagte es, die Thüre hinter sich zuziehend, zu Hansli, und ich werde nicht beschließen sollen ?“ „Es wird wohl Jemand hüüten müssen,“ sagte Hansli. „He nu so de, sagte Anne Bäbi, und häb nit längi Zyti,wir kommen bald wieder.“

Anne Bäbi ging voraus, Jakobli hinter drein mit den Händen in den Hosensäcken. Anne Bäbi hatte viel zu sehen, Jakobli viel zu sinnen. Es nahm Anne Bäbi fast mehr Wunder, was für Sachen andere Lente hätten, als wie ihre eigenen stünden, und was es sah und was es fand, das bemerkte es laut zu Jakobli's Handen, und Jakobli hörte es schweigend und Anne Bäbi begehrte es nicht anders, es machte sich selbst die kürziste Zyti.

An die Bemerkungen über Acker und Bäume, knüpfte es Bemerkungen über ihre Eigenthümer, über Mann und Weib, Kinder und Kindeskinder und hatte so fast für sich selbst das halbe Dorf verhandelt, als sie endlich zum eigenen Flachse kamen. An demselbem hatte Anne Bäbs große Freude und meinte: „es nehme es nur Wunder, was die Schnitzigebüri, wo immer witziger sein wolle als alle andern Leute, sagen werde,wenn sie diesen Flachs sehe und dann ihren dagegen halte. Es nehme es nur Wunder, was sie zWort haben werde, daß sie den Schlechtesten hätte weit und breit, wer daran Schuld sein müsse, ob der Mann,oder der Acker oder der lieb Gott.“

Als Anne Bäbi sich sattsam am Flachs erlabet hatte, manchmal z'ringsum gegangen war, daß man hätte meinen sollen, es zähle die Stüdeli, sagte es „es dueche ihns, es möchte noch zu den Bäumen auf dem Langacker, es hatte ihm noch Niemand sagen können, ob die blühen wollten oder nicht.“

Da sagte Jakobli: „es duech ihn, er möchte heim,es wolle ihn anfangen, so wunderlich zu frieren.“

„Warum nicht gar frieren, sagte Anne Bäbi, die Sonne scheint ja so schön warm, das sy mr afe Flause.“Anne Bäbi hatte schwer von einer Gedankenreihe zur andern zu kommen, und wenn es etwas im Kopfe haite,so war es, als hätte es keine Augen mehr darin. Es hatte nun im Kopf, Jakobli möchte heim, um noch zum Eierauflesen zu können, und weil von der Flachsern der Weg, beim Wirthshaus vorbei ging, so Ffürchtete es, er möchte ihm beim Wirthshause dähinten bleiben,und ganz z'Wüsteste dürfte es nicht machen so vor allen Leuten.

So wanderte es ohne weitere Complimente dem Längacker zu, und Jakobli stillschweigend der Mutter nach. Unterwegs dachte die Mutter, so einen wie sie hätte doch Niemand; unter hunderten käme kein Einziger so styf der Mutter nach und gäbte ihrs Gleit,während die jungen Burschen wüst thuen. Aber es käme bei allen Sachen darauf an, wie man es vornehme.Billig sei es doch, daß er auch was hätte, und wenn ste heim kämen, so müßte er ein Kaffee haben und einen Eiertätsch, wie es längs Stück keinen gemacht hätte. Als es diesen Entschluß gefaßt hatte, fetzte es seine Verhandlungen fort und auf dem Heimwege, auf welchem das Wirthshaus weit bei Seiie liegen blieb,wurde der andere halbe Theil der Dorfschaft über das Knie genommen.

Wie Jakobli eine Krankheit kriegt und eine Jungfere ein Doktor wird.Als sie heim kamen, stund Hansli noch an demselben Flecke, wo er gestanden, als sie ihn verließen;es war zweifelhaft, ob er ihn je verlassen oder zufällig wieder auf denselben zu stehen gekommen.

„Guten Abend, Aetti, sagte Anne Bäbi ganz vergnügt; gall wir sind früh wieder da.“ Und somit stellte sich Anne Bäbi, und wollte anfangen Bericht zu geben über ihren Flachs und ihre Bäume und über anderer Leute Flachs und Bäume. Da sagte Hansli: „E aber Jakobii, was fehlt dir, du bist ganz wyß und es schuütlet dich wie ein Espenlaub?“ „Es friert mich,Aetti, sagte Jakobli, und ist mir grusam übel; wenn ich nur schon im Bette waäͤr.“ Da sah auch Anne Babi ihn an und erschrack grusam und sagte: „Aber Herr Jeses Bub, wie siehst du aus! warum sagst du es nicht, und lässest mich in den Längacker gehen?“ „Mutter, ich habe es dir ja gesagt, es ist mir schon ein paar Tage so wunderlich gewesen.“ „Nein freilich hast du mir nichts gesagt; nur so etwas gemuürmt hast du, und ich habe nicht gemeint, daß es dir Ernst sei.Warum sagteft du nicht, daß es dir Ernst sei? Gehe ins Bett auf der Stelle, ich will feuren und dir Warms machen.“ „Aber Mutter, sagte Hansli, wenn dir der Bub sagt, es fehl ihm, warum kömmst du nicht mit ihm heim; das duecht mich doch strengs von dir.“Ich werde jetzt noch sollen Schuld daran sein, sagte dinne Bäbi? Warum kömmst du nicht mit? du hätiest gemerkt, daß es ihm fehlt. Ja wolle, so komm mir nicht! aber ich weiß wohl, daß ich immer an allem Schuld sein soli; das ist mir nichts mehr anders. Aber wer ist da bei ihm gestanden im Schopf, und hat gemacht, daß er da am Luft bleibt hocken? wer ist das gewesen, wer?“ Hansli versäumte mit Reden sein Anne Babi nicht länger, sondern ging, gab den Kühen eine neue Bahreten und sah dann nach dem Jakobli;der lag schon im Bette und schlotterte, daß es ihm die Zahne zusammenschlug und die Bettstatt sich bewegte.Wie ein weiß gewaschenes Tuch lag er da und konnte dem Vater nicht einmal sagen wie es ihm gehe, so jagte es ihm den Mund auf und zu.

Es ging nicht lange, so erschien Anne Bääbi mit 27 einem Kacheli Kaffee und nicht lange darauf Mädi mit einem Eiertätsch. Nachdem Anne Baäbi ins Blättli geschüttet, geblasen, versucht hatte, trat es zum Bett ünd Jakobli sollte nehmen, das werde ihn schon wärmen, sagte es. Aber Jakobli konnte sich nicht fest aufrecht erhalten; mit seinen fliegenden Händen konnte er das Blättlein nicht zum Munde bringen. Hansli sollte helfen, konnte das Schlottern und Schütteln auch nicht verwehren, noch weniger Mädi, und Anne Bäbi zankte bitterlich Alle aus, es dünkte ihns, sie machten expreß alles verkehrt, und die ganze Welt sei wider ihns und thue ihm Alles zu leid. So hässig hatte man es noch nie gesehen; es gab sogar der Katze einen Stupf mit dem Fuße, da sie zu sehen kam, warum die ganze Haushaltung im Stüble sich versammle und wo der Eiertätsch bleibe. Endlich ging die erste Stör vorbei und es kamen Hitze und Glut, und Jakoblis Gesicht ward wie ein heißer Ziegelstein, und er sagte:er liege wie im Feuer. Da ward Anne Bäbi noch hässiger; es schnauzte Maädi an, wo es den Melissenihee habe, den es ihm längst befohlen hätte, von welchem Befehl aber kein Mensch ein Wort gehört. Es schnauzte Hansli an, warum er da herumstopfe und einem allenthalben im Wege sei; es dueche ihns, es wäre Zeit, daß er sehen würde, wie es im Stalle ginge, es wäre genug, wenn es da wäͤre. Als endlich älle draußen waren, da ließ es Tropf um Tropf aus den Augen rinnen, und je mehr sie rannen, desto mehr deckte es den Jakobli zu. Die Nacht durch duldete es Niemand bei Jakobli, jagte mit Schnautzen und Häßelen alle ins Bett, es sollte Niemand sehen wie ihm war.

Es war eine üble Nacht. Schauer wechselten mit des Feuers Glut; ein heftiges Kreuzweh stellte sich ein; Kopfweh schien Jakobli des Kopfes Deckel oben absprengen zu wollen, und dann ward ihm wieder,als ob sein Gesicht in einem Ameisenhaufen stecken thäte und der übrige Leib in Nesseln. Und Anne Bäbi hatte Seelenangst, es betete und weinte, wenn Ja.24 kobli es nicht sah, und gegen Morgen duldete es es nicht mehr länger alleine, es weckte Mädi und fragte ihns, was es meine und ob Jakoblis Haut nicht so wunderlich g'flecket wäre? Aber Mädi fand, es hätte viel bessert, es schlottere ihn ja gar nicht mehr, und an der Haut sehe es nichts appartes. Als Hansli oben reden hörte, dachte er, es werde wieder erlaubt sein, und kam auch und war Madis Meinung;und wenn Jakobli auch klagte, es sei ihm grusam übel,so meinten sie, es werde ihm jetzt schon wieder bessern,wenn er nur brav trinke; das Fieber, duechte sie,wird nicht mehr Alles zwängen.

Aber die Glut ließ nicht nach, die Ameisen stachen immer schmerzlicher, die Nesseln brannten immer glühender; es säß doch etwas Seltsames auf oder unter der Haut. Diese wurde grübelnd, es traten kleine Erhöhungen deutlicher auf, dieselben gestalteten sich zu Bläschen, und die Bläschen wurden rigeldick und wuchsen immer deutlicher und größer, und Anne Bäbi sagte immer Herr Jeses, Herr Jeses, und Hansli sagte, er wisse nicht, was das geben solle, und wenn man Mädi fragte, so sagte es, es wisse nicht, was es sagen selle,bald dueche es ihns, es sygs, und bald, es 35 wieder nicht, und da wolle es lieber nichts sagen. Und während so Niemand was sagen wollte, einen lieben langen Tag lang und eine lange Nacht hindurch, kam eine Nachbaäͤurin und sagte, sie müsse einmal kommen und sehen was es gebe. Sie habe von ihrer Hausfrau gehört, Jakobli sei so übel, er werde kaum davon kommen. So bald sie ihn sah, schrie sie: „Herr Jeses,Herr Jeses, das sind ja die rechten Blattern oder dKindsblattern, wie man ihnen albez gesagt hat. Habt chr ihm die Kuhblattern, oder wie man ihnen sagt, nicht geben lassen, wo er noch jung gewesen ist?“

„He, was du nicht sagst, Mareili, antwortete Anne Bäbi, das kann nicht sein, das kann wäger nicht sein. Mein Jakobeli kann die Blattern nicht haben, er hat sie wäger nicht, ich wüßte gar nicht,wo er sie aufgelesen haben sollte; es hat sie ja Niemere 29 centum, und so von selbst wüßte ich nicht, wie sie kommen könnten.“ „He, es muß sie wäger immer Jemand zuerst haben, aber es ist möglich, daß ich mich irre; und wenn er geimpft ist, so wird es wohl sein,“ sagte Marei, die Nachbäurin. Ja, eben nicht,sagte Hansli, d'Blattern haben wir ihm vom Doktor nicht geben lassen, es ist nicht der Bruch gewesen in unserem Haus, der Aetti hat es nicht gethan und der Großaätti nicht und Niemere, so wyt me si hingere b'sinne cha. Und do hey mer g'meint, zAnne Bäbi un ih, es werd öppe nit nöthig sy, und wenn Niemere vo üs dra g'storbe syg, so wüßten wir gar nicht,warum es unserem Kind etwas thun sollte, und es wäre doch auch schrecklich, wenn wir das arme Kind so unnöthig plagen würden, und so muthwillig wären und es krank machten für nüt und wieder nüt, und da hat es sich nie welle schicke, und so ist die Sache unterwege bliebe.“ „Jo, so ist es gegangen, sagte Anne Bäbi, aber ich habe doch kein einziges Wort dagegen gesagt, und ich bin gar nicht darwider gewesen, und ich hätte nicht gewüßt warum? Hat doch meiner Schwester Schwähers Bruders Sohn allen seinen Kindern die Blattern geben lassen, und so hätte ich nicht gewußt, warum ich apparti dawider sein sollte.“ „Aber zwängt heschs o nit,“ sagte Hansli.„Ich weiß wohl, sagte Anne Bäbi, ich soll immer an allem Schuld sein. Ja, wenn ich ihn in den Wirthshäusern hätte lassen herumtrohlen, ja, oder wenn ich ihn gar auf den Märten herumgeschickt hätte, wo allerlei Jeug daher kömmt, man weiß nicht, was für welches und woher, ja da wäre es etwas anders, da müßte ich mir ein Gewissen machen. Aber Gott ist mein Zeuge, daß, wenn ihn Jemand daheim behalten hat, so war ich es. Ja, wenn Andere Meister gewesen wären, ja dann glaube ich wohl, dann wäare es anders gegangen. Aber Herr Jeses, die rechten Blattere werden es nicht sein, ich wußte nicht, womit wir das verdient hätten. Ja, wir sind auch arme Suünder,aber öppe öppis schlechts, gäb wie liecht, haben wir doch nicht gemacht, oder es soll Jemand füre stah,und sagen was? Aber Herr Jeses, my Jakobli, my Jakobli, wie gehts, und wennd' numme dr vo chunst,sygs de was es well. Aber die rechte Blattere werden es nicht sein. Nein, es sind sie nicht, ich wüßte nicht,warum uns Gott die schicken sollte, uns, vor allen andern Leuten. Nein nadisch sövli schlecht sind wir doch nicht, und die rechten Blattern sind es nicht, u sövli ungrecht wird doch nadisch üse Herrgott nit worde sy.“ „He, sagte Mädi, es wäär si desse nüt z'verwungere, we's o üsem Herrgott böseti, we doch d'Welt all Tag schlimmer wird.“

Aber es waren doch die rechten Blattern, und zwar brachen sie hervor mit gar fürchterlicher Macht. Glücklicherweise schlugen sie nicht innerlich, da wäre Jalobli alsobald des Todes gewesen; aber Jakoblis gut genährte mastige Natur bot der Krankheit gewaltige Nahrung, und bald war der ganze Leib nur eine Blatter,und das ganze Gesicht nur eine Eiterbeule, selbst in den Augen drangen sie hervor, und die Augen verwuchsen und kein Licht drang in dieselben, kein Blick drang mehr aus den Augen zu Vater oder Mutter, ja, man wußte kaum, wo die Augen gewesen waren. Da ward der Jammer groß im Hause, man wußte nicht, bei wem am größten. Aber Hansli sagte nicht viel, als etwa, da müsse etwas gehen, so könne man die Sache nicht lassen. Wagensalb sei b'sunderbar heilsam, und wenn er glaubte, es hülfe etwas, so wollte er gerne etwas darmachen, oder wenn er wüßte, daß z'Beten mehr hülfe, so wollte er fürfahre bis es b'schossen hätte, der liebe Gott werde doch nit soövli wyt vonne sy, daß er es nicht hören sollte, bis es zu spät sei.Bei Anne Bäbi war der Jammer viel lauter und brach allemal neu hervor, wenn es die Leidensgestalt sah,die da vor ihm lag. Das war der schöne Jakobli,der schönste Bub weit und breit, und jetzt eine einzige Blattere, aus der Seufzer um Seufzer stiegen und zuweilen ein anhaltendes Wimmern. Und dazu sagten alle Leute, welche kamen: „Aber Herr Jeses, davor hät 5351 tet ihr sein köͤnnen; warum ließet ihr ihn nicht impfen?aber jetzt ist nichts anders zu machen, da muß gestorben sein, und wenn einer selig sterben kann, so geht es ihm nicht übel, und es ist immer Jemand da, wo die Sache nimmt, wo er geerbt hätte. B'hütis, dafür braucht man keinen Kummer zu haben!“ Das waren Trostsprüche, welche sich Anne Bäbi in die Seele bohrten, ein jeglicher wie ein appartiger Bohrer, und es jammerte und haderte mit Gott und Menschen und endlich am meisten mit sich selbst Es fiel in die Zerknirschung, die jeden Athemzug für Sünde hält, und wußte von Kindsbeinen an zu erzählen, mit was allem es sich versündigt hätte, und absonderlich mit Jakobli,und warum es Gott so exrpreß mit ihm strafe, wo doch kein. Mensch die Blattern habe, und sah immer Sünden da, wo keine waren, die eigentlichen aber sah es nicht. Da liegt eben der größte Fehler, da; die Meisten ihre eigentlichen Sünden nicht erkennen, auch wenn die größte Bußfertigkeit über sie gekommen ist.Zu helfen hatte es ganz den Sinn verloren und nur noch Sinn zum Jammern und Klagen. Als die Leute immer zahlreicher kamen und jeder ein neu Mittel angab, und doch jeder fragte: was für einen Doktor sie hätten ? so sagte endlich Mädi zu Hansli: „es werde Eine zuche müsse. Wenn es schon nichts helfe, so brauche man sich doch dann, es möge gehen wie es wolle, kein Gewissen zu machen.“ Wa sagte Hansli zu Mädi: „Jo wääger, du hast recht, so braucht man sich doch kein Gewissen zu machen. Wir haben es zwar nicht im Brauch gehabt, ich nicht, der Aetti nicht und der Großättt nicht, aber sövli hart hat es auch keinen z'Weg genommen.“ „Zu welchem soll ich?“fragte Mädi. „Das ist mir gleich, sagte Hansli, es wird oöͤppe ein Jeder gleich viel können, aber es ist nur von wegen den Leuüten. Es ist ein Anderer, und der befiehlt, und was geschehen soll, das geschieht.“Mädi schickte Sami und der Doktor kam.Sobald er Jakobli sah, sagte er: „vor dem hätten ste sein können, und er begreife nicht, wie Eltern ihren Kindern solches Leiden anthun mögen, wenn sie es ihnen doch ersparen könnten. Jetzt sei nicht viel mehr zu machen. Mittel gebe er keine, zu trinken sollten sie ihm geben nach seinem Bedürfniß Haberkernenbrühe und Eibischthee mit Süßholz. So viel Leute soliten sie nicht in der Stube haben, das mache dem Armen nur Angst, und finster sollten sie machen, und machen, daß keine Fliegen in die Stube kämen.“ „Aber Doktor, stirbt er, stirbt er?“jammerte Anne Bäbi. „Lueg Frau, das kann ich dir nicht sagen, aber wenn ihr ihm gut lueget, und nicht da um ihn brüllet und pläret, so ists möglich, daß er davon kömmt. Die Blattern sind hinaus, und wenn man ihn jetzt gut warm hält, daß sie nicht zurückschlagen und gut abdorren, so kommt er davon.“ „Aber lueg, Doktor, die Augen sind ganz verschwollen; schon zwei Tage sieht er nichts mehr, nicht einmal mich.Sollte man da nichts machen, und kömmt er nicht um die Augen?“ „Sieh Frau, da kann ich dir nichts sagen,und machen auch nichts, mit Netzen und Salben würde man da nur verderben. Man muß warten, bis die größte Geschwulst der Augendeckel etwas vermindert ist, wo man dann erst sehen kann, wie es um das Innere steht. Dann könnt ihr es mir sagen lassen,wenn ihr wollt; man kann dann sehen, wie die Sachen stehn. B'hüt ech Gott, lebet wohl und schicket mir die Leute fort, macht kühl im Stübli und jagt die Fliegen aus,“ sagte der Doktor und gingg.

Da versank Aune Bäbi wieder in unaussprechlichen Jammer: „O Jakobli, mein Jakobli,“ mehr wußte es nicht zu sagen. Hansli sagte gar nichts, sondern ging in den hintern Ecken des Hauses, wo der Mist stund,und was er da machte, sah Gott. Aber Mädi räsonnirte und sagte: „der wisse doch aller Himmelswelt nichts, nicht einmal ein Tränkli wüßte er zu geben,so konnte es auch doktern. Wenn es Nichts sei, so hätten sie ein Brüll vom Tüͤfel, daß man meinen sollte,was sie wären, und wenn dann Noth an Mann wäre,so wären sie grad wie Oelgötzen, und ob man deren *22*880 hätte oder Dokter, es komme gerade ins Gleiche. Aber da müßte etwas gemacht sein, so könnte man die Sache nicht gehen lassen.“ Nun machte aber Mädi von dem nichts, was der Doktor sagte, als daß es dem Kranken brav zu trinken gab. Aber nicht Habermuß, sondern Melissen- oder Holderthee. Hingegen je miehr Leute kamen, um so lieber war es ihm, und je he ißer es in der Stube ward, um so mehr deckte es den Jakobli zu. Nachdem diese gesagt: „Herr Jeses, wie sieht der aus, der kömmt nicht davon, und wenn er schon davon kommt, so koömmt er nie mehr z'weg, e Letz, es Näggis (böse Folgen) trägt er sein Lebtag davon.Und 'mit der Hübschi ist es allweg vorbei, es mag gehen wie es will; ein Gesicht bekömmt er, wie eine dersprengte Pulverstampfi,“ so fragten sie: „Aber machet ihr nichts? habt ihr keinen Toktor? geht ihr zu Niemanden?“ Dann war es Mädi angeholfen; es konnte erzählen, wie sie so einen Ochlgötz in der Stube gehabt, aber ob man ein Ofenbein oder ihn gefragt, es waäre auf eins gekommen, es häaäͤtten beide gleich viel gewußt. Es wolle jetzt sehen, ob es nicht noch mehr wisse, als so ein hochmüthiger G'stabi, dem man noch Doktor sagen sollte. Und wenn es dann die Leute frugen, was es mache, so gab es Bericht, wie es Jakobli salbe, und alle halbe Stunde mit etwas anderem, und es dueche ihns, es thue ihm b'sonderbar wohl. Das fanden die Leute recht gut, und jeder wußte noch etwas; die einen meinten, süßer Anken wäre gut; andere gaben dem Schmeer den Vorzug;einer hatte eine b'sonderbar gute Augensalbe, welche er bringen, und einer ein berühmtes Äugenwasser, das er schicken wolle; und zuletzt frug dann Hansli wohl noch, was sie meinten, wie Wagensalb wäre, das sei sonst b'sonderbar heilssanmn. Und wenn dann so Rath gehalten worden war, so betete dieß und betete jenes,ünd Anne Bäbi jammerie, und alle Augenblicke machte Jemand die Thüre auf, und Fliegen surrten hinein,und alle Augenblicke machte man den Umhang weg,um den Jakodli zu zeigen, und das scharfe Licht fiel 3 auf das unkenntliche Gesicht. Und jeder der wegging,gab noch seine Meinung ab, wie lange er es wohl noch machen könnte; in der Nacht könnte es wohl eine Aenderung geben, meinten die Meisten. Was auch komme, sie sollten es in Gottes Namen annehmen,sagten Andere, und die, welche am meisten Hoffnung hatten, sagten, wenn er den neunten Tag erlebe, so könnte man wieder hoffen, daß er mit dem Leben davon komme, aber ein Näggis behalte er allweg.

Unterdessen hatte Mädi grusam Fleiß und salbete Tag und Nacht, bald mit Nidlenhaut, bald mit süßem Anken, bald mit Schmeer, bald mit Augenwasser oder Augensalbe, je nachdem es das eine oder das andere bei der Hand hatte. Es wolle doch sehen, ob dann alles nichts helfe, und wenn das eine nichts nütze, so nütze doch etwas anderes; es wäre bös, wenn unter so viel Sachen nicht Eine die rechte sein sollte.

Jakobli lebte immer noch, lebte über den neunten Tag hinaus. Die Blattern am Leibe fingen an zu dorren,wobei der arme Bube erst in rechte Leiden kam; aber im Gesicht wollte es nicht dorren; es ward wüster und wüster,und keinen Stich sah Jakobli. Anne Bäbi hatte sich etwas erholt, hoffte wieder auf Jakoblis Leben, und dankte Gott dafür. Aber da es dieses hatte, so fing es sich erst recht an um Jakoblis Schönheit zu kümmern. So schöne glatte Haut hatte er gehabt, und jetzt sollte er schwarz und blatterdüpflet sein sein Lebenlang. Wohl trööstete es sich lange damit, daß viele Leute die Blattern gehabt hätten, und die hätten keine Zeichen mehr, aber ob es Jakobli so sein werde, das wußte es nicht. Zudem fing es ihm an immer mehr Angst zu machen von wegen den Augen. „Wenn er blind würde, my Jakobli blind, ich sprung ins Wasser,“ sagte es des Tages so manchmal. Dann tröstete Mädi, Anne Bäbi sollte doch nicht so Kummer haben, es sehe ja, es komme gut, es hätte ihn mit dem Leben davon gebracht, es wüßte nicht, warum es ihm die Augen nicht auch davon bringen sollte; es heiße ja in der Bibel, das Leben sei mehr als die Augen. Es wolle Fleiß haben Tag und Nacht mit Salben und Wäschen, und es müßte alles nichts b'schüͤßen, wenn es nicht gut kommen sollte.Es wolle aber Freude haben, wenn alles gut komme,man könne dann sehen, was so ein Doktor abtrage,ob er für etwas anders da sei, als den Leuten das Geld abz'stehle, und den lieben Gott taub z'machen mit seinem Hochmuth. Aber das Ding kam nicht gut.Das Gesicht sah immer wüster aus trotz Mädis Fleiß;und Anne Bäbis Kummer und Angst wurden immer größer, während Hansli ergeben war und meinte, der Herr, der bis hieher geholfen, werde auch weiter helfen, und wenn Mädi von seinem Wagensalb hätte brauchen wollen, so wäre es vielleicht schon gut.

Da kam einmal unter den vielen Besuchenden eine vernünftige Base von Anne Bäbi. Als man dieser den Umhang weg machte und sie Jakoblis Gesicht sah,erschrak sie und sagte: „Mein Gott, mein Gott, wie sieht der arme Bub aus! das koömmt nicht gut, der wird blind.“ „O nein, sagte Mädi, der wird nicht blind,es hat ihm schon viel gebessert, und wenn er mit dem Leben davon gekommen ist, so wüßte ich gar nicht,warum er sollte um die Augen kommen.“ „Aber lueg doch, sagte die Base, am Leib sind die Blattern trocken,aber das Gesicht ist ja fast wie ein Brei, und wenn ich nicht irre, so eitert das, und wenn ihr nicht dazu thut, so eitern dem armen Buben die Augen aus dem Kopf.“ Da schwoll Anne Bäbis Jammer von Neuem auf, aber auch Mädis Zorn. „Das wäre g'späßig,sagte es, wenn es nicht wissen sollte, ob es bessere oder nicht, es sei jetzt bald vierzehn Tage dabei gewesen und nie aus den Kleidern gekommen, und da wisse man doch, ob es bessere oder nicht; numme so vom ersten Anluegen könne man nichts sagen. Wenn man meine, es mache die Sache nicht gut, so solle man seinethalb jemand anders anstellen, der mehr Fleiß habe als es. Man könne dann sehen, wie es komme,aber es wolle nicht Schuld sein.“ „Wird nit höhn,Mädi, sagte Hansli, fahr du nur fort, wir sind ja mehr als zufrieden.“ Aber Anne Bäbi war nicht der Meinung, daß man so fortfahren sollte. Die Baste hatte ihm eine Angst in der Seele entzündet, die nicht mit Hanslis Ergebung Mädis Kur abwarten konnte.„Da müsse ein Doktor herbei, sagte es, es möge kosten was es wolle; es möchte doch wissen, was der sage,und die Base sei b'sunderbar eine witzige, und hätte ihr Lebtag mehr als eine Sache gesehen. Wenn es nicht gut käne, so müßte man sich sein Lebtag ein Gewissen machen.“ „Seinethalb, sagte Mädi, könnten sie machen was sie wollten, es wolle nicht wehren,und wenn sie das Zutrauen nicht hätten, so wolle es gar nichts mehr machen. So hätte man es in der Welt, je besser man es meine, und je mehr man Fleiß hätte, um so weniger hätte man einem daruf.Es sei ihm nur um den Jakobli und nicht um ihns;wenn der jetzt noch sollte um seine Augen kommen, so begehrte es keine Stunde mehr zu leben,.“ Sein Jammer tönte in Anne Bäbis Jammer, aber Anne Bäbi blieb doch Meister und Sami mußte nach dem Doktor aus, und Mäͤdi sagte: „sie könnten machen was sie wollten, allein es wolle an nichts schuld sein; es sehe wohl, es thäte am besten, es luegti mit Gelegenheit nach einem andern Platz.“

Der Doktor kam, und so bald er den Armen sah,erschrak er und sagte: „Was De... ist da gegangen,habe ich nicht gesagt, man solle nichts machen und warten bis die Blattern am Abtrocknen seien ? der kömmt um die Augen, und es ist die Frage, ob nicht beide schon ausgelaufen. Wer hat da gekaaret (geschmiert), mas ist gegangen?“ „He, sagte Mädi, wenn es ihn so gebrannt hat, so habe ich ihn gesalbet; etwas hat gehen müssen, es ist unser Lebtag nicht erhört worden, daß man einen so da liegen läßt, wie ein Unvernünftiges und nichts an ihm macht.“ „Du bist ein dummes Mönsch, und wenn er blind wird, so bist du schuld. Ich habe ja gesagt, man solle einstweilen nichts machen, als ihm zu trinken geben, und wenn etwas nöthig scheine, so solle man es sagen. Tu sollst mir ihn nicht mehr anrühren, hörst du, sonst will ich mit der Sache nichts zu thun haben.“ „Ich habe doch gedacht, sagte Mädi, das komme so, und am Ende werde ich an allem schuld sein müssen. Wo dä Löhl nicht gewußt hat was machen, habe ich ihm das Leben gerettet; und jetzt will der kommen und befehlen und sagt mir noch wüst. Aber z'besten ist, ich gehe; ich will fort auf der Stelle. Es duret mich nur der Jakobli, dä Hung bringt ne g'wüß no um.

Aber der Doktor kümmerte sich um Mädi nichts,sondern balgete mit Hansli und Anne Bäbi. „Warum laßt ihr doch das Babi machen? Es ist dein Kind,Frau, und du mußt, weiß Gott, selber luegen, wenn noch etwas gemacht werden soll. Ich will probiren,was möglich ist, aber ihr müßt mir gehorchen und nicht jeder alten Frau, sonst will ich lieber mit Allem nichts zu thun haben. Hinten drein sollte man doch an Allem schuld sein, auch an dem, wo man nicht gemacht hat, wo andere Leute gerathen und befohlen haben.“ Anne Bäbi versprach das Beste und hielt dem Doktor d'r tusig Gottswillen an, er solle doch machen was er könne, und sollte es hundert Kronen kosten, es reute sie kein Geld.

Kaum war der Doktor fort und Anne Bäbi mit dem beschäftigt, was der Doktor befohlen, so kam Mädi daher g'suntiget und sagte: „es wolle denk jetzt gehen,es wolle aus dem Weg, es wolle nur den Jakobli noch einmal ansehen, es sehe ihn so sein Lebtag nie mehr.“ „Ach stürm mir jetzt nicht, sagte Anne Bäbi,und laß mich ruhig; mein Gott, es sagt dir ja Niemand nichts und gehe und thue Erdäpfel über für die Schweine.Ach Jakobii, Jakobli, mys Bübli, wirst ächt blind!“

„O Jakobli, my Jakobli, jammerte Mädi, das hätte ich nie geglaubt, daß wir so auseinander kämen und daß, wenn du sterben mußt, ich sollte schuld sein,und habe ich doch an dir gethan, was krine Mutter an ihrem Kind. Myn Gott, myn Gott! es zerreißt mir das Herz, wenn ich dich nicht mehr sehe, leb wohl!“ Ba aber eben Anne Bäbi mit ihm zu thun hatte, so daß es nicht zum Bett konnte, so sagte es:2*4 „Jakobli, wenn ich den Säuen über habe, so komme ich noch einmal wieder, es wird dann wohl noch einen Augenblick Platz für mich an deinem Bette sein.“Darauf ging Hänsli hinunter, zündete sein Pfeifchen unter Mädos Sauhafen an und sagte: „Mädi; bis nit höhns; denk Anue Bäbi ist d'Muiter, und was d'r Dokier g'feit het, hey mir nit g'seit.“ „He ja, sagte Mädi, aber es dauret einem, wenn man gethan hat,was ich, und man kommt einem so, und Anne Bäbi hat auch kein Wörtchen gesagt, daß ich die Sache recht gemacht habe, und hatte sich doch längs Stück keiner Sache angenommen; jetzt wenn es nicht gut kömmt, soll ich doch an allem schuld sein.“ Hansli gab keine Antwort auf diese Rede, aber Mädi zog die SonntagsKleider wieder aus, und kochete nicht blos für die Schweine, sondern auch für die Haushaltung.Als es aber Abends alleine mit Sami an dem Essen saß, sagte es: „es erleide ihm dabei zu sein, da könne man fein Lebtag bos haben für andere Leute, und am Ende sage einem Niemand Dank, heigist, und wenn man soltte krank werden, so wäre man der aärmste Hung auf der Welt. Es sei einer ein Narr, wenn er micht zu ihm selbsten sehe. Meisterleute seien immer Meisterleute, die brävsten seien nicht einen halben Birenstiel werth und wenn der Bub nicht wäre, es blieb keine Stunde länger im Hause, und wenn es etwas schickigs anzustellen wüßte, es b'sinnte sich nicht lange.

Von wegen den Meisterleuten half Sami dem Mädi und klagte auch, man wisse längs Stück nicht, was man thun solle und ob man die Sache recht mache.Es ginge manchmal ein Monat vorbei und Hansli sage“nie, daß er zufrieden sei, und Anne Bäbi sei je ianger je wunderlicher, und wenn eine Gable oder ein Gohn nicht immer am gleichen Orte sei, so hätte es Muth zu balgen. Aber wegen dem, was Mädi vom anstellen zu verstehen gab, sagte er nichts, bei sich selbst dachte er? leg du mir den Lätsch so oft du willst, ich trappe dir doch nicht hinein, du bist mir denn nadisch zu wüst und zu bbs. Wenn es mir hier erleidet ist,so kann ich gehen, wenn ich aber an dir b'hanget wäre,so müßte ich hangen dis der Tod mich ablöste, und das könnte mir noch längs werden.

Wie Jakobli aus der Krankheit kömmt und die Eltern zu Trost.Anne Bäbi besorgte nun mit Fleiß und Weinen den lieben Sohn, und lange wußte man nicht, wo aus es wollte; aber noch gar manchmal hatte es zu thun mit Mädi, das sein alt Gestürm immer von neuem anfing und wie die Katz auf die Maus, auf Augenblicke paßte, wo es zu Jakobli konnte um sein altes Salben wieder anzufangen. Wenn man ihns hätte machen lassen, es wäre längst alles gut, sagte es nicht nur,sondern es war auch davon überzeugt.

Lange ging es, bis man wußte, wie es mit Jakoblis Augen stünde, und mehr als einmal schwankte Anne Bäbi zwischen Mädi und dem Doktor, und wer weiß,wenn nicht das weibliche Kraut, die Eifersucht, gewesen wäre, ob sie nicht Mädi vorgezogen hätte? Aber Anne Bäbi empfand etwas von dem, wie ihm wäre, wenn es sein Lebtag hören müßte: „Jä gäll, wenn ich nicht gewesen,kein Mensch wüßte, wie es gegangen wäre, und wenn Mädi nicht z'wüstesten Alles tha hät, so hättet ihr lang können machen und plären und ech vom Dokter lah füre Narre ha!“ Darum zog der Doktor vor,und der brachte es so weit, daß er endlich sagen konnte,ein Auge sei gerettet, wenn man noch alle Sorge trage,das andere aber für immer dahin.

Wenn Hansli und Anne Bäbi auch „Gottlob und Dank“ sagen mußten, so war doch ihr Herzenleid groß und Mädi sparte weder Winke noch Worte, daß es anders hätte gehen können, und daß es nicht Schuld sein wolle, aber wenn man keinen Glauben habe, so gehe es einem so.

Lange mußte Jakobli noch in verfinsterter Stube sich aufhalten; das Licht der Sonne war ihm wie eine Nadel im Auge, und grausam Langeweile hatte er da,wenn auch bald der Hansli, bald der Sami ihm eine Taube oder ein Lämmchen brachten, damit er sehen konne, was es Neues gegeben in seiner Krankheit. In stillem Sinnen verbrachte er meist seine Tage, aber was er sann, sagte er nicht. Geduldig war er dabei und wenn andere um ihn jammerten, so wußte man nicht, hörte er, worüber man jammerte. Er klagte ůber nichts als über Langeweile, und wünschte nichts,als bald hinaus zu dürfen vors Haus an die freie Luft.

Schon weit hinaus im Sommer war es, als der Doktor ihm erlaubte mit einem grünen Schirm vor den Augen an Licht und Luft zu gehen. Anfangs mochte er es kaum ertragen, und dabei ward er so schwach und matt, daß er immer froh war, wenn er wieder in sein Stübchen kam. Allmählig aber erstarkete er wieder, daß er vor dem Hause sitzen konnte, und Anne Bäbi stellte ein Körbchen mit Erdäpfeln, ein Kacheli mit Haber neben ihm, und da vertrieb er sich die Zeit, daß er Hühner und Tauben lockte und fütterte.Diese kannten ihn noch von alten Zeiten her und flogen neben ihn und pikten ihm aus der Hand, was er drinnen hatte. Und wenn er einen Gang in den Stall wagte und da seine Schafe rief, so hatten auch diese seine Stimme nicht vergessen und sie sprangen an ihn hin, und die Widder rieben ihre Köpfe an seinen schwachen Beinchen, daß er sich halten mußte,und blöckten ihm nach, wenn er wieder ging. Aber wenn er vor dem Hause saß, und Menschen kamen,die kannten ihn nicht und erschracken ab ihm. Viele gingen am Hause vorbei auf das Feld; wenn sie ihn vor demselben sitzen sahen, so kamen sie herbei, stellten sich vor ihn und sagten: „Herr Jemer, wie siehst du doch ans, keinem Mensch kame der Sinn daran, daß du der alte Jakobli wärest, man fürchtet sich fast ab dir. Und ists wahr, du seiest halb blind und sehest an einem Auge nichts mehr und am andern nicht viel? 41 Zeig doch. E Herr Jemer, Herr Jemer, ich wollte nicht, daß ich ein solches Kind hätte, e Leide bleibst du dein Lebenlang; es wäre dir fast nützer, du wärest gestorben.“ Solches hörte Jakobli des Tages manchmal, und er hörte es mit stiller Ruhe; man sah ihm nicht an, daß solche Reden ihm weh thäten; nur schien es ihn manchmal zu beißen im Gesichte, aber man meinte,daß sei noch ein alter Rest und frug ihn: „Beißt es dich denn noch immer?“ Dann sagte Jakobli: „Nein,apparti sust nit.“

Desto tiefer gingen solche Reden dem Anne Bäbi;Zorn und Leid rissen gewaltig an seinem Herzen. Es war nicht Zorn über Jakobli, daß er nicht mehr so schön sei. Man hat Beispiele von Müttern, welche ihre Töchter haßten, weil sie nicht hübsch waren; Beispiele von Müttern, welche Jahre lang ihren Töchtern kein gutes Wort gaben, weil dieselben nicht so hübsch aus dem Weltschland kamen, als sie es sich vorgestellt hatten. Es war bei Anne Bäbi Zorn über die Leute,welche solches sagten; es schien ihm, als ob sie noch ihre Freude daran hätten; es war ihm, als sei Jakobli nicht halb so wüst, als hätten auch Viele Kinder daheim, die noch zehnmal wüster als Jakobli wären, wo es dann noch lange nicht tauschete mit ihnen. Wenn auch Jakobli nicht so wüst war wie manch ander Kind,so war er doch nicht mehr der alte Jakobli, man kannte ihn allerdings fast nicht mehr, und wer war Schuld daran? Wenn Anne Bäbi dieses dachte, so kam ihm ein Leid, welches ihm fast das Herz zerreissen wollte.Warum hatten sie ihn nicht impfen lassen; warum hatte es ihm seine letzte Freude genommen, es erzwängt, daß er mit ihm dem Kabis und Flachs nachging, warum nicht auf seine Klagen gehört, es erzwängt,daß er noch zu den Bäumen mußte; warum den Doklor nicht zu rechter Zeit geholt, ihm nicht geglaubt; warum Mädi machen lassen, warum nur gejammert und nicht selbst Hand angelegt? Wenn so diese Warum eins nach dem andern vor Anne Bäbi aufstiegen, so hinter sinnete es sich fast, und wußte nirgends Trost; es gab ein Gehaspel in seinem Kopf, daß es ihns důnkte,seine Gedanken seien wie eine verhurschete Strange, und hätten keinen Anfang und kein Ende. Bald dunkte es ihns, die andern seien noch mehr Schuld daran als es X und es könnte keine Stunde mehr mit ihnen im Frieden sein. Dann kam es ihm wieder vor, als sei es der einzige Sünder umd als müßte Jakobli ihns hassen und verfluchen,als die böse Mutter, welche ihn gequält und um alle Lebensfreude gebracht. Dann wurde ihm so grusam Aungst, daß es nirgends ein Bleiben haite, bis es bei Jakobli war und manchmal stund es mitten in der Racht auf und ging zu ihm und bat ihn, er solle es boch dr tusig Gottswillen nicht hassen, es nicht verfluchen, sondern es noch lieb haben nur es klys Broösmeli. Es wolle alles fur ihn thun was es ihm an den Augen absehe, werchen solle er keinen Streich mehr,umd wenn ihn etwas gelüste, so müsse er es haben und sollte es tausend Pfund kosten.

Hansit war nicht so angegriffen; die Hauptsache war ihm das Leben und das hatte Gott ja erhalten Schön oder wüst sei ein Thun, sagte er, sterben müsse man beid Weg und selig werden könne man auch beid Weg. Jakobll sehe doch an einem Auge, und er wisse manchen Halbbling, der so glücklich sei als die Angern.Die Hauptsache sei, daß man gesund sein könne und werchen möge, und wenn Jaxobli nicht gesund sein könnte, so wäre es schier besser für ihn er hätte sterben können. Es hatte wohl längi Zyti gegeben, aber man müsse es nehmen, wie es komme und zu letzt gewöhne man sich an Alles. Und wenn Anne Bäbi so jammerte über ihre Versäumniß und werweisete, woran allem es schuld sei, so sagte Hansli: „He ich wollte die Sache nicht so schwer nehmen, öppe viel an der Sach machen wir nicht, wir können es dä Weg oder diese Weg machen, es kömmt öppe aufs Gleiche heraus, es ist ein Anderer, und der befiehlt, und wenn der nicht will, so kann man lang.“

So saß Jakobli auch einmal auf einer Bank, es war an einem schoönen Sonntag Abend. Der Wind wiegte sanft die Pappelbäume hinterem Hause; Feierabend läutete es im Dorfe; in der Küche spräzelte das Feuer; Tauben und Hühner spazierten vor der Küchenthüre; unterm Küchenfenster saß die große schwarze Katze und putzte sich. Zwischen den Vorbergen und den weißen Häuptern blitzte es aus einem schwarzen Wolkenstreifen, aber majestätisch stieg die Sonne nieder am wolkenlosen goldenen Abendhimmel. Unter die Küchenthüre trat Anne Bäbi und sagte: „Es will nicht Regen kommen und Regen wäre doch so gut für den Lewat und andere Sachen mehr.“ Und wie Anne Bäbi das sagte, kam der Pfarrer auf die B'setzi vor dem Hause, fast wie vom Himmel herab, denn kein Brösmeli hatte man von ihm gemerkt. Anne Bäbi erschrack gar gewaltig, doch fliehen konnte es nicht mehr.Es wischte geschwind die Hände am Fürtuch ab, und sagte: „Herr Jemer, jetzt kömmt noch gar der Pfarrer,“reichte ihm die Hand und hieß ihn herein kommen.Derselbe aber wollte nicht, sondern setzte sich auf die Bank neben Jakobli und sagte: „Es hätte ihn schon lange Wunder genommen wie es gehe dem armen Knaben. Da er jetzt vorbei spaziert sei und ihn vor dem Hause gesehen, so hätte er gedacht, er wolle ihn grüßen, und sehen, was er mache, er sei ihm immer ein lieber Bub gewesen, und gar herzlich leid, als er vernommen, daß Jakobli so übel krank sei. Früher sei er nicht gekommen, er wisse wohl, die Leute hatien es ungern manchmal, wenn der Pfarrer plötzlich und ungerufen zu einem Kranken käme, weil die Leute gleich ein Gerede davon machen und der Kranke leicht erschrecke und meine, jetzt müsse er sterben, es fehle nicht.“ „Ja, ja, ihr habt recht, Herr Pfarrer, es ist so, sagte Anne Bäbi, aber es haätte uns doch gefreut,wenn ihr gekommen wäret, man hätte dem Jakobli nichts davon zu sagen gebraucht, damit er nicht erschrocken wäre von wegen dem Sterben. Aber gället,Herr Pfarrer, wie er doch auch aussteht, man darf ihn kaum mehr ansehen und kein Mensch, wer ihn früher nicht gekannt hat, wuürde glauben, wie schön er gewesen wäre. Und luegit, g'schauit, Herr Pfarrer, nur ein Auge hat er noch, nur ein Auge! Gället ihr hättet ihn nicht wieder gekannt, wenn er euch so ungefähr begegnet wäre auf dem Wege?“ „Ja freilich, Frau, er hai geändert, aber so wie die Leute geredet, habe ich mir die Sache viel ärger vorgestellt, antwortete der Pfarrer. Das Auge, welches noch da ist, scheint gesund, und das Gesicht ändert noch gar viel; wer weiß öb er nicht das Meiste noch auswächsst, so daß man ihm in ein paar Jahren wenig oder gar nichts mehr ansieht.“ „O Herr Jemer, wie wär das gut, Herr Pfarrer, wir brauchten uns dann nicht mehr so ein Gewissen zu machen. Ich muß sagen, ich weiß manchmal nicht, wo ich sein will und es ist mir schon manchmal Angst geworden ich mache noch etwas Lätzes.(Ein Ausdruck mit welchem der Selbstmord bezeichnet wird.)

„E Frau ihr müßt nicht so reden, mit solchen Reden läßt sich nicht spaßen, und wenn man schon etwas auf dem Gewissen hat, mit solchen Reden kömmt mau ihm nicht ab, antwortete der Pfarrer.“ „Guten Abend,Herr Pfarrer“ kams vom Ecken her und Hansli steckte sein Pfeifchen in die Busentasche und setzte noch hinzu:„ihr seid seltsam, Herr Pfarrer, bei uns.“ „Ich bin afange alt, sagte der Pfarrer, komme nicht viel mehr vom Hause weg, ich lasse den Vikari machen. Aber der Jakobli ist mir immer lieb gewesen, und als ich ihn da sitzen sah, wollte ich sehen wie es ihm gehe,und wie es mir scheint, Gottlob, recht ordentlich.“„He nit bös, es könnte böser gehen, man muß es annehmen, wie es unser Herrgott schickt, und sich drein schicken. Wenn man sich schon wehren wollte, es würde, denk ich, nicht viel helfen. Es macht frein Wetter.“ Nun antwortete der Pfarrer darauf, ein Wort gab das andere, und sie verweilten sich eine Zeit lang. Als der Pfarrer eben gehen wollte, noch egen die Küche ging, um Anne Bäbi gute Nacht zu kam dasselbe heraus und sagte: „Herr Pfarrer,jetzt geht mir nicht, ihr müßt noch mit uns ein Kaffee trinken, wenn ihr uns nicht scheuet. Aber die Sache ist sauber und es freute uns alle grausam wohl, bsonderbar Jakobli.“ Er hätte es nicht nöthig, fagte der Pfarrer, und er sollte eigentlich heim, seine Frau werde nicht wissen, wo er sei und was es ihm gegeben, aber wenn es doch z'weg sei, so wolle er sich nicht eigentlich machen.

Als sie endlich in der Stube saßen und Anne Bäbi Allen eingeschenkt hatte, sieben Mal hinausgelaufen war,und zuletzt auch saß und trank, so ging ob dem Kaffee das Herz ihm noch weiter auf und es sagte: „Ja Herr Pfarrer, es weiß kein Mensch, was es ihm geben lann, und ich hätte keinem Menschen es geglaubt, wenn er mir gesagt hätte, daß ich mir einst vorkommen sollte nicht viel besser als ein Mörder und längs Stück nicht wüßte, was besser Feierabend mache, eine schöne Glungge oder ein batziger Hälsig.

„E Anne Bäbi, sagte Hansli, denk auch was du redest und daß der Pfarrer da ist, und meinen könnte,es wäre dir Ernst.“ „Schon vorhin, sagte der Pfarrer,habt ihr mir so etwas gesagt, ich wußte nicht, was ich daraus machen sollte, aber es muß doch etwas in eurem Herzen sein, das nicht recht ist.“ „Herr Jemer, Herr Pfarrer, die Leute werden euch schon davon geredet haben, ihr werdet wohl wissen, was mich drückt.“„O nein Frau, was die Leute reden, weiß ich nicht,und wenn mir schon etwas zugetragen wird, so lasse ich es liegen, wo man es ablegt. So geschieht es mir oft, daß ich Dinge, welche die Kinder auf der Gasse verhandeln, entweder gar nicht vernehme oder oft Jahre lang nachher.“

„Herr Pfarrer, ich kann es euch fast nicht sagen,aber alle Mal, wenn ich unsern Bub ansehe, so kommt es mir neu über das Herz und ich muß immer denken,wenn wir ihm hätten die Blattern geben lassen, so wär es nicht so gegangen, und er wäre noch wie die Andern und hätte noch beide Augen, und es G'sicht wie ne Mönsch.“„Aber warum habt ihr ihn eigentlich nicht impfen lassen, es ist doch jetzt faft allgemeiner Brauch?“ Da feufzte Anne Bäbi tief auf, und Hansli sagte: Appart haben wir nicht viel darüber geredet. Z'Anne Baäbi hat gesagt, es grus ihm schier, so dem armen unschuldigen Kind expreß Schmerzen zu machen, und wüßie man doch nicht, ob es eigenllich nöthig wäre oder nicht, und ich habe bei mir selbst gedacht, das fei so eine neue Mode, und wenn der liebe Gott nicht ewollt hätte, daß die Kinder die Blattern bekommen seeut so hätte er sie nicht kommen lassen, und dem lieben Gott so seinen Willen z'hingerha, das het mir sich neue nit welle schicke.“

„Aber Hansli, sagte der Pfarrer, wenn ihr die Sache so nehmt, so hättet ihr auch denken können,der liebe Goit hätte das Impfen nicht erfinden lassen,wenn er nicht gewollt häͤtte, daß man damit gegen die Blattern sich wehren köͤnne.“ „Ja, Herr Pfarrer, ihr habt recht. Aber von dem Impfen, oder wie man ihm sagt, weiß man, von wem es kommt, man kann ihm den Namen geben; aber von den rechten Blattern,da weiß man nicht woher die kommen, drum kommen die gerade von Gott, wie die andern Krankheiten auch,und“was von Gott kommt, soll man in Geduld annehmen.“

Alles mit Unterschied, Hansli, sagte der Pfarrer.Wenn das Haus über eurem Kopf angeht, in volle Flammen kommt, sagt ihr auch, daß es des Herrn Wille sei, daß ihr darin bleibet? Braucht ihr nicht eure Beine, um aus den Flammen euch zu flüchten ?“„Ja, Herr Pfarrer, es ist so, aber die Beine hat mir Gott selbst gegeben, ich habe sie nur gebraucht.“ „Aber so hat der“ liebe Gott auch den Impfstoff gegeben,das ist eine Krankheit am Kuheuter; und wenn der liebe Gott nicht gewollt hätte, daß man ihn brauche,so hätte er ihn nicht geschaffen.“ „Ja wäger, Herr Pfarrer, aber wenn der liebe Gott das mit ihm gewollt hat, so duecht mich, er hätte ihn schon zu Aettis und Großättis Zeiten sollen brauchen lassen. Jetzt kommt mir das Impfen doch so vor, wie eine neue Mode.“ „Ja Hansli, heißt es nicht, die Rathschläge Gottes sind unerforschlich, und das Früher und Später steht in Gottes Hand. Oder warum ist der Heiland nicht zu Mosis Zeiten gekommen statt dem Gefetz,und ist auch er nicht zu seiner Zeit eine neue Mode gewesen? Ja, kann man nicht auch sagen, was brauchen wir überhaupt einen Heiland? wenn Gott uns will selig machen, so braucht es nichts der Gattig.Oder die Erdäpfel, zwar nicht mit dem Heiland züsammengezählt, sind die nicht auch eine neue Mode?und unser Herr Gott hat viel tausend Jahr gewartet,ehe er uns damit aufwartete, und braucht ihr die nicht auch, und je länger je lieber, und je länger je dankbarer?“ „Ja, Herr Pfarrer, jetzt habt ihr mich beschlagen, und ich muß euch glauben.“ „Seht, sagte der Pfarrer, es hat alles auf Erden sein Maß, auch die Geduld und die Ergebung in Gottes Wille. Wenn der Bauer sagen würde, wenn es Gottes Wille ist,daß Korn wäͤchst auf meinem Acker, so wird es wachsen, ich mag säen oder nicht, ich will daher Müh und Saame sparen, so wird Männiglich diesen Baner auslachen und sagen, er sei verrückt. Oder wenn ein Roß einen Nagel in den Fuß getreten hat, und der Fuhrmann sagt: es war des Herrn Wille, daß der Nagel in den Fuß kam, und wenn es des Herrn Wille ist, so wird er wieder hinauskommen, darum wäre es Sünde, wenn ich ihn anrühren thäte; so wird man solchen Fuhrmann vogten. Und weunn ein Mensch einen Fehler in seiner Natur hat, und er sagt, den Fehler lege ich nicht ab, den hat mir Gott geordnet, und er wird wissen wofür; wenn ich ihn nicht hätte haben sollen, so hätte er ihn mir nicht gegeben. Wenn er mit diesem Fehler sündiget, und er sagt, ich vermag mich dessen nicht, und wenn einem ein Dreck auf die Nase fallen soll, so fällt er einem nicht auf die Schuhe,würdet ihr den nicht für einen schlechten Christen halten und ihm sagen: es stehet geschrieben, das Auge,das dich ärgert, reiße aus; und je nach dem einer gehandelt hat bei Leibesleben, wird er Lohn empsanzen, das ewige Leben die Einen, das Gericht die Andern? So ist es mit aller Krankheit, leiblicher und geistiger; da hat uns Gott Heilmittel zur Hand geKellt, leibliche und geistliche, und die sollen wir brauchen, dabei aber nicht vergessen, Gott um Segen und Gnade anzuflehen, denn das Gedeihen steht im Leiblichen und Geistlichen in seiner Hand.“ „Ja ja, Herr Pfarrer, sagte Hansli, jetzt begreife ich es, der liebe Gott hat so immer d'Wahů, zu machen was er will,und die Sache lah z'grathen da Weg oder diese Weg,und mi gryft ihm nit vor, selb wär, mir z'wider gewesen. Ünd wenn wir mehr das Unglück haben sollten,daß Jemand krank würde, so muß g'macht werden,was ymachen ist, g'hörst Anne Bäbi.“udn Anne Bäbi hörte schon lange nicht mehr,sondern weinte und brach in Jammer, aus: „O, Herr Pfarrer, Herr Pfarrer, erst jetzt habe ich keine Ruhe mehr, fo wie ihr die Sache ausgelegt habt; erst jetzt weiß ich es für gewitßßz, daß wir dem Jakobli hätten vor seinem Unglück sein sollen, und thaten es nicht,und müssen ihn jetzt unser Lebtag so sehen, und immer dabei denken, es könnte anders sein, und er müsse uns hassen und verfluchen deretwegen.“ „Aber Müetti,wie redst, sagte Jakobli, wie manchmal habe ich dir gesagt, du solist doch nicht so denken, und ich wüßte jaß daß ihr es gut gemeint hättet und nicht bos.“„Meine gute Frau; sagte der Pfarrer, es ist mir leid,wenn ich euch wehe geihan habe, aber ich konnte nicht helfen, ich mußte die Wahrheit sagen, und es ist eine Ordnung Gottes, daß wir allen Irrthum mehr oder weniger büßen müssen, und daß es allemal, wenn wir so einen Irrthum in uns entdecken, Herzenleid verursachet. Das ist so, und dieser Ordnung sollen wir nicht wehren und nicht sagen: das macht nichts, und das ist schon manchmal geschehen, ich wollte nicht mehr daran denken, die Sache mir aus dem Kopfe schlagen;das sind alles falsche Trostgründe. Wir müssen den Fehler aufrichtig erkennen, und wenn es gut kommen soll, auch aufrichtig sagen: Vater, ich habe gefehlt.Und gefehlt habt ihr; aber jetzt fehlt nicht wieda, und vergeßt im Jammer nie Gott und seine Liebe. Seht,ihr habt schon viel gewonnen, daß Jakobli euch die Sache nicht nachträgt, daß er es erkennt, wie ihr es gut gemeint.“ „Ja, eben das macht mich immer z'pläre, daß er ein so guter ist, wo wir uns doch so an ihm versündigt haben,“ schluchzte Anne Bäbi.“„Das ist leider so, sagte der Pfarrer, daß, wenn das Gemüth verstimmt ist, es alles umecht auslegt und sede Berührung falsche Töne gibt. Was meint ihr Frau,wenn Jakobli das Gegentheil thun, und euch seinen Zustand alle Tage vorhalten würde, wie wäre euch?“„O da hätte ich mich schon lange hintersinnet und wäre kaum mehr da,“ antwortete Anne Bäbi. „Also seht ihr,liebe Frau, wie ihr Ursache habt, Gott zu danken, daß Jakobli die Sache von der rechten Seite fasset, und sich darein zu schicken weiß. Darum danket Gott auch,damit ihr Jakoblis Beispiel nachfolget, und euch in das Unabänderliche schicket. Denket, es ist Jafkobli gewiß auch viel wohler dabei, wenn ihr nicht so jammert und klaget; damit aäͤndert ihr nichts, und g'mühet ihn nur, und vergesset es nie, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zur Seligkeit dienen müssen. Denket daran, ob die Krankheit euch nicht vielleicht in ein besseres Verhaältniß zu Jakobli gebracht hat, ob ihr ihn jetzt vielleicht nicht viel besser liebet, und ob sie euch nicht ein Fingerzeig ist, ihn nicht zu plagen; denn man plagt die Leute vielleicht eben so oft aus Liebe als aus Haß; und wenn man aus einem Irrthume heraus ist,so ist es dann nicht, daß man gar keinen mehr habe.Nein, meine liebe Frau, wenn ihr einander recht lieb habt, und mit der Liebe euch nicht plaget, so könnt ihr jetzt viel glücklicher werden, als ihr geworden wäret, und ihr ünd Jakobli seid vielleicht später im Stande,Gott zu danken, daß er es so gefüget hat und nicht anders; und wenn ihr schon mehr oder weniger Schuld an der ganzen Krankheit wäret, so zeigt euch doch Gott seine Vergebung darin, daß er sie euch zum Heile 4 werden lätzt; und das ist die friedsame Frucht der Gerechtigkeit, welche aus der Zucht des Vaters in den Herzen seiner Kinder emporwachsen soll.“

Draußen au der Thüre hatte Mädi gehorcht und sagte halb laut für sich: „d'r Predikant kann lang vom sieben Gott reden, und wenn Mädi nicht gewesen wäre,A nehmte mich Wunder, wie das zu unserer Seligkeit beitragen follte. Predigen kaun er schön, sonst aber versteht er Tüfel viel.“

Er hätte sich viel zu lange gesäumt, seine Leute werden sich kümmern um ihn, sagte endlich der Pfarver, und stund auf oben am Tische und nahm Abschied,und alle dankten ihm, daß er gekommen, besonders Jakobli, hießen ihn wieder kommen, und Jakobli sagte:Es dueche ihn, es wohle ihm, wenn er ihn nur von Weitem sehe.“ „Es hätte ihm viel geleichtet, sagte Anne Bäbi, und es duechs, es könnte jetzt anfangen,sich darein zu schicken, aber ihrer Gattig Lüt feien gar dumm und Rechte komme ihnen immer zuletzt in Sinn oder gar nicht.“ Hansli sagte nicht viel, aber als der Pfarrer fort war, sagte er: „Ja ja, z'Rede ist e chumüche Sach, und man kann immer daraus nehmen,was einem am anständigsten ist.“

Der Pfarrer war ein ältlicher Mann, und zeitweife Unpaßlichkeit machte ihm zu Zeiten einen Vicari noöthig, und wenn er einen nöthig hatte, so gab man ihm einen, wie man ihn hatte, und die hat man auch auf all Weg.

Langsam ging der Pfarrer den Fußweg runter. In den Weiden am Bach rauschte der Wind, und unter den Weiden rauschte der Bach, und der Pfarrer sann über die Thorheit der Menschen, wie viel Plagen die Menschen sich selbsten machten, und über die gütige Weisheit Goites, welche in jede Plage ein Heilmittel für die Thorheit lege, und wie das eine seltene Kunst fei, diese Heilmittel zu erkennen, und wie man sie am schwersten in den Plagen erkenne, welche durch eigene

Thorheit herbei gezogen, über dem eigenen Haupte 31 schwebten. Der Pfarrer könne wohl mit dem Finger zeigen und deuten, dachte er, aber die Gemüůther bereilen, daß das Gezeigte fruchtbar werde und die rechte Wirkung thue, das sei eine Kunst, die noch seltener gegeben sei.

So kam er den Bach herunter und sann, bis er von weitem sein Häuschen sah. Dort sah er sein Weibchen, welche unter die Klasse der freundlichen Muesle gehörte, und seine Tochter, ein herzhaft Meitschi von 19 Jahren, nach allen Windgegenden ausschauen; denn daß er die Suppe auf dem Tische warten ließ, war schon seit Jahren nicht geschehen, und darum ein Ereigniß, welches Mutter und Tochter bang bewegte.

„Wo bleibst auch so lange, Mannli?“ rief die Frau ihm entgegen, als er am Ärm der Tochter, die ihm entgegen gelaufen war, daher kam, und den Schweiß sich von der Stirne wischte. „Der Blumköhli versodert ganz, und wenn die Suppe bräntet, so wird die Köchin nicht Schuld sein wollen.“ Da wollte der Pfarrer stille stehen und Bericht geben, aber die Frau Pfarrerin sagte: „Komm du jetzt, du kannst uns es driunen sagen. Sophie, läute doch dem Vicari, aber scharf,e du, sonst thut er aber d'r glyche, er haätte nichts gehört.“

Nun erzahlte der Pfarrer seine Begebnisse, seine Reden und Gedanken, und wie so viel Unglück sei in der Welt, an das man gar nicht denke, und die Heilung wiederum so nahe, und man sehe sie wieder nicht,und wenn man sie sehe, so schein ste so leicht und sei doch unmöglich dem betreffenden Gemüthe, und die Welt so schön, und Gott so gut imd vder Menschen Gemůüth so seltsam und so verkehrt.

Noch lange redeten sie zusammen freundlich und erbaunlich, aber längst war der Vieari gegangen und schrieb droben ungefähr folgenden Brief:

„Lieber Freund!

Sie haben mich aber vom Tische getrieben mit ih rem weltlichen frivolen Geschwätz; es iñ schrecklich, daß man solche Geistliche hat. In der ganzen Familie ig keine Ahnung von der seligmachenden Gnade und der Freude in Jesu. Da ist läuter Selbstgerechtigkeit und Weltsinn, und es gehen Tage vorüber, daß man den Ramen Jesus nicht hört. Wäre die Gnade nicht so mächtig in mir, meine Seele schwebte in der großten Gefahr, besonders da die Leute etwas freundliches,anziehendes haben, was um so gefährlicher ist. Der Alle gehört unter die Klasse der Geistlichen, welche dem Reiche Gottes am meisten Abbruch gethan haben.Er predigt von der Liebe Gottes, trägt ein mild versöhnlich Wesen zur Schau und eine gewisse Dienstfertigkeit; das gefällt den Leuten, darum meinen sie, es sel das rechte Wesen und wollen von Buße und Zerknirschung nichts wissen. Vom rechten Fundament der Ehristen hat dieser Pfarrer keinen Begriff; es ist schrecküch, und ich danke Gott alle Tage, daß diese Race immer seltener wird, andere Männer das Ruder ergriffen, eine andere Generation aufwächst. Heute hätte zredie herrlichste Gelegenheit gehabt, eine Seele zu zerknirschen und sie Jesu zu gewinnen, Und was macht er? Er geht und tröstet sie. Dem Reiche Gottes widerfährt aber Gnade, andere Arbeiter rufet der Herr in seinen Weinberg. Lebe wohl theurer Bruder in Christo.p. S. gIn' meiner Bewerbung um .... ist die Gnade Goties auch bei mir. Ihr Vater soll noch viel reicher sein als ich anfänglich glaubte.“

Anne Bäbi vernimmt was Reu's, und ein Professor muß sich verwundern.Anne Bäbi waren die Reden des Pfarrers zu Herzen gegangen, und es konnte sich recht trösten damit.Es dachte, wenn es Jakobli recht lieb hätte und ihm die Hände unter die Füße lege, so werde ihm OGott seine Sünd schon vergeben; ünd wenn Jakobli schon nicht mehr so hübsch sei, so mache das nicht so viel, 53 wenn er nur so sicherer selig werde. Und wenn er schon nicht mehr so hübsch sei, so solle ihm deßwegen auf der Welt nichts abgehen, mit Geld lasse sich viel zwängen. Einem armen Bursch käme die Hübschi komod wenn er weiben wolle, ein Reicher mangle sie nicht;ein bezahlter Hof gefalle den Meitschene besser, als der schönste Gring, uünd wenn Jakobli eine schöne Frau erhalte, so hätte er noch mehr davon, als wenn er selbst noch so hübsch wäre. Wenn er nur recht gesund könnte werden, aber nicht wegen werchen, das mangle er nicht, sondern wege'm dr'bysy, es sei gar grusam längwylig, wenn man nicht gesund sein könnte; und es solle ste kein Geld reuen, und sollte es e Duble kosten oder zwo, wenn er nur recht z'weg würde.Jakobli war eben nicht krank, aber matt, ward müde im Augenblick, und eine gewisse Gleichgültigkeit in seinem ganzen Wesen machte Anne Bäbi am meisten Angst. Er wollte an nichts recht Freude haben, und alles war ihm recht. Anne Bäbi mochte ihm kramen was es wollte, Jakobli sagte Dankeig'st z'tusig male, legte aber das Geschenk auf die Seite und sah es nicht mehr an. So oft rief es Jakobli mit heimlichem Gesichte ins Stübli, und auf dem Tisch stand ein Eiertäͤtsch, und manchmal noch eine halbe Rothen darneben, und Jakobli sollte essen und trinken, und Anne Bäbi sagte: „Seh nimm, nimm o einist recht und säg m'r es duech di gut. Es duechti mi, wenn öh numme das no einist erlebe chöͤnt.“ Dann saß Jakobli zum Tisch, und die Mutter stand und sah zu, und beim ersten Bissen frug sie: „Duechts di gut?g'spart ha ni nüt, Eier nit, Mehl nit und Nidle nit.“Dann sagte Jakobli: „Ja, es dueccht mi gut,“ legte aber beim dritten Bissen die Gabel weg und sagte,er möge nicht mehr. „E no nes Mümpfeli, sagte Anne Bäbi, noch eins, nur mir zu Gefallen.“ Wenn Jakobli nicht mochte, den eingeschenkten Wein stehen ließ und sagte: „ih mag nit, nimm du,“ dann ward es zuerst böse, ward traurig, rief den Hansli hinein und sagte: „Nimm du, d'r Jakobli hat aber nit mögen,öppis muß doch da gah, so kann man die Sache nit 34 lah.“ Hansli setzte sich dann zum Tisch, und aß vom Eiertätsas und gab Anne Bäbi auch davon und sagte:Fer moöge ihn nicht alleine, und d'r Jakobli werd de scho wieder näh, wenn er mög. Es duech ne, es hätte ihm schon toll besseret, gestern hätte er ihm nach gerechet beim Grasen und Sach recht styf g'macht.“Aber Hansli du bist doch d'r Grüslichst, dä arm Bub icho mache zwerche, nei das thu mir nicht mehr, wenn du nicht Sireit willst. Aber zum Doktor will ich, der muß mir ein braves Trank geben, das ihn so recht ausputzt, vielleicht mag er dann wieder essen und Freud ha. Es duecht mich ich waäre im Himmel, wenn er nur afange brav essen möchte und Freud hätte an Oeppis.“

Anne Bäbi ging zum Doktor, klagte ihm Jakoblis Umstände und sagie: „Es möchte ein rechter Trank zum Purgiren oder zum Laxiren, es sei ihm gleich,aber es meine, wenn er recht ausputzt wäre, so besserete es ihm.“„Du bist eine dumme Frau, sagte der Doktor,willst du deinen Buben z'todt doktern? Der mangelt nicht ausputzens, der ist ausgeputzt genug; wenn ein Licht am Erloschen ist, so muß man nicht daran herum blasen, und wenn einer schwach ist, so muß man ihm das Bißchen Kraft, weiches er noch hat, nicht noch auspresfen. Hättet ihr ihn impfen lassen, so wäre Alles das nicht. Aber so feid ihr, zur rechten Zeit könnt ihr nichts thun, und wenn dann Alles verpfuscht ist durch eure Schuld, so soll der Doktor Alles wieder gut machen. Es haben euch nur die 5 Btz. gereut, wo das Impfen kostet, und jetzt hat es euch manchmal 5 Bßz. gekostet und das geschieht euch recht. Wenn die Bauren nicht um Dublonen kämen, weil sie Kreutzer erraxen wollen, sie wurden viel zu reich.“

Ach Doktor, sagte Anne Bäbi, schweiget mir von dem. Rein, freilich die 5 Btz. haben uns nicht gereut,es ist das nicht, daß wir wegen fünf Batzen ume luegen müßten. Aber ich und Hansli haben auch von dem neumodischen Zeug nichts gewußt und leben doch noch,und wir meinen nicht, daß wir alles Neue zuerst machen müßten und noch dazu an einem einzigen Kind.Jo jo, wenn wir alles gewußt hätten, sagte Anne Bäbi und schnupfte und wischte die Augen: Äber wenn man alles wüßte, so wäre man bald reich. Jetzt ist die Sache, wie sie ist und öppis sollte gehen, so kann man den armen Bub nicht lassen, nicht einmal den halben Theil von einem halben Eiertätschli mag er mehr, und doch hatte ich nicht mehr als zehn Eier genommen. Aber es ist kurios, will man etwas von euch, so wollt ihr nichts geben, und braucht man nichts, so ists aber nicht recht.“

„Das ist gar nicht kurios, sagte der Doktor, das kömmt daher, daß ihr immer tromsigs darin seid, daß ihr hüst wollt, wenn ihr hott solit, daß ihr Mittel wollt, wenn ihr keine braucht, und keine wollt, wenn ihr haben solltet. Aber die donstigs Bauren haben mich doch schon manchmal taub gemacht, ich kann es nicht sagen. Ich will lieber mit dem vornehmsten Herrn verkehren als mit so einem Schnürfli. Je dümmer einer ist, um so witziger meint er zu sein, und es ist zringsum in der ganzen Gemeinde keiner, der nicht meint, er höre die Flöh husten und sehe das Gras wachsen; kein einziger der nicht meint, er könnte, wenn er wollte, besser doktern als ich und besser predigen als der Pfarrer, und der nicht alle Augenblicke sagt:Der Pfarrer ist e Göhl und d'r Doktor ist e Lappi.Ich kenne die Knüdere afange und weiß was die sich einbilden und weiß doch Mäncher nicht was er lieber wollte, seinen Gring oder was bas niede ist, und kann nicht rechnen, was er werth wäre, wenn 8 Bauren einen Batzen goöͤlten. Los Frau, wenn ich dir etwas rathen kaun, so doktere an deinem Jungen nichts.Koche ihm gute Brühen, Reisbrühe und andere. Äber schwenk das Reis nicht so blos ini Wasser, daß es am Boden hocket und die Brühe ganz lauter bleibt. Koch so eine Brühe einen ganzen Morgen recht aus, g'hey ein Huhn darein, gäb es auch ein Dutzend mehr oder weniger im Gras herum laufen und Älles verkratzen,was ihr säet. Gib ihm Fleisch zu essen aber nichts gesalzenes von wegen feinen Augen, wo möglich Kalbfleisch und albeeinist es Tröpfli guten Wein, aber nicht viel, und wenn er etwas werchen mag, so laßt ihn XDdann wird er schon bessern. Aber auf einmal kömmt es nicht, habt nun auch Geduld und schickt euch darein,hättet ihr doch vor Allem sein können.

„Ihr wollt mir also nichts geben?“ fragte Anne Bäbi. „Nein, sagte der Doktor, es ist ja nicht nöthig,man muß die Nalur machen lassen, wir sind nur Diener der Natur.“ „He nu so lebit wohl, sagte Anne Bäbi, z'danke ha ni nüt.“

„He nu, ja so de, du dums Babi,“ sagte der Doktor, während Anne Bäbi die Thüre zu machte.„So hat man es, hätte ich ihm für 10 Btz. Tränke gegeben und 9 daran gewonnen, und hätte der Bube die Seele aus dem Leib hofieren müssen, so hätte es gemeint was es hätte, und mir nicht genug danken können, auch wenn ich ihm seinen Bub in Grund Boden hinein verketzert hätte. Nun sage ich der Kuh die Wahrheit, mache keinen Profit, so wird sie taub,danket mir nicht nur nicht, sondern verbrüllet mich noch dazu das Land auf und ab. Und doch habe ich den gleichen Leuten erst kürzlich das Gleiche gesagt, und wenn sie mir gehorcht hätten, so hätte ihr Sohn beide Augen noch. Aber bei solchen Kabisstieren ist kein Gläube, da kann man ihnen hundertmal helfen, und wenn man ihnen zum hundert und ersten Mal nicht in ihren Kram redet, so fluchen sie über einen und laufen zu einem andern. Ich wollte der Tüfel müßt cho doktere, es nehmte mich Wunder ob ihm die Bauren nicht auch erleideten, daß sie seinetwegen sein könnten,wo sie wollten, nur nicht in der Hölle, und er sie künftig ruhig ließ. Es käme den Bauren wohl.“

„Was käme den Bauern wohl?“ sagte ein eleganter Herr mit goldener Kette und Manscheiten, der so eben die Thüre aufmachte und mit zierlicher Beugung des Oberleibes herein trat. „He, wenn d'r Tüfel e Toktor B137 wurd, er nähme keinen Bauren mehr, er bekäme genug an ihnen schon beim doktern. Aber Gott grüß euch,was lebet ihr Herr Professor und was bringt euch schon des Morgens früh von Bern her?“

„Nichts besonders, es ist mir in Bern bei den Herren erleidet und da fahr ich mit meiner Frau ein wenig im Lande herum.“

„D Herrgott! wie kann es einem in der Stadt erleiden? Da hat man vernünftige Patienten, eine bequeme Praxis und muß nicht Berge auf, wo man den Athem mit dem Finger wieder füre guseln muß, wenn man nicht ersticken will; kann 10 Visiten machen,während wir eine; und dann Kümi! Kumi! und hier müssen wir froh sein, wenn wir das Leben davon bringen wollen bei denen Gytzgnäpperen, wo man für drei Kreuzer fünf Schlitze ins Blutte machen ann.“„O Doktor, ihr wißt nicht was ihr saget, sagte der Professor. Wenn meine Kinder nicht wären, ich wäre schon lange auf dem Lande. Da muß das Praktiziren eine ganze Freude sein, wo nicht jedes Weib meint,es sei ein halber Doktor und wenn es einem nicht mit einem Tannbuschli durch die Nase fahre, so schmecke man nichts; die einen keine Diät halten wollen, die andern vor lauter Aengstlichkeit einem des Teufels machen, Collegen einem das Leben versalzen, und man am Ende nichts davon bringt als Undank und einen Haufen Kinder, die einem ein Geld kosten, daß einem das Liegen weh thut.“

„Ihr wißt nicht, Herr Professor, was ihr sagt,und wie es auf dem Lande ist. Ich will euch nur das sagen, daß es eine ganze andere Sache ist, mit Herrenleüten umzugehen als mit Bauersleuten, antwortete der Doktor.“„Ach geht mir mit den Herrenleuten, sagte der Professor, das ist mir das ärgste Pack von der Welt,und eben das macht einem am täubsten, weil man das Recht hat, von ihnen zu fordern, daß sie vernünftig seien. Die einen vderketzern muthwillig die Ge 88 sundheit, gäb was man ihnen sagt, und wenn alles ruinirt ist, soll man helfen und wahrend man ein Loch flickt, gibts ein anderes, solche verstüͤpfte Naturen haben sie. Wenn man nicht auf der Stelle helfen kann, so reibt man es einem um die Nase, ob das konsultiren nicht gut wäre? Wenn einer stirbt, so gräbt man ihn wieder aus, um zu sehen, ob man ihn nicht verpfuscht hätte, und die Stadt auf, die Stadt ab redet man davon, daß wenn die und jene zu rechter Zeit einen andern Docktor genommen hätten, der arme Gestorbene noch lebte. Wenn sie die Meitschene am Tag mit denen verfluchten Schulen, wo man ihnen kaum Zeit zum Essen gönnt, mit Soireen, Societäten, Repetitionen z'MNacht krumm und dumm, lebersüchtig oder bleichsüchtig gemacht, Leib und Seele verstopft haben, daß nichts Vernünftiges von ihnen geht, dann sollen wir sie Ziweg doktern, daß sie gesunde währschafte Weiber geben und wahrend wir doktern, schnüren sie sich, daß alle Rippen gixen, und fressen Täfeli wie junge Kälber Klee. Den Frauen können wir nicht seiden genug thun. Wenn sie ihre quaästionirlichen Anfälle haben, so lassen sie uns rufen und wir sollen auf der Stelle helfen; verordnen wir etwas, ist der Anfall vorüber, so stellt man die Mittel ins Ofenloch, thut wieder was einem beliebt,und wenn der Anfall wieder kömmt, so heißt es wir könnten nichts. Wenn wir unter so bewandten Umständen nicht alle Tage die Aufwart machen, so heißt es, wir bekümmerten uns nichts um sie, möchten uns keine Mühe geben. Und kommen wir alle Tage, so erleiden wir den Leuten, und verblümt, daß ein Ochse es fassen thäte, gibt man uns zu verstehen, man wolle jetzt sehen wie es von selbst gehe, und wenn man einem ferner nöthig hätte, so wollte man einen rufen lassen.Solche Weibchen machen einem oft fast des Teufels und wenn nicht alle Jahre einmal der Sommer käme,daß man sie vors Loch hinaus reisen könnte, man hielt es nicht aus. Und hat man sie endlich draußen, so ist man nicht einmal sicher; es gibt deren, die einem schreiben wenigstens über den andern Tag, manchmal alle Tag, manchmal drei Seiten lang und noch an allen Börtern und noch dazu weltsch! Doktor, Doktor! weltsch!und was für Weltsch? daß man nicht weiß, ist es Pfauenlatein oder Kappelenweltsch, und darauf muß man antworten, wenn man in Gnaden bleiben will.Wenn man es den Frauen trifft, so breicht man es den Herren nicht; die möchten immer fressen, was sie gut dunkt, und machen, was ihnen sonst wohl gefällt,und während sie die Gesundheit zum Fenster hinauswerfen, sollte der Doktor sie ihnen wieder hinten hineinschoppen, und während sie einen Riß nach dem andern machen in ihre Lebenskraft, sollte der Doktor fix die Löcher ihnen plätzen, sollte ihnen die Krast zu ihren Geluüͤsten erhalten, machen, daß die Knie wieder halten, die Augen nicht blöde werden, der Unterleib keine Falten mache. Und kaum hat er einen solchen Ketzer wieder auf die Beine gestellt, so geht derselbe hin und macht es zehnmal aärger als vorher. Und ist man endlich mit der Herrschaft fertig, so möchte man erst noch ob der Dienerschaft aus der Haut fahren.Fragt man die, wo es ihnen fehle, so hätte man es ihnen ansehen sollen, und frägt man sie nicht, so ist man ein Möff und Grobian, zu vornehm mit ihrer Gattig Leuten zu reden. Redet man leise, so sagen sie, sie hörten übel, redet man laut, so klagen sie, man hätte sie angeschnauzt. Verbietet man ihnen den Kaffee,so schreien sie gen Himmel, verschreibt man ihnen was Bitteres, so wünschen sie einen in die Hölle. Stellt man sie auf die Beine, so ist man ein Dienstenteufel der ihnen das Bett und die Ruhe nicht gönnt, läßt man sie liegen, so soll es einem nichts an ihnen gelegen sein, und wenn es der Herr oder die Frau wäre,die liefen längst wieder herum. Will man einem Kammermeitli den Puls greifen, so thut es verschämt und fährt mit beiden Händen unter die Decke, wo man nicht nach mag; und will man einer Köchin die Zunge sehen, so verbeißt sie das Maul, und sagt, da hinein ließe sie nicht guggen, abers Wasser könne man haben,es stehe dort in der Ecke neben dem Nidelhäfeli. So haben wir es, Doktor, und wenn wir an einem Ort fertig sind, so ist der Teufel an einem andern los, und wenn er an einem Ort schwarz ist, so ist er am andern noch einmal so schwarz. Nein, geht mir, ihr habt auf dem Lande wie die Vögel im Hirse, wie die Meunsi in einem Wurmnest.“

„Ich wollte nur, Herr Professor, ihr müßtet ein halbes Jahr meine Praxis übernehmen, ihr würdet auf einem andern Löchli pfeiffen, sagte der Doktor. Was ihr in der Stadt habt, haben wir fast alles auf dem Lande auch und dann noch vielmehr dazu. Meint ihr,es gebe nicht auch Baurentöchter, welche sich schnüren?Sie tragen immer mehr Corset und wissen dieselben zusammenzuziehen, als ob ihnen der Melcher oder der Karrer dabei geholfen hätte, daß sie Schnatten kriegen,in die man ein großes Glatteisen verbergen kann, und der Bauch wie ein großer Kirschenkratien ihnen am Leibe herumhängt, daß man von Weitem nichts anders meint, als sie hätten die Wassersucht. Tann werden wir nie zu rechter Zeit gerufen, gewöhnlich erst, wenn man auf dem letzten Loöchlein pfeift oder die D...wetters Pfuscher und Wassergschauer schon Alles verblizert haben; von diesen wisset ihr in der Stadt nichts.“

„Was Voktor, meint ihr man kenne in Bern die Wunderdoktoren nicht? gerade da ist das ärgste Nest dafür.“ „Es wird öppe nit sy, sagte der Dokter, für witzig Herreleut sind solche Sachen z'dum.“ „Geht mir Doktor, sagte der Professor, Menschen sind Menschen,und im Herzen sind sie in der Stadt so abergläubisch als man es auf dem Lande ist, sie konnen es nur etwas besser verbergen. Es ist kein Pfuscher im ganzen Lande, der nicht von Bern aus besucht wird. Freilich stellen sie dann keine Zeugnisse aus wie die The. stetter und D... wyler und M. und andere, worin sie ihren Glauben zu den Güttleren bekennen. Aber wenn der Doktor im Emmenthal noch lebte, der könnte sagen,wie manches fünfbatzige Bunteli er nach Bern geliefert,und auf wie manches Berner Brüüstli er seine Hände gelegt hat. Es ist ja lange Zeit ein eigener Bote alle 61 Wochen von Bern aus zum Tschampel Hansli gegangen mit einem großen Räf voll Brunzgläser. Sehr oft leerte der aber die Gläser aus, weil er fand, leer seien sie leichter als voll, und sehr selten ging er zum Hansli,sondern im Buchiberg blieb er bei einem stecken, mit welchem er einen guten Akkord hatte. Dort ruhete er wohl aus, ließ die Brunzgläser mit allerlei Mitteln füͤllen und brachte ste sammt Grüßen und Aussprüchen vom Tschampel Hansli zurück. Und die armen Patienten lebten herrlich wohl an den küstigen Mitteln und dem Glauben, der Tschampel Hansli doktere an ihnen herum. O Nein sie sind in Bern nicht um ein Haar witziger als an andern Orten.“

Aber Docktor wir verklappern uns und meine Frau wariet im Wirthshaus, ihr müßt mit kommen, in Fischigen wollen wir zu Mittagessen und eins lustig sein zusammen; dort findet man es guts Fischli und e gute Reuenburger und wenn der nicht wäre, wer möchte mehr leben? aber so lange es noch Neuenburger und Fisch gibt, wollen wir den Rest ertragen und albeeinist Einen nehmen.“

Unterdessen war Anne Bäbi fortgegangen voll Erbitterung gegen den Doktor, welcher dem Jakobli nicht helfen woute. Es glaube es, sagte es, der könne ihm nicht helfen, wenn er nur ein Diener vo dem Natur sei. Es kenne den nicht, und wisse nicht wer der sei,man höre erst seit kurzem von ihm; aber g'seh hätte es ihn noch nicht und wenn es öppis mit ihm waär, so dorft er sich auch zeigen. Aber zu einem Diener wolle es nicht mehr, es wolle zu einem der die Sache selber verstehe und nicht bloß einem andern der Knecht sei,und noch dazu so ein Unerkannter. Es käͤme ihm wohl,daß Hausli ihn nicht gehört hätte, das wãre Wasser auf seine Mühle gewesen, wenn er gehört hätte, daß Jakobli werchen sollte. Es duechs doch, laxiren oder purgiren gingen minder hart, als werchen und noch dazů eines Tages fur, das Werchen aber komme alle Tage wieder. Aber es sehe wohl, entweder wüßte der nichts, oder wenn er ihm seinen Bub eines Tages tödten könnte, so würde er nicht zwei daran machen.Es wüßte doch nicht was sie dem zu leid gethan hätten?Sie hätten ihm bezahlt, was er gefordert hätte, und wenn er gekommen sei, und sie ein Kaffee z'weg gehabt, so hätten sie ihn allezeit geheißen mithalten, und wenn er nicht genommen so könnten sie nichts dafür.So rollten dem Anne Bäbi aus betrübtem Herzen finstere Gedanken durch den Kopf; für seinen lieben Buben wußte es keinen Rath und das lautere Wasser lief ihm die Backen ab, als es ins Wirthshaus zu Fischigen trat, wo die Wirthin ihm wohl bekannt war.Noch ehe sie fragte: womit sie ihm aufwarten könnte,Dab. „E aber Frau, was hast du, was ist dir doch auch begegnet?“ frug sie. Anne Bäbi sagte: „e bring mir einen halben Schoppen und ein Schnäfeli Fleisch numme gäb wie liecht, und wenn du dann Zeit hast,so will ich dir Bericht geben.“ „Wo hat eine Wirthin nicht einen Angenblick Zeit, wenn ein Anne Bäbi, das rothe Augen hat, Bericht geben will, was ihm die Augen roth gemacht? So saßen sie bald zusammen;und als Anne Bäbi über alles styf Bericht gegeben hatte, was es gesagt, und was der Doktor gesagt, und was es wieder geantwortet und dann wiederum der Doktor, sagte die Wirthin, „das sei nicht halb so bös,es solle sich nur trösten. So hätten es die schießigen Doktor alle, wenn man sie am nöthigsten hätte, so wůßten sie alle nichts. Es sei aber gut, daß es andere Leute gebe, die mehr wüßten als sie, und wo man nie umsonst hingehe. Es sei jetzt bald vier Jahre, so habe sise es gerade gehabt, wie Anne Bäbis Jakobli ufe Tupf e so. Ich bin schwanger gewesen zu meinem letzten Mädchen, und da hat mich auch duecht, die ganze Welt sei mir erleidet und wenn ich nur den ganzen Tag plären dürfte oder sterben koöͤnnte, und es ist mir in allen Gliedern gewesen, die Beine so schwer wie Kilchthürme und am Abend bin ich manchmal auf dem Sessel geblieben, weil ich zu müde war,ins Bett zu gehen und da hat mir ein ringes Mittel geholfen. Du hast auch schon von dem Elixir gehört,wo da einer zu Mirthligen macht der halbe Schöppe für 5 Btz., von dem häbe ich genommen alle Morgen und Abend einen Löffel voll, und von Stund an hat es mir gebessert und alle Tage hat es styf durchgezogen und es hat mich duecht, ich möchte wieder laufen wie ein Hirz. Wenn nicht Krämpfe dazu gekommen waären, daß es mich manchmal duecht hat, ich müß ersticken, so hatte ich keine bessere Schwangerschaft gehabt als die.“„Von diesem Elixir könne er auch etwas sagen,sagte ein alter Mann, es sei berühmt nicht nur hier,sondern man hätte ihm gesagt der König in Frankreich nehme alle Morgen davon. Er hätte akurat auch die gleiche Krankheit gehabt und er waäre längst nicht mehr da, wenn das Elixir nicht gewesen wäre. Er hätte einmal das Bein gebrochen und sechs Wochen lang am gleichen Ort liegen müͤssen; endlich habe man ihn aufgestellt und da sei er so schwach gewesen, er hätte geglaubt, jeder Schritt wolle ihn tödten und die Doktor hätten ihm auch keine innerlichen Mittel geben wollen und gesagt, es werde schon besseren, da habe er das Elixix kommen lassen und ehe er eine Halbe getrunken,sei er kurirt gewesen, zur Kraft gekommen und hätte von Tag zu Tag mehr machen mögen.“

„Das sei es donstigs Wasser, sagte einer hinter einem Bränzgläsli hervor. Es sei ihm vor Zahren schon angekommen, daß wenn er am Morgen aufgestanden sei, er gezittert habe wie ein Espenlaub und wenn er hätte ein Kaffeekacheli in die Hand genommen, so hatte er die Hälfte verschüttet. Das sei ihm 'wider gewefen und er sei auch zu einem Doktor gegangen und hätte es ihm geklagt. Der hätte ihn nur ausgelacht, ihm kaltes Wasser angeraihen und gesagt, das kömmt von deinem verfluchten Saufen und wenn du mit dem nicht hörst, so kömmt es alle Tage ärger.Das hätte ihn iaub gemacht und er hätte gedacht, zu einem solchen Donstig gehe er nicht mehr. Aber da hätte man ihm vom Laveri gesagt und er sei zu ihm gegangen, und der habe gleich gewußt, was es sei und wie zu helfen. Von den Nerven komme das, habe er gesagt, er habe schwache Nerven, und das sei wahr,seine Mutter sage immer, wie er als Bube schon am ganzen Leib gezittert habe und Schaum vors Maul bekommen, wenn er zornig geworden sei, und dafür hätte er ihm das Elixir gegeben und alle Morgen zwei Löffel voll befohlen und manchmal nehme er drei.Und das müsse er sagen, sobald er die im Leibe habe,so höre das Zittern auf, er könne mit seinen Händen machen, was er wolle, und es duech ne, er möͤchte über alle Zäune ausspringen.“

„Wo letzten Herbst der rothe Schaden (Ruhr)regiert, da habe er es auch gebraucht, sagte ein anderer, und er müsse sagen, wenn er es nicht gebraucht,so wäre er längst im Boden; noch jetzt fühle er die Schwäche. Aber die Krankheit sei auch gekommen,man hatte es nie erhört. Xaveri hatte gesagt, wenn das nit helf, so söll me ume höre; vier King heygs ihm tödt, gab wie er ne ygschüttet heyg, und es heygs se albez fast z'ringsethum drähyt, su heygs agrüührt,aber es heyg alles nüt ghulfe, er allein hätte möge dure g'schla, aber es hät hert g'ha, er selbst habe manchmal geglaubt, es müß greiset sy.“

Schon lange hatte es Anne Bäbi gewohlet und zum ersten halben Schoppen einen Zweiten kommen lassen, kaum gemerkt, daß die Wirthin abgerufen wurde und gar nicht, daß sie draußen blieb. Es sah seinen Jakobli schon ganz gesund und freute sich, dem Doktör diesen Troz anzuthun und Wunder nahm es ihns,was der dazu sagen werde. Aber noch eins nahm ihns Wunder und es zweifelte nicht daran, daß eine so erfahrne Mannschaft, wie da war, ihm darüber Auflösig geben könnte. Es erzählte noch einmal, wie es bei dem Doktor gewesen und wie der ein Hochmüthiger,Uverschante und Ung'schleckete sei. Für seinen Buben hätte er ihm nichts gewußt, über die Bauren hätte er geflucht, daß es eine lötige Schande sei, denn von wem sonst hätte er z'Fressen? Z'letzt als er nichts 68 mehr gewußt, hätte er gesagt: „Lue du dummi Frau,üserein ist numme e Diener der Natur.“ Jetzt nehme ihn's nichts mehr Wunder, als was das für es Züg syg d'Natur, ob e Mönsch oder süst Neuer. Aber das duechs, eine, daß numme Knecht syg sött nit so ufbegährisch sy, aber es sei Heut zu Tag so: je minder einer sei, desto wüster thue er. Aber was d'r Natur für einer sei, das nehme ihns Wunder.

„Ich habe von dem auch schon gehört, sagte einer,aber gesehen habe ich ihn noch nicht; es wird öppe eine 3Bern sy, wo ihm dRustig git; es ist da einer, dä handelt um Laxirige und sellige Zug, wie d'r Tüfel,süst wüßte ich Niemere, der so heißt.“

„Ich traue, er meine seine Frau damit, sagte ein anderer, sie hat so e arige Name und er muß ihr folge vom Tüfel; über e jedere Schoppe muß er ihr Rechnung geben, und wenn er mehr als 2 gehabt hat des Tages,so hängt sie ihm den Brotkorb höher und er darf am andern Tag gar nicht aus dem Bett und sie schließt ihn ein“

„Warum nicht gar, sagte ein Dritter, Natur und Welt und Tüfel ist eys, numme ist Natur höfliger als Tüfel. Dem Tüfel sein Knecht ist er, aber gerade heraus sagte er es doch nicht gerne. Alle die Pfaffe und Doktor, wo von Gott abfallen, ziehen Alles auf die Natur hin, d. h. sie übergeben sich dem Teufel und beten den an, und machen, was der will. So ists,ich weiß es, mein Vetter, und der kann mehr als Brod essen, hat mir das bündig ausgelegt; er ist drei Jahre Schulmeister gewesen und lernt jetzt Kämifeger.“„Das gefall ihm, sagte Anne Bäbi, und so werde es wohl sein, aber schrecklich sei es, und man wisse heut zu Tage gar nicht mehr, mit wenn man es eigentlich zu thun habe, und es sollte einen nicht Wunder nehmen, wenn man den Teufel am heiter hellen Tag herumlaufen sehen würde. Aber wenn die Wirthin da wäre, so wollte ich abschaffen, sie werden daheim nicht wissen, wo ich bin.“ Mit dem stand Anne Bäbi auf,ging dem Nebenzimmer zu und sagte; es duechs, es

85 hätte ihre Stimme daneben gehoöͤrt. Leise öffnete es die Thüre und steckte den Kopf hinein, fuhr aber plötzlich zurück mit hellem Schrei: Herr Jeses er ist da, helfit, helfit!“ Drinnen aber ertönte ein schallend Gelächter und der Doktor trat heraus und sagte: „Ja sieh mich nur an ob ich der Teufel sei oder nicht.Aber von dir hätte ich es nicht geglaubt, daß du so redetest über mich und mich so verdächtigtest; das hab ich um dich nicht verdient. Aber so hat man es, wenn man es gut meint und aufrichtig ist, so glaubt ihr es einem am Allerwenigsten; dem ärgsten Lumpenhund,der euch die Haut über die Ohren abzieht, könnt ihr glauben.“ „Verzieht Herr Dokter, ich habe nicht gewußt, daß ihr daseit, ich hätte sonst so etwas nicht gesagt.“ „Das glaube ich wohl, sagte der Doktor,aber desto schlechter ist das von dir.“ „He, es hat mich nur Wunder genommen, wer einer sei, wenn er Diener vom Natur sei und jetzt weiß ich es. Bhütech Gott und lebit wohl.“ Und Anne Bäbi verschwand.„Aber Herr Gott, sagte der Professor, ist es noch so auf dem Lande, nicht einmal wissen, was Natur ist! Aber was thut man in den Schulen? ist da nicht von Naturkunde die Rede? und wird da nichts gelernt von der Einrichtung, welche den Werken Gottes zu Grunde liegt und den Kräften, welche in denselben liegen und wirken; und sagt der Pfarrer nichts darüber?“ „Was weiß ich, sagte der Doktor, in einer Schule bin ich noch nicht gewesen, und wenn ich z'Predig gehe, so prediget der Herr immer nur von der Religion. Es hat mir schon manchmal geschienen, er könnte von etwas reden, das mehr abtrage, es wäre da noch Manches.Gerade von der Natur und daß die Natur die Natur sei und wir alle von ihr leben müssen und wie die Ooltoren nichts anders seien als Diener der Natur,d. h. daß sie nur von der Natur abhingen und nichts auders könnten als ihr nachhelfen, und daß, wenn die Natur nicht wäre, auch die Doktoren nicht wäͤren. Aber so etwas vernünftiges habe ich noch nie von ihm gehört. Aber gellet, Herr Professor, solches habt iͤhr 67 nicht geglaubt, wie es einem hier geht, und wie die Leute noch dumm sind?“ Sinnend war lange der Professor geseßen, endlich sagte er; „Ja das hätte ich wirklich nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte. Aber wenn ich es in Bern wieder erzählen wollte, es glaubte es mir Niemand; aber graäßlich ist es doch, daß in unserem aufgeklärten Staate die Verdummung des Volkes so frech und unverschämt getrieben wird, denn an dem, was die Leute nicht wissen, sind nicht sie schuld, sondern die, welche es ihnen hätten sagen sollen und es nicht gethan.“

„Unser Volk ist doch so wißbegierig und hat den Narren gefressen an der Bildung. Man braucht die Leute nur von weitem anzusehen um zu erfassen, wie wißbegierig sie sind und wie offen jeglicher Bildung;haben wir nicht diesem Hunger und Durst nach Aufklärung die neue Ordnung der Dinge zu verdanken und schwitzt sich das Erziehungsdepartement nicht fast die Seel aus dem Leibe ob Erziehung und Bildung des Volkes? Es nimmt mich Wunder, daß es solches duldet! Aber ihr, Doktor, ihr könntet viel machen.Ihr kommt so viel zu den Leuten, und sie würden sich sicher von Niemand besser brichten lassen als von euch,und euch so dankbar dafür sein. Wir haben ein so herrliches Volk, man könnte mit ihm machen, was man wollte, man könnte es um einen Finger lyren (wickeln),wenn man sich seiner nur annehmen wollte. Doktor thut das.“ „Da wollte ich ein Narr sein, sagte der Doktor, ich habe andere Sachen zu thun. Es ist mit den Bauren nichts zu machen, die glauben jedem alten Weibe mehr als mir, und wenn ihnen einer mit den Hexen kömmt, so dunkt sie der der Gescheutest. Nein,Herr Professor, der Bildung fragen unsere Bauren nichts nach, und wenn einer einen zahlten Hof hat, so luegt der den König Salomo nur fuür einen Schnuderbub an neben sich. Und wenn schon hier und da einer sein Meitschi ins Weltschland thut, so ist es ihm nicht darum, daß es dort etwas lerne, sondern nur um zu zeigen, daß ers vermöge so gut als ein anderer. Und wenn sie heute alle Schulmeister fortjagen könnten, sie thätens, und warteten nicht bis morgen; und was das Erziehungsdepartement dazu sagt, weiß ich nicht, ich habe längs Stück nüt von ihm g'hört. Nein Professor,mit den Bauren geht mir, das ist mir bloß e bösi Nation, unb wer mit ihnen zu thun haben muß, thäte ringer Stöck spalten, wenn es auch huchigi wären.“„E aber Doktor, sagte der Professor, so kommt mir nicht; es dauert mich an euch, wenn ihr kein Herz fürs liebe Volk habt, sondern nur Vorurtheile gegen dasselbe.O wir haben ein herrliches Volk, wenn man es nur recht verstehen wollte, aber man versteht es nicht, weil man das Herz nicht zu ihm hat. Wenn die rechten Leute hinter dasselbe kämen, ich bin überzeugt, sie könnten mit dem Volk machen, was sie wollten, in sechs Jahren kennte man es nicht mehr. Warum können Pfuscher und Sektierer einen so großen Einfluß üben? weil site Volksliebe heucheln; wenn vernünftige Leute Volksliebe hätten, vermöchten sie nicht unendlich mehr? Aber da fehlts, Doktor, es denkt jeder nur an sich.“ „Herr Professor, ich wollte nur, ihr würdet es selbst mit dem Volke probiren; ihr würdet auf einem ganz andern Loch pfeifen, wenn ihr sechs Jahre unter shm gewesen waäͤret. Wißt was, kommt aufs Land und probirt es einmal.“ „Von Herzen gerne thääte ich es, sagte der Professor, wie ich schon gesagt, es wäre mein innigster Wunsch auf dem Lande zu leben, es dünkt mich allemal ich sei im Himmel und an allen Haaren zieht es mich zu den schlichten wackern Leuten.Aber wie gesagt, Doktor, wegen meinen Kindern kann ich nicht, ein Vater hat zuerst für diese zu sehen, und ich fürchte auch noch bei einer Landpraxis würde ich für die Wissenschaft verloren gehen. AÄber kommt, Doktor, wir wollen Gesundheit trinken auf unser herrliches liebes Volk!“ „O Gesundheit machen will ich wohl,sagte der Doktor, aber nicht wegem Volk, das ist mir e verfluchti Nation, ihr habt es ja selbst gehört zum De .. sondern vo wegem Neuenburger, der ist verflucht gut,ßo *

Mädi geht auf Reisen und bekömmt Gedanken.Unterdessen war Anne Bäbi auch heim gekommen,voller Gift und voller Freude im Herzen. Voller Gift gegen den Doktor, der ihm nicht helfen wollte; und voller Freude, daß es nun sagen könnte, was für einer der eigentlich sei und es wäre ihm schon lange im Sinn gewesen, mit dem sei es nicht richtig, aber erst jetzt,wo es wisse, daß Natur und Tüfel das Nämliche seien,wisse es recht, woran es sei. Freude hatte es aber auch, weil es wußte, wie dem Jakobli zu helfen. Es nähme nicht einen Neuenthaler, sagte es, für das, was es vernommen, aber es hätte es Niemere geglaubt,wenn es es nicht selbst erfahren, daß man in einem Wirthshaus bessern Bericht vernehme, wie man einen Kranken doktern könne als bei einem Doktor. Aber so komme es, wenn einer in selligem Dienst sei, wenn er schon etwas wüßte, so wolle er es nicht sagen aus Tufelsüchtigti.

Am folgenden Morgen mußte sich Mädi ʒ'weg machen, um beim Faveri das Elixir zu holen. Mädi D erst noch bessern Bericht einziehen, es traue der Sache nur halb. Es wäre doch vielleicht besser z'Wasser zum Sameli z'schicke, der konne aus dem Wasser allen sagen,wo es ihnen fehle, er breyche es Allemal punktum. Es könnte allweg heute nicht gehen, es sollte den Hühnern misten und Zwibelen umdrehen. Aber alles half nichts.Anne Bäbi zeigte, daß es Meister sei. Expreß putzte sich nun Mädi nicht; für zu einem Sellige zu gehen,wo man nicht mehr zu ästimiren brauche als der erst best Vehdoktor, sei oppe grad alles gut genug, und es bezahle nicht seine Kleidlene, wo es felbst gekauft und bezahlt hätte, bei einem Sellige zu verdrecken.Anne Bäbi hatte es recht ungern als Mädi kein sauberes Hemd anzog und nur ein halb reistenes Fürtuch umlegte; aber Mädi hatte auch einen Kopf und zwar einen harten, und was einmal drinnen war, brachte Riemand raus und wäre es auch ein Diener der atur.

Mädi ging brummenden Herzens. So gehe das sy Seel nicht länger, und wenn Anne Bãbi so fuhrwerchen wolle, so wolle es lieber nicht länger dabei sein, und wenn Jakobli nicht wäre, so wäre es schon lange an einem andern Platz und z'letzt vermöchte es auch für ihns selbst zu fein, wenn es sein müßte; das war ungefähr das Thema, das seinen Phantasien zu Grunde lag. Während Mädi solche Gedanken wälzte in seinem hihigen Herzen, kam einer hinter ihm drein mit ganz gstäbeligen Beinen, die er gar seltsam drehte und setzte,Ind wunschte Mädi freundlich die Zeit. Mädi dankte und freute sich darüber, daß es Gesellschaft erhielt und auf die Frage wohin? fand es Anlaß, Jakoblis ganze Krankheit zu erzähien und wie es ihn gerettet, und wie man es ihm jeht wüst mache und es in der Welt herum sprenge für nichts und wieder nichts, während es doch selbst am besten wüßte, wie dem Jakobli zu helfen wäre und es den Hühnern hätten misten sollen. In dieses flocht es mancherlei Andeutungen über seiner Meisterleute Reichthum und seine eigene Häbigkeit und Husligkeit und rühmte sich, daß mit Pflanzen es Niemand möge,und wenn es nicht wäre, Hansli sehen könnte, ob er so viel Anken verkaufen könnte und so schwere Schweine,und wenn es fein müßte, so könnte es noch melken und mähen. Sein Begleiter hörte sehr aufmerksam zu und meinte endlich: es duech ne, wenn er Mädi wäre,so wollte er nicht mehr dienen, und so sich des ume hudeln lassen. Er heirathete, wenn er es gut machen lönnte, und ein sellig Mensch, wie Mädi sei, könne auslefen nit ume so unter schittern Wittwern, sondern unter den töllsten Burschen.

Vo d'er Tölli heyg me nit g'fresse, sagte Mädi.Es wolle nicht sagen, daß es einen jeden Schnürfli möchte oder so einen alten Zatteri, aber d'Hauptsach fei doch immer, daß man zffresse haätte; einen daß nichts hätte, möchte es nicht. Es möchte nicht seine Sache 71 dargeben, und wenn es manne wolle, so wolle es manne, daß es öͤppe sein könne, sonst wolle es lieber nicht. Dem Mannevolk an ihm selber frage es öppe nit viel nach, mi heyg ume Plag mit ihm, und ʒzletsch müß me de no King ha, und selb wär ihm z'wider.

Der Mann mit den g'stabeligen Beinen gab Madi vollkommen recht. Wenn e Niederi so sinnen, so gäbe es minder arme Leute, aber es habe nit e jeder däV'erstang; die Mehrsten bildeten sich ein, wenn sie einen Mann hätten, so sei allem g'hulfe, und dann alle Tage sufen, Suntig und linds Biot. Die arme Tropf bekämen bald Manns genug, und sinneten dann aus Liedli: „Ledig sy ist gar e frey Ding.“

„Es selligs rechtdenkets und witzigs Möntsch, wie du eins bist, trift man nicht alle Tage an, unter Hunderten nicht, my armi Thüri. Aber hör, ich wüßte dir Einen, einen tollen Mann; die Frau ist ihm erst vor vierzehn Tagen gestorben, aber er nähme wieder eine. Er hat es gieich den Tag nach der Leiche zu mir gesagt. Er hat ein braves Hemeth für drei Kühe,und die Schulden plagen ihn nicht zKuntraäri, er hat noch Ausgeliehenes, und noch fry ordeli viei. Der wäre für dich wie g'küchelt und du für ihn ebenfalls.“O. das sei nicht, daß es ihm soövli preßire, sagte Mädi; hatte es so lange gewartet, so wolle es jetzt nicht z'sämefüßlige i d'Lätsche, gut Ding well Wyl ha.He sagte der Mann, es sei nicht, däß es heute fein müsse, aber man müsse den Kuchen backen, wahrend der Ofen warm sei. Es sei mit selige Sachen so, sie kämen einmal, und griffe man nicht zu, so könne man ihnen dann lange nachplären, sie kämen nicht wieder.„He, ja ja, sagte Mädi, es ist so, wenn man nur immer wüßte, wie man es machte. Es hätte Mancher z'Sach, aber sie reute ihn, und er sei der wüstest Hung gegen seine Frau.“ „Der wääre es nicht, sagte der Mann, darauf kannft du zaählen; er gönnt es ihm und andern, und wenn du einmal ins Wirthshaus willst, so brauchst du es nur zu sagen. Er hat manchmal geklagt, die Frau, welche ihm gestorben, woue nicht mit ihm gehen, gäb wie er ansetze, und wenn er ihr eine Halbe krame, so sei es ihr nie recht.“ „O,sagte Mädi, selb begehre es auch nicht, daß der Mann seinetwegen sich so verköstige, wenn man neben aus gewurstet hätte, so wolle es nicht daran schuldig sein.So ein huslicher Mann sei ihm doch noch lieber als einer, dem alles gleich sei und der das Geld nicht ästimire.“

„O für z'selb brauchst du nicht zu kummern, sagte der Mann, der weiß was Geld ist, und schlägt alle Jahre ein Schönes vor. Aber er hat manchmal gesagt, daß ich es gehört, und unsere Häuser sind neben einander: Er wollte ein Narr sein, hat er gesagt, und sich es nicht giͤnnen, mitnehmen könne er doch nichts,und je mehr er spare, desto mehr werde an seiner Graäbt versoffen, und desto lustiger seien die Leute, und das wolle er ihnen nicht zu Gefallen thun. Ja, wenn er einer guten Frau die Sache könne lassen verschreiben,so wäre es noch etwas, aber für seines Vaters Bruders Kinder wolle er es nicht böbs haben. „Wie alt wär er?“ fragte Mädi. „O im besten Alter, sagte der Andere, er ist noch lange nicht siebenzig, und läuft dir noch grad auf wie ein Stecken, und mäht einen ganzen Morgen wie ein Junger, und hat noch alle Zäͤhne im Maul, wenigstens vorfer. Ich will ihm davon sagen, so bald ich heim komme,und dir B'scheid machen, oder vielleicht koöͤmmt er selbst.“ „He, sagte Mädi, ich will noch d'Wehli ha und mich besinnen; wer weiß wie es mir noch kömmt.“ „He du Göhl, wer wollte dich zwängen? du kannst es ja immer machen wie du willst, sagte der Mann. Aber hör, kannst du mir nicht zwanzig Batzen geben, ich sollte da etwas kaufen, und sehe erst, daß ich nicht Geld genug bei mir habe. Entweder will ich dir das Geld zuruück geben, wenn ich dir Bescheid bringe, oder wenn er selbst kommt, so will ich es ihm mitgeben. Du kannst darauf zaäͤhlen.“ Mädi hielt sich nicht dafür, daß es nicht zwanzig Batzen zum Entlehnen hätte und dachte, die gute Bekanntschaft dürfe es nicht 73 verderben, sie sei auch etwas werth. Es las die Batzen aus seinen Brodbrosmen heraus, welche seit langem in seinen Säcken sich aufgehääuft hatten. Erst als es sie gegeben, und alleine Kaveris Haus zuging, fielen sie ihm so schwer aufs Herz, daß es kaum vas Geheul der Hunde hoörte, welches an den Felsen grausig wiederhallte. Vor dem Hause spaltete einer Holz und auf die Frage nach dem averi, sagte der, er sei für sein Kind, das gar krank sei, zum Doklor gegangen.Aber mangelt denn der den Doktor auch? fragte Mädi,ich habe geglaubt, er habe ein Elixir, weldyes alles gesund mache?“ „Ja, aber er macht es nur für andere Leute, er selber braucht nichts bavon, sagte der Knecht; aber wart nur ein wenig, er wird gleich wieder kommen.“ „Das ist wunderlich, sagte Mädi,b'sunderbar wunderlich, daruf verstah ih mi nit,“ und wer weiß, was Mädi gemacht hätte, wenn Xaveri nicht gleich gekommen wäre. So faßete es seinen Schoppen für 10 Btz. und machte sich auf den Heimweg; und gar etwas wunderliches ereignete sich in seinem Kopfe, so war es ihm noch nie ergangen. Da stritten in seinem Kopf feine Gedanken ein seltfame Schlacht. Sonst sinnete Mädi nur eine Sache, und manchmal wußte es längs Stück nicht, welche, und wenn man ihm den Kopf hätte abhauen wollen, es hätte es nicht sagen können, wenn es zur Selteni sagen konnte, was es gesinnet, so war es selbst verwundert darüber. Jetzt wollten sich zwei Dinge in seine Gedanken nisten, und sedes alleine, und darum stritten sie mit einander, und bald war das eine oben und dann gleich darauf wieder unten und umgekehrt, und

Mädi war sich beider Sachen recht gut bewußt, und wenn nur Jemand bei ihm gewesen wäre, es hätte gerne von beiden gesprochen, wenn auch nicht nacheinander, so doch durch einander, gerade wie sie in seinem Kopfe auf und niedergingen. Die Freude, daß Laveri beim

Doktor gewesen, und sich nicht selbst zu helfen wußte weder mit seinem Elixir, noch mit etwas anderem, und wie es das Anne Bäbi vorhalten und dem Hansli sagen wolle, bewegte es mächtig, und eine ganze Menge Trümpfe gegen Anne Bäbi steliten sich ihm zu Gebote.Aber mitten in denselben erschien der Mann im besten Alter, bolzgrad auf und mit allen Zähnen vorfer. Und Madi beäugelte ihn hinten und vornen, und sah dann noch ein Haus, und im Hause Schäfte und Gaden,und viel Tuch und Garn darin, und eine Küche mit schönen Kachelbäͤnken, und oben im Rauch 8 Hammen und 4 Speckseiten, und unterm Hause einen Keller, und darin einen schönen Ankenhafen, einen angehauenen Käse und Erdäpfelkrummen, und Sauerkabisftanden, und ein großer Milchbank, und in alles das schlugen die Trümpfe, welche es Anne Bäbi sagen wollie, und Mann und Haus verschwand, und die zwanzig Batzen kamen ihm wieder in Sinn, die es einmal gehadt hatte und gerne wieder gehabt hätte.

Als “es daheim fortging, hatte ihm Anne Bäbi gesagt: „Häb de e Schoppe.“ Es hatte dasselbe eigentlich nicht im Sinn, denn es meinte nicht, daß der Mensch auf der Welt sei um z'unnütz Geld zu brauchen, und es wußte wohl, daß es daheim etwas im Ofenguggeli an der Wärme finden würde.

Als äber seine Gedanken so aufrührerisch wurden,ihm keine Ruhe ließen, so ward ihm fast Angst dabei,und es flüchtete sich gleichsam vor ihnen ins Wirthshaus, und setzte sich auf den gleichen Platz, wo gestern zur gleichen Stunde seine Meisterfrau gesessen war,eich wenn man zur Thür einkam linker Hand in der Etcke am Tisch. Die Weiber saßen gewöhnlich dort ab, um nicht lange in der Gaststube herumgehen zu müssen, was selten eins ohne Verlegenheit thut. Gottlob sieht man es den Meisten an, daß sie in den Gaststuben nicht daheim sind. Zugleich hatte man auf jenem Platze den Vortheil, daß man alles sah, was in der Stube vorging, und alsobald verschwinden konnte,sobald Jemand hineinkam, den man scheute.

Als die Wirthin Mädi bedient hatte, setzte sie sich auf die vordere Bank und fragte: „Es duccht mich,ich sollte dich schon gesehen haben. Wo kömmst du her?“ „He, von Gutmüthigen,“ antwortete Mädi „Du wirst öppe g'st sy?“ fragte die Wirthin. „Ich habe zum Faveri müsse, von seinem Dreck habe ich müssen holen, und das kleine Gütterli hat 10 Btz.gekostet, lueg auch.“ „Bist du etwa Hansli Jowägers Jungfrau?“ „Ich sollte sie sein, d'Lüt sages,“ ant-wortete Mädi. „Ihr einziger Sohn soll noch immer krank sein, sagte die Wirthin. Die Frau ist gestern da gewesen und hat neue berichtet.“ „He ja, sagte Määdi, und wenn ich nicht gewesen wäre, und ihm so grusam g'luegt hätte, wo er krank g'st ist, er wäre längste tvdt. Aber jetzt, wo er fast wieder z'weg ist,schatzt man mich nichts mehr, und wenn ich schon lange was sage, es giltet nichts mehr. Man ist gut genug, wenn man einen nöthig hat, und nachher solite man nirgends mehr sein und zu keiner Sache was sagen.Aber es sei ihm gleich, es könne auch schweigen; es daure ihns nur der Jakobli.“

„He, sagte die Wirthin, die Leute können sonst das Elixier nicht genug rͤhmen.“ „Einmal es, fagte Mädi, hätte keinen Muth dazu. Wenn es eiwas nutz wäre, so gäbte er seinem eigenen Kinde auch davon, und wenn er etwas könnte, so liefe er nicht zu einem andern Doktor.“. Die Wirthin fand nicht nöthig,zu sagen, daß sie das Elixier angegeben, sondern leune ab und fragte: „Das sind reiche Leute z'Jowägers,nicht wahr?“ „He, sagte Mädi, sie könnten e einmal machen, aber desto besser hätten sie's nicht dabei,es und der Knecht müßten fast alles alleine werchen,b'sonders seit Jakoblis Krankheit lege Anne Bäbi fast keine Hand mehr an, und Hansli möge auch nicht mehr recht.“ „Ihr habt viel Land?“ fragie die Wirthin.„Ho, es hat Mancher mehr, aber doch haben wir Jahr aus Jahr ein 1 Roß und 4 Kühe, und manchmal b Schweine. Ehe ich dort war, hatten sie nur zwei,aber jetzt haben wir gewöhnlich sechse, und wenn ich alleine Meister wäre, ich wüßte für acht Sachen genug,und Kuh hätte ich auch eine mehr. Aber unser einer sollte nichts zu befehlen haben, und d'Meisterfrau hat 76 ihren appartigen Gring, und wenn Hanusli eine andere hätte, er könnte mängs hundert Kronen reicher sein,.“Haben sie noch Schulden und husen sie hingerzi?“früg die Wirthin. „Selb nicht, antwortete Mädi.ZoHöfli ist zahlt, und es ist manches vornehme Haus,es ist nicht halb so viel Geld als in unserem; und wenn alles an einem Haufen wäre, was Hansli hier und da verstoßen hat, nur was ich weiß, es würde mancher Herr sein Lebtag noch nie so viel bei einander gehabt haben. Man konnte wohl noch ein Höfchen baraus kaufen.“

„Die sind also von den heimlich Feißen (Fetten).AV66 Tage wollen die Leute immer reicher scheinen als sie sind; so b'schyßt Eis z'Andere, und so kommen manchmal zwei zusammen, und ein jedes glaubt, das andere sei reich, und am Ende haben beide nichts; beide haben einander angelogen, und doch hält es eins dem andern vor so lang es lebt, und Streit ist das Einzige, was sie Sonntag und Werktag haben ohne Aufhören. Man kann sich heut zu Tag nicht genug in acht nehmen,wenn man schon glaubt, man habe alles ausgefrägelt,so kriegt man doch eine Täsche, und nimmt nicht nur einen, sondern beide Schuhe voll heraus.“ „Nein,sagte Mädi, das brauche hier Niemand zu fürchten;Hansli wisse selbst nicht, wie reich er sei, und wenn er alle seine Säckli zusammenlesen würde, er würde sich selbst verwundern, wie viel er hätte.“ „Je, sagte die Wirthin, da hätte dann ein Söhnisweib gut einzusitzen, und sie glaubte, das Weiben thäte dem Jakobli gut. Sie wüͤßte viele Beispiele, daß die Leute gekränkelt häätten, so lange sie ledig gewesen seien,man hätte nicht gewußt, wo es ihnen fehle, und so bald sie geheirathet hätten, seien sie gesund gewesen,wie Fische im Bach, und ihrer Lebtag hatte ihnen nichts mehr gefehlt. Es sei gar kurios mit dem.“

„Es hätte auch schon davon gehört, sagte Mädi.Es fehle ihm auch zuweilen; manchmal kriege es so schwere Beine, daß es sie nicht lüpfen möge, und anderemal einen so sturmen Kopf, daß es ihns dueche,es müsse desaus fallen; aber am meisten habe es ein Drücken auf dem Herzen, daß es ihm sei als ob eine dreizentmnerige Sau darauf hocke, und es meine, es müsse ersticken. Da habe es auch manchmal gedacht,ob das Heirathen nicht gut dafür wäre, und ob es ihm nicht besserte ums Herz, wenn es einen Mann hatte. Es hätte schon manchmal ab Körblikraut getrunken, aber es glaubte, ein Mann b'schoße doch bas chülfe besser). Und es sei dann nicht, daß es nichts hätte; Kleider hätte es mehr als manche Bäurin,13 gute Hemden, und böse, es wisse nicht wie viel,und noch Tuch für 3 im Schaft, wo auch noch manches Krönli Geld sei, es könnte nicht einmal sagen wie manches.“ „Es häatte es dann gerade wie sein Meister, sagte die Wirthin. Es solle sich aber in Acht nehmen, daß es nicht Einer erwütsche. Gerade sellige Meitli, wo man wisse, daß sie einige Kronen hätten,würden am leichtesten hineingesprengt. Aber für den Jakobli wäre es schade, wenn der ledig bliebe, und sie glaubte, sie wußte ihm eine, die für ihn wäre.“

„Ho, sagte Mädi, es wolle sich schon in Acht nehmen, so blindzlige springe es nicht hinein. Es wolle seine Sache gewiß haben, und mit dem Jakobli werde es nicht sövli preßire; sie wollten einmal jetzt das Elixier probiren, und wenn das nicht helfe, so wisse es dann noch einen, der sich b'sunderbar aufs Wasser verstünde; und wenn der auch nichts könnte,dann könnte man mit dem Weiben probiren. Aber jetzt müsse es heim, sie wüßten sonst nicht, wo es wäre, und könnten meinen, wo es herumreutere.„He, preßire nicht, sagte die Wirthin, sie werden wohl wissen, daß du nichts Schlechtes machst.“ „He ja, sagte Mädi, sie könnten es wissen, aber sie trauen doch Niemand etwas. Es ist eine harte Sache, bei so mißtrauischen Leuten sein zu müͤssen. Es ist z'Weihnacht 15 Jahr, daß ich bei ihnen bin, und sie sollten es wissen, daß mir ihre Sache ist wie die meine, und doch sollte ich zu nichts etwas sagen, und wenn ich doMeisterfrau nicht alles will zwängen lassen, wo sie im Gring hat, so geht es übel. Adie, lebit wohl.“„Adie wohl, sagte die Wirthin, und komm bald mehr.“Es wirds schon geben,“ sagte Mädi, und wanderte in andächtigem Sinnen seiner Wege.

„Das ist eine g'wundrige Frau, sagte Mädi zu sich selbsten, die hatte mir gerne die Würmer aus der Nase gezogen, der bin ich schlimm genug gewesen.Aber dumm ist die nicht, die weiß wie es geht in der Welt. Es ist gerade, als ob sie gewußt hätte, daß mich einer wollte, aber der hat mich noch nicht. Also für Jakobli wüßte sie eine; aber der habe ich es gereiset, und gethan, als hörte ich ste nicht. Wunder hatte es mich doch genommen, an wen sie gesinnet hätte.“ Hier stockte Mädis klarer Gedankenfluß, und ein seltsam dunkel Wirbeln und Strudeln bunter Vorstellungen begann.

Es fuhr ihm kalt den Rücken auf, wenn es dachte,wie leicht es einen Schuh voll hinausnehmen, um seine Krönlein kommen könnte, ja auch um die Hemden,um gute und böse. Aber die Beine, wie thaten ihm die weh, noch nie so, und auf dem Herzen dunkte es ihns, daß es bysten und berzen müßte, als ob ein ganzer Schweinstall darauf wäre; und also dem Jakobli würde es auch bessern, wenn er wybete; so meinte die Wirthin, und die Frau ist nicht dumm. Aber in Acht zu nehmen hätte der sich auch, meinte Mädi, daß er nicht hineintrappe; wenn ein Meitli mit ein paar Kronen einen Schuh voll hinausnehme, so riskire ein Baurensohn nicht nur den Schuh, sondern Maul und Nase voll. Aber bessern thäte es dem Jakobli, es glaube es auch, und ihm selbst auch, es duechs, bloß vom daran denken leichte es ihm in den Beinen. Es sei doch kurios, dachte es, daß die gleiche Sache für sie beide gut waäͤre, und daß beide sich so sehr in Acht nehmen müßten vor dem Hineintrappen, da hätten sie es akurat ja gleich.

Zuaußerst an dieser Gedankenreihe entstand in Mädis Seele ein klein glänzend Fünklein, und das Fünklein flackerte lustig hin und her, versteckte sich, und schoß dann wieder empor hoch auf, und Mädis Beine wurden immer leichter, sein Herz immer freier; wer hinter ihm drein gegangen wäre, hätte geglaubi, es wolle anfangen zu tanzen, und es hätte von dem bekannten kLustgas eingesogen, einer eigends bereiteten Luftart,welche den, welcher sie einsaugt, in einen lustigen Rausch versetzt, wo der Hinmel voller Geigen ist,und tanzen muß, wer sein Lebtag nichts davon wußte.Die Rede geht, es sei zur selben Zeit, in welcher Mädi auf der Heimreise begriffen war, in einem Wäldchen, durch welches Mädis Weg führte, gejauchzt und gesungen worden, als ob ein Dutzend Kiltbuben zusammen machten, welcher lauter.

In Mädis Seele hatte der Blitz eingeschlagen, der Blitz der Liebe, die so oft das Aufgehen eines plötzlichen Verständnisses ist. Aber dieser Blitz, obgleich von gleicher Wirkung, ist doch von gar verschiedener Materie, und diese Materie wird seltfamer Weise von denen am wenigsten erkannt, in welche er eingeschlagen.

„Wenn ich Jakobli nähmte?“ Diese Frage stund gleichsam mit der Phosphorschrift, mit welcher Guggenbühler seine Cretins lehrt, vor Mädis Seele. „Jakobli nähmte, und Jakobli mich nähmte, und es ihm besserte, und es mir besserte, und jedes wüßte was es hätte, und keines Kummer zu haben brauchte, es nähmte einen Schuh voll heraus. Wir haätten uns ja an einander gewöhnt, und was er mehr hätte, würde ich mehr werchen, und er brauchte mit dem Hochzeitmachen nicht viel Umstände zu haben, und nicht viel Kosten. Oeppe es Krämli, gaäb wie liecht, ih wär ʒxfriede. Und zu ihm luege wollte ich anders als dä Sturm, wo sys Mücetti sy will; die wollte ich dann rangieren, die mußt wisse, daß ih de Suühniswyb wär VDD oder zwänzig, was weiß ich, aber das macht nuüt, es ist ihm auch z'gönne, daß er es g'setzt Mönsch überchunt, und eys, das ne ih alle Stücke brichte cha.Nei, uf my armi Thüri, syt d'Welt steyt, hey sie nie zwee besser z'sämme g'schickt als ih u er. De nadisch,wenn ich nicht gewesen wäre, so wäre er längst unter dem Boden, und da ist doch nichts als billig, wenn er eine nehmen will, er nehme mich, und nicht so ein meisterlosiges Schyßnäsi, wo d'Gosche ih allem het,DNase über alles rümpft, und nüt arühre darf, und no am Sundig so g'löcheret Strümpf ah het, und nit ume a d'r Fersere, sondern gelöchert um und um, und xmitts ufem Grißt (Schienbein), wie sich jetzt afe die reichsten Baurentoöchtern nicht schämen. Da bin ich doch ein anderes Mensch, und darf meine Finger in allein haben, und wenn mir auch am Werchtag manchmal die blutti Fersere fürechunt, jo frylich, su wenn d'r Sundi chunt, ha ni doch de ganzi Strümpf Gzlege,und de nit ume öppe wullig, no zweu Paar bauelig ha ni de o no. Auf my armi Thüri, es wäre schlechts vbon ihm, wenn er mich so anführte und hocken ließe,und habe ich doch so viel für ihn gethan. Das thut er nicht, er ist ein bräverer Bursche als sie heut zu Tage sind, und so ein armes Meidli, wie ich bin,führt er doch, so Gott will, nicht an, er könnte es ja am jüngsten Tag nicht verantworten, und müßte fuürchten, er hätte gar keine gesunde Stunde mehr.Nein, sövli e wüste Hung ist er nicht, aber Anne Bäbi wird luege und si wehre, aber das cha lang säge, öppe geng muß das de sy Gring nit ha. Hansli, der ist freine, und wenn nur Niemand viel sagt, so ist ihm alles recht. Aber d'r Sami der wird luege und fluche,wenn er sie numme nit geyt ga hayche, ih hätts notti ungern. Aber es geschieht ihm recht, warum het er d'r giyche tha, er schätzt mi nüt, und hat tha als ob ich räudig wär oder gar vergiftig. Dem geschieht es recht, er weiß dann ein ander Mal wie er thun soll, dä Schnürfli.“

So gingen Gedankenwogen auf und nieder in Mädis Seele, und schwellten sein Herz. Doch war dafselbe nicht so ganz Gefühlsseele, daß nicht auch die Klugheit darein geredet und zu einem eigentlichen Operationsplan gerathen hätte. Aber die Freude und das Sinnen ließen denselben nicht zur vollen Klarheit kommen, und Zeit dazu nahm es sich nicht. Seine Füße liefen wie auf Federn; in Gutmüthigen schauten ihm die Leute aus allen Häusern nach und sagten: Z3Hanslis Mädi ist sturm oder hat einen Stüber (Tips), es wünscht ja allen Leuten guten Tag und hat's doch schon Feierabend geläutet.

Es stieß an ihr Haus, ehe es daran dachte, und erschrak in allen Gliedern, als Hanslis Stimme aus dem Schopf erscholl: „Es ist gut daß du kömmst, wir haben geglaubt, es hätte dir etwas gegeben.“ Anne Bäbi * mit den Säumelchtern vorüber und that,als sehe es Mädi nicht; aber vor sich hin brummte es,daß Mädi es hören sollte: Es wisse jetzt, wen es nach dem Tod senden solle, wenn ihm das Leben erleidet sei. Aber Mädi hörte es nicht, seine Gedanken hatten sein Ohr betäubt, seine Augen suchten Jakobli; aber der war nicht draußen. „Gehe nur hinein,sagte Hansli, d'r Bub ist drinnen, du kannst ihm das Trank gleich geben, und die Frau wird dir wohl etwas dänne deckt ha.“

Drinnen fand es Jakobli, packte sein Elixier aus,sagte, es hätte nicht viel darauf; wenn es etwas nutz wäre, so brauchte es der Doktor auch für sich und seine Leute.

Anne Bäbi schoß wie ein taubes Wespi durch die Stube, und wollte mit Mädi gar nichts reden, sondern kuppen, und doch versprengte es die Neugierde fast, wo Mädi gewesen, und was es gesehen und vernommen. Und als Mädi das sah, dachte es, der thäte es nicht die Ehre an und packte aus; die müsse ihm anders kommen, wenn sie etwas vernehmen wolle.Solches nehme es aber nicht mehr an, wenn es einmal Söhniswyb sei, die wolle es anders brichten.So wäährte das eine gute Stunde, und immer mehr drückte Anne Bäbi der G'wunder, und Mädi der Drang der Mittheilung. Sie schossen nicht mehr so rasch añ einander vorüber. Mädi fragte: ob es noch Kraut abhauen solle für Morgen? und Anne Bäbi sagte,es duechs, die Schweine seien b'sonderbar fräßig, sie hätten diesen Abend ihm die Melchtern fast gefressen.Darauf sagte Mädi, es sei ihm leid, es hätte einmal nicht früher heim kommen können; es häätte gar lange auf den Taveri warten müssen, der für sein eigen Kind, dem er mit Schein nicht helfen könne, beim Doktor gewesen.

Dann hätte ihns die Wirthin zu Fischigen noch aufgehalten, welche eine g'wunderige Frau sei, und nicht hätte aufhören brichten; die hätte auf dem Xaveri und seinem Elixier auch nicht viel. „Das wäre kurios, sagte Anne Bäbi, gerade die hat es mir ange37 8 es b'sunderbar gerühmt. Was hat die dann gesagt?“

„O, sagte Mädi, appartig hat sie nichts gewußt;aber einmal viel hat sie nicht darauf gehalten, sondern gesagt, sie wisse etwas viel besseres.“ „Was dann?“fragte Anne Bäbi hastig.

„Ich sage es nicht,“ sagte Madi, und kickerte so seltsam, drehte das Gesicht in eine Ecke, und wetzte und ripsete in den Kleidern herum, als ob es es bisse am ganzen Leibe.

„Das ist doch dumm, sagte Anne Bäbi, wottsch's säge oder nit.“ „Nei, ih säges nit, du kannst meinethalb gehen und sie selbst fragen. Hi hi hi!“ „Das wäre mir, sagte Anne Bäbi, wenn ich jetzt noch dahinunter laufen sollte; sie würden ja zuletzt meinen,es fehlte uns im Kopfe. Willst es sagen oder nicht?“„Und ih säges nit, hi hi hi,“ wisperte Maädi. „Warum nicht?“ „Ich darf uf my Thüri nit, und du könntest glauben, ich hätte das selbst ersinnet; drum frag die Wirthin selbst.“

„Das sind Stämpeneyen, sagte Anne Bäbi, saäg mers.“ „Ich darf wäger fast nicht, sagte Madiöppis arigs hat sie gesagt.“

„Wottsch jetzt e nandere na, sagte Anne Bäbi, ich habe nicht Zeit, den ganzen Abend deinem G'stürm abz'lose.“ „He, we's sy muß, ich wills säge; aber fägs numme em Jakobli nit. DWirthi het g'seit,für sellig Krankheite syg z'beste, hi hi hi, denk ume o,aber ich darfs uf die armi Thüri nit säge, denk ume o z'beste sei z Manne.“ „Du Göhl du, sagte Anne Bäbi, sie wird dir öppe das angegeben haben.“ „Ih has ume lätz g'seit, kickerte Mädi; von mir hat sie apparti nichts gesagt; aber vom Jakobli hat sie gesagt,denk ume o, er söll wybe, hat sie gesagt, dann werde ihm schon alles bessern, und das sei viel besser, als so nes G'schluder vo Elixier.“ „Sie ist e Göhl, sagte Anne Bäbi, miy Jakobli ist ja numme no nes Ching.“

„Gerade eben recht wäre er mir,“ dachte Mädi,aber sagte es nicht und dachte auch, das werde Anne Bäbi wenig angehen, wenn Jakobli wyben wolle. „So hats die Wirthin gesagt, sagte Mädi, ersinnet habe ich es nicht.“ „Das geht sie gar nichts an, sagte Anne Bäbi, was Jakobeli gut ist oder nit; wenn sie nur wollte zu ihr selbst sehen. Man hat öppe den Verstand selbst, für z'wisse, was eim si schickt und nit schickt.“

Somit brach Anne Bäbi das Gespräch ab, und machte sich ans Elixier, roch daran, versuchte es,schüͤttelte sich darob; dann mußte Hansli versuchen,gäb wie er sagte, es gelüste ihn nicht; endlich kam es an Jakobli, und als der sich noch weit mehr darob schüttelte, sagte Anne Bäbi, grad so müß eim d'r Züg mache, wenn er b'schüßen kwirken) solle; das sei ein Zeichen, daß er anrühr, und wenn der Züg nit anrühre, daß me mein, er well dur eim durre schieße wie ne Pfyl, oder wie ne Muni dur e Krishufe, so trag er nüt ab.

Aber merkwürdig ist es, wie es Worte gibt, die sich wie mit Widerhacken einhängen in unsere Seele,und oft gehen diese Worte hinein, wir wissen es kaum,und wie sie sich einhäängen fühlen wir gar nicht, gerade so wenig, wie feine Splitter, welche in die Finger gehen. Aber gerade wie die Splitter sich nach und nach bemerkbar machen, den Finger entzünden, seine Empfindlichkeit steigern können ins Unendliche, gerade so ists auch mit diesen Worten. Sie tauchen allmählig auf, stellen sich immer häusiger vor die Seele, machen sich zum wunderbaren Herde, auf welchem bereitet werden die Gedankenreihen der Menschen. Und wo er einsam geht der Mensch, da treten die Worte vor khn, reden zu ihm, füllen ihn an mit Bildern, Zweifeln, Vorsätzen, mit allem bunt durch einander. Und wo er unter Menschen weilet, da treten sie plötzlich vor ihn, unterbrechen seine Reden, führen seinen Geist aus der Gesellschaft fort, in welcher sein Leib öde und todt sitzen bleibt. Ja sie heben den Umhang und treten in der Menschen Schlaf hinein, zaubern die Träume herauf, und bewegen die Seele auf den Fluthen der burch sie erzeugten Empfindungen.

Wer kennt die Grenzen, welche das Gebiet solcher Gedanken scheiden von dem fürchterlichen Lande, wo,wie in öder afrikanischer Wüste der Samum waltet,alles Leben versengend, die fixe Idee, der Wahnsinn waltet, wo ein Wahn mit fürchterlicher Gewalt alle Kräfte der Menschen überragt, alle Besinnung tödtet und den Menschen in schreckliche Irre treibt, halt,mast und segellos ein gebrechlich Schifflein in des wüthenden Meeres Wirbein? Wir kennen die Grenzen nicht; vor ihnen wahrt uns unsere Weisheit nicht.Die Hand, welche des stolzen Meeres stolze Wellen niederschlägt, den Sonnen ihre Bahnen zieht, hält auch der Gedanken Macht, setzet ihnen ihr Ziel. Und eine gůtige Hand ists, denn wie selten läßt sie dieselben schweifen hinüber in die schreckliche Nacht des Wahns.Aber wer hat nicht die Macht eines Gedankens erfahren, und wie er ihm unterthan wurde Tag und Nacht,vielleicht Jahre lang? Und wer wars, der den Wiederhacken lösste, die Seele wieder frei ließ, das Auge offnete einem neuen Gedankenkreis? Hier kann Demuth lernen, wer hinuntersteigen will in die geheimen Schachten der Menschennatur, da unten wird uns offenbar unsere Schwäche und des Herren Macht und Güte.

Wie hoch einer auch begabet sei und hervorragend in der Reihe der Geister, er bleibet dennoch unterthan eines Gedankens Macht, und diefe Macht begrenzet der Herr und nicht der Mensch. Doch wahr ists, je mehr ein Mensch denkt, je ofter er sich beweget im Meere der Gedanken, desto mehr gelangt er zu einer gewissen Freiheit, zu einer gewissen Macht über die Gedanken. Er kann in vielen Fällen sie kommen und ehen heißen, kann einen austreiben durch den andern,* sie wägen und prüfen, wählen und verwerfen;doch nur so lange der Herr es will, und so bald der Herr will, wird eine Idee übermächtig, verschlingt,einem weiten Grabe gleich, alle andern; verschlingt Verstand, Bewußtsein, verschlingt alles, was zum Menschen den Menschen macht.

Je tiefer ein Mensch steht in der Reihe der denkenden Wesen, je enger sein Gesichtskreis, je einförmiger sein Leben, je spärlicher sein Verkehr, desto tiefer haften einzelne Worte, desto größer wird die Macht,ber an dieselben sich knüpfenden Gedanken. Es hat wirklich etwas schauerliches, grauenvolles, wenn wir in den Gründen so vieler Seelen nach den Ursachen des aäͤußern sichtbar werdenden Lebens forschen, und finden da wohl einem flammenden sprühenden Herde,die Seele einer Hölle ähnlich; aber unter diesem Herde steckt ein einzig Wörtlein, und aus demselben flammt die dämonische Glut, welche die Seele füllt, das äußere Leben bedingt. Und solche Worte, absichtslos gesprochen, wie ohne Zweck das Kind seine Pfeile vom Boen schnellt, fliegen, giftigen Pfeilen gleich, zu TauAe durch die Welt, suchen sich Herzen, die kein Schild deckt; dringen in Seelen, wo es dunkel ist,keine Macht zu überwinden ist. Mitten in dieser Wolke von Pfeilen stehet jeder, sieht sie nicht, weiß nicht, ist der Pfeil vom Bogen schon geflogen, der seine Seele tödtlich verletzen soil; ja fühlt es nicht einmal, wenn er fliegt in selbige, sich einhackt für immer. Wer mit Menschen mit Bewußtsein umgeht, und nicht bloß die Erscheinung betrachtet, sondern auch ihre Wurzeln, der fühlt sich so oft von unheimlichem Grauen geschüttelt,und möchte beben für die eigene Seele, wenn er nicht wüßte, daß Beben nichts hüft, daß da nur das Vertrauen hilft, daß hier der feste Schild der Herr ist,und nur das Herz am besten gesichert, von welchem bereits der Herr Besitz genommen, für unheimliche Geister kein Raum mehr ist.

Wie manche Ehe ist zerstort, und glühend brennen die Fesseln, mit welchen zwei zusammen gebunden, und verzweifelnd zerren Beide sich hie hin und dort hin, in die selbst bereitete Hölle.

Man soll Frieden stiften, muß nach den Ursachen spüren, sindet lange nichts als entzündete Gemüther;endlich, endlich, wenn man auf Augenblicke die Entzündung niederzuschlagen vermag, so entdeckt man, einem Spütter in aufgeschwollenen Gliedern gleich, ein in der Seele seit Jahren eiterndes Wort. Und dieses Wort vermag selten ein Mensch loszumachen und auszuziehen;wenn man schon meint, man habe es ausgezogen, die Aufregung fei gestillet, die Wunde werde heilen; nach wenig Tagen ist der alte Zustand wieder da, der Splüter war nur abgebrochen, dessen Spitze erfasset Menschenhand nimmer.

Män sieht eine Menge Leben auf das traurigste zerstört, sieht in verkehrter Eigenthümlichkeit Menschen sich bewegen, eine besondere Richtung verfolgen, sich und andern zur größten Pein. Umsonst ist alle Pein,umsonst alle Muhe, die Menschen aus dieser Richtung zu bringen, sie auf einen Weg zurückzuführen, wo es ihnen und andern wieder wohl, wird; sie haben Augen und sehen nicht, Ohren und hören nicht; sie sind nicht wahnsiunig, aber sie streifen an den Grenzen, und sind vielleicht eben so bedaurungswürdig als die, welche bereits jenseits sind. Man begreift nicht, wie es möglich ist, daß ein Mensch also werden, daß mitten unter andern Menschen eine solche Seltsamkeit in ihm sich ausbilden kann, welche ihn zum Gegenstand des Spottes oder des Fluches macht es war ein Wort, das sich in seine Seele hackte.

Je einförmiger ein Leben ist, je gedankenleerer eine Seele, um so mehr haben, wie gesagt, solche Worte Gewalt. Man hört Leute Jahre lang die einfachsten 87 Worte wiederholen, welche dieser oder jener zu ihnen gesagt, und Kind und Kindeskinder sprechen sie noch nach; es pflanzen sich in einsamern Gegenden Witzworte oder Erfahrungssprüche Jahrhunderte lang fort,das liegt zu Tage; wie manches Leben von einem einzigen Worte ausgeht, das liegt verborgen.

Als die Wirthin zu Fischigen sagte: Wyben wär gut, da wußte sie nicht, wie gewaltig dieses Wort werden sollte; und als sie bald darauf starb, da wußte sie noch weniger, wie dieses Wort noch lebe, und welche Macht es uüͤbe in zweien Seelen. Es liegt wiederum ein Schauer im Gedanken, welche Macht in einem Worte liegen kann, welches uns aus dem Munde geht, und wie dieses Wort zurückbleiben kam,als unserer Seele Kind, während längst unser eigner Leib und unserer Kinder und Kindeskinder Leiber zu Asche geworden sind im kühlen dunkeln Grabe.

Die Gedanken machen dem Mädi übel,und das Elixier dem Jakobli.Bei Anne Bäbi wirkte das Wort lange nicht; es stak in der Seele, wie oft einige Tage ein Splitter,ehe er fühlbar zu werden beginnt.

Bei Mädi aber war es anders. In der Seele brannte es lichterloh, und als einmal das erste Wort den Ausgang gefunden hatte gegen Anne Bäbi, da kickerte es im Hause herum, daß Männiglich sehen mußte, Mädi wisse was appartiges und möchte es gerne jedem sagen, der ihns darum frage. Aber Hansli khat ihm nicht den Gefallen, Sami auch nicht; da lickerte es und ripsete und ranggete es um Jakobli herum,bis der endlich frug: „Mädi, was lächert dich auch so?“ Das Wort 'ging Mädi durch Leib und Seele;es biß ihns noch ärger, und lange konnte es vor lauter Lächern nicht anworten. Endlich sagte es: „Du mußt es nicht wissen, gerade dir sage ich es yletzt.“Da schwieg Jakobli und lockte seine Tauben, und die Hühner kamen auch daher, und sie stritten sich um den Platz zu seinen Füßen, und die Hüühner pickten nach den Tauben, und die Tauben retteten sich auf die Bank und auf Jakoblis Achsel. Jakobli streichelte sie, und die Hühner sandten zornige Blicke hinauf,und ein gesprägelt Huhn sträͤubte die Federn und rüstete sich zum Sprunge auf die Bank. Da fuhr Mädi dazwischen mit geschwungenen Armen und zornigen Worten: „Tschu, tischu, ihr kaäͤtzers Hühner, g'heyet ech furt, ih ha nit d'r Wyl, ech geng nache z'putze, und wenn numme die v'rfluchte Tube nit wäre, die v'rschyße m'r erst Alles!“

„Aber Mädi, sagte Jakobli, was haben dir doch die armen Thierchen zu Leid gethan, daß du sie nicht ruhig lassen kannst?“ „He, die Kätzere haben afange mehr Recht als unser eim; dann soll man ihnen noch nacheputze, dene v'rflümerte Ufläthe. Tschu, tschu,weyt er ech stryche, oder soll ich euch nach bengle (werfen), ihr Kaybe!“ Da sagte Jakobli: „Laß mir doch die Thierchen sein, die haben dir ja nichts zu Leid gethan, und während du ihnen nachputzest, thust du nichts anders, und ich wüßte nicht, warum sie nicht das Recht hätten, zu mir zu kommen, wenn ich ihnen rufe.“ „Tschu, tschu, schrie Mädi noch lauter, weyter oder weyter nit? Es nimmt mich doch Wunder, wer mehr Recht hätte, ob so ein Huhn oder ich. Wenn mehr öpper krank wird, so kann dann meinethalb auch ein Huhn abwarten oder e Tube. Ih wette Narr sy, mehr e Finger z'rühre. Ich habe immer gedacht,es gehe mir so, und z'letscht werde man mich noch verfolgen, und ich werde nirgends sein sollen, und das werde mein Dank sein.“ Und damit schoß Mädi ins Haus, henulte, daß Staub und Spinnhuppelen in Bewegung kamen, dunkle graue Wolken das ganze Haus erfüllten, und schoß das Kachelgeschirr in der Küche herum, daß Niemand seines Lebens mehr sicher war.

Am folgenden Morgen machte Mädi ein Gesicht,gerade wie der Hund eins macht nach einem starken Gewitter, wo man nicht weiß, will es Regenwetter geben oder ein neu Gewitter, oder hat das Wetter im Sinne, so nach und nach sich aufzuheitern.

Mädi gab Allen kurzen Bescheid, und zankte sich mit Katze oder Knecht, beide waren ihm jeden Augenblick im Wege. Um Jakobli aber strich es herum, wie ein Habicht üm den Taubenschlag, wenn er den günstigen Augenblick abpaßt. Als aber Jakobli sich dessen nicht achtete, seiner Wege ging, so kam Mädi, als er Nachmittags auf der Bank saß, mit einem Blättli,und auf demselben war ein schöner Rest Erdääpfelrösti,und sagte: „Jakobli, sieh, da hast du etwas für deine Hühner und Tauben, wenn du es ihnen geben willst,so gib ne's meinetwegen.“ „Dankeigist, sagte Jakobli,aber ich weiß nicht, ob sie kommen; sie sind heute den ganzen Tag v'rschücht, und wey si niene z'uchelah.“„Das wäre sich doch auch d'r werth, sagte Mädi;warum sind sie aber auch auf allem oben? Wenn sie auch ein bischen reinlicher wären, ich möchte sie wohl leiden, Fkonträri, sie wären mir nur noch recht anständig.Wenn man etwas mit einander reden will, so kommen einem die Türks Hühner immer zwische yche, mi cha nüt saäͤge vor'ne.“ „He, sagte Jakobli, wenn du etwas zu sagen hast, so kannst du es ja immer sagen; die Hühner sind ja nicht im Weg und können ja kein Wort zwifchenein reden. Was hast du zu sagen?“ „O apparti gar nichts,“ sagte Mädi, und rispete wieder und kicherte. „Was lächert dich?“ fragte Jakobli. „O apparti gar nichts, sagte Mädi. Aber wenn du wüßtest was ich weiß.“ „Was weißt du denn?“ fragte Jakobli. „O apparti nichts, sagte Mädi; aber die Wirthin von Fischigen hat mir etwas gesagi.“ „Was hat sie dir dann gefagt?“ „O, meinst du ich sage es dir?dir gerade ʒletsch; es lächerete dich viel zu fast, wenn du c6 wüßlest. Nein, dir sage ich nichts.“ „Aber Mädi, warum nicht, warum mir nicht?“ „O darum nicht,“ sagte Mädi. „He nu so de, sagte Jakobli,so brauchst du mir ja gar nichts zu sagen. Aber du weißt nichts als mich zu plagen, bald so, bald so;ich weiß gar nicht, was ich dir zu leid gethan habe.“„Bist hoöhn, Jakobli? sagte Mädi. Nein wäger, bis mir nicht höhn; ich wüßte ja nicht, was ich dir wider dienet hätte, und wenn dich die Leute schon aufreisen wollen, so gib ihnen nicht Gehör; es gibt je länger je bösere Leute in der Welt. Ih ha ja numme Spaß,und wenn du gerne willst, so sage ich es dir, was die Wirthin mir gesagt, aber du mußt es keinem Menschen sagen. Versprich es mir.“ „He, nun ja, sagte Jakobli, meinethalb.“ „Ich darf auf my armi Thüri fast nit, kickerte Mädi; du könntest meinen, was ich damit meinte.“ „Nu su sägs doch,“ sagte Jakobli.„Die Wirthin hat gemeint, für deine Krankheit wär,hi hi hi, ih darf uf my Thüri nit! Du sollest “„Guten Abend geb euch Gott!“ erscholl eine Stimme;„bin ich wohl am rechten Orte?“ Um die Ecke des Hauses war eine Gestalt gekommen, mittelgroß, aber verwittert, mit triefenden Augen, verschabten Kleidern,aber den breiten Hut keck auf dem Kopf und trotzig im Maul die kurze Tabackspfeife. Einen langen Stock hatte sie in der Hand und ungesalbete Schuhe an den Füßen. Das Gesicht gehörte einem Manne an, der uüber 60 sein mochte, und eine braune Halbleinkutte an hatte, und überall starke Zeichen von sich gab,daß er heute nicht blos von Kaffee und Rösti gelebt hätte. „Danke Gott, sagte Jakobli, und zu wem willst du?“ „He, sagte er, wohnt hier nicht es Monsch,man sagt ihm nur Mädi, aber eigetlich heißt es Magdalene Wetgern?“ „Pack du dich fort,“ schrie Mädi,welches schon von Anfang mit Bollaugen ihn angestarrt, und die schreckliche Unterbrechung gerne mit allen zehn Nägeln gerächt hätte. „Sei ein solches hier oder nicht hier, so geht es dich nichts an, und mach, daß du fortkömmst, sonst könnte es dich gereuen.“ „Bift du's öppe?“ frug das Mannli unerschrocken. „Du wirst es wohl sein, wo mir gestern auf dem Weg nach Müthligen hat Bescheid machen lassen, du möchtest gerne mannen, und wo dem Weiberhändler 20 Batzen darauf gegeben hat, er solle dir einen suchen?“ „Das lügst 91 du wie ein Schelm, du Uflath! Wenn ich mannen will, so brauche ich keinen suchen zu lassen. Streich dich, wo du her gekommen bist, sonst sieh wie du wegkömmst. Es bravs Mönsch so ga z'verkünde.“„He, es wird doch wohl di sy, oder sagt man dir nicht Mädi? und heißest du nicht Magdalene Wetgern? und wohnt hier nicht der Hansli Jowäger?“Und heiße ich wie ich wolle, und wohne hier wer wolle, so geht es dich nichts an, und ih will nichts von dir und habe nichts mit dir, und streich dich! hast es gehoört?“ „Das preßirt mir nicht halb so, sagte das Mannli, und so vergebens sprengen lasse ich mich nicht. Du bist doch das Mönsch, wo gestern beim xXaveri Elixier geholt und mit dem Gaggelberger gegangen ist. Los ume, laugne nit. Und ich möchte setzt wissen, ob wir des Handels könnten einig werden.Besser machst du's nicht mehr, los ume.“ Da begann Mädi zu heulen und zu schreien, welcher Unflath ihm doqh wohl einen solchen Larm mache; wenn es Manne wolle, so brauche es den Gaggelberger nicht,aber vo dene Schnürflene hätte es sein Lebtag keinen mögen, und es leide das nicht. „Los ume, so gehe ich nicht da dänne; entweder wollen wir die Sache richtig machen, oder du mußt mich entschädnen; so mir nichts dir nichts will ich den Tag nicht verlaufen haben.“ Da fuhr Mädi wie eine Gluckhenne auf ihn ein und wollte mit ihren Zehen ihn überweisen. Das Mannei aber erschrak nicht, floh nicht, und einen Specktakel hätte es gegeben, an dem das ganze Dorf seine Freude gehabt, wenn nicht Hansli dazwischen getreten wäre. „Nit, sagte er, ich wollte nicht so wüst thun, das trägt ja hell nichts ab, und die Leute könnten es hören. Komm da neben das Haus, und sage, was du mit unserer Junpfere willst.“ Da sagte bas Mannli: Er sei der und der, und hätte Alles was er nöthig hätte, und mehr als genug, bis an eine Frau, welche ihm sehe zur Sache. Gestern kömmt nun der Gaggelberger und bringt mir Bescheid, es sei hier eine, welcher das Dienen erleidet wäre, und einen Mann möchte, und ordlich Sachen hätte, und Geld auch noch. Und weil sie ihm gleich 20 Batzen gegeben hat, so habe ich gedacht, es werde wohl etwas an der Sache sein, und ich habe wollen sehen, ob wir des enden einig werden könnten.“ „Du lügst, schrie

ädi um die Ecke herum; es ist alles erheyt und erloge, und ich will mein Lebtag mit keinem Mannenvolk zu thun haben, und ich will nüt und ha nüt mit d'r du Fötzel, du Hudelhund, du G'stabi. Gäb ih de e sellige Landstrycher wett, wo ne niedere Landjäger nimmt,wenn er ihm begegnet und öppis nutz ist, wett ih lieber de

„E, sagte Hansli, wie redst. Du wirst wohl öppis brichtet ha; ungefähr lief dir der nicht nach.“„Was, schrie Mädi, soll das jetzt mein Dank sein und mein Lohn, daß du es mit so einem Strolch und Landstreicher hältscht. O Herr Jemer, o Herr Jemer,uunu das der Dank u u u;“ und somit nahm es das Fürtuch über den Kopf, sah Sami nicht, der ihns spöttisch fragte: „Seh Mädi, jetzt wär endlich einer da; warum thust so wüst?“ stolperte hinauf ins Gaden,legte sich aufs Bett, und laut und weit hörte man es droben heulen, schluchzen, stöhnen; es war als ob es aufgeisten wollte. Und als Jakobli hinauf ging, um es zu trosten, war es, als ob ein neues Elend es ergriffen; es schrie so schrecklich auf und zappelte mit Händ und Füßen, daß Jakobli erschrak und die Mutter hinauf schickte, um Mädi zu helfen. „Es thue, als ob es das Herz aus dem Leibe sprengen wolle,“ sagte er.

Drunten war Hansli auch erschrocken und sagte zu dem Mannli: Du hörst, es wird nichts sein; du wirst es nicht recht verstanden haben, oder es hat dich Jemand gesprengt.“ „O hä, sagte das Mannli, das Mönsch ist e Lugihung wo's d'Hut arührt, und was es g'seit het, heis g'seit, und für d'Köste will ihs finde, wenn ih e sellige Brüllus scho nit möcht. Ich kriege hunderten für eine. Wenn ich die Nase zur Thür aus strecke, so schmöckts, wie wenn d'Welt e Spycher, und der Spycher voll Wyber wär, und d'Wyber drin Manne möchte. Adie wohl.“ „He,sagte Hansli, chum u iß mit is.“ „B'häb ume dys Fresse, sagte das Mannli, ih überchumes bessers ame andere Ort, und es soll mich auch nichts kosten.“„E, sagte Hansli, ih wett nit ʒ'wüstest alles mache,und der Weibel ist mir mein Lebtag noch nie zum g gekommen.“ „S'erst mal ist einist,“ sagte das annu, und schritt immer trotziger fürbas, je ängstlicher Hansli ihm nachkam. Als endlich Hansli zurückblieb, weil er nicht gewohnt war, so geschwind zu gehen, so stund auch das Mannli still, ließ die Unterhandlung nicht ausgehen, machte endlich den Handel für einen Thaler aus. Ex begehrte natürlich nicht vor den Richter; er war nicht der Mann, für den er sich ausgab, er besaß weder Haus noch Geld; er war nichis als ein alter verlumpter Zimmermann, der jede der genommen, wenn er mit ihr 10 Kr. für einen choppen erwybet hätte.

Hausli gab den Thaler gerne und sprach nie wieder davon; aber wenn vom Weibervolk die Rede war, und ob diese oder jene noch heirathen werde, so schüttelts er den Kopf und sagte: „me chön nüt wüsse.“

Sami hatte an der Sache seine Schindersfreude;er wollte wissen, daß das Güegi z'Mädi nicht erst jetzt angekommen. Doch so dumm hätte er es nicht geglaubt, daß es dem ersten besten Hallunken davon erzähle; aber wessen das Herz voll sei, dessen laufe das Maul üͤber. Und es sei kurios, sagte er, sie sagten manchmal den fremdesten Leuten Sachen, die sie den Nächsten nie sagen würden; sie meinten nur,es käme ihnen nicht aus, und einmal möchten sie es doch sagen; sie meinten, es wohle ihnen, wenn sie es aus dem Herzen an die Luft lassen könnten. Die Weiber hätten es mit ihren Herzen gerade wie mit ihren Schäften. Wenigstens einmal im Jahr müßte gelüftet werden, was darin sei, sonst graue es ihnen und finge an zu nüchten (faul riechen). Es lächerte ihn eine ganze Woche lang, und in jedem Maulecken saß ein ganzer Kraten voũ Spott, und wo er Mädi ansichtig wurde, stichelte er. Am Ende brauchte ey nicht mehr zu sticheln, so bald Mädi nur seine Maulecken ansichtig wurde, so fing es an zu plären, oder aufzubegehren oder davon zu laufen.

Anne Bäbi mochte zum Theil dem Mädi die Sache gönnen; warum wollte es so oft witziger sein als Anne Bäbi, unnd wenn Mäadi künftig sich übermüthig machen wolle, so wäre da etwas, womit man es dämpfen könnte, meinte Anne Bäbi. Aber ungern hatte es die Sache doch. Es dürfe den alten Narr nicht mehr vom Haufe lassen, sonst stelle es etwvas an, das man ungern haben müsse von wegen den Leuten. Vom Thaler wüßte Anne Bäbi nichts, sonst hätte es noch mehr Feuer gegeben.

Jakobli war der Einzige, der mit Mädi Mitleid hatte, und mehr oder weniger an dessen Unschuld zlaubte; denn es würde sich die Sache nicht so zu Herzen nehmen und nicht so läugnen, sagte er, wenn ewas daran wäre. Man sollte dem Mädi doch mehr glauben, als so einem alten Hudel, von dem man nicht wisse, wer er sei und woher er komme. Dem Sami sagte er, er solle ihm Mädi ruhig lassen, es hintersinne sich sonst noch. Dieses war allerdings zu fürchten; denn je einformiger sein Leben dahin geflossen,um so heftiger erschütterte die einfache Begebenheit sein Gemüth. Wie der Teufel kam ihm der Alte zwischen sein Bekenntniß, brachte ihm seine Herzensergießung aus, und ihns in Verdacht, es hätte einen Mann suchen lassen, und wollte es doch eigentlich keinen, als nur Jakobli, weil sie sich so gut zusammen schickten.Allerdings hintersinnete es sich sast, daß seine frühern Worte Nain spätern Wuünschen sich so grusam in den Weg gestellt. O wenn es nur das nicht gesagt hätte,nur das nicht, tönte es fort und fort in seiner Seele,e unglücklichere Hung sei doch keiner in der Welt, und so sei es nie einem Menschen gegangen. Mädi wußte nicht, daß so vieler Menschen Vergangenheit nichts anders ist als die Scheidewand zwischen ihnen und ihrem Glücke; daß was sie thun und sagen, immer vorfür kömmt, und sich zwischen sie und ihre Wünsche stellt; daß ihre Worte und ihre Thaten die Gespenster sind, welche sie verfolgen, ihre ärgsten Feinde, der Hemmschuh bei all ihrem Beginnen. Es sagte wenig und plärete viel, so daß selbst Anne Bäbi es tröstete und ihm sagte: es solle doch nicht sövpli dumm thun,man sage manchmal etwas, es sei einem nicht recht Ernst, und das Mannli köonnte auch gelogen haben.Es solle nichts mehr wahrnehmen lassen, dann würden es die andern auch vergessen.

Unterdessen gab Anne Bäbi dem Jakobli brav Elixier,gäb wie er sich dagegen wehrte und es ihn allemal schüttelte, wenn er es einnehmen sollte; und als der eine Schoppen aus war, ward ein anderer geholt und noch einer, aber nicht durch Mädi. Warum man um so mehr absetzte war, weil Hansli hier und da etwas davon nahm und sagte: es mache ihm b'sunderbar wohl, es ziehe styf durch. Und was dem Einen wohl thue, das müsse auch dem andern wohl machen, meinte man in Gutmüthigen, und der Faveri brichtete die Leute nicht anders. Er kümmerte sich nur darum, sein Elixier zu verkaufen, und nicht darum, wer es trank.Gerade wie es Apotheker gibt, welchen an nichts mehr gelegen ist, als so viel Purganzen und Laxierkraäuter zu verkaufen als möglich, einzeln und Dutzendweise;habe sie ein Doktor verschrieben, oder theile sie ein Krämer aus, oder werde es ihrem Gutdünken überlassen, das kümmert sie e Tüfel viel. Lüüschi (Geld)ist die Hauptingredienz, und wenn sie nur deren brav kriegen, so mögen an andern Ingredienzen Menschen krepiren, was geht das sie an; warum haben sie die Sachen gefordert, genommen ꝛc. Es köonne ein jeder zu sich selbst sehen, sie müßten auch zu sich sehen von wegen es sehe sonst Niemand zu ihnen. Und wenn ein jeder machen koöͤnne was er wolle, so wollten sie Narren sein und nicht auch profitiren, man müsse sich wehren wie man könne; ein Dutzend Menschen auf oder nieder, darauf komme es nicht an. Wenn es kein Krieg sei, so möge es schon etwas erleiden, man würde ja sonst einander Plätzen ab machen. Und wenn gelehrte Chemiler so reden, welche Macht und Kraft ber verschiedenen Ingredienzen in den verschiebenen Körpern und auf die verschiedenen Zustände der Menschen kennen sollten, so ist Viehärzten und Nachrichtern erfaubt, zu glauben, auch sie hätten das Recht, um Lüschi die Menschen zu vieharztnen und zu nachrichtern.Aber wer sollte ob Nachrichtern und Chemikern sein und mehr Verstand haben wer? Hä?

Aber dem Jakobli that es nicht gut. Abends machte es ihm Fieber und schreckliche Träume, Morgens einen sturmen Kopf, Kopfweh; es brannte ihn in den Augen, und es war ihm manchmal, als ob da ein Feuer angehen wollte, wo das Ange ihm fehlte. Es brannte ihn auch im Magen, und nie war er wöhler, als wenn die Mutter das Elixier vergaß, oder er sich dessen erwehren konnte. Aber man glaubte ihm das lange nicht, weil es dem Hansli so wohl machte, und weil Aune Bäbi im Kopf hatte, Jakobli müsse gesund werden, und dazu kein Mittel wußte, als eben das Elixier.Wäre Mädi nicht gelähmt gewesen und in eine stille Traurigkeit versunken, fast wie ein Baum, der in Blüthe aufgehen wollte, und über den in der Nacht der Reif kam, so hätte es Anne Bäbi vom Elixier abgesprengt und den Wasserdoktor oder das Wyben in Anregung gebracht. Jetzt that es das aber nicht, sondern“ muckelte höchstens unverständliche Worte gegen das Elixier, und brachte dem Jakobli alles Mögliche für seine Hühner und Tauben, und wenn er selbft nicht da war fütterte es sie auf das Treulichste, so * sie ihns umflatterten und liebten dem Jakobli zTrotz.

Anne Bäbi bekömmt Einfälle und fährt 3Märit.Als aber Jakobli sich immer mehr klagte und wehrte,so ward es Anne Bäbi doch Angst; es setzte vom Elixier ab, und dachte erst ans Doktern auf andere Weise.Aber wie? Zum Doktor, der ihns so abgetrumpft,mochte es nicht gehen, andern kannte es keinen und meinte, es werde oppe einer sein wie der andere und keiner viel mehr wissen, und um nichts zu bekommen als schnöde Worte, brauche man zu keinem Doktor zu gehen,man könne die haben, wo man wolle. Endlich tauchte ihm das Wort der Wirthin wieder auf, welches ganz vergessen in seiner Seele lag. Määdis Weiberhändlergeschichte war wie ein Deckel über demselben gewesen.

Aber nur langsam tauchte er auf, und immer wieder legte sich ein Bedenken darüber als wie ein Deckel.Es sei doch noch die Frage, ob es helfe, dachte Anne Bäbi. Das Elixier sei auch nicht für alle Leute gut,wie es scheine, aber mit dem könne man hören, wenn es einem bös mache. Wenn man aber einmal g'wybet hätte, und es komme nicht gut, so syg g'wybet, g'wybet,und dann sei nichts mehr zu machen. Doch die Bedenklichkeit üͤberwand Anne Bäbi, indem es sagte, es hätte noch nie gehört, daß Einer am Wyben gestorben ware, wenn er dbppee Freyni bekommen, aber sellige syge rar Heutzutage. Änne Bäbi war überzeugt, es seibst sei eine Freyne (Friedfertige), aber der Art, wie es fei, deren gebe es nicht mehr viele. Wenn es so eine wüßte, es besinnte sich nicht lange, dachte es. Einmal, als ste alleine waren, sagte es zu Hansli: „Jakobli macht mir doch Angst, was meinst, wär wybe nit gut? Daran hatte er nicht gesinnet, sagte Hansli,es dueche ihn, zehn Jahre könnte man noch warten,umd wenn manzwanzig warten würde, so wäre Jakobli gerade so alt als er, wo er gewybet, und das dueche ihn sei nit uschickig gewesen. Mi heyg de afe e rechte Vorftang vo d'r Sach. „Es ist aber o nit e Niedere so ne Tröchni wie du,“ sagte Anne Bäbi. Und söbald Anne Bäbi dem Hansli einmal widersprochen hatte, so war es fertig, es mußte nach seinem Kopfe gehen. 'Es war als öb der eigene Widerspruch, wie Lin Hammer, die Sache einem Nagel gleich ihm in den Kopf getrieben häätte.Erst jetzt begann Anne Bäbi so recht ans Weiben für Jakobli zu sinnen, und in vertrauten Stunden mußte Hansli noch oft davon hören. Er sagte aber wenig mehr dazu. Denn als er noch einmal sagte,es duech ihn, es wäre emel einist Wybervolch gnue im Haus, und eine mehr chönt nur z'viel sy: da frug ihn Anne Bäbi: „Hast du dich zu klagen, bin ich dir erleidet, soll ich öppe gehen?“ Was sollte da Hansli sagen? Er sagte : „Ni, ni, aber mi g'hört öppe mängs.“ „Aber ein witziger Mann sagt nicht alles vr antwortete Anne Bäbi, und seitdem schwieg ansli.

Aber Anne Bääbi sagte oft: „Eini mehr chönt ume z'viel sy, het er g'seit. Das wott m'r fast z'Herz z'rschryße, es wott mi töde! Mir selligs z'säge! Es duecht mi, ih möcht nimme d'r by sy. U wenn ih umme v'r g'wüß wüßt, wie er's g'meint het, ih lüf furt, oder ih häycht i mi, Gott v'rzieh m'r my Süng. Aber ih däych, der würd de wohl die d'r für nache näh wo d'Schuld dra wäre.“ Indessen lagen ihm diese Worte mehr im Munde als im Herzen, störten ihren Frieden eigentlich nicht, und hinderten ihns nicht, immer tiefer dem Wyben von Jakobli nachzusinnen.

Es ging viel mehr zur Kirche als sonst, und machte,daß es allemal zuerst darin war; so sah es sie aufmarschiren die Dorfschönen, eine nach der andern, und paßte wohl auf, wie eine jede that, wie die einen die Hände rieben, andere so styf rängeleten und noch andere handlich den Kopf herumwarfen, wie das vornehmste Kutschenroß. Aber Anne Bäͤbi geofielen alle nicht, wie sie auch thaten, ringeleten und rängeleten,und doch machte es so wenig Ansprüche. Auf Geld sah es apparti nicht, aber von der Gasse wollte es doch auch keine. Einer solchen könne man es am Wenig-sten treffen, sagte es, und kaum hätte man sie z'weggfuhret (gefüttert), so sei ihr nichts mehr gut genug.Eine hübsche wollte es, e vorflucht e brabi aber doch nit so ne Gäuggel mit Lätsche hinger für, und Lätsche vorfer, und em e ne Büschelimüli und z'wegknübleis 989 Kruselhaar uf d'r Stirne. So ne schießige Giraf begehre es nicht, sagte es, sie seien sich an selligs Züg nit g'wohnt. Oeppe e Fürnehmi bigehr es nit, es begehre nicht verachtet zu sein von einem Söhniswyb;und dann würde alles nicht schön genug sein, da müßten Umhäng zuche und Kachelg'schirr vom Tüͤfel, und vielleicht gär no es Ruhbettli, und wenn man das hätte, so dächte d'r Narr vielleicht gar noch an ein Reitwägeli,es äg'strichnigs gelb oder blau. Aber doch so vo ganz gmeine Lüte und obppe, wo ne große Kuppele King seien, begehre es keine. Mit sellige sei man veflümeret plaget; do sei alle Tage ein's vor d'r Thüre, und mangelte öppis, und wenn sie einist alle wybete und mannete, so könnte all Sonntag Jemand zu Gevatter stehen, und z'selb sei z'letsch doch noch köstlich und häite man doch hell nichts davon. Wohl sagte es zuweilen von der einen oder der andern: „Die gefiele mir,wenn d'Mutter nicht mehr lebte, aber das ist e Zächi,und machts no lang, und mit einem Söhinswyb will ich gut nachkommen, und es solls bppe nit bös haben bei uns, und was wir haben soll es öppe auch haben,aber so mit einer alten Gränne vo Gegeschwiegere mag ich nichts zu thun haben. Von so einer, wo die Sache hell nichts angeht, könnte ich nichts annehmen, und wenn afe Eine eine Tochter in einem Hause hat, so meint sie schon sie haätte den Fuß im Hafen, und hängt z'Maul in eine jedere Pfanne. Rein, wenn Jakobli eine nehmen soll, so muß ihre Alte unterem Boden sein oder weit da dännen, daß sie nit all Tag cha cho schmöcke, was es Neues gebe und wie manches Huhn Eier lege.“ So geschah es doch,obgleich Anne Bäbi so oft sagte, es sei ihm öͤppe fast eine jedere recht, daß es fand, es sei heutzutag bös, so sei es doch ehemal nicht gewesen, aber im ganzen Dorf sei kein einziges Meitschi, wo es bppe könnte sagen, es freute ihns, und zu seinen Zeiten seien ganze Kuppelen gewesen, wo man nicht gewußt hatte, welche man lieber wollte, und z'Wasser sei einem im Maul zusammen gelaufen, wenn man sie nur von weitem gefehen. Es hätte afange e Bravi sein müssen, und e Guti, wenn sie hätte einen Mann bekommen wollen,von wege pselbist hätte man noch können auslesen.So begänn Anne Bäbi von der Kirche abzusetzen, und seine Augen weiter in der Runde gehen zu lassen, aber ba es wenig Bekanntschaften hatte, so fand es sich auch nicht zurecht. Es hatte dem Jakobli eine schöne B'kleidig machen lassen, und ging mit ihm zuweilen hier and dort in ein Bad; das thue ihm b'sunderbar wohl,sagte es.

*In diesen Bädern fanden sich wohl auch Mädchen,aber war es Tanzsonntag, so wirbelten die Leute unter einander, und Anne Bäbi fand kein Mädchen, das mit einer alien Frau und einem halbkranken Burschen sich abgab. Waren es aber einsamere Tage, so stunden badeude Mädchen Anne Bäbi schon Rede und berichteten,fie müßten heimpreßiren, sie wüßten nicht ob der Vater mit dem Wägeli ihnen entgegen käme, von wegen sie hatten heute mehr als tausend Habergarben einzumachen.Aber die Mutter hätte gesagt, sie sollte nur gehen, die Jungfrauen möchten wohl kommen (die Sache machen);wenn sie nur daheim sei für die Schweine zu füttern,vo wege zwölf Säu zu füttern, wolle etwas sagen.Das gefiel Anne Bäbi gar wohl, nämlich die tausend Habergarben und die zwölf Säue, wenn alles nur so gewesen wäre. Aber dann war Niemand da, bei dem es gründlichen Bericht hätte einziehen können, und den Wirthsleuten traute es nicht; wußte es doch nicht,waren sie dem Mädchen verwandt, oder dessen Vater schen Berichten hatten. So war Anne Bäbi bös daran,aber die Noth lehrt die Menschen sich helfen. Eine Frau kam alle Wochen ins Haus mit Kaffe, Seife und Zucker,und die war weit umher bekannt, und kannte in vielen Dörfern jede Katze, also noch pielmehr jedes Mädchen.Wenn nün diese Frau im Hause ihre Geschäfte abgemacht hatte, und vom Hause weg war, so ging Anne Bäbi ihr nach und hielt bald in freiem Felde, wo Niemand hinter einer Wand sie behorchen konnte, oder im Bohnenplätz, wo sie Niemand sah, lange Confe 401 renzen mit ihr, deren Inhalt und Ergebnisse geheimer blieben, als die mancher geheimen Räthe.

Da geschah es, daß Anne Babi einmal sagte, es duechs, es möchte einmal z'Solothurn zMärit, aber saufen möchte es nicht, die Beine thäten ihm gleich weh es möchte reiten. „Machs,“ sagte Hansli; „für ne Schoppe laßt dich der Bote schon aufhocken.“ „Das isi mir ume halb anständig, sagte Anne Bäbi. Er läßt alles reiten, wer ihn darum frägt; bei allen Wirthshäusern kehrt er ein, und man weiß nie, wenn man heim kömmt. Es duecht mich d'Mähre hätte wohl der Zeit, und dann könnte auch Jakobli mitkommen, er ware schon lange gerne einmal in Solothurn gewesen.“„He su nimm se,“ sagte Hansli. „Du müußt auch nittommen, sagte Anne Bäbi, mit dem Jakobli darf ich nicht fahren d'Mähre het d'r Gring gar meineidig uf, wenn sie z'Gschirr a het.“ „D'r Sami kommt gerne mit,“ sagte Hansli. „Ich begehre den Sami zicht, sagte Aune Bäbi, er fahrt gar unerchant und weun er dazu kömmt, so ist er e unerchante Hung,und mi chaihm nit ꝓtrinke gnu gäh.“

Darauf hatte Hausli nichts zu antworten und sein Mitgehen war eine ausgemachte Sache, aber er ging ungerne. Ebenso ungern ging Jakobli; es war ihm allemal zuwider, wenn er unter viele Leute mußte,weil sie ihn dann so ansahen und allerlei von ihm sagten. Mädi ward überhaupt allemal wirbelsinnig, wenn Anne Bäbi mit Jakobli fortging, und nun gar an einen Märit, das wollte es fast zerreißen, ünd es schoß herum wie eine gejagte Surfliege. Und während Mädi in der Küche polderte, rumorte Sami im Stall.Er sollte die Mähre z'weg machen, und hatte nichts davon, und weil sie aufs Gstellwägeli keinen Sitzbank hatten, so mußte er noch einen entlehnen gehen, und ünter dem nnangestrichenen Ungeheuer, welches er daher brachte, und das in beiden Ecken zwei ungeheure Ohren hatte, erlag er fast. Das machte ihn noch unwirscher, und er verfluchte sich, er wollte ein Narr fein die Mähre zu suirigeln; das thue es dem Stall 102 knecht wohl; er wüßte nicht, warum der sein Trinkgeld nicht verdienen sollte, er müßte sein Löhnchen auch verdienen; und das Wägeli salbe er nicht; wenn d'Frau ihres Nest uf eme Wägeli obe ha well, so könne sie es seinethalben selbst salben. Da könne man das ganze Jahr genug werchen, und wenn es einmal ausgeritten sein e so könne man daheim hocke und pSach alleine machen. Aber er sei kein Narr und wolle nicht immer so dabei sein. Anne Bäbi ließ sich durch alle diese Gesichter und verblümten Reden nicht anfechten; wenn es eine Sache recht im Kopfe hatte,so hatte es für keine andere mehr Sinn und bekümmerie sich um keinen Menschen mehr.

Ani Dienstag Morgen als der Märittag angebrochen,erfuhr Anne Bäbi doch, was es heiße gegen die vereinten Kräfte einer ganzen Haushaltung anzukämpfen.Niemand verrührte willig und ungeheißen die Finger.Es mußte sämmtliche Sonntagskleider z'weglegen, mußte Hansli und Jakobli die Strümpfe kehren, die Halstucher umbinden, jedem ein Nastuch in die Tasche stoßen, sich selber zͤweg machen, Garn rüsten, denn so ganz z'leerem wollte es doch nicht z'Märit reiten.So' schwizte es von Tages Anbruch an, und als es endlich z'Morge essen wollte, so war nichts z'weg, und als es den Schaden umsah, waren noch keine Schuhe gesalbet, die Mähre nicht geschirrt, der Wägelisitz nicht aufgebunden; an salben und striegeln dachte nur Niemand. Wohl da fuhr Anne Bäbi zʒiweg, allein es half nicht viel, und wenn nicht Jakobli aus Erbarmen wegen der Mutter zu den Schuhen, und Hansli aus Furcht vor der Frau zur Mähre gesehen hätte, sie hätten wahrscheinlich barfuß nach Solothurn wandern müssen. Sami ließ die Mahre alleine stehen, als einWhent war, und die marschirte alles satt samt dem Wägeli mitten in einen Kleeacker, und Mädi brachte Anne Bäbi das Korbli mit Garn nicht nach, so daß es noch einmal absteigen und dasselbe eigenhaäͤndig holen mußte.

Endlich war alles richtig, man konnte vom Lande stoßen, d. h. aus dem Klee heraus. Anne Bäbi und

Jakobli saßen auf dem Sitz, Hansli aber stund hinter demselben; er könnte däweg die Mähre besser halten,wenn sie etwa entrinnen wollte, meinte Anne Bäbi.Langsam bewegte sich das ungesalbte Wägeli auf der Straße, ringsum voll Koth und Klee alten und neuen,und wenn die Mähre, reichlich mit Stroh und Heublümt versehen in Kammhaar und Stiel, zuweilen in einen schwerfälligen Trott verfiel, daß der weite Kommet auf ihrem Halse grimmig hin und her zottelte: schrie Anne Bäbi alsobald auf: „Herr Jemer, Herr Jemer,häb, häb, lue doch sie wott gah!“

Hatte dann Anne Bäbi sich von seinem Schreck erholt, so begann es aufzubegehren über Madi und Sami.So könne man es nicht länger gehen lassen, z'lezt sei man gar nicht mehr Meister, und sie jagten einem noch zum Hause hinaus. Wenn man afange nicht mehr zMärut dürfte, das wär ihm afe. Aber se besser man gegen die Diensten sei, desto wüͤster würden sie.Diese Klagen wurden unterbrochen durch manch freundlichen Zuruf Vorübereilender: „Weyt d'r o z'Märit, d'r syt spät!“ Die Mähre hatte einen etwas gemächlichen Schritt, wenn aber ein Märitgänger rasch an ihr vorübereilte, so schämte sie sich und wollte trottend ihm nach zotteln, dann aber ertönte wieder: „Herr Jemer,häb, häb doch, häb!“

Nach und nach nääherte sich der blaue Berg. Es glaube einmal, er sei seit gestern Abend emel ums Halbe gewachsen, sagte Anne Bäbi. Es hätte ihn nächti noch gutdings g'schauet, und g'luegt, wo der Weißenstein sei, und denkt gerade unten her sei Solothurn, und da sei er ume klyne g'si, so wie nes bravs Hus, aber de es längs, und jezt gang er fast bis a Himmel uche (hinauf), und seien so viel Wälder darauf und Weide, und es glaube Land auch noch, es würde Niemand es sinnen, wenn man es nicht selbst sehen konnte. „Sieh dort die neue Kirche, rief es bald darauf,und dä guldig Knopf. Man könne ganz dazu hinauf,sagen die Leute, und da sehe man die ganze Stadt darin, und de sich selber noch, es grus eim fast.“ 104 Es muß doch de nit sy, sagte Hansli, daß z'Solothurner ia Geld hey, wenn sie so guldig Knoöpf auf den Kirchthürmen haben, einmal bei uns vermöchte man das nicht.“„DTu Göhl, sagte Anne Bäbi, ebe deßwege haben sie keines mehr in den Säcken, weil sie es auf den Thürmen ʒ'oberst obe hey.“ „Lue, was ist dort für es großes Wasser? sagte Jakobli; wir müssen doch nicht d'r dür düre, ich dürfte wäger nicht.“ „Du Tröpfli, sagte Anne Bäbi, das ist ume d'Are, und ist ume Wasser drinne,wie i me angere Bach, o ume öppis meh, und de ist e großi und e breiti Brügg drüber. Häb ume nit Kummer, d'r dür düre möchti selber o nit. Aber m'r cha druber ubere, mi merkts ume fast nit, daß me ufem Wasser ist. Aber Herr Jemer, wie chunt eine dort nache z'sprenge. Hansli gang ab, und häb d'Mähre, sust wott sie o nache.“ Hans ging ab, und hielt sie, und als er wieder aufsteigen wollte, sagte Anne Bäbi: „Es wäre besser du führtest d'Mähre, wenn es dir nichts macht. D'Mähre hei no kes Thor g'seh, u mi weiß nit wie sie thut,we sie d'r dur soll, und de steyt grad äne nache g'wöhnlich e Soldat mit eme G'wehr u het Schwebelhölzli feil u Vogelkräzi, und da chönt d'Mähre erschüche ob dem, will sie no kene g'sehe het.“ Hansli gehorchte willig, nahm die Mähre beim Zaum, hatte die Geisel in der andern Hand, und arbeitete sich glücklich durch das Gedränge und durch das Thor, vöhne daß die Mähre den Soldat jenseits auch nur eines Blickes gewürdigt hätte, was der fast ungern hatte. Als sie drinnen waren, frug Hansli, wo er einstellen solle.Es wisse das wäger nit, sagte Anne Bäbi. Es hätte neue von einer Pinte auf dem Säumärit gehört,aber es wisse nicht, ob man dorthin d'Roß auch mitnehmen könne. Es däich fast nit. Aber es hätte gehört, beim Adler seien die Wirthsleute Berner, es däich fast, site wollten dort einstellen. Es schüche neue die Kartholische, und man wisse nie, was die so mit einem armen Roß anfangen könnten. So ein Mensch könne öppe zu ihm selber luege, aber so nes arms Thierli könne es Niemand sagen, was man mit ihm angefangen habe. Und doch, es müüsse es aufrichtig Dkartholisches essen solle, es duechs, es hätte neue nit e Chust (Geschmack) wie angeres, sondern ganz e appartigi, nit e räukeligi, nit e bränteligi, nit e gräueligi, aber ganz e kartholischi. Es sei doch kurios, daß so nahe bei einander es alles so anders sei, sogar d'Chust, es muß neue e kurioses Wese sy mit dem Kartholische, es chön si neue nut druf v'rstah.

Dieses Gespräch führte Anne Bäbi während man nur langsam über den Roßmarkt durchs zweite Thor bis zum Adler fahren konnte. Dort hielten sie, und stellten ein, und Hansli trug der Mähre einen großen Sack nach, worin er Futter für sie hatte, mehr als ein Kameel durch die große Wüste Sahra nöthig gehabt hätte. Aber Hansli war der Meinung, daß wenn die Mähre so mänche Stunde laufen, sogax manchmal springen müsse, so müßte sie auch verhältnißmäßig mehr fressen als sonst. Ob aber die gute Mähre alles bekommen, ist unbekannt geblieben; aber Hansli traute nicht recht, denn der Stallknecht schien ihm der Sprache an ein kartholischer. Der gute Hansli wußte nicht, daß reformirte und kartholische Stallknechte von wegen dem Haber akurat die gleiche Religion haben. Jenseits der Brücke, wo sie sorgfältig in der Mitte gingen, theilten sie sich. Hansli mußte mit dem Garn auf den Garnmärit gehen. Anne Bäbi sagte, „es müsse allerlei einkaufen in Betängs Laden. Wann sie beide fertig seien, so wollten sie in der Pinte auf dem Säumärit zusammentreffen; Hansli brauche nicht zu preßiren, sagte Anne Bäbi, und wann er sein Garn bald verkauft habe, so solle er erst nach der Mähre sehen.

Wie man grusam suchen kann und ung'finnet sinden.Es ist eng von der Brücke weg bis zu Betängs Laden, und Anne Bäbi hatte viel zu betrachten unwillkührlich, obgleich sein Herz ihns vorwärts drängte.Jakobli hatte viel zu leiden von den müßigen Leuten,welche ums Gaffen willen gekommen waren. „Lue dert dä,“ sagte einer, „d'r lieb Gott wird ne für es Chrutblatt agseh ha, und ne ha lah vorhagle.“ „Lue dert dä,“ sägte ein anderer, „wenn wüst sein weh thäte,der brüllete den ganzen Tag grad use.“ Und Jakobli war doch eigentlich so wüst nicht, aber Blatternarben fallen jetzt weit unangenehmer in die Augen als früher;sein fehlend Auge fiel um so mehr auf, weil das andere recht schͤn und blau ihm im Gesichte stand. Daneben war Jakobli recht brav gewachsen, und hätte für einen tollen Burschen gelten können, wenn er etwas breiter in Brust und Schultern gewesen wäre.

Anne Bäbi achtete sich wenig darauf, aber mehr als einmal sagte es: „Wenn Sami und Mädi nicht so wüͤst gethan hätten, da könnte man ihnen jetzt einen Kram auslesen.“ Und endlich konnte es dem Gelüsten des Kramens nicht widerstehen, kaufte dem Sami ein Halstuch, dem Mädi einen Corsettplätz. Mi chön nes spare, sagte es, bis sie öppe wieder wathlig (ordentlich) thäten.

In Betängs Laden machte es große Einkäufe; ein halb Pfund Kaffe, ein Vierling Zucker und für einen Batzen Kuchipulver, und als es bezahlt hatte, fragte es, ob nicht eine Frau da gewesen sei mit einem Schienenkörbchen, und nach ihnen gefragt hätte? Die sei den Augenblick hier fort, und die Bielstraße aufgegangen, aber gefraget hätte sie nach Niemanden.Anne Bäbi packte rasch seine Herrlichkeiten in seine weiten Kittelsäcke, wo nöthigenfalls in jedem eine Maaß Wein, und eine funfbatzige Züpfe Platz gehabt hätte,und schoß um die Ecke der Bielerstraße zu; aber keine Frau mit einem Schienenkörbchen, kein Maurer Vreni war zu sehen.

He nu es werde in die Pinte auf dem Säumärit gegangen sein, sie seien wohl spät, dachte Anne Bäbi,und bog links ein. Schwes arbeitete es sich durch die Schweine. Von einem Färech, in welchem zehn schwarzgefleckte, langgestreckte, schwarzgeringelte Ferkeln von einer Burde waren, konnte es sich nur losreißen wie eine Hochzeiterin aus einem Dornhag, wie eine Schneidersmutter von ihrem einzigen Jungen, der auf Reisen geht. In der Pinte war ein bedenkliches Gedränge.* auf dem Schweinemarkt ein trockenes Maul besommen hatte, und das begegnete vielen, denn erstlich ist es dort heiß, und zweitens wird auf demselben mehr geredet, als auf einem andern Markte, (wenn ein Weib und ein Sauhändler recht aneinander wachsen, so hätte ein Jude oder ein Welsch noch viel dabei zu lernen) war froh um einen kühlen Schluck aus gutem Kelier. Anne Bäbi rückte langsam und vorsichtig hinein, Jakobli an der Hand, wie ein Feldherr in einen Thalgrund, in den er sich lagern will. Das Maurer Vreni sah es nirgends, aber an einem Tische eine muntere Bernerfrau mit einer noch munterern Toch-ter, und gegenüber einen leeren Platz. Da fuhr es mit dem Jakobli an der Hand durch die Leute, wie ein Widder durch einen Bohnenplätz, und pflanzte sich jenen gegenüͤber auf. Dann nahm es seinen Lumpen,dar und sagte: „wotsch o,“ und sagte einer gleitigen Solothurner Kellnerin, die fragen kam, womit sie aufwarten könne: „Eh bring afe e halbe Schoppe, mi cha de gäng no meh bifehie, we me no meh mangelt.Es macht heiß,“ sagte Anne Bäbi über den Tisch hinüber. „Ho ja, sagte die Frau hinter dem Tisch, wer ume hei müße lausen, wird gnug übercho ha, mir sy Pritte, u do hets nit sövli g'macht.“ „Ho was selb ist mir sy o gritte,“ sagte Anne Bäbi, nahm einen Schluck aus dem halben Schoppen, reichte ihn dann Jakobli, und fragte die Kellnerin, ob z'Murer Vreni nicht da gewesen sei. Die Kellerin wußte nichts von ihm.„Das ist m'r doch es Züg, sagte Anne Bäbi,lue doch a dyr Sackuhr, was hey me für Zyt, Jakobli.“ Es ist halb zwolf, Mutter,“ sagte derselbe.„Nein in zehn Minuten zwölf,“ sagte jenseits die Tochter, und hielt lange die Uhr in der Hand, damit man sehen könne, daß sie recht habe. „Ho, sagte Anne Bäbi, du wirst e alti Uhr ha, und die laufe geng vor, aber es ist alleweg spät, und ih weiß nit, wo das Vreni bleibt, es ist sonst so exackt. Aber du wirst Zyberli Büri sy,“ frug es die Frau. „Nit, daß ich wüßte,“ sagte die andere. Ob denn keine so da gewesen wäre? frug Anne Bäbi. Sie wüßte es nicht, sagte die Andere, sie kenn ke selligt und so g'wunderig sei sie nicht, daß sie alle nach dem Namen frage. Das sei ihm ein schießigs Zeug, klagte Anne Bäbi, es wisse nicht, was machen, oder ob es ächt am lätzen Orte sei, ob etwa noch eine Pinte auf dem Säumaärit sei,oder noch e angere Hirt da ume. Ho si wisse es apparti nicht, sagte die Andere, aber es seien so viel Stübli und Pinte z'ringse d'um, fast inne jedere Hus,und si wüß nit, wie me ere jedere säg, und de nebe zuche ist no d'r Hyrze.“ „Bist du de nit z'Ziberli Büri, und das dys Meitschi?“ „Nei wääger nit,“ sagte die Andere, „mein Mann ist Rathsherr, und wer weiß was er noch wird; G'meinschryber ist er scho, und zBern ist er grusam ästimirt, und wenn er albez yche chunt es lueg alles ufne. Sie hey scho mängist g'seit,wenn einist die abgange, wo jez a d'r Regierig syge, so müß er zuche, es schickte sich für kene. bas als für ihn, er könn alls, und v'rstang alls, us de Zytige chön er längs Stück brichte; und im große Rath stang kene uf, dem er z'Obe bim Storche oder bim Sterne nit chön d'r Plätz mache.“ „Was frage ih dem nah, sagte Anne Bäbi, wenn ih ume wüßt, wo z'Murer Vreni wär;syg de dy, Ma Rathsherr oder nit. Wenn my Hansli wett er chönts o werde; aber öppis Narrs e so fragt er nüt nah, er het Witzigers z'thun. B'hütech Gott und lebit wohl,“ sagte Anne Bäbi, und zog dem Jakobli voran zur Thüre aus, die Treppe ab und achtete sich der Reden nicht, die hinter ihm drein kamen, zog von Stübli zu Stübli, von Pinte zu Pinte, vom Hyrzen zur Lilien, und nirgends fand es das Murer Vreni, und nirgends die Zyberli Büri, und den Hansli vergaß es ganz und gar. Anne Bäbi begann zu glauben es sei verhexet, und als es nach langem Kreislauf in die Pinte auf dem Säumärit wiederkam und vernahm, daß alle da gewesen, das Murer Vreni, und die Zyberli Bäurin, und Hansli sein Mann, da glaubte es es ganz und gar, und sagte, z'Solothurn sehe man es nicht sobald wieder. Die D. Kapuziner hätten ihm das angerichtet, die Ketzere seien schalus, daß es ihnen noch nichts zu verdienen gegeben. Aber zu denen hätte es keinen Glauben; wenn sie mehr könnten als andere Leute, so wußte es nicht, warum sie nicht auch etwas gegen die Flöhe könnten, sie thäten sie ja fast fressen b'sunderbar im Augsten (August). Aergerlich und bekümmert ging es zum Adler zurück z'Mitts über die Brücke, und sagte dem Jakobli: er solle sich nur nicht fürchten, und gut z'Mitts gehen, und nicht links nicht rechts sehen, so mache es am mingsten; man hätte kein Beispiel, daß wenn einer z'Mitts geblieben, er drüber ausgefallen sei. Beim Adler fanden sie keinen Hansli,und Niemand wußte etwas von ihm, nicht einmal der Stallknecht. Es wartete lange vor dem Hause in großen Aengsten. Wenn er schon alt genug wäͤre, um zu mihm selber z'luege, so wüß me doch nie was es öppe gäh chön, b'sungerbar ame ne Märit. Zum Kummer kam der Hunger, „oppis Warms nähms doch afe,“sagte es. Aber es hätte gemeint es wolle dem Hansli warten, es gehe mit einander und kost öppis minger,Suppe wäre für ihrer drei hinreichend, und wenn sie hineingingen, so finde Hansli sie aber nicht, und es wisse kein Mensch, wenn sie wieder zusammen kämen.Indessen, die Sonne brannte, der Hunger stach, und beide trieben Anne Bäbi doch hinein, nachdem es dem Stallknecht grusam befohlen hatte auf den Hanusli zu luegen, er hätte eine weißlochtige Kutten an, eine weiße Kappe auf, und Ringge uf de Schuhne, und Knöpf unten an de Hosen. Sie gaßen und tranken langsam und Anne Bäbi balgete halblaut in einem fort bald über die Suppe, die zu dünn war, bald über das Fleisch, das zu hart war, bald über die kartholischi Chust,wo alles heyg, wes scho Bernerlüt syge hier, bald über Hansli, der nicht kam, oder über Maurer Vreni, das sich nicht sehen ließ; und Jakoblis Uhr zeigte bereits gegen vier,und noch saßen sie alleine. Da sagte z'Anne Bäbi, es halte es sy Seel nicht mehr aus, etwas müsse gehen. Sie wollten Hansli suchen, aber Jakobli sollte doch erst sehen, was d'Mähre mache, es wollte afange da füre auf die Brücke und luege, gäb Hansli nicht komme.Jakobli mußte in den dunkeln Ställen lange nach der Mähre suchen, endlich fand er sie in einer hintersten Ecke, und sie hatte auch Freude, als sie ihn sah,und rüchelete gar zärtlich. Da ging Jakobli zu ihr, um sie zu tätschlen und zu sehen, ob sie noch etwas in der Krippe hätte. Aber ehe er dort war, stolperte er über etwas, und als er darnach griff, kam ihm ein Bein in die Hand; als er noch näher untersuchte fand er ein Zweites, und endlich tauchte von einer Strohburde neben der Wand empor eine ganze Gestalt, und die Gestalt war Hansli, und Jakobli mußte fry einen Gux auslassen vor Freuden, als er den Vater wieder sah,um den er wirklich eine viel größere Angst ausgestanden hatte, als er es sich hatte merken lassen. Sie wollten gerne fort, sagte Jakobli, und heim, ehe die Straße voll voller Leute wäre. He, sagte Hansli,d'Mähre werde gefreßen haben, er wolle sie tränken und anspannen. Jakobli lief, der Mutter des Vaters Wiederfinden zu verkünden, aber auf der ganzen Brücke war kein Anne Bäbi. Der Jakobli sah rechts, sah links, aber kein Anne Bäbi war rechts, war links;ihm ward Seelenangst; er wußte nicht, was er denken sollte; war die Mutter ins Wasser gefallen, gestohlen worden, selbst fortgelaufen? Er fruüg hin und her ob Niemand sein Mütti gesehen; aber die Leute lachten ihn aus, die einen frugen ihn, ob er saugen wolle, und andere, ob sein Mütti apparti zeichnet sei, ob es Hörner hätte. Er wußte nicht, sollte er zum Vater laufen oder in die Pinte auf dem Säumärit; er hätte fast zu weinen angefangen. Endlich sah er sein Mütti beim Hyrzen um die Ecke kommen, und da wars ihm als komme ein Engel vom Himmel, und mehr wohlete es der Hagar sicher nicht, als ein Engel ihr zu Wasser half, als es Jakobli wohlete, da er sein Mütterli wieder sah.Wer etwas ängstlichen Gemüthes ist, der weiß es, wie es einem so wohlthätig durch die Seele fährt, wenn,nachdem man lange gewartet, innig sich gesehnt,die Hoffnung aufgegeben und wieder aufgenommen,hundert Möglichkeiten erwogen und wieder verworfen,die erseufzte Gestalt vor den Augen auftaucht, wie alles Bangen auf einmal untergeht, ein Genügen sich Platz macht, das Glück des Beisammenseins sonder Kluft und Hemmung aufgeht. Ein Vorwurf der im Herzen verklingt ehe er im Munde ist, ein vergnüglich Horchen auf die Antwort, die Begebnisse des zu spät kommenden leiten über das Wiederfinden in das erwartete Glück hinein. „Aber Mütti, Mütti, wo läufst du doch herum,und wolltest ja auf der Brücke warten?“ sagte Jakobli. „He du kamst so lange nicht, da dachte ich, der Säumarit sei nur da oben, und vielleicht sei Hansli dort. Er ist so ne G'stabelige; wenn er einmal an einem Orte ist, so kann er nicht mehr fort. Aber er war nicht dort, wenn ich nur ums Himmelswillen wüßte, wo dä G'stabi ist. „Mutter, ich habe ihn gefunden,“ sagte Jakobli, „im Stall neben d'r Mahre het er g'schlafe. Er het eine Burde Stroh in die Ecke gelegt, und weil er uns nicht gefunden, ist er dort hin g'hocket und entschlafen, und fast gar bin ich über ihn gestürchelt (gestolpertz, und als ich den Schaden umsah, ist dir Aetti da.“ „Dä donstigs Schnürfli, was brucht dä ga z'schlafe am e ne Marit, es duecht mi doch dä chönt daheim gnue schlafe.“ “Er hat nicht schlafen wollen,“ sagte Jakobli, „nur ein wenig abhocke und jetzt spannet er an, und wir können fort.“„He nu so de,“ sagte Anne Bäbi, „es ist mir anständig, daß wir fortkommen; aber nadische Gnietige (Einer mit dem man nicht Geduld genug haben kann.) ist er d'r Aetti, mi sött gäng uf ihn luege, wie uf enes King.“ Innerlich wohlete es doch Anne Bäbi unend 142 lich, aber sein Mund räsonirte fort, bis ste beim Adler waren. Es habens halt viele Weiber so, je wöhler ihnen etwas thut, desto mehr kifeln sie dabet, nur um nicht den Namen zu haben, als hätten sie früheres vergessen, vergeben, als seien sie so recht zufrieden.Sie sind halt ans Verläugnen so gewöhnt, daß manche am häßigsten thun, wenn es ihnen im Herzen vor Freude am lustigsten gramselt. So kifelte Anne Bäbi fort bis zum Adler, und immer heißerr ward die Suppe,welche es dem Hausli anrichten wollte; aber vor dem Adler war kein Hansli mehr, war ihr Waägeli nicht mehr, und keine Mähre war mehr im Stalle.

Sa vergaß Anne Bäbi das Kifeln und große Angst um alle drei, um das Wägeli, um Hansli, um die Mäahre faßte sein Herz, und hier hin und dort hin lief es, und alle Leute fragte es, ob sie keine Mähre gesehen hätten an einem Wägeli und auf demselben ihren Mann. Es sei mancher Mann auf einem Wägeli da durch gefahren, hieß es, aber ob das Roß eine Mähre gewesen, hätten sie sich nicht geachtet, und die Mehrsten hätten Weibervolk bei sich gehabt. Da faßte erst rechte Angst Anne Bäbis Herz. Es sei doch keinem Donnstig trauen, gäb wie er ein G'stabi sei, brummte es und stürmte um so ängstlicher auf dem Platz herum,risktirte von Menschen oder Vieh zertreten zu werden,bis ihm endlich ein Stallknecht sagte, es solle doch machen, daß es einem unter den Füßen wegkäme, es sehe ja, daß keine Mähre und kein Hansli mehr da sei. Das fand endlich Anne Bäbi selbst am besten,aber sie kämen ihm nicht mehr nach, sagte Anne Bäbi.Wenn er einmal angefangen hätte wüst zu thun, so sei er ein Utüfel g'si. Er werde einen genommen haben,und sich nicht mehr besinnen, daß noch Jemand bei ihm sei. Aber dem wolle es, wenn es wieder zu ihm komme. So schoß es durchs Thor und Jakobli hinten drein, durch die Vorstadt, und kein Hansli war zu sehen, durchs zweite Thor über die Brücke und weit hin kein Hansli mehr. Aber dort war ein Wägeli und an demselben auch eine Mähre, und beide waren akurat wie ihre Mähre und ihr Wägeli, aber kein Hansli war dabei. Sie gischaueten Beide wohl, und die Rähre kannte den Jakobli wieder und rieb ihm ihren Kopf äm Leibe herum. „Es ist uf my Armi üsy Rustig, sagte Anne Bäbi, aber Herr Jemer, Herr Jemer, wo ist exr.So nes Roß alleini z'lah, u no d'rzu wo alles kartholisch ist, wo es e niedere stehle könnte, er muß sturme a de Lebre sy und o gar nit meh wüße was er macht.Der ist beim Schieß vorausgelaufen, weil er gedacht hat, der Sami füttere ihm die Kühe nicht recht, und wird gedacht haben, er wolle uns das Wägeli da lassen, wir würden es schon finden. Wir wollen geschwind nach, weit kann er noch nicht sein.“ Gesagt, gethan,Jakobli mußte mit, gäb wie er einwendete, er glaub nicht, daß d'r Aetti voraus sei. Anne Bäbi nahm selbst das Leitseil und sagte: „Hü du!“ Langsam ging der Zug vorwärts, erstlich preßirte Anne Bäbi nicht,zweitens preßirte die Mähre nicht und drittens ging es Berg auf, und alle Augenblicke stund Jakobli auf und sagte: „ih g'seh ne no nüt und ih glaube nit, daß er vporaus wäre ohne uns.“ Sie waren bald oben; da stand die Mähre still, stellte die Beine auseinander und machte es sich behaglich, und Anne Bäbi sagte: „Hättest nit chöne warte bis daheime du Uflath, und mächst noch d'rzu e ganze Steinkratte voll.“ Unterdessen stau Jakobli wieder auf und sah um sich, und rief plötzlich „d'r Aetti, d'r Aetti,“ und richtig weit hinten her kam der Aetti, und wei um ihn her flatterten ihm die Hosen,und ganze Wolken Staub sprengte er auf mit seinen Schuhen; so hatte den Hansli noch Niemand laufen sehen. Man glaubte nicht, wie es Anne Bäbi wohlete, als es ihn endlich wieder sah nach so manchen Stunden und so bangem Suchen, aber es griff ihn doch an mit scharfer Rede: „Wo zum Tüfel g'heyst du des ume?“ „Oeppe viel g'macht ist es nicht, sagte Hansli, zifahre und mi da hinger lah.“ „He, sagte Anne Bäbi, es ist Niemere z'Sinn cho, daß du noch hinger nache seiest, wir gläubten du seiest voraus.“„Oeppis dumms e so,“ sagte Hansli. „He sovli dumm 8 114 ist das nit, als z'Wägeli im Stich zu lassen, und wieder i d'Stadt laufe, wo d'erst use g'fahre bist, es weiß ke blütige Mensch warum und mit wem?“ „He,sagte Hansli, warum? Sie wollten mich vor dem Aoler micht dulden, ich sei allen im Weg sagten sie,und hier fuhr mir einer ans Wägeli und dort einer,ich war nirgends sicher. Da fuhr ich in die Vorstadt,uud dort gung es mir auch so, und da fuhr ich bis hie her und da sah ich, daß ich keine Geisel hatte, und da lief ich zurück sie zu suchen, und dachte, ich könnte zugleich euch sagen, daß ich da außen sei. Und habe sange euch auf der Brücke gesucht, aber so gehts wenn man geng ame ne angere Srt ist als me g'seit het.“„He, sagte Anne Bäbi, wo sind wir anders gewesen,als däß wir dich gesucht, und warum bist du immer gewesen, wo wir nicht waren?“ He, sagte Hansli,fei nirgends anders gewesen, als wo man ihm gesagt habe, daß er sein solle; aber wenn ex gekommen fei so sei Riemand mehr da gewesen. „Wer hätte immer den ganzen Tag auf dich warten können, sagte Anne Bäbi; mehr als eine Stunde baben wir in der Pinte auf dem Säumärit gewartet, und du kamest nicht.“ Was kann ich dafür, sagte Hansli. Lange wollte mir Niemand auf mein Garn bieten, es sei verdreht, sagten Alle.“ „Das ist eine v'rfluchte Lugi, rief Anne Bäbi, das habe ich ja selbst gesponnen.“ „He nu, sagte Hansli, so hey si emel giseit.“ „Ke Strange thue ih meh z'Solothurn uf e Märit, rief Anne Bäbi,ich will ars 'reise dene Kartholische, ja wolle! mys Garn verdreht! Si ware froh, wenn im ganze Biet Eini spinne koönnte wie ich, die Ketzere.“ „He nu,sagte Hansli, sie sagten es mir einmal so. Wo ich es endlich verkauft hatte, konnte ich längs Stück den Säumärit nicht finden; ih ha möge gah, wo ih welle ha,su sy Saäu g'si, es het mi duecht, die ganze, Stadt JD0 es het mi duecht, die meins gut, und die ha ni du g'fraget und die het mi du g'reiset, aber da ist Niemere meh da g'sy, und als ich nach dir gefraget, sagte man 118 mir, es sei eine da gewesen mit einem halbblinden Bub,die immer nach dem Maurer Vreni und nach dem Zyberli Büri gefragt heyg, aber die sei laängstens sort.Da bin ich zur Mähre gegangen; umelaufe, dachte ich, trage nichts ab, und auf der Gasse stehn, habe ich auch nicht mögen.“ „Aber schlafen hättest du nicht sollen; das ist Schuld daran, daß wir uns so versäumt haben. Meiner Lebtag gehe ich nicht mehr nach Solothurn. Nichts als Verdruß habe ich gehabt, und die Beine wollen mir abfallen vom Umherläufen, und dann Steine haben sie in den Straßen, sie sollten sich schämen ins blüttige Herz hinein, und dann sind wiederum Löcher, wenn man in eins fiele, mi hät fast e ganze Tag bis me wieder füre chäm. Und daß wir die Zyberli Büri nicht angetroffen, das macht mich ganz lätz.Was wird die denken?“ Nun hielt Anne Bäbi inne,und erwartete die Frage, was die Zyberli Büri ihns angehe, denn nicht einmal ihr Name war bis dahin in ihrem Hause bekannt gewesen. Da Hansli kein Wort antwortete, so sah Anne Bäͤbi hinter sich und erschrack ganz schrecklich, als Hansli ganz weiß war und sagte,es werde ihm neue wunderlich, wenn er ume ein wenig Wasser hätte. Im Solothurnerbiet ist man um solches selten lange verlegen, und Hansli erholte sich bald wieder. Er werde Neuis v'rflümmerts gegessen haben,sagte Anne Bäbi, er nehme doch dann äalles, was zum Maul einmöge, und an fremden Orten könne man sich nicht genug in Acht nehmen, b'sunderbar z'Solothurn. Gr hätte seit heute Morgen noch gar nichts gehabt, sagte Hansli. „Aber Herr Jemer, du einfalte Tropf, warum gehst du nicht und nimmst etwas? sagte Anne Bäbi,es ist nichts so ungsüngs, als so ne leere Mage.“„He, sagte Hansli, ih ha neue nit eleyni möge, und z'letzt ha ni du neue nit dra g'sinnet, es ist mor du gsi,we m'r ume hey wäre.“ „Zu bist geng der dümmst Hung, wos git, sagte Anne Bäbi; öppis e so ga z'vrvo Aber jag d'Mähre e wenig, we si scho e wenig Pringt uf hey zu, es macht nüt. Mir wey im nächsten Wirthshaus einkehren; daß du vom Soloihurner Märt 116 ungesse und untrunken heim kehrest, selb nit. Es chönt di ja töde, und wenns d'Lüt v'rnähmte, so chönte si ja meine, ich gönnte dirs nicht. Hü Mähre! Hü!spring e weneli, du chast de morn leue.“ Die Mähre humpelte recht schöͤn auf ihre Art, und schon sah man das Thürmchen, wo nahe dabei das Haus stand,in welchem Anne Bäbi ihren Hanusli erquicken wollte.Es war noch heiß, viel Staub auf der Straße und vor ihnen gingen zwei, ein kleiner Bube und ein größeres Mädchen; der Bube heulte laut auf, das Mädchen aber weinte leise, tröstete dazu, so gut es vermochte, wollte den Jungen tragen und vermochte es kaum, wollte ihm Schuhe und Strumpfe abziehen und er wollte kein Bein machen. Da stand das Mädchen in der bittersten Verlegenheit am Wege, und als die Mähre daher zottelte und der Kommet auf ihrem Halse so rührend herumhumpelte, sah es gar bittend nach dem Wägelein, aber kein Wörtchen vermochte es zu sagen, der Bube hingegen schrie: „reiten will ich,reitenl“ Anne Bäbi hatte das Leitseil wieder, weil es Hansli übel war, und den Kopf voll Sachen, daß es säch der Brülls nicht achtete, sondern zufuhr. „Mutter los wie der brüllet, was haben ste wohl?“ sagte Jakobli. „Meinethalb was sie wollen, sagte Anne Bäbi,was gehts mich an.“ „Mutter Zalt doch still, das ist was unguts, hor doch wie der Bub brüllet.“ „So brüll er mira, mi hät wohl viel zu thun, wenn man allemal stille haben wollte, wenn ein Bub brüllet. Und de ists mir vo wegem Aetti, der hat heute noch nichts gehabt,“ antwortete Anne Bäbi. Hese Stung uf oder nieder, darauf komme es ihm nicht an, sagte Hansli,und Jakobli machte Anstalt ab dem Wägeli zu springen. Das stellte Anne Bäbi. „O hä, du Uflath, wart doch Bub, wottsch warte oder nit, wottsch still ha oder nit du More,“ schrie sie und zerrte an der Mähre aus Leibeskräften und brachte doch nichts an ihr ab,bis Hansli zu Hilfe kam.Als das Mädchen sah, daß man seinetwegen hielt,kam es herbei und trug demüthig seine Sache vor. Es hätte auf Solothurm müssen zu den Kapuzinern; sie hätten schon lange nicht mehr anken können, und die hätten etwas, das b'sunderbar gut wäre dafür. Da hätte der Bube auch mit wollen, weil er noch nie in Solothurn gewesen; sie hätten ihm gesagt, er möge nicht laufen, aber er hätte es zwaäͤngt. Schon hinein sei es bos gegangen und jetzt erst wolle er nicht mehr laufen. Es hätte ihn getragen, aber es hätte selbst die Füße voll Blattern, es sei an die Lederschuhe nicht gewöhnt, und es wüßte weiß Gott nicht wie heimkommen, es mache ihm grusam Angst. So erzählte das Mädchen und unterdessen sah Jakobli, wie es so freundliche blaue Augen hatte, und einen Mund wie eine Kirsche, und Backen, daß es ihn dünkte, er möchte darein beißen und Züpfen! es het ne deucht syn Lebtag hätte er keine solche gesehen; sie sind lang gewesen und dick und wie die schönste gelbe Seide. Kleidlein hat es schlechte angehabt, ein dünnes Kitteli, ein grobes Hemmeli, ein schlechtes Schaubhütli, aber alles ist ihm wohlangestanden, daß man haäͤtte glauben sollen, wie köstlich es sei. Und Jakobli hätte noch lange zugehört,wenn das Meitschi noch lange geredet hätte, und an des Aettis Hunger hätte er nicht gesinnet. Aber das Meitschi schwieg und Hansli sagte: „so gieb ne,“ und setzte den Buben hinter sich ins Wägeligestell, und Anne Bäbi sagte ung'heißen „hü! mir wey doch nadisch nit auf der Straße übernachten, wenn d'e wenig springst,su mast is sauft nah.“ Die Mähre setzte zum Lauf an ungefähr wie ein Storch zum Fliegen, und Jakobli stach es wie mit GOufen auf seinem Sitz. Das Meitschi hätte Blattern an den Füßen und möge nicht nach. Er wolle eher selbst ab, er mge wohl laufen bis da, wo sie einkehren wollten; es thue ihm nur wohl, und dann könne das Meitschi reiten. „Warum nicht gar, das wär m'r afe lustig, we me es Fuhrwerch het, daß me de laufe wett und angeri ließ ryten; da käme man ja id Brattig (Kalender),“ meinte Anne Bäbi. „He, sagte Hansli, es kann ja da neben mir stehen, es hat Platz und d'Mähre mag uns sauft.“ „Warum nit gar, sagte 118 Anne Bäbi. Hül! du schießige Stopfe, wotsch nit fürers?“Aber Hansli hatte das nicht gehoöͤrt, sich umgedreht und dem Mädchen einen Wink gegeben, es solle kommen und hinten aufsteigen. Es sei nverschant, sagte das Mädchen, aber die Frende leuchtete ihm doch aus den Augen wie junges Morgenroth, und es begann das Kleitern hinten auf, und Jakobli sagte: „häb doch still Mutter, das Meitschi könnte fallen.“ „So fall es, wenn ich doch nichts mehr zu sagen haben soll,“sagte Anne Bäbi, und eher hälte man ihr den Kopf abgerissen, als daß man es zum Stellen der Mähre bewogen hätte.

„Wo chunst her?“ fragte Hansli das Mädchen.Es komme von Raxigen, gab das Mädchen Bericht,sonst sei es zu Hudelbank daheim. Aber es sei ein armes Waisli, Äetti und Mütti seien ihm gestorben,und da hätte sein Götti zu Raxigen es zu sich genommen d'r Gottswille. „So kann man es machen, und Fletsch hat man des Tüfels Dank davon und des Tüfels Verdruß zu allem Schaden, wo man hat,“ sagte Anne Bäbi. Es haätte es nicht im Sinn, sagte das Mädchen, und werchen thue es, daß es meinte, großen Schaden hätten sie nicht an ihm. „Du wirst auch nicht besser sein, als die Andern,“ sagte Anne Bäbi.Darauf antwortete das Mädchen nichts, aber das Wasser stund ihm hoch in den Augen, und die andern sagten auch nichts. Jakobli hätte gerne etwas gesagt,aber er wußte nicht was, denn es war ihm, als hätte das Mädchen ein Fenster vor der Brust, und als sehe er durch dasselbe, wie die Rede der Mutter das Mädchen daure, und wie es jetzt denke, wie bös es es hätte und wie fleißig es sei, und doch hätte man ihm das d'r Gottswillen immer für, und jetzt reite es auch d'r Gottswille, und dafür gebe man ihm schnöde Worte und trümpfe es ab. Es sei doch auch nicht recht,daß man von Gottswillen sage und plage einem dafür vom Tüfel, und es nehme ihns doch Wunder, wie das der liebe Gott ansehe. So müßte das Meitschi denken, dachte Jakobli, und es dünkte ihn, als rege 119 es sich in seinem eigenen Herzen wie Haß gegen die Mutter, und als müßte er ihr auch etwas sagen.Aber er sagte es ihr doch nicht. Denn während dem Schweigen spürte er erst recht, da das Mädchen hinter ihm stand, daß es die Hände hinter seinem Rücken auf der Sitzlehne hatte. Das machte ihm gar wunderlich; er drückte mit dem Rücken an die Lehne, um die Hände zu fühlen, und doch nur leise. Dann einmal hatte das Meitschi bei dem Druck geglaubt, es sei ihm im Weg, und hatte die Hand weg gethan.Aber gäb wie leise er die Hände auch drückte, so gramselte es ihm doch den Rücken auf, den Rücken ab, und im Gesicht ward es ihm so warm und im Herzen so wohl, und es dünkte ihn als müßte er dem Mädchen etwas sagen; allein weil er nicht wußte was, so blieb er stille sitzen, und die Hände an seinem Rücken strömten durch seine halbleinerne Kutte einen sanften stillen Strom durch sein ganzes Wesen, daß er alles vergaß und selig lebte, und als Anne Bäbi vor dem Wirthshaus an der Mähre riß und Ohä sagte, da war es Jakobli, als erwache er aus seligem Schlafe, als falle er vom Himmel auf die Welt. So wunderlig und doch so wohl, sei ihm sein Lebtag nie gewesen; wenn es ihm nur immer so wäre, dachte er.

Sie stiegen vom Wägelein; das Mädchen auch,und Jakobli konnte am Meitlschi sich nicht satt sehen;es war ihm, als sei vorhin noch ein Umhang vor dem Meitschi gewesen, und sehe er jetzt etwas, was er sein Lebtag noch nie gesehen. Von wegen Jakobli hatte gar still gelebt, und seine Gedanken waren nicht über Schafe und Tauben und Hühner hinausgegangen, und mit Meitschene hatte er nie das Geringste gehabt, weder mit Gedanken noch mit Worten. Darum erfuhr er auch, was eine Meitschihand für eine Gewalt hat,selbst durch eine Halbleinkutte hindurch, so wie ein elektrischer Strahl auch durch Wasser fährt und Feuer und Flammen zeüget, wo er auf's rechte Metall schlägt.Er sah das Meitschi an mit seinem einen Auge, und stand da wie ein Oehlgötz, der nicht reden kann, und dem kein vernünftiger Mensch einen Gedanken zutraut.Und einen solchen hatte er wirklich nicht, bis daß das Mädchen sagte, es danke ihnen zum aller Höchsten,und den Buben vom Wägelein heben wollte; da dunkte es ihn, er müsse reden, aber eine unsichtbare Gewalt hielt ihm die Stimme zurück in ihrer dunkeln Kammer;auch nicht eines Lautes war er mächtig. Da brüllte der Bube und schlug mit Händen und Füßen drein,cr wolle nicht laufen, er wolle reiten, und das Mädchen versuchte umsonst die zärtlichsten Worte an ihm.Hansli war mit der Mähre und ihrem Sacke in den Stall gegangen. Anne Bäbi stund auf der Bsetzi, und es dünkie Jäkobli, es wolle ihm das Herz zerreißen,und er wußte nicht warum, und reden konnte er nicht.

Da kam Hansli aus dem Stalle, und als er das Brüllen und Ringen am Wägeli sah, sagte er: „He,lah du ne sy und wart e wenig, und de chast no e Stung ryte u de syt d'r grad daheime, de ma ner de sauft iaufe.“ Das Meitschi, welches das Weinen wieder zuvorderst hatte, sagte, es wisse nicht wie machen; es sehe wohl, es bringe ihn nicht fort, und doch,wenn es so spät heim komme, so werde es grusam balget, und man glaube ihm nicht, wenn es sage, was gegangen sei. „Bas sumt di nüt, sagte Hansli, wir achen nit lang, und wenn ihs wartist, so bist so früh, als wenn d' laufist.“ „Dankeigist du, sagte das Meitschi, aber es ist unverschant, und wenn ih hei chume so weiß ih wohl, daß ih doch de a allem soll z'Schuld sy.“

Da rief Anne Bäbi von der Bsetzi, ob sie nicht kommen wollten; dä weg kämen sie nie heim. Unterwegs brummelte es halblaut zu ihnen, sie sollten doch das Möntschli und da Brülli lah g'heye, si gange se ja nüt ah, und d'r Mähre gang es um so gnüger.

Drinnen waren viele Leüte, von denen es wohl Keiner hatte wie Hansli, der noch nichts gehabt hatte;die Meisten waren des Zufüllens halber da. Es geht nämlich vielen Menschen so, wie es allen Fässern geht. Wenn man Fässer füllt und dann mit dem Hammer auf die Reifen mächtig schlägt, so setzt sich der Wein, und man kann nachgießen, und schlägt man noch einmal tüchtig, so kann man noch einmäl nachgießen, aber nur ganz wenig; meist gießt man zu viel, und es länft über. Hat nun einer an einem Markt genug getrunken und setzt sich auf sein Wägelein, so rüttelt das ihm den Wein runter, und wo es leer geworden ist, da wird es auch trocken; es entsteht Durfst, es muß wieder zugefüllt werden, einmal, zweimal, je nachdem weit die Reise geht und die Reife zusammengerüttelt werden; aber verdammt in Acht muß man sich dabei nehmen. Denn wie gesagt, es läuft gerne über.

Kybig saß Anne Bäbi da, aber besonders wohl war es Hansli. Wer niemals einen Tag lang nichts Warmes gehabt, der wisse nicht, wie wohl es einem dueche,wenn er einmal dazu komme; er hätte es Niemere glaubt, sagte er. Suppe packte er ein, Anne Bäbi sagte, es hätte es nie so gesehen, und das Fleisch hieb er in der Mitte durch, nahm die eine Hälfte, und sagte dann: „näht (nehmt) wenn d'r meut (möget)“.Jakobli aber war es unwohl; es fehlte ihm etwas, er wußte nicht was. Alle Augenblicke mußte er hinaus,um nach der Mähre zu sehen, und wenn er dann das Mödchen noch da sitzen sah, so duechte es ihn, es gehe der Mähre nit übel; aber kaum war er wieder drinn,so ward ihm wieder Angst um die Mähre. Anne Bäbi sagte, das sei ihm doch afe es G'läuf, er söll doch einist blybe hocke, und essen, bis sie fort wollten.Der Stallknecht gefalle ihm neue nüt, sagte Jakobli,und es wäre doch lätz, wenn d'Mähre ihri Sach nit überchän. „U wenn, sagte Anne Bäbi, sie het d'r ganz Tag chönne fresse, warum het si nit g'no. Iß auch und trink, wir wollen nicht umsonst da sein.“Er möge neue nit, sagte Jakobli. Es war ihm wirklich als wäre ihm der Wein fast z'wider, und es duechte ihn, wenn er ihn nicht trinken müßte, er wolle fry einen Batzen geben. Zu Schanden wollte er ihn nicht gehen lassen, er könnte ihn ja dem Mädchen draußen bringen, das so fleißig Wasser ab der Brunnemohre trinke, und sicher Wein nähmte, wenn es ihn hätie. Aber wie ihn bringen? das war über Jakoblis Krafte. Er hatte es noch Niemand gebracht, am wenigsten einem Meitschi. Er gehörte nicht zu denen,die meinen, wenn man sie in einem Wirthshause nicht allein höre, so sei es eine Schande für sie. Je strenger ihn Anne Bäbi nöthete, um so übler schien ihm der Wein zu machen. Da sagte Anne Bäbi, he nu fo de, g'schände wollen wir ihn nicht, ich will ihn so duechte es Jakobli, er möchte wieder.

Jakobli aß ein Stücklein Fleisch und sagte, das hätte ihm wohl gemacht aber durstig, es dueche ihn, er möchte wieder irinken. „Es hat mich doch duecht,“ sagte Anne Bäbi, und schenkte voller Freude Jakobli ein Glas voll ein. Aber kaum hatte derselbe angesetzt, so setzte er wieder ab und sagte, der Wein hätte eine so arigi (sonderbare) Chust, es dueche ihn, wenn sie eine Halbe dessern hätten, er möchte. „Es duecht mich, dä thäts,“fagte Anne Bäbi. „He, we er ne nit trinke mag,“saßte Hansli. „He nu, sagte Anne Bäbi, mir ists recht; mi cha de dyne dem Stallknecht gäh, dä nimmt ne scho.“ Und wenn man vom Wolfe redet, so ist er nicht weit. Der Stallknecht aber kam gerade herein,und Anne Bäbi griff rasch auf Jakoblis Glas und rief: „Chum, es gilt d'r!“ Der machte nicht lange Umstände, umklafterte das Glas mit weiter Hand:„G'sundheit, es gilt dir ume.“ „Mach us, mach es früsches!“ Und vor Jakobli hin stellte der Stallknecht das leere Glas, als so eben die Stubenmagd eine frische Halbe brachte. Der Stallknecht hatte Jakoblis Wein getrunken, alle seine Ränke hatte Anne Bäbi's X saß er da; muthlos antwortete er, als Anne Bäbi ihn fragte: ob der gut sei? „Er duecht mi emel besser,aber ich hülfe austrinken und gehen.“ Das preßire nicht sovli, sagte Anne Babi, es wisse Niemand, wenn sie wieder so beisammen wären, und wenn man einmal 193 dabei sei, so komme es nicht darauf an, ob eine Stunde mehr oder weniger. Da dünkte es Jakobli, die Mutter thue ihm doch expreß alles z'Leid was sie nur könne.Er hätte es nie geglaubt, wenn er es nicht erfahren,wie sie es eigentlich mit ihm meine, und wenn er nur wüßie wie machen, so wollte er ihr zeigen, daß sie doch nicht Alles zwängen solle. Während es so innerlich in Jakobli kämpfte, stand Hansli auf, und als er wieder kam, kam das Meitschi hinter ihm drein und hatte die eine Hand im Gesichte und mit der andern wußte es nicht wohin, und Hansli sagte: „Seh thue B'scheid.“ Da war es Jakobli, er wußte nicht wie;es flimmerte ihm vor den Augen, und als das Mädchen mit ihm G'sundheit machen wollte, da konnte er fast nicht vor innerer Angst und Freude, und es war akurat, als ob er es ungerne thäͤte. Als Hansli das Mädchen austrinken hieß, fragte es, ob es den Rest nicht dem kleinen Buben bringen dürfte? Er thäte ihm auch wohl, sagte es, und es hafte dann um so besser bei ihm. „Wie d'witt, sagte Hansli. D'Mähre hat us, d'r Stallknecht tränkt, ih ha daycht, er chöni gleich anspannen,“ sagte Hansli. „Du hast doch ein Pressier, sagte Anne Bäbi, ich weiß gar nicht, was das bedeuten soll.“ Aber Jakobli dunkte es, er hätte den Vater noch einmal so lieb, und er hatte ihm gern ein Müntschi gegeben, wenn er nur gewußt hätte, wie machen, denn er hatte ihm bei seinem Wissen noch nie eins gegeben. Als das Mädchen wieder herein kam und das Glas brachte, wollte Anne Bäbi nicht das Mindere sein, und zeigen, daß es so gut über den Wein zu regieren hatte, wie der Hansli, und nöthete das Meitschi noch zu einem Glase und sagte: „Nimm umme, nimm, du magst's sauft; es hät nit es Nieders a dä Gränni duße daycht.“ Da dünkte es Jakobli,er möchte der Mutter auch ein Müntschi geben, das sei bravs von ihr, und sie sei doch eigentlich nicht halb so wüst, als er gedacht, und meine es mit ihm nicht so bös. Aber was Jakobli Alles dachte, das sah ihm kein Mensch an. Das Meitschi that so styf und manierlich, 124 daß es selbst Anne Bäbi nicht übel gefiel, und es frug:„Wie sagt man dir eigentlich?“ „Man sagt mir nur Meyeli, Jsagte es, aber eigentlich heiße ich Maria Lieblig.“ „Das ist e arige Name, sagte Anne Bäbi, den habe ich noch nie gehört.“

Draußen hatte Jakobli wieder den Aetti so lieb;es duechte ihn, er sollte doch müde sein und sollte hocken auf den Sitz, er selbst könnte hinten auf stehen. Zwar war er so wohl gefahren, als das Meitschi hinter ihm stund, und noch einmal so zu fahren, das duechte ihn wäre fast wie der Himmel. Aber er überwand sich,stieg zuerst übers Rad hinten auf's Wägeli, und als das Hansli sah, sagte er, es sei ihm graglych, es sei ihm so wunderlich in den Beinen, fast wie wenn sie g'stabelig werden wollten. Als Alle oben waren, war Meyeli noch unten, und der etwas munter gewordene Hansli sagte: „Seh Meitschi, mach daß du hinauf kömmst.“ Es möchte jetzt wohl laufen, sagte es.Das dünkte Jakobli grusam, er meinte, es schäme sich neben ihm zu stehen. „Seh chum,“ sagte Hansli.Da setzte Meyeli zwei, dreimal an, und that sehr uwatlich, ehe es oben war. Jakobli that gar nicht als sehe er es, und doch wäre dem Meitschi mit einer einzigen raschen Handbietung geholfen gewesen. Das sei e hochmüthige Kerli, dachte das Meyeli, es thät dem doch wohl, ihm es Brösmeli z'helfe, es würde seiner Hübsche dabei nicht viel abgehen. Indessen hatte das gute Herz diese Regung vergessen, so bald es oben war, und glaubte, für sein Unverschantsein sei eine Entschuldigung nöthig, damit der Kerli nicht höhn sei,daß es da neben ihm stehe. Es sei öppe nit g'wohnt z'ryte, aber d'r Fuß thue ihm grusam weh; nit, daß es nicht gewohnet sei z'laufe, aber d'Strümpf und deSchuh maches, er solle luegen. Somit zog es einen Schuh aus, des Strumpfes hatte es sich schon vor dem Wirthshause entledigt, streckte seitwärts, gegen ihn hin, unter dem Kittel hervor einen kleinen bräunen Fuß, und auf jedem der fünf niedlichen Zehen quoll eine zornige weiße Blase auf, weil der verknorzete (verkrüppelte) Schuh eines Dorfkünstlers schlecht paßte zu dem Füßchen, wie es sein sollte, und welches Gott selbst geformt hatte. Jakobli war ganz verlegen, vergaß sich fast ob dem Füßchen, welches er ansah, und iworiete, als das Madchen ihn fragte: „G'sehst se?“„Ja, ih ha o scho g'ha, und no größere.“ Da meinte HMeyeli, der Kerli meine, es sei nicht d'r werth, so nöthli ythue, und nit möge z'laufe, zog rasch sein Füßchen zuruck und dachte bei sich: „das ist m'r doch d'r Wüstist. Es ist gut, daß es nicht auf den ankömmt,fonst müßte ich vom Wägeli herab, und könnte sehen wie ich nachkäme; der lacht mich nur aus, und thun die Füße mir doch so weh. Aber wer glaubt nur auch,wie ẽs mir ist, und wem darf ich's sagen?“ Und die Wehmuth kam wie eine düstere Wolke und verhüllte seine Seele, daß es fast vergaß wo es war. Unterdeffen hatte vornen auf dem Sitz sich ebenfalls ein Gespräch angesponnen. Der durch den so selten ihm werdenden Wein gespraächiger gewordene Hansli hatte gefragt; „Was hest mit d'r Zyberli Büri? ich chenne die nut?““ „He du wirst es wohl wissen,“ sagte Anne Bäbi, ebenfalls nicht zur Heimlichkeit gestimmt, sondern froh, eines Geheimnisses sich zu entladen. „Es hat mir Riemere nüt g'seit,“ antwortete Hansli. „He au, sagte Anne Bäbi;, es ist müglich; aber du weißt,daß buühmt Lüt g'rathe hey, wenn Jakobli wybi, su werds ihm bessere.“ „Oeppis Narrs e so,“ sagte Hansli. „He wohl freilich, sagte Anne Bäbi, aber du achtest dich selbigem nicht und bist grusam vergeßlich; wenn ich nicht an Alles sinnete, es weiß kei Mönsch wie es ging. Da kein Zeug helfen will, so habe ich gedacht, es müsse doch sein. Da ist mir zZyberli Bür's alteste Tochter auf dem Zyberlihoger grufam geruhmt worde, und die hat kommen sollen heute zum Hirt auf den Säumärit, und da hätte man luegen wollen, ob da öppis z'mache sei. Es solle eine Zrusam brave sein und eine werchbare, und Mittel solle sie auch haben; gerade so eine wäre am schickigste für eJakobli. Er sei grusam e wüste, und da könnte er doch Freude haben an einer hübschen Frau.“ Wider sWybe häͤtte er nichts, sagte Hansli, das sei ihm öppe graglych, ob eine mehr oder eine minder, aber es dueche ihn, es sollte öppe eini i d'r Nächtsami z'ha sy, er hätte immer gehört, nüt z'säme zellt, mit Kühne, die man auf dem Marit kaufe, sei man immer b'schisse.

Diesmal wäre es ihm nicht so gegangen, sagte Anne Bäbi, es hätte zu guten Bericht, aber z'Ungfäll hätte wollen, daß sie nie zusammen kämen; es glaube noch jetzt, sie seien verheret gewesen. Es hätte wahrscheinlich so sein sollen, sagte Hansli. „Oeppis dumms e so,“ antwortete Anne Bäbi. Natürlich ging von diesem Gespräch für die hinten Aufstehenden kein Wort verloren, machte aber auf Beide einen ganz verschiedenen Eindruck. Jakobli wußte von dem Projekt so wenig als Hansli. Mädi war abgeschreckt worden,und Anne Bäbi in seiner Geschäftigkeit, in seiner Befangenheit in seinen Gedanken, hatte gar nicht daran gedacht, ihm etwas davon zu sagen. Wem das Wyben so auf einmal vor den Füßen liegt, wie ein schoöner See an heißem Sommertage, ein lustig sprudelnder Quell in grüner Waldesnacht, wem geht da nicht die Lust auf, wer stürzt sich nicht in die tanzenden Wellen zu plätscherendem Gekose? So rieselte es auch freundlich und wunderlich durch Jakobli, der zum erstenmal hörte, daß er wyben solle. Seitwärts sah er die gelb seidenen Züpfen, die runden braunen Arme, die kieblichen Backen seiner Gefährtin. „Ja so eins, dachte er,so eins möchte ich wohl, aber selliges nimmt mich nicht. Es gibt mir ja kein freundlich Wort und schämt sich neben mir zu reiten; es luegt ja nicht einmal nebe umme.“ Allerdings achtete sich Meyeli des Weges und seiner Umgebung wenig; das vor ihm geführte Gespräch hatte ihns noch wehmüthiger gestimmt. „Ach ich bin ein armes Waisli, mußte es immer denken, mich schätzt Niemand.“ Kaum merkte es, wo der Weg nach seinem Raxigen abging, und wenn Hansli nicht gefraget hätte: „Woitsch da abe?“ es hätte ihn verpaßt.Meyeli dankte gar herzlich für's Reiten, und dem Jakobli gab es noch die Hand, sagte: „Zürn doch recht nut,“ und ging mit dem hinkenden Buben seiner Wege. „Aber warum bin ich gegangen und habe dem Muggi (Mürrischen) die Hand gegeben, was ist mir auch angekommen?“ dachte es. „Und was hat er mir gesagt? Nichts hat er gesagt, als, ich wüßte nicht Parum, und vorher nichts und nachher nichts. Ich bin gleich reuig gewesen, aber es ist mir so angekommen, ich weiß nicht wie, aber ein ander Mal kann er lange warten. Aber was werden sie sagen daheim?die werden afe wüst thun.“ Nun nahm die Angst seine Gedanken gefangen und jagte seine wunden Füßchen.„Zurn doch recht nüt, hat es gesagt, dachte. Jakobli, was hai es damit gemeint, was habe ich zürnen follen? Spöttisch waren die Worte nicht gemeint; es hat mich so lieblich angesehen, und so nes freundlich Mineli g'macht, ich habe noch nie so es liebligs g'seh.Warum“ hat es gemeint, ich könnte zürnen, ich habe ihm doch nichts Leides gesagt? Nichts habe ich ihm gesagt, und darum wird es gemeint haben, ich sei höhn, und alle haben es ihm gebracht, nur ich nicht,ünd wo es mir gesagt, zurn doch recht nüt, so habe ich nur so g'mürmt, ich wüßt nicht warum, und d'rvor nüt und dernah nüt. Was wird es auch von mir sinnen und denken, was wird es auch meinen, was ich für einer bin, was wird es von mir sagen?“ Schwerer und schwerer fiel das dem Jakobli aufs Herz; er wäre abgesprungen, wäre dem Mädchen nachgeeilt, hätte ihm gesagt, es solle doch recht nicht zürnen, er sei kein Redie, und Sauersehn sei seine Freundlichkeit, er meine es aber daneben nicht bös. Aber wo hätte er das Herz dazu nehmen sollen, und was hätten die Leute dazu gesagt? Wie ein helles Bild stund das Madchen mit dem gelben Haar vor seiner Seele, er fühlte dessen Hände hinten an seiner halbleinen Kutte,sah dessen zutraulich Füßchen, hörte sein lieblich „ürn doch recht nüt“, und die Hand gab es ihm noch dazu,und jetzt war das Mädchen fort und sein Lebtag sah er es kaum wieder, konnte ihm nie sagen, daß er es nicht bos meine, und das Mädchen hatte es bös, und er konnte ihm nicht helfen, und es ward vielleicht unglücklich und er vernahm es nicht, sah es sein Lebtag nie wieder. Da ward ihm bitter weh im Herzen, so weh that es ihm nicht als er die Blattern hatte, als er das Auge verlor, als die Leute sagten, so einen Wüüsten hätten sie nie gesehen; es wollte ihm das Herz zerreißen, bald hätte er laut aufschreien, bald sich im Stillen so recht satt weinen mogen. Es war ihm,als sei in der Welt Alles untergegangen, die Menschen, die Sonne, der Mond und die Sterne, und als sei er einzig noch übrig auf einem großen, großen Berge, und um ihn sei Nacht und unter ihm rausche ein schwarzes Meer, und es stehe weder die Sonne mehr auf noch der Mond, sondern er sei da in ewiger Nacht, und keine Stimme sage ihm mehr, zürn doch recht aüt, und keine warme Hand lege sich mehr in seine, und keine Augen blickten ihn mehr an, sondern er sei da verbannt, fern von Menschen und fern von Gott in eine schwarze dunkle Hölle fuüͤr sich alleine und für immerdar. In sein Elend versunken, merkte er nicht wie sie heimkamen, wie man dem Sami und dem Mädi rufen mußte, wie die schnöde Gesichter machten und schnöde Worte brauchten. Er sagte, er sei grusam schläfrig und neue nit am Besten (wohlsten), und fuchte alsobald sein einsames Lager. Da ward er erst so recht elend, je schöner das Meyeli vor seinen Augen stand; er weinte bitterlich und in Thränen er ein. Und die Thränen wurden ihm zu Sternen, und heller ward es wieder vor seiner Seele, und nach den Sternen upg die Sonne auf, und am jungen schönen Morgen sah er, wie ihre braune Mähre schön gestriegelt ihn und Meyeli in die Welt führte. Beide saßen auf dem Sitze, schöne Kränzchen hatten sie auf, schöne Meyen an der Brust, und Meyelis Gesicht war schöner als der schöne Morgenstern, und seine Haare waren schöner als Silber und Gold, und in seinem Herzen war der Himmel, und es wax ihm als wäͤre er mitten in der Herrlichkeit Gottes, fuüͤr die der sterbliche Mensch sonst weder Augen noch Ohren hat, nur in seligen Träumen ihren Vorgeschmack.

Anne Bäbi fährt auf die G'schau und hat große Freude; aber Jakobli läuft durch eine Mistgülle und das Herz thut ihm weh.Windstille war nun manchen Tag im Hause; was jedes bei sich selbsten erwog, ward nicht laut; daß Mädi so freundlich mit Jakobli ward, achtete Niemand; daß Jakobli noch stiller war als sonst, fiel nicht auf; und daß Anne Bäbi eine lange Konferenz im Bohnenplätz hatte mit dem Maurer Vreni, merkte Niemand. Aber gar hell auf ward Anne Bäbi auf die Konferenz hin, und schlug auf den nächsten Sonntag eine Badefahrt vor. Baden sei immer gut, sagte es, und öppis müsse doch gehen. Es duechs, es möchte einist auf Kriegstetten, es hätte schon viel dapon gehört. Dem Jakobli ging es auf wie ein Licht,denn der Weg führte durch Raxigen. Wie er dahin kommen könnte, daß es Niemand merke, daran hatte er schon lange gesinnet, aber nichts war ihm in Sinn gekommen; jetzt schlug das Müetti ihm es selbsten vor.Das Mutii hätte ihn doch lieb, er hätte es nicht geglaubt, dachte er, und er flattirte ihm und war hell duf, daß es Allen auffiel, und z'Mädi sagte, seit man mit dem KetzerElixier aufgehört, sei Jakobli viel wöhler. Um die Stauden herum schlug Mädi, um mit auf Kriegstetten zu gehen. Es hätte schon manches Jahr nicht mehr gebadet, und es duechs, es wäre neue afe wieder Zeit einmal zu baden; es beiß es neue allbeeinist, und es wisse noch von allbez, daß man viele Kämmerlein habe, wo drei Kasten seien, und da koste es gleich viel, ob zwei oder drei Personen darin badeten, und z'letzt hätte es selbst noch Geld.

9

J Das war aber eine Begleitung, welche Anne Bäbi nicht wollte.

Es schüßelete Mädi ab, so gut es konnte, aber es ging übel an, und Maäͤdi polierte im Hause herum,als wären sieben Rosse abgekommen im Stalle, und wer eine Antwort von ihm bekam, der fand einen Schlemperlig (Anzügliches) darin.

Es war ein schöner Sonntagsmorgen, als Anne Bäbi mit seinem Sohne auszog und sich seiner Führung anvertraute, da es erfahren hatte, daß die Mähre kein unbändiges Thier sei. Beide waren schweigsam.Jakobli dachte mit banger Freude, ob er wohl sein Meyeli erblicken werde; Anne Bäbi aber sann an seine Konferenz mit dem Maurer Vreni. Das Vreni hatte nämlich erzählt, daß das Meitschi, welches in der Pinte auf dem Säumärit ihnen gegenüber gesessen,wirklich des Zyberli Bauren Tochter, die Auserwählte,gewesen sei, die Frau neben ihr aber nicht die Bäurin selbst, sondern ihre Schwester. Das Mädchen hätte erst sehen wollen, wie Jakobli ihm gefalle, und so bald es ihn gesehen, hätte es nichts von ihm wollen,und gesagt, es dürfte ja mit dem weder z'Kilche noch z'Märit; was die Leute auch sagen würden, wenn es einen solchen nähme. Es habe verflümmeret reden müssen, bis es sie äne umme gebracht, und sie versprachen, nach Kriegstetten ins Bad zu kommen, und noch einmal mit ihnen zu reden. Aber es habe ihren Reichthum ausgestrichen, daß es keine Gattig gehabt,und den Jakobli auch; das sei d'r freinst Löhl, wo's gebe auf dem Erdboden, und da werde es nie Nein sein, wenn eine Frau auch das Ungattlichste wolle.Das habe dem Meitschi doch gefallen, und wenn Anne Bäbi noch nachbessere, so werde die Sache sich schon machen. Diesem Nachbessern sann Anne Bäbi eben nach.

Es ist gar ein lustiges Fahren an einem schönen Sonntagsmorgen, wenn die Menschen so froh und lustig zur Kirche wallen, und um die Häuser stehn und sitzen als wäre lein Elend in den Häusern, keine Sünde in den Herzen, die Tage des tausendjährigen Reiches heraufgequollen aus dem Meere der Zeit, der ewige Sabbäth niedergestiegen vom blauen Himmel herab.Jakobli war es gar weit und frei ums Herz; aber je näher sie Raxigen kamen, um so mehr zog es sich zusammen, daß er fast nicht Athem kriegen konnte, und wenn er von weitem ein Meitschi sah, ein Schaubhütchen auftauchte hinter einem Zaun hervor, so schlug ihm das Herz wie ein Hammer, und er mochte nicht warten, bis er wußte, ob das sein Meyeli sei oder nicht. Die Häuser von Raxigen hoben ihre braunen Dächer über die grünen Bäume und die mit Misthaufen befäeten Aecker; schon sah man Storchennester auf den bemoosten Dächern, und unter welchem war wohl Meyeli? Er wußte es nicht. Niemand hatte gefragt;daß man so dumm sein könne, begriff er nicht. Als die Mähre sie über das Brücklein zog, gleichsam durch's umgekehrte Thor, da war es ihm fast als gings in eine Kirche, und andächtig sah er nach diesem Hause und jenem Hause, sah in alle Gärten, sah nach allen Brunnen. Es war heiß, es dünkte die Mähre, am Schatten wäre es gut, und mit Macht steuerte sie einem Hause mit breitem Dache zu, wo viel Schatten war und im Schopf ein kühler Brunnen lief. Jakobli merkte es nicht, bis Anne Bäbi rief: „Herr Jemer,Herr Jemer, wo faährst?“ Da fuhr er z'weg, riß am Leitseil als ob es ein Ankertau wäre, und die Mähre that wüst, ging bald tromsigs, bald hinter sich, und Anne Bäbi brüllte wie am Spieß: „heyt, heyt!“ und trotz dem Brüll gings einer Mistgülle zu, und Anne Bäbi meinte, es gehe ihm wie dem Pharao im rothen Meer, und brüllte grad use. Da sprang Jakobli ab,V hott und brachte sie auf graden Weg; aber er selbst mußte durch die Mistgülle, seine weißen Strümpfe wurden braun, und an allen Häusern gingen alle Läufterchen (Schiebfenster) auf, ünd aus jedem fuhr ein Kopf, und hinter jedem Kopf war noch einer, und aus den Stalien schossen Leute, und unter den Bäumen hervor kamen sie von wegen dem Brüll, und manch Spott und Hohnwort drang unter den Häusern hervor, und Mähre, Anne Bäbi, Wägel und Jakobli erhielten ein jedes seinen Theil, daß keines dem andern etwas vorzuhalten hatte.

Jakobli schämte sich unbeschreiblich, verlor ganz den Kopf, fuhr fast kreuz und quer von einem Hause zum andern, und je stürmer Jakobli war, desto dümmer chat die Mähre, und lange gings, ehe er zum Dörfchen hinaus war, und keinen Menschen sah er mehr an, und unter jedem Dache meinte er Meyelis Stimme zu hören, spottend und lachend. Die Mähre am Zügel ziehend, zwei Schritte voraus, zog er sturm die Straße enilang, bis die Mutter rief ob er nicht aufhocken wolle. Kaum saß er aber oben, so ging über ihn ein Wetter los, wie er noch nie eins erlebt. Und wie es oft geschieht, daß Wetter, wenn man meint,sie seien vorbei, wiederkehren mit neuer Gewalt, und ärger sind als zuvor, so ging es auch mit Anne Bäbis Wetter, das aüemal mit erfrischter Kraft losbrach, so oft seine Blicke auf Jakoblis schwarzbraune Strümpfe fielen. Schon stand Kriegstettens weithin gesehener Thurm vor ihren Augen, als Jakobli sich auch aufraffte und sagte, des Brülls v'rmöge er sich nichts;er hätte nicht brüllet und d'rmit d'Mähre erschreckt;aber er wett, er wäre daheim, da wäre ihm bas.„Brüll, Brüll, sagte Anne Bäbi, was kann ich dafür? es ist ja d'r allgemein Bruch z'brülle, wenn me ersuffe will. Aber so kannst du nicht bleiben, es hätten ja all Leute ein Abschüchen ab dir, und würden meinen, du vermöchtest nicht einmal an einem Sonntage weiße Strümpfe.“ „Meinten sie meinethalb,“sagte Jakobli ergebungsvoll. „O nein, sagte Anne Bäbi,so ganz gleich ist das nicht, mi weiß nit, wie selligs eim vor sym Glück sy cha.“ „Was frage ich dem Glück nach,“ sagte Jakobli. „Du bist e dumme Bub,antwortete Anne Bäbi. Aber grad i zBad mußt du, unter der Zeit kann ich dir die Kleider putzen und d Strümpf wäsche. Ih hätt nit glaubt, wo du zweijährig g'sy bist, daß ich dir das noch thun müsse wennd' bald zwänzig bist.“ „Aber Mutter, ih ha nit brüllet.“ „Heyg brüllet wer well, su sys doch dyni Kleider, wo ni wäsche muß, und wo stinke wie d'r Tüfel, sagte Anne Bäbi. Aber lueg, dert sy m'r scho; wer hocket dert vor em Hus? Häb umme, häb umme, fahr dort zur Scheuer; hott Brun, hott!“schrie Anne Bäbi. Es war ihm Himmelangst, noch viel mehr als zu Raxigen, denn dort vor dem Hause saßen zwei hoffährtige Weibervölker, und wenn es sich nicht gröblich irrte, so war es die Zyberli Herrschaft,Mutter und Tochter. Vor die sollte es nun in solchem Aufzug, Jakobli mit Füßen wie eine Krähe. Es musterte ihn der Mähre nach in den Stall, dann hintenaus,weit hinterm Haus herum, bis es die Badmagd fand,und den Jakobli in ein Kaämmerlein verstoßen konnte.Es hatte etwas gemein mit dem Vogel Strauß, der meinte, wenn er seinen Kopf unter die Federn nehme,so sehe ihn Niemand.

So bald möͤglich bettete es den Jakobli in ein heißes Bad, nahm Hosen, Strümpfe und Schuhe und machte sich damit zum Brunnen. Die Badjungfrau bot ihre Dienste an, aber Anne Bäbi sagte, es mache solches lieber selbst; es war ihm halt ums Trinkgeld. Anne Bäbi war noch kein ausgemachter Diplomat und wußte nicht, daß ein verschmähter Freund zum Feinde wird.Die Badjumpfere hatte nun nichts Angelegentlicheres zu thun, als vor dem Hause zu erzählen, es sei hinter dem Hause ein altes Anne Bäbi, das seinem Jungen Hosen und Strümpfe wasche, welche gar pestialisch staäͤnken. Der Bube müsse unter der Zeit im Bade schwitzen, und werde zum Vorschein kommen wie ein gesottener Krebs. „Ists nit e Halbbling und e Blatlerdüpflete?“ frug die Zyberli Tochter. „Grad so eine ists, und so e wenig e Lädi hets mi duecht, antwortete die Jumpfere; kennet ihr die Leut?“ „Es sind von weitem Vetterleut, antwortete die Bäͤurin, b'sungerbar Lüt, aber grusam rych, no so uf die alti Mode.“Die Jumpfere fürchtete zu viel gesagt zu haben, sagte:„Es hat mi duecht, d'r Jung het b'sungerbar e schöni Sackuhr,“ und verschwand. „Wey m'r luege, was dä alt Kratte macht hinger em Hus?“ fragte die Mutter.

„Es ist m'r glych, sagte die Tochter, die laht de d'Milch öppe bas nache.“

„Muß das no Sundi und Werchtig sy?“ frug plötzlich eine Stimme, von welcher der halbe Theu aus der Nase kam, das eifrig waschende Anne Bäbi.Das sah erschrocken auf und ließ die Hosen in den Brunnen fahren; denn hinter sich sah es eine stattliche Bäurin stehn, und bei ihr ein Meitschi, groß, vierschrötig, mit Backen wie ein alter Dragonermantel,einem Fürgstütz wie ein Säuschürli, und Armen wie eine Bünteliwurst, währschafte Fuüße wie Schleiftröge zu einem breitschienen Wagen, reich mit Silber beschlagen wie eine Sonntagstubakpfeife, mit einem schönen Oberländer Kittel behangen, und vor dran ein halbseidenes Fürtuch, von dem man nicht recht wußte,war es grün oder gelb kurz es war ein Prachtstück von einem Meitschi. Wenn ich ein Wirth waäre und mein Tanzsaal wäre nicht auf der soliden Erde, sondern bas oben vielleicht gar unterm Dach, so ließ ich eine solche gar nicht hinein, und hätte eine Waage unter der Thüre, und wenn eine mehr als 175 Pfd.wiegen würde, so müßte die ihre Lust anderswo suchen,oder ich sendete einen Gyger apparti für die auf die Straße, wenn die nämlich heblich wäre, was sie bekanntlich heut zu Tage nicht immer sind. Anne Bäbi wußte dem Meitschi wohl an wer es war, und brachte vor Klupf das Maul nicht zu, bis das Mädchen sagte,seliger Arbeit frage es nichts nach. „He, wenn du dein Lebtag nichts wüsters machen mußt als dieß, so wärest du es G'felligs, sagte Anne Bäbi. Das ist de notti nüt angers. Wir haben gar ein wildes Roß,e Utüfel, und da oben im letzten Dorf ift das erschücht und im Dörfli ume ketzeret, ih ha glaubt, es blyb kes Rad ganz. Aber my Bub hets g'ha wie Tüͤfel,und wo alles Ha nüt g'hulfe het, ist er abg'sprunge,hets bim Gring g'no; es ist mit ihm dur e Mistgülle,aber er hats nit la gah, bis ers uf d'r Straß g'ha und g'stellt g'ha hett, daß es überall geschlatteret hät.“„Du wirst doch von Gutmüthigen kommen?“ frug die Bäurin. „He, wo wollte ich' sonst her sein?“ antwortete Anne Bäbi. „He nu so de,“ antwortete die Zyberli Büri. Es sei plötzlich fertig mit Wäschen, antwortete Anne Bäͤbi, und dann wolle es das Zeug noch an die Sonne haängen; sie sollten nur afe gehn und öppe e Halbi b'schicke, aber öppe e wenig nebe us, so unter allen Leuten begehre es nicht zu sein. Innerlich war es recht froh daß es die Voröffnungen machen konnte, während Jakobli, der von Allem nichts wußte,im Bade war. Es hatte zwar keinen Gedanken, daß er nicht mit beiden Häͤnden zugreifen werde; denn so ne v'rflucht e Bravi sei in ihrem ganzen Dorfe nicht,sagte es, aber es handelte gerne für sich selbst und that andere gerne überraschen. „He ja so de,“ sagte es, als es endlich ins apparti Stübli kam, „so wären wir jetzt einmal bei einander und koönnten über die Sache reden.“ Rede könne man allweg, sagte die Bäurin, aber ob es aus der Sache etwas gebe, sei noch nicht gesagt, ihre Tochter sei ihnen nicht fürig,und dann frage es sich noch immer, ob das Meitschi wolle, und was der Vetter Rathsherr dazu sage; dem sei es neue o nimme graglych, in was für Verwandtschaft man öppe käme. Ho ihrer hätte sich Niemand zu verschämen, und wenn sie auch keinen Vetter Rathsherr hätten, so hätten sie auch keinen Vetter Hudilumper und keine Base Schwebelhoölzlere, und was sie hätten sei ihres, sie brauchten damit keinen Anhang zu erhalten, und wenn es öppe Gottswille sei, so könnte es ihr Söhniswyb so gut haben als von den Vornehmsten eine. Sie seien Niemand was schuldig, und was sie fuür haätten wisse auch Niemand, und es wäre vielleicht noch mancher Rathsherr froh, er hätte etwas mehr von dem wo sie hätten, und öppis minger Schulde. Das könne wohl so sein, sagte die Tochter, aber was sie mit einem Manne machen solle, wo nüt sei, und no sellig e wuste, wo me si schäme müsse mit ihm XKüche z'ga, verschwyge z'Märit, und wo me o hell key Freud mit ihm ha chön. Man solle auch an ihns denken, es müsse dabei sein, und kein Mensch wisse

88 wie lange. Oeppe d'r Chechst scheine er aber nicht;gerade solche seien manchmal die Zächsten, und wenn nit, so öppe mit leere Hänge möchte es nicht davon,und seine beste Zeit vergebens zugebracht haben mit einem Sellige. Wenn es sein müsse, so wolle es doch auch wissen warum. „Oeppe bös sollte es dir nicht gehen,“ sagte Anne Bäbi. „Es ist möglich, aber darauf mag ich es nicht ankommen lassen; ich möchte z'erst wissen, woran ich wäre. Es ist nicht, daß ich den nehmen müßte, wenn ich einen haben will. B'hütis,wenn es mir nicht um Vater und Mutter wäär, ein Dutzend macht es nicht, welche mich schon gewollt,und de nit öppe so Taunergumper oder Pintekünge,vo de vornehmste und schönste Bursche sys gsi, wo me se nit gnue het chöne aluege. Aber ih ha denkt, ih well my Lyb nit vorgebe ha, und mi syg umme einist ledig, und wie mes mach, su heyg mes. Ih bi de öppe nit das, für das me mi aluegt, ih weiß öppe was ih mache, und e so für nuüt und wieder nüt nimme ih e keine.“ „Und das wär auch nicht unser Wille,sagte Anne Bäbi, es muß es eine haben so gut als wir selbst; aber öppe d'r Loöffel us d'r Hang gäh, eh wir selber g'essen hey, das schickt si neue nüt.“

Von dem sei nicht die Rede, sagte das Meitschiaber wenn der, wo sein Mann geben sollte, sterben würde, ehe er geerbt, und sie hätten keine Kinder, so könnte es mit leeren Händen gehen, und es fragte ihm e Tüfel Niemand nichts mehr nach. Und wenn sie Kinder hätten, und der Mann stürbe vor den Eltern,so könnten die Kinder erben und es könnte wieder mit einem blutten laufen und luegen, wie es wieder zu einem Mann käme. So begehre es nicht zu mannen,jetzt sei es ledig, jetzt müͤsse es luegen.

So stellte das Meitschi z'Boden, daß Anne Bäbi großen Respekt kriegte und bei sich selbst dachte, so eine hätte es nicht bald gesehen, und wenn Jakobli der Welt. Es trat ein und versprach, es müsse da etwas geschrieben sein, es wolle mit seinem Hansli reden, und sie wollten zusammen zu einem Schreiber,der könnte ihnen die Sache machen, daß sie öppe g'förmt sei. Ja, aber öppis möchte es noch wissen,sagte das Meitschi, ob sie einen Stock hätten. „Nein,sagte Anne Bäbi, öppe e rechte Stock nit, aber es Dfehus, mi cha n' ihm aber o Stock säge, we me will.“Ja, da sei dann der ganze Tschup schon aus, sagte das Meitschi. Es woue appart in einem Hause wohnen; von einer bösen Schwiegere begehre es sich nicht kujoniren zu lassen; fuür das sei es nicht auf die Welt gekommen, und alten Leuten frage es überhaupt nichts nach, es hätte die jungen lieber, man hätte nur Verdruß von ihnen, und wenn sie endlich stürben, so sollte man noch Schuld daran sein, und sie unter die Erde gebracht haben. Von dem wolle es nichts, es wolle,wenn es manne, seine Sache apparti haben, es wolle Meister sein.

So ein vorständig Mönsch sei ihm noch nicht bald vorgekommen, dachte Anne Bäbi; das hätte mehr als Recht, gerade so sei es ihm auch gewesen. Darum gar es wiederum guten Bescheid und sagte, der Stock olle nicht im Wege sein. Aufs Ofenhaus sei bald eine Wohnung gemacht, oder wenn's sein müsse, so könne man auch eine neue Aufrichti machen; Hausplatz brauchten sie keinen zu kaufen, und das Geld d'rzu werde wohl v bppe ame ne Ort sy.

Endlich kam Jakobli herein, allerdings wie ein gesottener Krebs, und Anne Bäbi sah nach, ob seine Hosen trocken seien, schenkte ihm ein, sagte ihm: „Seh,mach G'sundheit, du wirst das Meitschi wohl no chenne,und das ist d'Mutter, si glychet d'r angere wohl, wo z'selbist bh n'im g'si ist.“ Jakobli that wie geheißen,aß und trank, und aufgestellt wurde, was das Zeug hielt, und die Weiber wurden z'gäggels und brichteten sich alle Lumpengeschichten, die sie in ihrem Gedächt-niß hatten, und das Meitschi fing Händel an mit Jakobli, frug, ob sie gleich gehen wouten, das Hochzeit anzugeben; es schickte sich gar wohl jetzt gleich, so daß Jakobli nicht wußte wohin sehen. Es erzählte, wie es den und diesen einer andern abgestochen, dann ihn zum Narren gehalten, als er geglaubt, es sei alles im besten Greis (Geleise). Es ser ihm noch keiner listig genug gewesen, es wolle hundert übers Kübli lüpfen ehe einer ihns. Es sei nichts dummes auf der Welt,als so ne Schnürfli vo Bub.

Endlich kam der Abend und die Sonne verschwand aus dem Stübli, und die Weiber fanden, es wääre Zeit heim. Und Anne Bäbi frug nach der Uerti, und Jakobli konnte sich nicht genug wundern, warum seine Mutter sagte, sie sollten doch ihns machen lassen, gab wie die andere sagte, sie hätte auch noch Geld für das, und sie sei nicht deßwegen hieher gekommen. Als bezahlt war, redete man von einem Tag, wo man in Burgdorf zusammen kommen könnte. Hansli müsse dann auch mitkommen, man könnte dann gleich Alles verschreiben lassen. Und die Bäurin langie ihm die Hand und sagte ihm, es solle einmal zu ihnen kommen und sehen wie sie es hätten. Zwar apparti fchöns werde es nichts sehen, aber sie seien zufrieden und koönnten dabei sein. Darauf langte ihm auch die Tochter die Hand und sagte: „Aber wenn du kömmst, so komm Tags. Es kennt dich Niemand bei uns, wenn du Nachts kämest, so weiß Niemand wie es dir gehen könnte. Es ist längs Stück nicht richtig um unser Haus, we me scho Niemere yche laht.“ Was das Alles bedeuten solle, begriff Jakobli nicht, und er saß bei der Mutter auf dem Wägeli, und nichts war ihm noch eingefallen, und doch war Jakobli nicht dumm,aber er dachte halt nicht an das, sondern an ganz andere Sachen.

Anne Bäbi saß auf dem holperigten Wägeli, wo ein altes dünnes g'hüsletes Hauptkissen als Linderungsmittel Prunk machte, wie im Himmel; die Mähre,welche Jakobli heimlich mit einem halben Immi Haber beglůckt hatte, war muthwillig wie ein junges Böclein,und hätte gerne hinten aufgeschlagen, wenn sie nur gewußt hätte wie machen, daß es eine Gattig hätte.Jakobli aber schlug das Herz so wunderbar; es war 139 ihm, als nahe er sich einem großen großen dunkeln Umhang, und hinter dem Umhang sei die Seligkeit; aber wenn er an den Umhang kam, kam dann wohl aus dem Dunkel eine Hand, zog den Umhang weg und ließ Jakobli ein in die Seligkeit? Der Umhang war aber nicht die goldene Abendröthe, der Wiederschein der Freude im Himmel, als die Sonne wieder kam und dem Vater erzählte, was sie von seinen Kindern gesehen. Es war der dunkle Punkt vor ihm, ein Knäuel, geballt aus grünen Bäumen und braunen Häusern, aus langen Zäunen und hohen Wänden, um den weiße Tauben flogen, auf dem lange Störche klapperten, und mitten drinn, der suße Kern in uchüstiger Schale, weilte das Meyeli mit den blauen Augen und den gelben Züpfen, mit den freundlichen Bücken in den blauen Augen, den hellen Schein im gelben Haar.Und wenn er in das dunkle Gehäuse fuhr, das näher und näher kam, that sich da der Umhang von einander, ward ihm sichtbar das liebliche Kind, das so freundlich gesagt hatte: „zuürn doch recht nut.“ Darum pochte Jakobli das Herz so sehr, daß er nicht horte was Anne Bäbi sagte; und je näher er kam, um so lauter klopfte ihm das Herz, und in allen Plätzen,Kabis, Klee, Bohnenplätzen, späͤhte sein Auge nach den seidenen Züpfen, die blinken konnten durch sieben Zäune hindurch. Von diesem Bangen und Klopfen merkte Anne Bäbi nicht das Mindeste; es dachte an nichts als, wie g'fällig es sei, daß es ein solches Söhnisweib bekäme, so nes tolls und kuraschirts, und wie man es jetzt machen müsse, daß es nicht fehlen könne.Je nachdem seine Gedanken heftig wurden, sprach es sie laut aus, nahmen sie an Lebhaftigkeit ab, so gab es keine Töone. Daher sprach es bald vom Notari,bald vom Stock, bald vom neuen Bettzeug, und bald von Zyberli Bure Tochter, vom Murer Vreni und vom Hochzeit angeben, daß der Gugger klug geworden ware aus seinen Reden. CEbenso wenig, wie es auf seine eigenen Reden merkte, achtete es sich Jakoblis Antworten, unterhielt sich dessen ungeachtet prächtig, und 140 merkte sogar nicht, wie Jakobli oder vielmehr die Maähre Raxigen zusprengte, daß fry der jaäͤhrige und vorjährige,und wer weiß wie vieljähriger Koth ringsum an den Rädern aufzubegehren, in der Luft herum zu fahren anfing, fast als ob er der Kranz der Sternschnuppen wäre, der um die Sonne geht, und Feuer speit, wenn die Erde in seine Nähe kömmt, daß es ein grausig Luegen war.

Jakobli ließ das Ding z'schaäͤderen, hatte genug zu thun links zu sehen in die Kabis, rechts in die Bohnenplätze; aber wie er auch sah, nirgends glitzerten gelbe Züpfen, nirgends funkelten die blauen Augen.Kabiskoöpfe, Bohnenstecken sah er zur Genüge, aber die glichen seinem Meyeli so wenig als ein Raxiger Bauer einem Engel. Die Zäune kamen, die Wände kamen, die Störche klapperten verwundert die Mähre an, und die Raxer Bauern tubacketen hinter ihren Misthaufen hervor; Mägde gingen zum Brunnen, Bäurinnen rüsteten Salat vor den Thüren, die Mistgüllen glänzten in schalkhafter Ruhe, während die Hunde treulich ihr Amt verrichteten mit Bellen und Knurren;aber um das Alles kümmerten sich weder die Mähre noch Anne Bäbi. Wie eine Hex humpelte die Erstere durch alle diese Herrlichkeiten, sah nicht rechts, sah nicht links, fast als ob sie sich schäämte der Ungezogenheiten, welche sie sich diesen Morgen erlaubt. Jalobli 0 erscheinen. Hier ein Bauer, dort eine Bäurin, hier ein Hund, dort eine Magd, war Alles was er sah;aber was frug er diesen allen nach? Der letzte Hund hatte seine Pflicht gethan; der letzte Raxiger lag im Rücken; die Mahre war andächtig übers Brücklein gestiegen, schon wackelten so seltsam die Kommetscheiter,ein sicher Zeichen, daß nächstens die Mahre trottend weiter zotteln wollte, und Jakobli hatte kein Meyeli gesehen, keine gute Hand hatte das liebe Bild ihm hingestellt ins düstere Dorf. Das that ihm so recht weh ums Herz, es dünkte ihn, er möchte sterben, oder z'Krieg dingen, nur nicht heim, nicht heim ins alte Längizyti Hus, wo ein Tag wie den andern Mädi Mädi war und Anne Bäbi z'Anne Bäbi. Da stand plötzlich gerade vor der Mähre das schöne Meyeli;es war als käme es vom Himmel so plötzlich; eigentlich aber kam es aus dem Bohnenplätz, der neben der Straße war. Es kannte sie alsobald, seine Augen leuchteten vor Freude, gar herzlich klang sein „Guten Abend geb ech Gott,“ welches es ihnen entgegen sandte.„He, danke Gott, sagte Anne Bäbi, g'winnst Bohne,bist da daheim?“ „Dort in jenem Hausfe,“ sagte Meyeli, und zeigte mit dem braunen Finger nach einem langen schwarzen Dach, auf welchem drei junge Störche lange Hälse machten. „Adie wohl,“ nickte Anne Bäbi.„Läbit wohl,“ klang es ihnen nach, langsam, fast wie ein Wehelaut und doch nicht; und lange stand das Mädchen am Wege und sah ihnen nach, es wußte nicht warum, und als es endlich mit seinem Bohnenkoörbchen heim ging, that ihm der Kopf so weh, es wußte auch nicht warum. Jakobli that es nicht minder weh, und war ihm doch plötzlich so wohl geworden. Als das Meyeli vor ihm stund, so unerwartet und unverhofft, da war es ihm, als ginge der Himmel auf, seine Seele war auf einmal voll Licht und Freude,und versunken in diese Freude war sein ganzes Bewußtsein. Nur die Mähre nahm keine Notzz von der lieblichen Erscheinung, humpelte gleichgültig fort, dachte wahrscheinlich daran, was Sami sagen würde, wenn er wüßte, daß sie ein Halbimme Haber im Leibe häatte.So geschah es, daß Jakobli, als der Glanz der ersten Erscheinung vorüber war, er das Mädchen grüßen, die Mähre halten wollte, kein Mädchen mehr vor sich sah;weit, weit hinter ihnen stund es schon und sah ihnen nach, und ging mit seinen Bohnen heim und Jakobli hatte ihm nicht guten Abend gesagt, auch nicht ein Zeichen gethan, daß er es noch kenne.

Das war ein Wurm, der fraß ihm das holdselige Bild nicht, der war nicht von der gleichen Sorte wie der war, der des Jonas Kürbisstaude anfraß; aber während er vor seinem innern Auge das Mädchen immer holdseliger sah, mit Minelene so lieblich, er konnte nicht sagen wie, pickte der Wurm in seinem Herzen,akurat wie der Pendul einer Uhr, aber statt Tick Tack tönte es: „Kein Wort hast ihm gesagt, kein Zeichen gethan; was wird es meinen, was wird es sagen?“Dieser Wurm wollte nicht schweigen, er pickte immer lauter, und das Picken that ihm so weh, als ob es Meißelschläge in seine Seele wäͤren. „Was wird es denken, was wird es sagen,“ tönte es immer schmerzlicher. Sein halbes Leben, sein ganzes Gut, sein einzig Auge hätte er gegeben, wenn er eine Viertelstunde hätte zurücknehmen können, noch einmal Meyeli vor der Mähre gestanden waäͤre. Dann wollte er die Mähre halten, wollte Meyeli die Hand längen und sagen: „Guten Abend geb dir Gott, was lebst geng?wie geyts d'r geng?“ „Ho es geyt emel geng,“ hätte es gesagt, und ihn freundlich angesehen aus seinen lautern blauen Augen. Und wenn er das Gesichtchen, das es ihm dazu machen würde, vor seiner Seele behalten und schauen koönnte jeden Augenblick, was hatte er ein ander Auge noch nöthig? Aber nichts hatte er ihm gesagt, was wird das Meitschi denken, was wird es sagen? So wurde das Picken immer stärker, drang aus dem Herzen in den Kopf hinauf, daß es ihn dünkte, es wolle den Kopf ihm oben absprengen.Anne Bäͤbi merkte davon natürlich nichts; denn wenn man auch das noch sehen könnte, was hinter den Augen der Menschen vorgeht, wir bekämen sicherlich zu viel; ja die g'wunderigste Frau würde Gott bitten, er solle den Schieber wieder stoßen. Es redete fort und fort vom Stock und von Zyberli Bure Tochter; aber endlich dünkte es ihns doch, Jakobli sollte auch etwas dazu sagen, damit es ihn widerlegen könnte.Darum sagte es: „Was duecht de di, warum seyst nüt?“ Er haätte grusam Kopfweh, sagte Jakobli, wenn er daheim wäre, so duech ne, er möcht is Bett. „Das wird vom Wy sy, sagte Anne Babi, und doch ist dä nit bppe bos g'st, mir macht er b'sunderbar wohl; es duecht mi fast, ih möcht fluge. Aber du bist gar e Leyde und mast nüt erlyde, aber wenn du einmal g'wybet hest, so wird dir das schon bessern.“

Das Wort Wyoben setzte sich an in Jakoblis Herz, neben den Wurm, der darin pickte. Wie der urm seine Seele immer trüber machte, so machte das Wort Wyben Meyelis Bild immer schöner und strahlender. Wenn er das Meitschi bekäͤme zur Frau dünkte ihn, so wäre er im Himmel, und er wüßte nicht wie glücklich. Aber kein Wort hatte er ihm gesagt, nicht einmal ein Zeichen gethan. Dann wurde sein Kopfweh noch heftiger, und als sie endlich heimkamen, da wollte er nicht einmal Kaffee, welcher z'weg stand, sondern suchte gleich sein Beit, und als Mädi kam und ihm Thee anbot, und daß es ihm wachen wolle, sagte er, es solle ihn ruhig lassen, es könne schlafen. Das wollte Mädi fast g'mühen, es duechte ihns, wenn es Jakobli wachen wollte, so könnte der seinetwegen doch wohl das Schlafen sein lassen.

Wie das Weibervolk es erfahren muß, daß das Mannevolk es nicht fassen thut.Anne Bäbi dagegen war hellauf, und mochte nicht warten, bis es den Hansli hinter dem Umhang hatte,und ihm erzählen konnte, wie sie afe g'fellig seien, ein so hübsches und kuraschirtes Söhniswyb zu bekommen,die werde Mädi angers rangiren und den Jakobli aufklepfen, daß es fry keine Art hätte, im ganzen Dorf sei keine, welche ihr die Schuhriemen auflöse, und grusam vornehm sei sie, sie hätte einen Vetter, der sei schier dir Oeberst z'Bern, und daher sei das Mönsch gekommen, es hät eim duecht, es hange ein ganzer Krämerladen an ihm, so heyg es glitzeret und g'schinne.Jetzt müsse man aber auf der Stelle i d'Häng speue.Mörgen müsse man den Zimmermann holen lassen,um von wegen der B'husig auf dem Ofenhaus mit ihm zu reden, und die Näherin, es müßten Hemder gemacht sein für Jakobli und Bettzeug, und am Donstag müßte Hansli auf Burgdorf, um zu fragen, wo öppe e Schryber sei, der z'Sach mache könne, daß es es heyg, und doch notti nit e B'schyßne; es syg hüt zu Tag neue Niemere mehr recht z'traue, b'sungerbar de Schrybere. Es wolle mit ihm gehen, und gleich noch allerlei einkaufen, was es öppe mangle, sie müß de drpe Peb daß sie in ein Haus komme, wo nit öppe nüt sei.

„Aber preßirt das söpli?“ fragte endlich Hansli.„Du Göhl, warum wollte das nicht preßiren? Weißt nit, wie es an ein Aufweisen geht, wenn Zwey zusammenwollen, und wenn man ein auständiges Möntsch an der Hand hat, so muß man es den Teufel nicht wissen lassen, sondern abfahren mit ihm, sonst hats gefehlt.“ „Aber seid ihr denn sovli richtig?“ „Sövli richtig! Meinst, wenn wir nicht richtig wären, ih und Zyberli Büri, es wär mir so daran gelegen?“ „Was sagt der Bub dazu, ists ihm anständig?“ fragte Hansli.„E dummi Rede, was sagt der Bub dazu? Was wollte der dazu sagen, und was sollte ihm nicht anständig sein? Der kann beim Schieß froh sein, daß man so zu ihm luegt, und sövli für ihn thut. Nit e niederi Mutter würde einem Söhniswyb Platz machen und Sach us de Fingere gäh. Und de gah z'frage, was seyt dir Bub, ists ihm anständig? E selligs bravs Möönsch noch dazu; lueg, man könnte es am schwersten Güterwagen an der Deichsel brauchen.“

„G'fallts ihm?“ fragte Hansli. „G'fallts ihm! Gefallts ihm! Ih ha jetzt de afe bald gnue, du willst mich nur bös machen und ausspielen, wie sollte ihm eine nicht gefallen, wo ist wie ein angestrichenes Landfaß mit eme Gring z'oberist, oder fast wie es g'mahlets Fürsprützehüsli.“ „Was het er g'sit?“ fragte Hausli.„Was het er g'sit! was het er g'sit! Los jez schwyg mir, jez ha ni gnue, und wenn d' e Narr ha wiitsu häb de mynethalbe ysige. Was het er g'sit? Nüt het er g'sit, was hät er welle sages? Aber ag'lueget het ers, als wenn es e warme Misthufe wär, und er e Nebelkrähye.“ „Si werde o g'redt ha mit e nangere?“ fragte Hansli ganz leise. „O p'redt ha mit e nangere, was hätte si mit e nangere sölle rede? G'redt ha mit e nangere. Jezt wey m'r schwyge, jez ha ni gnue für hinecht (seute Nacht), gnue ha ni! Los ume,wennd' no einist so gege mir bist, su chast de für es angers Anne Bäbi aus, mich siehst du nicht wieder!“

Nachdem Anne Bäbi diese Kriegserklärung abgegeben hatte, drehte es sich gegen die Wand und ließ keinen Gux mehr aus, und Hausli ebenfalls nicht; so ward es stille im Stübchen, es schlich der Schlaf herbei und deckte das Ehepaar mit seinen weiten Flügeln.

Am folgenden Morgen b'schütteten Hansli und Jakobli mit einander, der erstere stieß das Bücki (Jauchefaß), der letztere trug den Gohn nach. Als sie draußen im Baumgarten waren, wo der frischgemähte Fleck erlabet werden sollte, stellte Hansli sein Bücki ab, nahms Pfeifchen hervor, und während er darin grübelte, fragte er Jakobli: „Was siest d'irzu?“ „Was meinst Aetti?“fragte Jakobli. „He, was du zu dem Mönsch sägest,wo gestern mit euch getrunken hat in Kriegstetten?“„Apparti nůt, Aetti,“ antwortete Jakobli. „Hets d'r g'falle?“ fragte Hansli. „Es ist es tolls,“ antwortete Jakobli. „He nu so de,“ sagte Hansli, nahm den Gohn und begann zu b'schütten, so schön er konnte,lang gestreckt einen Gohnwurf dicht am andern. Es duechte Jakobli, er möchte den Vater fragen, warum er nach dem Mönsch gefragt hätte, was das bedeuten solle. Aber ob dem Dentken daran, kamen ihm die gelben Züpfen wieder vor Augen; er mußte nur wieder denken, keys Wörtli g'seit, keys Zeiche than, und vergaß ob diesem des Vaters Fragen.

Anne Bäbi aber, das fuhr ganz herrisch im Hause herum, wie der Kaiser Napoleon zu seiner Zeit in Deutschland, ließ bedeutsame Worte fallen besonders gegen Mädi, z. B. es sei gut, daß bald öpper anger hier befehle, as könne afe nichts mehr befehlen, das recht sei; aber man werde noch manchmal an ihns

10 denken; es sei gut, daß z'Sach allbeeinisch schangschire;es gebe Leute, die es sonst nie erführen, wie gut sie es einmal gehabt hätten, und folchen geschehe volles Recht, wenn es ihnen einmal ung'sinnet Matthäi am tetzten läute.

Mädi war nicht der Art, sich lange stillschweigend mit verblümten Redensarten traktiren zu lassen; es fagte, Anne Bäbi solle es doch gerade heraus sagen,wenn es nicht mehr recht sei hier; es gehe noch heute,es sei nicht, daß es es hätte zwängen wollen, so lange hier zu bleiben; heißen bleiben haäͤtte man es manchmal,aber heißen gehen brauche man nur einmal. O Jere,es wüßte noch, wo sein, es seien hundert Pläzg für eine, wo man schon lange an ihns gesetzt habe, und wenn es nit e Göhl waär, so wüßt ke Hung, was es jetzt für e Herreköchi wär oder no öppis meh. Es hätte afe e Ton g'höre lüte, wenn es den no einist hörti, su wüß Niemere, was es es no chönti acho.

„He nu so de, sagte Anne Bäbi, so chöm di a was well; ih vorwungere mi nüt meh, mira chöm e alti Kuh z'gumpe a, oder e alte Narr z'Tanze.“ „He ja, sagie Mädi, es ist si hüt zu Tag gar nüt meh z'vrwungere; wo ke Dank meh ist, ist o ke Sege meh,und wo die alte Wyber alle Maärite nachfahre und so in alle Lumpe-Badlene umehocke, da cha me denke, wies e Ustrag näh muß, und was die für e Regelion hey.Da chunts eim wohl, wenn man selbst etwas z'beißen und z'brechen hat.“

„Beiß und brich du meinethalb was und wo du willst, fagte Anne Bäbi, aber wenn ich z'Märit will oder ins Bad, so geht es dich nichts an; ja wenn ich dich mitnehmen wollte, so wäre schon alles recht, und wenn es alle Tage z'Märit ginge. Aber wenn du vng nicht an allen Orten deine Nase hast, so ist es gleich.

„Ja das fehe ich, sagte Mädi. Wenns ums Lebe geyt, u ke Mönsch meh Vrstang het, de wohl, de sch my Nase gut gnue. Aber wenn de zebößte für isch, nees Nieders Laschi d'r Reste mache cha, de wohl, 147 de ist Mädi nüt meh, de müsse angeri z'uche. O ih merke wohl, was Trumpf sy soött, aber z'Sau isch no nit g'stoche.“ So sagte Mädi und schlug die Thüre hinter sich zu, daß die Fenster das Fieber kriegten und schnaderten wie die Schulkinder zu Kümligen, wo z'Schulmeisterin viel auf Holzsparen hat, und allweg d'Wärmi ihren Kindern besser gonnt als de Schulkindern.

„Was Tüßfel soll das sein? sagte Anne Bäbi, was hat das Mönsch? Weil es dem Bub ein paar Nächte abgewartet hat, meint das jetzt, es müsse sein Kingemeitschi sy sys Lebelang, und wenn er ausreite, so müsse es mit. Es ist afe nimme d'r by z'st, wie uverschant e niedere Tätsch wird.“ So redete Anne Bäbi, dachte nicht weiter, dachte überhaupt der Sache gar nicht nach, denn es hatte Wichtigeres im Rispi (auf dem Korn). Am Donstag sollte es nach Burgdorf sein,Hansli und Jakobli sollten mit; wenn man e rechte Schryber fing und wenn Zyberli Büri ung'fähr auch da wäre, so könnte man die Sache gleich abweg machen, sie wäre dann fertig, und mi chönt wieder a die angeri Sach hi, meinte Anne Bäbi. Jakobli wollte nicht gehen, der Weg ging nicht durch Raxigen, und dem Ausreiten mit der Mutter frug er nicht viel nach.Er sagte viel von Kopfweh, und er glaub, er möge xÿRyten nicht erleiden, und als die Mutter mit ihm laufen wollte, so glaubte er auch das Laufen nicht erleiden zu mögen, seit den Blattern häͤtte er plötzlich Blätzen ab.

Er sei der leidischt Hung, sagte die Mutter, das erleid ihr afe, es sei gut, wenn es bald angers chöm.Das dünkte Jakobli grusam, er meinte, er sei der Mutter erleidet, und sie wünschte, daß es eine Aenderung geben möchte mit ihm; und vermochte er sich dessen eiwas, daß er kraänklicht war?

Hansli wollte auch nicht mit. Er begehre nicht all Woche zʒMärit; des G'läufs mög er nüt. Anne Bäbi chöns ja mache, dafür brauch es nicht ihrer Zwei; es wüß, wie es es wolle, und was es mache sei ihm recht. G'werchet muß z'Sach sy, wenn man wollt z'Essen haben; der Winter komme und frage nicht, ob man g'werchet heyg oder z'8Zyt v'rlüffe (GBeit mit Laufen zůgebracht). So mußte Anne Bäbi alleine gehen,und es ging. Wer es gesehen hätte wandeln das Feld hinab, hätte ihm ansehen müͤssen, wie das gewaltige Bewußtsein in ihm throne, das Heil des Hauses in seiner Hand zu tragen, sammt der Macht, der Familie Geschick zu bestimmen auf Kind und Kindeskinder hinaus. Es ist kurios, wie oft man den Leuten es am Rücken ansieht, was sie im Herzen tragen, und je mehr man ihnen am Rücken ansieht, desto weniger sinnen sie, was hinter ihrem Rücken vorgeht.

Mädis Nafe wax nicht verstopft; schon lange hatte es Lunte gerochen; es merkte, daß etwas im Spiel war, aber was, das hatte es nicht erkunden können.Um Jakobli strich es immer, wie eine Katze um die Beine des Melkers, von dem sie Milchschaum möchte,und wollte auf seine Weise ihm erstlich die Würmer aus der Nase ziehen, und zweitens ihm Verstand machen. Aber wegen dem ersten richtete es nichts aus,denn da Jakobli nichts errathen hatte, so konnte er nichts verrathen, und wegen dem zweiten noch weniger;denn deutsch durfte Mädi nicht reden wegen der verfluxten Heirathsgeschichte, und auf das Verblümte verstund Jäkobli sich nicht. Und wenn man ein liebes Meitschi im Kopf hat, so kann so ein Mädi eim mit dem Holzschlägel winken, man merkt es nicht. Meine Feder ist zu schwach, die Freude auszudrücken, mit welcher Maädi Anne Bäbis Rücken sah, und dasselbe so selbstbewußt das Feld niederwandelte; sie brodelte und rumpelte in seinem Herzen noch viel ärger als bas niede eine Laxirig zu brodeln und zu rumpeln pflegt.Nun hatte es einen ganzen lieben langen Tag freies Feld bei Jakobli, und konnte ihn so recht von Herzenslust ausfrägeln über den Solothurner Märit und den vergangenen Sonntag, und was es da vernahm, konnte es zusämmenstellen mit emzelnen Worten, welche es hier und dort aufgeschnappt; denn Mädi hatte nicht nur keine verstopfle Nase, sondenn auch seine Ohren 449 waren im guten Stande und hielten sich nicht ungerne in der Nähe von Thüren auf. Hansli und Sami fuhren z'Acker, während Mädi daheim die Hausfrau vorstellte und thun konnte was ihm anständig war.

Jakobli saß vor dem Hause und reytete alten Hanf.Anne Bäbi hatte gesagt, es wäre anständig, wenn sie noch ein Waschseil haätten oder zwei; wenn das Zeug mehren sollte, so brachte man es nicht mehr auf die alten Seile. Bald setzte sich Mädi auf ein kleines Stühlchen neben ihn und schälte Aepfel zu einem Brei;VDvoll halbfaule Aepfel, daß man wohl sah, es hatte im Sinn, nicht so bald aufzustehen, sondern den Morgen da zu verbringen.

Mit diplomatischer Gewandtheit leitete alsobald Mädi die Rede auf den Solothurner Märit. Da es hier von dem unbefangenen Jakobli nichts herausquetjschen konnte, so sprang es auf den vergangenen Sonntag über. Hier kriegte es eine Fischeten.

Jakobli erzählte ohne Arg, daß sie in Kriegstetten die Zyberli Bäurin angetroffen hätten sammt ihrer Tochter; daß sie zusammen in einem Stübchen gegessen und getrunken, und die Mutter die Uerti bezahlt hätte.„So so, sagte Mädi, also die sollst du heirathen?“Heirathen! sagte Jakobli, warum nicht gar öppis dumm's e so, von heirathen hat kein Mensch etwas gesagt.“ „Du bist es guts Tröpfli, sagte Mädi, und es ist in d'Ewigkeit nicht recht, wie die Mutter mit dir umgeht; gerade die, e selligs Ofehus, sollst du heirathen, und gerade deretwegen ist die Alte heute wieder auf Burgdorf.“ „Das müßte ich doch auch wissen, sagte Jakobli. Glaub mir, von Heirathen hat kein Mensch mit mir gesprochen. Die Junge hat mich geheißen, sie einmal zu besuchen, aber selb kann ich mächen oder nicht machen, habe ich gedacht. Und weiters hat kein Mensch etwas gesagt, und allweg möchte ich die nicht; sie hat da geredet und gethan ganz ung'schämt, u fast wie wenn sie sturm wär.“7Du magst sagen was du willst, antwortete Mädi,ʒSach ist richtig, und desto schlechter ists vo d'r Alte,daß sie es dir so macht, wenn du nichts davon weißt;aber bricht mi nit, du willst es nur nicht sagen.“ „Wäger nit, antwortete Jakobli. Vom Heirathen hat d'Mutter scho lang oppe g'stürmt, aber z'grechtem nie d'rvo gredt, und von wegen einer apparti hat mir Niemere kes Wort g'seit, und die mag ich wäger nit, lieber wollte ich sterben,“ sagte Jakobli, und hatte die Augen völl Wasser.

„Du hast recht, sagte Maädi, e Selligi!“ „Hest vo re g'hoört? chenst se?“ fragte Jakobli. „Jo wäger,sagte Mädi, wer wett die nit chenne; vo Zyberlihogers Tochter redt me öppe, mi ma cho wo me will, z'Lang uf z'Lang ab.“ „Was seyt me?“ fragte Jakobli. „Was seyt me! Was wett me säge! Daß das d'r wüstisch Uflath syg, wo uf ene Tanzbode chöm und zBern über Brüg gang. Was weit me vo e re Sellige säge, wo afe drü Unehliche hät sölle ha, wenn es z'grechtem gange wär; dem keSchryber z'nütgrechts isch und ke Schwarzwäalder z'ungrathe.“ Nun begann Mädi, welches von Zyberlibauren Tochter kaum je mehr als den Namen gehört hatte, eine Lebensgeschichte derselben zu erzählen, vor welcher jedem ehrlichen Menschen die Haare zu Berge gestanden, und jeglicher, dem die Wahl gelassen worden, zehnmal lieber Schinderhannes gewesen wäre als Zyberli Bure Tochter. Kurz, Mädi bewährte sich als eine eigentliche Künstlerin, und machte eine Geschichte, daß es ihns selbst und Jakobli zu schlottern begann am heiter hellen Tage und im warmen Sonnenschein. „Hör doch, sagte endlich Jakobli,es wird hüt zu Tag gar viel g'loge, we me z'halbe glaubt, es ist geng no z'viel.“ Er könne es machen wie er wolle, sagte Mädi, aber es lüge nicht, und was es gesagt habe, habe es mengs hundertmal g'hört.Wenn aber d'Lüt so schlecht seien und solche Sachen ersinneten, so vermöge es sich dessen nicht. Es solle ihm Niemand nachreden, daß es sein Lebtag ein einzig Wörtlein gelogen; es wollte sich schämen; es hätte an der Wahrheit immer mehr als genug gehabt. „Und 134 wenn es selligs Mönsch mast, su nimms mira, ih will kes Wort g'seit ha. Aber lue de, wies d'r geyt.“B'hütis, sagte Jakobli, er wisse wohl, daß es kein Lugimönsch sei, und d'Lüt lay sy, wie si syge. Es solle nur nicht Kummer haben, e Selligi moöͤcht er nicht, und wenn nur der zehnte Theil wahr wäre, und wenn sie noch so schͤn war und Geld hätte wie Heu.AVV lang ledig blybe als eine nehme, die dere nur vo wytem glychti (ähnlich wäre). „Su sinnest doch de dra ywybe ? fragte Mädi, und mißhandelte seine halbfaulen Aepfel, daß es eine schreckliche Sache war, Jakobli wurde roth im Gesicht, und Meyeli tanzte so lustig in seinem alten Hanf herum, daß er langeenicht antworden konnte. „O ich merke schon, sagte Mädi, was Trumpf isch, du hältst mich nur zum Narrn; du wirst ein Göhl sein wie die andern, und die vorfluchti Buregränne welle ids Hus bringe. Aber ke Stung blybe h mit ere sellige unger eim Dach, zell druf; du chast de luege wies d'r geht, du arme Hung was de bisch.“„E, aber Mädi thue doch nit so wüst, sagte Jakobli,bas isch ke Red d'rvo, daß ih das Zyberli Meitschi hürathe well, selb nit. Aber wegem Hürathe ha ni nit grad g'wüßt, was ih d'r säge will; das isch so ne Sach wie si isch; mi cha glücklich sy d'r by, und diese Weg; es chunt geng druf a, ob me g'fellig ist, und ih säge nit, daß ih zwüstest alles mache wett, wenn dSach öppe d'r gege g'sächt. Aber preßire thuts nüt,das ist no allweg früh gnue.“ „Du hast recht Jakobli, sagte Mädi, du bist gen gar e Witzige gisi, gäb was d'Lüt g'iseit hey. Ja, wennd so nes bravs werchbars Monsch fingst, das Sorg zu d'r het, wenns de scho nit es rychs isch, oder so ne junge Gaäugel, su nimms mit beede Hänge, u lieber hüt als morn. Das ist zbest, wo d'mache chast, aber nit e selige Surchrutkübel, so nes Buretrüch, wo numme Hochmuth het und ke Tuget.“ „Ih weiß apparti kes, sagte Jaiobli, und wie g'seit, es preßirt m'r nüt.“ „Was,du weißt kes Meitschi, das d'r g'fiel, es werchbars 1B12 Möonsch? Jakobli, Jakobli, du Schalk, häb nit Flause.Du bruchst di ja nüt z'schüche, mir si ja eleyni, es g'hörts Niemere,“ sagte Mädi. Jakobli ward wieder blutroth; in solchen Anmuthungen war er noch nicht erhärtei. „He, wen wett i wüsse?“ sagte er endlich.„Du tusigs Bueb, sagte Mädi, ja wolle, Niemere wüsse; du wottsch ume nit säge. Aber du hast dich ja nüt z'schüche; b'sinn di recht; so recht es freins, werchbars Mönsch, und no nit wyt da danne; chunt d'r kes z'Sinn?“ So fragte Mädi schalkhaft und guggete mit süßen Aeugelein an ihm herauf. „Nein, wäger nit, sagte Jakobli, ih weiß vo kem sellige.“ „He nu so de, sagte Mädi, meinetwegen, wenn d' nit witt so laß hocke;“ stand auf, nahm seine Körbchen unter den Arm, schoß in die Küche und brummte halb laut: „Ih has doch daicht, es gang m'r so, aber es isch si nüt z'vyrwungere; e Halbbling g'seht umme ebe halb, und isch im Ganze umme so ne halbe Monsch.“ Taub war Mädi erstlich, daß Jakobli nicht an ihns dachte,aber hauptsächlich deßwegen, daß Jakobli ihm die Sache verläugnen wollte mit der Zyberli Tochter, und daß es Anne Bäbi nach seinem Gring gehen sollte. Es nähms doch beim Schinder Wunder, ob es denn dem Alles gehen sollte wie es wollte, und ob man da nicht auf einen Weg zwischen ein kommen könnte. Wenn es noch 20 Jahre jünger wäre, dachte es, so machte es ihm keinen Kummer; aber jetzt, und noch dazu bei einem Halbbling, hät z'Sach e Nase. Und wenn es ihn zuletzt schon nicht bekomme, wenn nur dä alt Sturm es auch nicht zwängen könnte, so sei es ihm zuletzt gleich. Wüst mache man es ihm allweg, das sei wahr, aber das mache nichts, wenn ein gerechter Gott im Himmel sei, so werde der es ihnen schon eintreiben, sie sollen nur Gedult haben. So lief das Gedankenräderwerk in Mädis engem Kopf, und daß dabei der Apfelbrei und die Erdäpfelschnitze nicht am besten fuhren, kann man sich denken. An die Erdääpfelbitzli that es nichts als Wasser. Den Brei bräntete es, und in der Suppe war auch kein Brösmeli Salz.Sami stellte seinen Brei der Katze dar, die grännete darob gar jämmerlich, und fing an zu rauen, als ob ihr Jeinand auf den Schwanz getreten wäre. Hansli räusperte sich und sagte, es mache ihm so arig im Hals, wenn er Wasser hät, er trunk. Jakobli sagte,er möge neue nit recht, er sei apparti nicht hungrig.Mädi machte dazu immer zornigere Augen und sagte endlich, wenn sie es nicht wollten, wie es sich g'wohnet hätte, so könnten sie seinethalb ein andermal selbst kochen, oder auch Marit g'heye (gehen). Es sehe wohl, es könne es afe Niemand breyche (treffen).Mach ume, daß es d'Katz es angermal mah, mir moge dann auch,“ sagte Sami. Da wäre es lustig gegangen, wenn Hansli nicht gesagt hätte, er hülfe schweigen, wüst sagen trage nichts ab, und z'Esse werd d'rmit nit angers.

Selb Nachmittag war es nicht gut in Mädis Nähe zu sein. Jakobli begehrte daher nicht Hanf zu reyten,fondern ging mit dem Vater auf das Feld. Das machte nun Mädi noch böser; es fuhr ums Haus wie rin Wespi, und da es an keinen Hausgenossen sein Gift absetzen konnte, so mußten es Bettler, Tauben und Hühner entgelten, die ihm in Wurf kamen. Gegen AÄbeud kam Anne Bäbi das Feld auf, ganz stolz wie ein Feldherr nach gewonnener Schlacht; es trat so g'satzlich ab und wiegelte den Rücken so majestätisch wie eine Frau, die in guter Hoffnung geht, Frau Rathsherrin zu werden.

Mädi sah seine Frau Meisterin von weitem. „Potz schieß, dachte es, die hat den Gring hoch obe; aber es müßt d'r Tüfel thue, su mache ih ne dere ache (abe), wart die ume.“

Anne Bäbi kam herein, wünschte trocken guten Abend,aber Mädi antworteie nicht trocken, sondern mit Schimpfen und Aufbegehren, daß es des G'läufs bald genug hätte, und wenn Anne Bäbi immer auf der Straße fein wolle, so könne es Jemand anders anstellen um zu kochen, es könne es Niemand mehr breyche. Jetzt önne es seinethalben selbsten feuren, es wüßte nicht,was machen, daß es recht wäre, und wenn es nicht heimgekommen, so hätten sie seinethalben ungeessen ins Bett gekonnt.

Anne Bäbi war nicht das, welches nicht Alles glaubte, wenn man über das Mannevolk schimpfte;es sagte oft, es seien alles wüst Hüng; Hansli wär von den bessern, aber öppe e große Unierscheid sei nicht. Darum half es Mädi noch und sagte, es sei afe nit meh d'r by z'st, und we me ume d'r Rücke cher, su syg d'r Tüfel los, und Sami wüß afe nit meh wie er thue well, aber dä soöͤll ume warte, es werde ihm bald e Angere pfyffe. Selb ist no d'Frag,dachte Mädi, that aber nichts d'r Glyche, sondern feuerte auf Anne Bäbis Befehl, welches das Kuttli abzog, ein ander Fürtuch umlegte und ein Kaffee z'weg machte, über das sich Niemand klagte.

Nun erwartete Anne Bäbi, Hansli werde g'wunderig sein über den Erfolg seiner Verrichtung, werde ihm nachtrappen und in einer sichern Ecke zu fragen anfangen aber o hä. Hansli frug nach dem Nachtessen, ob nichts zu rüsten sei, stopfite nach dem Rüsten sein Pfeifchen, trappete draußen dem Sami nach, werweisete mit ihm allerlei auf dem Banklein vor dem Stall, achtete sich Anne Bäbis durchaus nicht, wenn es vorüberschoß wie ein gejagter Hirsch oder ein bruünstiger Schnepf und seine Trümpfe fallen ließ wie ein Schnepf sonst Etwas. So werweiseten die Beiden ganz behaglich, bis es Zehne schlug, über Kleb und Bloösch, über roth und dlaues Korn, über Mist und Knochenmehl, dachten von Ferne nicht an Anne Bäbis und Mädis Seelen und was in denselben vorging, wie es da wogte und stürmte; kurz sie waren wüst Hüng ien kein Gefühl für die Regungen weiblicher eelen.

Aber Hansli, der arme, erfuhr es, als er endlich hinein kam, das Pfeifchen auf das Buffert legte, und sachte ans Schlafen gehen wollte. Anne Bubi war schon im Bette, gab sich alle Mühe, sich schlafend zu stellen, selbst zu schnarchen, im Glauben, Hausli werde doch wissen wollen, was es ausgerichtet, werde fragen,werde es vielleicht mit dem Elbbogen stüpfen. Potz Kreuz, wie wollte es im letztern Fall (im erstern wollte es nämlich gar nicht erwachen) auffahren, ihm alle Schande, aber kein Wort von der ganzen Sache sagen bis am Morgen; dä muß es einist wüsse, dachte es.Aber Hansli that ganz sachte, legte sich mit einem sanften Berz (Schnaufen) zum Schlafen z'weg, und fragte auch nicht ein einzig Wörtchen. Und jetzt sollte Anne Bäbi seinen Zorn in der Stille verwerchen, sollte warten mit demselben im Leibe bis am Morgen, oder gar riskiren ihn zu verschlafen. O nein, dazu war Anne Bäbi nicht auf der Welt.

Es wußte nicht recht, wollte es zu heulen anfangen über die Ungerechtigkeit der Welt, und wie es Alles machen müßte und keinen Dank davon habe,oder wollte es sich drehen, im Drehen mit dem Ellbogen Hanslite Ketzer versetzen, darob erwachen und dann anfangen: „bist endlich da, du ewige Stopfli, du Sürfli, aber wart du ume, gäb ih meh e Tritt für di thue, will ich lieber hingerzi z'Chilche, wie albez d'Hexe.“ Anne Baäͤbi entschied sich für die letztere Manier, und fuhr, gedacht gethan, herum wie auf dem Reibebett der Reibistein, und traf Hansli so gut, daß der zusammenfuhr und frug: „Sacker! was hest?“„Herr Jemer, was geyst mi ga wecke, antwortete Anne Bäbi, chast mi nit ruhyig lah, wo ni doch d'r ganz Tag für Alli ha müsse laufe, u ke Mönsch seyt m'r Dankeygist,.“ „Wohl fryli, sagte Hansli, ih ha mi ja still.“

„Ja still hest du di, u last m'r die ganzi Sache uf em Buckel, und wo ni hey chume, bietet mir nit e Mönsch es Chacheli Kaffee ah; ja wenn ih sterbe wett, es längti m'r Niemere es Tröpfli Wasser,“ sagte Anne Bäbi. „Ih bi ja uf em Feld g'st, u wo ni hey cho bi, bist d'r hinger g'hocket, wie ha ni welle abiete?“ antwortete Hansli. „Ebe das ist z'wüstist a DDD hey? Und de nit e mal d'r Glyche 'thue, d'Sach gang diö ppis ah, o nit mit eme Wörtli?“ „He, sagte Hansli, dara ha ni nüt g'sinnet; du seyst m'r z'Sach albez ung'fragt.“ „So, ungyfragt säge ih d'r z'Sach,ung'fragt? So, es angers Mal chast frage u de luege,ob de se de v'rnähmist. U so bigegnet me mir, wo für Alles sorge muß, u hüt d'r ganz Tag si fast Bey het müsse ablaufe, und key Mönsch m'r z'Ryte anerbote het, und z'letzt nit e mal es Tröpfli Kaffee. Und wo ni nit g'si wär, su häts z'letscht us d'r ganze Sache nüt gä.“ „So,“ sagte Hansli. „Ja, so, säg ume so, so maängist de witt, nüt gäh häts us d'r Sach,wo du u Jakobli so dra hange, wenn Anne Bäbi nit g'si wär! Ih ha z'Sach ids Reine bracht nnd zwängt,daß me d'Schrift macht, es wirds jetzt wohl ha.“ „So hest e G'schrift,“ fragte Hansli. „Ja ne G'schrift ha ni, und e wettigi? si hey si lang g'wehrt, aber es het alles nüt g'hulfe, si hey müse. Wo ni, begann Anne Bäbi zu erzählen, wo ni zum Rösli gekommen bin,da sind sie schon da gewesen, d'Büri und d'Tochter,und aßen da und tranken, wie wenn es schon Mittag wäre, und haben sich meiner fast gar nicht geachtet.Endlich frugen sie mich, ob ich alleine wäre. Ja,sagte ich. Da sahen sie einander an und sagten, es werde nichts sein mit der Sache, sie wollten gehen ihre Sache zu verrichten. Das wäre g'späßig, sagte ich,grade jetzt wollten wir zu einem Schreiber, der Wirth werde wohl einen wissen. Was wir bei einem Schreiber wollten alleine ume d'Wyber; das gebe nichts hebliches, sagte die Baurin. Das wäar g'späßig, sagte ich. Ein rechter Schreiber werde es schon machen,daß es hätte.

Site ließen sich überreden; der Wirthsbub zeigte uns den besten zBurdlef, und den hats gelächeret als er uns sah und hörte, was wir wollten. Schreiben wolle ers schon, sagte er, aber wer es unterschreiben solle? He, sagte ich, das werde er wohl auch koönne.Aber es muß doch nicht einer von den Rechten gewesen sein, denn das hat er nicht können. Ich häbe ihm doch gesagt, auf 10 kr. oder 5 Btz. mehr oder minder komme es nicht an. Aber er ist e Baschi g'st, hat zuletzt gesagt, es sei nicht, daß es heute unterschrieben sein müsse, er könne heute z'Sach aufsetzen, und über acht Tage könnten wir sie unterschreiben und den Aufsatz heim nehmen. Ich habe wohl gemerkt, es ist ihm nur um den doppelten Lohn gewesen; ich habe ihm deinen Namen gesagt, und wenn er z'andere Alles hat schreiben können, warum dann die paar Buchstaben nicht auch. Da dachte ich, auf ein paar Batzen komme es nicht an, und so ein Schryber werde auch machen was er könne. He nu so de, ha ni du g'seit.

Da hat er zu schreiben angefangen wie g'hexet, hat dann um alle Namen gefragt, und wo er die gehabt hat, sagt er z'letzt und jetzt? Da hättest du sollen dabei sein; da hat das Meitschi angefangen aufsagen Alles was er schreiben solle, wie wenn es es im Fragenbuch gelernt hätte, styf eins nach dem andern, nichts hat es vergessen. Es hat den Schreiber selber verwundert; fry manchs Mal hat er sagen müssen, umme Hübschli, und zuletzt hats ihn immer gelächert; er wird gedacht haben, so nes b'sinnts Möntsch möchte er auch.Es hat auch nichts vergessen. Als ich meinte, jetzt werde es nichts mehr wissen, sagte es noch, und das hätte mich fast welle g'mühen, aber ih ha du denkt ih Gotts Name! Hühner sollten wir keine haben im Stock;Eier wollte es uns schon geben, so viel wir nöthig hätAwegen den Eiern habe ich gemeint, es sollte ein G'namts (genannte Zahl) sein; aber da hat es gesagt, das brauche sich bppe nicht, und da ha nis m'ör lä g'falle.Etwas hat es gesagt, der Schreiber hat mich zweimal gefragt, ob er es schreiben solle, aber ich habe herzhaft gesagt, er solle nur; ich habe gedacht, das mache einmal nüt, denn wenn Jakobli heirathe, so sei ja von Sterben keine Rede mehr, und dann gelte Alles zusammen nichts. Wenn er sterbe und wir lebten noch,so wolle es doch den Hof erben, und wenn wir auch stürben, Alles was wir noch hätten. Das hat den Schreiber strengs dünken wollen, aber das von wegen 138 den Hühnern hat mich viel strenger duecht; aber ich habe gedacht, von wegen dem Sterben wolle ich nicht Kummer haben, wenn in einem Hause Jemand sterben solle, so nehme es doch weit eher öppe e Kindbettere als es Mannevolk. Als Alles fertig war ist es schon spät gewesen, und doch sind wir noch zusammen gegangen und haben etwas zu Mittag gegessen und abg'redt, du sollest die G'schrift lesen ünd Jakobli solle sie dann zu ihnen tragen; er muß sich dort auch einmal zeigen, sie thun es nicht anders, und in 14 Tagen sollen wir dann Alle auf Burgdorf, die Sach richtig machen und z'Hochzyt abrede, und d'r hy sölls sys V'rblybe ha. „He nu so de, sagte Hansli, wie d' meinst.“ „Wie d' meinst! Ich meine gar nichts,aber es dünkt mich, es sollte euch Allen daran gelegen sein so gut als mir, es ist dein Kind so gut als meins.“„He jo, sagte Hansli, öppe wegen dem ist nüt z'säge.“„Du kommist aber über 14 Tage?“ fragte Anne Baäͤbi.„Ho wes nut angers git,“ sagte Hansli. „Nüt angers git! nüt angers! he jo!“ sagte Anne Bäbi sagte es noch einmal immer langsamer, gähnte auf einmal fürchterlich, drehte sich, und bald kam ein Getön aus seiner Ecke, daß man nicht wußte, kam eine Spinnmaschine in Gang oder sonst etwas. Hansli aber hörte man noch lange halblaute Worte brummen,und manchmal war es fast, als haäͤtte er geseufzt.Doch kam endlich auch ihm der Schlaf über alles,deckte den weltlichen Grümpel ihm zu.

Aber wenn halt der weltliche Grümpel eine Pflanze ist, und das Herz der Acker ist, auf dem sie wächst,so ist der Schlaf kein See, in den man versenken kann des Tages Kummer und Aengsten, daß heiter, frei und hell der folgende, Tag heraufzieht über das froh gewordene Herz. Es ist der Schiaf nur die Nacht, welche kürzer oder länger der Herzen Noth verhüllt, und wenn der junge Tag kömmt, so streckt die alte Noth ihr trostloses Haupt wieder auf, und ist über Nacht vielleicht noch gewachsen. Es ist der Schlaf nur die Decke,welche des Herzens Zustände decket, der Schieber, 139 welchen man stoßet vor der Seele Jammer. Aber wie manche Decke zu kurz ist, daß an allen Enden das Bedeckte hoch empor seine Spitzen streckt, wie mancher Schieber die Töne nicht zu verschließen vermag, dumpf und grausig sie hinter ihm hervortönen, wie oft der Sturm kömmt, die Decke hoch emporreißt und immer weiter weht, solch ein unzuverlässiger Mantel ist der Schlaf für den irdischen Grümpel. Je schwerer er auf der Seele lastet, um so kürzer wird der Mantel; wie Berge ragen die Sorgen in die Träume herein, wie Stöhnen aus dunkelm Bergesschoos hallen die Seufzer der Angst durch die Nacht, ja wie der Sturm die Decke, stäubt die Sorge vom Lager weg den Schlaf,und je sehnlicher der Geplagte ihn wünschet, um so weiter stäubt ihn die Sorge, entblößt immer mehr und immer schmerzlicher nicht nur Gipfel und Stamm, sondern die Wurzel der giftigen Pflanze bis tief in die Erde hinunter.

So kam wohl auch dem aufgeregten Anne Bäbi der Schlaf über den ermatteten Leib, aber die Wellen der Seele zu legen vermochte er nicht, wie das wüthende Meer in vorübergehenden Mondesblicken oder in des Blitzes zuckendem Scheine fürchterlicher, phantastischer wird, so gestaltet sich auch die Aufregung der Seele auf des Traumes dunkelm Grunde.

Anne Bäbi sah den Jakobli von einer großen Schlange fressen, sah ihn mit Zyberli Bure Tochter z'Hochzeit fahren, sah wie sie keine Kirche finden konnten, und als sie endlich eine Kirche fanden, war kein Pfarrer da, und als der Pfarrer kam, hatte er kein Buch, und als er endlich ein Buch hatte, so nahm das Roß Reißaus und sprengte mit ihnen der Aare zu, und Anne Bäbi wollte nachlaufen, es hatte ihm aber Jemand die Füße mit Stricken zusammen gebunden, es konnte keinen Schritt machen, und als ihm endlich Jemand die Beine losste, sah es längst weder Roß noch Wagen mehr, sah aber Rauch und Feuer, sah wie ihr Haus brannte, aber weit weg, und hatte wieder Stricke au den Beinen, konnte nicht springen, und weun es sprang,so fiel es um und konnte nicht mehr anfstehen. Dann kam Zyberli Bure Tochter als Jakoblis Frau mit der Mistgabel und sagte, endlich sei die Alte todt, und sie wolle sie auf den Mist werfen. Da wollte Anne Bäbi um Hulfe rufen, aber es hatte keine Stimme, und jetzt sam noch Mädi und hatte auch eine Mistgabel,und wollte der andern helfen. Gar jämmerlich stachen die an ihm herum, und es konnte nicht schreien. Da sah es Jakobli vorüber gehen, aber es war ein ganz anderer Jakobli, und der kannte ihns nicht und half ihm nicht, und eine andere Frau war bei ihm, und die spazirten weiter und weiter. Es sah ihnen nach,bis es Mädi und Zyberli Bauren Tochter vergaß,aber auch die andern verlor es aus den Augen. Da wollte es sich erheben, wollte bäumelen, arbeitete und werchete daran grusam, bis ihm endlich die Augen aufgingen. Da lag es im Bette und es war Tag.Hansli war auf, und draußen in der Küchi handthierte Mädi. Anne Bäbi war ganz schachmatt, die Glieder ihm wie zerschlagen, und unheimlich ihm zu Muthe. Es nähmte es Wunder, was das zu bedeuten hätte, sagte es, so hätte es doch noch nie geträumt.Was hülfs eim, wenn man schon d'r Tag hätte, daß man sein könnte, wenn es einem z'Nacht so ginge,daß man fast ringer gerade an einem andern Ort wäre.Gott b'hüt einem d'rvor. Es wisse nicht, womit es sich versündigt haäͤtte, aber es dueche ihns, wenn man d'r Tag öppe seine Sache gemacht hätte, wie me chönne und müge, so könnte der Herr einen z'Nacht rühyig lassen. Anne Bäbi wußte auch noch nicht, was der Herr macht und was so ein Anne Bäbi selbst macht. 161 Anne Bäbi erfährt es, was kaltschmieden ist.Hässig über Gott und Menschen stund Anne Bäbi auf, und da es mit Gott nicht anbinden konnte, so mußten es die Menschen entgelten, und wenn kein Mensch bei der Hand war, sonst alles was es in der Hand hatte: Schaufel oder Schüssel, Thüre oder Teller. Man lacht darüber, wenn eine alte Kindermagd,um ein weinend Kind zu trösten, den Stein oder sonst was schlägt, worüber das Kind gefallen zu sein glaubt,und schlägt doch so manches weise Haupt Alles was es zur Hand kriegt, weil es dasselbe schuld glaubt,vye seine Seele trübselig ist oder aufbegehrisch sein erz.

Als sie z'Morgen geessen und Mädi die Ueberreste hinaustrug, winkte Anne Bäbi dem Jakobli ins Stübli,und las ihm zuerst tüchtig den Text, daß, wenn es Alles für ihn thue, und sich fast die Seele aus dem Leibe laufe, er mache als gehe ihn Alles nichts an,da herumhöckele wie ein Lädi (Tropf, Pinsel), und wenn es heimkomme halb todt vor Müde, nicht einmal daheim sei, und zuletzt es nicht einmal fragen möge:„Muetti, was hesch g'schaffet, isch's richtig?“ Lange konnte Jakobli nicht zur Entschuldigung kommen, daß,wenn er gefehlt hätte, es ihm leid sei, expreß hätte er es nicht gethan. Es solle ihm verzeihen, daß er nicht gefragt, aber es hätte ihm nicht gesagt, was es in Burgdorf machen wolle, und da hätte er auch nicht darnach fragen dürfen. Das war erst recht Oel ins Feuer. „Was nit g'wüßt, wottsch jetzt no d'rglyche thue? Ume daß de m'r nit z'danke bruchst, und me d'r vielleicht gar no a ha (anhalten) sött, daß de glücklich sollest werde, du dummer Bub du. So must du mir aber nicht kommen, nit g'wüßt, was ih well, ja wolle!Ih haätt guti Lust, d'r nüt meh d'rvo z'säge, und Alles lah hocke; aber ih bin ume e Narr, daß ih mi für anger Lüt so mah g'mühe. Nit g'wüßt! Seh da lies,u säg m'r de no einist, ih has nit g'wüßt.“

11 462 Somit stieß Anne Bäbi dem Jakobli die Schrift unter die Nase, welche es von Burgdorf mitgebracht hatte, die so eine Art Abtretung und Verkommniß war,laut welcher dem jungen Ehepaar das ganze liegende Vermögen der Alten übergeben, der jungen Frau nach Jakoblis Tode zugesichert wurde, sammt dem Rest des Vermögens nach der Alten Tod, während von dem,was sie zubringen sollte, keine Rede war, und auch nicht wie es mit dem allfällig ererbten gehalten werden sollte, wenn sie vor Jakobli kinderlos sterben sollte.

Z'Zyberli Bure waren nicht gewohnt, bei ihren Rechnungen Gottes Gewalt in Anschlag zu bringen,und wenn sie Jakoblis Tod in Rechnung stellten, so meinten sie, was geschrieben stehe, stehe geschrieben, u ke Tüfel zwäng nüt meh dra. Daß e selige Grieggel, )es seligs Moönsch, e Zyberli Tochter, angends wie ne Fluh, überleben könne, dachten sie sich nicht in der Möglichkeit.

Jakobli hatte das Papier lange in Händen, drehte es um und um, und wußte nicht was damit machen.In der Schule hatte er viel G'schriebnigs gelesen, aber so wenig gewußt vom Inhalt des Gelesenen, als er das in der Kinderbibel Gelesene wieder zu erzählen wußte.

Jakobli drehte also die Schrift um und um, und wußte nicht, was sie bedeuten sollte. Anne Bäbi meinte,das sei Bosheit, schalt, bis Jakobli sagte: „Muetti,ich weiß g'wüß nit, was das z'bidüte het.“ „Ehtage sys, Ehtage du Lädi, weischs jetzt!“ „Was sy das Ehtage, Mutter?“ fragte Jakobli. Jetzt war Anne Bäbi nicht mehr zu helfen, daß ihr Jakobli 19jährig geworden und nicht wußte, was Ehetage seien. „E aber Bueb! e aber Bueb! du bist doch d'r dümmst Hung wo Brot frißt. Das ist G'schrift, wo me macht, we zwen, die öppis hey, e nangere hürathe wey, damit me wüß, wies mit de Mittle ga föll. Weisch jetzt.“„Aber Mutter, wer wott de hürathe?“ fragte Jakobli.Da stand Anne Bäbi mit offenem Munde, als ob es * Von graggen, längs dem Boden hin kriegen. den Kifelkrampf bekomme, und sah Jakobli an, wie wenn er vom Mond gefallen wäre. „Hürathe? wer hürathe well? jetzt ist mör nimme z'helfe. Wed dee Naur ha witt, su lah de e ysige mache, du donstigs Bueb du. Da laufe ich mir die Beine ab, um ihm eine Frau zu bekommen, stehe das Wüstest alles aus,und wenn ich endlich Alles in der Richti habe, fragt mich dä Lumpe Bueb, wer wott hürathe? grad als ob die Sache ihn nichts angehe. E aber Jakobli,Jakobli, geyst du so mit deiner Mutter um? o Herr Jemer, was werde ich noch erleben müssen. Aber ich habe es manchmal gehoört, je mehr man füur die Kinder thne, desto wüster würden sie gegen einen.“ Anne Bäbi nahms Fürtuch vor die Augen, und die Thränen kamen ihm wirklich. Jakobli war ganz verblüfft über beides, daß er heirathen, und daß er gegen die Mutter so grob gefehlt haben sollte. „Aber Mutter, was kann ich dafür? du hast mir ja gar nichts davon gesagt, und z'sinn cho ists m'r g'wüß nit.“ „Nüt d'rvo g'seit? chum mir jetzt, sagte Anne Bäbi, längs Stück hat man ja von nichts anderem brichtet.“ Anne Bäbi war von den Menschen, die nie recht wissen, was sie sagen und was sie denken, bald denken sie laut, bald denken sie nur und meinen zu reden. Wenn es so recht mit etwas in sich beschäftigt war, so ward das ihm so tief, laut und deutlich, daß es meinte, alle Leute müßten es wissen, wüßten, was da in ihm vorgehe. Darum kam es mit den Seinigen oft in Zank,daß es etwas befohlen haben wollte, das Niemand gehört hatte. Jakobli kannte der Mutter Art, darum disputirte er nicht länger, sondern fragte: „Aber wen soll ich heirathen?“ Vor seinen Augen stand hell und freundlich, wie ein Stern am blauen Himmel, ein Mädchen mitblauen Augen und seidenem Haar, und recht warm ward ihm ums Herz, gerade als ob ihm die Sonne hineinschiene. „Jetzt ist mir nicht mehr zu helfen! kommt mit mir auf Kriegstetten, läßt sich selbst mit dem Mönsch an, verspricht ihm, ihns zu besuchen,und weiß nicht wen er heirathen solle! Daß du so 164 ein Wüster gegen deine leibhafte Mutter werden könntest, hätte ich nicht geglaubt.“ Jakobli stund da, als waäͤre er aus dem Himmel gefallen, und ums Herz ward es ihm, als wie es einem schönen Baum voll Bluest wird, wenn der Reif kömmt über Nacht, und längs Stück konnte er nichts sagen. Endlich sagte er,das wird oppe nüt sy, Mutter. „Ja wohl, das ist bppis, sagte Anne Bäbi, und z'Sach muß abtriebe sy so g'schwing als möglich. Der Aetti muß ungerschrybe und du auch, und denn mußt du die Schrift nehmen und sie zu ihnen tragen, daß der Zyberli Bur und dTochter auch unterschreiben. Da kannst du einen Tag bleiben und z'Mornderist wieder kommen; es ist anstaäͤndig, daß du einmal auf G'schaui gehest. Am andern Dienstag müssen wir dann Alle wieder auf Burgdorf mit sammt der G'schrift und müsse d'r zu g'lobe. Du siehst, wie das verflümeret Umtriebe gibt,ünd das alles deinetwegen, und dann stellst du dich noch, als gehe dich Alles nichts an. Jakobli, Jakobli,wird m'r nit e sellige!“

Dem Jakobli ward es schwer zu Muth, ganz kalt ward ihm im Gesicht, und im Halse würgte es ihn,als steckte eine ganze Kannebirne darin; wie ein Berg auf Drachenfüßen kam die Zyberli Tochter gegen ihm zu, und es dünkte ihn, er müsse fliehen, und konnte doch nicht; er wollte sagen, öppe doch das nicht, und konnte auch dieses nicht; da streckte Mädi den Kopf hinein und schrie: „chum g'schwing, g'schwing, d'Säu sy use und springe gege 'm Kabis.“

Ja Kabis und Säu gingen dem Anne Bäbi doch noch über Heirathen und Zyberli Bure Tochter, und mit dem Mädi schoß es den Säuen nach, fragend in der Hitze: „wer Tüfel laht se use?“ „Was weiß ich, sagte Madi boshaft, du wirst vielleicht heute Morgen nicht gut ag'haicht (angehängt) ha.“ „Dreck!“ sagte Anne Bäbdi.

Da stand nun Jakobli, mit der Schrift in der Hand,mitten im Stübchen, und die Gedanken schwammen um ihn her wie Haifische um ein Schiff, und Weh und Leid bedeckten wie schwarzer Nebel seine Seele; er wußte längs Stück nicht, wo er war, wußte nicht,daß er weinte, daß die Thränen stromweis ihm übers Gesicht liefen.

Da streckte plötzlich Mädi den Kopf wieder zur Thüre hinein und sagte: „e du arme Bueb, was hesch?“ Mädi war nicht dumm, hatte die Privataudienz wohl bemerkt, und wollte ihren Inhalt wissen.Daher mußten die Säue springen, und als sie glücklich wieder im Stalle waren, hatte es im Vertrauen Anne Bäbi gesagt, es dueche ihns, Hansli und Sami möchten ihnen je länger je weniger die Freude am Pflanzen goönnen, sie führen Land um zum säen wie d'Narre, und für Z'pflanzen und Flachs und Hanf bliebe keines mehr. Das war Anne Bäbi ins Haupt so mitz im halben Tag z'leerem aufs Feld zu gehen,packte es Brot und Brönz in ein Körbchen, marschirte stracks dem Acker zu, und sagte auf dem Wege allen Leuten: so hätte mans, wenn man zwe selig Schnürfleni haäͤtte wie es, wenn man ihnen nicht Alles in die Finger stoße, so vergäßen sie alles. Es haäͤtte ihnen das Nüni z'weg gestellt gehabt, und es ihnen noch gezeigt, da ließen sie es doch stehen, und jetzt könnte es einen halben Tag versäumen und es ihnen nachtragen.

So hatte Mädi sich freies Feld gemacht, und als es Jakobli in Thränen fand, machte es es gerade wie vor 16 Jahren, wenn Jakobli weinte. Es wischte ihm die Thränen ab, fragte: „Du arms Bübli, was brieggu hat di höhn g'macht? sägs ume, dene will ihs reise.“

Mädis frenndliche Worte waren Balsam in Jakoblis Jammer. Mädis Gesicht kam ihm vor, wie einem in der Nacht Verirrten der Morgenstern, ob sie sonst keine Gleichheit hatten. „Denk ume o, sagte er, jetzt soll ich noch heirathen.“ „He ich habe gemeint, sagte Mädi,das sei dir apparti nicht z'wider.“ „Aber denk ume o Mädi, da soll ich eine heirathen, welche ich nicht mag,ʒZyberli Bure Tochter, von welcher du gesagt hast,daß sie so eine Wüste sei.“ „Gell, ich habe es dir gesagt, sagte Mädi, aber so geht es, wenn man einem nicht glauben will, und wenn me nit öppe zur rechte Zeit selber für Eini luegt.“ „Wie hätte ich wollen,sagte Jakobli, ich bin ja immer daheim, und die Mutter begehrt nicht, daß ich allein fortgehe.“ „Ho, sagte Mädi, man braucht z'Beste nicht immer weit uß ume z'suche, es läuft einem manchmal an der Nase herum;aber die sind rar, wo es da suchen. Lue, ih will d'r öppis säge, aber sägs keim Mönsche. Du erbarmist mi, so e Selligi müsse z'näh, u wes d'r grusam dra g'läge wär u du mi frugist, was ih seyti, we du mi begehrtest, so lue de, was ih seyti. Mir wärs lang wohl e so; aber ih has nit wie anger Lüt, we nih em Nebetmönsch diene cha, u b'sungerbar dir, so ist es nie Nei. U was d'Brävi u z'Werch isch, so lue wos besser miechist (machen würdest).“

Wie es bewegten Gemüthern oft geht, so faßte Jakobli nur die eine Seite der Antwort auf und sagte:„Nein, die will ich nicht, lieber will ich sterben.“ „He,sagte Mädi, häb mi d'r für, u lue de, was ih im Stang bi, für di zithue.“ Das hörte endlich Jakobli und sagte: „Das ist dir nicht Ernst; aber hundertmal lieber wollte ich dich, als das große Thier; aber du und d'Mutter ginge nit z'säͤme, und d'r Vater häts ungern wegem G'red.“ „Ho, sagte Mädi, es hat schon manches G'red gegeben, das wüster war als das wäre, und wegen Anne Bäbi fürchtete ich mich nicht,dem wollte ich schon den Meister zeigen, wenn ich einmal Söhniswyb wär. Aber es ist geng so g'ange,und wird geng so gah, wers am besten meint, den schäätzt man nichts. Meinethalb, wenn d' nit witt su lahs hocke, aber de lue, wer d'r hilft.“ So sagte Mädi und schoß zur Thüre hinaus wie d'r Byswind

Am Abend selben Tages frug Hansli Anne Bäbi:„Was fehlt dem Jakobli, er hat neue ke Muth?“ „Er schücht st neue am Suntig zu Zyberli Bure z'gah; es macht ihm Kummer, aber einist muß es doch sein.Wenn er einmal g'wybet het, su wirds ihm schon bessere,“ antwortete Anne Bäbi. Aber es besserete Jakobli nicht. Die bevorstehende G'schauete und ihre Folgen stunden Tag und Nacht vor seinen Augen, und immer grauenhafter. Wer einen feurigen Ofen vor sich sieht,und weiß, er muß in einer halben Stunde hinein spazieren, dem muß es arg ums Herz sein, aber noch ürger war es Jakobli. Wer kecken Muth im Leibe hat, oder einen zähen Widerstandsgeist, oder eine zur Wehr geschliffene Zunge, der kennt die Noth eines armen Menschen nicht, der ein lebendiges Gefühl hat,ein bereits erwärmtes Herz, den aber eine äußere rücksichtslose Macht gegen einen Abgrund drängt, einem Zustande zu, vor dem ihm schaudert, seine Seele sich windet und sträubt, und er ist kraft- und machtlos,sieht in einer Art geistiger Unbehülflichkeit kein einzig Mittel zur Wehr, keine Waffe zur Hand, nicht einmal die verneinende Rede weiß er zu gebrauchen, ja nicht einmal das stumme Weigern fällt ihm ein. Wie es einem Lamm, das man zur Schlachtbank führt, zu Muthe ist, wie das Herz längst verblutet ist, ehe das RMesser seinen Hals berührt, das fühlt eben keiner,dem kecker Muth im Leibe steckt.

Freitag wars, und am Sonntag sollte er auf die Fahrt zum erstenmale allein in die Welt hinaus, und noch dazu wohin? Und Stunde um Stunde rann vorüber, und Jakobli konnte sie nicht halten. Die Sonne ging unter, ging auf, brachte den Tag, nahm die Reacht, hatte kein Erbarmen mit dem armen Buben,dem das Herz im Leib zerrann, und auch, kein Mensch hatte Erbarmen mit ihm. Anne Bäbi hätte nicht begriffen, was es sich erbarmen solle, wo ja das Glück ins Fenster gucke. Mädi kupete und fand, es geschehe ihm Recht, wenn er einen Schuh voll herausnehme,da er es ihm so wüst mache. Sami mischte sich wenig in die innern Angelegenheiten; bloß Hansli duechte es,der Bub schleiche so ums Haus, wie ein Schatten an der Wand. Er fragte ihn: „Fehlt dir Neuis?“ Da hätte Jakobli fast geweint, aber er sagte bloß, es sei ihm so schwer in den Gliedern, b'funderbar in den Beinen, worauf Hansli meinte, es sei ihm auch manch mal so, aber es bessere ihm de neue grad von ihm elber.s So ging der Samstag vorbei und die Nacht kam,aber kein Schlaf kam Jakobli, und doch war's ihm schrecklich in dieser Nacht, wie eine Stunde die andere jagte, wie eine Stunde die andere verschlang, wie die wüde Jagd der Zeit herauftosste aus der Zukunft, wie ein scheues Wild die laufende Stunde vor sich hertrieb,die Nacht mit sich riß, den Morgen brachte, Anne Bäbi weckte, es vor Jakoblis Bett trat mit dem Sonntagsstaat. „Seh Ching, stang uf, sagte es,bätt z'erst, de mach di z'weg, ih will go z'Morge mache, es ist Zyt, daß de di uf e Weg machist.“Anne Bäbi kochete z'Morge, machte einen tüchtigen Eiertätsch für e Bueb z'weg, mußte ihn aber dreimal rufen, ehe er kam, mußte dreimal mahnen, ehe er einen Bissen hinunter brachte, und sagte endlich, er solle doch nicht so dumm thun, wenn ers auf dem Zyberlihoger so mache, so lachten sie ihn aus, und es früge sich, ob es aus der ganzen Sache etwas gebe.Jakobli sagte nicht einmal, das wäre ihm gleich. Das Wort blieb bei einem Stück Eiertätsch im Halse stecken.Als er nicht mehr mochte, nahm ihn Anne Bäbi unter selbst eigene Hände, strählte ihn schön glatt, und die Haare so weit in die Augen hinein als möglich,schob ihm ein Nastuch in die Tasche, befahl dem Hänsli;er solle ihm einen Stecken bringen, der sich öppe schicke,brachte ihm aus dem Gänterli einen Schübel (Handvoll) Neuthaler, füllte sein Geldseckeli damit, ermahnte ihn, er solle sich ein paar Batzen nicht reuen lassen,unterwegs kromen, am Abend sie heißen ins Wirihshaus kommen, und dort zeigen, daß er Geld habe;er solle die Schrift nicht verlieren, solle am Montag nicht spät heimkommen, und jetzt gehen in Gottesnamen und de d'r Gruß v'richte ufem ZIyberlihoger.Da sagte endlich Jakobli jammersvoll: „Aber Mutter, wo düre muß ih, ih weiß ja d'r Weg nit?“ „Eh aber Bueb, weißt der Weg nit! Du bist doch e dumme D'r Sami muß e Plätz init dir, und de mußt frage,es git überall dütsch Lüt. Bist bald zwänzig, und weißt d'r Weg nit emal uf e Zyberlihoger.“ Anne Bäbi war auch von den Müttern eine, welche die Kinder wohlverwahrt unterm Flügel halten, und dann doch, wenn sie dieselben darunter hervor in die Welt lassen müssen, sich einbilden, sie sollten die Welt kennen und alle Stege und Wege darin.

Sami mußte sich erst z'weg machen. Hanusli schnitt draußen den zu langen Stecken ab, und Anne Bäbi war in den Keller gegangen, um für den Reisenden noch einige gute Birnen auszulesen, konnte aber lange keine finden, da die meisten schon taig waren. Diesen Augenblick benutzte Mädi, schoß zu Jakobli, der in stiller Trostlosigkeit alleine in der Stube war, und sagte ihm: es wolle nicht mehr höhns sein und ihm verzeihen, wenn er nur nicht dä Zyberlichratte heim brächte; das solle er ihm nicht zu leid thun, selligs hätte es nicht um ihn verdient. Wenn es g'wybet sein müsse, so wolle es zuletzt nichts darwider haben;er koönne ihm bringen wen er wolle, und es wolle ihm darzu verhelfen, was es könne, aber ume die nicht;und wenn d'Mutter e gute Blutstropf gege ihm hät,so wett sie ne nit ame ne sellige Ort yche sprenge.Er solle sich nur wehre; wenn er nicht wolle, so könne ihn kein Mensch zwingen. Und dann zuletzt Da kam Anne Bäbi, und machte saure Augen und fragte Mädi, warum es das Geschirr und das Wasser zusammen in der Gepse (Waschzuber) kalten lasse, und Mädi wich, sagte aber unter der Thüre, gleichsam eine Batterie, die noch im Weichen feuert, es hätte nicht gewußt, daß es ihm nicht erlaubt sei, in der Stube zu sein, und wenn Anne Bäbi das Geschirr nicht sehen möge in der Gepse, so hätte es dasselbe selber chönne use wäsche.

Anne Bäbi packte nun dem Bueb die Säcke voll Birnen, und gab ihm die Weisung, wenn er öppe durstig werd, so söll er a eyre chätsche (kauen), das sei hundertmal besser als Wasser zu trinken bei jedem Brunnen, man wisse nie, wie das Wasser sei, es gebe Wasser, das grusam Bauchweh mache. Und wenn es doch Wasser getrunken sein müsse, so solle er die Rohre allemal mit dem Daumen gut auswischen, man könne nie wissen, wer vorher d'Gosche dra g'haycht g'ha heyg, und es sei nicht gut, e ne re jedere Gosche nache treyche.

Endlich war Sami in den Lederschuhen, was allemal eine Staatsarbeit für ihn war, d. h. eine Arbeit,die eigentlich alle Tage gemacht sein sollte, aus Faulheit aber unterlassen wird, und wenn sie einmal zur Seltenheit gemacht werden muß, unter Krachen und Schnauben, unter Donner und Blitz, unter Toben und Tubeln gemacht wird, ungefähr wie die Hagelsteine in der Luft, oder die Lavasteine in des Berges Bauch; gewöhnlich herrscht auch in den Wirkungen solcher Himmelssteine und den Staatsarbeiten wenig Unterschied, 'sist halt Hagel, und Hagel ist Hagel.

Jakobli hatte kaum Stimme genug zu sagen: „Adie Mutter, Adie mit e nangere.“ „AÄdie wohl,“ sagte Hansli. Dem Anne Bäbi schoß das Wasser in die Augen, Mädi stund unter der Küchenthüre und drückte ein Kaffeechacheli abeinander, und als Anne Bäbi an ihm vorbeischoß ließ es die Stücke fallen und schrie:„Tüfel! häb doch Sorg!“ Aber Anne Bäbi achtete sich dessen nicht, lief bis unters Dachtrauf, sah den Dahinwandelnden nach, sah dann zum Himmel auf,rief nach: „Wartit! Wartit!“ Brachte aus dem Hause einen alten Parisol, vo wege es könnte heute cho regne.„Un thue ne de uf, wes regnet, g'hörst?“ sagte Anne Bäbi. „Aber lue, d'r Bängel wott d'r uf gah,«“ setzte es hinzu, zog dann den Schuhbandel schön z'weg, den Gipfel des Halstuches ebenfalls noch, den Hemdekragen zuletzt, und sagte endlich: „su göht iGotts heilige Name.“

Es war dem Anne Bäbi doch warm im Herzen,und Liebe zum Bub darin; aber die Liebe wird manch-mal gar wunderlich, wie die süßeste Milch räächelig (ranzig) wird in einem unsaubern Geschirr. So wanderten sie neben einander fort. Jakobli stellte langsam seinen langen Stecken vorwärts, und Sami suchte sich noch einen im Hag. Als er endlich einen hatte, fragte er Jakobli: „Aber was sollst du eigentlich auf dem Zyberlihoger machen?“

„Ih soll gah wybe,“ sagte Jakobli, und brach in ein Weinen aus, als ob ihm das Herz brechen wollte,daß er absitzen mußte und längs Stück kein Wort hervorbringen fonnte. „E thue nit so, sagte Sami, Wybe geyt nit z'Töde.“ „Es ist nicht wegen dem Wybe,sagte endlich Jakobli, aber das Meitli gefällt mir nicht,das verachtet mich, und ich habe es wohl gemerkt, es ist ihm nir wegen dem Geld, und es meint, es hätte mich bald getodet, und dann sei es eine reiche Wittwe und könne nehmen, wer ihm gefalle. An mir ists ihm nichts gelegen, es spottet mich nur aus, und es ist es Mönsch wie ne Fluh, wenn es niedertrappet so zittern all Wäng, und wenn es taubs würd, so v'rchroseti (verdrückte Krossen von Hals) das mi eis Gurts (auf einmal).“ „Warum nimmst es de, wed nit mußt?“sagte Sami. „D'Mutter wotts, was soll ich?“ antwortete Jakobli. „Es hat schon manche Mutter etwas wollen und hat es nicht zwängen können, sagte Sami.Wenns ume das ist, so häb du nit Kummer, z'Sach wird wohl zichere sy. Es wär bös, we alles düre müßt, was d'Wyber zwänge wette. Stang uf u chum,und bricht m'r Punktum alles wies isch. Es müßt wunderlig sy, wenn du nit usem Lätsch chöntisch; wo es Loch isch für dry, isch o nes Loch für drus.“

Jakobli erholte sich ob diesen Zusprüchen, erhob sich und erzählte dem Sami im Weitergehen den ganzen Handel, und wie er der ganzen Sache sich nicht geachtet, bis die Mutter mit dem Ehetag heim gekommen und ihn geheißen habe, nach dem Zyberlihoger auf Besuch zu gehen. Sami sagte: „Zeig die G'schrift.“Jakobli gab sie, und Sami sah lange hinein, und studirte an derselben recht handlich, gab sie endlich zurück und sagte: „z'Sach ist g'wunne, es isch no nüt ungerschribe, ke einzige Name isch drunger, und da giltet älles nüt, we du nit wottsch, und so zwänge ließ ich mich auch nicht.“ „Aber Herr Jemer Sami, was soll ich machen? hest nit g'hört, d'Mutter wotts absolut.“„Wehr di,“ sagte Sami. „Ja wie soll ich mich wehre,wenn sie es will absolut?“ fragte Jakobli kleinlaut.„He thus nit; säg du wollest nit; zwange wird dich Niemand, und wenn d' di wehrst, su hilft d'r Hansli, und z'wüstest alles wird Anne Bäbi nit mache,“ sagte Sami. „Aber was soll ich machen, und was soll ich sagen? d'Mutter seyt, ih muß Wybe, und eine wie die bekomme ich nicht mehr,und het gar ruch mit mir g'redt, wo ni erschrocke g'st bi,“ antwortete Jakobli. „He weißt du was, sagte Sami, gehe du herzhaft auf den Zyberlihoger und lah di nüt y, aber lue wohl und b'sinn di a Alles. Es müßt wunderlich gah, wenn de nit öppis g'sechtest, wo de Grund hättest 'säge, du mögest sie nicht. Und dann sage nur herzhaft, Wybe wollest, nur die nicht,eher dingest du z'Krieg, und sollte es unter die Stuckroß sein. Am beste wärs, du könntest gerade sagen,du wollest die und die, und keine andere, es ginge in einer Strubelten (Kampf) zu. Weißt keine?“ „Keine,sagte Jakobli. Madi het g'seit, es wett mi, aber das ma ni neue o nit.“ „Ich glaube es wohl, lachte Sami,das hat mich auch schon manchmal wollen, aber ich biß auch nicht an. Dä alt Narr, ja wolle, het di welle? Es wär nit dumm von ihm, aber das wurd de lustig ga, Anne Bäbi und Mädi z'säme.“ „Es hat mich gomüht für ihns, sagte Jakobli, aber es het mi duecht, es wär doch neue nit recht schickig.“ „Dä Narr das, sagte Sami, aber häb nit Kummer, das hintersinnet sich deßwegen nicht; es hat schon manchen wollen und ihns noch keiner, und deßwegen hat es noch nie ein Kacheli Kaffee weniger getrunken.“

So unterrichtete und steifte Sami den Jakobli so lange sie beisammen waren, daß Jakobli ganz kuraschirt wurde; hatte er doch jetzt einen, der ihm die Mittel zum Widerstand angab, aber ob er dann auch die 3. hane, sie anzuwenden, das wußte er nicht, er meinte es.Als sie endlich von einander schieden, war Jakobli recht ordentlich z'(weg, und schritt, den Paresol unter dem Arm, den Stecken in der Hand, kuraschirter in die unbekannte Welt hinaus.

Wie Jakobli auf die G'schaui reiset.Es war einer von den Sonntagen, von denen man nicht weiß, wie sie ein Ende nehmen. Drohende Wolken hingen am Himmel, warm war die Luft und still der Wind; die Weiber wünschten Regen, den Männern wäre schönes Wetter lieber gewesen. Sie sind nicht immer gleicher Meinung die Manner und die Weiber; die Weiber lieben das Beständige selten, das beständige Wetter nicht, den beständigen Frieden nicht;und wie sie es mit dem Himmel haben, wo Beständigkeit ersetzen soll den diesseitigen Wechsel, darüber haben sie sich noch nicht ausgesprochen.

So in halb trübem Wetter marschirte Jakobli fort,achtete sich der Landschaft nicht viel, wie der Lewat errann, und was für Aepfel die Bäume hätten, und die Hühner akurat gleiche Schnäbel wie bei ihnen,das sah er alles nicht. Aber hier und da versuchte er, ob einer deutsch könne, und fragte nach dem Zyberlihoger. Wenn ihn darauf die Leute wunderlich ansahen, so ward er roth, und wenn sie ihn fragten:„was wottsch dert?“ so sagte er, apparrti nit viel; ih soll Neuis dert verrichte. „He nu, su schaff de wohl,“antworteten sie und zogen fürbas. Endlich hatte er vernommen, daß er nicht mehr eine Stunde von seinem Ziele sei, kam so eben an einem Pintenschenk vorbei,fühlte Hunger und Durst, nahm sein Herz in beide Hände und trat zum ersten Mal in seinem Leben alleine in ein Wirthshaus. Dere Bursche, denen das im neunzehnten Jahr begegnet, werden z'Land auf und z'Land ab nicht Viele sein, nicht einmal manches Meitschi.Aber am Morgen hatte er wenig gegessen, und so hungerig an ein fremdes Ort zu kommen, das wußte er, schicke sich nicht, und Sami hatte ihm auch gesagt, wenn einer gegessen und getrunken hätte, so hätte er viel mehr Kuraschi.

Es war auch eine der Pinten, die mit Tüfels Gewalt erzwängt war, so eine Spinnhubbele des Teufels,in der er seine Fliegen fängt. Des Morgens hängen durin einige versoffene Hudeln, Handwerker auf der Gnepfli, Landstreicher, ausgejagte Bauernsöhne, trinken für einen Halbbatzen nach dem andern Erdäpfelbrantenwein, und ramsen mit versudelten Karten. Des Nachmittags sieht man in verwahrlosten Ortschaften verwahrloste Bauern darin, die sich dem Arbeiten daheim entzogen, und nun da ansitzen, sich rüͤhmen, andere schelten, das Mark ihres Hofes verzehren, spielen,disputiren und Zeugniß ablegen, daß da ein Ort sei,der dem Verhudeln entgegengeht. Des Abends sieht man solche Rester oft leer, oft aber mit Kreti und Pleti unter einander, sogar Landjaäger, und wenn nicht rothe Umhänge vor den Fenstern wären, so sähe man darhinter vielleicht noch ganz andere Leute. Wurde doch jüngst einem Landjäger vorgeworfen, er dürfe in keinen Haufen von Hudeln mehr hineingreifen, aus Furcht, er ziehe den hervor. In einem solchen Nest ist auch ein Wirth und eine Wirthin, der Wirth,oft ein Strolch, der bei anderer Arbeit nicht fort kann,die Wirthin, oft ein verschlärpletes Stubenmeitli oder erfaulete zunbehülfliche Bauerntochter. Solche Leute,wie man sie aber nicht nur in Pintenschenken, sondern auch in neuen Wirthshäusern sieht, von denen man voraussieht, daß die Mehrzahl von ihnen oder wenigstens ihre heillos erzogenen HKinder auf die Gemeinde kommen, sehen nie verwahrloster, heiltoser aus, als am Sonntag Morgens, und manchmal bis in den Nachmittag hinein. Je mehr ein Haudwerker am Verhudeln ist, je weniger er durch die Woche arbeitet,desto mehr schaffet er am Sonnlag oft bis gegen den Abend hinein; es giebt solche, denen man nachredet,daß sie gar nicht mehr arbeiten, ausgenommen des Sonntags, ein sehr merkwürdiges Zeichen des verkehrten Zustandes ihrer Seele. Daher bleiben solche Nester des Sonntags Morgen oft leer, aber nicht wegen dem geistlichen Sinn, sondern dem umgekehrten. Am Samstag bis in den Sonntag hinein ist gehudelt, alles Mögliche getrieben worden; wenn unn der Sonntag hell wird über der Erde, so weckt die abgejagten Wirths-leute weder Gott noch die Welt. So wenig als der Maulwurf in seiner dunkeln Kammer die Sonne sieht,eben so wenig scheinet Gott in ihre verfinsterten Seelen hinein; seine Stimme horen sie nicht, denn zu seiner Heerde gehören sie nicht; es mag seine Stimme schallen im Donner des Sturmes, im Sääuseln des Windes, im feierlichen Glockenruf, für sie haben sie ihre Ohren nicht; sie haben für nichts ihre Ohren mehr als für: „Wirth no e Schoppe! für e Halbbatze Brantenwein! gib z'Spiel füre!“ An diese Hauptleute hängt sich dann das zotenhafte Geleite von Redensarten, welche Wirth und Wirthin nebenbei einnehmen,mit Andacht und Erbauung. Was wird einst aus solchen Ohren werden, wenn die Donner des Gerichtes ertönen? was werden die Seelen ausstehen, die mit lauter solchem Gerede gefüttert wurden, wie die Schweine mit Eicheln?

Solche Seelen weckt also der Herr des Sonntags nicht; es weckt sie auch die Welt nicht; Wurtschaft,Wirthshus, ertönet nicht von der Gaäststube her in ihr Schlafkabinett, das oft einem Schweinestall nicht unähnlich sieht. Sie liegen also, bis der erste Gast kömmt; dem wird dann als erste Labung der ungewaschene und ungestrählte Anblick der abgejagten, daher schlarpenden Wirthsleute mit den todten halbveren Augen, mit den Gliedern von Blei und G'staeligi.

In so eine Pinte kam Jakobli. Der erste Gast war er freilich nicht, aber der Genuß jenes Anblickes ward ihm noch; in einem Gang, als ob ihre Beine achtundvierzigpfünder Kanonen wären, brachte ihm die 176 Wirthin seinen Schoppen und ein verraxetes Stücklein kaltes Rindfleisch, und gab wie der Wirth seine Augen auswischte mit seinen versalbeten Aermeln, so vertrugen sie doch des Tages Heitere nicht. Da suchte er in allen Taschen und rief endlich: „Frau, wo ist doch o my Lumpe, erst ha ni drei kauft, u weiß scho kene meh, das ist m'r afe e Ornig, es b'schießt kes Geld nüt.“ „He warum last se a älle Orte ligge, sagte die Wirthin, de näh se d'King u schleyfe se, es weiß ke Mönsch wo hi, und de brucht me se mengist für de Lüte öppis drin mit hey z'gäh, u de bringe die eim se nit ume. Da v'rmah ih mi desse nüt, lue du d'rzu mira.“ Da strich sich der Wirth brummend um einen andern Lumpen aus, die Wirthin aber begann zu strählen und den Jakobli auszufrägeln. Sie hatte es bald los, wohin er wollte, und fragte ihn spöttisch, ob er öppe der seie, wo sie seit einiger Zeit auf dem Zyberlihöger so viel Redens hätten seinetwegen.Jakobli sagte, er wisse es nicht, denk chum. „Ih denk doch wohl, sagte die Wirthin; es soll e Halbbling sy, u du bist ja o eine. He nu ih mah nes gönne,we si dä chönne fische, st hey ne nöthig.“ „Warum?“fragte Jakobli, und düpfte mit Brot die Brotbrosmen auf dem unsaubern Tische auf. „O, sagte die Wirthin,man sollte eigentlich nichts Schlechtes über die Leute sagen, und ich thue es auch auf my armi Thüri nit.Aber das sind auch Leute, nicht wie andere Leute, und uns haben sie es gemacht, sie können es vor Gott nicht verantworten.“ Füür andere Leute hatte nämlich diese Wirthin Gott beibehalten, und es wäre ihr grusam Leid gewesen, wenn sie nicht hätte hoffen können, es wäre ein Gott, und der würfe wenigstens die in die Hölle, nur für sich und ihre Familie brauchte sie ihn nicht. We me afe witziger syg, sagte sie, su chön me zu nim selber luege, mi bruch de niemere angers.So redete die Wirthin, und konnte doch nicht einmal zu ihres Mannes Lumpen luegen.„Das sind die wüstesten Leute centum, und ih gönne Niemere nüt böses, aber wenn die jetzt so glücklich wären, wie sie rühmen, es duechte mich, ich könnte nicht ruhig sterben. De wohl, de wäre si wieder lustig,we d'r Weibel ne nimme all Tag zum Haus chäm,und si wieder mit Fünfunddreißiger klingeln könnten auf allen Tanzplätzen und vor den Krämerladen. Da sind sie uns schuldig gewesen, bald hat die Alte etwas holen lassen, bald sind die Meitscheni gekommen, und haben Brönz und rothen Wein heimgekräzt für ihre Kilter. He nu, mi het ne gäh, mi het denkt, mi chön ne de öppis abkaufe d'rgege. Da haben sie nun zwei so schöne Schweine gehäbt, die haben sie uns manchmal versprochen; wenn sie zusammen 7 Centner machen,so müßten wir sie haben, sagten sie, und wir haben uns deren tröstet und denkt, an denen sei allfällig etwas zu machen. Wo do mein Mann geglaubt hat, jetzt wärs Zeit, ging er hinauf, und wer keine Säu mehr findet war er; sie hätten sie letzten Dienstag auf Bern geführt ung'sinnet. Ihr Vetter, d'r Rathsherr, syg grad i d'r Sitzig, u daä heyg ne se v'orkauft ung'sinnet,sĩ hätte do nis ängers dörfe. Da hey mir do, chönne hingernache luege. Was macht do my Ma, daä Göhl,er chauft ne es Kalbeli ab; wo ner d'r Schade umseht, ist es do voll Lüs g'st, und wo ner mit ne het welle rechne, su hey si ihm alli Schang g'seit und F'halbe no welle ablaugne, und prozediere hey m'r nit möge; was will üser eim mache gegen sellig, wo d'r Fuß im Hafe hey, e Vetter, der G'meindschryber ist und all Schiß lang z'Bern i d'r Sitzig. Mir heys styf chöne a uüs selber ha, aber dene v'rgiß nis nit,und we ni hundertjährig wurd, und wenn ih nes einist cha ytrybe, so soll es nit g'spart sy. Es wäre Schade um dich, wenn du solltest ihre Hungstock sy; wenn d'scho ne Halbbling bist, su bist doch e Monsch, und wed so rych bist wie si säge, su überchunst du Wyber so viel du willst, und' ganz angere als e selligi Blättere, wo ne Gring het wie e Buchbütti, und e Lyb wie ne Spittel, und nit sellige, wo d' mußt ga z'Schulde zahle; no mengi Rychi nähm di. Aber wenn ich dich wäre, so nehmse ich ein armes Meitschi und machte es 12 glücklich, das kann dir nichts vorhalten, und b'sinnt si öppe syr Lebtig, vo wem z'Sach chunt. Das ist m'r e vorfluchti Sach, daß ih just heute mein Meitschi habe fortschicken müssen, das wär grad eins für dich wie g'wünscht. Es wird grad am Fasnacht-SolothurnMäarit 17 Jahr alt, ist wie ne Blume, und ist es Manirligs wie de zBern kes fungist; es cha rede wie g'salbet, und mit eme niedere, grad wies ihm g'fallt.Und doch ists de nit, daß öppe e Niedere mit ihm mache könnt was er wett; poz Türk, du solltest sehen,wie es sie absüferet, wenn ihm eine z'nach chunt,b'sungerbar vor de Lüte. Es g'leytigers (schnelleres)Meitschi i alli Spiel gits nit; es ist wie nes Wieseli hie u dert mi weiß nit wie, und de ists nit, daß es einist nit o öppis überchöm, o Jere. Wenn es uns gut geht, wie wir öppe denke, so haben wir im Sinn,so in 10 oder 15 Jahren grad nebe e Stadt zuche,oder mynethalb dry, es ist m'r z'letsch glych, lah nes Hotäll z'baue vo de schoönste eys, wo me g'seh will,wo de nut angers dry chunt als fürnehm Herre, Gumeni vo de öberste Schrybere und was öppe a dr Regirig ist; da werde m'r de rych vom Tüfel, wer de da einist use naäh cha, wird dMNase ufthue.“

Somit hatte die Wirthin ausgestrählt und Jakobli ausgetrunken, und die Erstere wollte dem Letztern ungeheißen noch einen Schoppen holen. Als er das nicht wollte, so meinte die Wirthin, er könnte zahlen auf dem Heimweg, sie nehme ihm jetzt nichts ab. Das wollte Jakobli doch auch nicht, und löste sich endlich mit dem Versprechen, nicht vorbei zu wollen ohne einzukehren. Morgen treffe er das Meitschi an, sagte die Wirthin, und da könne er sehen, ob es ihm nicht gefalle; sie wolle nichts nutz sein, wenn im ganzen Kanton sich eins besser zu ihm schicke als ihr Bäbeli,grade so eins hatte er nöthig, sie sehe es ihm an.„Leb wohl, u chum de, g'hörst! sust lue de, wies der geyt, u nimm di ih Acht d'obe, u am beste wärs, du gingest gar nit u blibist grad da. U g'hörst, säg de bi Lyb u Sterbe nit, daß de hie y'kehrt sygist es käme ihnen gleich in Sinn, es koönnte ihnen dppis ausgekommen sein. Adie leb wohl, u chum de, g'hörst!“sagte die Wirthin, und gab ihm die Hand mit einer Zärtlichkeit, als ob sie bereits seine süße Schwiegermutter wäre.

Es gebe doch an allen Orten gute Leute, dachte Jakobli, er hätte es nicht geglaubt, wenn es nur seine Mutter auch gehört hätte; aber wenn er es ihr schon sage, so glaube sie es ihm nicht. So dachte er, und brach sich eine starke Schmahle aus dem Zaun, und als er noch mit dem starken Rindfleisch schlug, welches einen festen Bund mit seinen Zähnen geschlossen und vielleicht von dem Kalbeli mit Lausen stammte, welches sein zukünftiger Schwäher dem Wirth angehängt hatte,sah er rechts den Karrweg, an dessen Muündung nur noch ein Thürlistock stund, und der von der Hauptstraße abbog und zu dem Zyberlihoger führen söllte. Auf diesem Wege mußte er auf seine Füße sehen, denn seit der Sündfluth waren die Steine in diefem Wege nie aufgelesen, die Geleise nie zugemacht worden, darum sah) er auch lange nicht, daß nicht weit vor ihm ein großes Bauernhaus stand, ein Stock und andere Gebäude darum. Endlich hörte er den wilden falben Hund mit dem stachlichten Halsbald, der auf ihn zusprang und Ernst zu machen drohte. Es war von den Hunden einer, welche man ehedem liebte, theils weu sie einem die armen Leute vom Leibe hielten, theils weil junge Bursche, die sich gefürchtet machen wollten oder auch viel zu fürchten hatten, gerne solche Hunde mit sich führten. Jakobli erschrack grusam, als das gelbe Thier so ihm entgegensprang wie ein Loöwe; er wollte fliehen, fiel nieder, und wußte nicht, ob Steine, Hund oder Geleise ihn zu Falle gebracht. Wie er siel hörte er lachen oben, dann pfeifen, und knurrend Schritt für Schritt ließ der Hund von ihm ab; ungefährdet konnte er aufstehen, und wußte lange nicht, wollie er aufwärts oder abwärts. Ein Funke eigenen Willens glimmte. Jetzt wär es genug, schien ihm, und wenn er der Mutter sage, wie man ihn empfangen, so wäre es eine vollständige Rechtfertigung seiner Rückkehr. Aber der Funke ward nicht zur Flamme. Die Mutter hatte ihn geschickt, Sami hatte gesagt, er solle gehen und sehen, und Jakobli war gewohnt zu machen was man ihm gesagt, wenn es ihn auch duechte, man ziehe ihn an allen Haaren zurück, und als trappe er in lauter Nägel. Er trappete also vorwärts, sah den Pflug im Felde stehen, sah Wagen in der Hofstatt, einen eingefallenen Gartenzaun, und einzelne Strohbüschel am Dache entrissen sich dem Familienbande und strebten ins Freie; Huühner liefen im Grase herum; ein Wagen mit Haber war im Schopf, auf dem Tauben Sonntag hielten, aber Mensch war keiner sichtbar. Jakobli näherte sich der Küchenthüre, klopfte, aber lauter klopfte sein Herz; drinnen heulte der Hund, endlich öffnete sich ein Schieber im Fenster, und eine Stimme fragte:„ist Neuer da, was wottsch?“ Jakobli hatte gemeint,die Bäurin oder die Tochter werde ihn empfangen,welche er kannte, und jetzt kam da ein ganz anderes Gesicht zum Vorschein, welches unbekannt that, und nun wußte er längs Stück nichts zu sagen. „Was wottsch?“ Was sollte er sagen er wollie ja nichts;da war ja eben der Haken. Endlich fiel ihm ein zu sagen, ob die Bäurin daheim sei, er sollte ihr Neuis sagen. „Du kannst es mir auch sagen,“ antwortete das Gesicht unterm Schieber, und zog den Mund so höhnisch, daß Jakobli innerlich boöͤse wurde, und Muth hatte zu sagen, er well zur Büri, wo die sei? „Oeppe nit wyt,“ erhielt er zur Antwort, und endlich ging die Kuůchenthüre auf; das dicke Gesicht der Bäurin sah hinaus und rief scheinbar verwundert: „Ho! bist dus,chum yche.“ Durch die weite Küche mit bösem Boden wurde er in eine große finstere Stube geführt, wo hinter braunem Tisch ein dicker Bauer saß mit rothem Gesicht, einige Fünfunddreyßigerhäufchen vor sich, und schrieb mit einem Bleistift in einem Kalender, wie ihn die Säuhändler haben. „Lue Joggt, sagte die Frau,da isch jetzt da wo List wottSo, bist du das Bürschli? sagte der Bauer, hock ab, du wirst müd 184 sein,“ gab ihm nicht einmal die Hand, und fuhr fort,seine paar Geldstücke aus einer Hand in die andere zu ihun. Die Frau aber sagte, er komme spät und müsse vorlieb nehmen, sie hätten längst gegessen, und übrig geblieben werde nicht viel sein. Indessen stellte sie ihm boch auf einem schmutzigen Teller noch etwas Fleisch vor und hieß ihn nehmen, was er möge. Listi sei nicht daheim; vielleicht komme es heim, vielleicht nicht. Es hatte gesagt, es müsse jetzt die Zeit XEhre ziehen, und sich noch sustig machen wahrend es ledig sei, nachher wisse man nicht,wie es gehe. Allweg hätte es noch d'Wehli, und könne machen was es wolle. Es sei taubs gewesen, daß am Donstag Niemand gekommen als seine Alte, daß man die Sache nicht hätte richtig machen können, und sie wisse nicht, was List noch ankomme; wenn es abkomme, so sei es ein Handliches, und lasse sich nicht so zum Narre halten, und vergeben sprengen, er solle sich in Acht nehmen. Endlich packte der Mann sein Geld ins Gänterli und mischte sich auch ins Gespräch,so von oben herab, wie ein Dorfküng gegen einen Hintersaß. Er machte Jakobli erzaäͤhlen, was sie hätten, führte ihm alles aus, vernuütigte alles, und rühmte dagegen was er hatte, wie viel Land und Lebigs; wie viel Korn er verkaufe, und wie mancher Müller ihm noch schuldig sei, aber die donders Mehlgringe wüßten,daß er eigentlich das Geld nicht mangelte, uünd gerade deßwegen geschehe es ihm manchmal, daß er in die Klemme komme. Jeder, der ihm etwas schuldig sei,sage, du hasts nicht nöthig, du hast Geld genug;wenn aber einer Geld mangle, so komme er gegen ihm zu, und Joggi sött für all ha. Wenn er Alles zusammentreiben wollte, die Stümplete hier und dort,es gäbe e styfs Höfli. Darum gebe er seine Meitleni nicht so einem jeden Halunk, und wenn sie es nicht befungerbar gut machen könnten und g'sächte etwas davon zu bringen, so lasse er sie nicht fort; einst hätten sie zu leben, und jetzt hätte er sie zu brauchen,und so wüßte er nicht, was sie dem Mannevolk nachzufragen hätten, wenn's nicht eben wäre fürs noch besser zu haben. Und dazu hätte er Meitleni, er wolle ausbieten das Land uf, das Land ab, obs noch selige gäb. Vo d'r Hübschi wolle er nicht reden, aber wenn er seine vier Meitscheni an einen Pflug spannen wollte,sy Seel, sie zögen ihn vier Stieren zTrotz

Sein Weibervolk haätte ihm berichtet von einer G'schrift, die sie hätten aufsetzen lassen, die möchte er sehn; so für nichts und wieder nichts gebe er seine Meitscheni nit weg; so zu äußerst an den Aesten als d'r Gottswille Söhniswyber wolle er sie nicht hangen sehen. Er werde sie doch bei sich haben? Jakobli zog sie hervor mit schwerem Herzen, und Joggi buchstabirte daran in großer Noth, zwischen ein immer fluchend, er wüßte nicht, warum man den Stabellenkungen Schreiber sage; Kräbleni sollte man ihnen sagen,Kräbleni, und wenn man ihnen eine G'schrift zahle,so sollten sie einem allemal einen obendrein geben, der einem sie ablese, so oft mans nöthig hätte. Er wüßte aber wohl, warum sie so schrieben, daß sie es einem immer ablesen müßten, wenn man es verstehen solle;schreiben und ablesen seien zwei, und wenn es einander auch nicht breiche, so gehe das Niemand etwas an,wenns einmal unterschrieben sei. Nach langer Arbeit legte er das Papier wieder zusammen und sagte, er wolle sich noch darüber besinnen; so übel sei es nicht,aber vielleicht komme ihm doch noch etwas in Sinn;einer alleine wisse nie Alles. Die Hauptsache hätte er gesehen, und daß nichts von z'Meitschis Ehesteuer darin sei, das sei recht, zMeitschi sei eigentlich Ehesteuer genug, aber er sei dann doch nicht der, der ein Meitschi A nachemache.

Unterdessen war es Abend geworden; die Alte hatte ein Kaffee z'weg gemacht, legie graues Brot auf den Tisch, schünpfie auf die Kinder, daß keins sich herbei lassen wolle. Es sei sich zwar nicht zu verwundern,wenn sie einmal an einem Orte seien, so ließe man sie nicht mehr fort, wenn sie nicht das wüstet alles machten, und das moge man doch auch nicht immer. Lisi werde denken, sie könnten noch genug bei einander sein,wegen einem könne man doch nicht die ganze Welt assen.

Sie nöthete Jakobli von ihrem blauen Kaffee ein,drang ihm Brot auf. Er solle nicht so schmäderfräßig thun; er werde sein Lebtag auch nicht immer weißes gehabt haben, und wenn es auch ein wenig grau seiso solle er es nicht schüchen; das best Brot werde im Sommer grau, aber das schade ihm nicht, es sei nur deß chüstiger (wohlschmeckender). Wenn es ihm recht sei, sagte der Bauer, so wollten sie zusammen ins Wirthshaus; vielleicht treffe er dort List an, und dann könnten sie mit einander heim. Als sie gingen und Jakobli der Bäͤurin Adie sagte, schnauzte sie ihn an,sie wäre auch mitgekommen, wenn er sie geheißen hätte,aber wenn einer keinen Verstang habe, so habe er keinen. Nun wollte Jakobli gut machen, aber umsonst.Es sei nicht, daß sie mit müßte, sagte sie; wenn sie daheim bliebe, so lachete sie Niemand aus mit e me sellige Tochterma.

Im Vorbeigehen führte der Bauer Jakobli noch in den Stall; es war aber schon halb finster, und gäb wie der Bauer rühmte, daß weit und breit kein solcher Stall sei, so berühmt bei allen Metzgern, und daß wenn er ein Haupt darein stellte, in acht Wochen es fett wäre: so dünkte es Jakobli doch, trotz dem Halbdunkel, welches der Bauer nicht unweislich abgewartet hatte, die Kühe seien wohl strub; hinten stünden die Rollen zu dick übereinander und liefen auf dem Rücken zusammen, brüullten zu wehlich durch den leeren Bahren und schlecketen einander zu sentimental die gehoörnten Häupter. Eine zarte Dame hätte eine rührende Freude gehabt an dieser kühhaften Zärtlichkeit, während ein Kundiger wohl wußte, daß dieses Schlecken nicht geschah um der Liebe willen, sondern von wegen der Grashälmchen, welche ihnen gegenseitig zwischen den Hörnern stachen.

Als sie beim Mist vorbeigingen und Jakobli das jammerwürdige Häufchen betrachtele, das ein Kapuziner 184 fast unter seine Kutte gebracht hätte, sagte der Bauer,er frage dem Mist nicht viel nach, b'sungerbar dem Herbstmist nicht. Er hätte Land, welches das Misten nicht erleiden möge; thue er leicht Mist hinein, so falle ihm alles in den Boden, b'sunderbar z'Korn. Darum hätte er auch am liebsten das Nahkorn, und wenn die Erdäpfel nur wenig gemästet seien, so gebe es ihm ohne neuen Mist Korn auf dem Platz ganz Hüfen,mehr als er nehmen dürfe. Nun fiel er wieder in sein Rühmen, was er für Matten hätte, und wie viel Ackerland, und wettigs, und Rechtsameni, daß es dem Tüfel drob gruseti, und no eigenen Wald, er wisse selbst nicht wie viel, und noch eine Weid, es hätten alle Gusteni der ganzen Gemeinde darin Platz. Noch war er mit Rühmen nicht fertig, als ihnen von Weitem Tanz und Johlen entgegen scholl und die Nähe des Wirihshauses verkündete, das eine gute halbe Stunde entlegen war. Es ging lustig her dort, Alles war erleuchtet, in dem obern Stock die Fenster offen,unter denen unglückliche Mädchen saßen, die noch Niemand zum Tanz geschrissen, weit her ums Haus war Alles jeer. Wie Mücken ums Licht sich drängen, so war die Menge zusammengeströmt um die Quellen der kust, welche im erleuchteten Hause so reichlich sprudelten. Nur hie und da unter dichten Nußbäumen sah man einen Schatten, hörte von Zeit zu Zeit einen Ton,der einem menschlichen glich. Das waren Schatten armer Mädchen, welche die Eifersucht hinausgetrieben,und die nun einsam verlassen hinter den Bäumen schluchzten, einen Weltenjammer in ihren kleinen Herzen.Im Hause tanzte eine Glückliche mit ihrem Schlingel,hatte vielleicht schon Wein von seinem Wein getrunken, sie hatte er nicht geachtet, sie stehen lassen an der Wand, hatte sein Glas ihnen nicht gebracht, hatte gethan als ob er sie nicht sehe, und sie hatten ihm doch schon so viel gegeben, hätten ihm noch mehr gegeben, wenn sie noch mehr gehabt, und er hatte Alles vergessen, sie mit Allem was sie ihm gegeben. Das wollte ihnen das Herz abdrücken. Alles eingesetzt und 1838 nichts gewonnen, da muß einem wohl der Jammer schütteln, wie er einst auch viele schütteln wird, wenn die Loose gezogen werden, und an Tag kömmt, was so mancher mit seinem Leben gewonnen hat, welches Gott ihm zum Einsatz gegeben, das ewige Leben zu gewinnen, und er hat es vergeudet an ein Linsengericht oder sonst etwas, das dem ewigen Leben noch weniger gleicht als ein Linsengericht. Und solche arme Mädchen sieht man an jedem Tanzsonntage hinter Zäunen und Bäumen und hört ihr Schluchzen wohl, und doch bringt das eine dem andern nicht Weisheit; so wie die andern Mücken um nichts destoweniger zum Lichte flattern, wenn schon vor ihnen Mücke um Mücke die Flügel verbrennt. Aber rührsam ists, wie da unter den Bäumen die Liebe noch mit der Rache streitet, und unter zehn werden neune schluchzen: „ihm kann ichs so übel nicht nehmen; die dolders Moore ist schuld; die hat ihn verführt. Er meinte es gut, aber die hat ihn aufgewiesen; wenn ich nur einmal zu ihm kommen könnte, ich wollte ihn wohl brichten; aber z'sterben freut es mich nicht, bis ich der Täsche einmal gesagt,was sie ist, und sie soll mir nur z'Maul aufthun,dere wett ih z'Züpfe schüͤttle.“

Einer dieser Schatten nahte sich ihnen groß und mächtig. Jakobli erschrack und meinte, er werde sich zu Lisi verkörpern, so ähnlich waren diesem die Umrisse. Aber Joggi sagte: „wo stürmst du ume Stüdi?“„Ho apparti niene, aber ih ha nimme möge d'obe sy,es ist m'r hieß g'sy,“ sagte Stüdi, kam mit ihnen herein und setzte sich mit ihnen an die Halbe, welche der Vater kommen hieß; es machte keine Umstände.Ach, wenn so einem Stüdi sein Schatz untreu wird,oder es keinen findet, wenn es nur ein Stück Kalbfleisch findet und statt Liebe einen Schluck Wein, so kommt ihm Trost, und es meint, es sei besser öppis als gar nüt, und wenn einmal unverhofft Wein und Fleisch auf dem Tische stehn, kann nicht auch unter dem Tische oder hinter dem Tische ein Schatz sein unverhofft? Es saßen um den Tisch allerlei Mannen, unter andern auch einer mit gelbem Gesicht und einer wohl starchen Nase; man wußte nicht recht, war es ein Schuhmacher oder ein Häftlimacher. Aber er war beides nicht, sondern man sagte ihm Gemeindschreiber,und andere ließen hie und da einen Rathsherrn flädern.Der führte das große Wort als sie kamen, redete armsdick, daß den andern die Koöͤpfe wackelten. Der sagte ihnen, wer es gut mit dem Lande meine; was die aber in Bern auszustsehen hätten, und wie sie verfolget würden, man sei manchmal längs Stück seines Lebens nicht sicher. Da komme kein Gesetz heraus, das gut für das Land sei, und wenn man schon meine, man habe es recht abgerathen; wenn es gedruckt sei so sei es ganz es angers. Er hätte ihnen aber bim letzthin die Sache gesagt vor großem Rath, es hätte dem Landammann Augst gemacht, z'hell Wasser sei ihm über die Stirne abgelaufen; sie hätten sich aber wohl gehütet,das in die Vrhandlige z'thue; kes Wörtli d'rvo syg drinne g'stange. Aber das sei noch nichts, wie er ihnen manchmal am Abend bald hier bald dort d'Kuttle wäsche, daß es den andern übel gruse, aber es b'schieß alles nüt. Man hätte ihn schon lange in die Regierig welle, und gut Fründe hätten es abgeredt gehabt, aber wohl, da hätte es Lärm gegeben als man es gemerket,und mi hätts chöne usenangere sprenge, daß es nüt drus gäh heyg; den einen hätte man von einer Straß gesagt, den andern vom Brachzehnten, den dritten von einem Spittel, den vierten von einem Pföstlin, angere vo de Ehrschätze, und wo es zum Mehre cho syg, hätt er bim Dolder nicht e einzige Stimm g'macht. Aber alle rechte Vaterlandsfründe mache man es so, er müsse sagen, es erleide ihm so dabei zu sein. Er hätte einen Kamerad, akurat so einen wie er sei, dem hätten sie es in Bern gemacht, es sei eine himmelschreiende Schande. Er wolle nicht davon reden, wie man ihm immer den Fuß vorgehalten, wenn er einen guten Pfosten begehrt hatte, und sie immer denen gegeben, welche ihm nicht die Schuhriemen aufgelösst, sondern noch von etwas angerem. Derselbe sei auch ein berühmter Doktor;schon sein Vater sei weit und breit d'r fürnehmst g'si,er sei aber noch weit geschickter; dä heyg scho wange äne ume g'reicht, wo d'Nase scho änefert (jenseits)g'ha heyg. „Aber us Nyd und Kyb hey si ne nit welle la mache, und hey d'Usred g'ha, er syg nit Gistudirte,und es nimmt mi doch bim Dolder Wunger, obs druf a schöm, ob eine G'studirte syg oder ob eine d'Lüt g'sung mache chön, se ume wehre chon, we si d'Nase scho änefert hey. Aber darauf ist es nicht angekommen, ja sie haben ihn verklagt und sogar gebüßi, gebüßt und nicht gefragt wer er sei, und andere haben sie unter ihrer Nase machen lassen und lassen sie noch jetzt machen, und kein Mensch gibt ihnen ein böses Wort, aber es muß sein, daß wenn einer Fritzli heißt,er mehr Recht hat, als wenn er ein Uli ist. Endlich ist ihm die Sach erleidet, er dachte, z'heilen sei d'Hauptsach, und darin förcht er Niemand, und so siellt er sich zum Examen. Und jetzt, was macht do üst neue Regierig, wo me doch glaube soöͤtt, st meintis mit em Land gut, öppe wenigstes was die alti, von welcher man immer sagt, sie habe für sich g'lueget und nichts fürs Land. Und was hat die alte gemacht? Es hat sich unter ihr einmal einer von denen, welche geschickter sind als die andern, und deretwegen verfolget werden, zum Examen gestellt. Da hat die erkennt, ja freilich, er solle nur kommen und das Examen machen,aber kujoniren wollen sie ihn nicht lassen von seinen Neidern und Anklägern, den G'studirten; das koönnte doch jedes Kind begreifen, daß sie ihm den Fuß vorhaben würden, und es müßte doch öppe g'späßig sein,wenn sie, die das ganze Land regieren sollten, nicht öppe den Verstand hätten, einen zu examiniren, der Doktor werden wolle, wer ʒ'Ganze regiere well, müß ja alles chönne, verschwyge de, was ang'fährt e Dokter wüsse müß. Do schießen sie zwei Rathsherren aus,brave Manne, wenns scho fürnehm g'st sy, und die hey ne do g'examinirt, die zwei Rathsherre, er het si selber drüber v'rwungeret, und do hey si ihm erlaubt,er chön no es Jahr furtfahre, mi chön de geng no luege. Die G'studirte hey do darüber g'räsonirt vom Tüfel und hey ufbegehrt grusam, aber was g'seit g'si ist, ist z'selbisch g'seit g'st, und die Dolders Gütterlimanne het me iah gumpe, und het si ihrere nüt g'achte.Wenn Eine am ene Kranken nüt abbringt, was wett er de bi de G'sunge zwänge? Da hat man geglaubt,es gehe jetzt auch so, und wenn sie nicht Regierungsräthe gehabt hätten, die den Verstand dazu gehabt, so hätten sie zwei Großräthe ausschießen können oder meinethalb drei, daß sie dä Kolleg examinirte; es wäre dere gnue g'si, die es chönne hätte, und no d'rzu gern tha hätte. So ein Doktorli zu examiniren braucht es doch notti nit viel, und vo dene, wo im Große Rath sitze, weiß doch öppe e jedere, was e Doktor ist, und was z'Doktere z'bedüte het. Ja wolle, me wär übel dra, we me nit meh wüßt als das, wo ja ganz anger und wichtiger Sache vorchöme.

Aber nein, so geht es dießmal nicht, anstatt öppe v'rnünftig Manne, Kollege, Großräth, wer muß dä examinire, wer, ih frage? Grad Dokter, syner Find,die wo ne v'rchlagt g'ha hey und geng uf ihm g'si sy,die het me uf ihn greiset, gemeint, was das gemacht sei, und wie man ihn untern thun wolle. Aber wohl,der ist ihnen schlimm genug gewesen, aber hat es ihm genützt? Dumms Zug haben sie ihn gefragt, aber auf Alles hat er antworten können, und b'schlagen hat er sie aus dem ff. Als sie nichts mehr mit ihm anzufangen wußten, und nichts mehr zu fragen, nehmen sie zuletzt e große Doggel (Puppe) füre, und sagen ihm, er solle sich vorstellen, das sei eine Kindbetterin,und jetzt solle er probiren, ob er das Kind von ihr nehmen könne. Zuerst that er d'r glyche, er hätte nichts gemerkt und baggelte an der Sache, und da haben sie gezäpfelt und einander gemüpft, und grusam große Freude daran gehabt, denn sie haben wohl gewußt, daß er auf diesem Weg das Kind nit füre bringt. Aber er hat wohl gemerkt, daß der Doggel am Bauch e großes Thürli het, und daß sie das King da yche tha hey, und het so lang by ihm selber denkt, 189 lachit dir ume, wo dir das King yche tha heyt, da wird es wohl wieder use möge. Und wo sie am besten am Lachen sind, thut er plötzlich zThürli uf, nimmt das King u seyt: da ihr Herre! TDo hey si do gnue g'ha u ne rühig g'lah, si hey du g'seh, daß si dem yweni schlimm sy; aber z'Patent hey si ihm do notti nit gäh, will er ke G'studirte ist, und doch het er chönne was si, und wenn ne Unpartheiisch hätte könne examinire, so wäre es anders gegangen, aber so geyhts zBern.“Während der quasi Häftlimacher so redete, unterbrochen von manchem Donner, manchem Faustschlag,manchem Ausruf, wey m'r ne ga z'Mayi singe, und Jakobli mit offenem Munde zuhörte; denn vom Gebiete der auswärtigen Angelegenheit wurde daheim kein Wörtchen gesprochen, und von politischem Leben wußte man in Hausli Jowägers Hause so wenig als von Prag, das nicht bloß ein böhmisches Dorf ist, sondern die Hauptstadt selbst. Unterdessen war Bedeutendes vorgegangen hinter dem Rücken dieser Staatsvorlesung.

Hinauüf in den Tanzsaal war die Kunde gelangt,er sei unten bei Aetti und Stüdi. Im Tanzsaal tanzten noch vier Söhne und drei Töchter vom Zyberlihoger, daß der Boden seufzte und stöhnte. Eins nach dem andern kam herunter, ihn zu g'schauen, und Stüdi brachte es Jedem, und so wurde eine Halbe nach der andern leer, und während sie tranken, zäpfelten sie hinter Jakoblis Rücken und machten sich wieder ans Tanzen. Zuletzt kam auch List und brachte selbst seinen Tänzer mit, den trotzigen Metzger mit dem rothen Gilet und dem gewaltigen Schlagring, und während List dem Jakobli abtrank, tränkte Stüdi den Metzger.Lisi helkte (hänselte) den Jakobli, ob er nicht kommen wolle und einen mit ihm haben; es nehme ihns Wunder wie er tanzen könnte. Jakobli mußte ablehnen;sein Lebtag hatte er nie den Fuß zum Tanz gehoben.Zur Zeit, wenn andere Bursche anfangen, mußte er mit der Mutter den Bohnen und dem Kabis nach;damals hätte er noch Lust dazu gehabt, seit seiner Krankheit war dieselbe ihm vergangen. So werde er es nicht ungern haben, wenn es mit einem Andern tanze, sagte Lisi; so lange eine Geige gehe, koönne es sy Seel die Beine nicht stille halten, und wenn man sie mit einem Wellenseil zusammen reiggelte.Jakobli hatte nichts darwider, ja es war ihm recht,obgleich es ihn dünkte, wenn Lisi seine Braut sein wolle,so wäre es anständig, daß sie neben ihn hocke und mit ihm brichte. Aber er sah aus Allem, daß man glaube, man habe ihn im Brättli, und daß man ihn darum gar nicht mehr ästimire, sondern ihm gleich zeigen wolle, wie es gehen müsse, und daß er gut sei von wegem Geld, und als Gatter vor der Thüre, aber weiter für nichts. Das war ihm nicht unlieb, und eine Art innerer Kaltblütigkeit wuchs ihm mit jedem Glas Wein und nahm die Angst ihm weg. Davon sah man ihm freilich aäͤußerlich nichts an, und als der Vetter sich an ihn machte, ihn ins Gebet nahm über ihre Umstände, da antwortete er ganz blöde; denn sövli e G'studirte und b'redte Ma hatte er sein Lebtag nicht gehört. Nachdem dieses Examen zu Ende gegangen, schritt er zu allgemeinen Fragen uüͤber Schul- und Gemeindangelegenheiten, wie das zu Gutmüthigen wäre? Jakobli berichtete was er wußte, und der Vetter lächelte spöttisch zu allem. Man sehe wohl, daß sie zu Gutmüthigen in Allem weit hinger nache seien gegen ihnen auf dem Zyberlihoger, sie wüßten nicht einmal was dWrrfassig z'bidüte heyg,g'schwyge daß sie se de yg'führt heyge. Daß sie den Gemeindrath nur alle sechs Jahre ergänzten, wo das Gesetz ihn doch nur auf zwei Jahre stelle, beweise, das sie den rechten Geist noch nicht hätten. Nit v'rgebe heyg die neui V'rfassig so viel uf em Aendern, und je strenger man ändere, desto weniger Aristokrate gebe es wieder, je strenger man ein Rad umtreibe, je weniger springe einem ein Hund zwischen durch. Wenn einer vier Jahr am G'meindrath sei, so mein er schon was er kenne, und wolle in Alles reden, gäb wie dumm es herauskomme; und sei einer sechs Jahre darin, so wolle er schon Alles besser wissen als der Schreiber, und gebe 181 .ein neuer Dorfmagnat, ein Aristokrat, und gerade solche wolle man nicht mehr in Bern. Er wolle doch fragen,ob man mit ein paar Hundert Gemeindschreibern nicht besser fahren koönne als mit ein paar Tausend Aristokraten, von denen doch keiner nichts verstehe. Er hätte schon lange gemerkt, was Trumpf sei, und es werde die Zeit kommen, wo man wisse, wer eigentlich Rad am Wagen sei, und die Schreiber nicht mehr so verachten wie jetzt, und sie am Hungertuch nagen lassen,daß sie längs Stück verrebeln müßten, wenn man sich nicht öppe wüßte z'helfe. Hier auf dem Zyberlihoger habe man ein gutes Eing'richt; da lauf z'Sach, und wers v'rstang, den lasse man machen, aber so sei es nicht an allen Orten. Er hätte noch lange gepredigt,aber oben hatte endlich das Tanzen aufgehört; es war eirca zehn Uhr, denn der Zyberlihoger lag in einem Oberamt, wo um zehn Uhr Feierabend wird mit dem Tanzen; in andern geschieht es um acht Uhr, in andern um neun Uhr, in andern um eilf Uhr, und wer weiß ob im Suppenloch, wo man ganze Nächte spielt und am Morgen um drei schon wieder kegelt, nicht erst um zwolf Uhr. Von wegen der Kanton Bern ist gar ungeheuer groß, so daß zwar die Uhren alle gleich gehen, aber die einen Dörfer liegen viel näher dem Aufgang der Sonne als die andern; es ist aber natürlich, daß da, wo die Sonne viel früher aufsteht, sie auch viel früher niedergeht,also viel früher Feierabend wird; es kann also von Rechtswegen nicht an allen Orten, in allen Wirthshäusern des Kantons zu gleicher Zeit Feierabend gemacht werden. Wer aber das von wegen der Sonne nicht weiß, und nur an die Uhr sieht, der schreit über gen hier und da Irrthümer stattfinden; es heißt daher,es werde nächstens für alle Regierungsstatthalter und Landjäger ein Kurs in der populären Astronomie gelesen werden, wo, weiß man noch nicht, allweg doch in Bern, vielleicht dort beim Sternen.

In der Gaststube ward es dick; es gab Stoöße und Müpfe; da kam der Wirth und sagte, er hätte in der 192 Nebenstube z'weg gemacht, er hätte gedacht, dort sei man rühiger. Dort war ein großer Tisch z'weg, und an denselben setzte sich die Zyberlihoger Familie. Die Söhne schrissen ihre Meitscheni; mit den Töchtern folgten ihre Tänzer, auch Stüdi hatte wieder einen, und sah glücklich aus. Obenan saß der Vetter mit der langen Nase, hinten drein kam Jakobli, und kriegte, als er von einer Stube in die andere ging, einen Tätsch auf den Hut, daß der ihm bis zum Kinn hinunterfuhr, und ringsum donnerte ein Gelächter an den Wänden, und immer lauter, je länger Jakobli am Hute riß und schriß, bis er ihn wieder in ebenrechter Hohe hatte. Kein Mensch kam ihm dabei zu Hülfe,Berichte sagen, der Metzger hätte auf Lisi's Wink den Tätsch gethan.

Am Tisch ging es nun lustig her; der Vetter docirte,Joggi fluchte mit dem Wirth über den Pintenwirth,bei dem Jakobli diesen Morgen gewesen; sie brachen ihm die Eisen ab, rechneten aus, wie bald er geldstagen müsse, und zählten auf, was Mutter und Tochter für Trüecher (schlechte Menschen) seien; unten um war ein beständiges Kickern und Lachen meist über Jakobli. Zuweilen lächerete es die Mädchen Privatunterhaltungen wegen, die sie mit ihren Nachbaren pflogen. Es ging flott her; dann verschwand ein Pärchen nach dem aundern, bis nur das Kleeblatt oben am Tische saß; eben schlugs Mitternacht. Da redete der Vetter von Aufbruch, und Joggi sagte, jetzt werde es um die Uerti zu thun sein, und es dünke ihn, Jakobli sollte ein Tochtermannsstücklein machen und sie zahlen;es waäre nichis darneben, es Monsch, wie Lisi, sei noch manche solche Uerti werth. Da Jakobli nichts darwider hatte, so sagte Joggi dem Wirth, er solle XX dern, feine Alte müfse doch auch was haben, sonst gebe es trüͤb Wetter daheim.

Vornehm nahm der Vetter Abschied, d. h. er dankte nicht, sondern sagte, vielleicht komme er nächsten Donstag 193 auch nach Burgdorf; die G'schrift sei nicht bös, doch sei noch Manches daran zu ändern; wie geschickt einer auch sei in den Büchern, was das Land angehe, bleibe er doch e Löhl, und so nes v'rachtets Gmeinschryberli wisse es hundertmal besser, wo es düre jage. So sagte er ünd segelte von dannen, einem Schiffe gleich,das durch die See fährt, wenn West und Ost mit einander kämpfen.

Ungefähr in ähnlichem Schritt marschirte Joggi dem Jakobli voran, und fluchte über den Text, daß,wenn Gerechtigkeit bei Gott sei, er alle seine und meine Feinde in die ewige Verdammniß werfen werde. Bang bewegt, und in einem Säcklein die Maas Rothen tragend, folgte Jakobli.

Der Wurm krümmt sich, wenn des Menschen Fuß in den Sand ihn tritt; wo wäre der Mensch, dessen Gemüuth sich nicht empört, wenn Dutzende von Füßen,und noch dazu so große wie Lisi's auf ihm herumtrampeln, wie dreschende Ochsen in ihrer Tenne. Er hatte in der ganzen Tischete den Hohn wohl bemerkt,gesehen, wie er nichts war als das Huhn, welches man rupfen will; die Unverschämtheit Lisi's mit seinem Metzger war ihm nicht entgangen, und daß er für alle die noch dazu die Zeche zahlen mußte, welche mehr betrug, als er sein Lebtag ausgegeben, das war ihm ins Herz gegangen. Es war ein Glück für ihn, daß Anne Bäbi tief ins Säcklein gegriffen, und den Hochmuth gehabt hatte, dem Sohn Neuthaler mitzugeben,die er spienzeln, mit denen er sich groß machen sollte;so über einen gewöhnlichen Geldseckel wäre die Uerti weit hinausgegangen; dann wäre das Gespött noch größer gewesen. Nun war zwar dieses glücklich überstanden, und Geld hatte er noch mehr in der Tasche,aber was wartete seiner noch in dieser Nacht?

Scheiter flogen zuweilen an ihm vorbei; einzelne Nachtbuben rannten an ihnen vorüber, stießen ihn an,aber es waren nur Schreckschüsse, zum Ernste ließ Joggi es nicht kommen; wenn der seine gewaltige Stimme erhob, so flohen die Schatten und die Scheiter

13 194 kamen nicht wieder. Aber das war wiederum nicht,was so schwer ihm machte und so Angst. Nach Berner Sitte mußte er erwarten, daß er auf dem Zyberlihoger in Lisi's Gaden gewiesen werde, dort bei ihm den Rest der Nacht zuzubringen. Noch nie war er zu Kilt gewesen, noch kein Mädchen hatte er bei der Hand gehabt; daß er zuweilen mit Mädi an einem Seil gezogen war nicht in Anschlag zu bringen. Was wartete ihm nun in Lisi's Kammer? Er hatte wohl gesehen, daß es zu gleicher Zeit mit dem Metzger verschwunden war; jetzt sollte er ihn ablosen, und wessen mußte er sich gewärtigen, entweder vom Lisi oder vom Metzger, was ruhte für ihn in der nächsten Stunde Schoose? Mehr als je war er entschlossen, List nicht zu nehmen, aber was konnte man mit ihm vornehmen?wie sollte er sich wehren? wie entgehen? Je unbestimmter die Gefahr ist, welcher man entgegen gehet,desto größer ist das Grauen, mit welchem man sich plagt, wie der Abergläubige einen festen Körper hundertmal weniger fuüͤrchtet als die schwankenden Umrisse eines Gespenstes, welches er zu sehen meint. Recht inbrünstig betete er zu Gott, daß er ihn doch diese Nacht führen möchte an seiner Hand, gesund, gerecht,ungefangen den nächsten Morgen möchte erleben, glück lich dem Hause, wohin er ging, moöͤchte entrinnen lassen. Thäte er das, so wollte er sein Lebtag fromm sein, keinen, armen Menschen unerquickt vom Hause lassen, keinen ungerechten Kreuzer in seine Tasche lassen, ein rechter Christ sein sein Leben lang. Es war ihm als leichte es ihm auf dem Herzen, und doch erschrack er, daß ihm die Knie zitterten, als er unerwartet vor dem Hause stand und die Zyberli Bäurin mit dem Licht in der Hand die Thüre öffnete.

Sie sah nicht holdselig aus, und als Joggi die Maas Rothen geltend machte, welche Jakobli auf den Tisch stellte, schnauzte sie und sagte, diesen Abend hätte sie ihn brauchen können, jetzt sei ihr schlafen lieber als trinken; sie sollten jetzt machen, daß sie ins Nest kämen,es sei ja bald Morgen. „Su gang und zeig ihm, wo 1983 List lyt,“ sagte Joggi. „Die werde öppe no früh gnue z'säme cho, schnauzte die Frau, wär er mit ihm heim,wie es öppe anftändig gewesen wäre, so könnte er jetzt bei ihm ligge. Het er si aber nit möge g'mühe, su cha er jetzt Hanse Bett, dä wird öppe nit hey cho.List mah nit erlyde, daß mes weckt, wes einist schlaft,befungers wes Wy g'ha het. Chast da z'Ofeloch uf,su manglist kes Licht, und de hott im Egge da ist Nest.“Es war Jakobli als ob ein Engel zu ihm redete,und das Ofenloch des Himmels Thüre sei; und als ob er einer der Engel wäre, welche Jakob auf seiner Leiter gesehen, schwebte er durchs dunkle Loch hinauf,und verlor sich in die schwarze Nacht, welche das enge Gaden zum unendlichen Raume machte, der, wenn schon dunkel, Jakobli doch vorkam, als schwimme er in des Himmels Glanz, und als sei das Nest hott im Ecken die erste Stufe an Gottes Throne.

Es ist doch kurios, wie die gleichen Worte unleiche Produkte erzeugen in den Herzen der Menschen,ß daß man fast sagen möchte, daß Worte nichts bedeuten, die Stimmung des Herzens aber alles. Was Jakobli in himmlische Freude versetzte, das hätte einen andern zur höchsten Wuth aufgeregt. Aber noch kurioser ist es, daß, so hell das auch am Tage liegt, die Menschen in gegebnen Fällen an diese Wahrheit nie gedenken, sondern als einzig bewegende Ursache immer das betrachten, was von außen kömmt, diesem alle Schuld aufbürden. So prügelt ein Branntenweinfötzel,wenn er heim kömmt, sein Weib, wenn es redet, und er prügelt es, wenn es schweigt, und flucht über die ganze Welt, wenn sie frägt, warum das Weib braun und blau im Gesichte sei, und prügelte jeden wenn er könnte, der ein breun und blaues Weibergesicht wüst findet, und noch wüͤster den, der es so geschlagen; so droht man mit Munizehn und dingt Branntenweinfötzel aus lauter Vaterlandsliebe, wie man sagt, gegen jeden,von dem man glaubt, er habe ein wahres Wort zu des Vaterlandes Heil gesprochen. So wird geprügelt und gekramet, sich gefreut und geflucht, nicht nach den Noten, sondern nach den Saiten, welche übers Herz gespannt sind. So ists, und doch glauben wirs nicht,aber froh sind wir, wenn wir die Worte der Menschen oder die Augen der Menschen zu Sundenböcken machen können, denen wir aufladen konnen unsere Schuld, die wir schlachten und martern können zu unserer Sühnung.Sündenböcke sind eine alte Mode, aber aus der Mode werden sie nie kommen; denn was wären wir ohne solche Bocke. Und wenn wir Alles finden würden was im eigenen Herzen wäre, wer hätte noch Freude am eigenen Herzen? und wenn man nicht einmal an diesem Freude haben kann, über was soll man sich dann noch freuen? ich frage. Doch das paßt nicht auf Jakobli, der sich grusam freute in seinem finstern Gaden,und nicht über sein Herz, sondern über Hanses leeres Nest. Drunten war ihnen sein schnelles Verschwinden doch seltsam vorgekommen, aber sie meinten, er sei taub, und der Bauer fragte die Frau: „warum hast du ihn da hinauf gereiset, und nicht zu den Meitlene?“„Warum? darum! die haben die Nesier sonst voll, und gäb der alleine sei oder nicht, das ist doch graglych,das wird öppe nüt zwänge; es ist d'Frag, ob dä Löhl ume oppis merkt.“ Sie fanden bei Jakobli Vorsicht nicht nöthig, nicht nothig, ihn zu binden auf irgend eine Weise;sie meinten, der laufe ihnen nicht davon, der sei zu zahm,wie man zahme Rosse auch nicht halftert und zäumt,sondern sie frei zotteln läßt, weil man weiß, wenn man sie will, so kann man sie haben. Aber der Teufel ist ein Schelm, sagt man, und wie das zahmste Roß noch zu Zeiten seine Stunden hat und Sprüunge thut, der Fisch aus der Hand einem schlüpft, so entgeht oft der zahmste Mensch dem, der ihn bei beiden Ohren zu haben meint, und im Garn füür immer.

In Hanse's Nest legte sich Jakobli, und sah nicht lange, wars sanber oder so wie ein Haus manchmal ein Bett hat. Die Müdigkeit und die Seligkeit schmolzen alsobald in einander; ein süßer Schlaf deckte Jakobli zu, und ein Engelein mit gelben Züpfen und klaren Augen tanzte an sein Lager, nahm ihn bei der Hand, führte ihn aus dem finstern Gaden, und sie wandelten mit einander an silbernen Bächen in süßem Schatten, und sie wandelten noch zusammen Hand in Hand, und ihre Seelen tauschten zusammen selige Geheimnisse, und Jakobli verstund sie selber nicht, als der Himmel finster ward, die Bäche aufbrausten, aus den schaäumenden Bächen ein schwarzes Ungeheuer sich hob mit blutigem Rachen, und mit gewaltiger Tatze nach dem Engelein schlug, das an seiner Seite ging.Schnell sprang er vor zur Wehr, da war das Engelein verschwunden, das Ungeheuer ebenfalls, eine Herde Waldteufel purzelte aus den Bäumen hervor mit wiherndem Gelächter, wälzte sich an seine Beine, daß er sie zusammenzog, davonspringen wollte und erwachte.

Grauer Tag dämmerte im dunkeln Gaden, einzelne versprengte Sonnenfunken flimmerten an den schwarzen Wänden, ums Bett herum stand die ganze Familie, Lisit voran mit dem Deckbett in den Haänden;aufrecht saß er im Bett, zwei zukuünftige Schwäger hatten ihn an den Beinen gefaßt, und Alles brüullte laut auf vor Lust und Freude, und je mehr sie brüüllten, um so mehr riß er die Augen auf, und um so weniger wußte er wo er war, und je mehr er die Augen aufriß, um so mehr brüllten sie. Endlich kam er zu sich und erfuhr nun, daß man ihn nicht habe wecken können; daß List ihn mehrfach gerüttelt habe;daß er gar wunderlich gethan, daß man nicht recht gewußt, fehle es ihm im Kopfe oder sonst wo; daher man ihn aufheben und auf die Laube an die frische Luft habe tragen wollen. Er solle jetzt auf, sie hätten längstens z'Morgen gegessen. Jakobli hatte die frühere Nacht nicht geschlafen, war weit gelaufen,hatte Wein getrunken, so daß, als er endlich so freudig ins Bett kam, er in einen Schlaf verfiel, aus welchem man ihn mit Posaunen nicht erweckt häätte.Von allen den Neckereien an seiner Thüre und vor den Fenstern, mit welchen man ihn zu fürchten machen wollte, hörte er nicht das mindeste, sondern hatte fest geschlafen bis in den hellen Morgen hinein.

Trotz des rohen Auftrittes war er ziemlich munter;noch einige Schlücke Kaffee und er war flott, und konnte dem Hause den Rücken kehren, das er nicht mehr zu sehen Willens war, und ungeschlagen, ungefangen kam er davon. Er machte so schnell er konnie,und widerredete nichts, forderte die G'schrift nicht zurück, sagte nicht Nein, als man den Donstag üüber acht Tag bestimmte zum Richtigmachen der Sach, ließ sich helken und ausspotten über seinen Schlaf, und seine Einsamkeit in Hanse's Nest, und als Stüdi ihn fragte: ob es ihn nicht Wunder genommen, wo Lisi sei, so gab er keine Antwort; kurz er zog sich aus der Sache wie ein Diplomat, trotz dem daß er nur ein Jakobli war.

Beim Abschiednehmen sagte man ihm aber, daß I stünden keinen Spaß, es könnte theure Tagloöͤhne geben, und d'G'schrift sei richtig, daran zu ändern sei nichts mehr; d'G'schrift hätten sie in Händen. „Meinethalben, dachte Jakobli, wenn ich nur da weg wäre, gehe es dann wie es wolle,“ und schon hatte er zum letzten Mal Adie gesagt, als die Mutter zu List sagte: „Seh du, gang du no e Plätz mit ihm,und zeig ihm d'r Weg dur dvBurzlige Hohle; er ist näher, und wenn er einmal bei Gräulige vorbei ist,so kann es ihm nicht mehr fehlen.“ „Es ist mir glych,sagte Lisi, ih chumme mit e Plätz; Stüdi gib mir deine Kappe, und du Mädi dein Fürtuch, jetzt chum und lauf schön, sust nime ih di ungere Arm u chrätze di.“Auf der Heimreise erlebt Jakobli Geschichten.Also noch nicht entronnen, dachte Jakobli, was wird es jetzt noch geben müssen? und zottelte traurig hinter List drein, das die Kappe bindend voranschritt,und als es mit der Kappe fertig war, das Mänteli y weg zupfte. Dann begann es den Jakobli auszuforschen, was er gestern Abend gesehen und nicht gesehen, gemerkt und nicht gemerkt. Als es ihn kaltblütig fand, und keine verdächtigen Sticheleien vernahm,da ward es wohlgemuth, und rühmte, wie es immer Schreiß (Hof) gehabt, und wie es ihm ungewohnt sein werde, wenn es einen Mann habe. Aber einganterlen C(einschließen) lasse es sich notti nicht, und ʒMärit und z'Musterig denke es, werde es gehen können wie vorher. Lieber wollte es sterben, als so yg'schranket z'sy, wie die meisten Weiber, die nirgends hin dürfen oder der Mann nehme sie mit, was die Ufläth unter zehn Malen nicht einist thäten. „Du kannst machen wie du willst, kannst gehn oder daheim bleiben,was frag ich dem nach, aber wenn es mich ankömmt,so gehe ich, sei es Heuet oder Säet, was frag ich dem nach. Vergangenen Sommer hatte ich einst schon die Hebi gemacht, wir wollten backen; da kömmt einer und ladet mich z'Hochzeit, und ih ha uf der Stell mit ihm furt müsse. In drei Tagen wolle er mich wiederbringen,V die Muide unters Bett, und erst nach vier Tagen hat er mich wieder gebracht, und es hat auch noch Brot gegeben. Frylich ists öppis gnüger gange. Böser will ichs als Frau nicht haben, als ichs als Meitschi gehabt,sonst wüßte ich nicht, warum ich mannen sollte. Aber Bürschli, gekramet hast du mir noch nichts, so wollen wir doch nadisch nicht auseinander, seh, gib füre was d'hesch.“ Jakobli hatte nichts, hatte das Kramen vergessen, nnd es dünkte ihn, eine solche Uerti wie gestern,wo über zehn Fünfunddreißiger d'raufgegangen, sollte einstweilen genug sein. Doch sagte er, wenn sie zu der Pinte kämen, wo er gestern eingekehrt, so wolle er ihm eine Halbe zahlen, und gegenüber sei ein Krämer.„Ja Bürschli meinst! Nein, zu der Pinte kömmst du heute nicht; gäll, in einem solchen Lumpennest gefiele es dir, das ware ein Loch für solche Duckenmäusler.Aber wir haben schon vernommen, wie lang du gestern dort g'hocket bist, und da schien es uns, ein anderer Weg sei besser für dich. Ueser Gattig Lüt gange nit ih nes selligs Nest, und du brauchst auch nicht hinein;selligi Bürschli wären der Wirthin gerade eben recht.Aber ohne Kram gehe ich nicht von dir, wenn du nichts hast, so gib mir ein paar Neuthaler, es ist mir auch recht.“ Jakobli hatte vor Zeiten einmal zufällig gehört, daß ein einem Mädchen gegebenes Silberstück,ja auch nur ein Rappen, ein Ehepfand sei, auf welches hin dasselbe auf die Ehe klagen könne; also das wollte jetzt List, und eben, als er meinte frei zu sein,sollte er sich binden. Er stotterte Entschuldigungen,brauchte noch, hätte nichts mehr ꝛc., aber List setzte nicht ab, sagte ihm, er solle füre mache, sonst nehme es selbst; so ein Reicher, wie er sein wolle, sollte sich schämen zu sagen, er hätte keine Neuthaler mehr im Sack, und wenn einer ein Meitschi wolle, so krame er, das sei öppe unser Lebtag der Brauch gewesen,und so einer wie er sei, werde keinen neuen anfangen wollen. Jakobli sagte, sobald sie zu einem Krämer kämen, wolle er ihm kramen, was ihm öppe anständig sei, aber Geld sei ja kein Kaam. Das wäre ihm g'späßig, fagte List, gerade der Gattig hätte es am liebsten, man könne damit mehr machen als mit einem Kittel oder Kuttli, und das seien Sachen, sie verstünden sich von selbst. Und kurz und gut, er solle füre machen oder es nehme selbst. Als Jakobli noch immer zögerte, fuhr es ihm mir nichts dir nichts in den Hosensack, fand dort nichts als Munze, fuhr dann mit der Hand zur Kutte. „Du hast my armi Thüri no angeri Rustig,“ sagte es. Und als es in der Busentasche des Rocks nichts fand, riß es ihm das Gilet auf, dort war auf der innern Seite auch noch eine Tasche, und 2014 dort kaperte es triumphirend ein Blatterlein, und in dem Blätterlein war noch manch schöner Neuenthaler.„Gell Bürschli, ich singe d'Sach? rief es triumphirend.Es kömmt dir wohl, hab ichs gefunden, sonsi hätte ich dir auf my Armi z'Sackuhr gno! Die b'haäbe ni emel einist, du kannst luege, daß du anger überchunst.“„Gib mir e umme, sagte Jakobli, denk ich muß noch heim, und was würde die Mutter sagen?“ „Mira was sie will, die alti Gränne; nei die b'häbe ni jetzt,die kann ich brauchen, und je weniger du einkehrst, deß bas bist du morndrist. Geh du nur grad bis du links use mußt, und wenn du e Stung links g'ha hest, so häb de rechts, und wenn du dann zu einem Hag kömmst,so gehe nicht darüber, und weiter oben nimm dich in Acht, daß du nicht den lätzen Weg nimmst, häb geng am übligste nach, u de chas d'r nit fehle. Adie wohl,und am Donstig über acht Tag fehl de nit, süst chast m'r de küderle (pfeifen).“ Und somit eilte Lisi voller Freude heim, und mochte nicht warten, bis es seine Eroberung zeigen konnte; so viel Geld hatte noch keine von Zyberli Bure Töchtern in Händen gehabt.Jakobli stand da, ärger ist Loths Weib nicht gestanden; so uverschant haite er doch keinen Menschen geglaubt, und was sollte er der Mutter sagen? Und wenn er ihr es sagte, glaubte sie ihm auch? Aber mehr als das plagte ihn der Gedanke, ob das wohl jetzt ein Ehepfand sei, das Blätterli mit dem Silber, hatte er es doch nicht selbst gegeben, sondern Lisi hatte es genommen. So könnte ja eine Jede zu einem Chepfand kommen, dachte er, und das wäre Mängere komod, aber recht wärs doch nicht. Aber den Gedanken kam er doch nicht los, und es dünkte ihn, als hätte er wirklich einen Fuß im Lätsch und konne nicht recht vorwärts. Und ob den Gedanken hatte er alle Links und Rechts von Lisi rein vergessen, und er wanderte lange lange und kam zu Niemand, und sah kein enn es war fast, als ob er in einer ganz andern elt wäre, eine so einförmige Gegend hatte er noch nie gesehen. Häge und Hügel, Wäldchen und Feldchen,und alles nur klein, unbedeutend, wechselten mit einander, von einem kam man schnell zum andern, und alle sahen sich durchaus ähnlich, so daß es schien, als käme er nicht weiter, oder als ginge er rund um und käme immer wieder an die gleichen Stellen. Er ward müde,hungerig, es war warm, und doch schien die Sonne nicht; er bekam eine längi Zyti, die immer größer ward; es kam ihm vor, als käme er nicht mehr heim,als käme er zu keinen Leuten mehr, als müßte er da rastlos wandern zwischen diesen Hügeln und diesen Hägen, bis er sterben könnte in einem der Wäldchen.Die Angst ward immer bitterer, und wer viel auf den Straßen gewesen ist, ermißt sie nicht, der weiß nicht wie es einem wird, der zum ersten Male von Hause ist, und dieses Haus nicht mehr findet, nicht mehr weiß wo es ist, und keine Menschenseele rundum, die ihn hört, keine, die Bescheid weiß. Da ward ihm noch viel ängster als gestern, da er gegen das Zyberlihaus kam, und es dunkte ihn, wäre er nur wieder dort, und er hätte sich vielleicht versündigt, weil er so gern von diesen Menschen fortgegangen, daß er jetzt keinen Menschen finden köͤnne. Es dünkte ihn, wenn er wieder einen Menschen sehe, den müßte er lieben sein Leben lang, und wenn es ein Armer wäre, so wollte er ihm helfen, so lange er selbst etwas hätte.„Guten Abend geb dir Gott!“ so tönte es neben ihm leise und freundlich. Aber hätte plötzlich eine Klapperschlange sich vor ihm aufgebögelt, oder wären Kanonen neben ihm losgegangen, Jakobli hätte nicht ärger zusammenfahren können; die Stimme schlug ihn fäst um, und als er sich umsah stand neben ihm, als wie von Gott gesandt, das Engelein, mit dem er in dieser Nacht gewandelt war in einem Garten ohne Ende, in so süßer Seligkeit, das Engelein mit den freundlichen blauen Augen und dem seidenen Haar, das sein Abendstern geworden war, der so freundlich noch vor seiner Seele flimmerte, ehe sie in den Schlaf sich senkte.Bleich war er geworden, jetzt ward er roth, aber kein Wort fand er, bis das Mädchen freundlich fragte:„Hah di erschreckt, wo wottsch?“ Da konnte Jakobli sagen: gih bi v'rirrt, und ke Mönsch hah nih atroffe,und ha Angst übercho, und wo de du so plötzlich g'redt cho. Weißt wo ich düre muß für hey?“ „O b'hütis ja, sagte das Mädchen, ich will mit dir kommen bis ins nächste Dorf, viel um habe ich nicht, und du fändest es nicht, es ist gar verirrlich. Komm, da wollen wir rechts, oder schüchst di, mit m'r z'laufe?“ „Was denkst, sagte Jakobli, aber ich möchte dich nicht versäumen.“ „O b'hütis, sagte das Mädchen, ich komme gerne und laufe dann desto gleytiger. Aber wenn di mynere v'rschämst, su sägs ume.“ „Ich wüßte nicht warum, sagte Jakobli, es ist oöppe ey Mönsch wie dor anger, und wenn ich nur wieder auf den rechten Weg komme, so ist es mir grusam dienet; si werde daheim nicht wissen wo ich bin, und grusam in der Angst fein.Ha ni no wyt hey?“ „Einmal noch zwei Stunden,sagte Meyeli, aber wo chunst her?“ Da ward Jakobli wieder roth. Er wußte nicht warum, aber dem Meitschi konnte er nicht sagen, daß er auf dem Zyberlihoger gewesen sei; er stotterte, er hätte da in Dörfern unten dem Vater Neuis müsse v'rrichte. „Wo kömmst du her?“ fragte er ablenkend. „Ich komme vom Doltor, sagte Meyeli. Dwase ist geng fehlberi (kränklicht)und muß immer doktern z'Jahr aus und zJahr ein,und keiner kann ihr helfen; z'Gunträri, wenn sie e Rung (Zeitlang) bei einem dokteret, so dünkt es sie,es böse von Tag zu Tag, wenn es schon im Anfang besseret het. Aber das kömmt daher, es mag ihr keiner die Gesundheit gönnen, und wenn einer merkt, daß es nache wär, daß si ke Züg mehr bruchti, so thut er ihr öppis dry, das ere wieder übel macht, vo wege d'Base v'rmahs z'doktere, u we si g'sung wär, su wär nüt me ab ere z'v'rdiene. Aber es ist doch o schröcklig, we me eim z'Sach e so v'rhett. Ich habe es einmal unserm Doktor gesagt; sie hat den auch einen Rung brucht, und im Anfang hets schön besseret g'ha,und wo's bald nache g'sit ist, da het es si wieder g'sureckt und ist all Tag eher hingerzi gange als fürsi. Ich habe ihm gesagt, es sei doch schröcklich, wie sie all feien, wie sie eim da so a d'G'sundheit zuche a führe,und se eim de wieder v'rheyge (vorenthielten), daß me nit chön d'rzu cho, ume für eim usz'nutze. Es sei kei Wunger, daß sie all rych werde u chönne Chaise fahre, aber notti möchte ich nicht Doktor sein, wenn es dann einmal an das Erlesen gehe, so werde es öppis heiße. Aber wohl, der hat mich schön abg'süferet. Du bist ein armes Tröpfli, hat er gesagt, und redst nicht g'schyder als d' es v'orsteyst. Dy Base ist e Narr vo dene eine, wo nit z'helfe ist. Wenn die essen würde, was andere Leute, sich an die Sonne ließe, gartnete, hackete, Erdäpfel grabte, sich brav rührte, daß das Blut unter einander kämte, die wäre schon lange gesund, aber da lyt sie bis am Nüni, suft Kaffee wie ne Kuh und frißt Eiertätsch d'rzu e Hands z'dick, berzet es paar Mal ums Hus ume u lyt wieder, u nimmt Tropfe, und frißt de z'Mittag es Bratwürstli oder es Rübstückit, nimmt e Tropf zvviel d'rzu,u de lyt st wieder, u de berzet st wieder, und nimmt wieder Tropfe, und suft wieder Kaffee, und so geht das den ganzen Tag, und z'Nacht hai sie dann Krämpfe und will ersticken, oder Bauchweh und will v'rsprenge,oder Gringweh und wott e Narr werde. Und an dem Allem soll der Doktor schuld sein. Aber ich will doch einen vernünftigen Menschen gefragt haben, ob d'r Tüfel g'sung sy chönt da weg? So uf e uv'schanti Wys het er mi abg'süferet, sagte Meyeli, und ich will doch einen vernünftigen Menschen gefragt haben, ob man arbeiten kann, wenn man krank ist? Und wenn man Schmerzen hat, so sucht man sie ʒg'stellen, und dBase sagt, so lang si eß oder öppis trink, so g'spür sie minger vo de Schmerze. Was mich dabei am strengsten duecht het, ist das, daß er myr Base z'esse und treyche für g'ha het, und darin ist grad key wüstere als er. Wenn me chunt cho springe, und sagt ihm, es hätte einen der Schlag getroffen, Gott b'hütis d'rvor, er solle springen, es müsse Blut use g'lah sy,und er sitzt gerade hinter einer Platte Säufüß oder Saäuohre, so längt er i d'Platte u nimmt no z'größt Ohr oder d'r größt Fuß u seit, sie sölle ume hei, er werd de öppe nache cho, u wer nit ufsteyt, so lan no es Möckli vo me ne Ohr i d'r Platte ist, das üse Dokter. U we me chunt cho springe, u seit, es heyg e Ma es Bey broche, und er ist im Bett oder hinger sym Schoppe, su cha me luege wie me ne vo sym Schoppe oder usem Bett bring. Ufe ne Stung uf oder nieder chöm es nicht an, und er vermöge sich dessen nicht, daß der Löhl nicht förger gehabt und die Kuh daß Bein gebrochen habe, deßwegen wolle er seine Sache nichts desto weniger haben, sagte er.Und so einer geht dann, und halt andern Leuten das Essen vor!

„Jetzt hat letzthin die Base, wo sie bald nicht mehr gewußt hat, wo aus und an, da von einem gehört,ber gar grusam g'schickt sy söll und alle Lüte helfe chön. Sie hat keine Ruhe gehabt, bis ich mit ihrem Wasser gelaufen bin, und es ist wyts, mi brucht geng e Tag, aber, und wenns zwe wär, vo wege d'r G'sundheit es wär nit z'wyt. Wo ich gekommen, da sind viele Leute gewesen; man hat gleich gesehen, daß man da zu einem b'rühmten Doktor kömmt; manche Stunde weit waren Leute da, und alle haben b'richtet, wie er weit und breit Leute geheilt habe, und von welchen Krankheiten, und der eine war zum zweiten Mal, andere zum dritten Mal da, und allen ging es weit besser, fast ganz z'weg wären sie, sagten sie, es brauche nur noch ein wenig, um nache z'bessere. Vom Doktor hat man lange nichts g'merkt; es hat immer geheißen, man wisse nicht, wo er wäre, er sei diesen Morgen da gewesen, aber jetzt wisse man ihn nirgends,und doch hätte ihn Nicmand fortgehen sehen. Wo me bald niene meh Platz g'ha het ums Hus ume, da ist er ploötzig da g'si, es het Niemere g'wüßt, wo er her cho ist, und Niemere het me dörfe frage. Jetzt het er se g'fergget eins nach dem andern, und wo die Reihe an mich gekommen, hat er mich kaum gefraget,wo ich her komme, und wo er das Wasser g'seh het,het er unb'sinnt g'seit, wo's d'r Base fehl. An alle Orte, het er g'seit, es sei eine bbse Sach, bald chlag st hie, bald chlag si dert, aber d'Hauptsach syg hingefer im Mage, u de i de klyne Därme, we die nit geng voll syge, su v'rlyre (verwickeln) si st. We si well Gedult ha, und dar ha, su well er se kurire, es soöll nit fehle;aber si müß d'r Glaube ha, e Sach, wo mehr als zeche Jahr g'währt heyg, putz me nit ih acht Tage weg, und o nit ih vierzeche. Er welle ere öppis gäh,und de söll si ihm im Afang all drei Tag z'Wasser schicke, und später all siebe, aber exakt, und an keinem anderen Tag, sonst habe es gefehlt. Essen könne sie, was sie gut dueche, aber nie zu viel auf einmal,lieber alle Stunden bͤppis. Du magst mir glauben oder nicht, vom erstenmal hat's der Base gebessert,und alle Tage mehr, und sie mag allemal fast nicht warten, bis ich heim komme und neues Zeug bringe,wenn sie ume einist e Stung lang recht gsung sy chönt, so well si gern sterbe, duech es se, het si scho mängist gseit.“

So plauderte das Madchen, von Jakobli nicht viel unterbrochen. Dem wars gar wunderlich. Ging das Mädchen voran, so sah er dessen schlanken Leib,über den, wie zwei goldene Ströme, die seidenen Züpfen nieder floßen; er konnte sich nicht satt sehen, wie das so leicht ging, daß nicht einmal ein Stäubchen am Boden sich bewegte, während List niedergetreten war, daß es in die härteste Straße Dümpfeni machte,und zwar barfuß. Wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, von einem Felsen zum andern zu springen, was ihm aber nie in Sinn kam, so hätte man noch nach Jahrhunderten Lisi's zehn Zechen im Stein gesehen und neben dem Teufelssprung noch einen Lisisprung gehabt. Ging das Mädchen aber neben ihm,so mußte er immer sein liebliches Gesichtchen betrachten,das er mit nichts zu vergleichen wußte, als mit einem Röschen, in welchem noch der Thau schimmert, so eines hatte er nie gesehen, und wie stach es ab gegen Anne Bäbis und Mädis handliche Gesichter, die voll Ecken und Höger waren und Thälern und Schluchten und dem Kämffeger kaum entronnen schienen, während Meyelis Gesicht so schön und voll und zart war, als ob es der liebe Gott selbst gemahlt hätte und geförmt.List hätte vielleicht Vielen besser gefallen, aber Jakobli kam Lisi immer vor, wie eine Donnerwolke im Abendroth, während Meyeli ein goldenes Wölckchen war im Morgemoth. List war noch viel ärger als eine gemästete Klapperrose, während Meyeli ein Blümchen war, wie er keines noch gesehen. Lisi kam ihm immer vor, wie eine Kanone, die losgehen wollte, während Meyeli ihm vorkam, wie ein freundlicher Blick aus dem Himmel, in welchem lauter Seligkeit ist. Wenn es so plaudernd neben ihm ging, die Lippen sich schlossen und öffneten, die kleinen Zähnchen so weiß aus den beiden Rosenblättchen blickten, die so hold sich schlossen und öffneten, so hatte er keine Ohren mehr,es duünkte ihn, alles an ihm sei Auge, und nach und nach werde das Auge an ihm zum Wirbel, und dieser Wirbel möchte das Mädchen fassen, ziehen bis auf seinen tiefsten Grund.

„Lue, sagte es, da must du jetzt gerade aus und kannst nicht sehlen, es sind jetzt an allen Orten Wegweiser, da chast lesen, wo du dure mußt.“ Sie standen an einem Dorfe, vor ihnen ein Wirthshaus, in der Naäͤhe ein Krämerhaus, aber alles das hatte Jakobli nicht gesehen, bis das Meitschi sagte: „Lue jetz mußt g'rad use.“ Es ist aber auch begreiflich, wenn sitzt, so nimmt man ein altes Wirthshaus und ein krummes Krämerhaus nicht neben ihns ins Nuge, so wie einẽr, der liebe Visiten hat in seinem Stübchen,nicht jede alte Vettel, die vor seiner Thüre steht, ins Stübchen führt.

Scheiden und meiden thut weh, heißt's im Liede,das fühlte Jakobli; so ein Losreißen, wo man nicht weiß ist's fürs Leben oder nicht, ist wirklich wie ein Riß in die Seele. Noch hatte er dem Meitschi nichts gesagt, nichts vom Solothurner Märit, nichts von der Kriegstetter Badefahrt, nicht gesagt, wie es ihm beide Male ergangen, oder wenigstens verblümt angedeutet, daß es nicht Hochmuth gewesen sei, warum er nicht geredet, aber z'Rede sei ihm nie z'vorderst. Das alles konnte er jetzt nicht sagen, aber es duechte ihn,er möchte noch; da fiel ihm was ein; ein wunderbares Etwas gab ihm Einfälle und den Muth, sie auszusprechen: Er hulf e Halbi ha, sagte er, er zahle gerne eine. Es danke, sagte das Mädchen, aber es müsse presstren, die Base blange (warte mit Verlangen) immer grusam, und es hätte sich schon versäumt. „E ume e Halbi sumt nüt,“ sagte Jakobli, und da er gehört hatte, die Mädchen müßten sich erst reißen lassen,ehe sie zum Wein duürften; wie man z. B. auch Schweine an den Ohren zieht oder an den hintern Beinen, wenn man sie aus dem Stall oder in den Stall haben will, so nahm er Meyeli bei der Hand und sagte: „Chumm!“ Die Hand war so lebendig,so etwas hatte er sein Lebtag nie in der Hand gehabt;Leben, ganz schwallsweise, stromte aus derselben über ihn; er vergaß das Schreißen, hielt die lebendige Hand in seiner Hand und bat noch einmal: „Chumm doch recht.“ Und das Meyeli ließ ihm die Hand, und es dunkte Jakobli, als sprühe die Hand immer lebendigere Funken aus, wie aus der Elektrisirmaschine die Funken auch immer lebendiger strömen, je inniger die Berührung wird. Des Meitschis Backen wurden röͤther,seine Augen blauer; es zuckte in seinem Munde; aber es sagte: „Wäger nit, Dankeigist; ih muß gah, zürn doch recht nüt; aber was wurde d'Lüt säge, wenn ih mit eme frönde Bursch wurd gah e Halbi trinke, u was wurd d'Base säge, wenn si's v'rnähmti.“ „Si vornimmts nit“, sagte Jakobli. „Ih weiß's nit“, sagte Meyeli, „aber ih chumme notti nit, ih mangles nit,und was nit recht ist, ist's nit, v'rnehm si's oder v'rnehm si's nit. Aber zürn nüt, dynetwege chäm ih gern. Jetzt muß ich gehen, adie wohl!“ Und somit wollte Meyeli seine Hand nehmen und gehen. Aber Jakobli hielt sie noch, ünd Meyeli that das Wüsteste 209 nicht, und Jakobli sagte: „So komm zum Krämer,etwas kramen möchte ich dir.“ „Dankeigist“, sagte Meyeli, „aber ich dürfte es nicht heim bringen; was sollte ich sagen, von wem ich es hätte? und z'lügen bin ich nit g'wohnet.“ „So nimm das“, sagte Jakobli, und wollte ein Hämpfeli Münz dem Meyeli in die Hand drücken. „Das erst nicht“, sagte das Mädchen, „spar das, bis wir wieder zusammen kommen,wenn's Gottes Wille ist, und zahl mir dann eine Halbi, vielleicht schickt es sich dann besser. Adie, leb wohl, jetzt muß ich,“ und somit riß es sich los; aber man eh es, es kostete ihm Mühe, und ein inneres Etwas redete Jakobli z'best; aber es blieb bei dem,was es für Recht hielt, kostete es ihns, was es wolle.Flüchtig eilte es seines Weges, aber mehr als einmal drehte es sein Köpfchen, allemal sah es Jakobli noch an der gleichen Stelle stehen und es kam ihm vor, als hätte es ihn nicht recht b'richtet, als wüßte er nicht,wo aus, als sollte es zurück und noch einmal den Weg recht ihm zeigen, und doch that es es nicht, gäb was sein Herzchen einredete und sagte: „Was hilf's ihm,daß du ihn bis dahin geführt, und er weiß jetzt nicht weiter?“ Aber ein anderes Etwas sagte ihm, daß wenn er noch einmal ansetze für ins Wirthshaus, so sei keine Kraft mehr da zum Widerstand, es thue,was nicht recht sei, darum solle es nicht umkehren und Gott und guten Leuten den Burschen überlassen. Und dieses Etwäs siegte, und flüchtig eilte es der Base zu,dachte aber dabei wenig an die Base. So glücklich geht es aber vielen Mädchen nicht; in rascher Kraft haben sie einer Versuchung sich entrissen, aber das schwache Herz treibt sie wieder in dieselbe zurück und sie sind verloren. Es ist sehr seltsam, dieses Zurückkehren der Mädchen zu sehen, und wer sich auf die Herzen nicht versteht, nimmt Losreißen und Zurückkehren für absichtliches, vorbedachtes Locken. Ach nein,er thut meist Unrecht. Es ist der gute Geist, der mit dem schwachen Herzen kämpft, mit dem guten Herzen,das nicht gerne weh thun, nicht gerne böse machen 14 will, das von jedem nur versoöͤhnt und in Liebe scheiden möchte, und nicht weiß, wohin dieses Versöhnen führt,nicht weiß, daß sein Herz schwächer ist, als sein Geist gut ist. Aus dieser Weichheit wird das härteste Unglück geboren. Versteht sich, daß ich da nicht von alten Coquetten rede, die diesen Weg alle Tage machen, und vielleicht jeden Tag manchmal, sondern von weichen, guten Mädchen, welche noch das Herz regiert und nicht die Absicht. Aber waren alte Coquetten nicht vielleicht einst eben solche gute, weiche Mädchen, und ist ihr Treiben vielleicht nichts anderes, als ein vergebliches Streben, das natürlich zu wiederholen, was sie einst aus Natur gethan?

Solches aber dachte Jakobli nicht, als er am Kreuzwege stand und dem Meyeli nachsah, bis es verschwunden war. Aber es war ihm, als schwebe etwas aus ihm selbsten weg, und müsse er da warten, bis dasselbe wiederkehre. Aber es kam nicht wieder; er blieb einsam, es ward ihm recht elend zu Muth und er wußte wirklich nicht, welchen Weg er nehmen sollte.

Er kehrte alleine ein, ganz mucht und öde an Leib und Seele; es dünkte ihn, wenn er nur daheim wäre,er wollte darum geben, was er hätte. Es ist gar kurios, wie in gewissen Zuständen oder Stimmungen man das Köstliche geben thäte für nichts und wieder nichts, nur weil ein augenblickliches, meist vorübergehendes Bedürfniß, oder aber eins das nach wenig Worten auf üblichem Wege gestillt würde, es zu fordern scheint.So verkaufte Esau sein Erbrecht, so erschlug Kain den Abel, so uüben noch Zorn und Sinnlichkeit, aber auch Mattigkeit und Liebe, mächtige Gewalt über den Menschen äus.

Als er aß und trank besserte es Jakobli wieder; er hãtte schon nicht mehr halb so viel darum gegeben,daheim zu sein, und die Zukunft schien ihm auch nicht so öde und trostlos; er sah muthiger hinein; er dachte,es sei doch kurios, daß er das Meitschi immer antreffen müsse, das werde nicht so für michts und wieder nichts geordnet sein, es heiße ja, es geschehe nichts umsonst und nichts ungefähr, und mit List sei es noch nicht ausgemacht, und wenn es schon seine Neuthaler habe, so werde das, so Gott wolle, nicht viel zu bedeuten haben. Ganz ungestört saß er bei seinem Schoppen; die Gaststube war leer, der Wirth mistete, die Wirthin aber rüstete Bohnen vor dem Hause, und wer drinnen etwas wollte, der mußte sich künden auf beliebige Weise; die einen riefen: „ist Niemand daheim!“die andern: hosche hol die dritten schlugen auf die Tische; da aber Jakobli vor der Wirthin Nase hineinging, so brauchte er von diesem allem nichts zu machen; sie kam, gab und ging; später ein klein Mannli,der mit Zunder handthierte, mußte alle drei Manoövers machen, ehe die Wirthin sich zeigte. Sie soll zur selben Zeit nicht Bohnen gerüstet, sondern eine Privatunterredung mit dem Wirth gehabt haben hinterm Mist,wobei beide sich sehr undiplomatisch benommen und offener Krieg ausgebrochen wäre, wenn das Zundermannli dießmal nicht ein Loschmannli gewesen, und der Wirthin zum Absetzen geblasen hätte. Der gestrige Abend soll der Zankapfel, und ein jedes dem aändern zu zärtlich gewesen sein.

Als die Wirthin das Mannli mit Brönz versorgt hatte und derselbe mit Jakobli alleine war, frug er:„Manglist ke Frau? du bist doch noch ledig; ih wüßt d'r vrflucht brave, und werchbare u ryche du chaust usläse. Wem bist?“ Jakobli sagte, er käme da obe ache (oben herab) und es sei ihm noch wohl so, wie er sei. „Los, sagte das Mannli, wed de eine für e Narr ha witt, su häb de e angere d'rfür und nit üsereim. Allem an bist du ein Bauernsohn, und gestern war Tanzsonntag, da bist du auf d'Wybig gewesen,sonst liefest du nicht so g'suntiget im Land herum; aber du warest nicht g'fellig, sonst machtest du nicht ein Gesicht wie eine Kuh, wenn man ihr ein Trank einschütten will. Lue, üserein chunt z'viel ume angere,und es Bürschli wie du ist z'muzes (zu kurz, zu dumm)für so ne Alte wie ich und der so viel herumkömmt.Aber erhaych di deßwege nit und erschieß di nit; we di eini nit will, su hange d'rfür zechne a, wie dBlutsuger de Rosse, und je eher einer eine Frau nimmt,desto eher wird er den Meitschene los, und die sind hürmehi (gegenwartig) eine Plage, man glaubts nicht,aärger als d'Brämen (Bremsen) im Sommer. Seh,ich wüßte dir, da fehlts dir nicht, Ryche und Schöne vom Tufel, und g'ästimirte, vo rechte Lüte nache.Kennst d'r Zyberli Bur?“ “Nein,“ sagte Jakobli, und zog die Kappe noch mehr in die Augen, denn z'Lügen war seine Sache nicht. „Der hat viere, sagte das Mannli, eine töller als die andere, sellige find't man nicht z'Land auf z'Land ab; mi chönt uf die vier e Chile abstelle, sie hättens. Dort ist noch ein rechtes Bauernwesen, wie sie albez g'st sy, wo man die Milch nicht wiegt, und d'Flachsstengel nicht zählt, und den Hühnern nicht abgugget bis alle gelegt. Da sind Sache gnue, u Land, d'r Bur weiß selbst nicht wie viel, und Geld gnu u Heu gnue, u Korn meh als z'halbe Fviel. Da wär e Schleck für dich. Die Aeltest die bekommst nicht, die hat schon einen, grusam rych soll er sein, aber e Halbbling und vo de Blattere v'rschnürpft, grad wie du. Es nimmt mich Wunder,daß sie ihn nimmt. Aber es ist nit die eigeligisti (nimmt es nicht genau), und hat sich schon mit gar Manchem abgegeben, und hat grad jetzt e G'schleipf mit eme frömde Metzger. Sie wird denken, es sei besser einen Spatzen in der Hand als zehn andere Vögel in der Luft. Die möchte ich dir nicht gerathen haben, aber die andere sind ganz angers, brav bis äne use, und werchbar wie Ketzer. Vo dene eini nimm, wed mer zwo Duble vorusgist, so mache ih, daß de chaust uslese welli d'r am beste g'fallt, und wed einist eini hest,su weiß ih wohl, ih überchume de no zwo angere nache.Oder wenn dir dann die nicht gefallen, aber da müßtest du ein appartige sein, so wußte ich dir noch eine andere; eine einzige Tochter wär's, o es meineidig es styfs Meitschi und es lustigs, u cha weltsch, das chöntest bruche i alle Spiel. Es kann tänzerle und singerle,daß me nüt so g'seht und g'hört, und cha sust thue,daß me z'luege gnue het, so styf und manierlig, daß me nit weiß, wo me d'r Gring het. Und rych wär die auch, wenigstens 2000 Pfd. Ehesteuer würde es da geben, und wenn einer bei ihnen wohnen wollte,so könnte er da umsonst sein, zeyse fürschlah und werche, was er gerne wett. Die nimm, wed mör drei Neuthaler uf d'Hang gist, ih führe di no hüt hi,es ist nit so wyt. He was meinst, was seyst d'rzu?sind die nicht anständig, so weiß ich noch mehr, aber so alles bi ne angere, wie an diesen zwei Orten, wüßte ich es nirgends.“ So redete das Mannli auf Jakobli ein, und der war in der groößten Verlegenheit. Er zog Haar und Kappe noch mehr über die Augen, damit man nicht merke, daß er Lisi's Halbbling sei, und dachte, wenn er nur da weg wäre, für einmal wüßte er genug. Aber die Wirthin kam nicht, und das Mannli saß gerade bei der Thüre, wo er an ihm vorbei mußte,wenn er fort wollte, und konnte ihm unter die Kappe gucken, dann hätte alles Verläugnen nicht geholfen.So saß er da viel länger als er wollte, und als endlich das Mannli in die Küche ging, Tuback anzuzünden, so ging es schon streng gegen Abend. Er fand die Wirthin beim Brunnen, wo sie etwas zu waschen schien, eigentlich aber da stund, um dem Manne, der mit dem Mist am Brunnen vorbei mußte, beim hin und herfahren eine Ladig mitzugeben. Sie war da so gleichsam ein Posten an einem Hohlweg, der allemal feuerte, wenn Jemand vorüberfuhr. Ich will wetten,die Weiber wissen aus bloßer Natur sich besser zu postiren zum Feuern, als mancher studirte Scharfschützenhauptmann.

Endlich zog Jakobli seines Weges, auf dem er nicht mehr irren konnte; das kam ihm aber wohl. So viel Vernommenes, so viel Erfahrenes, so viele Gedanken hatte er sein Lebtag nicht zu verwerchen gehabt. Ueber List hatte er also von allen Seiten schlechten Bericht,und was er selbst gesehen war nicht besser. Aber glaubte es ihm die Mutter? Er hatte es noch Niemand gesagt,aber wissen that er es, daß nicht mehr als eine Sache Platz hatte in ihrem Kopfe, und wenn die einmal drinnen war, so saß sie noch fester darin, als vielen Leuten die Zähne im Munde, denen man alle Mal ein Stück vom Kiefel mitreißt, wenn einer raus soll, und manchmal ihn nicht einmal raus bringt, eher den Kopf ab. Wie sollte er mit der Mutter z'weg? und wenn's mit der gelang, konnte man sich überhaupt losmachen?Der Alte hatte die G'schrift, List die Neuthaler, und was jedes für sich und beide zusammen zogen auf der Waage des Rechts, das wußte er nicht. Er dachte,wegen den Neuthalern könnte es zum Eid kommen, ob er sie gegeben oder List sie genommen, und ein Eid sei in allweg eine schreckliche Sache, dachte er. Keiner sei noch in ihrer Familie gethan worden, so weit hingere man wisse. Wenn es dahin kommen sollte,dachte er, da hätte die Sache gefehlt, einen Eid ließen seine Eltern deretwegen nicht gehen, und er könnte das ihnen nicht für unguüt halten. Aber schrecklich wärs.Man kann sich eigentlich kaum denken, wie hülfund trostlos es einem Menschen wird, der auch nicht die bloße Idee vom Recht hat, und durch Umstände ins Gebiet des Rechts verschlagen wird. Wenn einer in ein fremd Land kömmt, wo alle Lente eine fremde Sprache reden, anders gekleidet sind, das einfäͤltigste Kraut anders gekocht wird, so daß keine vernünflige Seele mehr weiß, was für ein Kraut das ist, da wird ihm so unendlich unheimlich; es wird ihm weh ums Herz, er kriegt das Heimweh. Wenn einer Schiffbruch leidet, die Wellen ihn spühlen an wirthloses Ufer,

Sand ringsum, da wird ihm noch mehr Angst; mit all dem Sande kann er nichts machen, ihn weder essen noch kochen; aber was Andere aus dem Sande machen könnten, das weiß er nicht, und die, welche im Saude oder hinter dem Sande wohnen kennt er auch nicht,weiß nicht was sie mit dem Sande machen, und ob sie ihm helfen oder im Sande verscharren werden.

Ob Löwen oder Hyänen, Salamander oder Rhinozeros in diesem Sandmeer wohnen, oder hinter demselben,das weiß er ja Alles nicht.Und wenn einer auf einem Felsen erwachen würde,wohin er gekommen, er weiß nicht wie, und der Fels wäre in Kalabrien oder in Korsika, und er schrie erbärmlich um Hülfe, und da erschienen Männer mit Schnaäͤuzen und Bärten, Flinten und Dolchen, Karabinern und Hunden, immer einer ein ärgerer Räuberhauptmann als der andere; muß der nicht bleich werden wie der Tod, glauben, es sei Matthäi am letzten,wollen, er hätte geschwiegen, und in der schauderhaften Verlegenheit sein, welchem der Räuberhauptleute er sich anvertrauen wolle, welcher der manierlichste sei und am sanftesten ihn plündere, martere, schinde,kreuzige, und was grüüsliches er sich alles denkt. Versteht sich, sie kommen ihm nur als Raäuberhauptleute vor, weil er die Race noch nicht kennt; es sind alles die brävsten Leute von der Welt, die Edelsten des Landes, die Väter des Volkes; aber er kennt halt die Tracht nicht, und weiß nicht, daß in jenem Lande die Brävsten Bärte haben und Pistolen, und daß gerade dem,welcher den ärgsten Bart hat und die längsten Pistolen, am meisten zu trauen ist. Und eben weil er dieses Alles nicht weiß, so fürchtet er sich so grusam,glaubt sich verrathen und verkauft, und möchte sich lieber selber schinden, als von Andern schinden lassen,wenn's doch geschunden sein müsse, und weiß doch nicht wie es anfangen. Was da einer für Aengsten ausstehen muß, kann man sich denken.

AnII Schwelle des schrecklichen Landes sah, in dem die Prozesse liegen, Eide, lange Schriften und noch längere Reden, schreckliche Namen, auf die er sich so wenig verstund als ein Berner aufs Kraut im Züurcherbiet.Es wird aber nicht nur Jakobli so gehen, sondern noch gar Manchem, und je länger je Mehreren, wenn sie ans Ufer verschlagen, wo der gesunde Menschenverstand in die Brüche geht, Kauderwelsch geredet wird,auf das kein ehrlicher Mensch sich versteht, Recht und Unrecht durch einander liegt, wie Kraut und Ruben;begnadigt wird, wer zu Olim's Zeiten gehängt worden wäre, und auf Maul und Haupt geschlagen wird, wer zu Olim's Zeiten als eine ehrliche Seele gegolten hätte und ein Vaterlandsfreund genannt worden wäre. Katzangst und brühwarm lief es ihm den Rücken auf, aber wie am schwarzen Gewitterhimmel die Sternlein doch noch stehn, und kehr um kehr, wo ein jedes kann,freundlich dem Menschen blicken, und ihm sagen, er folle nicht verzagen, wo sie seien, sei der Vater auch noch, so blickten durch seine Angst freundliche blaue Augen, und aus dem einen Auge funkelte Glaube,und aus dem andern Hoffnung, strahlten ihm Muth ins Herz, Licht auf den Weg, und in aller Dunkelheit fand er einen Rath. Offen wollte er sagen, wie es ihm ergangen, und wie er nicht moöge; müsse es dann erzwängt sein, nun so dann in Goites Namen, so könnten sie zusehen wie es gehe, er vermöge sich dann dessen nicht. Wie er so studirte und die Worte probirte, die er der Mutter sagen wollte, und die rechten VD ans Reden ginge, sah er auf einmal vor sich ein Lichtchen. Das Lichtchen schien hin und her zu schwanken,siund bald stille, bald bewegte es sich vorwärts, schien bald hoch bald niedrig, bald verschwand es; dann war es urploötzlich mitten in der Matte, durch die Jakobli eben gehen mußte. Viel von feurigen Männern hatte Jakobli schon gehört, aber keinen noch gesehen. Er wußte, daß das Männer waren, die Marksteine versetzt hatten, Land gestohlen, oder ungerecht Gut vergraben und es hüten mußten als höllische Hunde mit feurigen Augen. Er hatte gehört, wie einst einer einem Fuhrmann nachgesprungen sei und ihm die Hand geboten habe. Der Fuhrmann aber, nicht dumm, streckte den Geißelstecken dar statt der Hand, und an selbigem seien alle fünf Finger eingebrannt gewesen. Andere hätten Leute gelockt in tiefe Löcher und Glunggen und dort sie ersauft elendiglich. Das Alles wußte Jakobli,und jetzt sah er vor sich solch einen feurigen Mann,und bald sah er ihn nicht, und allemal, wenn er ihn wieder sah, war er näher, schien größer und feuriger.Jetzt erst begann der arme Bursche zu fühlen, was eigentliche Angst sei. Das Herz zog sich ihm zusammen,wie ein Geldseckel zusammen gehht, wenn man am Schnürchen zieht; die Beine schlotterten ihm, Schweiß bedeckte ihn, und der feurige Mann kam immer näaher,doch nur langsam. Er wollte fliehen; da that der feurige Mann einen Satz, es war schrecklich, er glaubte schon seine feurige Faust faßte ihn im Nacken dann sah er ihn plötzuich nicht mehr. Wohl, da tauchte er wieder auf, kroch näher ganz niedrig, flammte feuriger als nie, und fing jetzt sogar an zu reden, aber nur ganz leise und in fremder Sprache, er konnte nichts verstehn, aber es war als ob zwei redeten; ja jetzt sah er hinter dem feurigen Mann einen Schwarzen,einen dicken langen Schwarzen, und der kam mit und hielt den andern, aber an was sah er nicht; das war also der Teufel, der den andern langsam spazieren führte auf dem Anger seiner Schande. Jetzt aber war es Jakobli nicht mehr zu helfen; fliehen konnte er nicht,neben aus konnte er nicht, verstecken auch nicht, er begann zu beten leise, lauter, immer lauter je näher der Schwarze kam mit dem Feurigen vor sich her.Da kam ihm in Sinn, daß, wenn gebetet werde, die feurigen Männer näher und näher kämen, wie die Schmachtenden zur Quelle; und richtig, plötzlich schoß der Feurige auf ihn zu wie ein Habicht auf eine Taube,und verständlich deutsch rief er: „Herr Jemer, Herr Jemer!“ und hinter ihm drein rief der Schwarze: „du donstigs Stürchli du, gib doch Acht, wofür hest z'Liecht!“Und zu seinen Füßen hob der Feurige sich auf, und das war Mädi, und hinter ihm der Schwarze war Anne Bäbi. Die beiden Weiber hatten, als es dunkelte, Jakoblis Abwesenheit nicht länger zu ertragen vermocht; so lange war er sein Lebtag noch nicht ausgeblieben, und noch dazu ohne Laternli. Beide dachlen das Gleiche, und keins wollte den Namen haben.Mädi wollte dem Sami angeben, er müsse Oehl holen.„Hätsch es früher g'seit, jetzt gah ni nimme,“ sagte Sami. Anne Bäbi wollte Hansli schicken, und sagte,er könnte dem Bub entgegen, so häͤtte der kürzere Zyti.„D'Lederschuh heyg d'r Schuhmacher, sagte Hanusli,und d'r Weg ist ihm künds,“ und setzte sich hinter das Haus aufs Bänkchen. „Und wenn er z'mitts am Ersuffe wär, er züg ne nit use, dä Uflath,“ sagte Anne Bäbi in der Küche.

„He, wes d'»r dienet ist, so will ich das Laternli nehmen, und dann gehen wir mit einander, sagte Mädi,aber alleine gehe ich auch nicht, ih förchte m'r düre Ischlag, und b'sungerbar dur d'Matte. Es ist unPYhürig a bede Orte. Im Aschlag soll e Ma und e Frau umecho, die dert es unzytigs Ching vergrabe hey us Gyt, will si ihm kes Bäumli hey möge la mache,und i de Matte, da sy de die fürige Manne, mengist ganz Kuppele, und die solle auf dem Wobervolk sy wie Ketzer. Aber wenn üsere zweu gange und no mit eme ne Laterni, su werde si eim wohl ruhyig lah.G'spenster schüche z'Liecht, seyt me.“ Das war Anne Bäbi anständig, indessen zeigte es es doch Mädi nicht und branzete auf dem ganzen Wege mit ihm; bald hielt es das Licht zu hoch, bald zu niedrig, bald sollte es voran gehen bald hinter her, weil das Licht blende.Wenn Mädi stolperte über die vielen Wassergraben und dahin schoß über den Boden weg, und mit Noth das Laterni davon kam, so kriegte richtig Mädi allerlei Titel, doch nur leise, denn auf einer ung'huüͤrigen Matte schickt sich das Zanken nicht wohl, selbst zweien Weibern nicht, b'sunderbar z'Nacht.

Aber Jakobli hatte auch hell aufgeschrien, als der feurige Mann zu seinen Füßen kugelte, so daß auch die Weiber kreischten vor dem unerwarteten Schrei,und meinten, Mädi sei auf ein Ung'hür trappet und das schreie so. Es ging lange, bis Jakobli begriff,daß Mädi und Mutter vor ihm seien, und noch länger begriff Mädi nicht, daß Jakobli nicht das Ungeheuer sei, welches einen Gux ausgelassen. Anne Bäbi balgete den Jakobli, daß er sie so erschreckt, und Jakobli sagte, er hätte sich fast g'förchtet und geglaubt, es käme die Matte herab ein feuriger Mann und no Eine by nim, er dorf nicht sagen wer. Das nahm Anne Bääbi sehr übel, daß er sie, seine leibhaftige Mutter,für ein Gespenst genommen, oder für noch was ärgers.Er hätte doch denken sollen, sagte es, daß sie es seien und Niemere angere; d'Mutter gar füre Tüfel z'näh,het me je vo so öppis g'hört! Anne Bäbi war nicht von diesem Gedanken abzubringen, zu sehr großem Verdruß von Mädi, welches gerne den Reisebericht gehört hätte. Von dem war aber diesen Abend nicht die Rede. Anne Bäbi hatte dieses im Kopf, Hansli war nicht g'wunderig, und gäb was Mädi probirte, es mußte mit ungesättigtem G'wunder ins Bett.

Als Jakobli heim kömmt kriegt er Räthe.Am folgenden Morgen kam die Mutter und nahm die Sonntagskleider in Empfang, während Jakobli noch im Bette läg, brachte die Werktagskleider und erlas,wie üblich, die Saäͤcke. Das Büscheli Münz legte es auf den Tisch, fuhr zwei drei Mal in allen Säcken herum, und frug endlich: „Aber Bueb, wo hest d'Blattere mit de Neuthalere?“ „Es het m'r se g'no,“ sagte Jakobli fast weinerlich. „All same? sagte Anne Bäbi,das ist wohl viel ungereinist, aber wo die waren sind noch mehr. Aber all hätt ich ihm doch nicht gelassen,es waren mehr als fünfundzwanzig; die angere wäre sust o no z'bruche g'st.“ „Es hat sie nicht alle beR und ich habe ihm gesagt, es solle sie mir wieder geben,aber es hat nicht wollen,“ sagte Jakobli. „Du bist doch d'r Leidest (schwächste, sowohl geistig als körperlich), aber grad so eine Frau manglest du, es könnte sonst jedes Kind mit dir machen was es wollte; aber wohl, die wird dich schön rangixen; z'Sach ist also richtig, wenn seu m'r uf Burdlef?“

Nun schlug Jakoblis Herz, nun mußte er den gestern geladenen Schuß thun; aber als ob es ein alter verrosteter wäre, wollie er lange nicht losgehen, bis Anne Bäbi sagte: „was hast du so zu lurggen (reden und doch nichts sagen wollen oder dürfen), red doch nse.“ „Es hat mir nicht gefallen, sagte endlich Jakobli, und ich wollte grüslich gern, es würde nichts aus der Sache, und wie ich vernommen, haben sie boöses Lob allenthalben.“ Nun erzählte er, wie er die Sache angetroffen, wie man ihm es gemacht, was ihm die Wirthin und das Schwummmannli gesagt, und daß man ihn nur möchte für e Hunghafe, und für e Narre ha, und z'selb wär ihm doch neue grüseligh,so müsse d'rby z'sy so lang er lebe. Aber aus alliem dem ließ Anne Bäbi ihm nichts gehen. Er hätte darnach gethan, sagte es, darum sei es ihm auch so gegangen; mi müß de so thue, wenn man einem Meitschi gefallen wolle, nit tanze und nit mit ihm hey. Es hätte es gerade auch so gemacht wie List, es wüßte nicht, warum ein junges Meitschi nicht tanzen sollte,und mit wem man tanze mit dem gehe man heim.Und er hätte ja daheim nicht einmal nach List gefragt,oder hätte etwa die Mutter gehen sollen und ihm noch die Thüre aufthun? Ja wolle! Daß die Uerti groß gewesen sei, dessen vermögen sich ja z' Zyberliburen nichts, der Wirth hätte sie gemacht und nicht sie, und wenn man eingeladen werde, so wüßte es nicht warum man der Sach borgen (schonen) solle, wenn man Alles umsonst habe. Und es mache ja nichts, sondern sei eine gute Gelegenheit gewesen zu zeigen, daß er Geld hätte. Wie bravs sei es nicht von List gewesen, daß es ihm noch das Geleit gegeben; es hätte es chum gethan wo es jungs g'st syg. Daß es ihm das Geld genommen, geschehe ihm recht, und Lisi hätte gar recht gehabt. Warum hätte er ihm nichts gekramet, wie es oppe d'r Bruch sei; wenn es öppis het welle übercho,su het es selber müsse näh. Du hests grad wie d'r Aetti, dem wäar auch syr Lebtag nie z'Sinn cho m'r öppis a z'biete, weder Spys no Trank, no Chieyder,und we ni nit ha welle blutt laufe oder Hunger sterbe,su ha ni o selber müsse näh, wohl, däs hert me de bi sellige Knüdere (eingedrückte Leute) wie du und d'r Aetti sy beissame.“ Aus den erhaitenen Nachrichten wollte es ihm durchaus nichts gehen lassen. Es sehe,die Leute seien allenthalben gleich, könnten Riemand ruhig lassen, und gönnten Niemand sein Glück, und wenn sie Jemand aufweisen könnten, so ginge ihnen das über Metzgete und Sichelten. Man müsse sich den Leuten gar nicht achten, sonst komme man heut zu Tage gar nicht durch die Welt. Und was Jakobli sagen wollte vom Hauswesen und der Landwirthschaft,das fertigte Anne Bäbi mit den kurzen Worten ab,„was wollte sich e Sellige, wie du bist, darauf verstehen, so komm mir nicht; da sieht man wie du aufgewiesen bist.“ So hatte Jakobli all sein Pulver verschossen, und rein umsonst. Wie man Schuß um Schuß auf ein Rhinozeros schießen kann, und noch mit groben Kugeln, und es gibt nicht einmal ein Dümpfi in der Haut, so hatte Jakobli alle seine Schüsse abgefeuert und kein einzig Dümpfi gemacht in Anne Bäbis Entschluß. „Seh, stang uf, sagte es, d'r Kaffee kalI und de im Stübli fingst no es Plättli Eierrosti.“

Müde und trübselig stand er auf, aber essen mochte er nicht. Er trappete in den Stall zu den Tauben,sah was es Neues gegeben. Da fragte ihn der Vater:Fehlt d'r?“ „Apparti nicht,“ sagte Jakobli. „Wie 9 gange?“ fragte der Vater. „O öppe nit am besten,“sagte Jakobli. „Hets d'r nit g'falle?“ fragte Hansli.„Nein, wäger nicht, sagte Jakobli, und wenn ih ume nuüt me vo dene Lüte wüßt.“ „Ho, sagte Hansli, da wird me no geng d'Wähli ha.“ „Es duecht mich auch,“sagte Jakobli, ünd war wieder heiterer und konnte dem Sami sagen, er hoffe, es gebe nichts davon, der Vater wolle es auch nicht. „Und d'Mutter?“ fragte Sami. „Die meint es müsse sein,“ antwortete Jakobli.„Ja, so gib Acht und wehr di brav, rieth Sami, we di bppis im Gring het, so blast's weder d'r Bysluft drus no d'r Wetterluft.“

Das arme Mädi war am bößten dran, der G'wunder versprengte es fast, und Niemand gab ihm Bericht;und Anne Bäbi hutete den Jakobli vor Mädi so vieil es konnte, weil es wohl dachte, wenn Mädi dazu reden könne, so mache es dem Bueb den Gring auch noch groß.

Als am Abend Hansli mit Anne Bäbi alleine war,sagte Hansli: „Es g'fällt dem Bueb nüt, ih däich mir ließ es sy, es git öppe no angere.“ „Was, sagte Anne Bäbi, mir ließen es sein! Du hast gut reden du, du Knüder du, du hast ja keinen Tritt v'rsetzt darfür. Die Müh und Läuf und Gäng habe ich alleine gehabt, und d'Schang fött ich auch alleine haben, wenn es aus der Sache nichts gebe. Ist d'Sach so nach zuche g'werchet, su daich ih, es gebe etwas daraus,ich will de nadisch luege, ob ich zu keiner Sache mehr etwas sagen solle.“ So begehrte Anne Bäbi erst mit dem Mann auf, dann über Jakobli, das sei ein dummer Bueb u synere muüß me si gar nit achte, er sei aufgewiesen worden von bösen Leuten. Es sei nur einmal reuig, daß es ihn so alleine hatte gehen lassen.Aber das werd er schon vergessen, und wenn es einmal geschehen sei, so werde Niemand fröher sein als er. Es hätte viel gehört, man solle die Kinder nicht alles Meister lassen, sonst komme es nicht gut. Hingerdry danke st eim de, we me se recht g'ranschirt heyg,und es glaubs, und so well es si nit v'rsünge a sym einzige King, wo me ja sys Glück well u nüt angers,und z'Sach můß zwängt sy. „Meinst?“ fragte Hansli.„Ja ih meine, ja!“ sagte Anne Bäbi.

Am folgenden Tag befahl Anne Bäbi dem Sami,er müß zum Sattler und ne heiße cho; am Wägelikommet müß z3 Hingerg'schirr plätzet sy und d'r ganz Kommet g'salbet, und es preßir, sie mangletes, sie wette neue bald ausreiten. „Ausreiten, dachte Sami.Ausreiten wollt ihr?“ fragte er Jakobli. „Weiß nüt,“sagte dieser. Da erzählte Sami seinen Auftrag. „Nimm dich in Acht, setzte er hinzu, z'Sach ist nicht richtig,es wird sölle zwängt sy, aber thus nit, wehr di; wenn's so ist wie d' seyst, mi zwängti me mit viere Rosse nit.“ 223 Während Anne Bäbi Mädi hütete und nicht an Sami dachte, rührte der ihm Wust in die Milch; ach,Anne Bäbi dachte nicht daran, wie schwer es ist, etwas durchzusetzen, das man in seinem Kopf hat und sonst in keinem andern ist, und wie noch viel schwerer es ist, zu verhüten, daß die andern sich gegenseitig etwas in die Köpfe setzen, was dem, welches man in dem eigenen hat, schnurstrak entgegen ist. Die Diplomatik ist ein Punkt, mit dem ein Anne Bäbi nicht recht fortkömmt, und doch gibt es kein Anne Bäbi,von dem Diplomaten nicht noch was lernen könnten.

Jakobli fragte den Vater: „Wo muß es hi g'ritte sy ?“ „Weiß nit,“ sagte Hansli. „Uf Burdlef denk, wäge dyr Sach.“ „Gaabsäge?“ fragte Jakobli. „D'Mutter ist nit Sinns,“ sagte Hansli, „du seiest nur aufgwiesen, und we mes einist richtig macht, so ist's de für (vorbei).“ „Aber Vater,“ sagte Jakobli, „doch recht nit; i mag se nit; wed g'seh hättist, wie sie mit mir umgegangen sind. Für e Hung hey si mi g'ha, und we si mir's jetz so mache, wie wurd's erst ga, we de z'Sach richtig wär?“ „Es bessereti viellicht, u mi g'wahnet si. J wett emel probire, d'Lüt säge gar Mängs,“ antwortete Hansli. „Ach mein Vater,“ sagte Jakobli,“ wäͤger, wäger mag ih nit; es gruset mir ab dem Weibervolk; lieber wett ih no Mädi.“ „Oeppis Narrs e so,“ sagte Hansli, und lachte zur Seltsami einmal. „Es ist m'r Ernst, Vater,“ sagte Jakobli, „numme die nit; es duecht mi, lieber wett ih sterbe.“ „Nit, z'wänge wott di nit; es ist notti kes Muß, aber es wär m'r afe, daß das Kär (wiederholtes Wollen) aufhörti und das G'spräng; es ist m'r afe erlidet,“ sagte Hansli. „He nu so de,“ sagte Jakobli, „so saggs em Muetti, es soll mi nimme plage,ih wett lieber sterbe.“ „Aber,“ sagte Hansli, „es muß doch öppis a d'r Ufwysig sy; hest m'r nit g'osyt, es gefall der?“ „Wenn? Aetti, nit daß ih wüßt,“ sagte Jakobli. „He b'sinn di, i d'r Hofstatt, wo m'r B'schütti us tha hey,“ sagte Hansli. „Du hest Neuis g'seit,aber ih ha's nit recht chönne v'rstah,“ sagte Jakobli,„aber vo Hürathe het m'r ke Mönsch nut g'seit.“ „He nu so de, sagte Hansli.

„D'r Bub' wott nit, u es ist ihm Erst,“ sagte Hausli seinem Anne Bäbi, sobald sie zufällig unter vier Augen kamen. „Su wehr er si, mynethalb,“schnauzte Anne Bäbi, „z'Sach muß doch sy, u we du e rechte Vater an ihm wärest, so seitist du ihm z'Sach o; aber ih, merke wohl, du wysist ihn auch auf. Du wirst meinen, an zwei Weibervölkern hättest du genug. Aber wart ume, es nimmt mi de z'lest Wunger, wer Meister ist, und ob ih mi de so soll lah Schange mache. Da cha me nümme hingerzi, g'schribe ist g'schribe, u frag d'r Bub, wie mänge Neuthaler zMeitschi vo nim het. Wenn d'prozedire witt, su prozedir mynetwege, z'Sach geyt mi de o nüt ah, du chast de luege.“ Als Hansli von Neuthalern und Prozediren hörte, erschrack er gewaltig und z'Sach gab er verloren. „Nein, beim Schieß,“ sagte er, „prozediren will ich nicht; bin mein Lebtag vor keim Richter g'sy,und d'r Aettiso nit und d'r Großätti nit. Es wird müsse sy.“

„Säg du,“ sagte Hansli dem Jakobli, auf dem Bänkli beim Stall, „es muß doch sy, mit d'm Prozidire wott ih nüt z'thue ha. Oeppe nit schwer näh mußt es, mi het si grad a alles g'wahnet. „O, Atti ih stirbe!“ „Häb nit Kummer,“ sagte Hansli, „ih ha no nie g'hoört, daß Neuer am Wybe g'storbe syg. Es het mir Afangs o ungwahns tha, aber ih ha mi neue grad chönne dry schicke. Mi muß ume denn nit mine,daß me meh alles säge well, wo ein z'Sinn chunt.“„Und ih ma nit und ih wott nit,“ sagte Jakobli, an die Warnung Samis denkend, daß er sich wehren solle. „He nu so de,“ sagte Hansli, „da cha ni de ntt helfe, su mach, was chast,“ und somit ging er ins Futtertenn und sorgte für die Kühe.

„Su mach, was chast!“ Die Worte tönten wieder und immer wieder in Jakoblis Ohren, und hatten einen grusam trostlosen Klang. Das hätte er doch vom Aetti nicht geglaubt, sagte er, er hätte es sonst so gut 228 mit ihm gemeint und jetzt: „Su mach, was chast!“So möge er nicht mehr leben, denn was solle er machen? Wie prozediren, wie gegen List sich wehren,wie der Mutter widerstehen? Und während er so in seinen finstern Gedanken trostlos schwamm, wie ein Schiffbrüchiger im wilden Meer in schwarzer Nacht,nirgend Licht, nirgend Land, kam noch die Mutter hinter ihn und begehrte auf: Was er doch für ein unbankbarer Löhl sei und sein Glück mit Händen und Füßen von sich stoße, so e Bravi bekomme er sein Lebag nicht mehr. Aber sie thue es sy Seel nicht, sie sei bis dahin eine Mutter an ihm gewesen und wolle es ferner sein; man müsse ihn noch haben wie ein Kind, und sein Glück müsse man ihm mit dem Löffel einstoßen, wie einem Kind den Brei, wenn das si scho wehri u brülli, mi gäb ihm nusti Brei, bis zPfänni leer sgg. Es wolle nicht solche Schande erlebe und z'Wüsteste alles ga usstah synetwege, es heyg afe gnue usgstange, und es möͤchte jetz de afe a d'Ruh.Drum helf jetz alles G'stürm nüt, und er soll sich nur niederlassen. Von Prozessiren wollen sie nichts, und vo Eidigen wollten sie nichts wissen. Wenn es ihm nicht recht gewesen wäre, so hätte er es von Anfang sagen solien, und sie nicht sollen machen lassen, bis z'Sach richtig g'st sgg. Aber daraus sehe man, daß er nur aufgewiesen sei, sonst hätte er Aufangs g'redt,und es sei schlecht von ihm, daß er auf andere Leute mehr hoöͤre, als auf seine leibhaftige Mutter. Aber Undank sei der Welt Lohn, aber einer Mutter thue es weh! Was Jakobli auch einwenden wollte, die Mutter horte nicht, ward immer böser, lief hinaus. Aber das Herz wär ihr so voll, daß, ais sie zu Mädi kam,kein Zapfen halten wollte auf ihrem Herzloch, so wenig als auf einem Krug schäumenden Märzbier, nachdem einmal Luft dazu gekommen ist; sie packte vor Madi aus, das eigenilich von Allem nichts wissen sollte.Jetzt hatte sie band genug, klagte sie, bis zuche a lasse man sie machen, zuletzt solle es nicht gut sein, und sie alleine den Schmutß auf dem Aermel haben. Aber 13 226 es nehme sie Wunder, ob sie nicht mehr Meister sei.Sie wisse wohl, woher Jakobli Ufwysig habe, aber das sol denen nichts helfen und auch ihm nicht. Es chöm de e Zyt, wo ner froh sy werd, daß me ne nit heyg lah mache. Das wär ere afe, wenn's am angere Donstig wieder z'leerem abgehen sollte. Sie dörf si ja nimme zeige vor de Lüte, ünd es wüßt ke Mönsch,was diese ansingen. Aber so chöm's, we me e sellige Ma heyg, der in Gottes heilige Name nichts sei,hingefer nit und vorfer nit, und dä me brichte chonn bald da Weg bald diese Weg; aber dä well sie no brichte, das er z'Lose virgeß und daß er wüß, daß er brichtet syg.

Mädi hörte diesem Allem styf zu, hatte seine Galgenfreude daran, und hütete sich wohl durch Gegenreden die Finger zuche z'ha und so zum Blitzableiter zu werden. Es sagte blos, es nehme es Wunger, das Mönsch einist zu sehen, fragte wie es eine sei, und warum Jakobli, wenn es so nes bravs sei, doch nicht wolle. So ward Mädi durch Liebe listig und Anne Bäbi durch Zorn zutraulich und klagte sich fast d'Finger ab, wie man es ihm wüst mache, aber wie es sy armi Thüri nit lugg setz. Jakobli werde es denn einist g'seh, was er ihm zu verdanken hätte.

So sind die Anne Bäbe, was sie gut dünkt, soll andere äuch gut dünken, und was sie meinen, das gut sei, soli jeder für sein Glück halten. So ein Anne Bäbi weiß gar nicht, was Gluück ist, meint das sei Glück und jenes sei Glück, eine Frau wie ein angestrichenes Fürsprutzehüsli sei ein Glück, oder eine mit hunderttausend Pfund sei ein Glück, oder eine mit einem schönen Namen sei ein Glück, und nun soll jeder wohl leben am Fürsprützehüsli, oder an den Pfunden oder am Namen. Und wenn einer nicht wohl daran leben will, so schreien sie Zettermordio und meinen, ihn zwängen, hintendrein werde er dann Ja, so ein Anne Bäbi, das den Kaffee heiß trinkt,kann gar nicht begreifen, daß Jemand ihn lieber kuüͤhler trinkt, und sagt, ich begreife my Armi nit, wie du ne dä Weg mast, we ni Meister wär, wohl, di wett ih ne lehre trinke, wie me ne trinke soöͤll. So ein Anne Bäbi weiß umme ey Weg, und was nit uf dem Weg ist, ist ufem Holzweg. Es liegt aber das Glück nicht in den Dingen, sondern in der Art und Weise, wie sie zu unsern Augen, zu unsern Herzen stimmen, und ein Ding ist einem viel werth, was ein anderer mit keinem Finger anrühren möchte, und mancher wird unglücklich, wo ein anderer sein Glüͤck gefunden hätte,sa einer kann heute etwas fur das Höchste halten, und morgen würfe er ihm nicht nur noch die Kappe nach,wenn Jemand es ihm abnehmen würde, er gäbte noch die Zähne aus dem Munde dazu, die Haare vom Kopf.Gar verschieden ist der Geschmack der Menschen, gar wandelbar ist der Geschmack eines jeden Menschen; voll Irrthümer ist die Welt, voll Täuschungen sind die Augen. Es ist daher etwas grusames, wie es nicht bald etwas grusameres auf Erden gibt, wenn man Jemand etwas aufdringen will, und oft für sein ganzes Leben,das ihn wideri, das er behalten muß, auch wenn täglich sein Ekel an demselben steigt.. Weiß man das ja nicht, und weiß man ebenfalls nicht, ob man sich nicht selbst getäuscht hat, ob man nach einem Monat, oder nach einem Jahr, oder nach einer Reihe von Jahren die eigene Täuschung sammt dem unseligen Zwang mit blutigen Thränen beweinen muß. Es ist füurchlerlich ein solcher Zwang. Wohl mag es zuweilen einem weisen Menschen, der Welt und Herzen kennt, und nicht nur den Wandel der Dinge, sondern auch den Wändel der Herzen, erlaubt sein, einen von Gott ihm X sein Leben an Nichtiges zu setzen, sein Glück an eine Thorheit; er weiß, daß jeder Rausch verflattert, und im Rausche sieht er den, der den Wurf wagen will.Aber es ist auch hier die größte Vorsicht nöthig, eine Weisheit, in den Stürmen der Welt erprobt, eine Liebe, die sich nicht verbittern läßt, nicht das Ihre sucht; wer mit Räuschigen zu thun gehabt, weiß, wie 298 schwer sie zu behandeln sind, wie leicht der, den man von leichtem Fall behüten wollte, den ganzen Leib aus dem Fenster oder ins Wasser wirft.

Aber von so etwas hat ein Anne Baäbi gar keinen Verstang, auf seligs G'stürm verstehe es sich nichts,sagt es, u was gut syg, syg gut, u wenn es es gut meine, su well es de bim Dolder luegen, ob man hm nicht folgen sollte.

Es ist aber kurios, solche Anne Bäbi findet man in gar mancher Haut, welcher man nicht Anne Bäbi RD haarspitzen auf dem Kopfe, und im Sommer Strumpfhosen an den Schichi (Beinen), sondern Madam heißt und gnädige Frau, und Seide am Leib hat und Federn auf dem Kopf und g'löcherte Strümpfe an ihren Schichi. Ja manchem dieser Anne Bäbi sagt man Hansli oder Jean, Hochgeachteter, ja Gnädiger (was beiläufig gesagt, das Gleiche bedeuten soll), ja Ihre Hoheit oder gar Majestaäͤt, wo keinem Menschen in Sinn käme, daß in dieser hochgebornen Haut nur ein Aune Bäbi wäre und sonst nichts. Man muß auch nicht glauben, solche Anne Bäbi in hohen Häuten seien Raritäten, die alle Jahrhundert ein, höchstens zehn Mal vorkämen, wie man z. B. Mamuthsknochen oder andere vorweltliche Ungehener auch nur selten ausgräbt und nur hier und da. Nein, von solchen Anne Bübi wimmelt die Welt. Es ist kein Dörflein so klein, es hat wenigstens ein solches Anne Bäbi, das die Seinigen auf seine Weise glücklich machen will, und sie schinden oder braten würde, wenn es damit sie in ihr Glück einsalzen, oder vielmehr das Glück ihnen aufsalzen könnte. In den Städten sieht fast zu jedem Fenster eins heraus, und an den Höfen soll man in Verlegenheit sein, Jemand zu finden, der nicht eins ist. Nach oben nimmt also die Zahl der Anne Bäbi zu, was man dem Namen nach nicht glauben sollte.Lese man nur Romane, so findet man in jedem wenigstens ein Anne Bäbi, wenn nicht zwei; sie heißen aber dort nicht so, sondern Prinzen, Präsidenten, Minister,Grafen, Freiherren, Patrizier und Patrizierinnen;Bürgermeister, Schulzen und Statthalter, das sind die mindesten. Man meint, eine solche eigensinnige Weise,Kinder glücklich zu machen, sei eine Eigenthümlichkeit der höheren Stände, gleichsam ein nöthiges Vorrecht der Noblesse, denn was weiß die Canaille oder Racaille von Glück. Hoffentlich wird man sich höchlich verwundern,daß diese Eigenthümlichkeit bei einem Anne Bäbi so gut seyn kann, als bei einem Prinzen; und höchlich ärgern wird man sich, wenn man hört, daß diese Eigenthümlichkeit kein nothwendiges Vorrecht der höhern Stände ist, sondern nichts als eine Eigenthümlichkeit beschränkter, einseitiger, eigensinniger, oder wie man die Menschen nennt,welche mit Gewalt und allen zu Gebote stehenden Mitteln Jemand ein Glück aufzwingen wollen, was derselbe für ein Unglück hält und mit Händen und Füßen dagegen sich sträubt. O wie manches Blümlein ist verwelket, weil die Eltern sein Glück im Schatten eines giftigen Baumes gesucht! O wie manche Kraft ist verpufft, weil die Eltern sie mit eisernen Ketten einem Drachen um den Hals gelegt oder in spanische Stifel sie gestecktt! Aber was will man, irren ist menschlich,heißt ein gemein Sprüchwort. Wollen doch die meisten Menschen glücklich werden und werden es nicht,nicht nur weil sie die Wege zu ihrem eigenen Glück nicht kennen, sondern weil sie nicht wissen, was Glück eigentlich ist, und wo es zu suchen und zu finden ist;um wie viel mehr müssen sie sich im fremden Glücke irren. Aber eben so gehts, je weniger einer Rath hat für sich, um so mehr rathet er andern, und je dümmer ein Mensch ist, um so mehr glaubt er sich berufen das Herrgöttlein zu spielen unter Blitz und Donner;thut als ob er den Schlüssel zu Himmel und Hoölle in der Tasche hätte, und mit Händen und Füßen zerrt und sperrt er, will mit diesem zum Himmel, mit jenem zur Hölle,und wohin die eigene Seele fährt, daran denkt er nicht,und in welcher Himmelsgegend sein eigen Glück liegt,das weiß er eben so wenig.

So geht es aber, während man über seinen Nebenmenschen loszieht, vergißt man seinen Nebenmenschen, 230 vergisßt den armen Jakobli, dem gar elend war im Gemüthe. Der Vater hatte ihn verlassen, die Mutter setzte an mit aller Macht. Die Angst vor dem Eid,und die Angst vor Lisi peinigten ihn auf gleiche Weise,und was halfen ihm Samis Zusprüche: „Wehr di,thu's nit.“ Er schlich umher wie ein Schatten an der Wand, stand bald hier bald dort und sah ins Blaue,und essen mochte er nicht, gäb wie ihn Anne Bäbi anfuhr, er thue es ihm nur zu leid, aber esse er oder esse er nicht, deßwegen entrinne er List nicht. Anne Bäbi hütete Mädi nicht mehr seit es angefangen hatte mit ihm über die Sache zu reden und Mädi nicht widerredet hatte; es war froh, Jemand zu haben, gegen den es recht auspacken konnte. Mädi aber war nicht Willens, gegen Anne Bäbi aufrichtig zu sein; das müsse nicht meinen, daß es alles zwängen köonne, sagte es oft zu sich, und wenn es den Jakobli nicht haben könne, so solle ihn List auch nicht haben. E niederi angeri wär ihm recht, ume nit eini, wo z'Anne Bäͤbi well; we die de z'säme spiele wette, de erst sött es de nut ieh z'bidüte u zu ker Sach meh öppis z'säge ha.Ueber Jakobli war es allerdings böse, daß er es nichts schätzte, und es hätte geglaubt, es hätte etwas besseres um ihn verdient; aber die Eifersucht gegen Anne Bäbi war doch noch größer als die Liebe zum Bueb, und wenn er öppe eine vernünftige und manierliche Frau bekäme, wo ihm helf dem Anne Bäbi d'r Rigel z'stoße vor em Zwänge u d'r Ringge yz'thun, so sei es ihm ziletzt graglych. Als es Jakobli so betrübt, huüͤlf- und rathlos sah, so machte es erst die Spröde, und als Jakobli dessen sich nicht achtete, so sagte es: „Ja gränn ume da i Himmel uche, as wed z'Hümmel fahre wettist u zLoch suchtist. Es geschieht dir ih Bode yche recht.Gäll, häͤttist mir welle lose u nit d'ir wüst Hung g'machet gege m'r, du wärist nit so z'weg wie ne Kuh we z'Thürli zu isch u d'r Metzger hingere. Jetzt chast selber luege, wie de z'weg chunst; das Trüech, die Blättere, da Mutthufe chast ga näh, u chast de luege,wie lang des no machist, so ne leyde Hung wie d' bist ue schittere (gebrechlich, leicht scheitert). Aber notti chast mi dure; myr Lebtag bi ih e dumme Hung g'si u ha es guts Herz g'ha, u wed m'r es einzig guts Wörteli gäbist u m'r v'rspruchist, du wellist nit meh so wüst gege m'r fy, ih chönt d'r drus helfe, u wed mi nit wotsch, su chast de e angeri näh, we de minst es luegesde angeri besser zu d'r; aber ume die sotsch nit ha, mit dem blieb ih ke Stung im Hus.“ Da sagte Jakobli, Mädi wisse ja, wie werth es ihm sei, und wie er ihm immer daran sinne wolle, was es für ihn gethan, und wenn es ihm jetzt daraus helfe, so wolle er ihms auch nie vergessen, und Sorge tragen zu ihm in seinen alten Tagen. Aber wegen heirathen wüßte es selbst, wie das nicht gegangen wäre wegen den Leuten, wie gerne er auch wollte. „Was frage ich den Leuten nach, sagte Mädi, we me st dene achten wollte,so wüßt ja ke Monsch, wie me thue sött, was die eine wollen, gefällt den andern nicht. Aber notti erbarmist mi u weißt was? morn e Morge stang nit uf u säg du sygist krank grusam, u stang nit uf, g'hörst, bis d'r Donste v'rby ist, es wird de v'rsublet, u z'letsch seyt Niemere nüt meh, u d'Sach erlöscht vo selber.“ Ehe noch Jakobli antworten konnte, strich Mädi sich um die Ecke, man hoörte Anne Bäbi kommen und räͤsoniren, wo doch die Leute seien, und wenn es meine, es sei etwas gemacht, so hätte es noch ke Mönsch mit ere Hang ag'rührt. So möchte es nicht mehr dabei sein, und es sei gut, daß bald hier e Angeri predigi.So blieb Jakobli die Antwort, welche er geben wollte, im Halse stecken. Nein, hatte er sagen wollen, krank stellen, das thue er nicht; eine Krankheit z'Wort haben (zum Vorwand brauchen) das sei eine bosunderbare Sunde. Als er in der Unterweisung gewesen, da hätten auch Einige eine Unterweisung um die andere gefehlt und dann z'Wort gehabt, bald sie hätten Kopfweh gehabt, bald Bauchweh, bald sonst was. Da haäͤtte der Pfarrer gesagt, daß hie und da eins krank sei, das glaube er gerne, und wenn eines krank sei, so wolle er nicht, daß es in die Unterweisung komme; aber es dünke ihn, das Kopfweh und Bauchweh hätten sie wohl viel, daß es so stark regiert,hätte er noch nicht erlebt, und doch sei er ein alter Mann; er müsse daher glauben, sie hätten es nur z'Wort, und da müsse er ihnen etwas sagen, Gesundheit sei eine gar große Wohlthat, und wenn man sie habe, wisse man nicht einmal wie groß sie sei, sollte aber doch Gott alle Tage dafür danken und ihm anhalten, daß er sie fürder dauern lasse. Sage man aber, man sei krank, während man die Wohlthat noch genieße, so verläugne man nicht bloß eine Wohlthat Gottes, sondern dichte sich ein Uebel an, das man nicht wolle, nicht begehre, klage über eine Heimsuchung Gottes, die man nicht erfahren; das nun sei nicht bloß eine Sünde der Undankbarkeit, sondern sei ein Frevel, eine Verhöhnung von Gottes Macht und Güte.Man solle Gott danken, von einem Uebel frei zu sein;dichte man sich dasselbe an, so müsse man erwarten,daß einem Gott damit strafe, und wenn es über kurz oder lang komme, so müͤsse man denken, man habe es verdient, ja habe es freventlich herbeigerufen. So hatte der Pfarrer geredet und damit gar manches Kopfweh und Bauchweh vertrieben; denũ was so klar und faßlich zu Tage liegt, das versteht ein einfach Kind oft besser und behält es länger als eine gebildete Person, die ihre Launen hat und nach ihren Launen redet,so und anders.

Jakobli wollte nichts von Madis Mittel, aber was er sonst wollte, das wußte er nicht. Er stand herum,traurig, niedergeschlagen, aß nicht, redete nicht, und war froh als der Tag um war, daß er sich ins Bett legen konnte, und doch thats ihm weh, daß wieder ein Tag um, und um einen Tag der Donstag näher war.Von dem vielen Staunen dünkte es ihn, thue ihm der Kopf weh, und wenn er nur schlafen könnte, daß er vpom Kopfweh käme und an Lisi nicht denken mußte,so wäre ihm am baasten (wöhlsten). Aber der Schlaf,sonst sein guter Freund, wolite nicht kommen, sondern wie eine Pflanze in der Erde Schoos wächst, und zuweilen hoch auf wächst in einer Nacht, wenn die Nacht fruchtbar ist, so schien ihm auch sein Elend zu wachsen in seiner Seele Grund, hoch und immer höher, daß er nicht mehr darüber aufsehen konnte, und die Angst davor legte sich ihm auf die Brust, schwer wie ein Leichenstein, daß er schwer den Athem fand, jeder Athemzug ein Seufzer ward, bis das Seufzen zum Weinen ward, so wie wenn die Luft schwer wird, daß sie hohl durch die Bäume fährt, der Regen kömmt. Aber wenn's regnet wird die Luft leichter, hingegen aufs Weinen der Kopf gerne noch schwerer. Nach dem Weinen kam wohl der Schlaf, aber der Schlaf war kein Engel,der in ein süßes Vergessen den Menschen wiegt und mit holden Bildern dem Schlummernden den trüben Tag ersetzt, den fröhlichen Tag einrahmt in wunderbares goldenes Schauen; es gestaltete sich zu einem finstern Ungethüm, das mit harten Streichen ihm das Bewußtsein nahm, und dumpf und schwer das Blut ihm durch die Adern trieb, und wie hie und da durch die dunkle Nacht der grasse Blitz fährt, in die Nacht der Bewußtlosigkeit grause Gestalten senkte, die seine innere Angst an einen äußern Gegenstand fesselten, den Schweiß ihm auf die Stirne trieben.

Erst als man ihn zum Zweitenmale rief, erwachte er am Morgen. Da lag es ihm wie Blei über den Augen und in allen Gliedern, wie zerbrochen kamen ihm die Gelenke vor, er mochte nicht aufstehen, immer wieder fielen ihm die Augen zu, aber Schlaf hatte er nicht; sturm, matt war sein Kopf. Endlich kam die Mutter und wollte ihn aufmustern. Wenn's graglych wär, so sollte man ihn doch liegen lassen, es sei ihm grusam übel, sagte er. Vielleicht bessere es ihm bis gegen Mittag. „Wenn d'äsest und thätest wie ein anderer Mensch, so wäre es dir nicht übel, sagte die Mutter, und wenn sie ihm das z'Morge ins Bett bringe,wie ame ne Herr, so werd es ihm schon bessern.“ Als Jakobli nichts essen wollte, so mußte Melissethee angerichtet sein, und Jakobli mußte trinken, er mochte wollen oder nicht. Mädi hatte aufgepaßt hinter der Thüre,und große Freude, daß Jakobli seinen Rath befolge,wie es meinte, und schüttelte den Kopf, als Anne Bääbi mit dem Thee focht, und meinte, obs nicht besser wär,wenn man gleich zum Doktor ginge; es hätte immer gehört, die bößten Krankheiten fingen mit Gringweh an, u wes d'rzu eim no i de Gliedere syg, su heyg me Zyt, d'rzu z'thue. „Was wolltest du darauf dich verstehen, sagte Anne Bäbi, du hast dyr Lebtig umme ey Krankheit g'ha, u die het ganz ame angerẽ Ort a fange.“ „Was für eine dann?“ fragte Mädi. „He,din Anne Bäbi, z'manne, und de het di nie kene welle.“ Der Stich ging Mädi durch und durch, indessen sagte es bloß: „He nu, su het doch de kene zviel a m'r übercho.“ Aber bei sich dachte es: „Wart ume du alte Her, dir will ich es eintreiben; du mußt no lehre, was Mädi cha.“

Als der Mittag da war, sagte Jakobli, wenn es gleich wäre, so möchte er im Beit bleiben, er hätte so heiß am Kopf, und im Bett sei ihm am wöhlsten.Anne Bäbi waren vorhin Mädis Worte doch hineingegangen, wenn es schon nichts darauf zu achten geschienen. Krankheit machte ihm bang, und wenn Jakobli krank ward, so konnte am Donstag die Sache in Burgdorf nicht richtig gemacht werden. Zudem raunte Mädi dem Hansli ins Ohr: „Jakobli sei grusam übel,und es sei doch grüslig, Anne Bäbi wells nit glaube.“

Hausli hielt nicht viel auf dem Doktern, wie bekannt,aber mit dem Sohn hatte er doppeltes Mitleid; erstlich wegen der Krankheit selbst, zweitens, weil er heirathen sollte und nicht mochte. Es muß allweg sy, dachte Hansli, aber d'r Bueb durne doch gnue, weil er nit mög. Jetzt ging er in die Küche, zündete sein Pfeifchen an und fragte Anne Bäbi: „Steyt er uf?“ „Nein,“sagte Anne Bäbi. „Wenns ihm sövli fehlt, fött me nit luege?“ fragte Hansli. He, das preßirt emel einist nüt, wes de sy muß, ih wilis de scho säge. Ih weiß nit, was das für es G'angst isch.“ Aber Anne Bäbi wurde es selbst Angst, und es duechte ihns, Jakobli hätte mehr und mehr Fieber. Als er Nachmttags ein wenig schlief und im Traume redete, was er sonst me that, redete vom Sterben, vom Himmel, von schönen Engeln, da meinte Anne Bäbi, er sei verirrt (rede irre), und vielen Leuten kömmt das Verixrren vor wie ein Vorbote des Todes. Wenn einer andeuten will, wie nahe er dem Tode gewesen, so sagt er,ich bin schon verirrt gewesen, Niemand hat geglaubt,daß ich davon komme. Da wurde es Anne Bäbi Himmelangst, und es sagte, es müsse auf der Stelle dazu gethau sein, es wolle selbst zum Doktor, es wisse doch dann, daß es recht verrichtet werde; auf die Stürme,das Mädi, konne man sich nie verlassen, und wann es heim käme, wisse man auch nicht; wenn es ein Mannebein antreffe, so wisse es nicht mehr was für Zeit es sei, und wäre im Stande, sich einen ganzen Tag zu verganggeln (leichtsinnig säumen).

Mädi säh Anne Bäbi gerne gehen. Es koönne dann sagen was es wolle, und es möge heimbringen was es wolle, so sei es nicht schuld daran, aber öppe uf es Trank uf oder nieder (mehr oder weniger) komme es nicht an; und wenn Jakobli ein Jahr lang hinter einander Tränk trinken müßte, und damit von Lisi loskäme, so könnte er noch immer sagen, es sei ihm g'fellig gange.

Wie Jakobli ob dem Rathen krank wird und Anne Bäbi für die Krankheit keinen Doktor findet.Anne Bäbi ging nicht zu dem Doktor, bei welchem es früher gewesen, sondern zu einem andern, der ungefähr eine Stunde weit war, und von dem es gehört hatte, der ziehe die Leute nicht so lange ume angere,der fahr recht us, daß man grad wisse, woran man sei.

Als Anne Bäbi hin kam, war der Doktor nicht daheim, aber es hieß, er werde nicht weit sein und bald wieder kommen, es solle nur warten. Da der 236 Dohtor nicht kam, und Anne Bäbi pressirte, so wurde ein Kind gesandt, ga luege wo d'r Vater syg. Das Kind kannte die Spur wohl wo der Vater Nachmittags war, wenn er nicht ausgeritten. Es kam schnell zurück mit dem Bescheid, er werde bald kommen. Es ging aber noch immer eine Weile, ehe er kam und Anne Bäbi barsch mit der Frage anfuhr, was es preßirlichs habe? Anne Bäbi berichtete, sein Bueb sei krank, und stellte das Wassergütterli auf den Tisch.Der Doktor warf einen Blick darauf und fragte: „wo fehlts?“ Da Anne Bäbi daran gelegen war, Jakobli so bald als möglich auf den Beinen zu haben, so that es sehr nöthlich, und machte die Sache recht groß; je nöther es thue, desto stärchere Züg gebe der Doktor,und je stärchere Züg er gebe, desto eher sei der Bub wieder z'weg; so kalkulirie Anne Bäbi. Es redete daher von grusamem Fieber, von ganz verirret, und als der Doktor nach dem Durst fragte, so sagte es, emel e halbi Melchtere Thee hatte er getrunken, allemal wenn es ihm brunge heyg, su heyg er g'no. Als der Doktor nach der Zunge fragte, sagte es, die hätte es nit g'luegt, aber sie werde wohl wüsti sein, schon manchen Tag hätte er nichts gegessen. „Kötzeret es ne?“ fragte der Doktor. „Apparti het er nicht heklagt,sagte Anne Bäbi, aber es wird wohl si, weme ne het g'heiße esse, su het er g'seit, er mög nit, er heyg dieses (das früͤhere) no z'oberist obe.“Während diesem Eramen hatte der Doktor das Wasser ausgeleert, das Gütterli flüchtig geschwenkt,zwei oder dreier Gattig Rustig zusammengegossen, zusammengerüttelt, und sagte dann: „Lue Frau, da hast eine Purgaz, die gib ihm unter zwei Malen und brav ʒtrinke derzu; de morn oder über morn chum de wieder, cho b'richte, vielleicht muß er de no eini nah,oder de abführe, es chunt de druf a.“

„Wed oppe da düre chunst Doktor, so könntest doch zuche cho, ih bruchti de nit da uche; es ist m'r z'wider; aber expreß chum nit, es ist si nit zthüe.S.24 Wed nit ang'fähr chunst, su cha de geng öpper anger cho, we ih nit mah.“

Somit marschirte Anne Bäbi ab und langete zu Jakoblis größtem Schrecken mit der Purgatz an. Er wehrte sich nach seiner Art dagegen so gut er konnte;da aber Alles in ihn drang, Mädi hauptsächlich, und Anne Bäbi ihm brichtete, wie er ganz verirret gewesen sei, daß man nicht gewußt habe, wele Weg das use well, so begann er zu glauben, es fehle ihm wirklich und der Tokter meinte es ja auch, sonst hätte er ihm nichts gegeben, und ließ sich endlich die Purgatz einschůtten.

Die Purgatz wirkte erst als das Gütterli verschluckt war, dann aber auch so grüslich, daß alles in Allarm war, es Mädi recht Angst wurde und Jakobli meinte,es müsse gestorben sein. Nur Anne Bäbi war guten Muths dabei und sagte: So sei es eben recht, das sei gute Züg, je stercher er arühre, desto eher bessere es, so's Gottes Wille sei, und es sei Schad z'Gütterli us, we no meh drin wär, er müßte es auch nehmen. We me so recht z'Bode purgirt heyg, so heyg es de e Rung; we me es Loch sufer leer, su gangs o deß länger, bis es wieder voll syg.

Jakobli war gar jämmerlich übel, mochte die Augen nicht aufthun, und die Schwäche eder Abspannung, in der es einem zu sterben gleichgültig ist, war über ihm, und in dieser Schwäche kam ihm Lisi und der Donnstag und das Heirathen immer schrecklicher vor, immer mehr wich ihm aller Muth aus Leib und Seele, und aufstehen mochte er nicht. Mädi sagte,als der Schreck der Purgatz vorbei war, es sei gut,er solle sich nur stille halten im Bette, so werde es gut kommen. Jakobli sagte, er denke es auch, und es sei jetzt nicht viel zu versäumen. Mädi meinte,Jakobli verstehe ihns, und Jakobli hatte vergessen,was Mädi ihm angegeben, darum widerredete keins dem andern, und keines verstund das andere.

Das Verstehen wäre eigentlich die Hauptsache; aber das Verstehen verstehen noch ganz andere Leute nicht, 258 als so ein Mädi. Wie nun Maädi und Jakobli eins waren, weil sie sich nicht verstunden, so geschieht doch das Umgekehrte viel häufiger, daß man sich nicht versteht, eigentlich einig ist, und doch sich zankt. Was das Andere will, meint, hofft, das meint man zu verstehen und versteht es nicht.Da der Doktor am nächsten Tag nicht angfährt kam, so rüstete sich Anne Bäbi zu einer neuen Fahrt,gäb wie Mädi, von Hansli unterstützt, widerredete und meinte, mann solle warten und süferli luege, wie es komme, alles ungereinist zwänge me nit, und z'viel auf einmal trage nüt ab. Aber Anne Bäbi ließ sich nicht absprengen; es war ihm Angst, daß Jakobli wieder auf die Beine kam. Wenn d'Sach erhocket syg,so häts dest härter, u weme einist agfange heyg, su hulf es jetz usfahre bis hingerus, das werde scho gut cho. U syr Lebtig heyg es g'hört, e Purgatz syg e fürnehmi Sach, u wes vo dene rechte eini syg, su wüß me längs Stück nit, hang no öppis aneangere oder nit, und heyg me no de Gring oder heyg es ne obeabgsprengt.Anne Bääbi stattete dem Doktor nun seinen Bericht ab; es sei toll von ihm gange, aber ganz besseret heygs ihm no nit, im Gring nit uni de Gliedere nit;esse mög er noch nicht, und auf auch nicht, und wenn es noch mehr gehabt hätte, so hätte es ihm auch noch eingegeben, es werde wohl noch e Satz da sein. „Und s'Fieber?“ fragte der Doktor. Von dem hätte es neue nüt meh chönne merke. Wenn er si heyg müsse übergäh, su heyg es ne toll g'hudelt, sust aber heyg er si ordeli still giha. „Verwirrti ist er nüt meh?“ fragte der Doktor. „Gar nüt, sagte die Mutter; er ist bi sym gut V'rstang.“ „He nun, so wollen wir jetzt mit einer axirig probiren, vielleicht bessert es ganz. Bessert es nicht, so kann man immer noch einmal purgiren und druf de wieder laxire; G'fährligs g'seh ih da nüt.“»Dest besser, sagte ünne Bäbi. Ih ha däicht, du ziehest die Leute nit so lang des ume, deßwege bi ni o zu d'r cho. We me recht dra hi geyt, so ist d'Sach scho halbi gwunne.“

Jakobli sträͤubte sich, als Anne Bäbi mit dem neuen Trank an ihn kam und wollte lange nicht daran; aber er mußte; der Vater selbst redete ein und sagte: „Nimm du ne, u wenn es jetz nüt nützt, so ists für es angers Mal gut.“ Mädi hielt sich neutral. Wenn er umme im Bett blyb, nähm er de das Trank oder nit, darauf kömmt es nicht an, dachte es. Jakobli schluckte endlich und schluckte zwei Tage hinter einander, denn es war eine zweitägige Laxirig, und starb fast daran,und meinte alle Augenblicke, die Laxirig werde noch der Seele Meister und jage sie ebenfalls aus, und am Montag Abend war er mätter als nie und lag im Bett fast wie todt.

Drei Tage nach dem Montag war der Donnstag und dem Bub war es nicht besser, sondern schlimmer geworden; da ward es Anne Bäbi grusam Angst, nicht sowohl wegen dem Bub, sondern wegen dem Donnstag. Das müß zwäͤngt sein, sagte es, und sollte es kosten was es wolle, am Donnstag müsse Jakobli mit auf Burgdorf. Es werde aber noch eine Purgatz sein müssen,, der Doktor habe schon davon gesagt, und sollten es zwei sein, das Geid reute ihns nichts dafür.Morgens in aller Frühe wolle es eine holen. Es häts dem Schyßdokter aber sauft gethan, zuche z'cho; er sei heut vorbeigefahren, wie es gehört, aber sie werden ihm z'gring sein, daß er sich nicht möge g'mühen.Aber Anne Bäbi erfuhr Widerspruch. Jakobli wehrte sich. Es duech ne, er sött afe gnue glaxirt und purgirt sy, und meh g'stang er nit us, er g'spürs. Hansli sagte: „He wenn ers nit usg'steyt, was witt de. Ih huif Gedult ha, es chunt bppe vo nim selber besser.“Und Mädi sagte: „Emel zu dem wett ih nimme, wenn er ihm hät chönne helfe, su häts müsse bessere. Ih hulf zu mene angere; du chast bi dem no es ganzes Jahr doktere, d'Sach ist geng am glyche Ort; du g'sehst ja wohl, daß Purgire und Laxire da nüt abirägt, es wird ihm am e angere Ort fehle, viellicht am Chrütz oder am Herz.“ Die Bemerkung fiel Anne Bäbi schwer aufs Herz. „Meinst, sagte es.“ „Du siehst, wie der dich des umme zieht, und er begehrt nicht zu helfen; er könnts, aber er will nicht, darum gehe weiters.“ Anne Bäbi fand den Rath richtig.Am folgenden Morgen machte es sich früh auf die Beine und fand den Doktor. Nachdem dieser den Bericht über Jakoblis grusame Krankheit vernommen,fragte er: „Habt ihr noch nichts gemacht, bei wem seid ihr gewesen? „He wohl, sagte Anne Bäbi, d'r Dokter im Sack het ne afe purgirt und laxirt, und er het g'seit, wenn das d'r vo nit besseri, su müß es no meh sy; aber mir hey du denkt, es chönnt gut sy,we m'r o öppis angers probirte.“ Der Doktor examinirte lange, fragte nach Puls, Zunge, Schlaf,Schweiß. Bald wußte Anne Bäbi etwas, bald nicht,und was es wußte, machte es immer z'Halbe größer,damit der Doktor desto mehr Fleiß habe und besseren Zeug gebe. Endlich sagte der Doktor; „Lue Frau,ich weiß noch nicht, wo es hat, ich sollte ihn sehen,wenn's ist, wie du sagst, so könnte es eine Auszehrung geben; aber wan weiß es nicht. Da wollen wir mit dem probiren; gib ihm alle Tage Morgens und Abends zwei Löffeli voll, und wenn keinen Zeug mehr hast, so komm und gib Bericht. Aber das wird nicht bald bessern; wenn ein Mensch verpfuscht worden, ist's bös; verpfuscht ist bald viel, aber gut z'mache het e Nase.“ Kaum hatte Anne Bäbi den Rücken gewandt,so packte der Doktor den Anwesenden seinen Zorn aus.Ta könne man wieder plätzen, was ein anderer verpfuscht habe; mit solchem Purgiren und Laxiren könne man ja einen gesunden Menschen krank machen;wenn er so doktern wollte, es stürben ihm alle Leute und längst hätte er z'Doktere an den Nagel hängen müssen. Da solle er jetzt doktere und dä alt Sturm hätte keinen Bericht geben koönnen, und daß er käme,begehrten sie nicht, sie hätten schon Kummer, es koste etwas; aber wenn er ungefähr dort durch gehe, so gehe er doch, sie mögen ihm Gesichter machen wie sie 2441 wollen, ehe er ihnen mehr Mittel gebe. Aber die käme nicht wieder; er wisse nicht, was die im Kopf habe; aber wohl gemerkt haätte er, daß er ihr nicht in den Kram geredet.

Der Doktor hatte ganz recht. Es kochete in Anne Bäbi und es mochte nicht warten, bis es heim kam,um anzurichten. Da hätte es wieder einen vergebenen Gang gethan, und vor das lätze Loch sei es gekommen.Der wisse nichts, begehre einem nur das Geld abzunehmen. Das Wasser häͤtte er nicht angesehen; er machte lieber Visitleni, Visitleni, und ließe die theuer zahlen; für das Wasserg'schaue gebe ihm Niemand etwas.Er hätte ihm auch um die Stauden herum geschlagen und hätte gerne angefangen zu visitlen, aber es hätte gethan, als hätte es keine Ohren. Man solle doch nur sehen; schon das Gütterli, wo man ja kaum einer Laus die Ohren salben könne, koste vier und einen halben Batzen, und für eine Visite hätte er gewiß zehn Kreuzer gefordert oder gar fünf Batzen, so für nüt und aber nüt. „Und was soll das helfen, ume zweu Brylöffeli voll es Tags? Und erst weds Gütterli us ist, söll ih Bricht gäh, er well de luege. Und jetz ist Zyste (Dienstag), und übermorn ist Donste, und vor em Samste ist me mit dem Lumpezüg nit fertig.Es het mi duecht, ih möcht em ne a Gring schieße,wo er m'r ne gäh het; aber ih ha mi überha, u ha däicht, wart ume, z'Lulli hest no nit im Mul.“ Sobald der Aerger obenab war, kam der Jammer nach,wie die blaue Milch kömmt, wenn die Nidel abgenommen. Uebermorgen war Donnstag und Jakobli nicht gesund. Das werde nicht alles zwängen, meinte Anne Bäbi zuerst, man reite ja und es sei styf WetVV widerredete doch und sagte, er möge es wäger nicht erleiden; er möge das Hocken kaum erleiden, vörschwyge de z'Fahre, und wenn er usem Bett sei, so duechs ne geng, es well ne afe früre (frrieren). Jakobli konnte nicht anders, als wie die Andern, an eine Krankheit glauben, und allerdings hatten Purgatz und Laxirig

16 ihn z'weggenommen und matt gemacht. Und wer will es ihm verargen, wenn er diese Schwäche nicht kleiner machte, als sie war, und er sie als Schild brauchte,hinter dem er sich gegen die Reise verbarg? Hatte er sich doch nicht krank gemacht; und war diese Krankheit etwa von ungefähr? Auch Hansli sagte, das werde öppe nit müsse zwängt sy; es sei öppe ei Donnste wie d'r anger. Aune Bäbi zappelte wie eine Katz am Draht;was die auf dem Zyberlihoger denke werde, wenn man site noch einmal sprenge, und was man mit dem Jakobli anfange; aus dem Sch... Gütterli gebe es ihm keinen Tropfen, und doch konne man die Sache nicht so gehen lassen; er sehe ja aus wie eine Kilchmaus, und wenn es die Auszehrig sei, so müß me d'r hinger, und zwar Aerstem (im Ernst). So jammerte Anne Bäbi erbärmlich, daß es den Hanusli erbarmte.„Schick der Sami, sagte er, zu Zyberlers, und lah absäge bis uf wytere B'scheid; d'er Bub syg krankne,und mi müß warte, bis er zweg syg.“ Das war das Vernünftigste, und Anne Bäbi, wie sehr es ihm ziwider war, mußte sich d'rein schicken und Sami marschirte am Mitwochen früh ab, mit einem guten Stecken in der Hand und den Schalk im Herzen.

In viel groößerer Verlegenheit war Anne Bäbi mit dem Doktern. Mädi redete zu so stark es mochte,man solle doch warten, und der Sache Zeit lassen.Es habe oft geheͤrt, die Sache komme manchmal am besten, wenn man gar nichts mache, sondern der Zeit abwarte. Davon wollte aber Anne Babi nichts hören;die Mutterangst saß ihm jetzt im Herzen und die Heirathsangst im Kopf, und wo zwei solche Aengsten zusammen spielen, da ist Zureden vergeblich, Warten unmoöglich, da muß g'angstet sein. Endlich wurde man räthig, man wolle zu einem b'sungerbare G'schihte; e Gstüdirte sei's nicht, aber er habẽ es im Geist, und das sei ganz was angers. J de Büchere chönn jede Lohl luege, was driune syg, d'erfür bruch me gar ke Dokter; aber im Geist, da heygs nit e Riedere; unger Tusige gäb's chum eine.Mädi bot sich an zu gehen; es sei weit, sagte es,und es hätte es ungern, wenn es hieße, Jakobli sei so krank, und Mädi gehe ihm nicht ein einzig Mal zum Dokter, d'Frau müß geng selber gah. Ob sie es ihm nicht anvertrauen dürften, oder was wohl da sein möge? Aber Anne Bäbi sagte, z'erst Mal wolle es selbsten gehen vo wegem Brichte, das könne es Niemand anvertrauen; nachher sei es ihm recht; das Laufe erleide ihm; es duechs, man sehe es schon allem an, den Saäuen und dem Garten, daß es ein paar Morgen nicht daheim gewesen. Es hätte noch nichts gemerkt, sagte Mädi gestochen, und inmer gemacht,was es im Stande gewesen, es duechs, man könnte zufrieden sein; aber es sehe wohl, je mehr man mache,desto weniger sei recht. „Fangst schon wieder an zu kiefeln, fragte Anne Bäbi? Man kann nichts mehr sagen, das recht ist; zweu si emel meh als eis, und we me no, we me daheim ist, zu me ne Krankne z'luege het, so muß es öpperem etgelte, syg's de z'Säu oder der Garte, oder bedisame. Deswegen brauchst es nicht ungern zu haben.“ Aber Mädi stachen die Worte doch, und wenn es schon nicht mehr aufbegehrte, so dachte es doch bei sich selbst: „So recht!ume geng so cho; du mußt doch g'wüß no erfahre,wer ih bil

Anne Bäbi machte sich also selbst auf den Weg des Morgens früh, obgleich Jakobli ihm anhielt, sie solle das doch unterwege lassen, es duech ne, es wolle abziehen von ihm selber. „Ih merke wohl, sagte Anne Bäbi, du willst z'Sach nur verdrehen und meinst, sie erkalte dann von selbst. Aber ohä! es muß jetz e Weg gah und es muß abtriebe sy; ih wott mi nit lah uslache und no des ume schleipfe, ohä!“

Der Mann, zu welchem Anne Bäbi wollte, hatte einen großen Ruf weit und breit, und je weiter er von ihm war, desto größer war sein Ruf; wie es oft geht,daß etwas von Weitem das Gegentheil scheint von dem was es ist, wenn man es in der Nähe sieht. So geschieht es oft, daß von einem Menschen ein Ruf daher kömmt aus einem Graben oder einem Städtchen,zwischen welchen oft kein großer Unterschied ist, daß man glaubt, der liebe Gott habe den König David und den König Salomo, und gar noch den Erzvater Abraham zusammen schweizen und wieder sichtbarlich erscheinen lassen in jenem Graben oder Städtchen, und Respekt kriegt, ganze Hutten voll; alles Krumme werde der grad machen, alles Saure süß, alle Löcher ganz,alle Dummheit gut, kurz, das werde der Mann sein,der alles wisse, alles könne, alles heile, so meint man.

Und hat man endlich dieses Wunderthier an der Sonne, so ist es schon kein Wunderthier mehr, sondern eine ganz gemeine Person, und stellt man es an die Deichsel, so ist es nicht einmal ein Mann mehr, sondern manchmal ein simples Füchslein, manchmal blos ein Windbeutel, ja manchmal eigentlich gar nichts, als ein Tropf. Wie oft ist's schon geschehen, daß man in sonderbaren Nächten, wenn in ungewissem Licht die Welt schwimmt, einen Geist zu sehen glaubte in der Ferne,einen wunderbaren Geist, ob gut oder bos, wußte man nicht, aber daß er etwas Besonderes zu bedeuten hätte, das glaubte man. Man bebte und zitterte,nahete mit klopfendem Herzen sich. Aber der Geist schwieg, und je mehr er schwieg, desto mehr klopfte das Herz, desto bedeutsamer, wichtiger erschien er.Endlich redete man ihn an im Namen äͤller guten Geister, fragte nach seiner Sendung. Aber er schwieg,man mochte Geister nennen, welche man wollte, er schien keinen zu kennen; kein Geist bewegte im Geringsten ihn, zog ihn nicht näher, stieß ihn nicht weiter.Und wie der Mensch ein seltsames Geschöpf ist, der zuweilen, je mehr er Angst kriegt, um so neugieriger wird und unwiderstehlich näher und näher gezogen wird,so geht auch der eine oder der andere dem schweigsamen Geist, der keinem Geiste antworten wollte,näher und näher auf den Leib, und immer bedenklicher erscheint der Geist, und, am Ende was ist's für ein Geist? Ein ganz simpler Thürlistock ist's, und Thürlistöcke antworten aus bekannten Gründen keinem Geiste.Vielleicht will einer disputiren und sagen: Es muß aber doch ein ganz apparter Thüürlistock gewesen sein,daß man ihn für einen Geist nehmen konnte. Mein Gott nein, es war ein ganz simpler Thürlistock, aber es waren appartige Augen, die ihn in einem appartigen Licht für einen Geist angesehen hatten, und eben ein appartig Licht schien in der Welt.

Der Wundermann, von dem ich reden will, war aber doch nicht ganz so ein Thürlistock, der keine Antwort gibt; der hatte ein Maul, und eben mit dem Maul war's, mit welchem er das Licht selbst machte,in welchem er als ein Wundermann erschien, während der Thürlistock auf den Mond warten muß, um in appartigen Augen zum Geist zu werden.

Die appartigen Augen, die machte der Mann nicht selbst, die sind auch da im finstern Mond, die wachsen allenthalben von Natur, wie Warzen an den Händen und Hühneraugen an den Füßen. Und wie die Hühneraugen in den engsten Schuhen am liebsten wachsen, so wachsen diese Augen auch in den engsten Köpfen am liebsten, und je weniger Einer Platz für Geist in seinem Kopf hat, desto mehr Geister placirt oder sieht er außerhalb, aber nicht am Himmel, nicht in weiten Köpfen, sondern in Thürli und andern Stöcken. Und da, wie enge Schuhe, enge Koöpfe immer mehr Mode werden, so braucht einer, der das rechte Licht zu machen weiß, nicht Kummer zu haben für Augen, die ihn ansehen für einen wunderbaren Geist, der Alles könne, und z'Hexen am besten, und je länger je weniger braucht er Kummer zu haben für diese Augen, denn je länger je mehr gibt es deren wieder, wie es auch manchmal beim schönsten Wetter Schwämme gibt, wenn es wieder regnen will. He wie kömmt das? frägt vielleicht Einer, der meint, das Aufklären gehe wie das Geigen, je länger je schöner,und der sich auf beide gleich viel versteht, d. h. nichts.Denn wenn man es mit dem Geigen übertreibt, so gibt's zuerst ein Kratzen, und wenn man nicht lugg läͤßt, so springt zuletzt eine Saite und dann eine nach der andern, bis es aus ist nicht nur mit dem Geigen,sondern auch mit dem Kratzen.

He, das geht gerade gleich, muß man ihm antworten, wie aus einer Hure eine Betschwester wird,aus einem Radikalen ein Despot, aus einem Gottesläugner ein Schatzgräber und Teufelsbanner, aus einem Ungläubigen ein Abergläubiger, Wer das Christenthum über Bord wirft, wird ein Heide, und wer ist wohl blinder und mehr der Außenwelt Knecht und macht sich Götter aus Thürlistöcken, als eben ein Heide?Wo haben die Wahrsagerinnen mehr Verdienst, als im anfgeklärten Paris? und wo wird mehr geheret,als im aufgeklärten Frankreich? Je weiter Einer von Christus, desto näher dem heidnischen Aberglauben.Auch bei uns wird an den sogenannten aufgeklärtesten Orten am meisten gehexet, und von dort gaus haben die Wahrsagerinnen den meisten Zulauf. Und je neumodischer man die Kinder erzieht, desto abergläubischer werden sie mit der Zeit werden.

Man sagt, die Zeit des blinden Glaubens sei vorbei! Tröopfe sind's, die es sagen. Ja Hans Joggi glaubt nicht mehr, was in der Bibel steht, und Sämi spöttelt über alles, was der Pfarrer sagt die sind doch über den blinden Glauben aus! Ohä, der blinde Glaube ist noch da; nur schenkt man ihn jetzt nicht mehr der Bibel oder dem Pfarrer. Hans Joggi hat ihn einer Zeitung geschenkt, bald der einen, bald der andern, und was die sagt, und wenn sie redet wie ein Hornvich und lügt wie der Teufel selbst, so ist dieses wahr, und ewig wahr; er flucht darauf bei allen Zeichen, und wenn einer dagegen redet, so heißts:„Das ist auch von denen Lumpenhunden eine, wo man z'todt schlah sött wie d'gFleuge.“ Und wie ein Ketzer haßt und verfolgt er ihn. Sami hat seinen Gläuben einem Haftlimacher gefchenkt, oder einem Fürsprecher oder einem Vehdokter, und was dieser ihm sagt, das glaubt er wie das Evangelium, und was dieser ihn heißt, das vollbringt er in unbedingtem Gehorsam, und wenn er ihn heißt, in der kältesten Winternacht nackt auf sein Haus zu steigen und dort einen Schuß loszulassen, er thut's sonder Fragen und Werweisen in blindem Vertrauen. Und wenn Zeitungen und Häftlimacher ihnen erleidet sind, so hängen sie ihren Glauben an Wahrsager und Zeichendeuter, und je weiter sie von Christus sind, um so fester, und je neumodischer sie erzogen sind, desto größern Verdienst haben Zeichendeuter und Wahrsager wieder. Der Glaube ist dem Menschen angeboren; scheint aber Gottes Sonne nicht hinein, so spuckt der Teufel darein.Darum fehlte es dem Wundermann an Kunden nicht, trotz der aufgeklärten Zeit, und aus allen Ständen waren diese Kunden; denn die Stände sind inwendig nicht halb so sehr unterschieden, wie in ihren Kleidern. Kopfhänger kamen und die freveligsten Menschen, Maulhuren und Gotteslästerer; denn oft sind Kopfhänger und Lasterer inwendig Geschwisterkinder und gleich weit von Christus, und wenn's wackelt um ihre Beine, gleich zagende, zitternde Sünder, die laut heulend Stunden dang vor einem Thürlistock an der Straße beten würden, wenn es hülfe. O man glaubt nicht, was so ein Herr, der alle Tage einen halben Zentner Bifsteak frißt oder hundert Dutzend Austern,so ein Bauer, der in der Woche seine Speckseite versorgt, so ein Wirth, der beim letzten Glas nicht mehr weiß, wann er das erste getrunken, ein Geschäftsmann, der von wegen Geschäften von Schoppen zu Schoppen, von Essen zu Essen kömmt, was denen in die Glieder faäͤhrt, wie schauerlich und miserabel es ihnen wird, wenn eine Woche lang Bifsteak, Speck,Gläser, Wein außen bleiben; man glaubt es nicht.Oede wird es ihnen und leer, wie die Welt war, ehe der Geist über die Wesen kam, von wegen mit Bifsteak und Speck und Wein ist Muth, ust Kraft, ist der Geist dahin, der sie aufrecht erhielt und so aufbegehrisch machte; sie fallen zusammen ärger als Pferde,denen der Haber fehlt; es geht ihnen ärger als Schweinsblaitern, aus denen man die Luft gedrückt und die zu einem erbärmlichen Hämpfeli zusammen gefallen sind! Da ist die Zeit, wo sie zum Doktor ins Emmenthal schicken und fast weinend bitten, man solle site doch versichern, sie hätten Glauben und seien fromm; sie, die keinen andern Glauben mehr haiten,als den an ihren Viviser Weinlieferant, und von fromm sein nichts mehr wußten, als daß Mägde und Pferde es sein sollten. So ist noch ein großes Feld für solche Wundermanner, und das Feld wird eher weiter als enger, und s'ist wachsig Wetter; gut gedeiht auf diesem Felde die Frucht und reich ist die Erndte der klugen Schnitter, die auch erndten, was nicht sie, sondern andere ausgesäet. Zu einem solchen kam Anne Babi,und viele Leute waren da und warteten; die Leute mehrten sich immer mehr und der Doktor erschien nicht.

Wäre das bei einem G'studirten, einem patentirien Arzte geschehen, so würden die Leute sich mit Balgen und Fluchen über den Doktor unterhalten haben. Die einen hätten gesagt, er wäre e g'schickte, aber e fule, er mög nie uf; andere hätten gesagt, er sei zu hochmüůthig und mööge sich nicht g'mühen, wären räthig geworden,so zu warten erleide einem, das andere Mal gehe man zu einem, wo man auch g'ferget werde. So ne Nuffi sott doch auch Verstand haben und wissen, daß ihrer Gattig Lüt nicht Zeit hätten, einen ganzen Tag des umme z'hocke;aber so einer, wenn er nur das Geld habe, so frage er dem Rest nichts nach. So ungefähr wäre gereden und aufbegehrt worden; denn den patentirten Arzt betrachtet man als den Diener des Volkes, der geben muß, sobald man etwas will, und der geben“ kann, was er weiß, sobald er will.

Hier, wo Aune Bäabi war, hörte man von diesem allem nichts. Die Leute saßen und stunden ums Haus herum; brichteten halb laut ihre Uebel oder die üebel derer, für die sie kamen; berichteten wie weit her sie seien und wie manchem der Mann schon geholfen; berichteten, es nehme sie Wunder, wann er käme; gestern hätte man ihn erst Nachmittags um drei Uhr gesehen,und es gebe Tage, wo man ihn nie erblicke, da müsse man in Gottes Namen wieder kommen, oder sehen, 249 wo man über Nacht sei. Und es gebe es oft, daß er Leute fortsende und ihnen gar nichis geben wolle, gäb wie sie anhielten d'r tusig Gottswille. In allen diesen Reden herrschte eine Art Ehrfurcht, ein gewisses Bangen; man sah den Menschen allen das Bewußtsein an,daß sie hier nichts zu fordern hätten, sondern eine Gnade suchten; daß der Mann Niemand etwas zu geben schuldig sei, sondern geben könne, wem er geben wolie, abweisen könne, wen er abweisen wolle; es war also nicht der Diener der Menschen da, oder gar der Diener der Natur, sondern der Gnadenspender, der Wohlthäter, um dessen Haus sie sich versammelt hatten.Weit entfernt, das Warten übel zu nehmen, vermehrte dasselbe die Ehrfurcht und die geheimnißvollen Schauer.Das war nicht der Mann, dem jede Stunde die gleiche ist, wie sie der Spinnerin die gleiche ist und dem Holzhauer; der zu jeder Stunde seine Bücher bei der Hand hat, wie der Holzhauer sein Beil, die Spinnerin ihr Rad, oder im Gedächtniß hat, was er auswendig gelernt; das war der Mann, der den Geist hatte und den Geist erhielt. Aber bekanntlich ist dem Geiste nicht jede Stunde recht; oft schweigt er ganz; oft zeigt er sich lange nicht; da ziemt sich keine Ungeduld, sondern ein gelassenes Warten, bis der Herr des Geistes ihn seinem Diener gibt, das Auge ihm öffnet, die Rede ihm frei macht. Das Alles war freilich nicht mit klaren Worten ausgesprochen, aber doch alles so eingerichtet, daß diese Gefühle sich bilden mußten bei den Wartenden. Und wer weiß, wie leicht diese geheimnißvollen Schauer sich bilden, wie leicht es ist, die Menschen zum Ahnen der Nähe einer überirdischen Macht zu bringen, der begreift, wie fast von selbst diese Gefühle die um das Haus eines Wunderdoktors harrende Menge ergreifen müssen. Wie leicht kommen diese Schauer nicht unwillkürlich über Alle, welche bei düsterm Lampenscheine eine Gespenstergeschichte erzählen hören, oder geheimnißvolle Vorbereitungen sehen zum natürlichsten Spiele. Als vor etlichen Jahren ein Pfarrer über das Verderben der Welt predigte, erscholl eine 2830 Stimm: „Ja, Herr Pfarrer, dir heyt recht!“ Da hieß es, die Stimme habe nicht geklungen wie eine Menschenstimme, sei nicht aus dieser Ecke nicht aus jener gekommen, sondern aus allen zugleich. Es war in der Kirche Niemand, der nicht von Schauer ergriffen ward und vielleicht nicht Viele, welche die Stimme nicht für die des Allerhöchsten hielten, und doch war dieser Ort kein pietistischer, sondern eher das Gegentheil davon.In der ganzen Umgegend erscholl die wunderbare Kunde und wurde geglaubt, und als man endlich don Thääter ergriff, als er geständig als Thäter ausgestellt ward, der zum Schlüsselloch die Worte hinein gebrüllt, wie viele waren da, die dieses nicht glaubten, sondern den Glauben festhielten, daß die Stimme eine höhere gewesen?

Seither war es, daß ebenfalls an einem sogenannten aufgeklärten Orte ein Mädchen einen Spuk anstellen konnte, der das größte Aufsehen machte, Glauben fand weit und breit, ein Haus in solchen Verruf brachte, daß man die Fenster mit Laden verschlug.

Dieses nun als Beweis der Leichtigkeit, solche geheimnißvolle Schauer zu erzeugen, ja wie ohne Worte dieselben bei der leisesten Anregung von selbst sich bibden, wie leicht etwas Ungewöhnliches als Uebernatürliches aufgefaßt wird.

Anne Bäbi machte unter der Menge vielleicht die einzige Ausnahme. Das Warten stund ihm nicht an;seine Ungeduld vertrieb die Ehrfurcht ünd ließ die Schauer des Uebernatürlichen nicht in ihm aufkommen;der Aerger vertrieb den Glauben. Wenn es gewußt hätte, daß es da einen Tag verhocken müßte, so hätte es dem Buben aus dem Gütterli gegeben; das hätte doch allweg noch mehr b'schossen, als da z'hocke. Aber es sehe wohl, es sei einer wie der andere, der eine versäume einem mit dem Züg, der andere mit Warte,es sei allen nur ums Geld, und wenn sie das hätten,so frügen sie einem fry hell nuüt nah.

Endlich zeigte sich der Doktor, und diesmal früher als sonst, sei es, weil allerdings der Leute viel geworden, sei es, weil Anne Bäbis Brummen ihm Beine machte. Denn neben dem Mystischen, welches das Warten hatte, war es auch ein Kniff, zu zeigen, wie groß der Zulauf sei; denn der Zulauf ist ein bedeutendes Stärkungsmittel des Glaubens. Der Zulauf macht oder erhält den Ruf, wenigstens durch einige Jahre.„Es ist g'stacket (gedrängt) voll g'st innefert, u no viel sy ußefert g'si u hey g'wartet,“ das ist ein Zauberspruch fur Krämerhaus und Wirthshaus, für Doktorhaus und Gotteshaus; Einer hält sich am Glauben der Andern, und nur allmählich schleicht die Prüfung sich ein, und es beginnt der Abfall; Einer folgt wieder dem Andern nach, und vielleicht gerade dann ist der Abfall vollendet, wenn der Zulauf am verdientesten wäre; aber ist der Glaube einmal hin, kömmt er nimmer wieder, so wenig als die Unschuld, welche verloren gegangen. Das ist eine Wahrheit, welche die Jungen nicht vergessen sollten, und doch so oft vergessen. Ihre Neuheit gewinnt die Gunst der Menschen;aber das Neue wird alt, und gerne vergessen wird die Wahrheit, daß es ist mit der Gunst wie mit dem Gelde; beide sind noch schwerer zu erhalten als zu erwerben. Zählt die Geldstager, die Meisten waren zu etwas gekommen, aber da kam der Hochmuth, und nach dem Hochmuth kam der Fall. Diese Wahrheit sollten namentlich junge Aerzte nicht vergessen; was die Neuheit erwarb unverdient, muß Treue erhalten, und aus der Treue erst und nicht aus dem ersten Zulauf snere das eigentliche Verdienst, das Verdienst, das eibt.Den künstlichen Zulauf durchs lange Warten, so wie der Muller das Wasser schwellt, um besser mahlen zu konnen, den versuchen auch einzelne G'studirte, Patentirte, aber selten mit Glück. Erstlich nimmt man von ihnen nicht an, was von andern, zweitens verstehen sie selten, sich den geheimnißvollen Anstrich zu geben, der dabei sein muß. Vom einen sagt man dann eben, er liege noch im Nest, und vom andern, er führe Mist, oder strigle seine Kälber, die Läuse hätten.Ja in tölpischer unmenschlicher Taktlosigkeit meinte zuweilen ein unmenschlicher Patentirter, er kͤnnte das Warten auch ausdehnen auf die, welche in Nothfällen ihn rufen lassen, oder welche er in Nothfällen zu besorgen habe,läßt halbe und ganze Tage zum Einrichten von gebrochenen Gliedern auf sich warten, läßt Wochen lang Verbundene unbesorgt und unbesehen, und nicht etwaä aus Furcht, sie mit vermehrten Kosten zu erschrecken,sondern läßt sie unbesorgt und unbesehen auf wiederholten Ruf und den Bescheid unerträglicher Schmerzen.Dieß geschieht mit der größten Gefühllosigkeit und Sorglosigkeit, weil man weiß, daß solche Dinge von Amteswegen nie gestraft werden, weil vor dem Recht,was nicht ein Prozeß ist oder ein Kriminalfall, für nutzlose Gääde gehalten und nicht gewürdigt wird,weil man die Erfahrung hat, daß eine solche infame Grausamkeit eine Art Furcht erzeuget, welche ihrem Trager vielfach Nutzen schafft. Auf dem Lande, wo die Aerzte dunner, die Nothfälle häufiger sind als in der Stadt, da, wenn ein solcher Arzt, dessen rohe, boshafte, gewissenlose Gefühllosigkeit bekannt ist, etwas will, so wird es ihm von denen, welche in seiner Nähe wohnen, selten abgeschlagen. „Mi weiß nit, was es eim gäh cha, u wie er eim de martereti, we me unger syni Haäng chäm,“ so heißt es; man gewährt ihm Dinge,welche man jedem andern abgeschlagen, und sieht ihm durch die Finger, wo man jedem andern auf die Finger getroffen hätte. Wo der Staat seine Pflicht nicht thut, den Schwachen micht schützt, da wird der Stäͤrkere Meister, und je unvernünftiger er ist, desto groößer wird seine Macht, desto mächtiger die Furcht vor ihm.Solche Aerzte sind aber wirklich selten, und wenn auch der Landarzt eine der schwersten undankbarsten Stellungen im Leben hat, so gibt es doch gerade in diesem Berufe Persoönlichkeiten, die zum Muster und Vorbild von Treue und Hingebung aufgestellt zu werden verdienen, wie sie in andern Ständen felten gefunden werden.

So wie der Ruf zum Ersten erscholl: „du sollist yche cho,“ kam Bewegung unter die Wartenden; die Spannung wurde mäͤchtiger; jedes drängte näher zur Thüre sich, und so oft ein Abgefertigtes äus der Thüre trat, ward die Bewegung neu und das Gedränge groößer.War dann wieder Einer abgerufen, so ward es stiller,und man sah den Abgehenden nach, wie jedes dahinschoß seines Weges, dem Pfeil vom Bogen gleich, und wie es die Erzählung bereitete, warum so spät es heimkomme, wie früh es dort gewesen, und wie viele schon da, und wie viele noch gekommen, und wem nicht von beiden z'halbe mehr geworden, ehe es heim kam, das war sicher ein ganz Cinfältiges, das gar nichts sinnete ob dem Heimgehen.

Anne Bäbi mußte mit einer alten Frau bis zuletzt warten; das hatte es vollends taub gemacht, so daß es allen Glauben verloren hatte und recht puckt war als sie endlich alle beide hineingerufen wurden.

Der Mann, vor dem sie erschien, war wohl am Leibe, und ein lebendig Zeugniß, daß er nicht von dem Geiste lebte, der weder nach Erdäpfel riecht, noch nach Bätzene, noch nach dem Schweinstall. Er g'schauete Jakoblis Wasser lange und sagte endlich: „Dem wird wohl noch z'helfe sy, aber er ist verdokteret vo dene G'lehrte, u jetzt mangelts meh, as wed grad zu mir cho wärist, un es wär ner lieber, du gingest wyters;wenn er sterbe sött, su soll ih ne tͤdt ha, u de v'rchlage si mi wieder, die, wo nim z'Grab graht hey. So mache es mir die Herre Doktere, un ih sött ihr Sündebock sy, aber ih wott nimme. Bringe ih ne dirvo, was ha ni d'rvo? da seyst du de, du heygist ihm grusam gut g'luegt; we das nit g'si wär, we dy Bub a me angere Ort g'st wär, d'r Doktor hät lang chöne.“ „Selb nit Dokter, sagte Anne Bäbi, ih weiß wohl, daß üser eim nüt zwänge cha, u ums Sterbe ists doch notti nit.“ „Das weißt du nicht Frau, sagte der Mann,es bös Gallefieber het d)d Bub g'ha, und d'Galle ist ihm jetzt usg'runne, und viellicht schlaht st ihm i nes Bei, oder es cha d'Wassersucht gäh, mi weiß no nit,welles vo beide, we me nihm nit cha vorfür cho. Das ist allweg e längi Sach, und mit starchem Züg ist da 234 nüt z'zwänge; das muß bi längem gah. Aber wie gesagt, ich wollte lieber mit der Sache nichts zu thun haben. Aber ich weiß wohl, wenn ich nicht helfe, so kanns Niemand, und versündigen thut man sich auch nicht gerne.“ Während er so redete, hatte er hier eine Hand voll Kräuter genommen, dort eine, einen großen Papiersack damit gefüllt, mit alten Schnüren ihn zusammengebunden und Anne Bäbi für 7 Batzen mit der Weisung gegeben, daß es alle Morgen über eine große Hand voll eine Maas Wasser schütten, es einkochen solle auf die Hälfte, und diese dem Bub den Tag über zu trinken geben, öppe wie nes si schickt. Die andere Frau ward auch abgefertigt, wie Anne Bäbi, puckt und trocken. Dießmal machte der Mann nicht den gewünschten Eindruck auf die beiden Weiber; sie waren beide hässig über ihn, und sagten, daß der mehr könne als andere, glaubten sie nicht, er nehme es nur angers für. Absonderlich war Anne Bäbi böse. Es hatte immer die schnelle Heilung im Kopfe. Länger als acht Tage könne das sy Seel nicht gehen, sagte es, bis dorthin müsse er gesund sein, es möge kosten was es wolle. Was es mit der Rustig anfangen solle; es sei ein Haufen, es würde eine Kuh blähen. Es hätte gute Lust ihn fortzuschießen, wenn er nicht 7 Batzen IAste hätte. Jetzt müß er brucht sy, es chön de ppe eis oder z'anger vo ihne drab treyche, wenns ihm öppe fehli. Üeser Läbtig het da Bub kes Gallefieber g'ha, da wird me ja önigelb, und er ist nie gelbe worden. Eine sagt das, enandere öppis augers, und z'letsch wüsse sie allsamme nut. Es nehme es aber doch Wunder, was es eigentlich für eine Krankheit waäre; es duechs, we me das ume afe wüßt, es wohlete ihm scho z'halbe. Es heyg ihm so wunderlig ag'fange; mi heyg eigetlig gar nit g'wüßt wo u wie.Mi chön nit sage, es heyg ihm da ag'fange u nit dert,weder neue Kopfweh heyg er g'klagt. Es heyg no vo ker Krankhit g'hört, die so afange heygz es werd kum no eini so gäh ha. Die andere Frau, welche ein langes Stuück Weg mit ihm zu gehen hatte, sagte, von solchen Krankheiten hätte ste auch schon gehört, aber es gebe sie nicht alle Tage, und man dürfe heut zu Tage es kaum mehr sagen was es sei, man werde nur ausgelachet. Aber dem und dem hätte es auch so angefangen, und alles hat er ausgedoktert gehabt, und keiner hat ihm helfen koöͤnnen, und zuletzt, was meinst,was ist es gewesen? Ziletzt hat ihn eine alte Frau,deren Katze sein Hund todt gebissen, verhexet gehabt,und Zeit ist gewesen, daß man darüber gekommen ist,sonst hätte er sterben müssen. Wo man einmal es gewußt hat, da ist ihm leicht zu helfen gewesen. Wer weiß, ob bi dym Bueb o öppis e so ist?“ „He, sagte Anne Bääbi, das wüßti doch nit; syr Lebtig het däkem Mönsche öppis z'Leid tha; aber mügli wärs; es git schlecht Lüt, di Früd dra hey, eim z'Leid ʒthue was si chöͤne, we menne o nüt tha het; zʒkunträri, u de so nes arms Tröpfli ga z'verhexe, wo sust ume eys Aug het, u si nüt z'wehre weiß; es ist himmelschreiet!da Weg ist ja nimme z'lebe uf dir Welt. Ke Wunger cha ke Dokter nut. Herr Jemer, Herr Jemer,wenn ne eini z'todt bete ließ oder sonst vorhexet hät,wie sött me druber cho? wer wär, der eim drus hulf?u so soött mys einzig Bübli sterbe?“ Der Gedanke kam Anne Bäbi schrecklich übers Herz, laut auf weinte es, aber an seiner Begleiterin hatte es eine gute Tröͤsterin.„Schweig nur, weine nicht, sagte diese. Wenns öppis ist, so ist nüt liechters als drüber cho; die wo jenem geholfen hat, lebt noch, und wird dir auch helfen. Es ist eine auf der Luzernere; man sagt ihr nur das Schnupfsäckeli, ein wüst alt Fraueli, die kann einem alles sagen, was man verloren hat, was einem gestohlen worden, wie es mit einem sein, wie es einem gehen werde. Die hat auch einen Zulauf grusam, und nicht nur von gemeinen Leuten, sondern von solchen,man glaubte es nicht; ja man läßt sie in Chaisen und Trotschlene holen, und zwar no sellig, wo d' Tubackpfyffe bolzgrad use hey u sust vo de G'lehrte sy wey vor de Lute, und uf der Religion nut hey allem ah und ume z'Chile gange für z'G'spött z'trybe oder em Pfarrer öppis ufz'rupfe. Daraus kannst du sehen, daß auf dem Schnupffäckeli etwas zu halten ist, wenn sellig Leute mit ihm deßume fahre, und daß es nit nüt müihm ist. (Gerade hierin liegt wieder ein merkwürdiger Beweis, wohin die sogenannte Aufklärerei führt, und wie gerade die Leute, welche am meisten über die sogenannten Pfaffen schimpfen, und sie anklagen, daß sie es dem Volk verhätten, es in der Dummheit behalten wollen, zu Zeichendeutern und Wahrsagern ihre Zuflucht nehmen.) Das wird dir schon sagen, was mit ihm ist; das hat denen und denen es auch gesagt, und es ist punktum so g'si und so cho. Erst letzthin ist ein junger Bursch zu ihm gekommen, und hat ihns gefragt von wegen einer Frau, ob er sie bekomme oder nicht.Da hat es ihm gesagt, du hast sie ja gerade bei dir.Und wo er sich umgesehen, ist ein Mädchen hinter ihm gestanden, das sich auch hat wollen wahrsagen lassen,das er gar nicht gekannt hat. Und wer die erste fahren läßt, und das Meitschi zur Frau macht, das sich auch grusam wohl zufrieden gewesen ist, das war er.Jä das weiß etwas, ich kann es dir sagen.“ Wer kann ermessen, wie es Anne Bäbi wohlete, als es das hörte. Gleich morgen, sagte es, müsse es zu ihm sein,und wenn es sich die Beine ablaufen müßte. Es sei doch kurios, daß das Wahrsagen so eine rare Sache sei, und käme einem doch so komod. Es fang bald an zu glauben, das wäre nur Verbaust (Mißgunst)von Gott.

Als Jakobli die Mutter mit dem großen Pack daherkommen sah, schlotterte es ihn über und über, und doch sagte er, es duech ihn, es wolle süferli abzieh,ume sei es ihm so schwer in den Gliedern, und er möge z'laufe nit erlyde; aber das werd scho bessere, we me Gedult heyg und d'er Sache abwarte mög. „Ja schön bessern, sagte Anne Bäbi, ich weiß jetzt, wo es dir bessern würde, im Kilchhof, wenn man d'er Sach abwarten wollte.“ „E Mutter, sagte Jakobli, so g'fährlich ist es nit; es duecht mich wäger, es hätte mir schon viel besseret.“ „Du kömmst mir gerade recht,sagte Anne Bäbi, jetzt ist das grad der recht Bewysthum, wo's dir fehlt. Die dolders Hex merkt, daß me re druf ist, drum setzt si ab. Aber die kömmt mir grad recht, und sie muß füre (bekannt werden) es mag kosten was es will. Wenn man lugg ließ, sie fing xSpiel gleich wieder an. Verhexet bist, verhexet,Bueb, ih bi jetzt drüber cho; drum cha ke Dokter nüt a d'r mache. Und o d'r hüttig het es G'stürm g'ha,er soött si schäme; dä v'rsteyt si nüt uf z'Wasser üsust nüt. Aber die dolder More muß z'weg g'no sy, koste es was es wolle; ich will wissen, wär sövli Tüüflisch ist, ihs das az'ihue, u wer ihs söpli mißgönnt, was m'r öppe mit rechte Dinge hey.“

Aune Bäbis Fund war bald allen bekannt. Jakobli sagte nicht viel, Mädi gab ihm Glauben, hingegen Hansli meinte, das trage nicht viel ab. Sie hätten, wo noch der Großätti gelebt, auch einmal geglaubt, der Stall sei ihnen verhexet, und hätten mit Hexen viel Geld verbraucht, und doch hätte es nicht gebessert, bis sie den Stall ausgegraben. Einmal sei ihnen in den Spycher gebrochen worden, und sie seien auch zu einer Wahrsagerin; die habe ihnen den Weg gesagt, durch den die Sache getragen worden, und das Haus angedeutet, in welchem es sein solle. Sie hätten es erlesen lassen, nichts gefunden, und meisterlich Verdruß gehabt. Und erst nach Jahren sei man bei einem andern Diebstahl darüber gekommen, daß ganz andere Leute die Sachen genommen und stie auch einen ganz andern Weg getragen hätten. Aber wenn ein Anne Bäbi und ein Mädi in der Sache einig sind,so kann ein Hansli lang. Anne Bäbi erklaärte, daß Morgen es müsse gegangen sein ohne Fehler. D'Scheiche thäten ihm zwar weh von dem verflümereten G'läuf,und wenn es ihm am Morgen noch so sei, so nehme es die Mähre. „Jä, sagte Hansli, die kannst du nicht brauchen. Heute, weil der Sami nicht daheim ist,hat sie der Thürlinli, und morgen gibt er uns dann sein Roß zum fahren; für spaäter hat er es weiters

47 versprochen.“ Da bot sich Mädi gar drungelich an zu gehen. Es hätte es fry ungern, wenn man es nicht auch einmal gehen ließe. Die Leute köunten was Wunder meinen, was es für eines sei, oder was grüsligs es gemacht hätte, daß man ihm nicht sövli anvertraue und d'Meisterfrau selbst laufen müsse. Was es verrichten müsse, das sei dann auch verrichtet, und man musse nicht wieder hingerfuüͤr, sie sollten sich nur darauf verlassen. Anne Bäbi stellte den Bescheid hinaus bis am folgenden Morgen, und da das Laufen ihm in der That z'wider war, so fand es auch, daß Mädi dahin wohl zu schicken sei. Auf sein B'richten komme es nicht an bei einer Wahrsagerin, die werd sust öppe wüsse,woran sie sei.

Wie endlich Anne Bäbi Gefandte ausschicket und was für Bericht sie bringen.Spät am Abend kam Sami heim, nachdem Anne Bäbi schon lange aufbegehrt hatte, der waäre gut nach dem Tod zu schicken, man wüßte doch dann, daß man noch einen Rung zu leben hätte; keifend empfing es ihn auch. Sami war nicht der, welcher viel in die Sachen redete, aber auch nicht der, der schweigend sich ungere recken (antasten) ließ. Wenn er nicht früh genug sei, sagte er, so wär es ihm dann lieber, an felligi Ort schicke man ein andermal Jemand anders; er hätte genug an einmal, und hintendrein dann üoch balget zu werden, das sei ihm notti nicht anständig.„A selligi Ort? fragte Anne Bäbe, a wettige sött me di de schicke? öppe ih nes Schloß zu me ne Landvogt?“Selb begehre er nicht, sagte Samt, aber doch öppe zu Leuten, wo wüsse, was d'r Bruch ist, und öppeo V'rstang hey.

Anne Bäbi war in Verlegenheit, schweigen heißen konnte es ihn nicht; zum Theil war es selbst neugierig,zum Theil war es zu ungedultig und ärgerlich zum Schweigen, und hoffte mit Trümpfen dem Sami seine Sache zu vernütigen und ihn endlich zu g'schweigen. Auf der andern Seite aber war Hansli da; Mädi kam immer wieder wie g'hexret, gäb wie Anne Bäbi ihm Aufträge gab, und verflümeret ungern hatte es, daß sie hörten was Sami erzählte, der sich durch Anne Bäbis Trümpfe im mindesten nicht irren ließ. Nur den Trost hatte es,daß Jakobli im Bett war. Daß er verheret sein sollte,war ihm doch in den Kopf gestiegen, hatte ihm ganz wunderlich gemacht, und er war froh, sein unwillkürlich Bangen zu vergessen in den Armen des Schlafes.Sami erzählte, gegen neun Uhr sei er auf dem Zyberlihoger gewesen, und hätte wohl gesehen, wie man erst zwei Fuhren gefahren gehabt, und zwei Töchter seien erst dem Acker zugegangen; grad wie we me se dert hayche wett, sy si kniepet (die Knie nicht heben,nicht von der Stelle kommen), u hey si si dräyt, In der Kuche ist die Bäurin gewesen, that als ob sie abwische; ich habe aber das Kaffeekännli wohl gesehen,wo si drinn Kaffee gekochet hat für seye. Dieser hab ich meinen Auftrag ausgerichtet, und die hat ein Gesicht genacht, grad wie eine Kuh, wenn man ihr Blut herauslassen will; ich habe mich fast g'förchtet. Darauf hat sie mich ausgeputzt, als ob ich in keinen Schuh gut wäre, ist mit dem Kaffeekännli ins Stübli g'schosse,und e Längi drinne bliebe, es het mi duecht, ih wett ungerdesse es Wyfaß ussuffe; wenn ih nit B'scheid hät muůsse ha, ih wär gange. Darauf ist sie herausgekommen und ist an mir vorbeigeschossen wie eine Ferlimoore (Mutterschwein), we die Junge duße sy, und ist ufe Acker use.“ Nun beschrieb Sami in die Lange,wie dort der Pflug still gestanden, als die Bäurin daher geschossen gekommen, wie eine entronnene Wasserbütte, wie Alles um den Pflug herumgestanden und die Häͤnde verworfen, daß man hätte meinen sollen,sie wollten alle predigen auf einmal. Endlich hätte es eine Lücke gegeben, und der Bauer und seine Alte und Lisi seien auf ihn zugekommen, wie drei Bauernhüng 260 uf ene Pommer E(Spitzhund), er hätte geglaubt sie wollten ihn fressen eys Gurts. Mit dem Leben sei er zwar davon gekommen, aber angerebelt (angefahren)hätten sie ihn, so hätte er noch nichts gehört, eins wüster als das andere. Sie hätten gemeint, man wolle sie zum Narren haben, sie auftagen und zuletzt z'Leerem abspeisen, und hätten darüber wüst gethan vom Tüfel. Er hätte sie machen lassen, und nicht viel dazu gesagt, bis das Wustthun ihnen zuletzt selbst erleidet wäre; da habe er gesagt, er wisse nichts angers,und er solle sie bestellen über vierzehn Tage, bis dahin werde es, so Gott will, gebessert haben; man könne aber nichts Bestimmtes sagen; d'Dokter wüßten selber nicht was es sei, und bis einer darüber gekommen sei,wisse man nicht, welchen Weg und wie lange es noch gehen werde. Darauf hätten sie sich anfangen zu setzen,und er hätte wohl gesehen, daß ihnen etwas i Gring schieß, aber er hätte nichts d'rglyche gethan, u sellig Hansobe im Dorf sinne nicht, daß einem Knecht auch etwas in Sinn komme, und daß er etwas merke. Sie hätten ihn endlich geheißen in die Stube kommen, und ihm ein paar blaue Schnitz vorgestellt und e Platte voll Erdäpfelbitzli, denen man den Schmutz von Weitem gezeigt und für z'anger Mal ihn versprochen, und beides hätte die Bäurin nur angehaucht, statt es zu wärmen, aber sie werde gemeint haben, so für ne Hung vo Knecht sei alles gut genug. Während sie geglaubt, er nehme, hätten sie d'Gringe z'sämeg'steckt und abgerathen, was zu machen sei. Und er hätte wohl gesehen, wie Jemand abgelaufen, er hätte nicht gewußt für was. Es sei keine Stunde gegangen, so sei einer daher gekommen, der hätte Beine gehabt wie ein Heustüffel, und e Gring, wo ner no Tambur gewesen, so hätte er gerne gewollt, er hätte e selligi Trumme g'ha, und eine Kuite hätte er angehabt, er hätte gar nicht gewußt was daraus machen, sie sei nit herrschelig gisi u nit e Länderkutte, und o nit eini wie z'Schumeister afe heyge; du heyg er daicht, es werd eini sy uf d' argäuer Mode, das sei öppe die werklichstit, wo er g'hört heyg. Wo sie den Mann gesehen, da wären sie ihm enigegen geschossen und hätten ein B'richten gehabt vom Tüfel ebe, und es hätte ihn duecht, wenn er ume es Zöpfli erwütsche chönt vo ihrem B'richt, er wett de scho öppis wüsse druß z'mache.Es hätte ihn neue duecht, es sei nit d'r Werth, e sellige Lärme F'ha vo wege vierzeche Tage, we nit neuis angers d'rhinger wär. Da hätte er sich leise hinaus gemacht aus der Stube und sei vors Haus gegangen,während sie auf der andern Seite im Schopf gewesen.Glücklicher Weise sei der Roßstall auf seiner Seite offen gewesen, e ganz dürgänte (durchs ganze Haus gehender). In den hätte er sich hinein gemacht ganz süferli bis z'hingerist, wo er afe etwas hätte merken können von ihrem Berichte; aber alles hätte er nicht mögen verstehen, gäb wie er aufgepaßt. Der mit der appartigen Kutte hätte am deutlichsten geredet, und der hätte gesagt, man solle preßire was man möge, es komme sonst etwas dazwischen, und wenn er nicht nach Burgdorf könne, so könne man das Nöthige im Hause machen. Und je kraänkner er sei, desto mehr thät ðpreßire Noth; wenn einmal der Knopf gemacht sei, so hätte List nichts mehr darnach zu fragen, und wenns scho müß g'storbe sy, su werd es sich nicht todt pläre. Er glaube nicht, daß G'späß d'rhinter seien, sonst hätte man sellig Leut bald im Bahre ob, man brauche ihnen nur ein paarmal Anschicksmänner zu senden und einige Kundmachungen, so gruppen sie gleich ein, und weun man gar mit einem Eid komme, so sei es Feierabend mit ihrem Kouraschi. Wenn mans verstehe, so sei zu allem Grund da, und einmal ein Jahr oder zwei wollte er mit der Sach prozediren, prozediren bis sie ane kneüeten. Am besten sei es daher, wenn Lisi ginge und g'schauete wie alles sei; es sehe gleich, ob Fantast darhinter sei oder der Kerli wirklich so übel krank, und je nachdem könne man dann luegen. Wenn man einmal sellig Schlitzhösler im Garn hätte, so entwischten sie einem nicht mehr, wenn man es nur ein wenig verstehe. Wo ich das so vernommen eins ums ander,hier ein Wort und dort ein Wort, so habe ich mich füferli wieder hinausgemacht und bin unter einen Baum gelegen; dort haben sie mich auch gefunden, als sie mich zum Essen gerufen, wo es bald zwei Uhr gewesen ist. Ich glaube, sie haben dort auch nur einen halben Tag, wie auch noch an andern Orten, wo man dem Betteln näher ist als dem Bauern. (Sami wußte natürlich nicht, daß das eigentliche Pariser Mode ist.)Ein Essen haben wir gehabt, ich begehrte nicht, daß die, welche es gekochet hat, alle Tage meine Köchin waäͤre. Eine Suppe war da, wenn einem ein Hosenknopf abgesprengt wäre und in die Kacheln gesprungen,man hätte ihn auf dem Boden von Weitem gesehen,doch wars wohl eine zweimäßige Kachle. Brot habe ich nur ein klein Stückli gesehen darin, und das war noch auf der andern Seite, ich konnte es nicht erläͤngen. Die Erdäpfel waren nur halb gekocht, aber die Milch die war schön himmelblau, es hat mich nur duecht, z'Sterne sötte füre cho, aber si hey nit welle,es ist ne doch no z'früh g'st. Da konnte ich essen,wenn ich mochte, aber viel aß ich ihnen nicht ab. Es war bald drei als ich gehen konnte mit dem Bescheid:List werde die nächsten Tage kommen und sehen, was es geben müsse; aber sagen solle ich, ausnarren lasse man sich nicht. Froh sei er gewesen, sagte Sami, als er endlich das Haus im Rücken gehabt; er sage es frank, dort möchte er nicht sein, und wenn man ihm des Jahrs hundert Kronen geben wollte.

Anne Bäbi machte alles Mögliche, um ihn z'g'schweigen; aber es mußte es erfahren, wie es einem geht,wenn man einen Sami einmal angestochen hat. Gäb wie es sagte: „selb wird nicht wahr sein, das sind rechte Leute, aber sie haben dir nur nicht genug Ehre angethan, nicht wahr? sie hätten dir kücheln sollen, und verstanden hast auch nicht, was sie hinter dem Hause zusammen geredet; das ist nur es G'stürm e so.“ Sami blieb bei seiner Sache und hielt fest den Satz, das seien die wüstesten Lente, die er noch angetroffen; mit denen wollte er nichts zu thun haben, und wenn sie noch einen Zyberlihoger hätten und einen noch einmal so großen.

Wie üblich zündete Hansli noch im Stall, ehe er zu Bette ging, ob Alles in der Ordnung sei; und als Sami ihm nachtrappete, sagte Hansli: „Wenns so wär, es wär m'r doch neue z'wider.“ „Zell darauf,sagte Sami, so ists, u so g'wüß als dir das Mönsch is Hus überchömit, heyt d'r ke rühige Stung meh.“„Es wird doch müsse sy, sagte Hansli, mit dem Prozedire mah ih nüt z'thue ha; lieber no meh Wybervolch.“„He, sagte Sami, förcht du di ume nit. Ih ha hüt e Ton g'hört, dä het m'r g'falle. Die Milch het nit welle darha; u no nit wyt bi ni g'si, so bi ni leere worde, es het mi duecht, ih syg ganz hohle und es well alles z'ungerobis (übereinander) i m'r. Ih ha müsse ychere, u eys Wort het z'anger gäh, u da het d'r Wirth g'seyt, es gelt jetzt alles nüt meh, u we nit es g'schriftligs Ehev'rspreche vo me ne Notari syg, u no d'rzu güt ungerschribe, su chön me nut meh mit eim mäche. U so bist drus nu daänne, wed ume recht puckte B'scheid gist, su löh (lassen) si di, mi Armi,rühig.“ „Wes wär, es wär wohl gut, u nützti doch nüt. Anne Bäbi het g'seit es müß sy. Gut Nacht,“antwortete Hansli kleinmüthig. „Und es muß nit sy,sagte Sami halb für sich selbst, und wenn's Anne Bäbi hundertmal seyti, e sellige Elephant soll de nadisch nit idas Hus, es naäͤhm mi de Wunger.“

Am folgenden Morgen war Anne Bääbi noch müde,war unwirsch dazu und meinte, es müsse den Jakobli hüten, damit da Tüfels Sami ihm nicht dor Gring groß mache. Mädi mußte ablaufen zum Schnupfsäckeli mit scharfen Instruktionen, daß es ja die Karte nit füre gab, sondern luege was es sagen wolle.

Als Tayllerand noch lebte und als Großbotschafter sechsspännig in einer großen Kutsche zusammengekauert wie ein halbtodter Affe von Hof zu Hof rollte in den wichtigsten Staatssachen, und alle Welt Augen machte ihn zu sehen, und alle Federvieher die Federn spitzten,um zu schreiben was er sagte, da mag er wohl kalt 264 blütig gewesen, und auf den Stockzähnen lachend an den Fingern abgezählt haben, wie Manchen er abermals über den Löffel barbiren wolle. Aber wenn ein junger Diplomat zum ersten Mal mit bedeutendem Auftrag Kurier fährt, um irgend einen guten Freund seines Herrn vaterlaäͤndisch zu schwänzen, wie pocht ihm da nicht sein Herz, und Hoffnungen arfelsweise (armsvoll) schwellen seine Seele. Hundertmal durchläuft er die Reden, die er halten will, stellt sich den Eindruck vor, den er macht, und sieht Orden hageldicht auf seiner Brust, sieht sich als Faciotum, als Staatsminister, als Alles in Allem. Und wenn er so hinten aus ist, so fängt er von vornen an, bis er wieder hinten aus ist, und so fort bis er an Ort und Stelie ist.Oder so ein junger Tagsatzungsheld, der zum ersten Mal mit der Standesfarbe im Rücken in der Eidgenossenschaft herum sich kutschiren läßt in der üblichen Kutsche an die Tagsatzung, was keimt da nicht alles in seiner jungen Brust! Wer an die Tagsatzung fährt,dem hat das Vaterland einen Talpen auf die Achsel gelegt; ach und wie lange gehts noch, bis es mit beiden Talpen auf seinen beiden Achseln ruht, bis der erste Sessel ihm wird, bis er Präsident einer Kommission wird, bis er der Oeberist daheim ist, bis keiner mehr ob ihm ist, bis seine Frau mit ihm zufrieden ist, eben weil er jetzt der Oeberist ist und ste die Frau Oberistin im Lande oder Ländchen? Ach wie so süß und mild hats nicht schon in so mancher jungen Brust gewackelt,wenn sie zum ersten Male an die Tagsatzung gefahren ist. Aber süßer und erhabener hat sicher nie eine Brust gewackelt als jetzt Mädis seine, als es den wichtigsten Gang seines Lebens that in so hochwichtiger Angelegenheit, wegen Jakoblis verhexet sein, zum Schnupfsäfeli.Daß Jakobli nicht krank war, das wußte es gar wohl;aber ob er nicht verhexet sein koönnte, das war ihm zweifelhaft geworden; das waäre doch noch möͤglich,hatte es bei sich ausgemacht. Er war ung'fellig von Jugend auf, und jetzt sollie er eine Frau nehmen, die er nicht mochte. War das ihm nicht angethan, daß er die haben müsse? Und konnte es Jakobli nicht insgeheim wirklich fehlen, und immer mehr fehlen, so lange er sich wehre, die Täsche, wie Mädi List titulixte,zu heirathen. Und wie sollte es das vornehmen, daß es punktum das Rechte vernehme, ohne sich zu verrathen. Ja, das Alles waren Dinge, die einem Mädi zu sinnen gaben. Und wenn das Schnupfsfäckeli ihm sagte, Jakobli müsse die Täsche nehmen, das wasche ihm der Rhein nicht ab, die seien einander geordnet:wollte es das sagen, oder etwas anderes und es mit Jakobli auf das Aeußerste kommen lassen? Das war ein Knopf, den es noch nicht aufgelöst hatte, als es nach vielem Fragen das Haus des bekannten Säckeli gefunden hatte.

Es fand eine kleine alte Frau alleine, die handlich fluchend es bewillkommte und nach seinem Begehren fragte. Mädi erzählte, sie hätte einen Bub, e manirliche und e ordlige, wie me se jetz selte atreff. Albetz syge st no g'sy. Und däa hät sölle hürathe, die Alti hät ihm se g'sucht, und jetzt werd er krank und ke Dokter choönn ihm helfe, und all Tag werd er schlechter, und da syg ne g'seit worde, er syg v'rhexet u es chönni sage, wer d'Hex syg u wie me se chönn mache ufzhöre. Das sei so eine Sache, sagte das Säckeli,wo manchmal uchumlig (unkomod) use chöm, und dann sei noch die Frage, ob das von einer Hex chöm; so jung Burschte hätten manchmal etwas im Gring, es sei gerad wie wenn sie verhexet wären, und es sei doch nicht. Es nahm sein altes Kartenspiel, und wahrend es die schmutzigen Blätter mischte, sagte es so im Vorbeigehen: „Es wird ihn blangen, bis er kann Hochzeit halten.“ Mädi sah in schauerlicher Andacht dem Mischen zu, denn es hatte gehört, ein grau Männchen setze sich zum Säckeli, sobald es zu wahrsagen anfange und sage ihm die Geheimnisse; die meisten Leute könnten es aber nicht sehen, nur einige,die auch von den rechten Augen hätten, thäten es deutlich wahrnehmen. Es nahm Mädi gar Wunder, ob es rechte Augen hätte, und mit Herzklopfen sah es bald links, bald rechts, wo das graue Männchen sitze und ob es etwas von ihm merke. Als die unerwartete Frage kam, schrack es zusammen und antwortete:„O selb nit; es wäre ihm am liebsten, wenn es von der ganzen Sache nichts wüßte; aber die Alti wotts g'hebt ha, u was die wott, das foött de sy.“Kaum hatte das Schnupffäckeli die Karten vor sich,so rief es aus; „Ich habs doch gedacht, bim Dolder,was das für eine Her sei; eine andere hat er im Kopf,und möchte sie gerne und darf nichts sagen, und bis er die hat, wird er nicht gesund, und wenn er die andere nehmen muß, so stirbt er gäbs Jahr umme ist,zell druf.“ Dem Mädi klopfte das Herz, ja es sprang mir nicht sagen, was für eine es ist, die er im Gring het?“ „Es ist ein armes Meitschi, aber sust ist nichts wider ihns zu sagen, es werchbars, und es husligs und es hübsches, und wenn er das überchunt, so ist er glücklich; sagg ume z'Schnupffäckeli heygs g'seit.“„Es husligs un es hübsches, gäll, hest g'seit? Fragte Mädi, „un er schüch d'Eltere, gäll?“ „Ja,“ sagte die Alte, und sie sollten nur machen, daß es bald ab Brett gang. Die andere werde sich wohl wehren,aber sie sollen sich nicht fürchten; wenn z'Hochzyt einmal vorüber ist, so werde sie sich schon setzen. Mädi konnte kein Bein mehr still halten und frug: „Was bin ich schuldig?“ „Kannst geben was d'witt?“

Anne Bäbi hatte ihm sechs Kreuzer gegeben zu diesem Zwecke; es legte aber Mädi extra noch einen halben Batzen zu und machte sich fort, als ob es Fäcken hätte. „Eini im Gring, e armi, und e werchbari un e husligi; das kann üf my armi Thüüri Niemere sy,as grad mi; er chennt ja sust keni, und wo ist eine werchbarer und husliger, wo, da will ih doch usbiete! U wege d'r Hübschi het m'r keni nut für z'ha;wo nih jungs g'sy bi, ha nih e Hut g'ha, wie g'falbet, u ne Gring, so ne rothe, mi het nut schöners chönne g'seh; und jetz möcht ih wuüͤsse, wo ne bräveri und e hübscheri ist, wo d'gahr het, wo ih. Zähng 267 (Zähne) ha nih no meh as die halbe, und öppee ꝓflischeteri (mit mehr Fleisch) als ih, für so hert wie ih werche, gibts z'Lang uf z'Lang ab nit; u wenn ih einist Sühniswyb bi u de o übers Fleisch cha, wenn ih ma, u hingere stah bim Werche, so soölls bim Schieß nit lang gah, so gibe ih die brävsti und töllsti Büri,wo me g'seh will; emel z'Halbe hübscheni no u schwäre.Ih ha's doch geng denkt, es gang z'letst no so; es müßt ja sonst gar keine Gerechtigkeit sy im Himmel und auf Erde.“ Anne Bäbi werd's ungern ha, aber jetz syge d'Häng ihm bunge u z'Mul v'rmacht, und es gefchehe ihm i Bode yche recht, un es sött Allne,wo sellige Hochmuth heyge, so gah; si wüßte de, was d'r Hochmuth chönn. Es daure ihns nur der arme Bub; daß dä sövli heyg müsse lyde sinetwege und e sellige Angst usstah, dachte Mädi, und nahm sich vor,es well ihms de bppe luege zv'rgelte. Aber er syg D glyche tha, u wo nes ihms uf z'Zunge gleyt u fast grad üse g'seit heyg, es wett ne, warum heyg er tha, wie nes Meitschi, wo ꝓschüchs syg, ja z'säge u d'Eltere z'Wort heyg. E Bueb syg doch nadisch kes Meitschi. Wohl,wenn es es fry e so recht g'wüßt hät, der alte Käsgepse hät es welle d'r Marsch mache u z'Sach wär längst am Ort. Es freus wegem Sami, dem Schnürfli well es de d'r Gring i Bahre uche binge, daß er de wüß,daß er e Meister heyg. Wer Mädi zugesehen hatte,wie es heim zog, hätte meinen können, es tanze ein Irrwisch des Wegs entlang, ein etwas massiver freilich.

So glücklich ist sicher kein sechsspänniger Diplomat von seiner Mission heimgefahren und kein zwei oder dreispänniger Tagsatzungsherr, und wäre er auch in zwei oder drei Kommissionen gewählt worden, statt nur in eine, als Mädi tanzend seines Weges trampelte.Daß ihm erst kunterbunt alles durcheinander im Kopfe brauste, wer will sich dessen wundern? Wie viel Flachs es pflanzen wolle, und wie im Kabisplatz eine andere Ordnung sein müsse, und daß es wenigstens eine Sau mehr erleiden möge, und gäb es Ching bigehre 268 oder nicht, und noch eine ganze Menge anderer Dinge.Nach und nach setzte sich der Sturm und Mädi bekam diplomatische Gedanken. So gerade mit der Thüre ins Haus, dachte es, wolle es nicht. Jakobli müß es selber bikenne, wen er im Kopf habe; er müsse selber füre mit d'ir Sprach; mi muß ihm nachher nit fürhalten, es hät öppis g'loge oder dem Sackeli es paar Batze gäh, daß es ihm iKram red, o jere de!Sie müͤßte ihm denn cho aha und's d'r tusig Gottwille bete, daß es si d'rzu lay v'rstah, u de nähm es villicht no Bidenkzyt; es wüß's no nit, aber es heyg g'hört, das syg unger de Fürnehme d'r Bruch. Es wolle nur sagen, z'Schnupfsäckeli hätte gesagt, die wo ner sött ha tödt ne kurzum, wenn er se näh müß;hingege heyg er e angeri im Kopf, wenn me ihm die löy, su chom er z'weg u werd glücklig. Meh hätt es nit welle säge, gäb wie es g'fraget heyg und ihm ag'ha.So wolle es reden, ganz kaltblütig, wie wenn ihns die Sache nichts anginge; die werde de aber lose,wenn es endlich d'Karte füre gab! Gar königlich freute es sich auf die Geschichte fast so viel, als auf den Bub,und was Anne Bäbi mit für einer Rede komme, das mochte es fast nicht erwarten.

Zeitlich kam Mädi heim mit einem recht gelassenen Gesicht, wie es die zu machen verstehen, die etwas hinter den Ohren haben. Anne Bäbi empfing es sehr freundlich und sagte, so sei es doch noch öppere usʒschicke, we me de o heim chöm, us nit mach, wie Sami, dä Muffi; es hät fast nit möge erwarte, bis es chöm, u was hest für Bricht? „He, gute oder böse,wie d'witt, sagte Mädi, v'rhexet ist er nit.“ „Nit?sagte Anne Bäbi, Herr Jemer! was föh (fange) m'r de a; ist de nüt meh z'helfe?“ „Wohl, het z'Schnupfsäckeli giseit; mi chönn, wenn me weli enangere näh.“„Su sag!s, sagte Anne Bäbi, u schleipf eim nit so im Gwunger des umme!“ „Ich will' es bir schon sagen,erwiderte Mädi, aber zürns denn nicht au mir und hähs ungern; ich vermag mich dessen nicht und habe es nicht ersinnet. Z'Schnupfsäckeli hat gesags, es steck dem ñ 269 Jakobli eine andere im Kopf; wenn er die bekomme, so komme er z'weg und werde glücklich; wo aber nicht, und solle er die haben, wo du ihm geben wollest, so sterbe er;darauf könnest du zählen; denn die Krankheit komme nur daher, daß eine in ihm stecke, und er es nicht sagen dürfe.“ „Das hast du erheyt und erloge, graduse,schrie Anne Bäbi, und das chunt alles ume vo dir, u süst vo kem angere Mönsch. Oeppis Dumms e so het ðSchnupfsäckell nit g'seit, un im Gring het Jakobli keni; sövli schlecht ist er doch no nit, daß er syr liblige Mutter, wo ne ungerem Herz treyt het, selligs zeid thät.“ „Mira, glaub's oder glaub's nit, sagte Mädi, mach was d'witt. Wed di Bueb ungere Herd witt, su zwängs; du hest es de, u chast luege, ob ih gloge ha. De chast d'r d'Auge us em Gring pläre;aber de ist es z''spat. Mach jetz was d'witt; ih ha d'r g'seit, was ih v'rnoh ha, u d'r Reste geyt mi nut meh a.“ „Ih merke di wohl, sagte Anne Bäbi, un ih merke die, wo dir das agäh hey; aber es soöll euch nüt nütze.“ „Mach was d'witt, hest g'hört, antwortete Mädi, ih will ke g'sungni Stung meh ha, wenn mir öpper öppis agäh het, oder wenn ih es Wort gloge ha; aber we du's witt uf em Gwüsse ha, su häbs, was frage ih dem d'rnah.“ „Bigehr ume nit grad e so uf, sagte Anne Bäbi, es wird doch öppe erlaubt sy z'frage, u we geng alles gege eim ist, su het me Ursach z'zwyfle; u de het Jakobli Niemere im Gring, das müßt ih ja wüsse.“ „Su frag ihn, sagte Mädi, das chast grad erfahre, wenn er d'r offenire darf; aber du bist geng e Uflath g'sy gege dim einzige Ching, und hest ne cujinirt, es ist ume d'Frag, ob er doer darf d'Wahrheit säge, oder ob er nit lieber geyt ga sterbe.“ „Das soll mir Niemand nachreden, fagte Anne Bäbi, und so komm mir nadisch nit; sust sy m'r de bald lang gnue bi nenangere gsy; u uf d'r Stell will ih jetz hingere Bueb; er muß mit d'r Wahrheit füre; es wird si de scho zeige, wer Recht het.“ „Gäng ume, sagte Mädi, u wenn ih de z'lang da g'sy bi,su bruchst ume z'fäge; ih will Niemere am Weg sy,ι

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M o Jere!“ Anne Bäbi hoöörte die letzten Worte nicht mehr; es war hinausgeschossen nach Jakobli. Mädi sah schmunzelnd ihm nach und sagte: „Tas wird afe mi recht g'stabelig mache, u si müsse m'r aha, fry uf de Chneue, eh n'ih säge, mira (meinetwegen)!“Anne Bäbi schoß hinaus, und Angst und Grimm stritten sich in seinem Herzen, und bald war das eine oben, bald das andere; taubs war es über die ganze Welt. Bleich und träumend saß Jakobli noch an der Abendsonne, die eben über dem schwarzen Tannwald stand so schön golden und groß, und den Menschen zeigte, was die Sonne selbst aus schwarzen Tannen zu machen vermöge, damit sie denken möchten, was aus dunkeln Gemüthern zu werden vermöchte, wenn groß und golden die Sonne über ihnen stände, die in die Welt kam, zu der Welt Erleuchtung. Aber Anne Bäbi achtete sich der Sonne nicht, wie schön sie auch war;es hätte ihr wüst gesagt, wenn sie ihm auf irgend eine Weise bemerkbar in den Weg gekommen wääre.„Fehlt's d'r no?“ rauzte es barsch den träumenden Buben an. „Ganz wohl ist es mir nicht, sagte Jakobli weichmüthig, aber es wird schon bessern, wenn's Gottes Wille ist.“ „Weist, daß Mädi zruck ist u was es für B'scheid het?“ fragte Anne Bäbi. „Ih hocke scho lang da, u ha Niemere g'seh,“ gab Jakobli gleichmůthig zur Antwort. „Du sollest nit v'rhexet sy,“sagte Anne Bäbi. „Es het mi doch o duecht, antwortete Jakobli, ih ha ja myr Lebti Niemere nüt z'Leid tha u bi Niemere i Weg cho.“ „Weist wo's d'r fehle söll?z??“ „Wie wett ih's wüͤsse, wes ke Dokter weiß?“antwortere Jakobli. „Im Gring soll's d'r fehle,“ antwortete Anne Bäbi. „Mit Kopfweh het's agfange,sagte Jakobli, aber es duecht mi, es ziehe ab.“ „hue doch nit d'r glyche, du merkist nüt; das ist schlecht vo d'r, d'Mutter so ga az'führe u da e so d'r Narr z'mache.“ „Wäger, Mutter, weiß ih nit was d'meinst,u agloge ha di myr Lebtig nit.“ „Hest de nüt im Gring?“ fragte Anne Bäbi. „Nei wäger nit, Mutter,sagte Jakobli, ih wüßt nit, was ih wett drin ha.“„Nu so g'seht me doch de, was so ne dolders Wahrsägere cha; jetz weiß ih's, was uf ne z'ha ist. Geyt die nit ga säge, du heygist Eini im Gring und mögist List nit, u das mach di chrank u z'sterbe, wed se ha m ussist. Ih will's Mädi grad ga säge; es cha de g'seh, was es für Bricht bracht het; aber ih ha's doch g'wüßt, daß du keni hest u m'r das Herzeleid nit ane machist !“ Während die Mutter so redete, dunkte es Jakobli, man fahre mit zweischneidenden Messern im Herz herum, und unterdessen schwebte ihm von den goldenen Tannenspitzen her ein wunderholdes Bild mit süßen Augen und goldenem Haar und stellte sich vor seine Seele, und es war ihm, als frage ihn das schöne Bild: „Willst du mich verläͤugnen vor den Menschen?“ Und es fiel ihm ein, daß er der Mutter versichert, er habe ihr noch nie gelogen, und hatte er nicht Etwas vor in seiner Seele, und dieses Etwas zehrte an seiner Seele, und je mehr und mehr, je näher er List kam? Und war das nicht nun denkbar,daß die Wahrsagerin sah, was in seiner Seele war,und kein Mensch wußte? und war dieses nicht eine Fügung „ daß er reden müßte, wenn er nicht sterben wolle?

Wie bei dem Ertrinkenden die Gedanken nicht kommen einer ehrbar nach dem andern, sondern in Massen ins Bewußtsein treten; wie in entscheidenden Lebensmomenten überhaupt die Thätigkeit des Geistes eine ganz andere ist, als wenn in gewöhnlichem Gange die Dinge kommen und gehen, so drängten in diesem Augenblick Bilder und Gedanken in des armen Knaben Seele in nie empfundener Fülle; aber sie fanden nicht Kräfte zum Handeln, nicht Worte zum Reden; sie fanden nichts, als den geheimnißvollen heiligen See,der im Heiligthume jeder Seele seine heiligen Wellen schläägt, in seder Seele nämlich, die noch ein Heiligthum hat, bei der nicht alle Mauern niedergerissen, der Grund durch unheilige Füße hart getreten, mit Frechheit und Lastern gepflastert worden. In solchem Heiligthume schlägt der klare See seine kühlen Wellen; sie werden nicht sichtbar in gewöhnlichen Tagen, aber wehen dem getreuen Arbeiter Kühlung zu in süßer Arbeit, stärken ihn, wenn er ermatten will, geben höhere Weihe jedem Tagewerk, höheres Ziel jedem Streben, läutern das Unreine und brechen die Kraft der Pfeile, welche der Teufel auf getreue Herzen schießt,und waschen rein die Wunden, welche Mißkennung getreuen Herzen schlägt. Nur wo Schmerz, wie glühend Eisen, in die Wellen zuckt, da brausen sie auf und ihre Spitzen dringen aus Licht, rollen groß und schwer zu Tage und zur Erde nieder, oder wo Kummer das Herz zusammenpreßt, oder die innigste Angst den Grund der Seele aufwühlt und zu Tage wirft,oder die Freude nach langem Bangen, wie ein kühner Windstoß nach langer Windstille, die Wellen aufreget und mit silbernem Schaume ihre Häuptlein krönet.In den Kindern wohl, bei denen noq keine verhärtete Brust ist, deren ganzes Wesen sonder Mauern zu Tage liegt, da schäumt und schlägt seine Wellen sichtbarlich alle Tage dieser See; aber selten Einer schaut sie mit kundigem Auge und lernt ihre Bedeutung. Allmälig zieht er seine Ufer zurück, allmälig verhärtete sich, was täglich vom Täglichen berichtet wird, zu den Mauern um den heiligen See. Wohl mag hie und da diese Verhärtung gestört werden, die Bildung der Mauern unvollkommen sein; es mag ein Loch bleiben, das alle Tage rinnt; es mag dieser See vertrocknen von giftigem Winde verzehrt, die Mauern mögen fallen vom Roste der Laster zerfressen. Wo aber der Mensch aufwärts schreitet in seiner goöttlichen Vervollkommnung,da werden die Mauern um den See höher, dichter,alle Tage tiefer und klarer der See; seine Wellen schlagen weniger hoch, schlagen seltener über die Mauern; Steine erzeugen keine Gewitter mehr; die bewegarden Kräfte verlieren ihre Macht, weun sie seine ellen berͤhren; aus dem Schmerz wird der Brand gezogen; der Kummer saugt das Vertrauen ein, die Angst löst sich auf, wie Morgennebel in der Sonne,die Freude verklärt zum klaren Spiegel sich. Nur die Sehnsucht noch zieht des See's Wellen höher und höher, und wenn, das alternde Auge gen Himmel blickt, dort oben die verheißene Wohnung sucht, nach dem Winken der Lieben forschet; da glänzen die Häupter der Wellen des heiligen See's im alternden Auge,und funkeln in ihren strahlenden Wassern. Dann kömmt die Stunde einmal, wo diese Wellen sich legen zum klaren Spiegel; über die Mauern wehen keine Winde mehr, ewige Ruhe weilet auf den Wassern;da taucht aus denselben auf Jehova; voll seiner Herrlichkeit erglüht der See. Dann fallen die Mauern,der See rauscht auf; er wird zum heiligen Strome,auf dem Jehova dahin fährt, dahin, wo die Räthsel wohnen, die kein sterbliches Auge enthüllt.Aus diesem See herauf rauschten die Wellen, erregt durch des Knaben unendliches Bangen, und groß und schwer drängten sich die krystallenen Tropfen aus Jakoblis Auge, und goldener spiegelten sich in selben die letzten Blicke der scheidenden Sonne. Wie im Lichte Diamanten leuchten und Strahlen werfen ringsum, so trafen die funkelnden Strahlen aus Jakoblis strömendem Auge des zornigen Anne Bäbis Augen, als es sich eben wendete dem Hause zu: „Was Plärist?was hest?“ schnauzte es seinen Knaben an, doch hatte die mütterliche Angst den Zorn schon gelöscht aus den Tönen des letzten Wortes.„Ach Mutter, sagte Jakobli, wenn ich dir etwas sagen dürfte, aber du bist so bös mit mir, und längi Zeit schon hast du mir kein freundlich Wort gegeben.Was ich dir zu leid gethan, das weiß ich nicht, aber expreß g'wüß nüt.“ „Jetzt soll ih no bös gege d'r sy,Herr Jemer, sagte Anne Bäbi, u sinne ih Tag u Nacht nüt angers, as für di, u ha m'r die letzte Zyt no fast d'Bei unger abg'lüffe, u soll jetzt no bös gege d'r sy. So ist das d'r Dank d'rfür, für das wo ni für di thue u sinne? He nu so del ebeso mähr das o no! su säg grad no, was de z'säge hest u z'klage, ih

18 wills i Gotts Name ertrage.“ „O Mutter, wed grad höhn wirst, su cha ih d'r nüt säge; ih will lieber sterbe,wie d'Wahrsägere g'seit het, u si wird recht ha.“„Was, was recht? sagte Anne Bäbi, hest de Eini im Gring? du Uflath du was de bisch!“ „Wed so chunst,Mutier, sagte Jakobli, so kann ich dir nichts sagen;du hast gehört, ich will lieber sterben, und je eher je lieber, u lang gehts nicht, ich g'spüres am beste.“„Ja wolle, sterbe, du Löhl! wer redt vo sterbe? Aber su red doch, hest de eini im Gring oder nit?“ „O Mutter, sagte Jakobli, apparti nit; aber es Meitschi ha ni g'seh u chas nit v'rgesse; wo ni gange u stange steyts m'r vor de Auge, und we nih schlafe so chunts m'r vor, und hocket by m'r ab; d'Nacht ist ume, ih weiß nit wie. Ih cha wager nüt d'rfür, Mutter; nahg'loffe bin ihm nüt, und mängist ha ni welle g öppis ängers sinne, aber gang u mach Nacht, wes Tag ist,u v'rhäb z'Sunne, we si schyne will. Ih v'rmah mi desse nüůt, es wird so ha sölle sy; allemal we nis g'seh ha, ha ni nit ufe Weg welle, u nit vo Hus bigehrt,u du hest mi nacheg'führt oder mi g'schickt; ih ha müsse gah, ü de ha nih das Meitschi g'seh, und es ist m'r ällimal g'si, als we ni e Engel g'sächt, und wenn es wieder fürt ist, so het es mi duecht, mis Herz gang mit und wenn ih umme o mit chonnt, wärs, wohi es well, i nes wits Lang oder i Chilchhof, oder wo's wär, es wär m'r Alles glych. So ist's m'r, Mutter,aber säge ha nih nüt welle; ha kem Moönsche d'r vo g'redt, ha welle d'rbi sterbe; u wie das d'Wahrsägere het chönne wüsse, weiß ih nit; aber vermah thue ih mi desse nuüt, u zürn m'r wäger nüt.“ Unterdessen war Anne Bäbi da gestanden wie verschmeyet (vom Donner gerührt); von selligen Dingen, von Engeln und Tag und Nacht und sterben häätte es sein Lebtag nie gehört, und alles das war in Jakoblis Gring, und es wußte es nicht; und an Allem sollte es noch Schuld sein, weil es den Bub von Haus genommen, und Punktum wußte dies das Schnupfsäckeli; das alles stürmte auf ihns ein, daß ihm längs Stück Maul und Nase offen blieb. Endlich schnappte es Luft und frug:„Aber Mädi het drum g'wüßt, gäll, u das ist es abgeredts Spiel, für mi lings z'mache u für e Narre Fha?“ „Nein wäger nicht, sagte Jakobli, kein Mensch hat darum gewüßt, auch kein einziger, der Aetti nit,d'r Sami nit, u z'Mädi de gar nit.“ „Aber wem ist de das Mönsch, wo si da so ygnistet het bid'r? es wird e suferi More sy, daß Niemere d'rvo säge darfst; es wird d'rs verbote ha, damit ere Niemere z'böst redt,wie si's mache, die wo die nütguetzigiste Trücher sy.“„O Mutter! red nit so, sagte Jakobli, z'Meitschi weiß so weni, as du u z'Mädr, d'rvo, u du hest fast meh mit ihm gredt, as ih.“ „Seh, red, wem ist's?es laufe dere Schlärpli so viel des umme, daß ih nit weiß, welles es ist; es wird es lustigs Bettlermönsch sy, daß es bis jetz nit hesch dörfe säge, e sufere Engel, ja, wed d'Engel vo Dreck u Lüse, anstatt Fäcke,g'macht wäre, u Fotzle hätte z'ringgum.“ „Nei, Mutter, es Bettlermönsch ist es nit, u Dreckigs ha nih nüt a nihm g'seh. B'sinn di numme, es ist das Meitschi, wo by nihs gritte ist vo Solothurn, u wo m'r du wieder g'seh hey, da bi mene Bohnepläß bi Raxige,u du ha nihs wieder atroffe, wo nih vom Zyberlihoger cho bi, u v'rirret g'sy bi u niene meh use g'wüßt ha.“

In Anne Bäbi kämpfte es auf und nieder, und es wußte lange nicht, was sagen. Es sah, Jakobli war aufrichtig; aber daß es jetzt mit List nichts sein sollte,das war ihm schrecklich, das konnte es nicht verwerchen, und das Schnupffaäckeli hatte den ganzen Handel gewußt und vom Sterben geredet, wenn er List nehme!Es war zwar sehr geneigt, zu glauben, es habe das Ganze nur errathen, und das vom Sterben sei es G'stürm; aber trauen durfte es doch nicht recht, b'sungerbar da Jakobli geweint, als von Lisi die Rede war.Es sagte daher nur: „So, selb Schlärpli ist's, mit dem Diti-(Pupen) Gfräs, wo ihm e niederi Fleuge,wo dra flügt, e Plätzab macht, u wo me nit aluege darf, us Furcht, es überchöͤm Brämi im ganze G'sicht 276 ume? Das ist mir e suferi G'schicht, un ih wott mit Allem nüt meh z'thue ha, mira, lueg du zu, un ih wett, ih wär ungerem Herd!“

Jetzt geht der Katze das Haar aus.Mädi verzappelte fast vor Neugierde drinnen im Hause, was für einen Austrag draußen die Unterhandlungen nehmen möchten. Allem an sah es deutlich, daß von der Sache die Rede war, und als endlich Anne Bäbi ins Haus schoß, so zitterte es fast vor Freude und dachte: „Gäll Anne Bäbi, gäll, jetz must rinist cho ane chneue; aber wart, dir will ih es reisen.“Mädi machte das bedenklichste Gesicht, welches es hatte,stellte sich mit dem Rücken gegen die Thüre und ribsete an der Kaffeekanne, als ob es sie waschen thäte.Anne Bäbi schoß in die Küche wie ein entronnener Komet, und die Kachelbaänke zitterten und bebten, als ob rings der Kometenschweif sie streife und fege, aber sagen that es nichts. Mädi schaute endlich um, aber Anne Bäbi nahm keine Notiz davon, sondern schoß eben das Erdäpfelkörbchen in eine Ecke, daß der Inhalt herum stob, als ob Erdäpfel Flaum und Federn waren. Mädi hatte seine Freude an diesem Zorn und dachte: „Gäll, jetz het's di; schieß du ume, es hilft d'r alles nüt; z'letscht mußt doch absetze, u füre mit d'r Sach.“ Da hoschete es draußen an der Thür;aber Anne Bäbi hörte es in seiner Täube nicht, und Mädi wollte es nicht hören. Die Entwicklung nahte;Mädi wollte sie nicht hemmen lassen durch irgend einen,der da nichts zu thun hätte, wie es meinte. Da sprang die Thüre auf, und eine Stimme sagte: „Ih muß däich selber ufthue, we mi Niemere heißt iche cho.“Da sahen die Beiden sich um, und unter der Thüre stand List groß und breit, und sein Kopf leuchtete, wie der goldene Knopf am Kirchthurm der großen Kirche in Solothurn, wenn die Sonne so recht herzhaft darauf scheint.

Jakobli hatte von Weitem die gewaltige Postur daher wandern sehen mit einem Wartsäckli in der Hand,und gleich fiel ihm ein, das möchte List sein, welches den versprochenen Krankenbesuch abzustatten käme; und mit einer Raschheit, die ihm sonst nicht eigen war,drückte er sich ab seinem Bank der Wand nach in den Stall, drückte die Thür wieder zu nach Leibeskräften und lehnte mit dem Rücken sich daran. „Aber Bub,was machst? thue Thür uf! wie wett ih g'seh?“ so rief Sami, der eben unter einer Kuh saß und molk.„Es chunt, es chunt, Herr Jemer es chunt, rief Jakobli, wo söll ih hi, wo cha nih mih v'rstecke?“ „Wer chunt? fragte Sami, und thue doch uf und mach nit söpli dumm.“ „He du weißt ja wohl; du hest's ja g'seyt, es chöm.“ „Potz Tüfel! dem pressirts! ist das scho da? sagte Sami, was wottsch jetz mache?“ „Furt laufe, mi v'rstecke, sterbe,“ sagte Jakobli. „He um selb ist's no nit z'thue, da wird wohl noch etwas angers z'mache sy. Aber was hest vori so starch mit d'r Muner gredt, wo si du yche g'schosse ist, wie me se ijagti?“

Da erzählte Jakobli, was Mädi vom Schnupfsäckeli für Bricht gebracht, und wie die Mutter hinter ihn gerathen, daß er hätte sagen sollen, es sei nichts an der Sache und er hätte nichts im Kopf. Da sei es ihm gewesen, als müsse er ihr etwas sagen, was er noch keinem Menschen gesagt, weder jetz wolle er es auch ihm sagen. Sami hörte mit großer Andacht zu, was Jakobli von seinem Meitschi erzählte und wie das ihm nicht aus dem Sinn wolle Tag und Nacht, und fragte endlich: „Und die Alte, was hat sie dazu gesagt?“ „Sie wollte sie waäre unterm Herd,“ antwortete Jakobli.„Ho für selb het's ke G'fahr. Du aber bist ein dummer Bub, daß du das nicht schon längst gesagt hast,und dich da hast herumschleppen lassen, wie ein dreijährig Kind. Ich habe dir schon lang gesagt, wehr dich, sie zwängen dich nicht, verschweige, daß sie dich sterben ließen. Das ist ume es Kähr, u we du uf die Hingere steyst, su chaust mache, was d'witt, u dy's Meitschi näh we d'witt; aber du mußt z'Mul ufthue. Hät ihs gwüßt, daß du eis im Gring hättest, ih hät scho lang angers d'r hinger welle. Aber wed keim Mönsch nut seist, su cha d'r ke Mönsch helfe. Zell druf, das Meitschi mußt ha; d'r Vater hilft d'r, u we d'Mutter vo Sterbe g'hört, u e Wahrsägere 's gseit het, su zell druf, die gruppet y, u lat ich jetzt machen? fragte Jakobli, jetz ist List da, und wir haben noch nichis mit einander geredet, und es wird z'Wüstist alles machen; u we Ueser vo Prozesse u Eidige g'höre, su ist ne nit meh z'helfe, u mir gruset es selber d'ͤrvor, ih muß es säge.“ „Häb nit Chummer, sagte Sami. Ih ha ne Ton g'hört lüͤte,es werd ech nit viel thue, un es wird wohl e so sy.Drum bis ume ruhig u säg nit viel, u la die angere mache u lue, was si säge welle. We d'witt, su gruchs e kley, nimm d'r Gring i d'Häng u bärz, wie es Roß,we's Buchweh het, su g'sehst geng, was ga soll. Ih will d'm Alte es Wort d'rvo rune (flüstern); er wird de scho ane stah, wes nöthig ist u ne neuer stüpft.Los, sie brülle d'ir; du mußt di doch füre lah; aber förcht di nit u säg nit viel, su ist z'Sach gwunne,zell druf.“

Allerdings brüllte Anne Bäbi zur Thüre aus: „Jakobli, Jakobli,“ als ob man es am Messer hätte. Als Lisi so unter der Küchethüre stund, fast so ungesinnet,als wie der Teufel erscheinen soll, wenn man ihm zur unrechten Stunde ruft; da machten Mädi und Anne Bäbi ihm Augen, dem Teufel hätten sie nicht ärgere machen können. „Was wotsch?“ fragte Madi spitz,dem es wohl in Sinn kam, wer das Mönsch sei. „He,chennst du mi nimme,“ sagte Lisi zu Anne Bäbi, als ob es Madi einer Antwort nicht würdig hielte, „das wär m'r afe e suferi Sach, we du nimme wüßtisch,wer ih wär!“ „He, sagie Anne Bäbi, es chunt es Tags gar mänge Gring vor d'Thür, daß ine nit geng grad weiß, wem er ist, u bsungerbar, we me nüt a nihn finnet.“ Darauf wischte es langsam seine Hand am Furtuch ab und sagte: „He nu so de, so bis Gottwillche, u was bringt di so u ugsinnet? Gang yche.“He ugsinnet soött ih öppe nit cho, we dä chrankne iss, wo my Ma gäh sott, u de ha nihs lo säge; hets da Stopfi wo cho ist nit usgrichtet?“ „Er het neuis g'stürmt, sagte Anne Bäbi, aber mi het gar Mängs Pfnne. Gang yche; ih will d'r bppis Warms mache,ved mast, suß geyts nit lang, su esse m'r.“ „Ho, ih mah wohl warte, sagte Lisi; wo ist er? ih will zu wihm.“ „Gang ume afe yche, ih will luege, wo er ist, sagte Anne Bäbi. „He das wirst wohl wüsse,sagte Lisi, oder ist er nicht im Nest?“ „Er ist hüt afe e wenig uf, süst ist er geng glege.“ „Das ist wunderlig, sagte Lisi, daß er üf ist, n ha ni gmeint,em Brichi a, kes muß ufgeistet sy uf d'r Stell.“ „Das ist nut Wunderligs, sagte Anne Bäbi, wes nit g'storbe sy muß, so besserts zwönlig. Wo ist d'r Bub?“schnauzte es Mädi an.“ „Das wirst du wohl wissen,sagte Mädi; du hest ja zletsch mit ihm gredt.“ Während Anne Bäbi ihn fuchen ging und nicht fand, und fast die Seele aus dem Leibe rief und kunterbunte Gedanken wälzte, wie das jetzt gehen solle, u wie es d'r ärmst Hung sei auf der Welt, frug List: „Du wirst doJunpfere sy 20 Ih sott,“ antwortete Mädi. „Was het er für e Chraukhit? oder ist's de Fletsch ume Faniast?“ fragte List vertraulich. „He lue de,“ antwortete Mädi schnippisch. „Das ha nih im Sinn, sagte Lisi, dafür bi nih da. Ih woit wüsse, woran ih bi.“He, das wird öppe z'v'rnäh sy,“ sagte Mädi spöttisch.Das denke ih o, sagte List; we si de e NVarr wey,ju chaufe si de lieber e ysige. Was Dolders ist gange?“He, frag se selber, sagie Mädi, ih weiß nüt; für sy hutigstags nit viel angers weder d'Hüng.“

Da kam Anne Bäbi wieder und sagte: „Er chunt;er ist im Stall gs'y; er het grusami Freud a d'r Waar,u da het er mi nit g'hört. Chumm yche.“ Bald darauf kam Jakobli durch die Küche, trotz Samis Zuspruch,ängstlich und langsam. Mädi stund ihm z'weg, machte ihm süße Augen, und als er ohne aufzusehen bei ihm vorbei ging, sagte es: „Bis ume nit erschrockne, u säg grad, wie's d'r ums Herz ist.“ Als er drin war,sagte Mädi für sich: „Dä ist doch grusam schüche;nit e mal aluege het er mi meh dörfe, sit er's vors Mul use glah het, wie lieb er mi het. Aber angers brichte muß ih dä doch no, es wär sust gar es längwyligs D'rbisy.“

Drinnen ging es sehr diplomatisch zu. Anne Bäbi legte das Brod auf den Tisch und sagte: „Nimm afe,we d'mast.“ Sövli hungrig sei es nicht, sagte Lisi,daß es nicht warte mög, u de häts no öppis angers by nihm. Als Jakobli herein kam, brachte er kaum:„Gott grüß di!“ heraus und setzte sich auf den Ofentritt,während Lisi bei den Fenstern saß. „G'leidet (abgenommen) hest, das ist wahr, sagte es, chrankne bist doch g'sy, ih g'sehs, u bist no geng nit zweg. Aber ih will di grad nache g'fuhret ha. D'r Aetii chauft bim Dolder mengist die leideste Säuli, wo se d'r Säutryber dem Schindter gäb, we se d'r Aetti nit nähm,u uf mi armi Thüri i acht Tage chent si Nemere, üke Mönsch wurd, meine, daß das die glyche Säuleni wäre. Un es wär z'beste, ih blieb grad da, für zu d'r z'luege, das wird de Alles bessere. Wo fehits d'r?e“„Ho, apparti niene, sagte Jakobli, es früri mi geng u ist m'r süst nit am baasten.“ „He du wirst wohl öppe no z'rwärme sy,“ sagte List, und war wieder zweg. Der Verdacht war vergangen, daß die Krankheit nur vorgespiegelt. Es packte den Kram aus, den es mitgebracht, einige halbverdruückte Lebkuchen und ein halb Pfund Kaffee und etwas Zucker. Es that, als ob es daheim und bereits Bäuerin wäre, und kommandirte, wie ein General, und parlirte, wie ein Weltsch.

Das setzte die Meisten in Verlegenheit. Jakobli weinte fast. Anne Bäbi schoß wie üblich herum und balgete mit Allen. Hansii dachte, das sei eine arige Sache u er wett, er wär drus u dänne. Sami dachte,die thue afe; aber es müß d'r Tüfel thue, we die's zwänge sött. Nur Mädi laächerte es auf den Stockzaäͤhnen; es dachte: „Die wird afe d'Gosche ufthue, we die v'rnimmt, was Trumpf ist.“Nach dem Abendessen nahm Lisi allenthalben Augenschein; man sollte nicht im Zweifel sein, daß es zum Theil auf der G'schaui sey, aber allenthalben rümpfte es die Nase und hatte etwas auszusetzen. Es sei es styfs Taunerg'schickli, sagte es zuletzt, aber vom ene Burewese syg ke Red; es hätte sich die Sache anders vorgestellt, und wenn es gewußt hätte wie es wäre, es würd si b'sinnt ha. „He weißt was? sagte Sami, der es hörte, su fa wieder vorfer ah di b'sinne.“„He das wird dich denk wenig agah,“ antwortete Lisi,und nahm fürder nicht Notiz von Sami, aber den Vorsatz faßte es, dem wolle es bald zeigen was Lisi könne. Als es Zeit ward zum Niedergehn, frug es wo er ligg, es wolle ihm jetzt abwarten. Es mußte zweimal fragen. Anne Bäbi sagte gar nichts; endlich sagte Jakobli, d'Mutter sei bei ihm, und er bigehre Nieemer angers. „So, sagte Lisi, su bigehrst mi de nit? he nu so de, su laß hocke; es wird sust wohl oppe e Ecke für mi sy; aber d'r höfligist bist de nadisch nit.“ Anne Bäbi sagte: „Häbs nit für ungut;du chast bi Mädi ligge; es wär no eys Bett im Gade,aber selb ist nit azoge, ih ha nuüt dra g'sinnet.“ Es hätte no nie g'hört, daß me z'Sühniswyb, we nes z'Dorf chöm, zur Jungfrau thüy; selligs syg es si de nit g'wohnet. Füür hinecht sygs ihm glych, aber für die ängere Nächt well es de es aständigers Gllieger,wenn es nit bi ihm söll sy. „Mi cha de öppe luege,“antwortete Anne Bäbi. Mädi lächerte Lisi's Zuversichtlichkeit immer mehr; das werd d'Lueglöcher ufthue,dachte es, wenn man es gehen und einer andern Platz machen heiße. Als aber der ganze Abend verfloß und kein Meunsch ein Wort sagte, daß nicht alles gut sei,und List that, als hätte es das Heft schon in der Hand,da ward es Mädi doch zuletzt bang, das Mönsch möchte noch durestiere, und kein Mensch ihm herzhaft die Spitze 282 bieten. So mit angeborner Unverschämtheit zwängt man gar viel in der Welt, und wenn man thut als verstehe eine Sache sich von selbst, so scheint der Zweifel daran schon eine Art Unverschämtheit und das Erheben dagegen gar wie ein Aufruhr, und das kannte Mädi so ungefähr, obgleich es weder an einem Hofe gelebt, noch aristokratische Studien gemacht hatte, aber es ist halt alles tout comme chez nous, und alle Katzen haben Schwänze, wenn gleich die einen simpel grau sind und die andern schwarz oder weiß,die dritten aber schön Brocardirt, d. h. dreifarbig, und so gleichsam den Katzenadel bilden; aber Schwänze haben sie doch, und z'Nacht sind sie alle grau. Als nun Mädi vernahm, daß List bei ihm liegen solle, da freute es sich und dachte: „Wart ume; dir will ich die Augen aufthun; wohl dir darf ichs sagen. Wenn man ste machen ließe, der dolders Blätter wurd ne Meister.Myr Lebtig ha ni ke sövli uv'rschants Mönsch g'seh.Aber ih has scho mengist g'seit, u es ist doch e so, so dppe was Manire sy u Bruch das weiß me niene wie hie ume, da mönschelets no. A angere Orte, u b'sungerbar da im Aergau niede, da ist es grobs Volk, u sie thüe, es het e ke Gattig.“ Allerdings war selben Abend große Verlegenheit im Hause, und kein Mensch hatte das Herz, dem Lisi zu sagen woran es sei. Anne Bäbi sagte, es nehme sich der Sache nichts mehr an;es hätte es gut gemeint, und jetzt solle Alles nichts sein. Seinelwegen. Es möge sich nicht sagen lassen,wenn es nicht gut gehen sollte, es sei Schuld daran.Aber daß es jetzt alles alleine ausessen solle, selb nit;die wo d'Gringe mache, die sölle se jetzt o zuche ha Jakobli jammerte und sagte: „Mutter, was soll ih?es losst nüt uf mi, u du hest z'Sach g'macht u du hest Zbifehle, u d'r Tusig Gottswulle hilf und säg ab; es z'schuderet mi, wenn ihs ume g'seh.“ „Dör Alt cha nihms säͤge, schnauzte Anne Bäbi, wes sy muß, es thut ihms sauft, o einist z'Mul ufz'thue. Aber ih säges no einist, we d'rs zwänge weit, so zwängits,aber ih wott nüt d'rvo.“ „Aber Mutter, sagte Jakobli,es wott ja Niemere nůt zwänge, u ih hät ja nüt g'seit u gfolget; aber het nit o d'Wahrsägere gseit, ih müß sterbe, we die mini würde.“ „Dreck, sterbe!“ sagte Anne Bäbi. Es wollte nicht den Namen haben, als glaube es an dieses Wort; aber es glaubte doch, und nnerlich schanderte es ihns immer, wenn es daran dachte; aber das sollte Niemand merken; es wollte nur der Gewalt weichen. Es glich dem, der eine Festung übergeben will, aber doch immer zuschießt in die Kreuz und in die Quer, daß man meinen sollte,wie er Haar auf den Zähnen hätte, und entschlossen sei, unter den Trümern zu sterben. Solche Kämpfe gibt es alle Tage in der Welt, und viele Leute gibt es, die es zur Gewohnheit haben, das, was sie am liebsten thun, sich abzwingen zu lassen. Darin liegt dann ein allerliebster Stoff zu Zänkereien, der nie ausgeht. Ein solcher Stoff aber ist denen, welchen Zank die Würze des Lebens ist, was Salz in einer Küche ist. Es ist aber auch prächtig, wenn man zanken kann um das, was man gerne thut, und dann wieder um das, was man nicht gerne thut; das ist die und Müühle, und Fischeli z'Morge und Krebseli z'Nacht.

Hansli war nicht sehr erbaut über die Zumuthung seiner Frau, daß er die Sache austrappen solle, um die er nie gefragt worden war; es war aber nicht das erste Mal, daß ihm das begegnete. Das Disputiren aber mit Anne Bäbi hatte er sich ganz abgestellt; er sagte daher blos, er wett, er hätt nie nüt d'rvo g'hört,u was es no gäh chönn, wüß me nit; aber so amene Wybervölchli neuis z'säge, werd öppe nit z'tödte gah.

Während in der uniern Region schwere Unterhandlungen mühsam gepflogen wurden und ihre Schwere dem Schlafe den Zugang wehrte, ging es in der obern rascher zu, aber nicht, daß der Schlaf leichter kam.

Droben im Gaden hatten die beiden Nebenbuhlerinnen, List mit Aerger, Madi mit Schadenfreude im Herzen, ihre Lagerstätte gesucht. List war voll Schimpfens über das kleine Haus und schlechte Gaden.Ihr Rußgaden sei eine Herrenstube gegen dieses, und ihre Gaden, wo es und die Schwesier lägen, das seien G'mächer vo de schönste, wo me g'seh well, u Sache hätten sie drin, mi suchti se nit dert; alles herthoölzige Bettstatten heyge si, u zweu Tischli, mi g'säch se nit schöner, u zwei nußbaumig Stabellen un e ürschbaumigi, u ne Schaft, mi heyg hie kener sellig, u ne Spiegel, er syg größer als e Brattig. Aber d'er Aetti heyg g'seyt, wo n'er ne kauft heyg, syner Meitleni manglete angeri Spiegel, we si o vͤppis g'seh welle drinne, as so die ordinäri Griegle (schmächtige Leute);so i ne gwöhnlige Spiegel mög nit emal d'r halb Gring, v'rschwyge de öppis vo d'r Postur. Von da weg ließ sich List auf seine Projekte. Alles mußte anders werden, das Haus neu, das Höfchen größer, und statt zwei oder drei Kühe sollten wenigstens sechs oder acht gehalten werden, und zwei, wo nicht vier Rosse,und junge, statt so einem alten Kaib, den bei ihnen nicht einmal der Schinder nähmte, wenn es ihm unicht wegem Schmutz wäre. Es wolle ihnen die alten Vergraueten sonnen, und da müsse es ein ander Leben geben; es wolle ihnen den Marsch schon machen. Und wie man es ihm heute gemacht, das vergesse es nicht,ein anderes wäre wieder fort gelaufen, aber es wolle es ihnen eintreiben. Trocknes Brod hätte man ihm anerboten, und G'sichter hätte man ihm dazu gemacht,als ob es d'r Tüfel selber waäͤr, und z'letsch heyg mes da i nes Hundsgaden gleyt, wo es sich sein Lebtag schämen müsse, daß es in einem solchen gelegen sei.Mädi hatte diese Herzensergießungen mit wahrer Wohllust eingesogen, ünd mäuschensull dazu sich gehalten; endlich stach es doch der Gugger. „Es wäar m'r o so, b'sungerbar we n'ih no v'rgebe sövli Müh u Chöste hät müsse ha, u z'letsch nut d'irvo, ase längi Nase,“ sagte es. List fuhr auf, daß die Bettstatt krachte, es einen Blaft (Luftzug) gab durch das ganze Gade und fragte: „Was seist, was meinst, ist das g'haue oder g'stoche?“ Kes vo bede, sagte Mädi,ih ha das ume so daäicht. U de foll neue Eini g'seit ha us de Charte, d'r Jung heyg e angeri im Gring,u we n'er di näh müß, su sterb er. U das ist neue yche gange.“ „Su sterb er, dä Möff, es ist m'r glich;aber zerst muß er mi z'Ehre bringe! E angerei heyg er? Selb ist nit, dä ist z'dumm. Wohl dä wett ih!dä ist bunge (gebunden); dä muß warte, oder es müßt dann keine Gerechtigkeit mehr im Lande sein. E Angeri? Du lügst; dä weiß ja gar nit, was es Wybervolch ist, u dä weiß mit eire nüt az'fah, was wett dä Lädi mit zwo mache? Du lügst, u wotst mi ume für e Narr ha!“ „He glaub, was du willst, sagte Mädi, z'Sach geht mich ja nichts an; aber frag morgen selber, und mach, daß sie mit der Sprach füre müsse, de säg de, wer recht g'ha het, oder wer gloge het. Ih bi ume e arme Tropf, u wott nüt g'seit hä,aber lue de.“ So redete Maädi demüthig, aber innerlich war es voll Hochmuths und dachte: „Du dolders Bureblättere, gäll dä arm Hung, wod nut schätzist,u nebe d'r z'ligge hest u de schüchst, wie we n'er rüdig wär, gäll, dä het dä Cher z'Pre (den Vorzug). Es ist doch de am Eng no Neuer, dä ufs rechte luegt,uno weiß, wer öppe e Mönsch ist oder kene. Als Lisi pülverte wie eine lebendige Schlüsselbüchse, so machte Mädi links um, verbarg seinen Mund im Hauptkissen,damit, List das Kickern nicht höre; denn es wollte es fast tödten vor Freude, daß dem List die Floh so gut hinter das Ohr gesetzt, und schlief bald selig ein. Lisis Bomben und Granaten verhallten daher im Blauen und ungehört; und wie am Ende auch die ärgsten achtundvierziger Batterien verstummen, wenn sie keine Antwort erhalten, so setzte endlich auch List lugg (ab) und ergab sich dem, der alle Nächte über den Menschen kömmt, wenn nicht bereits ein Stärkerer dessen Leib oder dessen Seele in Besitz genommen.

Als Lisi am folgenden Morgen erwachte, war kein Mädi mehr an seiner Seite, aber der Tag im Gaden lang und hell. Das war ihm nicht ungewohnt, denn sie hatten daheim den Brauch, daß ein jedes aufstehen konnte, wenn es wollte, und z'Morgen essen, weun es mochte. Es bildete sich daher bei ihnen das eigenthümliche Schlafgewissen, das die Menschen zur bestimmten Stunde weckt, nicht aus. Dieses Gewissen entsteht nur da, wo eine bestimmte Ordnung ist, deren sich die Menschen unterziehen müssen, oder wo ein lebendes Bewußtsein einer Pflicht ist, welche zu bestimmten Zeiten erfüllt werden muß. Dieses Gewissen läßt sich bei jedem Menschen bilden; und so wenig man es achtet, so viel werth ist es doch; denn wie viel schöner ist es, wenn das eigene Gewissen einen weckt zur Erfüllung seiner Pflicht, als wenn man von fremden Händen dazu sich muß schütteln und rütteln lassen. Darum pressirte Lisi auch nicht mit dem Aufstehen, mit dem Anziehen, so daß, als es hinunter kam, Mädi bereits das Morgenessen hinaus trug, Sami und Hansli eben in den Stall gingen,nur Anne Bäbi und Jakobli noch in der Stube waren.Mädi brachte wieder hinein, was für List nöthig war,und ließ im Vergeß beim Herausgehen die Thüre offen.Mädis Mittheilungen waren Lisi gleich nach dem Erwachen in Sinn gekommen, und wie allmälig das Wasser im Theekessel wärmer und wärmer wird, bis es endlich siedend übersprudelt, sobald nämlich Feuer unter dem Kessel ist: so waren diese Mittheilungen einigen buchigen Scheitern gleich, die heizten Lisi, und heißer und heißer ward es in seinem Kopf; und kaum hatte Anne Bäbi ihm Kaffee eingeschenkt, so sprudelte es mit der Frage hervor: „Ists de wahr, du heygist e angeri im Gring u wellist mi lah hocke?“ die Frage glich einem Blitz, der plötzlich niederfährt, während man glaubt, das Wetter sei noch lange nicht da. Weder Jakobli noch Anne Bäbi konnten antworten im ersten Klupf (Schreck), und jedes hätte gegeben, was man gewoillt, wenn es aus der Stube gewesen wäre.„Wohl, das möchte ich sehen, fuhr List fort; das wär mir eine sufere Sache; da wollten wir doch auch dabei sein, ih u d'r Aeitisu d'r Vetter; so des ume führe lah mir ihs de no nit, d'rfür sy de sellig Stopfeni z'spät aufgestanden. Potz Dolder. Nachgelaufen 287 bin ich dir nicht, und es hat noch hart gehalten, bis ichs unserer Mutter es zu gefallen gethan u mi aglah ha; so eine wie du bist, ist nadisch ke Schleck, u we me nit d'rby oppe chönnt gut ha, u si tröste, es währ nit geng, su hätt ih nüt vo d'r möge; ih will d'rs grad use säge. Aber jetz ist zugesagt, ists richtig, jetz wott ih nimme zurück, u z'Sach muß vorwärts gah uf d'r Stell. Mit d'r Krankheit wirds nit halb so bös sy, daß du nit mit m'r chast cho z'Hochzyt agäh;gang legg di ah.“ Wäger möge er heute nicht, sagte Jakobli, es sei ihm wieder gar nicht wohl und es solle mit dem Aetti rede, er werd hinter dem Hause sein.Dem laufe es nicht nach, sagte es, und probire wolle es, ob er heute kommen wolle oder nicht; wenns de einist z'yrkünde ist, so cha me de G'schrift geng no usfertige. „Seh du, wandte es sich zu Anne Bäbi,thue du Gosche o uf; du bist m'r nahg'fahre u hest m'r lah B'scheid mache, wie wenn es eis Gurts gah sött; befiehl du jetz o, u mach, daß es ab Brett geyt.Für e Narr meinst doch öppe nit daß ih mi leu ha.“Seinetwegen könne es gehen, wie es wolle, sagte Anne Bäbi; es wolle mit der Sache nichts mehr zu thun haben; machen sie es mit einander aus. Und so lasse es sich nicht kommen; es wisse Leute, sie seien stürmer als es, und gäb es ihm mehr nahfahre, könne es lange warten. „Das bruchst nüt meh, sagte Lisi, es isch jetz wies isch, u rede thue n'ih wies m'r chunt. U jetz, potz Dolder, wott ih grade Bscheid; wotsch zum Herre cho, u di gah ahlegge enangere nah (auf der Stelle), eder ists de wahr, hest e. angeri?“ Und damit stund List auf und trat vor Jakobli mit einer Heftigkeit, als ob es ihn zerreißen wollte. „Wäger mag ih hüt nit, sagte Jakobli, un es wär m'r lieber, es wär gar nüt a d'r Sach.“ „Su hest de e Angeri,rief List, das wird m'r e sufers Mönsch, öppe es Gurli sy, es Luder; wohl das möcht ich sehen, das Täschlil“ „He das ist so nes Bravs as du bist, und de villicht no öppis bräver, du Blättere du,“ sagte Mädi unter der Thüre, das nicht übers Herz bringen konnte,zu den schönen Titeln zu schweigen, die es ganz treuherzig auf sich bezog.

List wandte sich der unerwarteten Gegnerin zu und sagte: „Pack dich! du hast nichts in der Stube zu reden,und z'Ganze geyt di nüt ah, du Chuchifösell“ „So viel as di, u villicht meh, du Moosgueg, du Zyberligränni du, was du bist!“ schrie Mädi, und machte Zähne dazu, so lang, daß man sie zu Mistgabelzinken hätte brauchen können. „Bist du öppe das Liebeli,wo er im Gring het u wo n'er wird soölle ha? du bist e Schöni du! e v'rgatterete Zunstäcke bist, e abgnagte Säutrog, u grag es selligs Fürblattehuhn möcht ih ihm gönne, wed z'Sach mi nit aging. Aber pack di jetz du Strupf (Strunk), sust gibe ih di usufer use!“„Un ih gange nit,“ schrie Mädi, und machte Augen,als ob es schon halb aus der Haut wäre, „u g'hey du di use, du aufgeblasener Blasbalg, du Krüpfe(Krippe) Drücker, was d'bist, du Kropfloch! ih bi zerst i dem Hus g'sy, u wirde so Gottel (so Gott will)o z'letst drin sy, du Metzgermore du!“

Ja, Maädi hatte noch nicht ausgeredet, so hatte es eine im Gesicht, daß es das Feuer brennen sah im Elsaß; und ehe es sich gefaßt, fuhr List mit ihm in die Küche, und dort ging es zBoden, beide brüllten, als ob man sie am Spieß hätte, daß Sami herbei sprang und Hansli kam im Geschwindschritt und Jakobli half die Beiden, die sich fast verbissen hatten, wie es zuweilen Jagdhunde thun, daß man ihnen den Mund mit einem Knebel aufbrechen muß, auseinander reißen.Als man sie aufstellte, bluteten beide wie zwei gestochene Gust (Schweinchen), Mädi zu Mund und Nase aus, und seine, früher schon baufälligen, Zähne wackelten durcheinander, wie Korn auf dem Felde durchßinander geht, wenn der Wind weht. Lisis Gesicht dagegen war, als ob man es durch eine Hechel gezogen hätte, und seine Haare sträusten sich um seinen Kopf, wie die Mähne um den Kopf eines Hengstes,wenn er die Ehre seiner Heerde vertheidigt. Es brauchte gute Kraft und viel Anstrengung, die Beiden zu verhindern, daß sie nicht von Neuem auf einander schossen;jede dünkte es, sie möchte noch mehr und die andere hätte noch nicht genug. Indessen mit Gewalt hebt man eine Geiß hinten ume. Mädi mußte zum Brunnen, List zog man in die Stube. Am Brunnen lächereite es Mädi trotz seinen wakelnden Zähnen, daß es der dolders Stute s'greiset hätte und gesagt, was Niemand hätte sagen dörfen, und wie die Leute lachen werden die Dörfer hinunter, wenn sie das verkrauet G'fräß g'seye daher cho, wo syg, wie d'r strubst Fuhreplätz. Und wenn schon im ganzen Haus Niemand gewesen, der es dem Elephant habe sagen dürfen, daß man synere nüt meh well, es hätts dörfe, wohl, dem habe es es gesagt. Während so Mädi beim Brunnen Hosinna sang, tobte Lisi in der Stube wie ein angeschossener Tiger, und kein Mensch glaubte sich seines Lebens sicher. Anne Bäbi war unter der Stüblisthür;Jakobli wußte nicht wo sein; nur Sami zeigte den verblümten Wunsch, List möchte ihm Gelegenheit geben,es in die Finger zu nehmen. „So wie ich bin, kömmst jetzt mit mir zum Pfarrer, das Hochzeit anzugeben,oder ich gehe auf der Stelle heim, und dann sehl, wie es euch ergeht! kein Kreuzer soll euch bleiben! Aber das dolder Mönsch muß mir noch erwürgt sein; eher gehe ich nicht zum Haus hinaus.“ Jetzt schien es doch Anne Bäbi, für den Jakobli waär das eine wohl Grüsligi, und es sei fry besser, wenn man ihr abkomme;aber prozedire und z'Wüsteste alles ausstehen, das war ihm auch schrecklich, und sagen, es hätte sich geirrt in der Person, es sehe es jetzt ein, das war ihm noch grüslicher. Als Jakobli verlegen mit der Antwort zogerte, sagte Sami: Es dünke ihn, es könnte afange wissen, was man wolle, und es brauchte da nicht lange mehr zu fragen. Je eher es das Haus räume,desto besser wäre es für ihns; und wegen Prozedire förchte man sich nicht; öppe so lang wie sie auf dem Zyberlihoger vermöge man es auszuhalten. Unterdessen sei er froh, wenn es einen Andern fände, wenns näm

R lich noch einer wolle.; aber es müß pressire, sust chönts ne z'Sinn cho, wies Noth a Ma syg.

Samis Rede war wie die Lunte auf eine geladene Kanone; das Pulver brannte, aber als ob vornen im Loch ein Zapfen wäre, ging er nicht gerade aus, sondern blähte sich auf in ihrem Bauche; sie platzte und nach allen Seiten flogen die Splitter. Nun sprengte es nicht buchstäblich List in Stücke, aber es fuhr auch nicht geradezu auf Sami los, wie der erste Antrieb wohl war, sondern sein Zorn wühlte sein Innerstes auf, und Schandworte, Flüche, Drohungen flogen nach allen Seiten, den Splittern einer zersprengten Kanone gleich. Dann griff es nach seinem Wartsäckli,schoß zur Thüre aus, mit der Drohung, daß sie bald froh sein werden, es wieder kommen zu heißen; sie sollten es erfahren, was List könne; und dä alt Muheim wolle es brichten, was Hochzeit machen sei. Als es zur Thür aus schoß, war Mädi noch beim Brunnen,grännete List nach und schabte ihm Rübchen. Lisi nicht faul, schwenkte um auf Mädi los; dieses streckte kampfdurftig seine zehn Finger wie Enterhacken vor, hätte aber wohl eine tüchtige Knautschete (Walketen) im kalten Brunnen, dem es den Rücken kehrte, erlebt, wenn Hansli in seiner kaltblütigen Weise nicht dazwischen getreten und Lisi gesagt hätte, es solle sich nicht saäumen, es hätte weit heim, und hier nichts Appartiges mehr zu verrichten. „Das sollst du erfahren du, was du bist, du alte Specksytechͤng du! Wart ume, dir wey m'ir dy Mutech (geheimer Schatz) füre mache!wart umme, dir wei m'rs zeige!“ So ungefähr schoß List seine Rückzugschüse ab, untermischt mit einigen Flüchen und Schimpfwörtern an Mädi, das über den Brunnen hinüber immerfort grännete und Rübli schabte,und wär ihm ein händpfeliger Stein im Wege gelegen,Mädi hätte sich in Acht nehmen können.Wie dem Mädi die Augen aufgesprengt werden und Hansli auf die Mähre hocket und um Rath ausreitet.Als List aus den Augen war, war es, als sei ein böser Geist ausgefahren, als sei das Haus öde geworden und doch voll Bangens, daß der Eine mit sieben andern noch schlimmern wiederkehren werde. In Anne Bäbis Kopf besonders sah es sonderbar aus. Es war innerlichst gar wohl zufrieden, daß das Ding sich so gemacht; aber es gestand das sich fselbsten nicht einmal, geschweige dann Andern.

Hätte es ihm der Doktor gesagt oder der Pfarrer,Jakobli könnte an dieser Heiraih sterben, es hätte es nicht geglaubt, hätte gesagt: „Was wette die vo Selligem v'rstah?“ und wäre zugefahren. Weil es aber das Schnupfsäckeli gesagt hatte, so kam ihns ein geheimer Schauer an, und es dachte, es könnte doch neue sein,und schuld möchte es nicht sein. Daneben konnte es es nicht verwerchen, daß es hintenab nehmen müüsse,nach der Andern Gring es gehen solle. Das hätte doch nadisch afe kei Gättig, dachte es, daß alle Andern Meister sein sollten und es alleine nicht. Daß es selbst lugg gelassen brachte es nicht in Anschlag, sondern es sollten es die Andern erzwängt haben, und das wollte es ihnen eintreiben, um die Nase reiben,die sollten es z'schmöcken bekommen; und was es geben möge, daran wolle es keine Schuid haben, und keinen Finger mehr rühren. Kurz, Anne Bäbis Gemüth war mit recht trüben Wolken bezogen, und dafür, daß es seine eigene Dummheit nicht ausgeführt zu seinem eigenen Herzenleid, wolite es die Andern mit Kuppen und Grollen strafen. Ein König hätte durch den Aufruhr seiner Unterthanen an seiner Majestät sich nicht schwerer beleidigt fühlen köͤnnen, als Anne Bäbi sich verletzt fühlte au der seinigen.

Das ist aber eigentlich nichts Neues. Es spukt in gar allerlei Häupiern, gerade wie es spukte in Anne 292 Bäbis Haupt, und gar mancher arme Teufel, der seine Herren und Obern vor mächtigen Dummheiten bewahrt,oder dieselben gut gemacht hat, muß es hinten drein schwer entgelten, wenn sie z'Platz kommen können,und um so schwerer, je größer die Dummheiten waren,und je mehr die Herren dem Anne Bäbi verwandt sind.Mädi allein war nicht nur z'gäggels (freudvoll), sondern es fühlte sich ganz von dem Gefühl durchströmt und übergossen, welches einen Helden ergreift, wenn er eine Schlacht gewonnen, welches z. B. Friedrich der Große empfunden haben muß, als er die Schlacht bei Leuthen gewonnen, oder Napoleon nach der Schlacht bei Jena, ganz das Gefühl, welches Jeder hat, der ein Menschenleben gerettet, oder durch kühnes Wagen ein halbes oder ganzes Dorf vor dem Verbrennen. Es war die Heldin des Tages; was Niemand anders gerne ausgesprochen, das hatte es gesagt; es hatte List ausgetrieben und ihm den Marsch gemacht. Gleiche Gefühle äußern sich aber oft ungleich; so, denke ich,werde Friedrich der Große nach der Schlacht bei Leuthen seine Freude und sein Siegesbewußtsein nicht ganz auf gleiche Weise geäußert haben, wie Mädi nach dem so glüͤcklich beendigten Kampfe. Mädi verhehlte seine Freude nicht. „Ih ha n'ihms dörfe säge; ih ha wihm d'r Marsch gmacht; wenn ih nit g'sy waäͤrt, es wär no da, u wer weiß, wies gange wär. Aber ih förchte m'r de nadisch nit grad, u jetz het me chönne g'seh,we me het welle luege, wer ih bi u was ih cha. So viel as e sellige Bureblaättere bi n'ih de nadisch o no.Gäll du arme Höck, we n'ih nit g'sy wär, es weiß ke Mönsch, wies dir no gange wär.“ So sprach es zu Jakobli, mit dem es alleine in der Stube geblieben war, weil die Andern seines Rühmens satt waren.„Hast es der Alten gesagt?“ fragte endlich Mädi, das seine Neugierde und Zaärllichkeit nicht länger begwältigen konnte. Jakobli wurde ganz roth und sagle endlich: „Ja.“ „Hest's g'seyt?“ frug Mädi ganz zärtlich und voll Glut, „du hest doch recht g'ha, du bist geng d'r Brävst du, we scho all Lüt säge, wie d' e Leyde seyestz das macht nüt. Was het aber die Alti g'seit d'rzu?“ „Si wett si wär ungerem Herd,“ sagte Ja-kobli. „Die het ihrer Lebtig geng wüst tha, sagte Mädi, und wird nie lehre gattlig thue. Red du mit dem Aetti; der ist schon anders; oder hast ihms schon gesagt?“ „Nei wäger nit, sagte Jakobli, ih darf nit;wenn, ih ume vo List los wär; a z'angere darf ih gar nit däiche.“ „Das wär! sagte Mädi, du bist gengee dumme Bueb; das muß mit enangere gah; mi muß z'Ise schmiede währet es warm ist; kalts bringt me's nimme z'säme. Das macht mir doch afe nüt, mit em Aetti zͤrede; wenn Niemere darf, so darf ih. Das ist hüt no öppis angers g'sy, mit der Posaune Feierabend z'mache, als mit d'm Aetti z'rede, wo die beste Seele unter der Sonne ist.“ „Wart ume, sagte Jakobli, es duecht mi, es pressirti nit sövli.“ „Nit pressire! mi g'seht wohl, daß du vo sellige Sache ke V'rstang hest, aber es wird d'er scho no cho; aber nüsti chunts d'r wohl, we si öppere dynere anäh und dyr Lebtig z'Sach für di mache wott.“

Und somit schoß Mädi hinaus und suchte, bis es Hansli fand, der Weiden drehte, um Bäume aufzubinden. „Hets d'r gwohlet Aetti?“ fragte Mädi, hellleuchtend wie der Morgenstern, wenn er nämlich einige Zeit Köchin gewesen waäͤre und sich nie gewaschen hätte.„Jä gäll we n'ih nit gisy wär, es war nit so gleitig gange; Es chunt bi Allem ufs Guraschi ah; u wo im ene Hus ke Mönsch Guraschi het, da hets g'fehlt;aber gäll ih ha, Aetti! Aber was ih frage wott: Hei der Aunne Bäbi g'seit, was ih für Bricht brunge ha?“„Ih ha Neuis g'hört,“ sagte Hansli. „Und Änne Bäbi het mit em Bueb gredt?“ fragte Mädi. „Es wird,“ sagte Hansli. Da wurde Mädi verschämt und frug ganz, züchtig: „Was seyst du d'rzu?“ „Was wett ih säge?“ sagte Hansli. „Du wirst doch nit oppe vor sym Glück welle sy, vor em Glück vo dym einzige Ching?“ fragte Mädi. „He nei, sagte Hansli,me muß öppe luege.“ „He nu, su dankeigist, sagte Mädi; das wär afe gute Bscheid; ih ha doch dentt,du sygist nie d'r Wüstisch. Aber wegem Luege, duechts mi, syg das unnöthig; ih will mi öppe stelle wie's üblig u brüchlig ist am ene Sühniswyb, und de duecht m wär's „Besie, mi wurd z'Sach grad abtrybe, eh es es längs Gred gab. Es ist hüt Fryte; m'r chönnte grad gah zHochzyt agäh dä Abe.“ „Wie meinst?“fragte Hansli. He wes d'r recht wär, su wette m'r hüt scho gah z'Hochzyt agäh ih u Jakobli.“ Hansli wußte gar nicht, was er hörte; sinnete der Sache nach, bis Madi ungeduldig wurde und frug: „Was meinst?“ „Mädi, sagte Hansli endlich, du wirst im Irrthum sy, oder wotsch mi für e Narr ha; es het Niemere nüt vo dir g'seit, Jakobli seit vo ganz ere Angere.“ Als Hansli das gesagt hatte, kam eben der Müller zum Häus und rief ihn an um ein z'Mühli,und alleine blieb Maädi hinterem Haus. „Es het Riemere nüt vo dir g'seit, Jakobli seit vo ganz ere Angere?“ das waren Worte, die ihm in den Ohren surketen, wie noch nie eine Ohrfeige Jemand in den Ohren gesurret hat, und da stund es, als ob es einwurzeln wollte im Boden. Es wogte auf und ab in ihm; dann fing es an zu schimpfen, und endlich brach ein unendlicher Jammer in ihm aus; es saß auf dem Dengelstuhl und wußte läugs Stück nicht, wo es war; wenn es auf einem Sopha gesessen wäre, so hätte man seinen Zustand Ohnmacht genannt. Man kann sich aber doch wirklich nichts Schrecklicheres denken, als was Mädi wiederfuhr; das Erwachen eines Schiffers, dem es geträumt hat, sein Schiff fahre in lustigstem Sonnenschein in einen sichern Hafen und es zerschellt bei seinem Erwachen im wildesten Wetter am wüͤsten Felsenriff, ist sicher nicht halb so schrecklich, als Mädis Erwachen aus süßen Irrthum. Weit über vierzig Jahre,und noch einen Mann, und zwar einen jungen, eine Jumpfere und ein Bauernsohn, und ein reicher; man denke sich, was in diesen Worten Alles liegt, und ob unter tausend vierzigjährigen Jumpfern eine Hoffnung hat zu einem reichen, einzigen und jungen Bauernsohn. Und Mädi hatte nicht blos Hoffnung, es hatte ihn bereits in der Hand, im Sack, hatte zwar schon lange daran gedacht, das wäre z'Witzigist für daä arm Tröpf, aber ihn wieder aufgegeben, und plötzlich ung'sinnet fiel es ihm wieder zu; denn wenn er Eine im Gring hätte, wen konnte er im Gring haben, als ihns;er kannte ja keine, hatte mit keiner Umgang, mit keiner nur geredet. Und kein Mensch hat was Anderes gesagt; es schien Mädi, als bestätige Alles seine Vermuthung, Anne Bäbis Benehmen, Jakoblis Reden,und darum hatte es sich so tapfer gestellt, wie eine Gluckere vor ihren Hühnchen, hatte den Knoten zerhauen, Lisi aus dem Felde getrieben. und jetzt seyt er no vo nere Angere, u vo ihm seyt Niemere! Man denke sich doch so recht in des armen Mädis Herzenleid hinein, und meine nicht etwa, so ein Mädi, ein vierzigjiähriger Kuchimutz, sei nicht ebenso empfänglich für Liebesschmerz und Liebeswonne, als des Pfarrers Tochter zu Taubenheim, oder eine gegenwärtige Mondscheinprinzessin oder ein sonstiges Stadthäpeli (Jumpfere Mamsell).

Das ist eben, und ich habe es schon manchmal gesagt, das große Unglück, daß man meint, unter anderm Tuche seien auüch andere Herzen, und unter verschiedenem Zuschnitt verschiedene Empfindungen. Um dieses Vorurtheiles willen mißverstehen die verschiedenen Stände sich so sehr; um desselben willen beleidigen die obern Stände die untern so oft, und müssen so oft schwer es büßen. Denn die obern Stände sind es zu meist, welche meinen, während sie zart wie Meerschaum seien, an welchem bekanntlich die leichteste Berührung einen Kritz gibt, so seien die unter ihnen angfähr so wie ein Hausgang, auf dem man hin und her wandeln kann mit allerlei Schuhen, ohne daß es ihm viel macht, und weil sie andere Namen hätten,so sei auch anderer Teig an ihnen, und wäͤhrend man den Weggliteig mit Zartheit behandle, könne man den von rauhem Mehl mit Füßen kneten, ohne daß man es ihm viel anmerke. Wenn ich von den obern Ständen rede, so meine ich (Mißverständnissen beuge ich gerne vor) darunter nicht etwa blos die, welche von Karl dem Großen her ihren Adel haben, sondern auch die, welche von der jüngsten Regicrung eine Stelle haben. Zwischen beiden ist hauptsächlich der Unterschied, daß man in einer neuen Kutte viel dümmer thut, als in einer angewohnten, und daß man in einer neuen Kutte jedem mit Donner und Blitz auf den Hals fährt, der einem nur von Weitem berührt, während man in einer alten Kutte gelassen durch das Getümmel geht, weil man aus Erfahrung weiß, daß die Kutte etwas erleiden mag. Ich rede hier nicht nur von den Ständen in der Stadt, sondern von den Ständen auf dem Lande., Man ist sonst gewohnt,das ganze Land zu betrachten wie eine Krautsuppe,wo alles durcheinander ist, und keiner viel mehr als der andere ist, und die Stadt als den Ort der Civilisation, wo alles gehörig geschieden ist, wie in einer ordentlichen Speisekammer Gesalzenes, Gebratenes,Gebackenes, Gezuckertes, oder in einem Kassenamte die verschiedenen Geldsorten. Daher kömmt es, daß jeder Stadtmuffi ein halbes Klafter über jedem vernünftigen Mann auf dem Lande zu stehen glaubt, jedes Stadttschaggeli jede ehrbare Landfrau über die Achsel ansieht, und jedes Schreiber Anne Bäbi sich für das Faß hält, aus welchem die Weisheit für das Land gezapft werde. Auf dem Lande sind die Stände so gut wie in der Stadt geschieden, eben so gut alter und neuer Adel, eben so gut alte und neue Schwachheiten, eben so gut die Vorurtheile, daß unter andern Kutten andere Herzen und unter anderm Zuschnitt andere Empfindungen seien. Und waährend man über die Welt rässonirt und andern den Splitter zeigt, hat man selbst den Balken im Auge und sieht ihn nicht.

Einem Stadthäpeli, einer zarten Dame, wäre man zu Hülfe geflogen mit Wasser von allen Sorten; das arme Mädi läßt man verlassen sitzen auf seinem Dengelstock und hält unterdessen eine Predigt, die im Grund Niemand erbauen wird, am wenigsten die Stadtmuffeni und die Schreiber Anne Bäbi. Und doch ist Mädi immer so respektabel, als viele Stadtjumpfere (z. B.die Herzogin von Beaufort), und weint gewiß so schmerzlich, als irgend eine weinen kann; aber es sitzt auf einem Dengelstock und braucht das Fürtuch als Nastuch, als Handzwechele und noch viel anderes. Alles mögliche ging ihm durch den Kopf: erhängen, ertränken, ins Wasser springen oder ab einem Baumast,fortlaufen, wustthun, änsetzen und durchsetzen. Aber da fiel ihm ein, daß wenn Jakobli eine Angere im Gring habe, so helfe Wüstthun nichts und das An 0 er haben, und Sami, dä Hung, wurd öppe lachen;dem thue es es beim Schieß nit z'Gfalle, und Anne Bäbi hätte auch seine Freude daran. Nein, die wolle es ihm doch nicht machen; auslachen wolle es sich doch nicht noch lassen oben drein. Die müßten denn nadisch nichts merken, und wenn man Hansli nichts mehr sage, so vergesse er es bis z'mornderist. Das freue es jedenfalls, daß es Lisi abgesprengt habe und noch dazu verkrauet, daß man es vier Wochen sehe,und daß Anne Bäbi seinen Gring nicht haben könne und nichts erzwängt habe. Aber Wunger nehme es ihns, wen Jakobli im Gring habe; das Mönsch moöchte es wissen; auf das komme es an, ob es bleibe. Wenn es öppe chönnt denke, daß es nicht meine, es müsse dem Anne Bäbi folgen und machen, was das sage,so bleibe es, sonst aber nicht; wenns zweu Anne Bäbi geben sollte, statt nur einem, so laufe es, so weit es seine Fuße tragen mögen. An diesen Gedanken, da man ihm kein Schmöͤckwasser brachte und ihns eine ziemliche Zeit vergessen liegen ließ, erholte es sich,wischte die Thräͤnen mit dem Fürtuch ab, nahm neutrale Minen an und ging ab. Wir wetten, Mädi übertraf in seiner Fassung viele gebildeten Frauenzimmer, und zwar um so mehr, je mondscheiniger diese sind; ihr Schmerz ist kein edlerer, aber ein viel krankhafterer. Jedoch sei damit nicht gesagt, daß manches Mädchens Schmerz nicht edler und seine Fassung nicht eine höhere sei. Ach, der Liebesschmerz ist der einzige Liebhaber so mancher stillen Mädchenseele, und treu bleibet er ihr, wie selten ein anderer Liebhaber, bis in den Tod. Niemanden ist er sichtbar, auf des stillen Mädchens Gesicht erscheint er nicht; der Arbeitsamen Hände lähmt er nicht; der Umsichtigen Augen verlockt er nicht, so lange der Tag am Himmel steht, und fremde Augen umgehen. Wenn äber in sein stilles Kämmerlein das Mädchen tritt, zur Ruhe es sich legt,des Tages Getümmel verrauschet ist, so taucht läse aus dunkeln Gründen das liebe Weh herauf, klopft ans bange Herz. Das Mädchen vernimmt des Getreuen Nahen, schließt mit weinender Wonne ihm auf,kosst mit ihm die liebe lange Nacht, entreißt sich ihm,wenn der Tag die Schatten verjagt mit Weh und Schmerz, und tritt gefaßt und gelassen in des Tages Räderwerk, immer sich sehnend nach den wiederkehrenden Schatten, hinter welchen näher rauschet des getreuen Mädchens getreuer Geliebte, sein Glück, seine Wonne, der stille verborgene Liebesschmerz.

Mit Bangen erwartete drinnen auf dem Ofentritt Jakobli den verunglückten Botschafter, der aber fand nicht für gut zu melden, wie schrecklich es ihm ergangen. Anfangs hatte es Mädi wohl gelüstet, einen Sturm auf ihn zu wagen; allein es vdedachte, daß wenn er Eine hätte, der Sturm nichts abtrage, und daß es eigentlich selbst schuld sei. Hätte es nicht das Unglück gehabt mit dem Gaggelberger, so hätte es selb Zeit reden können; da wär es die rechte Zeit gewesen,u vo Merkige sei Jakobli nicht; dem müsse man müdem Holzschlägel winken, wenn er etwas schmöcken solle. Es nehme es nur Wunder, wie es die Täsche angefangen hätte, ihm i Gring zicho. Das eben ist eine Kunst, ine Gring zicho, aber wenn sie auch Eine kann,so lehrt sie dieselbe Andere nicht. Aber e Rarr wolle es jetzt nicht sein, ihm nachzusagen, wies ihm ergange wäre. Jakobli saß also alleine da. Es war ihm zu Muthe wie einem, der mitten durch Meeres Ungeheuer wohlbehalten auf den Sand geworfen ist. Der Schrecken vor den Ungeheuern ist ihm noch im Leibe; alle Äugenblicke muß er hinterwärts schauen, ob sie nicht auch kommen aus den Wellen hervor durch den Sand von Neuem ihm zu Leibe. Sein Auge geht nicht nach vornen über die Dünen hinweg ins blühende Land, wo weder Wogen sind noch Ungeheuer, sondern freundlicher Schätten und lieblicher Sonnenschein, Blumen und rieselnde Quellen, und überall in den Blumen und an den Quellen Friede und Freude. Jakobli schlotterte noch immer vor List und dem was es gedroht,und dachte nicht an Meyeli, wie schön es sei und wie lieblich, wie selig er sein könnte, wenn es sein wärc wenn er zu ihm sagen könnte: „O Meyeli, mys Meyeli!“Aber es geht dem Menschen oft wie dem Wanderer,je näher derselbe seiner Herberge kömmt, die er lange von Ferne geschaut, desto mehr weicht sie aus seinen Augen, verbirgi sie sich, bis er plötzlich vor ihr steht;so verbirgt dem Mensch sich oft am dichtesten die Erfüllung seines herzinnigsten Wunsches, wenn der nächste Augenblick sie bringt.

Als Jakobli so sann und saß, kam Hanusli herein,nahm den Syycherschlüssel von seinem Orte und winkte DDDDDDDDder obere Boden, ist gar herrlich für Heimlichkeiten,die Niemand hören soll; da kann Niemand in Gehörweite kommen, den man nicht merkt. Wer also ein vertrautes Wort reden will, geht gerne in den obern Spycher oder auch ins weite Feld, wo ringsum weder ein Baum noch ein Bohnenplätz ist. So in einem Hause ist man nirgends sicher, bald ist ein guter Freund an der Thüre oder an der Wand; ja man hat Beispiele, daß man vor dem Hafner im Ofen, vor dem Kaminfeger im Kamin nicht sicher ist.

Da der Müller eben da gewesen, so fiel das Gehen in den Spycher Niemand auf. Jakobli mußte den Sack offen halten, und als Hansli das erste Mäß hineingeschüttet, frug er: „Ists de wahr, du heygist Eini?“ „O Vater, balg doch recht nicht, sagte Jakobli; ich hätte nichts gefagt, wenn die Mutter mich nicht genöthet hatte.“ „Wie bist zu re cho?“ fragte Hansli. „Wäͤger Vater, nicht expreß, sagte Jakobli;aber d'Mutter het geng vom Hurathe b'richtet, und wie das für mich sei und bald sein müsse, und da duechte es mich, wenn es doch müsse geheirathet sein,so möchte ich die und keine andere, nur List nicht. So habe ich immer an sie sinnen müssen, und immer fester ist sie mir in Kopf gewachsen; allemal wenn die Mutter vo d'r Lisi b'richtet het, ha nih a die angeri denke müsse; ih ha wäger nit angers chöne, es ist m'r X wie a tha.“ „Es syg das Meitschi mit dem wyße Haar,wo mit ihs g'ritte ist?“ fragte Hansli. „Grad das ists, sagte Jakobli, und ich habe immer daran denken müssen, wie freins (gutmüthig, liebreich) es gegen den bosen Bub gewesen ist; das ist der Aufang gJewesen.“„Warum seysts nit?“ fragte Hansli. „Es hat mich Niemand gefragt, antwortete Jakobli. Die Mutter isi da mit ihrem cho und het nüt angers welle g'höre,und gäb wie ih g'seit ha, ih mög die nit, het si si nüt desse g'achtet u ist für g'fahre.“ „Heii ders richtig z'säme?“ fragte Hansli. „Wie meinst?“ fragie Jakobli. „Enangere verheiße?“ sagte Hansli. „Nein,wäger nicht, sagte Jakobli, wir haben gar nichts geredet deretwegen. Wo es mir d'r recht Weg zeigt het,u wo mir vo nangere sy, ha nih ihm weile e Halbi zahle, aber es het preßirt u het nii welle.“ „Ja, sagte Hansli, da mußt du doch zuerst vernehmen, ob es dich will; das ist so dir Bruch.“ „Ich wußte ja nicht, ob es euch recht sei, sagte Jakobli, und zwwider thue möchte ich euch nichts; es ist nicht rychs, ume es arms.“„Was selb ist, sagte Hansli, su hey mers chöne mache bis jetzt, und es Sühniswyb meh oder minger, es wird notti gah, u bi äyre häts o nit viel gäh mit Schyn. We me re ume los wäre, u we das WMeitschi no einist nüt hät, es wär m'r recht; aber bis me selb weiß, ists m'r nit wohl bir Sach. Sami het m'r agäh, ih söll mit der Mähre i d'Schmidte. Nebe zuche wohn jetzt eine, e grusam e G'schichte, dä söll ich frage, vo wege mi syg ke Stung sicher, daß nit Aschicksmänner kämen, oder gar e Kündmachung. Es ist uyr 301 z'wider, aber es wird doch müsse sy. Aständig wärs m'r g'si, wes doch so wyt afe gange g'si isch, z Sach wär ebe so mähr für gange; es macht si z'letsch geng oöppe Alles.“ „Es ist mir leid Vater, wäger, sagte Jakobli; aber ih v'rmah mi desse nüůt.“ „He nu so de,“ sagte Hansli, verband den Sack und stellte ihn auf die Spycherlaube.

Der Vater hatte also nichts darwider, wollte sogar mit Jemand über die Sache reden; das war mehr als Jakobli je gedacht; das machte ihm den Vater grusam lieb, und er trappete ihm den ganzen Rest des Morgens nach wie ein Hündchen.

Nachmittags trabte Hansli mit der Mähre ins Dorf, band auf der Schmidtenbrücke sie in einen ledigen Ring, da noch andere Rosse da waren, und ging bedenklichen Schrittes zu dem G'schichten. Dieser hörte ihn mit der Feder hinterm Ohr bedenklich an; denn Hansli erzählte etwas wunderlich, und für den, der nichts von der ganzen Sache wußte, war es schwer,die Bruchstücke seiner Rede zu ergänzen und an einander zu reihen. Endlich begriff er den Handel und gab den besten Bescheid. Er solle nicht Kummer haben;das sei ein gewonnener Handel; auch gar nichts sei gut für sie. Sie wollen die nur kommen lassen und e Rung mit ne d'r Narr trybe, se des ume schleipfe,und ne de, wenn es si am baäste schicki, d'r Tätsch gäh, daß ne längs Stück z'Ligge weh thue. Er solle nur nicht Kummer haben, und ihn machen lassen.

„Oeppe lang wird das nit gah und eys Gurts vorby sy?“ fragte Hansli. „Jä das kann ich dir nicht sagen, sagte der G'schicht, das kömmt darauf an, wie sie ausspielen, ob sie den Trumpf grad usspiele, oder ume süferli wey ahosche. Wir müsse das erwarte.Aber allweg länger als oppe es halb Jahr oder dreiviertel geyt das nit.“ Hansli ging noch viel bedenklicher fort als er gkkommen war, so daß sein Gesicht dem Schmid, einem guten Bekannten, alsobald auffiel und er ihn fragte: „Was hest Ungrads?“ Da die Knechte draußen waren, so berichtete ihm der Hansli seine Sache, und wie nun der drüben gesagt habe,langer als ein halbes Jahr oder auf das Längste dreiviertel daure das nicht. Er merke wohl, der wolie brav Kosten machen; aber fast ein ganzes Jahr prozedire er nicht. Lieber mache er aus, gangs wie es mög,und sollte es 1000 Pfd. kosten. Er hätte ja keine ruhige Stunde, so lange das Tröhlen währte, und zuletzt verhürscheten sie es so, daß Niemand mehr wisse,wo der Anfang sei, Niemere mehr recht drüber wisse,u de werde die rechte Zeit sein, für so eine wie er sei zischroten, daß nichts mehr an ihm bleibe. Warum sagst du mir das nicht, ehe du gegangen bift? sagte der Schmid. Er macht dirs auch wie andern; je mehr dere Doldere sy, deß länger mache si d'Händel; grad wie man o z'halbe e längeri Wurst mangelt, we vier dra fresse wey statt ume zwe. Hest ihm zSach übergäh?“ „Nein, sagte Hansli, ih ha nutede Fingere,und er het g'seyt, mi müß seye abwarte, u we sie de agryffe, de soll ih de cho.“

„He nun so weiß ich was, sagte der Schmid; geh du zum Pfarrer. Das ist ein Heirathshandel, und einer der so viel Hundert afe verkündet het, wird wohl wisse, was da Trumpf ist, und ob die auf dem Hoger obe öppis mit d'r mache chöne oder nit. So eim chunt gar viel z'Hange, und er weiß öppe d'Läuf.“

Hansli ging verflurt ungern, und wenn nicht die Furcht vor dem jährigen Prozeß noch größer gewesen wäre als die vor dem Herrnhaus, er wäre micht gegangen; aber bedenklich ging er; alle fünf Minuten machte er einen Schritt, und ailemal wackelte seine Speckseitenkutte dazu ais ob sie den Kopf schüttein wollte, und sagen, o Hans, o Hans, bedenk! So für einen Mann, der weder Kindbetti noch Hochzeit halten will oder muß, ist es ein Ereigniß, ins Herrnhaus zu gehen, theils aus Schüchternheit oder vielmehr aus dem Gefühl trotziger Unbehülflichkeit, die mit Höhern nicht reden kann,nicht reden mag, theils aber auch von wegen den Leuten. Es gibt nämlich allenthalben Leute, welche mehr aus dem Fenster sehen als in ihrer Stube herum, geschweige denn in ihre Herzen hinein, und allenthalben ist das Herrnhaus ein bedeutsames Haus, und wer zu demselben aus und eingeht, die sind das küstigste Futter für die G'wundernase derer, welche eben gerne ihre Augen unter ihre Fenster hängen, statt sie inwärts zu kehren. So bald diese einen Menschen gegen das Pfarrhaus gehen sehen, so entsteht die Frage: „Was wott da bim Pfarrer? taufen lassen oder verkünden?“ Die Liste seiner Hausgenossen wird gemustert, wer taufen oder verkünden lassen könne.Wird Niemand dafür z'weg gefunden, so fäͤngt man an, Verdacht zu schöpfen, gäbs ächt öppis nüt guts syg mit der Tochter oder mit d'r Jumpfere, oder gäbs ächt Streit gegeben mit seiner Frau, man mukle neue schon lange, es gehe dort nicht am besten. So werweiset man, so lange der Mann beim Pfarrer ist, und kann man nichts errathen, so steht man ihm z'weg beim Weggehen, sucht ihm die Würmer aus der Nase zu ziehen, oder fragt ihn wohl geradewegs, was hest bim Pfarrer welle? Bringt man auf diese Weise nichts heraus, so sucht man das Geheimniß aus des Pfarrers Jumpfere zu erpressen, und will da nichts laufen,so steigt man die Leiter aufwärts bis zum Pfarrer selbst,und frägt: „ist nit däu dä by nech g'si, was het er welle?“ Kann man nun nichts vernehmen, koinen erheblichen Grund herausklauben, und sieht man zufällig Jemand zwei Mal des Jahres am Pfarrhause klopfen,so heißts: „es nimmt mi ume zTüfels Wunger, was dätgeng bim Pfarrer will, er ist geng ume by nim.Er wird ihm ga kläfele, was öppe geyt, u ga dädere (wiedersagen, Plaudern); sellig Lüt cha nih afe hasse.Wenn es mir si schickt, su frage ih ne einist, was ihm das Pföstli ytrag.“ So wird Jeschwatzt und räsonnirt,natürlich von den Leuten, die am meisten kläfele und dädere. Das scheuen nun die Leute nicht wenig, meiden das Pfarrhaus, und wenn sie ohne handgreifliche zu Tage liegende Ursache hingehen müssen, so ist es ihnen, grusam z'wider, und wenn sie zufällig Speck seitenkuütten anhaben, so ists ihnen als machten diese bum bam, bum baum, läuteten so gleichsam zusammen und alle G'wundernasen rechts und links, links und rechts würden sichtbar hinterm Glas oder unter den Läufterlen und begönnen ihre Bedenken; denn zwischen den G'wundernasen ist akurat die gleiche Symputhie,die oft in stiller Nacht bemerkbar wird, wenn es einem Hündchen in Sinn fällt, dem Mond oder einem andern Stern seine Empfindungen vorzudeklamiren;kaum hat er angefangen, so beginnen ja alle Hundchen ringsum ähnliche Deklamationen.

Das Pfarrhaus lag freundlich im Grünen; ein Bächlein, Garten, Höfstatt machten es zu einem der heimeligsten Plätzchen für ein sogenanntes Stillleben,zu welchem aber hauptsächlich mehr noch als ein heimeliges Plätzchen ein stilles genügsames Herz gehört.Diese Herzen waren nun wirklich da. Das Pfarrfrauchen war ein gutes Mutterchen, ihr Töchterchen ein liebes Meitschi, und beide fühlten sich glücklich,und darum waren sie auch so heiter und froh. Gräßlich, schrecklich wäre vielen ihr Loos vorgekommen, fo einsam, so verlassen, ohne Komödie und Visiten, ohue Promenaden und Bälle, und wie ein vernünftiger Mensch vierzehn Tage gesund so leben könne, begriffen sie nicht.Wenn ich acht Tage da sein müßte, ich kehrte mich lätz! nein sage man mir nichts, das Pfarrerlebe auf dem Lande ist e schröckliche Sach, dsTochter kann mi schröcklich dure; heyt d'r nit g'seh, was si für e Hut a g'ha het? Sit e me Jahr üreyt kei Möntsch mehee sellige, ih schämti mi, mit ere e hintere Gaß uf gah,vrschwyge de e vorderi oder gar übern Chilchhof!Jeder Mensch hat seine eigene Waage, und auf diefer wieget er, was Gott ihm zutheilt, und nach dieser Waage werthet er es. So gibt es allerdings Lebenswaagen, wo nichts zieht als Hüte und Promenaden,Lavalliers und Boston, lebige Spiel und' neue Röcke,Kopfweh und Bälle, Sackgeld und Mariage, und allfällig ein Roman von Balzac oder die Modezeitung.Solche Waagen gibt es allerdings zu Tausenden, und die Mutter vererbt sie auf die Töchter, und wo die Mutter sie selbst noch braucht, da läßt der Vater den Töchtern neue machen. Und auf diesen Waagen kann man nicht wägen stillen Frieden und Freude an der Arbeit, nicht das Ringen nach Gott und die Theilnahme an den Menschen, nicht das offene Auge für Gottes Werke, nicht das offene Herz für Gottes Worte,nicht das Glücklichsein in gegenseitiger Liebe, nicht das süße Bewußtsein des Treuseins uber Wenigem; das Alles kann man auf jenen Stadtwaagen (sie werden in der Stadt fabrizirt, aber auch auf dem Lande gebraucht)nicht wägen, sondern wie gesagt, nur neue Hüte und grüne Schleier dran u. s. w. Nun aber gibt es noch andere Waagen, auf welchen man das Leben anders wiegt, auf welchen andere Dinge ziehen, wo das häusliche Glück und des Herzens Friede alles gelten, wo geregelte Thätigkeit und geistiger Wachsthum schwer sich machen, wo ein stilles Genügen keinen leeren Tag duldet, sondern jeden ausfüllt mit Freude und Treue.

Wir wollen kein Urtheil sprechen über die Stadtwaagen; aber wie gewöhnlich alle Moden von den Städten ausgehen, so wird mit Naserümpfen und sonstigen mitleidigen Gebehrden für die Stadtwaagen die Herrschaft gefordert, wie auch befohlen worden ist,nur nach neuem Maas das Holz zu messen. Das ist nun unvernünftig. Oder wäre das wohl eine vernünftige Frau, welche für z'Tüfels Gewalt ihren Mann zwingen wollte, daß er mit ihrer Fleischwaage sein Gold wägen solle, erzwingen wollte, daß nur eine Waage im Hause sei, und zwar die Fleischwaage. Frau, das versteyst nit, und weißt mit Schyn nit was Gold ist,lah mi rühyg u bruch du ih Gotts Name dy Fleischwaag, würde der Mann sagen; Fleisch ist Fleisch und Gold ist Gold.

Mutter und Tochter hatten nicht die Stadtwaage angenommen als Lebenswaage, und was ganz besonders ihr stilles Glück täglich neu erhielt, das war die innigste Theilnahme an allem Lebendigen rund um sie.Es war nicht die Neugierde, von welcher ich früher gesprochen, es war der recht christliche Trieb, allenthalben

20 zu helfen, Leidennzu mildern, Freuden zu spenden,fen konnte, da nahm man in aller Stille Theil und freute sich über Glück, und klagte und trauerte über erfahrenes Unglück. Diese innige Theilnahme ging über auch auf die Thiere, und ein geworfenes Huhn oder eine verletzte Taube wurde auf das innigste bedauert,auf das zärtlichste gepfleget. Es ist nichts auf Erden,welches des Menschen Leben so bedeutsam macht, des Weibes Lebenstag so zierlich und köstlich schmückt als diese Theilnahme; das geht hundertmal über neue Hüte und wären auch grüne Wadel dran.

Das Pfarrfrauchen saß auf dem grünen Bank vor dem Hause, und hatte ihre Garnwinde vor sich. Warum sie eigentlich da saß alle Nachmittage, wenn das Wetter micht gar zu strub war, das hätte Niemand so leicht errathen. Man hat wohl von Riesen gehört, welche an den Pforten wachen, hinter welchen schöne Prinzessinnen schlafen; hat von Löwen gehoört, welche den Palast eines Tyrannen huüten; ja vom Teufel sogar,wie er Schaätze wahre und hüte; aber was das gute Pfarrfrauchen hütete, das hüteten weder der Teufel,noch Löwen, noch Riesen. Dasselbe hütete nämlich das Mittagsschläfchen ihres Papas (so sagte sie ihrem Manne,und hätte es sich angewöhnt, weil sie ihrem Töchterchen 15 Monate lang vorsprach: „lue d'r Papa, kennst d'r Papa?“). So bald er in sein Stübchen ging nach dem Mittagessen, setzte sie sich vor das Haus und wachte, daß Niemand am Hause klopfe und d'r Papa wecke. Sobald Jemand kam, den sie nicht spediren konnte, so hieß sie ihn neben sich setzen und sagte:„d'r Papa (wenn die Leute fremder waren, so sagte sie d'r Herr) wird grad cho. Chömet sitzet e wenig nebe mi, dir werdet hüt scho gnue g'stande sy.“ Dann knupfte sie mit ihnen ein Gespraäch an, um das sie nie verlegen war, da sie mit den Leuten lebte, Lieb und Leid, sowohl im Menschenleben als im Wechsel der Natur, mit ihnen theilte.

Als Hansli kam, saß eben auch das Frauchen vor der Thür, und wachte für des Papas Schläfchen, während es Garn wand und mit dem eigenen Schlafe kämpfte. Hansli wollte sein Pfeischen in den Busen (Tasche) stoßen; als er sich z'Herre Frau nahte, aber die sagte: „Rauchet nur, ih ma ne gar wohl erlyde; d'r Papa raucht ja o mengist meh als ihm gut ist.“ Hansli machte nicht viel Komplimente, von wegen die gaben ihm zu viel Redens, und setzte sich, aber wohl wars ihm nicht dabei. Mit selligem Wybervolch wüß er nut a z'fah;er wüß längs Stück nit z'rede, daß es sym daheim recht syg, v'rschwyge de selligem. Aber das Frauchen begann so lieblig, daß kein Stock haätte widerstehen koönnen, v'rschwyge de Hansli. Es frug nicht nach dem Hochzeitlärm, der natürlich im ganzen Dorf verbreitet war, ohne daß Jemand hätte sagen können wie, denn die Gerüchte haben es wie der Wein, der rinnt auch manchmal aus einem Faß, und längs Stück weiß man nicht wo's Loch ist. Die Frau Pfarrer frug, wie es dem Jakobli gehe; es hätte geheißen er sei krank, und er sei immer gar ein ordlige gisy, und z'Papali hätte manchmal gesagt, es wäre eine rechte Freude, Unterweisung zu halten, wenn sie all wären wie z'Jowägers Jakobli; die ganze Zyt heyg er ihm o nit es Brösmeli V'rdruß g'macht.

Mit Speck fängt man die Mäuse, mit Lebern die Krebse, und mit solchen Worten, wen hätte man alles gefangen, was meint ihr? Es gibt allerlei Schlüssel,es gibt aber auch pass-par-tout; man hat sie nicht in allen Häusern; wo man sie aber hat, da sind sie sehr bequem, in den rechten Händen nämlich. Das that das Schloß an Hanslis Herzen auf, als ob man es mit Baumöl gesalbet hätte; er fühlte es kaum, aber es ward ihm bas als bei seinem Weibervolk, und er dachte, we si ih alle Hüsere e so wäre, es wär d'r by z'si, u mi hätt ere nit grad z'viel.

Ehe er sich es versah, hatte er ihr die ganze Krankheitsgeschichte erzählt und noch die Hochzeitgeschichte oben drein, 'und eben als er fertig war, hörte man droben des Herrn Thüre gehen. „Z'Papali chunt jetzt,

308 —

308 sagte das Mammali; aber wenns ech lieb ist, su säget jhm doch nüt vom Schnupfsäckeli; er wird gar bedenklich hͤhn, wenn er von ihm g'hört, und daß me no an ihns glaubt; die Wahrsager und Zeichendeuter seien von Gott verflucht, sagt er, und da mag er nichts von ihnen hören.“

„E, seid ihr da, Hansli? sagte der Pfarrer; es het doch nit bppe böset by nech?“ „Nei, Gott Lob nit! sagte Hansli, es wär neue alles wieder z'wäg.“„Aber Jakobli syg übel g'si?“ fragte der Pfarrer; fragte ferner, welchen Doktor sie gebraucht hätten, und ob er bei ihnen gewesen sei? Hansli gab schön Bericht,sie seien fry bei Manchem gewesen, aber es hätte ihn duecht, sie konnten alle gleichviel, und apparti zu ihnen kommen hätten sie keinen geheißen; das trage nicht viel ab; wenn einer etwas könne, so brauche er nicht zu visiteln, er wisse bͤppe sust, wos fehl. „Woher sollte er es wissen?“ fragte der Pfarrer. „He, mi b'richtet dppis d'rvo, u de bringt me z'Wasser, u wenn eine öppis cha, su soll er oppe wisse, wos fehlt; e niedere Gütterler weiß's ja u chas säge wos fehlt, we me ihm z'Wasser bringt, warum sötts de einç, d'r g'studirt wott sy, nit chönne; z'heile ist d'Kunst.“

Da hatte der gute Hansli den Pfarrer, ohne es zu wissen, auf ein Steckenpferd gesetzt, und wenn er hätte sich wohl gehütet, den Doktoren eins anzahängen.

„Nein, mein lieber Nachbar, da seid ihr üͤbel b'richtet, wenn ihr meint z'heile sei d'Kunst. Ehe man heilen kann, muß man zuerst wissen, was man heilen soll und wos fehlt, und gerade das ist das Schwerste.Ihr meint, wenn ihr kommt und sagt: es thut mir im Magen weh, oder in den Augen, oder ich habe den Husten, oder grusam Fieber, so wisse der Doktor schon wos fehle; Ficber sei Fieber, Husten Husten, und Weh sei Weh, bald in den Augen, bald im Magen; aber eben da seid ihr in gar grobem Irrthum. Fieber kömmt von Entzündung her, nun kann aber gar manche Sache entzündet sein, Gehirn, Lunge, Leber, Unterleib und

309 noch viele andere Dinge, und dasist manchmal gar schwer zu erkennen, und doch muß das unterschieden werden; denn anderes braucht man für die Leber und anderes für den Unterleib, und anderes für den Magen,und anderes für die Augen. So ist auch der Husten gar mannigfach, es kann ein Magenhusten sein, ein Krampfhusten, ein Husten aus Lunge oder Leber; es kann auch nur in der Luftroöhre stecken, von zu viel Blut oder zu viel Schleim herkommen; weiß ich das nun, wenn man mir so obenweg sagt: ih ha d'r Huste.Dann liegt nicht nur das scheinbar gleiche Uebel an gar verschiedenen Orten, und oft an ganz andern als man meint; sondern es hat auch seine besondern Grade;es ist im Entstehen; es ist im Zunehmen; es will in etwas anderes übergehen, z. B. ein Husten in eine Lungenentzündung, ein Gaüenfieber in ein Nervenfieber; das alles kann mir Niemand sagen; das alles muß man erkennen und zwar zu rechter Zeit. Es gibt Krankheiten, wo eine Stunde früher oder später über Leben und Tod entscheidet.“

„He, sagte Hansli, mi seit ihm öppe alles was me weiß, obs besseret oder böset het, u de schickt me z'Wasser d'rfür, daß er selber luege cha.“

„Aber wenn es einer nit versteht, sagte der Pfarrer,so meint er vielleicht, es habe gebessert, wenn es gerade am bößten ist. Das ist manchmal gerade so wie bei einem Hagelwetter. Zuerst kommen einige Steine,man hat Angst, aber es hört auf; jetzt meint nan, es fei vorbei, und wie man das meint, so kömmt der Hagel daher, daß man alle Augenblicke meint, jetzt, jetzt kommen die Katzen. Und mit eurem Wasser geht mir;aus dem kann man wohl Allerlei fehen, Fieber oder Galle z. B. Aber da kömmt unendlich viel auf das an, was man gegessen oder getrunken, ob man geschwitzt oder gefroren, und welcher Leibesbeschaffenheit man überhaupt ist, und noch auf gar viele audere Dinge.Das Wasser ist ein sehr unzuverlässiges Kennzeichen,das in gar vielen Fällen durchaus nichts anzeigt; wenigstens eben so wichtig als das Wasser ist der Auswurf;aber an den denkt man selten. Der Puls, die Zunge,sind weit wichtigere Merkzeichen; aber sie reichen auch nicht hin; die Haut, feucht oder trocken, die Farbe,namentlich aber das Auge, sind höchst bedeutende Zeichen, und jedes derselben ein Spiegel irgend eines innern Zustandes, und im Spiegel muß man ihn erkennen;man kann uicht einen Schlitz machen und die Nase dahin stoßen, wo es einem Wunder nimmt wie es aussieht. Darum mußt ihr den Doktor kommen lassen ins Haus, damit er mit eigenem kundigem Auge die Zeichen alle vergleiche, sie zusammenstelle und das Urtheil fälle,wo es eigenilich fehle; erst dann, wenn dieses gründlich untersucht ist, kann verständig gedokteret werden.“„Das ist längs, Herr Pfarrer, sagte Hansli; so mit em Wasser ist es kürzer, un die Nebeus-doktere cheus.“„Wer sagt das?“ fragte der Pfarrer. „Sie selbst,fagte Hansli, u so viel ih g'hört ha, het no nie kene bigehre id's Hus z'cho, und hey doch unb'sinnt chönne säge wos fehle, u hey nit emal viel fraget.“ „Aber haben sie es auch getroffen, und ist es so gewesen wie fie gesagt haben? Wenn einer lügen will, üst bald viel gesagt.“ „Si hey vo mengem g'feyt, der vo ne g'heiset worde ist, n wo ke Patentirte ihm heyg chöne helfe.“„Hat ders troffen, wo von eurem Jakobli gesagt hat,er bekomme die Wassersucht?“ Hansli schaute verblüfft auf, denn von dem hatte er dem Pfarrer so wenig gesagt als von dem Schnupfsäckeli. „G'schauet Hanusli,dch ist so: wenn einer so von einem Quacksalber prellet wird, so rühmt er es nicht und will nicht der dumme Löhl sein, der zum Beßten gehalten worden ist. Das ist gerade so wie es vor Jahren auf einem Jahrmarkt in B., wo man den sametigen Aermel zum Fenster ausstreckte, geschehen ist. An einem solchen Tage setzte sich dort ein Marktschreier fest, und ließ bekannt machen, daß er ein Pulver verkaufe für 8 Batzen, mit welchem man auf die sicherste Weise die Flöhe vertreiben könne. Die Flöh waren nicht rar in selber Gegend,und manch Weibchen, das lieber schlief als jagte, und mancher Mann, der dieses Hauskreuz haßte, hielt das für ein gefunden Fressen, und Niemand reuten die drei Batzen. Eine große Menge sammelte sich beim Bären,daß dem Wirth der Gedanke kam, es wäre nicht bös,wenn er alle Märit einen solchen Flöhfresser hätte; der wäre nicht nur für die Flöhe gut, sondern er ließe auch den Längnauer, den Dotziger und Büttiberger vergessen. In einer einsamen Stube war der Wundermann postirt, und vor der Thür war sein Gehülfe, nahm die drei Batzen ab, und ließ sorgfältig nur eins nach dem andern ein in das geheimnißvolle Gemach. Drinnen stund der Mann in langem Talar, wie die polnischen Juden sie haben, und wenn bangen Herzens das Eine vor ihn trat, nahm er mit geheimnißvollem Gesicht eins der Pulver, welche auf dem Tische lagen,spreizte den Daumen und den Zeigefinger, und sagte feierlich: „Seht, so bald ihr eine Floh gefangen habt,so drückt ihr das Maul auf, nehmt von diesem Pulver so wenig als ihr könnt, legt ihr dasselbe auf die Zunge,so ist sie fertig, plaget Niemand mehr.“ Eins näch dem andern hörte ihm in andachtsvoller Ehrfurcht zu,wußte lange nicht, war es zum Besten gehalten, oder hatte es ein wunderbar Geheimniß empfangen; aber Alle zogen mit geheimnißvollen Mienen ab; Keiner sagte den andern was er gehört, Keiner wollte zum Narren gehalten sein, und gar Mancher munterte die andern noch auf und sagte: „Göht ume, göht, dä weiß öppis.“Und die andern gingen, und jeder gönnte es dem andern, und keiner wollte der Narr im Spiel sein, und jeder fürchtete, die andern möchten ihm sagen: „du Löhl, gäll, hättest du deine drei Batzen wieder? aber denken hättest du können, wenn du witzig gewesen wärest, es gehe dir so.“ So war großer Spektakel an selbem Märit, und einer hatte am andern die größte Freude, wie er geprellet ward. Etwas ganz Aehnüches geht mit der Quacksalberei. Es rühmt keiner wie es ihm bei einem Quacksalber ergangen, was er habe zahlen müssen, und wie die Krankheit einen Austrag genommen; wie er ihm alles viel böser gemacht,und wie er ihm offenen Schaden zu unheilbaren Krank 3128 heiten gemacht, und Warzen oder Ammmäler zu Krebsschäden; er fürchtet, man sage ihm: „du Narr, warum bist gange? du hättest doch witziger sein, und hättest denken können, es gehe dir so.“ So wird das Meiste Böse,was Quacksalber machen, verheimt aus Scham; man will zum Schaden nicht noch Spott und Hohn. Zu diesem kömmt noch ein Zweites. Es gibt nämlich Leute,die meinen, der liebe Gott habe sie expreß deßwegen erschaffen, daß sie andern Leuten den Verstand machen,und ihnen den Weg zeigen, so gleichsam zu Leithammeln seiner dummen Heerde. Kant, das ist einer von dem ihr nicht werdet gehört haben, Hansli, Kant hat gesagt, der Mensch solle immer so handeln, daß das was er thue, andern Leuten zur Richtschnur dienen solle.Das eben, meinen die Leute, thäten sie; und wenn einer seine Läuse mit dem Schuh vertrappet, so sagt er, das sei exellent, und alle die, welche es mit dem Nagel thäten, seien Hundsfötter; und kömmt es ihm in Sinn,die abgenommene Milch selbst zu essen, die Nidle den Schweinen zu geben, so saget er, man glaube nicht,wie vortrefflich die blaue Milch sei, und wie ungesund die Nidle; „thues doch, probirs doch, du wirst de erfahre!“ klingts in allen Ecken; und wenn man es nicht thut, so gibt es Gift hinter den Ohren und unter der Zunge. Wenn die gleichen Leute aber nach vierzehn Tagen das Gegentheil von dem finden, was sie vor vierzehn Tagen gefunden, so sagen sie es Niemanden,und wenn sie ihre Läuse wieder mit dem Daumen tödten wie andere ehrliche Leute, so soll es Niemand merken. Wie es diese Leute mit allen Dingen haben, so haben sie es namentlich mit Arzneimüteln und mit Aerzten. Ist ihnen selbst ein Mittel eingefallen, so stellen sie die ersten acht Tage alle Menschen auf der Gasse, drehen ihnen die Knöpfe, daß sie aus dem Leibe gingen, wenn man sie unglücklicherweise an der Haut statt am Kleide hätte, und waäͤren sie auch innefert vernietet, und rühmen wie sie sich jetzt vortrefflich befänden, man glaube es gar nicht; sie brauchten das und das, man solle es doch auch probiren; sie brauchten es zwar für das, aber es sei für dieses und jenes sicher auch gut. (Ungefähr wie vor einigen Jahren von bekannter Seite her eine sehr fromme Seele mit homöopathischen Schachteln hausiren ging, welche einige Dutzend Schächtelchen oder Gütterli, es kömmt auf eins, enthielten, möglicherweise einige sechzig. Er pries sie hoch an, und strich als ihren größten Vorzug heraus, wenn man sich schon verschieße, so schäde es jedenfalls nicht viel. Kommt man nach einigen Wochen zu selbem Menschen, so klagt er über seine alten Uebel ärger als nie; aber von jenem gepriesenen Universalmittel ist keine Rede mehr. Braucht ein solcher Mensch aber einen Quacksalber, so ist gar Niemand mehr vor ihm sicher; er ist noch viel ärger als der Fuchs, der mit dem Herzstoß herumlief; alle Leute sollen ihn brauchen; man glaube gar nicht, was das für ein Wundermann sei; Hunderten, Tausenden habe er schon geholfen, und erst drei Tage brauche man ihn,und man fühle die auffallendste Wirkung, und man sei überzeugt, man sei in wenig Tagen radikal kurirt. Die frappanteste Wirkung habe man empfunden, man habe kaum am Mittel gerochen gehabt. (So hatte sich vor circa einundzwanzig Jahren ein gewisser Ludi in die Ohren beten lassen, und war überzeugt, er sei radikal kurirt. Nicht wenige aus seiner nächsten Umgebung kriegten darauf die Lungensucht, weil sie nun im Verhältniß, als jener gut hören wollte, desto lauter brüllen mußten.) Diese alle haben ihren neuen Quacksalber austrompetet; wie es ihnen hintendrein ergangen, rühmen sie ebenfalls nicht. Ist man unverschämt genng,nach dem Warum zu fragen, so zucken sie die Ächsel;es kam ihnen etwas zwischen die Kur, oder die Entfernung war zu groß, oder es traten sonstige Umstände ein. Sie irrten sich nie. So bleibt das Trompeten,aber der schlechte Erfolg bleibt vertüscht.

„Und drittens, mein lieber Hansli, aber zürnet nüt,gibt es sturme Leute, die laufen von einem Quacksalber zum andern, oder zwischen zwei Quacksalbern hin und her, wie der Kalle in der Glocke zwischen ihren 314 beiden Wänden, die eine Woche zu dem, die andere zu diesem, und zu beiden haben sie unumschränktes Zutrauen; der eine hat sie vom Bauchweh radikal kurirt,und doch klagen sie einem alle ander Tage darüber,und der andere hat ihnen eine Hautkrankheit wie weggeblasen, und Angesichts einem kratzen sie sich die Haut vom Leibe.

„So haben es die Leute mit allem was nicht recht ist und was sie nicht thun sollen; erstlich verheimen sie anfangs den Gebrauch, dann soll es viel besser sein als man meint, und nur Verbunst einem davor sein,und drittens soll es an nichts schuld sein. Und so hat man es mit allem Verbotenen, mit Saufen, Huren und Quacksalbern, nit z'säme zellt, wie me seyt.“

„V'rzieht, Herr Pfarrer, ihr möget etwas recht haben, was ich verstanden habe; aber die wisse doch etwas aus dem Wasser, und die angere wey ume des ume ryte un si lah zahle zweumal; vo diesen seyt kene,daß er zicho bigehre; die sy mit mingerem z'friede, vo wege si heys minger nöthig; si hey kes Geld v'erlabirirt mit ihrem g'studir, vo wege das chostet oppis, u selb wey si de ume, u usereym v'rmah nit mit doppeltem Fade z'nähye, mit he a einist gnue.“

„O Hansli, sagte der Pfarrer, das ist eben das Verdächtigen, wo ich so hasse. Die Quacksalber wissen gar nicht, was eine Krankheit ist; sonst würden sie nicht so ins Blaue hinaus Mittel geben, und noch von den gefährlichsten, wo man antreffen kann, und wenn sie etwas mit den andern Krankheitszeichen zu machen wuüßten, so würden site Kranke auch besuchen. Darum was sie nicht können, verdächtigen sie. Es wundert mich nur, daß ein einziger Doktor euch ein einzig Mittel gibt, ohne mit dem Kranken gesprochen und ihn gesehen zu haben. Einmal ich thäte es nicht; ich weiß wohl, dann könnte ich gehen Band hauen. Aber von wegen dem Wasser muß ich doch noch fragen:ewenns einem Roß, oder einer Kuh, oder einer Sau fehlt, schickt man dem Viehdoktor auch das Wasser bom Roß, oder von der Kuh, oder der Sau?“ Er mache es nicht, sagte Hansli, und hätte neue nüt d'r vo g'hört daß es andere thäten. „Was macht ihr dann?“ fragte der Pfarrer. „He, wenn man bestimmt weiß wo es fehlt, so sagt man es ihm, nimmt afe öppis und seit / er söll selber cho luege, je eher je lieber; we mes aber nit bestimmt weiß, we si öppe ume so muggle, u me doch glaubt, es chönt nit gut cho,su schickt ine Oeppere u laht ihm säge, er soll e nangere nah u uf d'r Stell cho.“

„Warum könnet ihr das bei einer Sau machen und bei einem Menschen nicht?“ „Ja das ist darum ganz etwas anderes,“ sagte Hansli. „Ja wohl ist das etwas anderes; aber wer hat das feinere Eingricht und aller Gattig Lebensweis und allerlei Anstrengung, der Mensch oder eine Sau?“

„Aber Papali,“ sagte die Frau Pfarrerin, welcher schon lange Katzangst geworden war, aber doch nicht Einreden nicht gut war, und Gelegenheiten, wo er es auch nicht duldeie, namentlich wenn er einmal mit einem Gemeindsgenossen kinderlehren wollte; „aber Papali du vergissest ganz, daß der Rachbar Jowäger dich um Ralh fragen möchte, und sein Pferd auf der Schmidtenbrucke hat.“ „Warum sagst mir das nicht?“ sagte der Pfarrer etwas unwillig. ,Von dem allem habe ich ja kein Wort gewußt.“ „Wohl freilich, Papali, sagte die Frau, du hast es im Eifer über die ufläthige Quacksfalber ume vorgesse. (Beiläufig gesagt, das ist ein Kunstgriff der Frauen, der sich nie abnuützen wird, daß der Mann längst über Dinge unterrichtet sein soll, von denen er nie ein Wort gehört.) Sein Sohn will heirathen, und da möchte er dich um Rath fragen wegen rer nicht schwer abzulenken war; er lenkte darum nicht wieder um, sondern trat ein, und frug nach dem was er rathen sollte.

Hänsli, welcher das Ding heute bereits zweimal erzähit hatte, kam zum drittenmal ordentlich fort, und der Pfarrer begriff also bald, um das es sich handelte.Er setzte aus einander, daß als Eheansprache nichts gültig sei, als Verkündigung oder ein notarialisch Eheversprechen; daß die aufgeseßte ununterschriebene Schrift nicht mehr sei als ein Weibergeschwätz, und die gestohlenen Neuthaler jedenfalls nicht als Ehepfand gelten Seite sein könnten. Grund zu Prozeß oder Eid sei durchaus keiner vorhanden; es müßte denn der Richter ein Erzlümmel sein, was man zwar nie wissen könne,was er aber nicht glaube. Das Beste bei so bewandten Umständen wäre, wenn Jakobli alsobald verkünden ließe; jegliche güͤltige Heirathsansprache müßte in diesem Falle als Einsprache geltend gemacht werden, und zu solcher hätten ste so wenig Grund, daß der Richter unmöglich eine bewilligen könnte; wenn er schon gerne wollte, so hätten sie nicht einmal die Möglichkeit ihn anzugreifen. Wenn sie aber auf anderm Wege an ihn zu gelangen suchten, so sei es nur, um ihn zu erschrecken oder etwas von ihm zu erpressen; da solle er nur auf keine Weise sich einlassen, troigen Bescheid geben und sie fortsenden so oft sie käͤmen, ja drohen mit Klage über Diebstahl, und sich ja nicht merken lassen, daß er etwas fürchte; er habe auch nichts zu fürchten.Gebe er ein Stümplein von einem Finger, so würden sie die ganze Hand wollen. Und würde er im Kleinsten nachgeben, so könnte das vor dem Recht als eine Einlaßlichkeit erscheinen, und es ihm gehen wie einem Meitschi, welchem ein Reibstein das Aeüßerste der Haarschnur ergreife, und nache ziehe und nache ziehe bis der ganze Kopf zerrieben sei. Das Recht fei gar ein kurioses Ding, und weit vom G'schuüͤtz gebe es alte Kriegsleut.

Hansli sagte, das sei anderer Bescheid als er erhalten, der gefalle ihm; gruset hätte es ihm, wenn er sich hätte müssen lassen des ume schleipfe, es wuß kei Moönsch wie. Aber eins sei lätz. Am naächsten Sonntag werde kaum verkündet werden können, das Meitli wisse noch nichts davon, und Jakobli wisse micht einmal, ob es ihn wolle, oder ob es schon einen andern hätte. „Du mein Gott! sagte die Frau Pfarrerin,hat der gute Bueb so eine stille Liebe gehabt? das ist doch schön von ihm, das trifft man selten. Es wäre in der That schrecklich gewesen, wenn er die grobe Person hätte nehmen müssen. Ich glaube wirklich, es hätte ihm können am Leben schaden. Dä gut Knab,es cha mi fry vo Herze für ihn freue, wenn er glüͤcklich wird.“

„Ih cha mi nüt druf v'rstah, sagte Hansli, zu myr Zyt ist das nit so gange; mi het öppe g'luegt, welli eim aständig syg, u het afa mit ere rede, u het es nit möge gäh, he nu su het me na ere angere g'lueget,bis me eini g'ha het. Daß deretwege Neuer g'storbe syg, ha nih nie gehört. Wos d'r Aetti duecht het, es wär afe Zyt, daß ih eini nähmt, hets mi duecht, my Alti schickti st nit übel i üsers Hus; si ist werchbar g'st, oppe nit vo de Hoffärthigste u nit ab d'r Gaß;aber we st mi nit welle hät, hintersinnet hätti ih mi nit; ih hät daycht, es gäb no angere, wo öppe o werchber sygge u nit die hoffärtigste. Es git ere geng d'Gnügi, wo gern eine hatte u notti doch nit schlechti Mönscher sy. Die, wo nihm z'Anne Bäbi g'ordnet g'ha het, ist oppe nit alles g'ist; aber es het mi duecht,syg z'Sach e so wyt gange, er sött se näh, es hät mingere Umtriebe gäh u Läuf. Es ist Mängi, si ist als Meitli nit alles g'st, u ist no e rechti Frau worde,u de g'wohnet me st a alles; e niederi Spys cha me z'letsch esse, we me nüt angers het, warum sött me si de ane Frau nit g'wahne, wes eim scho längs Stüück duecht, mi sött dra erworge. Ih ha ne Hüng, wo nih ne z'erst übercho ha, hets mi duecht, we nih ne numme nit hät; die ganzi Nacht het er bulle, ih ha ke Stung chönne schlafe; jetzt cha ner belle so viel er will, ih schlafe notti. Aber was will me! es ist jetz e so, u mi muß si dry schicke; u mira cha er jetz mache, daß er zu dem Montschli chunt; es ist mir i so wyt recht, wenn ume das Gespräng bald ufhörti,das ist mir afe übel erleidet.“

So lange hatte Hansli lange nicht hinter einander geredet; aber auch dem Tröckenesten wird zuweilen das Herz voll, und dann läuft es ihm über. So viele Jahre waren Hansli die Tage gleichfoörmig abgelaufen,und appartige Bewegung hatte es in seinem Hause keine gegeben; daher war ihm das gegenwärtige Treiben und Jagen, wo alle Tage etwas Neues aufs Tapet kam,in der Seele zuwider. Er schwebte in beständiger Angst,was Anne Bäbi oder Jakobli ihm noch zumuthen werden, wo hinaus sie ihn senden möchten; daher war ihm alles recht, wenns nur vorbei ging, und der ganze Haushalt in den alten Trapp kam. Als er wieder zum Schmid kam, fragte ihn dieser: „Gäll, er wird di angers b'richtet ha?“ „Es ist no kurios, sagte Hansli,wie ne Mönsch cha V'rstang ha vo nere Sach, u i d'r angere ist er, so z'säge, ume e Lappi. Vo wege myr Sach het er m'r g'rathe ume mit kurze Worte,aber haupttändisch, es häts ke Aflikat besser chönne,wenn er scho bigehrt hätt, öppe z'säge, wies wär, u mit d'r Wahrhit umz'gah. Aber z'erst het er m'r üb'rs Doktere g'stürmt, emel e halb Stung lang, ih ha nit d'r zechnist Theil d'rvo v'rstange. Ih bi ume e dumme,aber g'merkt ha ni doch, daß er ke Bigriff d'rvo het,minger no as üsereim. Es het mi no v'rwungeret; de Aflikate gönnt er d'r V'rdienst nit, aber de Doktere möcht er d'Fisch i d'Bähre sprenge, u meint, mi soött se da lah is Hus cho, wo nüt abtreyt, wenn eine öppis cha, u wo me doch d'rfür apparti zahle sött, es weiß ke Hung wie viel. Aber ih has scho g'merket, es mah e Herr so gut sy als er will, su meint er doch,d'r Bur syg ume da für z'zahle u d'Hang im Sack z'ha, u we er ne es Tags zwure cha schräpfe, su laht ers nit bi einist gut sy.“

Schöne Seelen müssen über Hansli nicht böse werden, ihn undankbar schelten; er redete vollkommen naturgemäß. Wenn einer einen Plätz ab hat an der Hand, und der thut ihm weh, und ich konime ihm an diesen Plätz, so schreit er: „Ui, Ui! du bist doch d'r wüstist Hung wos git!“ und so oft ich ihm daran komme,so oft schreit er immer ärger. An die Hand aber, an 319 der er keinen Plätz ab hat, kann ich ihm kommen so oft ich will; er sieht nicht nebe ume, läßt keinen Gux aus. Wessen Geldsäckel nun den Plätz ab hat, der empfindlichste Theil seines Wesens ist, der schreit allemal, so oft ihm Jemand daran kömmt, gerad aus,und wer es auch ist, der ihm daran kömmt, der muß e uverschante, e unerchante Hung sein, d'r wuüstist wos,gäh s cha; und wenn er nicht muß, so laängt er selbst so wenig als möglich daran, wie auch er selbst die verletzte Hand ebenfalls schont, so wenig als möglich ste braucht. Je niedriger der geistige Standpunkt eines Menschen ist, desto höher steht ihm die Materie, und den Solidesten steht unter den materiellen Dingen das Geld am höchsten; je höher einer steht, um so mehr verliert das Geld seinen Selbstzweck, und wird nur Mittel zur Hebung des Lebens, zur Wahrung des Leibes, zur Ausbildung der Seele.

Nun will ich gar nicht sagen, daß der Bauer immer auf niedrigem Standpunkte stehe, Herren und Pfarrer aber auf dem höhern. Du mein Gott, es gibt sie dick genug, die an ihrem Geldsäckel nichts ertragen mögen, und die Gesichter machen wie ertaubete Löwen,wenn man nur von Weitem Miene macht, sie um einen Batzen zu bringen; ja die, wie man Bündeng'schücher auf frisch angesaeten Plätzen aufstecket, um die Vögel zu vertreiben, solche Bündeng'schüchgesichter Tag um Tag machen, damit kein Vogel nicht einmal Miene mache nach ihrem Geldsäckel zu recken. Indessen ist das natürliche Verhältniß jedenfalls so, daß wenigstens der Pfarrer geistig höher stehen, der Vertreter eines edlern Lebens sein sollte. Ist dieses Verhältniß so, so muß er öfters in den Fall kommen, ringsum an Geldsäckel zu hoschen, und sollte es eben nur sein, daß er mahnt, zu Wahrung ihres eigenen Leibes einige Batzen nicht zu scheuen. Da muß er allemal der wüste Hung sein, u d'r uv'rständigst, muß hören,ja we m'r z'Geld so ring chäm wie dem, ih wett o Usereim muß gar gnue ihue, bis mes het; drum we mes einist het, su het me de o Sorg d'rzu. Dieß muß Niemand verwundern, es ist naturgemäß; dieß muß Niemand übel nehmen, denn es muß so sein.Drum schöne Seelen, laßt mir meinen Hansli in Ruh,er ist besser als tausend andere, er urtheilte von seinem Standpunkte aus, und wenn er Jemand eine Hülfe R war mein Hansli in seinen Gutthaten nicht der letzte,d. h. wenn einer gekommen wäre und hätte gesagt, er möchte studiren, und Hansli solle ihm etwäs daran geben, so hätte Hansli gesagt: „Oeppis dumms e so!gang m'r vom Hus e weg; gang ga werche! was manglist du z'studire? es git dere Schlingle gnue.“ Und wäre neben dem einer gestanden, und hätte ihn um eine Tanne gebeten, weil er ein neues Haus wolle bauen lassen, so hätte Hansli gesagt: „warum nit? du mußt eini ha, öppe nit die größt; mi het se nimme; es geyt afe gar starch mit heusche.“

Wie Jakobli selbst auf die Beine muß,und zu einer Braut kömmt.Mit großem Verlangen hatten alle daheim auf Hansli gewartet, und kounnten nicht begreifen, warum er so lange nicht kämne; ja Jakobli fürchtete in seinem kindlichen Herzen, es seien vielleicht schon Landjäger gekommen und hätten ihn genommen, von wegen der Kreblete, welche List widerfahren sei. Als man ihn daher das Feld aufkommen sah auf der Mähre, da wohlete es Allen; aber nicht Alle gaben es kund. Mädi und Anne Bäbi thaten als ob die Sache sie nichts angehe, wußten es aber doch zu machen, daß sie den Bericht hören konnten, welchen Hansii heim brachte,und wie der Pfarrer gesagt, wenn man am Sonntag noch verkünden lassen könnte, so wäre der ganze Handel aus, so wie ers begreife.

Man wundert sich oft, wie die Menschen hin und her gehen, wie Hanfstengel im Hanffelde. Heute lehnen sich diese Stengel an einander, morgen sind sie von einander feindselig abgekehrt, und übermorgen drückt einer den andern noch feindseliger dem Boden zu. So begegnen sich heute die feindschaftlich, die morgen verbrüdert scheinen bis in den Tod, und handkehrum kniet wieder einer auf dem andern, und setzt an die Kehle ihm den Dolch. Das geht gerade so wie im wogenden See, im wirbelnden Flusse; da tanzen die Wellen auch mit einander, als obs lauter Herrlichkeit wäre,und ist es ausgetanzt, so verschlingt eine die andere.Und wenn man meint, jetzt seis aus, so spuckt die eine die andere wieder aus, und tanzt wieder mit ihr als ob gar nichts geschehen wäre. So tanzen die Menschen Kehraus und andere Tänze, schlenggen einander ins Grab, halten einander die Beine vor, küssen einander, daß der Schinder z'Teufels werden möchte, und alles kehrum. Das alles geschieht denen, die als Wellen auf dem Strome treiben und kein Steuerruder haben, die als Spänchen auf den Wellen wirbeln und keine Wurzeln mehr haben. Nun gibt es doch noch Menschen, die weder Wellen sind noch Spänchen ohne Wurzeln;die wissen warum sie zusammenstehen, und warum sie sich scheiden; die wirbeln nicht herum, die bleiben dann auch so gestellt, wie sie sich mit Wissen gestellt; sie haben Wurzeln, die tanzen nicht auf Wellen, die wachsen nach oben.

Das sind aber nicht Anne Bäbi und Mädi, die jetzt bei Hanslis Bericht ungefaäͤhr das Gleiche empfanden, nämlich einen höllischen Aerger, daß alles so glatt und sonder Beschwerde abgehen sollte. Keines von beiden wollte Lisi; aber Anne Bäbi meinte doch, der liebe Gott sollte die züchtigen bis auf einen gewissen Punkt, welche seinen Plan vereitelt, und Mädi meinte akurat das Gleiche, aber aus dem Grunde, weil nicht es die Auserkorne war; zu gleicher Zeit verband sie das merkwürdige Standesinteresse, daß es nicht nach ihren Gringe gehe, welche zwar beide etwas ganz anderes wollten, sondern nach dem Willen des Mannenvolkes.Das mochien sie ihnen nicht gonnen, und wenn schon beide nichts sagten, so haäͤtten doch beide gleich gerne Wust

21 in die Milch gerührt. Und nun war allerdings, aber ohne daß sie es wußten, ihr Schweigen der beste Wust,den sie in die Milch rühren konnten. Mädi und Anne Bäbi waren bis dahin die Sprecherinnen im Hause gewesen, und hatten das große Wort geführt, und jetzt bei der großen Berathung, welche vor sich gehen sollte,gaben sie keinen Gux von sich, als ob sie Kanonen wären, die ein vorschütziger Fähndrich bei Einnahme der Festung vernagelt hätte; und wenn man fragte,bat, anhielt, so hörte man höchstens: „machit ume,machit, ihr chönnet z'Sach ohni mi; ihr syt selber witzig; heyt d'rs so wyt brunge, so fahrit jetz us.“Man denke sich, wenn es manchem Gemeindrath, dem Präsidenten und dem Gemeindschreiber gehen würde, wie dem Zacharias, als er die Verheißung Gottes nicht glauben wollte, (und wie manches Redmaul könnie aus dem gleichen Grunde zugehen, aber nicht mehr auf), und sie auf einmal stumm würden,in welcher Verlegenheit die ehrsame Versammlung wäre,wenn keiner mehr sagen könute: „He jo jo, es ist m'r o so!“ Wenn nun Wort und Rath gefunden und füre gäh werden sollte ohne sie. Man denke, wenn es nicht mehr heißen würde: „Hansli was meinst, was duecht di? mi het es so duecht.“Jaad, es kann wirklich übel gehen, wenn einem Anne Bäbĩ der Mund zugeht und dem Mädi auch. Es handelte sich darum, wie man an das Meyeli gelangen sollte; sollte man es b'schicken, sollte man selbst gehen,und wer sollte gehen? Hansli wollte nicht gehen, dem Zeug laufe er nicht länger nach; Jakobli schlotterte überall, wenn von ihm die Rede war, und Sami sagte, er chenn z'Meitschi nüt, u wenn er de z'Lätze brächt· su wär me de erst recht drin. Da war im eigentlichen Sinne guter Rath theuer. Endlich X Jalobli, er sehe wohl, es hätte ihn Niemere lieb, und so sei es ihm gleich zu sterben, u so choönn d'Mutter seinethalb List jah B'ischeid mache, es soll cho, je eher je lieber, deß eher sei es für. Da ging Anne Bääbi der Mund auf und es sagte: „Du bist e wüste Bueb;u wem ist's meh a d'r glege, as grad mir, aber was me gut fingt, wotst nit; du wotsch dy Gring selber ha;he nu so häb ne. U we du es Appartigs im Gring hest, su mußt du's selber frage; mi chönnt da lang öpper Angere schicke; u wer wett Morn z'Hochzyt agäh. Hest uf e Zyberlihoger dörfe, su wüßt ih nit warum du uf Raxige nit o chönntist, u chrankne bist nimme, emel allem Esse a nit.

Das war ein Ausspruch, der sich gewaschen hatte und allen recht war, nur einem nicht; er nahm ällen etwas ab und legte es dem Einen auf; da aber dieser Eine nie gegen Älle sich aufgelehnt und seinen Willen durchgesetzt hatte, so blieb der Orackelspruch; er mußte sich fügen, und morgen selber gehen.

Wer hat nicht schon gesehen, wie mit der Sonne der Nebel ringt; bald ist's hell und lauter; das Herz möchte zum Leibe raus und tanzen mit den Mücken (würden doch suegen die Mücken, wenn auf einmal ein Herz tanzte mitten unter ihnen), die so lustig spielen mit der Sonne heitern Strahlen, und handkehrum ist's so finster und feucht, und Nebelwolken marschiren so dicht und feindselig an, daß es einem dünkt, wenn man nur im Beite waäre,ein dichter Umhang davor wäre und man da schlafen könnte, bis Jemand kaäme mit der Nachricht, die Sonne sei wieder da und die Mücken auf. So ging es selbe Nacht in Jakoblis Seele; wenn er an Meycli dachte,und, daß er es haben könnte, so kam's ihn an zu jauchzen und zu pfeifen, und es schien ihm, als rüsteten die Engel im Himmel schon Geigen und Posaunen, um ihm zu helfen. Kroch ihm dann wieder unterm Deckbett hervor, wie ein schleichend Ungeheuer,der morndrige Tag vor die Seele, dann zitterte und bebte er, und seine Seele war bitter betrübt. 5 er es wohl noch? wollte es ihn wohl? und wie sollte er es anfangen, um zu ihm zu kommen? Die drei Fragen waren dreien Wollken gleich und hüllten in Nacht seine Seele.

Am folgenden Tag weckte Jakobli Niemand; es war aber auch nicht nöthig; es war vielmehr wunderlich, wie etwas ihn zur Eile antrieb, und diesem Etwas, das er selbst nicht kannte, widerstrebte er und vermochte es doch nicht, pressirte überall verblümt und wollte doch nicht den Schein haben. Das Halstuch wollte ihm längs Stück Niemand umbinden. Anne Bäbi sagte, e sellige G'stabi,der well gah wybe, söll das selber chöͤnne. Mädi meinte, es könne ihms doch nicht breichen, aber e Klapperrose une Straublume well es ihm uf e Hut stecke, wenn er well. Endlich war ihm doch Anne Bäbi zu Diensten, wischte die Finger dürfig ab am nassen Weschlumpe und rief: „So gib!“ und zog ihm das Halstuch zweg, daß Jakobli kaum noch schreien konnte mit hohler Stimme: „Nit, nit, Mutter, du erwörgst mi!“ „So cha n'ihs d'r scho nimme breiche,sagte Anne Bäbi; es ist de gut, daß de für e angeri iuegst; lue de ume, daß es die besser macht.“

Als er endlich fertig war, sagte er, er sollte e klyseli (wenig) Geld haben; seines reue ihn schier, es sei gar schöns. „Ih ha kes, sagte Anne Bäbi; hättist förger g'ha, su hättist no. Oeppe so für eini ga astelle, wo ume ei Chittel het, un ume es halbs Gloschli, duechts mi, du bruchtist keni Neuthaler, du chönntisch's mit Münz o.“ „Ih ha o keini, Mutter,“sagte Jakobli. „Ih o nit, schnauzte Anne Bäbi;heusch dem Alte.“ Anne Bäbi hatte so gut Geld, als der Alte, aber es wollte kuppen und nicht den Namen haben, daß es zu dieser Heirath mit einem Finger behülflich wäre. Der Alte mistete mit Sami, als Jakobli mit seinem Anliegen kam. „He jo, sagte Hansli,öppe es Schübeli Geld ist aständig, we me wott uf d'Wybig; ih will gah luege, ob ih no fing.“ „Aber Sami, wie soll ich das auch anstellen, daß ich zu ihm komme?“ frug Jakobli. „He, das ist e liechti Sach, sagte Sami, gang is Wirthshus oder i d'Pinte,es wird wohl neuis der Gattig dert sy, u gib eme Bueb e Halbbatze oder e Chrüzer, er söll dem Meitli,du weißt ja i wellem Hus es wohnt, gah säge, es wart ihm e Vetter u wett Neuis mit ihm rede. U we n'es de chunt, su mach nit lang Federlesis u verwörgs .im Hals, fahr grad use mit d'r Sach, su weißt, wora du bist; aber mach, daß de alleini mit ihm bist u d'r Niemere dri mögget (Geschrei der Zigen). U wenn es de so werweiset, wie's öppe d'r Bruch ist,su setz nit lugg, bis es füre ist mit dir Red. Es ist da nit lang B'sinnes. U wenn es de ja seit, su gang mit ihm zu syne Lüte; die werde Hansli Jowäger wohl chenne u öppe nüt d'rwider ha. U de, was sie säge möge, gang de grad mit ihm's ga agäh; wed scho nit ko mast a alle Orte, wes ume afe verchündet ist, das ist s' Fundament. Da cha me de die Zyberliblodere lah gumpe, wie e Elephant uf eme Seili, es macht de nüt meh.“ „Chasts ächt mache?“ frug Hansli, und zeigte ein anderes Bläterli, in welchem wieder ein artiges Schübeli Neuthaler waren. „O b'hütis, Aetti, ih ha ume z'viel,“ sagte Jakobli. „He nimm se, sagte Hansli, wed se nit bruchst, su sy si es anger Mal ono gut.“

Es war ein kühler Herbstmorgen, als Jakobli auf den Weg sich machte. Tief in die Bäͤume hinein hing der Nebel, tropfte fast wie Regen von den Blättern,und naß wurden die Haare der Wanderer. Der Schlagtaube schweren Flug hörte man klatschen durch den Nebel, wenn ein vorwitziger Weidbube sie störte auf dem Acker, wo sie vergessene Körner zusammen las.Der Rauch einiger Weidfeuerchen zeichnete im Nebel sich aus, und saumselige Erdäpfelgraber sah man zeilenweise zu Felde ziehen gegen die Schätze, welche die Erde noch verborgen hielt in fruchtbarem Schooße,und hin und wieder knallte ein Schuß in der Ferne aus dem Kriege her, den noch bis dato der Mensch mit dem Thiere führt. Auf und nieder ging der Nebel;bald sah man über den Boden viele hundert Schritte weit, bald zehn Schritte vor einem ein Stüdi nicht,das sich die Strümpfe band, die es heute zum ersten Mal wieder an, aber während dem Laufe des Sommers das Binden wieder verlernt hatte, so daß es schwer ging damit. Auf deeses Alles achtete aber Jakobli nicht. Die Schlagtauben konnten um ihn herum flattern so dicht sie wollten, er sah sie nicht. Gar jeltsam ging es in ihm zu; es war, als werde etwas,als bilde sich aus Flüchtigem, Zerstreutem etwas Festes; es ging fast, als wie es nach den Gelehrten zugehen soll, wenn Kometen sich bilden, nur nicht ganz so, sondern mit dem Unterschied, daß an dem, was sich bildete, man keinen langen Schweif sah, sondern etwas, das fast aussah, wie ein Mannsgesicht, in welchem der Bart keimt. Fast zwanzig Jahre war er da abgesessen, wo man ihm gezeigt hatte, daß er absitzen solle, und war da gestanden, wohin ihn die Mutter gestellt, und war gegangen, wohin sie ihn geheißen/ sogar auf den Zyberlihoger, obgleich ihm das Herz dabei blutete. Jetzt war es das erste Mal,daß er eiwas erzwängt hatte, er wußte eigentlich nicht wie, und etwas ausführte, das in seinem eigenen Kopf entsprungen war und mit eigenen Kräften, aber mit erschrocknuem Herzen. Ein Weib wollte er sich holen;das klang ihm so ernst und feierlich, als läute man zusammen in seinem Herzen, als sei feine Seele eine Orgel, und hohe Klänge führen darüber hin. Wenn er blos an sein liebes Meyeli dachte, so war's, als ginge die Sonne auf, und alle Vögelein säängen, und älle Blümlein nickten und als schwömme er im Himmelreich, und schüchtern schloß er die Augen und zagend hob er dazu seine Fuße. Dann dachte er wieder: „ein Weib holst du dir!“ und anders ward es ihm, Sonne,Vögelein, Blumen schwanden; es war ihm, wie es dem Beter wird, der sich dem Throne des Höchsten naht, aber nicht zitternd und bebend, sondern feierlich und ernst, aber auch muthig und wagend. Wer ein Weib holt, soll ein Mann sein, das dachte er nicht;aber der Mann sproßte in ihm, freilich nicht zum Riesen, aber er sproßte doch. Er fühlte, Kind könne er nicht mehr bleiben; er fühlte, was er jetzt machen wolle, das müsse er nicht kindisch thun, sondern ihm eine Gattig geben. Er fühlte sich auf seinem Wege zur Jungfrau mit der Frage: „Willst du mein sein?ich will dein Mann sein.“ Das hat etwas Großes und Erhebendes, so frei und frank gehen zu können mit dieser Frage am hellen Tage, und sonder Vetter und Tanten. Man denke sich den Jakobli dazu, der nie seinen eigenen Gang gegangen, und jetzt der erste den er geht zu eigenem, selbst gewahltem Zwecke, ist gleich des Lebens wichtigster Gang. Schon schritt er männlicher daher und der Nebel rauschte hoch auf weit über die Wipfel der Bäume. Da kam in die aufgegangene Herrlichkeit plötzlich das Bangen; zugleich trieb ein kühler Wind die Nebel wieder über den Boden.Hatte es vielleicht nicht schon einen Schatz? ein so schönes Meitschi, sollte das nicht schon einen haben? es schien ihm nicht anders möglich. Vielleicht kein Reicher, mit dem Gelde wird mancher abgeherdet; aber sollte er das Meyeli mit Geld erzwingen? Er wußte, was es heißt,Jemand ungern nehmen. Man weiß vielleicht nicht warum; aber es zieht sich unwillkürlich die Brust zusammen; der Athem wird schwer; das Blut stockt;kalt läuft es einem den Rücken auf; es schüttelt einem;es preßt einem die Worte aus: „Ih mah nit, ih mah i Gotts Name nit!“ Es treibt einem den Schlaf vom Bette, den Hunger aus dem Leibe, den Muth aus der Seele, und je näher der verhängnißvolle Tag kömmt,desto tiefer im Boden scheint man zu gehen, alle Tage tiefer; das Grab scheint empor zu wachsen, dem Herzen zu.

Das hatte er erfahren; das Leid hätte er Meyeli um keinen Erdenpreis anthun mögen. Und was hülf es ihm, wenn es neben ihm weinte und jammerte;das thäte ihm ja um so weher, je lieber das Meitschi ihm sei. Und wenn es ihn nicht lieben könnte so von Herzensgrund, so wollte er es viel lieber nicht;denn das thäte ihm erst recht weh, und er konnte sich gar nicht trösten, wenn er Meyeli alle Tage häite, aber es liebte ihn nicht, haßte ihn vielleicht noch. Weher konnte ihm ja nichts thun, als in den Himmel schauen können und doch ferne von ihm bleiben müssen. Das wolle er nicht, dachte er; und wenn er merken könnte, daß es einen hätte, und es fehlte ihm an Geld für den Einzug, oder wenn der Bursche der Gemeinde schuld wäre, er wollte geben, was er bei sich hätte, damit sein Meyeli glücklich würde, und daß es sehen könnte, wie lieb er es hätte. Wie diese Gedanken durch seine Seele flogen, trat er recht männlich auf und schien fry gewachsen; die Nebel hoben sich wieder, rissen auseinander;blau ward der Himmel und grau lagen vor ihm im gelblichten Laube Raxigens nach dem Boden strebende Strohdächer.

Da klopfte ihm doch wieder sein Herz und er kleinete wieder fast um einen halben Kopf. Er wußte,wo das Wirthshaus war; aber es duechte ihn, er möchte das Meitschi nicht so b'schicken; es sei die Frage,ob es käme, und vielleicht könnten sie nirgends ein vertrautes Wort mit einander reden, daß es nicht alle Leute hörten. Zu dessen Haus zu gehen schente er sich.Wenn das Meitschi ihn nicht wollte, und er so ʒ'leerem wieder fort müßte, so müßte er sich ja schämen,es hätt key Gattig; lieber wollte er es doch apparti vom Meitschi hören, daß es Niemand merkte. Da könnte er ja wieder gehen unbemerkt; und wenn er schon die Augen voll bekäme, und z'lauter Wasser weinen müßte, so würde es doch Niemand sehen und Niemand könnte ihn auslachen. Es dünkte ihn, wenn der liebe Gott es recht gut mit ihm meinte und ihn auch ein wenig lieb hätte, so ließ er ihn dem Mädchen begegnen, gerade hier auf dem Felde, wo fast keine Leute waren, da die meisten Pflanzeten aller Art auf der andern Seite des Dorfes lagen, oder er ließ ihn ihns finden dort hinter jenem Hag, wo noch verborgener ein trautes Wort zu reden wäre. Der Gedanke setzte sich recht fest in ihm; es dünkte ihn, Gott könne fast nicht anders, er müsse das Meitschi ihm in den Weg führen, wie er einst die Rebeka an den Brunnen geführt, wo Eliser wartete. Rundum sah er, woher das Meitschi komme; er galaffete sich fast den Nacken krumm; es duůnkte ihn, es müßte aus irgend einem Einschlag hinter ihm drein kommen. Da plötschte er mit etwas Hartem zusammen; ein heller Schrei gellte ihm in die Ohren; er fuhr zusammen, daß auch er bald geschrien hätte, und als er den Schaden um sah,stand vor ihm das Meitschi mit den gelben Züpfen;einen Korb hatte er ihm beim Zusammenplötschen vom Kopfe gestoßen; weit umher lagen die Rübli zerstreut.Er hatte sich nicht geachtet im Galaffen, wie der Fußweg durch den Hag in einen kleinen Einschlag sich bog;von der andern Seite kam just Meyeli, welches Rübli gegraben; gerade in der Beugung begegneten sie sich,ünd da er nicht Acht gab, so stieß er ihm den Korb vom Kopfe. Ganz roth hatte der Schreck das Meitschi übergossen, und schon hatte es den Mund offen zum Aufbegehren, da erkannte es Jakobli und ward rööther noch als vorher. „Bist du's, der da um die Ecke kömmt, wie ne Schutz? biß Gottiwilche, u wo wotsch us?“ Und Freude leuchtete aus Meyelis Augen unverstellt, als wie wenn es einen großen unerwarteten Fund gethan. Jakobli war abermals sehr verblüft;was er so innig gewünscht, das hatte Gott vor ihn gestellt, und setzt fand er lange keine Antwort, sondern reckte blos die Hand dar zum Willkomm. „Ih ha gar e wüsti, sagte Meyeli, ih muß se zerst abwuůsche; aber säg m'r, wo wotsch us?“ Jakobli hatte unterdessen die Sprache wieder gefunden und als rr die Hand faßte, behielt er sie und bekam großen Muth.„Nit wyt wott ih, ume bis zu dir?“ „Oeppe wegem Dokter, wo d'Base dokteret het? Nei, zu dem gang nit; denk, dä het geng a d'r Base dokteret, und angerist und angerist se abgeführt, ih glaub emel es Dotze Mal, u het geng g'seit, es besseri, es besseri, u d'Base hets geng glaubt u g'seit, es ziehy ab, aber si werd neue gar schwach d'rby, bis sie n'ihs ungsinnet unger de Haänge v'rschiede ist. Es ist grad hüt acht Tag, daß mör se v'orgrabe hey.“ „Nein, sagte Jakobli, wege dyne chumme n'ih.“ „Wege myne?“ frug das Meitschi in seiner raschen Lebendigkeit. „D'r werdet e Jumpfere mangle; aber ih cha wäger nit cho,we n'ih scho gern wett. D'r Vetter ist jetz elleini, u het Niemere, dä d'Hushaltig macht u öppe zu de Chinge luegt, u da darf ih nit vo n'ihm. Si hey mi zu neh gno, wo ih Niemere g'ha ha, un wenn ih scho nit geng gut g'ha ha, su wär's doch schlecht, we n'ih jetz furt ging, wo si mi am übelste mangle.“ „E Jumpfere hey m'r, sagte Jakobli, u die blyt emel einist; aber ih mangelte e Frau, u ha di welle cho frage, ob du se sy wettisch?“ „Dy Frau?“ fragte Meyeli lachend; „e warum das nit, gar gern! wenn wey m'r z'Hochzyt ga agäh?“ „Hüt no, sagte Jakobli mit feuchten Augen und bewegter Stimme, hüt no, wenn's d'r recht ist. Da ward es Meyeli bang ums Herz; es wußte nicht warum; es zog seine Hand weg und sagte: „Ih muß hey, es wird Zyt z'Mittag z'choche, u was wird d'r Vetter säge, we n'ih my Zyi mit d'r Narre trybe v'rbruchti? Adie wohl.“ „Meyeli,es ist m'r Erst, sagte Jakobli, u n'ih trybe nit dur Narre; ih möcht di g'fragt ha, ob de mi wettisch zum Ma, und ob ih d'r nit z'wüste bi?“ „Z'wüste? nei wäger nit; es het m'r no nit grad eine bas g'falle,weder du, und ja fryli, ih wett di scho näh, sagte das Meitschi, aber es ist d'r nit Ernst; was wettist du afa mit eme sellige arme Meitschi, wie ih bi?“„He ih mangle ke Rychthum, sagte Jakobli; m'r hey üst Sach öppe, daß m'rs chönne mache, we n'ih scho nüt erwybe. U du bist m'r im Sinn g'sy vom erste Mal a, wo di g'seh ha, un expreß chumme n'ih di cho frage, ob de mi liebe chönnist u mi mögist, wed nit öppe e Angere hest?“ „Nei, vo selbem schwyg m'r, sagte Meyeli, es het mi no kene bigehrt, un ih hätt kene möge.“ „U mi?“ fragte Jakobli. „Di vo Herze gern, b'hütis ja,“ sagte Meyeln mit unverstellter Freudigkeit; „a so öppis hätt ih doch nie dörfe sinne;aber was werde dyner Lüt säge?“ „Die sy si gfriede,u wüsse, wohin ih bi,“ sagte Jakobli. „Aber ih wirde doch z'arm sy; u we si scho nit d'rwider sy, so werde si mi doch v'rachte u nüt schätze.“ „Häb nit Chummer, sagte Jakobli; uf e Rychthum hey si nit z'luege, u hey mängist g'feit, druf chöms nit a, m'r heyge oppe, daß m'rs mache chönne, u die wo nache chöme öppe o.“ „Nei, aber was wird d'r Vetter säge, wenn er's v'irnimmt? dä wird lose. U het m'r (schmächtig) d'rfür u z'bös u z'bleichs; u jetz ha nih eine, u no e sellige.“ Und wenig fehlte es, es hätte einen Freudensprung gethan und zu jauchzen angefangen. Rasch las es seine Rüͤbli auf; Jakobli half ihm und fragte ihns, es werde ihm also recht sein, heute noch mit ihm das Hochzeit anzugeben; wenn es wolle,so komme er gleich mit ihm zum Vetter. Da begann bei dem armen Mädchen das Bangen. Gewohnt sich zu geben, wie es war, war der Strahl der Freude unverholen hervorgebrochen; und welches Mädchen,das keinen andern, sondern gerade den Jakobli im Sinn hatte, aber ohne alle Hoffnung, und das arm und bedraängt war, hätte nicht Freude empfunden, wenn er gekommen waäre mit der Frage: „Wotsch mi?“Nun kam aber auch heraufgezogen, was in jedem unverdorbenen Mädchenherzen ist, das Bangen und das Schämen wunderbar verwoben mit dem sich meinen (stolz sein), das Aufschieben und Hinhalten, das Angsthaben mitten in der Freude, die seltsame Wehmuth mitten in der Fröhlichkeit, und alles um so bunter durch einander, je natürlicher sein Herz war. „Was sinnest auch, sagte es, heute noch! Herr Jemer! selb ist ja nit můgli, denk o!“

Jakobli hatte sein Glück gehört, aber noch nicht ganz empfunden; denn man muß nicht vergessen, daß bei langsamen Naturen nicht blos das Begreifen schwer geht, sondern auch das Empfinden. Der empfangene Eindruck verbreitet sich langsam, und langsam entwickelt sich aus dem sich nur nach und nach erhellenden Bewußtsein das Leid oder die Freude. Lange muß man das Ding ansehen, ehe man es so recht faßt, was das Ding an sich ist, und was es für Einen insbesondere ist. Jakobli kannte auch die Mädchenherzen nicht, wußte nicht wie da Weinen und Lachen, Wehren und Wollen,Meinen und Schämen, Bangen und Sehnen, alles bei einander ist, wie in einem Druckli, und alles durch einander, wie in einer welschen Suppe GBettlersuppe).Es ward ihm daher Angst, als die Dinge alle zum Vorschein kamen, Meyeli sei reuig geworden und möchte die Sache wieder verdrehen, und weil man ihm so oft gesagt hatte, er sei so ne Leyde u so ne Wüste, so war er mißtrauisch und glaubte, er gefalle Niemanden.Das kam ihm jetzt wieder, als Meyeli bangte und sich schämte und Stündigung wollte. „Wirst di reuig?“sagte er traurig, „ih weiß wohl, daß ih e Leyde une Wüste bi, u mi Niemere liebe cha; säg m'rs doch recht grad use, u häb mi nit für e Narr; we du reuig bist, so säg's doch recht.“ „Aber meinst, sagte Meyeli,ih syg sövli es schlechts, u bigehri öppere fuüͤr e Narre ʒxha ĩ sellige Sache, u chonnt da d'rglyche thue, es syg m'r eine aständig, wes nit ist? Nei wäger, es sövli es schlechts bi n'ih nit, u wed m'r selligs traue witt, su bist am Lätze; es ist grad noch die rechte Zyt.“„Zürn doch recht nut, sagte Jakobli; bös g'meint ist's nit; aber ih ha nie chönne glaube, daß mi Eis liebi;es het m'r geng Alles g'seit, wie ih e Wüste ude Leyde syg, u wo'd da hest afa di g'ha, ha n'ih g'meint,du heygist ume z'Gspott mit m'r g'ha.“ „Nei wäͤger nit, sagte Meyeli, du hest m'r grad vo Afang g'falie,ih weiß nit warum; aber wo n'ih di g'seh ha z'erstwal,het's mi grad duecht, es gab m'r Neuer e Streich,u doch het es m'r nit weh tha; es ist m'r so wunderlig Wohl und Angst nebe angere g'sy, ih ha nit gwüßt warum. Aber zletsch heis mi“ grusam duret,wod nüt zu m'r g'seit hest, u da so nebe m'r g'stange bist, wie we's der nicht recht wär, und de's ungern hättist, daß ih nebe d'r ryti. Das het mi geng düret,u we n'ih dra däicht ha, ha n'ih mi zAugewassers fast nit chönne erwehre. DꝛBase selig het mängist g'fraget, was mit nor syg, aber ih ha selber nit gwüßt,was ih säge sött. Du bist du no a aäim Sunde by m'r vrby g'fahre u hest mi nit grüßt, u nüt d'rglyche tha, daß de mi g'sehhist; selb het mi duret, ih cha's fast nit säge wie. Ih ha doch nüt gwüßt, das ih dir zLeid tha hätt; ih ha daäicht, es syg der Hochmuth.Und wo n'ih us em Plätz use cho bi ungsinnet, ech ha daher g'seh ryte, hets m'r e Chlupf is Herz gäh,ih cha nit säge wie; es het mi duecht, er chönnt nit größer sy, we Vater und Mutter us em Grab füre chäme u du kes Wörtli zu m'r z'säge! selb ist m'r grüslig g'sy, u fast ha n'ihs nit chönne verwerche. Wo di du da i de Rüttene atroffe ha, da ha di vo wytem kennt, ha aber lang nit gwüßt, ob ih mi chünte will oder nit; bald bi n'ih g'schwing gange, bald süferli;bald hets mi duecht, es fehl d'r Neuis; du bist alliwyl stillgstange; bald het's mi duecht, gang doch däMuffi, ih säge d'rs, wie ih's g'sinnet ha, wo er well,es syg m'r doch graglych. U doch ha n'ih d'r müsse nah cho, ih ha möge welle oder nit. U wo de du so fründlig gege m'r g'sy bist, u m'r no gar hest welle Wy zahle, da ist's m'r g'sy, ih cha nit säge wie,aber es het mi duecht, we n'ih elley wär, ih möcht über all Häg us, syge sti so höch, wie si wette. U wo n'ih du vo d'r gange bi, hets m'r fast z'Herz welle yrschrysse; ih ha nit g'wüßt, g'seh n'ih di no einist oder nüt meh. Es het mi mängist duecht, es schryß mi öpper a de Züpfe zruck, u n'ih sött d'r no Neuis fäge; u wo n'ih du us em Dorf use g'sy bi, ha n'ih müsse plaäre, ih ha nit gwüßt warum, u ha fast nit chönne höre, es ist geng ufs Früsche wieder cho, we n'ih scho glaubt ha, es syg jetz g'stellt. Lue, ih säge d'r das alles ufrichtig, wie's ist, du g'sehst de, ob di füre Narre möcht häa; aber häb du mi o nit d'rfür,oder wird reuig!“ sagte Meyeli. „Nei wäger nit,sagte Jakobli; aber säg m'r doch, wie chunts, daß ih dir g'falle, u sust Niemere; was het d'r g'falle am'r?“Es ist m'r g'sy, as we me m'rs awurf, oder as we n'ih i ne böse Luft cho oder i öppis trappet wär,“setzte es mit wunderlieblichem Mineli hinzu. „Hest gwüßt, wem m'r sy?“ fragte Jakobli. „Nei, sagte Meyeli, erst du, wo de am Sunde düre g'fahre bist gege Kriegstette u dur d'Mistgülle, u d'Lüt du so grusam glachet hey, ha wihs v'rno.“ „Hest du ihs de g'seh?“fragte Jakobli; „wo bist du de g'sy? ih ha di nut chönne g'seh.“ „Ih bi i d'r Kuchi g'sy,“ sagte Meyeli,und wurde roth; es füürchtete, Jakobli möchte fragen, ob es gedacht hätte, sie kämen den gleichen Weg surie und ihretwegen in den Bohnenplätz gegangen ei

Um abzulenken frug es, ob Jakobli nach ihm gesehen,und gar herzinnigliche Freude hatte es an dem Bekenntniß, daß eben dieses nach ihm Sehen schuld gewesen sei an der Fahrt durch die Mistgüllen. Natürlich waren unter diesen Mittheilungen die Rübli längst aufgelesen worden, aber sie merkten es nicht, und Jakobli erzäͤhlte eifrig, was es in Kriegstetten gegeben,wie er da eine habe heirathen sollen, welche er abselut nicht hätte mögen, wie aber die Mutter dran gesetzt, und wie er eben vom Zyberlihoger gekommen,als sie in den Rüttenen zusammen gekommen, und wie da begann Mittag zu läuten im Dorfe, und den fleißigen Weibern ward verkündet, daß sie sich zu sputen hätten, wenn sie den Männern was Warmes z'weg haben wollten zu rechter Zeit. „Herr Jemer,Herr Jemer! scho eilfi! e b'hüt mi Goit, was wird d'r Vetter säge! wie werde d'King brülle! rief Meyeli;hilf m'r uf, g'schwing, g'schwing!“ „Soll ih grad mit?“ fragte Jakobli. „Bi Lyb“u Sterbe mit, es gange all Lüt jetz hey, ih müßt mi z'todt schäme;wart e wenig da hinterm Hag, u de chast is Wirthshus; u i nere Stung oder zweue chumm de, wes d'r de no Ernst ist.“ Und dahin zog Meyeli wie wenn es d'r Bysluft trüge; aber ehe es am andern Ende des Einschlags durch den Hag schlupfte, nahm es sich doch Zeit zum Umsehen, od Jakobli noch da sei oder vielleicht davon gelaufen. Der aber stand noch da und sann Allem nach, wie es so wunderbar gegangen, wie er gedacht, wenn Gott ihn lieb hätte, so fände er das Mädchen, und wie es fast in felbem Augenblick vor ihm gestanden, und zwar da, wo es nicht schicklicher haätte sein können, in einem kleinen Einschlag, ringsum mit Hag eingefaßt, fast wie hinter einem Umhang,wo sie ungesehen und ungestört mit einander reden konnten, bis ste wußten, sie hatten einander verstanden,und Nichts wäre mehr zwischen ihnen, aber jedes im Herzen des andern. Dem sann er lange nach, und es freute ihn, wußte er doch, daß er nicht bloß dem Meyeli, sondern auch Gott lieb war, und schöpfte er daraus das Vertrauen, daß Alles noch einen guten Austrag nehmen werde.

Wie dem Jakobli ein Meitschi vom Wirthshaus ins Pfarrhaus hilft.Langsam, er wußte selbst nicht wie, trappte Jakobli dem Wirthshaus zu, und es ist kurios, je langsamer oft die Beine gehn, desto rascher laufen die Gedanken.Dieß Verhältniß ist in mehr als einer Sache, z. B.je schneller einem die Worte kommen, desto mehr stammelt die Zunge; je spärlicher die Ideen kommen, desto rascher geht die Feder, und je weniger es liebt, desto mehr küßt manches Weib. Es geht halt kurios zu in der Welt.

Im Wirthshaus war Niemand; die Hudeln verdienen am Samstag für den Sonntag und die blauen Tage; die fleißigen Leute schaffen für einen arbeitsfreien Sonntag. Die Wirthstochter war alleine in der Gaststube und lismete. Es war aber nicht die, welche, als sie endlich einen Strumpf ausgelismet hatte und ihn aufrollte, das Börtlein oben abgefaulet fand. Sie hatte nämlich zwei und ein halb Jahre daran gelismet,in der Zeit ihn nie aufgelösst, er mochte im Wein gelegen sein oder in andern Dingen. Freundlich war sie,brachte den verlangten Schoppen, und zwar nicht 37ger Erlacher mit Picarden verblümt als zehnbatzigen, son 336 dern recht guten und puren Lacoten, und fragte manirlich: „Bigehrst no nenis meh?“ „Oeppis z'esse,“ sagte Jakobli. „Wottsch bifehle, oder wottsch was m'r hey?“fragte das Meitschi; man wußte nicht, wars Ernst oder Spott, so daß es Jakobli fast lächerete als er antwortete: „was d' öppe hest; aber viel bigehre ih nit.“ „Häb nit Kummer,“ sagte das Meitschi, und lüpfte die Füße als es hinausschoß; es wußte nicht von dem schmachtenden Schlärplen vieler zarten Gaststubenseelen. Jakobli stund unterdessen am Fenster und guckte in die leeren Storchennester hinauf, und an die grauen Strohdächer, von denen die einen Naturfarbe lrugen, die andern aber stattliche Perücken von grünbraunem Moos, und er dachte viel darüber nach, wie es doch in der Welt gehe, daß sogar die Strohdächer es bis zur Hoffarth trieben und Perücken trügen, und zwar so schöne grüne, als ob sie erst jetzt ans Blühen und Schönwerden dächten. Während er so gründlich philosophirte über die Eitelkeit der Welt, hatte hinter ihm das Meitschi aufgetragen, und sagte eben: „Du chast cho;“ da sah er sein Meyeli vorüber gehn, einen Blick nach den Fenstern thun, roth werden, und dann davon gehen wie auf Rädlene. Da stach ihn etwas,er hatte es noch nie gefühlt; er wußte nicht was es war; aber er mußte fragen, er mochte wollen oder nicht: „Chast du mir sägen, wem äys Meitschi ist?“Wenn man ein Mädchen frägt, was dort für ein Mädchen gehe, kriegen alle geläufige Beine; manchmal ist aber die Antwort desto langsamer. Rasch war das Meitschi am Fenster. „Meinst das mit de wyße Zupfe?“frug es. „Ja, sagte Jakobli, wo dert ume Egge geyt.“„Das ist Jungfraäuli dert i äym Hus; es ist der Götti,u es sott d'r Gottswille by nihm sy, aber es het bös gnue d'rfür. Alle Tag muß es g'höre, er heyg's d'r Gottswille gno; git ihm ke Lohn, u Kleidleni, daß er zen Dorf macht, u gäb wie nes springt, su macht es doch no nie gnue.“ „Es wird niene angers hi wüsse,“sagte Jakobli, und wußte selbst nicht was er sagte. 337 Es kam ihm vor als sei er eine Orgelpfeife und als blase Jemand die Worte aus ihm heraus. „Das fung Plätz gnue,“ sagte das Meitschi eifrig. „Ih bi mit ihm zum Herre (in die Unterweisung, KonfirmandenUnterricht) gange, u mir hätte's gern as Stubemeitli g'ha;es ist es gleytigs u doch es manirligs. Aber es het nit welle cho, gäb was me nihm g'seit het. Si zürnte es a nihm, hets g'seit, u es syg doch-geng d'r Götti.We me nihm scho g'seit het, es syg e Narr, su hets g'lachet u g'seit, es well lieber mi säg es syg e Narr,as mi säg, es syg e wüste Hung; selb bigehrs nüt.Es ist de gar so nes lächerligs d'rby, u doch notti es guts. Es ist ihs allesame werth g'st, währet m'r z'Ungerwysig gange sy, wos de o wieder dere gäh het, wo me gern v'rlochet hät, vo eyr Ostere zur angere.“

„Wo wottsch?“ so frug das Mädchen als Jakobli hinter dem Tische saß. Da fühlte Jakobli wieder seine Backen heiß werden. „Ho, niene hi,“ hatte er auf der Zunge; aber er sagte es doch nicht; er fühlte wohl,daß diese Antwort ihm bei einem solchen Meitschi nur zu einer tüchtigen Auslacheten verhülfe; er hätte einen Batzen gegeben, er hätte nicht gefragt, und doch hatte er die Antwort grusam gern gehört und sie nicht um einen Neuthaler gegeben. Aber er fühlte, daß alles ein Küstchen (Beigeschmack) kriegt, was nicht in ganz lauterer Pfanne gekocht wird. „Dert ih äys Hüs,“sagte er endlich, und zeigte auf die etwas entlegene First, wo Meyelis Götti wohnte. „So, was hast du dort zu thun? zu wem wottsch? wottsch ihms grad ga ume säge, was ih g'seit ha, wie er e Götti syg?“ So sagte das Maädchen, und trat mit resoluten Augen, die Arme auf den Hüften vor ihn, als ob es einen Hosenlupf mit ihm wagen wollte.

Da fühlte Jakobli, daß er die Wahrheit sagen müsse,z'v'rheimen sei da nichts. Zudem sei es ja eine gute Freundin, und wer weiß zudem auch nicht, daß wenn das Eis einmal gebrochen ist, Verliebte gerne von den Geliebten schwatzen, gerne Jemand ins Vertrauen ziehen,um von Zeit zu Zeit das Herz leeren zu können, das

22 338 ja sonst zerspringen müßte. Zudem ist der Mensch,wie keck er scheint, ein unsicher Wesen; was er sich erwirbt, theuer oder wohlfeil, das hört er gerne rühmen; erst dieser Ruhm macht ihn sicher, daß er gut gekauft, keinen Fehlgriff gethan. Es gibt wenige Menschen, denen man durch nachhaltiges Ausführen von mehreren Seiten eine Sache nicht erleiden kann, daß sie noch die Kappe nachwerfen, wenn sie ihr loskommen können um jeglichen Preis. Es gibt wenige Menschen, die man nicht am Ende kann glauben machen,sie seien in keinen Schuh gut, fie seien dumm, ja sie seien verrückt. Freilich kostet dieses längeres Nachhalten und größere Mühe. Einen Menschen glauben zu machen, er sei die Weisheit selbst, das ist leicht gemacht;ja man kann einen Stock zur Ueberzeugung bringen,und zwar noch geschwind genug, er sei kein Stock,fondern das Fundament, auf, das Gott die Welt abgestellt. Kurz, der Mensch hat sehr selten ein selbststandiges Urtheil, weder über sich selbst noch über die Kühe, die er auf dem Markte kauft; er hört daher beides gerne rüͤhmen, so wie ein Bursche das Meitschi gerne rühmen hört, mit dem ers probiren will.

„Häb nit Kummer, sagte Jakobli endlich; eigetlich Meitschis d'wege wott ih hi; m'r möchte hüt no gah FHochzyt agäh, u da muß ih ga luege, was d'r Götti d'rzu seyt.“

„Wie meinst?“ fragte das Meitschi, und trat mit eingestützten Armen noch näher. Jakobli wiederholte ganz treuherzig die frühere Rede. „Oeppis dumms e so! Gah Hochzyt agäh, sagte das Meitschi; wed de e Narr ha witt su bis ne selber. Ga z'Hochzyt agäh,u het no nie kene yche g'lah. We de das geyt, gah ꝓHochzyt agäh, su weiß ih de o öppis d'rvo.“ Wird nit höhn; wäger, sagte Jakobli, ih gibe d'r d'Wahrheit ah; aber säge häts d'r nut chönne; erst vor e halb Stung hey m'r z'Sach richtig g'macht, dert i de VYschläge uße.“ „Nei, jetz ist mir nüt meh zi'helfe,sagte das Meitschi, nun ist doch de o keim meh ʒtraue;nei, jetz säg me m'r nut meh! Das het chönne thue wie wenns syr Lebelang mit kem Mannevolch nüt wett,u Niemere chennti; erst no am vorige Sunde het es so g'häßelet gege d'r junge Bursch, u lat acht Tag druf v'rkünte. Daß das si so vorstelle chönt u sövli e Kalfakter wär, hät ih nit glaubt; jetz ha nih myr Lebtig nuůt meh uf ihm.“

„Nit, sagte Jakobli, verred dich nicht; es vermag sich dessen nichts, und hatte dir nichts sagen können,und erzählte ihm nun wie alles zu und her gegangen sei, Punktum von Anfang bis ans Ende.

Das Mädchen schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte, von einer solchen Geschichte hätte es sein Lebtag nicht gehört; das sei ja ärger als man läs in den Büchern. „Also du bist z'Jowägers Bub,wo sie ufem Zyberlihoger so ne Freud und es Glarm gha hey, u no meh Schulde g'macht hey uf ihn hi.Nu dene mah nihs gönne, daß es ne so geyt; das sy Meitli, wo si z'ganz Wybervolk muß schäme ihretwege.ufläth sys, un es ist d'Frag, ob du nit für enangere hättest zuche müsse. Das geschieht dene afe i d'Schuh yche recht. U z'Meyeli woitsch un es di, das dolders Täschli het m'r nie e Ton d'rglyche tha, daß es einist ume mit eme Bub g'redt heyg. Wart das ume, dem will ihs säge. Aber gönne mag ihg ihms, u bos ha wirds nit müsse, wird nit solle Hung sy. Undu hefi recht g'ha, hest nit ufs Geld g'luegt; es lustigeres u g)ranschirters Meitschi hät ih d'r nin g'wüßt; du bist e g'fellige Monsch g'sy, los, u soövli dumm, wie medi d'rfür hät, mußt nit sy; los, sust wärs d'r nit z'Sinn cho, di hinger das Meitschi zmache. Aber seh iß u gang, u chömit de hie dure, we d'r zum Pfarrer goht,gihörst? dem Täschii muß ih doch v no öͤppis säge.Der Alt wird welle wuüͤst thu; aber acht di synere nüt;er ist e wuste Ma. Da chönte es ihm zehn Jahre d'Finger vor abwerche, u z'letsch, wes e Stung krank würd, jagti ers ohne Lohn u ohni Kleider zum Hus us.Es ist aber no Narrs g'nue u läht si erschrecke, u wird meine, es müsse ihm folge, wenn er nit wotit. Aber gib nit lugg, stell z'Bode, u thu (wed chast) wie wenn 340 se Alli fresse wettisch; nache chast de scho wieder freyne sy.“

Das Mädchen hatte nicht Ruhe, nicht Rast, bis es ihn spedirt hatte, nahm keine Uerti ab, um ihn zu zwingen mit Meyeli herzukommen.

Schlecht war das Dach, worunter Meyeli wohnte;aber sauber war es ums Haus, vor dem ein grämlicher Mann Weidenzweige schälte, und so wie man zuweilen ein Licht oder den Schein des Lichts in einem Hause herumfahren sieht, bald hier zwitzert es auf, bald dort,und wenn man recht hinsehen will, so ist es verschwunden,so schien ihm Meyeli oder sein Wiederschein durchs Haus zu fahren, aber eigentlich zu Gesichte kriegte er es nicht.

„Bist flyßig?“ fragte Jakobli. „Es wär si nöthig,we geng ume alles v'rheyt ist,“ antwortete das Mannli.„Ih hett Neuis möge frage, wes erlaubt wär.“ „Das wird aber öppis sy! ist d'r öppe e Geis lahmi worde,oder d'Katz übelg'hörig u wottsch Stür?“ fragte das Mannli. „Selb nit,“ sagte Jakobli, und daß ihn der Mann dafür ansah, machte ihn taub, so daß er ganz herzhaft sein Anliegen vorbrachte.

So wie er anfing, hob das Männchen die Hand vor die Augen und grännete lange ihn an, und als Jakobli ausgeredet hatte, so sagte das Männchen, er solle sich auf der Stelle vom Hause wegpacken oder er nehme einen Stecken und jage ihn fort. Das sei ihm eine unerhörte Sache, und e uwverschantere Kerli hätte er nicht gesehen; er solle machen, daß er fortkomme,sonst wolle er ihn usufer dänne gäh. Er hätte e Jumpfere nöthig, aber sy Jumpfere ke Ma; er hätts g'hört u söll si packe.

Jakobli stand da als ob er das Oel verschüttet hätte, und wußte nicht was machen; aber das Mannli nahm einen alten Besen und sagte: „Wottsch oder wottsch nit!“ Da schoß Meyeli, das, Gott weiß wo,der ganzen Verhandlung zugesehen, zum Männchen hin und sagte: „Nit, nit Götti! rief es, das ist jsa dere Sohn, wo mi u d'r Fritzli hey la ryte, wo ner nimme het möge laufe vo Solethurn hey, u hüt e Morge ist er m'r nah cho, wo nih hey cho bi, u het mi g'fraget wie nihs heyg, ob ih ne nähmti oder nit, u du hani Pseit, er söll euch cho frage, es syg ung'schicht jetz.Un es sy brav Lüt, wie me seyt.“ „U syg er wem er well, su soll er m'r furt; es ist key Manier, eim d'Jungfraue am heiter helle Tag cho z'v'rsume; füͤr was git menne z'Fresse u d'r Lohn, u gang m'r jetz,hest g'hört u daß ih di nimme g'seh.“

„Aber Götti, sagte das Meitschi, er wott m'r nüt 5Leid thue; und wenn er mi z'Ehre führe will, so muß ih ja Gott danke, so nes arms Meitli wie nih o bi.“„Ja, we du für nüt bessers Gott z'danke weißt, weder für e sellige Schlingel, su nimmis mi nüt Wunger,daß d'sellig Gedanke hest; es duecht mi, du hättest danke gnue emel einist, daß de Lüt funge hest, die si dynere ag'no hey, daß d' nit uf G'mein müsse hest,u die sövli zu d'er g'luegt hey, u sövli a d'r tha hei,du undankbari Täsche du; wed das sinne wettist, du hättist no lang nit d'r Wyl a z'manne z'denke, e sellige Grieggel, wie du o bist.“

„Ih bi z'Dankes nüt ab Götti, u hät a mängem Ort chönne böser ha; daß ih nit feißer bi, cha nih nüt derfür, u g'werchet ha ni geng was mör müuglich g'st ist; u dBase ist gut gege mor gisi; ih bis nüt ab,u d'r lieb Gott wells fürgelte, was ih nit abv'rdienet ha. Aber es Täschli bi ni doch de nit, Götti; nahg'lüffe de pppe wie mängs, bi nih Niemere.“

Jetzt ward der Götti noch böser über solches Pochen. Es werde meinen, er wäre ihm noch heraus schuldig, und werde ihm wahrscheinlich noch d'Hochzeitkleider machen lassen sollen zTrinkgeld, sagte er.

Gäb wie Jakobli sagte, für das solle er sich nicht kümmern, und wenn Meyeli noch etwas schuldig sein sollte, so wolle er schaffen bis es gut sei: er schüttete nur Oel ins Feuer, und mußte vom Hause weg,wenn er nicht mit dem Alten ins Handgemeng kommen und einen öffentlichen Specktakel geben wollte. Schon stunden Weiber in den umliegenden Häusern vor den Küchenthüren, und über die Misthaufen sah man den Kopf von manchem Köbi.

Als Jakobli alleine und traurig im Wirthshause erschien und erzählte wie es ihm ergangen, da sagte das Meitschi: „Daä donstigs Uflath; das ist seine Geistlichkeit! läuft in alle Versammlige, und rühmt alle Leute, wie er d'r Gottswille es arms King uf u a gno heyg. Und das Kind ist eine Jumpfere, erspart ihm eine Haushältere, er braucht ihm keinen Lohn zu geben, und kann dazu e gute Ma schiene, und wer weiß was dä alt Bock noch im Sinn hat. Gerade sellig keine Viertelstund gehen, so soll dein Meitschi da sein;dä alt Gränni soll de nadisch nit meine, daß er öppis zwänge und ame ne arme King vor sym Glück sy chont,obschon ich ihm den himmlischen Lohn für sellig Streiche wohl gönne möcht.“

Es ging allerdings keine Viertelstunde, so war Meyeli da, aber weinend und muthlos. Während der Alte vor dem Hause Wydli schälte, um das Erdapfelkorbli zu plätzen, dem vor Alter und Schwachheit der Boden ausgegangen war, und meinte, er hüte so das Haus so gut als weiland der Höllenhund Cerberus die Unterwelt, weinte Meyeli hinter dem Hause, sah aber doch wie seine Freundin winkte und deütete. Anfangs schüttelte es wohl den Kopf, es wolle nicht kommen; aber es kam doch; denn welches Mädchen, das in solchem Jammer sitzet, würde dem Winken der besten Freundin wiederstehen, sei es um ihr zu jammern, sei es um zu vernehmen was hinter dem Winken steckt. Uebrigeüs kann so ein alter Höllenhund, und wäre es selbst der ehemalige mit seinen drei Köpfen, lange vor einem Hause sitzen und es hüten, zwei Mädchen erhütet er nicht, am allerwenigsten wenn er sie taub gemacht.Doch kostete es um die Wahrheit zu sagen, noch einige Mühe, ehe Meyeli im Wirihshause war. Es sagte, wenns so gemeint sei, so wolie es lieber von allem nichts mehr; es wolle sich nicht versündigen;sterben wolle es (es ist kurios, wie Mädchen unter gewissen Umständen gleich sterben wollen); der Alte könne es dann seinethalben verantworten. Aber die Freundin sagte, von sterben sei einstweilen keine Rede; aber hier könne es nicht mit ihm reden, und gleich solle es kommen, ehe der Alte seine Schnupfnase um die Ecke strecke. Und so kam es zögerend, stand hinter jedem Baume, jedem Hause still, und sagte: „Sag es mir hier was du zu sagen hast; hier sieht uns der Alte nicht, und weiter darf ich nicht.“ Aber wenn eine Freundin einen Schatz und, eine Schätzin z'säme bringen will, so hilft keys Säge nüt, und wenn solche Freundinnen nicht wären, nicht die Halbe wüßten sich zu helfen, kämen ohne ihren Rath nie zusammen.

Jakobli und Meyeli waren da; das letztere weinte,und der erstere war trübselig und starch am Sinnen,was zu machen sei, aber es kam ihm nichts in Sinn,und Meyeli sagte eben: „Adie wohl u zuürn nüt; du g'sehst wie es m'r geyht; ih Gotts Name, ih lebe oppe nit meh lang,“ und dazu schluchzte es, daß man meinte, z'Herz well obsti. Und als es eben am herzbrechendsten zuging, kam das Wirthshausmeitschi mit einer Halbi, schenkte ein und sich auch, und sagte:„Chbmit, machit G'sundheit; ja ih weit o pläre; es ist st wohl d'r werth; du bist ja da, u z'Sach ist g'wunne.“ „Ih mah nit trinke, sagte Meyeli, ih muß gah. Adie wohl! u, u!“ „Was wottsch! ja ih wett d'r; chum nimm u los u lah das Plär sy.“ Meyeli nahm das Glas aber schnüpfte immer zu. „Seh, trinkit, sagte das Meitschi, und geht dann e nandere nah zum Pfarrer u gäht z'Hochzyt a, wenns denn einmal angegeben ist, so wirds de wohl ha; däa alt Chieri (Kopfhänger) wird de wohl müsse schwyge u st z'Sach lah g'falle.“

„Warum nit gar! sagte Meyeli, nei, das thu ih nit; v'rsünge woit mi niß; u was würde d'Lüt säge,u was d'or Pfarrer?“ „Was ist das für nes v'rsünge,wed da ufrichtig u ehrlich nimmst wo di will u wo d'r gy'fallt? oder hest öppe em Alte v'rsproche, du wellist kene, oder du wellist ihn?“ „Gang m'r mit selligem, 344 sagte Meyeli; lieber sterbe; aber d'Lüt werde säge u d'r Pfarrer, we me amene arme Ching si erbarm, su lahys eim im Stich, we mes am nöthigiste hätti.„Das ist mir es schöns Erbarme g'si! si hey di as Kingemeitschi brucht, u ame ne angere hätte sie müsse d'r Lohn gäh, u dir hey si kene gäh; du bist nee große Nutze g'si, u das hey d'Lüt wohl g'seh; u wenn si wey sinne, su werde sie säge, du heygist gar recht g'ha. U d'r Pfarrer weiß wohl wie's ist; er het mäugist Erbarme mit d'r g'ha, wenn de di fast hest müsse F'todt springe, für nit geng hingernache z'cho, und de längs Stück fast nit Schuh u Strümpf g'ha hest, n hest müsse daher cho, daß de fast nit vor d'Lüt hest dörfe. Das alles het er g'seh; du bist ja z'einzige g'st,wo n'r nie balget het, we nes hingernache cho ist. U göht mor jetz; d'r Pfarrer wird just jetz öppe vom Esse sy.“ „Aber wie wett i? sagte Meyeli, lue wie nih daher chumme; u hey, mi ga angers alegge darf ih nit.“ „Dem ist gleich abgeholfen, sagte das Meitschi,wenns nur das ist, was mangelt. E Scheube u nes Mänteli (Vorhemd) chönt nüt schade, u de darfst vor wem d'witt.“ Gäb was Meyeli sagte, das andere schoß davon, kam mit den Gegenständen, zog Meyeli ins Schenkstübchen, lachend sagend zu Jakobli: Du bruchst nit z'wüsse, für was me das brucht.“ Nach wenig Augenblicken zog es Meyeli wieder hervor, und das schien mit dem Wenigen aufgeputzt, und in einem Staate, daß manche Andere, wenn sie Gold und Silber angehängt hätte z'Pfündernweis, und an ihrem Balg gestriegelt und gewaschen, geseift und gefegt hätteu einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang, nur ein Südeltrögli oder ein Suüdeltrog geschienen hätte.„Jetzt göht m'r, sagte es, ehe oppe no dor Alt chunt un es Specktakel git.“

Ih darf nit, ih darf nit,“ sagte Meyeli. „Das wãr m'r afe, sagte das Meitschi; du mußt zu dir luege,es luegt sust Niemere zu der. U wohl du darfst; ih chumme mit d'r hingerdüre, u gah nit vo d'r, bis ih g'seh, daß de unger d'r Thüre bist. Du geyst ume da 348 d'r recht Weg, u wartist am Gatter bis m'r nache sy,sagte es zu Jakobli; u we d'r Alt d'r eb'chunt, u di a sucht, su triff e ume mit em Stecke bis er schwygt;es wär ihm scho lang gut g'si, es hät dem öpper d'r Marsch recht g'macht; wott geng besser sy als anger Lüt, un ist, we mes säge darft, viellicht d'r schlechtist Ma im Dorf.

Wäahrend diesen Reden hatte es beide zur Thüre ausgemustert, jedes seinen Weg, und geleitete Meyeli,das wegen den Leuten nicht Specktakel machen durfte,bis zur Ecke der Pfarrscheuer, von wo sie Jakobli bereits am Gatter stehen sahen. Dort gab es Meyeli,das zagend stand, einen tüchtigen Mupf über die Gasse.Jakobli that den Gatter auf, schritt auf die Hausthüre zu, Meyeli aus Furcht vor Specktakel nach. Das Meitschi wartete in der Ecke, bis geklopft war und beide in der Thüre verschwanden und nicht wieder kamen. Hätte es eine Stockung gegeben, oder Jakobli nicht klopfen dürfen, es hätte es selbst gethan, und wäre mit ihnen, wenn es hätte sein müssen, bis vor den Pfarrer. Das war eine von den Naturen, die nie etwas halb thun, sondern was sie angefangen durchführen bis ans Ende, und wenig darnach fragen, was sagen die Leute, und ists bräuchlich oder nicht. Was ihnen als Recht fällt in ihr kräftiges Gemüth, das wird alsobald lebendig und mit Macht zur That. Diese weiblichen Naturen sind selten, selbst im freien Schweizerlande, und sonderbar, je weiter die politischen Zügel sind, desto ängstlicher sind die konventionellen Bande,desto fester der Gehorsam an das, was der Bruch ist;aber auch umgekehrt ists. Das ist halt so eine Art Gleichgewicht, das Wenige achten, das aber geordnet sein wird. Aber merkwürdig ist zu beachten, wie eine Regierung sittlich schlaffer wird, je ängstlicher sie wird in politischer Beziehung. Doch was geht die Politik solche Meitschi an, die kräftig durchführen, was recht sie dünkt; die sind gewiß nicht sittlich schlaff, und wenns zehnmal der Brauch würde; die sind mit Ohrfeigen zu rechter Zeit noch zur Hand, und nehmens Blatt nicht 346 vors Maul, wo die Wahrheit vertreten sein soll. Sie sind aber auch nicht dick diese Mädchen im Bernerland;da hat auch der Brauch sein allzu großes Recht, und was der Brauch ist, sei es christlich oder unchristlich, recht oder lätz, das regelt ihren Lebenslauf. Diefe Brauchreligion, die namentlich von Müttern und Tanten gepflanzt wird, die tödtet das Rechtsgefühl, pflanzt ein falsches Gewissen auf, und dieses Gewissen ist der niederträchtigste Feigling, den es auf Gottes Erdboden gibt. Es wäare eine Merkwüͤrdigkeit, wenn Jemand eine Musterkarte solcher Feiglingsarten verfertigen würde.

Centnerschwer waren Meyeli seine Beine als es die Treppe aufging, und der Athem ging ihm aus als es oben war; die ganze Mädchenbangigkeit drängte sich da fast in einen Augenblick zusammen, und wenn alle Wetter im ganzen Sommer in eines sich vereinigen würden, oder aller Schnee eines Winters auf einmal herabwollte, es würde einem auch Angst werden, meine ich. Als der Pfarrer, ohne näher von der Arbeit aufzusehen, fragte: „Was wär eh lieb?“ und Jakobli antwortete: „m'r wey cho z'Hochzyt agäh,“ fing es gar jämmerlich an zu weinen. Da sah der Pfarrer, als er diese beim Hochzeitangeben so seitene Töne (die meisten möchten Hosianng singen, wenn es eben der Brauch wäre) hörte, erst genauer hin, sah einen unbekannten blatterdüpfelten, halbblinden Burschen und Meyeli, das ihm als Unterweisungskind allerdings fehr lieb gewesen und als ein heiteres fröhliches Kind bekännt war. Als es nun so weinte, wo andere, wenigstens heimlich, voll Jubels sind, da meinte er eiwas Verdächtiges zu wittern, glaubte, Meyeli habe die Heirath nicht gerne,seiznur gezwungen da, vielleicht auf eine Art venauft,daß nämlich Jemand dem Alten Geld versprochen, wenn das Meitschi ihn nehme, wie Fälle nicht felten sind.Wenn nun ein Rechtsgelehrter ein Reglement über das Benehmen eines Pfarrers zu verfertigen hätte, fso würde es wahrscheinlich darin heißen: „Wenn zwei erscheinen,ihre Verklündigung zu begehren, fo hat er lediglich nach ihren Namen und den Fesetzlichen Scheinen zu fragen,anderer Fragen aber bei schwerer Ahnung sich zu enthalten.“ Nun ist man glücklicher Weise mit der Gefetzgebung noch nicht so ins Spezielle gerathen, sondern noch viel weiter oben b'stoche; es frug daher der Pfarrer: „E bist du's Meyeli? was hest du? was brieggist so?“ Meyeli schluchzte und schnüpfte, daß es ihns fast von dem Boden hob, und wenn es schon reden wollte,es konnte nicht. „Los Bürschli, gang e wenig da übere,“sagte der Pfarrer, und öffnete Jakobli ein Nebenzimmer; „ih möcht es Wort mit dem Meitschi rede.“

„Säg los, chum sitz, sagte der Pfarrer, und boricht mr, was brieggist. Bist unglücklich worde oder zwängt?“ „Kees vo bede, Herr Pfarrer,“ schluchzte endlich Meyeli; „aber es duret mi gar; d'r Götti thut gar wüst, und er weiß nit, daß ih da bi, u wenn ers vernimmt, so thut ers nit, u ih ha niene ke Triftig (Ruhe) meh. Un ih ha nit welle, aber z'Wirths Röfeli hets zwängt, u g'seit, ih heyg mi d'm Götti nüt 'achte, u müß fur mi luege.“ „So, sagte der Pfarrer, het dä Rifel (keckes, unbesonnenes Ding) d'Finger drinn? Ih ha öppis ganz anders glaubt. Nimmst ne gern?“ „Ja, ja, Herr Pfarrer,“ schnüpfte Meyeli,aber man verstund es fast nicht. „Aber warum will d'r Götte nit? es wird wohl o sy Grund ha; und wer ist d'r Bursch? gib v'rnünftig B'richt; ih ha o keis Wörtli d'rvo g'hört, daß de öppis unter Händs heygist.“

Da gab Meyeli ordentlich Bericht, der immer vollständiger ward bis ans Ende; einen kleinen Sprung im Einschlag ausgenommen, und über den Vetter, berichtete es nicht pragmatisch, d. h. ohne allen innern Zusammenhang, sondern bloß, wie er nicht wolle und wüst thue, und wie ihm das grusam Kummer mache,und es nicht gekommen, wenn Wirths Röseli nicht gewesen wäre.

„Aber sag mir Meyeli, sagte der Pfarrer, hangist a dem Bursch?“ „Er ist m'r lieb, sagte Meyeli, er ist so ne stille, u luegt eim so fründlig a; mänge, wenn er hundert Äuge hät, er chönts nit e so. Z'erst bi ni höhns über ihn g'st, ih ha nit g'wüßt warum. Es sy hundert Bursche nit fründliger g'si, es het m'r nüt gmacht; ih ha denkt, es syg ey Möff wie d'r anger.geda Bursch ist rych?“ fragte der Pfarrer. „Mi seyts, si syge wohl z'weg, u allem aà muß es sy.“„ZGeld wird d'r gfalle, u d'r Vetter wird öppe wüsse,daß es wüst Lüt sy?“ „Selb nit, sagte Meyeli, allem B'richt a syn es still altväterisch Lüt, die mit Niemere viel hey.“ „Aber Geld hey,“ ergänzte der Herr. „Mi seyts, sagte Meyeli, aber deretwege hange ih nit a nihm. Nit, daß es m'r ganz graglych ist. O Herr Pfarrer, we me syr Lebtig ke Krüzer Geld g'ha het,oder mi heyg ne bettlet, u nie het chönne lah z'Schuh plätze, oder mi heyg drü Mal müsse pläre, u nüt vor ihm g'seh het als böse Wort u bös ha, u we me chrank werde sött, kes Eggeli u ke Mönsch uf em ganzen Erdbode, dä st eim a nimmt u dem me a g'hört, su duecht es eim mengist, we me doch öppis hät, e Mönsch,es Eggeli, es Brosmeli Geld, es wär eim so wohl,so wohl, ih chas nit säge, u mi wett syr Lebtig z'friede sy, mög cho was wett, u wett nie meh chlage, möge d'Lüt o sy wie sie wette.“

„O Meyeli, sagte der Pfarrer, weißt nit, daß geng die Bürde einem drückt, welche man auf den Achseln hat, und kann man die auch abwerfen, so kömmt eine andere; einer Bürde wird man nicht los so lange wir im Leibe wallen, und gar oft gabte man fein haibes Leben darum, wenn man die neue Bürde abwerfen könnte und die Alte wieder nehmen. Du hast vorhin gesagt, es seien stille altväterische Leute; passest du auch zu ihnen, du jung und lüftig Ding? Freilich hast du ein gutes Herz, aber es frägt sich, ob das Meister wird; bist demüthig und gehorsam gewesen bis jetzt,aber wird das bleiben wenn du reich wirst? ist ja doch keine Scheere, die schärfer schirrt als wenn aus einem Bettler ein Bauer wird. Wenn die alten Leute dir wunderlich vorkommen in ihren alten Sitten dein Mann langweilig in seiner stillen Gutmüthigkeit, wird 349 da deine Luftigi nicht das gute Herz überwinden, und nicht das gute Herz die Lüftigi? Dann wirst du hässig und bös, oder leichtsinnig und hoffärtig, und jedenfalls wirds dir vorkommen, wenn du noch das arme ledige Meitschi wärest, vielleicht hättest du es noch weit besfer machen konnen, oder mit einem lüftigen Burschen hättest du doch viel mehr Freude gehabt, und was helfe das Geld, wenn man damit nicht machen könnte was einem gelüstet, es dem Geiger oder für Kleider geben koönnte, je nachdem es einem ankäme?“ Als Meyeli von Neuem zu weinen anfing, theils weil es aus der unabsichtlich strenger gewordenen Stimme des Pfarrers schloß, derselbe werde ihnen nicht helfen, theils weil es beschwerten Gemüthern nur ganz wenig braucht, um von neuem unter Wasser zu gehen, so lenkte der Pfarrer tröstend ein dadurch, daß er Jakobll wieder die Thüre öffnete. „Also das Hochzeit angeben wollt ihr?“fuhr er fort, „und beiden ists Ernst, wie ich höre. Nun es freut mich; das Meitschi ist mir lieb, und halts in Ehren, so bekömmst eine gute Frau. Rechne ihm aber nie nach, daß es arm sei, sonst rechnet es dir andere Sachen vor, und wenn einst das Rechnen anfängt,so meint jedes, es kame zu kurz, und Liebe ist keine mehr da, die ausgleicht. Mit Gott soll der Mensch nicht rechnen.Daß man unter einander nicht rechnen soll, das scheint man gar nicht zu wissen, und thut es um so mehr; und wie das Rechnen mit Gott einen um die Seligkeit bringt,so bringt das Rechnen mit den Menschen einen um den Frieden; und wenn der Mann mit dem Weibe rechnet,und das Weib mit dem Manne, so lockt das den Teufel herbei, und er wird Rechenmeister, bis er beide mit Leib und Seele sich in seine Klauen gerechnet hat.Sieh Bürschli, das Mädchen bringt dir auch Reichthum zu, nicht Geld; aber eben das ist die Thorheit der Welt, daß sie nur das Geld für einen Schatz hält,und die andern großen Reichthümer, die Gott deun Menschen gegeben hat, für nichts, fuüͤr lauter G'hüder Kehricht) ansteht, das gar nicht zu achten ist. Das Mädchen bringt dir Liebe, heitern Sinn, guten Muth und Arbeitsamkeit; zu diesem reichen Weibergut trage Sorge und verhause ihm das nicht; mache daß das die Kinder erben, und daß es dem ganzen Hause zu Nutz und Frommen gereicht. Wenn du aber damit nicht ordentlich umgehst, die Gemeinde wird dich deßwegen nicht bevogten, deinen Kindern kann sie es nicht versichern lassen, weder ganz noch halb; aber gedenke, daß du einst Gott davon Rechnung thun mußt. Es kömmt Mancher auf der Welt unbevogtet davon, aber vor Gott wird er als ein ungetreuer Haushalter büßen müssen, und seinen Kindern geht es viel übler als wenn ihr Vater keinen Kreuzer hinterlassen hätte. Die Menschen werden sagen, Meyeli sei doch glücklich gewesen, unerhört, so redet man immer, wenn ein armer Mensch zu einem reichen Gatten kömmt; es geht mir dabei allemal ein Stich ins Herz, denn im Gelde liegt eben das Glück nicht, und eben weil die Menschen das meinen, so werden so viele unglücklich, und so viele haschen nach Glück, finden es nicht, und gebehrden sich als ob sie mit verbundenen Augen eine Nadel suchten auf dem großen Weltenacker. Es freut mich von Herzen, wenn Meyeli glücklich wird; es ist mir lieb;aber es wird es nicht, weil du reich bist, sondern erst dann, wenn du mit rechter Treue das Weibergut, das es dir zubringt, wahrest und hütest, und alle Tage es an Tag legst, daß es dich freut, und daß du es zu schätzen weißt.

„Es ist also euch beiden Ernst, ich soll euch einschreiben und morgen verkünden? Du wirst deine Papiere bei dir haben?“ Nun fand es sich, daß Jakobli an das nicht gedacht, und von allem nichts hatto Der Pfarrer mußte lachen, und sagte, das gehe alles her bei ihnen wie bei rechten Liebesleuten, die an nichts irdisches dächten und meinten, sie seien noch im Paradies; indessen, wenn sie das Rechte bedacht hätten, so seien die weltlichen Erfordernisse noch alle nachzuholen und nichts versäumt. Nachdem er das Seine beschafft und die nöthigen Anweisungen gegeben, fragte Meyeli,das sich unterdessen erholt hatte: „aber und der Veiter, 331 wenn der nicht will, so wird alles nüt sy?“ Und das Wasser trat ihm von Neuem in die Augen. „Vor dem Vetter fürchte dich nicht, sagte der Pfarrer; rechtliche Gewalt hat er keine über dich, und muß der Sache ihren Fortgang lassen. Es thut mir herzlich leid um seine Kinder wenn du fortkömmst; und es wird immer Leute geben, welche finden werden, du habest es ihm wüst gemacht. Aber der Vetter hat nie etwas für dich gethan, sondern dich nur zu seinem Nutzen gehabt, und den ersten Augenblick, wo er seinen Nutzen dabei gesehen, hätte er dich aus seinem Hause gestoßen. Ich würde es freilich nicht billigen, wenn du jetzt um bessern Lohn dich als Magd in ein ander Haus iocken ließest;Platze gibt es für rechte Menschen immer; aber jetzt,wo es sich um eine Ehe handelt, in die du mit Eüre und Freude trittst, ist es ein anderes; das kann sch vor Gott und Menschen verantworten. Rechtschaffene Eltern werden mit Freuden ihre Kinder in überdachte Ehen treten sehen, wie schwer ihnen auch deren Entbehren wird; ist ja doch die Ehe des Menschen höchster irdischer Stand. Nur eigennützige, selbstsuüͤchtige Eltern lassen sich durch Rücksichten auf sich zum Verweigern bestimmen; sie tragen aber meist schwere Buße. Geht aber der Vetter in sich, und thut wieder wie es sich ziemt, wie er wohl wird, deun er ist ein Duckmäuser und weiß sich sehr scheinbar in das zu schicken, wo er nicht wehren kann, so thue auch Einfehen, und bleibe bei ihm, bis er Jemand anständiges gefunden hat, der ihm die Haushaltung macht. Im Uebrigen fürchte dich nicht, und will dir Jemand Angst machen,so weißt du wo ich bin.“

Als das nun niedergeschrieben, fertig war, der Pfarrer mit einem frommen Wunsch sie entlassen hatte,da war es ihnen, als käme ihnen erst der freie Athem wieder, als tauchten fie aus der Meerestiefe, und sähen den Himmel wieder, und hätten festen sichern Boden unter ihren Füßen, und viel hundert Ceniner leichter gingen ste die Treppe ab und dem Gatter zu.Als sie jenseits in der Ecke Rösli stehen sahen, lächerete es beide, und heitern Gesichtes hörten sie sein Schelten, daß sie so lange gemacht, und wie es derweilen mit dem Göͤtti Händel gehabt.

Als derselbe nämlich bei seinem Wydlischaben das Meitschi lange nicht merkte, fiel ihm doch endlich ein,das Ding könnte nicht richtig sein. Als er es vergeblich gesucht hatte hintern Haus und vor dem Haus,da kam ihm in Sinn, wenn man einem Mädchen seinen Liebhaber wegjagt, so müsse man nicht ruhig Wydli schaben als ob nichts geschehen wäre. Zwei Aeste,wenn man sie aus einander gebogen, streben wieder zusammen, sobald die trennenden Hände weg sind, geschweige zwei Menschen. Er machte sich auf die Beine,das Pärchen zu suchen, guckte hinter alle Baume, hinter jeden Wedelenhaufen. Rödsli hatte das erwartet,dem Spiel lange mit lachendem Herzen zugesehen, und stund ihm endlich expreß z'weg vors Haus. „Suchst Neuis?“ frug es. „Du wirst mir wohl sagen können,wo mein Jungfräuli ist!“ antwortete er spitz. „Warum nicht, sagte es. Sie haben hier eine Halbe getrunken und sind jetzt beim Pfarrer und geben das Hochzeit an.“ „Das wird öppe nit sy; sboli nütnutz wird das Möri öppe nit sy,“ antwortete er. Da sagte ihm Rösli, wer schlechter sei, er oder das Meyeli. Er sei ein sauberer Götti an ihm, und die Leute hätten sich schon lange über seine Geistlichkeit verwundert, die das arme Meitli halb nackt laufen lasse. Wenn er dürfe,so solle er nur zum Pfarrer gehen; dort finde er sie,und könne gleich sagen was er zu sagen habe. Aber er dürfe nicht; er wisse wohl, der Pfarrer kenne ihn,und der noch nicht so gut als andere Leute. Das Mädchen solle er nicht plagen, wenn es heim komme.„Sepli, ih weiß de no öppis, u has Niemere g'seit;aber wed am Meyeli es bös Wort gist, su müsses Kilcher u d'Maritlüt wüsse.“ „He Rösli, sagte darauf Sepli, ich meine es ja nicht bos; häb nüt für ungut,u we Meyeli da duüre chunt, su säg ihm doch, es soll pressire, es sött neue hi.“ Den hätte es g'schweiget,sagte es fröhlich, und wäre fast vor ihnen her Jesprungen mit Tanzen und Singen, wie der König David vor dem Volke Israel her. Sie mußten mit ihm nach Hause,gäb wie Meyeli, dem das Herz wieder schwer geworden war, sagte, es müsse prefsiren. Rösli rief das ganze Haus zusammen, erzählte jubelnd seine Heldenthat, und wie es einmal dem alten Chieri den Marsch gemacht. Hier müßten sie Hochzeit halten, und ein Niedersinget müsse sein wie lang nie; Meyeii hätle es hier so lange bos haben müssen, und die Leute hatten es so armmüthig gesehen, es müsse drum hier auch einen Ehrentag haben. Wenn nur dä Gytnaäpper (Geizhals) ihm Kleider machen lasse, daß es sich öppe zeigen dürfe. Dafür wolle er sorgen, sagte Jakobli,und zog fein Blätterli hervor, und wollte Meyeli ein Hämpfeli geräͤndelte, die damals noch Mode waren,geben. Sas machte aber die Spröde und sagte, es könnte noch von ihm etwas z'weg machen und etwas von der Mutter selig, das thäte es wohl; sovli i d'Chöste bringe wolle es ihn nicht. Das seien Schneckentänze,sagte Rösli; wenn Jakobli eine hübsche Frau wolle,so müsse er ihr hübsche Kleider anschaffen; die liefen nicht davon, und einmal müüsse es sie haben, wenn es eine Bäurin vorstellen solle. „Von Kopf bis zu den Füßen mußt du neu sein, sagte Rösli, anders thue ichs nicht. Von deinen Sonntagsschuhen hat ja einer vornen ein Loch und der andere kein Hinterstück, und deine beste Kappe hat nur auf der einen Seite Spitzen,und der Plätz ist als wenn man ihn von einem alten Dragonermantel genommen hätte, u de was zwisch inn ist, von dem ist gar nicht zu reden, ich wollte alles a ne Hampfele näh.“ „Weißt du was, sagte Jakobli,nimm du hier das Geld, und laß ihm machen was aständig und recht ist; und wenns mehr koftet, su sorg nit, es soll mi nit reue.“ „Du hest no V'rstang, sagte Roösli, es ist meh mit d'r, as ih glaubt ha. Seh,wie viel hest? Potz, fast 410 Kronen. Nu für das laht si dppis mäche, u nih will d'er gut Rechnig gäh,häb nit Chummer, u z'Meitschi soll d'r g'falle, no nie e so. Aber eys, d'Gellerketieli, die mußt du selber 23 348 kaufe; Meyeli het ume vo Krälli, u die schicke si nüt für e Hochzytere. Aber bring rechti, nit öppe die vo dyr Mutter, wo ke Fasson hey u grauet sy im Gänterli; es ist si wohl dir werth; we me es guldigs Meitschi uüͤberchunt, su soll eim z'Silber nüt reue, we mes het nämlig; Meyhyeli schlug die Hände ob dem Kopf zusammen ob diesen Instruktionen, und auch der Wirthin fing es an zu scheinen, ihr Meitschi mache es wohl stark. „Du bist geng z'Uverschantisch, u nes chönt ihm doch de nit recht sy, oder syne Lüte nit.“ „Mutter, g'redt ist göredt, sagte Rösli; er hets so welle u jetz blybts d'rby. Wenn ih nit g'st wär, st hätte lang chönne sürme (halb weinen, halb seufzen), aber zum Pfarrer wären sie nie cho; drum will ih jetz o öppis d'rzu säge u my Freud ha. Oder bist du reuig?“

Jakobli war es nicht, sondern sehr dankbar; er selbst hätte sich nicht darauf verstanden, und seine Mutter kaum etwas damit zu thun haben wollen. Aber jetzt mußte er fort, wenn er noch zum Pfarrer von Gutmüthigen wollte. Das Scheiden war schwer; erst jetzt haäätten sie gerne mit einander geredet. Als sie einander die Hände gaben, rief Rösli: „es Muntschi!o es Müntschi! o das wär m'r afe, z'Hochzyt agäh unne angere no kes Müuntschi gäh!“

Da fiel Meyeli in der ganzen Innigkeit seines Herzens Jakobli um den Hals, und Jakobli wars als läge der Himmel an seinem Herzen, und weit auf dem Wege war er schon, er meinte noch immer seinen Himmel in den Armen zu halten; er irrte sich; bald stieß er an einen Baum, bald an einen Wandelnden.Aber das Gefühl glühte fort im Herzen, und in maäͤchtigen klaren Wogen sprudelte dort eine Quelle Wonne und Freude empor, von denen er keine Ahnung gehabt.

Der Verfasser macht Betrachtungen;Zyberlihogerbauern möchten 3Dorf,und Anne Bäbi thut wüst.Man spottet zuweilen über das Dummthun von Liebenden, lacht über ihr stääͤtes Beisammensein, ihren Zug zu einander, das Vergessen der Menschen, welche um sie sind. Man thut sehr Unrecht daran; denn nur wo das Herz ganz flach getreten, tieferer Empfindung unfähig geworden ist, da fehlt dieser Zug; nur da,wo man dem menschlichen Urtheil sich ganz unterworfen, den Brauch zu seinem Gott gemächt, und den Anstand zu seiner Religion, da verbirgt man ihn, da wird er nicht sichtbar. Aber in allen liebefähigen Herzen regt es sich, und allenthalben, wo die Empfindungen nicht unter dem Anstand begraben sind, wie unter dem schönen weißen, aber kalten ünd einförmigen Schnee blühende Gärten, Wiesen und nährende Äecker, da wird es sichtbar. Sage man mir doch, was ist, ich will nicht sagen menschlicher, nein, ich will sagen süßer,ja göttlicher als das Bewußtsein, einen Schatz gefunden zu haben, ihn sein nennen, ihn behalten zu dürfen sein Leben lang, ja übers Grab hinaus. Und dieser Schatz ist nicht gelbes Gold, ist nicht ein todter Diamantenschmuck, nein, es ist eine lebendige Seele, gestaltet uach Gottes Ebenbilde; ein lebendiger Schatz ist es, ein unendliches herrliches Gebiet, in welchem gewaltig und Welten tragend die gewaltigen Ströme der Liebe und Treue fluthen, wo in himmlischen Gärten die Blumen stehn, die Demuth und Bescheidenheit,Heiterkeit und Fröhlichkeit wir nennen, wo in üppigen reichen Gefilden die Kräfte sprossen, welche das Leben ordnen, die Welt gestalten, der Sinn für Ordnung,die Thätigkeit, die nie ermattet, die Besonnenheit,welche das Rechte immer weiß, die Ergebung, welche schaffet, nie entmuthigt, ausharret in der Pflicht, wenn auch immer das Gedeihen fehlt, wo in heiligem Haine die Winde von oben rauschen, in seinem innersten Heiligthum ein klarer See sich birgt, in dem das Bild des himmlischen Vaters sich spiegelt. Wer, dem solcher Schatz geworden ist, sollte sich nicht gezogen fühlen zu ihm hin für und für? Mensch, wenn du zu einem Schatze gelben Goldes kömmst, und hast keines je gehabt, sehnlichst es gewünscht: wie oft des Tages zieht er dich hin zu dem Schubfache, worin es liegt? du öffnest es dir sast unbewußt, lässest das Gold durch deine Finger gleiten wieder und immer wieder, und zählst es immer neu, und weißt doch, daß Niemand davon genommen hat, und du bist doch kein Geizhals, kein Geldwurm,sondern daneben ein recht vernünftiger christlicher Mensch.Und wenn man dieses mit dem Gelde thut, wie vielmehr sollte dieses Hingezogenwerden zum höchsten irdischen Schatz, zu einer gefundenen menschlichen Seele,nicht erlaubt sein? Einen Schatz nenne ich sie nicht umsonst. Ein Wort, das gemein geworden, über das man die vornehme Nase rümpft, und das doch so wahr und tief bezeichnend und allumfassend ist, möchte ich wieder zu Ehren bringen das Wort Schatz. Ja,es ist gemein geworden, und man nennt es einen HandwerksburschenAusdruck, und manches Dämchen würde gewaltige Augen machen, wenn ihr mon cher ihr Schatz sagen würde statt ma chere.

Aber ich möchte doch fragen, klingt es nicht bedeutsam mächtig, ja gewaltig wie mit Orgelton, fast wie die Stimme Gottes im Gewitter, wenn ein Mann,auf eine Jungfrau oder sein Weib deutend, spricht:„das ist mein Schatz!“ Und wenn er den Arm um ihren Leib ihr legt, und aus Herzensgrund ihr sagt:„du bist my Schatz!“ bebt das Worf ihr nicht durch alle Glieder? wallt die Liebe ihr nicht üͤber? klingt wohl einst Gottes Ruf ins ewige Leben viel süßer?My Schatz! in welchem Worte wohl kann höhere Anerkennung liegen, eine tiefere Bedeutsamkeit, eine mächrigere Kraft, die zu allem Herrlichen spornt? Wo soll des Mannes Schätz anders sein als eben in des Weibes Seele, und wer anders des Weibes Schatz als der Mann? Und wo der Schatz anderswo ist, da ist auch das Herz anderswo, da ist das Glück dahin und der Friede. Wo aber noch eines des andern Schatz ist, da fehlt der Ehe das Glück nicht, dem Leben das Genügen nicht, der Liebe das Ziel nicht, der Treue die Krone nicht. Arm ist nur, wer keinen Schatz mehr hat; ach es gibt so viele Arme in der Welt. Man glaube aber ja nicht, dieser Zug sei nur in jungen Herzen, und nur Mädchen könnten Schätze sein, nur junge Weiber; ist eben das nicht die Probe, ob ein Schatz ein ächter und wirklicher, oder nur ein vorübergehender, eine Täuschung sei, daß er einem aue Tage lieber wird, und je älter um so inniger lieb?Habt ihr nie ein altes Mütterchen gesehen, wie das seinen alten Herrn liebt? Vom Morgen bis zum Abend füllt die Sorge für ihren Herrn ihr Leben.Beim Frühstück stellt sie ihm alles z'weg wie ers will,und den Kaffee wie er ihn liebt, und fast wie für ein Kind wird für ihn gedacht und gesorget, daß alles bei der Hand sei, er mit Suchen und Holen, ja nicht einmal mit Fordern oder Wollen eine Mühe habe. Und wenn er ausgeht, sieht sie ihm nach, und wenn er eine Minute länger ausbleibt, so hat sie Angst und keine Rast, und sieht sie ihn endlich von Ferne, so klopft ihr das Herz, und hört sie ihn unten, so thut sie die Thüre auf, damit es heiter sei draußen im Gang,und drinnen wartet alles auf ihn, und mit muütterlicher Aengstlichkeit hängt sie an seinem Gesichte, ob es heiter sei, ob ihm alles gut dünke, und ißt er weniger, so hat sie Angst, es sei ihm nicht wohl, und ißt er mehr als sonst, so hat ste Angst, es könnte ihm schaden, und hat er einen Spaß, so klärt es ihr Gemüth eine ganze Woche lang auf, und entfälit ihm ein hartes Wort, so kann es sie plagen, sie weiß nicht wie, und ruhen thut sie nicht, bis auf irgend eine Weise dasselbe erklärt und zurückgenommen ist. Sie bittet ab und um Verzeihung, bis alles gut wieder ist.Kennt ihr solche Mütterchen nicht? und meint ihr nicht,ein solches Mütterchen sei ein Schatz, und zwar einer,den man mit gelbem Golde nicht kauft? und meint 338 ihr nicht, dem Mütterchen sei sein Herr sein Schatz,und zwar einer, den es unverändert liebt, von ganzer Seele und ganzem Gemüth und aus allen Kräften?Und wenn Gott dieses Mütterchen zu sich rufet, empfindet der Mann es nicht alle Tage inniger, daß der Herr ihm seinen Schatz genommen? daß sein Schatz bei Gott ist? ist er nicht im eigentlichen Sinne verwaist? Am rechten Orte steht ihm nun nichts mehr den ganzen Tag über, und wenn er heimkömmt, so öffnet ihm Mütterchen die Thüͤre nicht mehr; und wenn er zu Bette will, so ist alles anders gestellt oder gelegt, und Niemand hat das Hauptkissen ihm zurecht gerückt, und Niemand die Federn im Oberbett auf die rechte Seite gerüttelt. Und weiß er des Nachts sein Nastuch nicht, so sucht es ihm Niemand mehr; und wenn er hustet, so frägt ihn Niemand, ob er nicht schlafen könne; und wenn er aufstehen will, so hat Niemand zum Aufstehen die Kleider ihm geordnet; und wenn er klagen will, so tröstet ihn Mütterli nicht mehr;und wenn er seine verglimmende Kraft noch anstrengt zu seinen Arbeiten, so hat kein Mütterli Freud an seiner Arbeit, keins rühmt mehr, wie kräftig ihr Herr noch sei und ganz anders als andere. Alle Tage wird sein Sehnen nach seinem Schatz heißer und inniger,inniger als es vor fünfzig Jahren war, inniger als er es als Bräutigam empfand. Heimweh nach ihm schwillt sein Herz und macht es krank, er iegt zu Bette sich,legt auf die Seite sich, auf welcher sein Mütterchen gestorben, und wariet da sehnsuüͤchtig, bis der Herr es ihm verjüngt als Engel sendet, der die Erlösung ihm bringt aus des Leibes dunkel gewordener Hülle, der ihn mit neuen Banden umschlingt, die nie mehr sich lösen, die ein Einssein bringen in alle Ewigkeit. Und selten läͤßt Gott das getreue Herz lange vergeblich seines Schatzes harren; bald hoit Mütterchen ihren Herrn ab in des höchsten Herrn Freude, wo RNichts mehr,kein Schatz mehr verloren geht.

Ein solcher Zug, der, wenn er ein ächter ist, und einen ächten Schatz gefunden hat, dauert durch die Stürme des Lebens bis übers Grab hinaus, der den achtzigjährigen Greis noch weit mächtiger nach seinem Müütterchen im Himmel zieht, als den fünfundzwanzigjährigen Jüngling nach seiner blühenden Braut, ein solcher Zug, sollte der wohl zu verspotten sein? sollte er zu verbergen sein? sollte er nicht eine Kette sein,mit welcher Gott zwei Herzen verbinden und verbunden zum Himmel ziehen wiß?

Dieser wunderbare Zug erwachte bei Jakobli in seiner ganzen Macht, welche in dem Maße größer wird,je einsamer, wenn nicht ein Mensch, so doch ein Herz gewesen war.

Er war am Samstag spät und müde heim gekommen, hatte etwas Warms gefunden und hatte gesagt,die Sache sei richtig und an zweien Orten werde er morgen schon verkündet; aber Mehreres war ihm nicht abgefragt worden. Anne Bäbi hatte bloß gesagt, dara hälte es öppe nit zwyflet; dä Weg z'wybe syg öppe ke Kunst. Wes g'wüßt hät, daß es dä Weg gah muüß, su hätts kener Läuf u Gäng gäh; der Gattig waäre all Tag zum Hus cho. Hansli fragte nicht,weil er dachte, es sei Morgen auch noch ein Tag,und weil er schlafen konnte, er mochte etwas wissen oder nicht. Je minger er z'sinne heyg, u je minger ihm d'Lüt säge, desto bas schlafe er, sagte er oft.Mädi und Sami hielten sich natürlich in bescheidner Entfernung, so g'wunderig ste waren, und so viel sie gefragt hätten, jedes auf seine Art, in der Küche, im Stall, ums Haus herum; in der Stube thaten sie es nicht; das hätte sie Niemand gelernt; das war eine angenommene Sache, die, so wie vieles, sich von selbst verstund. Sami war im Stall daheim, Mädi in der Küche; in der Stube waren sie z'Visite, und in der Visite muß man höflich sein.

Als Jakobli am folgenden Morgen erwachte, da war es ihm gleich, o wenn er doch bei seinem Meyeli wär, aber viel nachzusinnen hatte er keine Zeit.

Es blieben natürlich alle Hausgenossen daheim, da er verkündet wurde, und er mußte Bericht geben über den gestrigen Tag.Anne Bäbi, froh, daß alles im Reinen war, ließ jetzt Kuppen und Mauggern erst recht hervor, und fözzelte das neue Sühniswyb aus. Mädi schwieg; es wollte es mit Jakobli nicht ganz verderben, und länger als zwei Tage konnte es mit Anne Bäbi nicht gleicher Wkobli an den Auftritt mit Seppli kam; da wurde doch sein kaltes Blut in Lauf gebracht.

„Hätisch ihm gäh, sagte er, hätisch! wes öppis kost hätt, ih hätts gern welle zahle, bim Schieß! My Bub ungerem Dach welle dänne z'gäh, wenn er ume es Bettlermeitli fragt, ja wolle! Hätisch ihm gäh, us Meitschi grad mitbrunge, dert hättisch's nit sölle lah;das wirds jetz z'entgelle ha, das hättisch sölle mache;das hätte d'r sölle z'Sinn cho. Aber z'hürathe git doch hüt zu Tag Umtriebe; ih hätts nit glaubt, we m'rs öpper anger g'seit hät. Aber drus cha me g'seh, daß d'Welt geng v'rhuüͤrscheter wird, u me e nangere je länger je minger v'rstah cha. Es geyt afe fast wie wo sie dä Thurm bauet hey, wo du e niedere witziger het welle sy als der anger, n si du hey afa weltsche,u kene meh d'r anger het chönne bigryffe. Wo nih ha welle wybe, ha ni g'fragt: Wottsch? u du hets g'seit:mira, u z'Sach ist richtig g'st, u de Alte ists recht g'si, u du hey st mit e nangere g'redt, was si thu welle, aber ih ha daycht, das gang mi nüt ah. U ietz git das es G'stämpf, es het afe ke Gattig, u z'letsch muß me doch no Chummer ha, es gang lätz. Gäh hättisch ihm solle u z'Meitschi mitbringe, de wär z'Sach recht.“ Besser gefiel ihm Rösli. „Das soött Hose a ha, sagte er; selb g'ftel mir; hättist das nit o übercho?“ frug er. „Ja, ebe so mähr d'r Tüfel, sagte Anne Bäbt, die wüstiste Ufläth g'falle der geng am baasten (daß Sami lachte, achtete Niemand). Wese selligt is Hus chäm, ih dräͤyti ihm d'r Gring um d'r erst Tag. Wes eini sy muß, no lieber e G'fozleti as e selligi Ung'schämti.

„Aber u jetzt, wie muß de das gah?“ frug Hansli,welchem der Chummer ums Meitschi sich tieter grub,

„wenn chunts?“ und als er vernahm, daß es drünten 361 bleiben solle bis zur Hochzeit, so frug er: „Und d'Kleider? dä Hung wird ihm öppe lah mache, daß Gott erbarmi.“ Mit klopfendem Herzen gab Jakobli Bericht über die Abrede; und sein Herz hatte Recht, daß es klopfete, denn Anne Bäbi begehrte gar jämmerlich auf,nicht sowohl uübers viele Geld, als daß Jemand anders die Sache mache. Das sehe es schon, wie es gehen solle; nuüt meh z'säge werde es sölle ha zu ker Sach.Daß es Listi nicht nur die Herrschaft abtreten, sondern auch den Löͤffel übergeben wollte, daran dachte es nicht mehr. Und was die Leute doch sagen werden, was er für eine Alte habe, daß sie nicht einmal mehr Hochzeitkleider kaufen könne, nit emal für es selligs Bettelmönsch. Das hätte es nicht um ihn verdient, und es wollte, es ware gestorben, ehe es ihn auf die Welt gesetzt, so hätte es sich dir Verdruß un ihm d'Süng erfpärt, sy Mutter sövli z'v'rachte.

„Du mußt wieder hin, sagte Hansli; das thut nit gut, und z'Meitschi bringe, u gage luege wies mit ihm geyt.“ „Das wär lustig, we däsjetz all Tag da abe laufe wett, o jere neil d'rby möcht ih o sy, jetz wo m'r no sövli z'thue hey,“ raäsonnirte Anne Bäbi. „He nu so geyt öpper anger,“ sagte Hansli, und schritt in den Stall hinaus, und dachte der Sache nach je länger je mehr. Anne Bäbi wurde je länger je böser, je näher die Zeit kam, wo es dachte, daß die Verkündigung vor sich gehe, und wie da die Leute z'G'ächter und z'G'spött haben würden, und namentlich mit ihm,daß es nicht nach seinem Gring gegangen. Jakobli einzig dachte nicht daran, wie es sonst auch bräuchlich ist bei einem Bräutigam, sondern all sein Sinnen und Trachten war zu Raxigen bei Meyeli. Mit Sinnen und Denken ward er nicht fertig, und wer ihm zugesehen,hätte sich üben können im Errathen der Gedanken,was noch dazu keine unkomode Kunst ist. Bald lächerete es ihn still, bald sann er tiefsinnig nach, bald machte er ein finster Gesicht, als wolle er sich selbst eine Ohrfeige geben, und bald hob er sich, als ob er einen Anlauf, einen langen langen Satz bis nach Raxigen nehmen wollte. In diesen Manövers ward er aber beständig gestört, bald durch einen Menschen, bald durch ein Huhn oder eine Taube. Darum schlich er sich, um ruhig zu sein, vom Hause weg, und legte sich hinter einen Hag ins Grüne. Die Kirchleute waren heimgezogen, und sonst waren die ein Zeichen, daß man essen konnte. Wenn aber Anne Bäbi taub war oder kuppete, so ließ es seine Leute eine Stunde oder zwei aufs Essen warten, und sorgte redlich dafür, daß das, was sie bekamen, nicht von der besten Sorte war.

Während man so in Gedult wartete, sah Sami zwei Männer das Feld auf kommen, und erkannte sie als Zyberlihogerbauer und dessen Vetter. Hansli, als er hörte wer komme, sagte, er däych, er gang e wenig nebe us; die werden wohl einist wieder furt welle, und machte sich auf die Reyti (den Kornboden), wie Sami sein Lebtag noch nie so schnell ihn eine Leiter hatte hinauf gehen sehen. Dort postirte er sich hinter einen Strohhaufen und lag bald im allerschönsten Schlaf.

Sami sah noch eine Weile in großer Burgerlust zu,wie sie daher segelten in zornigem Lauf, druckte sich dann in den Kuhstall, und dachte, es sei am natürlichsten, daß das Weibervolk ausfechte was es angesponnen habe.

Man kann sich denken, was List daheim für einen Rapport abgestattet hatte aus seinem verkratzeten Gesicht heraus; und wenn es seinem Willen nach gegangen wäre, so wäre man schon am folgenden Morgen aufgebrochen mit Schwertern und Stangen zu blutiger Rache. Mutter und Vater wollten gleich zu Anschicks-männern und Prozessen greifen; der Vetter aber rieth zur Minne. Man wisse nicht, wer hinger z'Sach käme.Wenns etwa Einen treffen sollte, der auf dem Gewinnen mehr hätte als auf dem Spicken, so sei der Tschupp (Gang) bald aus, von wegen we me nit mit Flattire loren; gesetzlichen Griff hätte man keinen. Das Beste sei, man gehe am Sonntag z'Dorf; da könne man mit der einen Hand flattiren, daß es fry stink, und mit der andern Kläpfe drohen vom Tüfel. So wie er sich darauf verstehe, seien das Leute, die man damit so ling (weich) mache wie eine teigge Birne. Gesagt,gethan. Am Sonntag kam man 3Dorf gefahren mit einem schönen grünen Wägeli, auf welchem zwei Sitze waren, und auf diesen Sitzen saßen der Bauer und die Bäurin, der Vetter und eine andere Tochter Namens Gret. List hatte noch an Mädis Liebeszeichen zu salben, und die Versöhnung wird am besten eingeleitet,wenn die beleidigte Person bei den Verhandlungen nicht zugegen ist, von wegen die besitzt zu wenig diplomatischen Takt. Wenn dann zu der Versöhnung ein unumstößlich Fundament gelegt ist, dann gibt man ihr die Bekenntnisse des Beleidigers als Temperirpulver oder als besänftigendes Zuckerwasser ein und läßt sie zum Friedensschluß.

Sie hielten vor dem Wirthshause zu Gutmüthigen,und wollten fragen, ob sie hier das Roß einstellen müßten, oder ob Jowägers Platz hätten; zugleich übernahm sie der G'lust nach etwas Rothem. Natürlich war heute die allgemeine Verhandlig Jakoblis unerwartet Verkuünden mit einer gänzlich unbekannten Person; natürlich glaubte man, die Leute, welche zu ihnen 5Dorf wollten, mußten Braut und ihre Verwandtschaft sein, und die angefragte Wirthstochter sagte:„Ja, göht ume; Platzg hei si, u werde wohl daheim sy, emel z'Chilche ist Niemere g'si; we me laht v'rchünde,su ist nit d'r Bruch, daß me geyt gah lose wie me ache g'heyt.“

Das Wort Verkünde fuhr wie eine Bombe unter die Leute und stöberte sie alle von ihren Sitzen auf.„Was? verchündet? wo? mit wem?“ solche Fragen tönten aus allen Häuptern. Das merkte das Meitschi,daß es einen Stein unter Krähen geworfen, und sagte,es hätte es nicht recht verstanden, weder Neuis von Maria und Hudelbank, dato zu Raxigen wohnhaft.Jetzt stieg den Leuten das Blut in den Kopf, wie Wasser im Hafen, wenn es kochen will; sie stiegen ab,hielten eine geheime Berathung, und darauf setzien sich

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564 die Weiber auf eine Bank, die Manner aber machten sich mit handlichen Gebehrden auf den Weg.

Still wars ums Haus, als sie es endlich erreichten; und als sie an die Küchenthüre klopften, pressirte es Niemand, ihnen Bescheid zu geben. Endlich erschien Anne Bäbi mit seinem ärgsten Kuchigesicht, welches selbst die Katze so gut kannte, daß sie ihm zehn Schritte vom Leibe blieb, wenn es diese Flagge aufgezogen hatte.Es kam ihm wohl in Sinn, wer sie seien, und eben deßwegen wurde es je länger je täuber, gab puckte Antwort und sandte Mädi, den Älten zu suchen. Mädi fand ihn begreiflich nicht, und als die Männer ein Wort mit dem Jungen reden wollten, so fand man den eben so wenig. Trotz seiner himmlischen Träume hatte Jakobli die Maänner vom Hag aus wohl gesehen, erkannt,und meinte, es werde ihm wohl am woöͤhlsten sein,wenn er hier bleibe. Mädi stattete Bericht ab; die Määnner schüttelten die Köpfe, und wollten wissen wo sie seien; das wollte Niemand wissen. Sie werden nicht weit sein, meinten sie, und wenn man es sagen wollte, so könnte man es, sagten sie. „He, so sucht sie,“ sagte Anne Baäbi, das nicht wußte, üͤber wen es täuber sein sollte, üͤber sein Mannevolk oder über das fremde. „Du wirst d'Frau sy?“ fragte der ZyberlihogerD Anne Bäbi, und schlug die Küchenthüre zu. Der Vetter meinte, die wollten ste einstweilen machen lassen, z' Mannevolk werde nicht weit sein. Sie gingen ums Haus,ums Ofenhaus, in die Tenne, sahen auf die Bühne,untersuchten den Futtergang, endlich den Stall und fanden Sami da. Sami ließ sich wohlweislich nicht aus dem Dunkel des Stalles, in dem die Männer aus helle Sonnenlicht gewöhnt, schlecht genug sahen. „Hey m'r di endlig! sagte der Vetter, seh chum füre.“ Sies ihm machen wollten, er solle nur darauf zählen,er hätte die Lätzen an der Hang. Und sie möchten doch wissen, was jetzt gehen solle, Ja, das wisse er nicht, sagte Sami. Aber sie wollten es wissen, ob er auf der Stelle die Verkündigung aufheben und mit Lisi fürfahren wolle oder nicht. „Ja, sagte Sami, da müßt ihr öppere anger frage; das geyt mi nüt ah.“„He, das wär g'späßig, sagten sie; we di das nüt aging, wem wotts de agah?“ „Emal mi nit,“ sagte Sami. „Wem bist du de?“ „He ih bi d'r Knecht,u Sami seyt me m'r.“ „Du “ und die Schimpfwörter rollten über Sami her wie Hagelsteine; aber sie präischten auch an ihm ab wie an einer Fluh, und mit Hohn und zweideutigen Redensarten wartete er ihnen so reichlich auf, daß sie erbitterter als nie wieder zur Küche sich wandten, ohne Komplimente die Küchenthüre aufmachten, und Anne Bäbi von neuem anrebelten. Längs Stück gab das ihnen keinen Bescheid;endlich sagte es ihnen, sie sollten ihns ruhig lassen;es wisse nicht wo sie seien, und wenn sie ihm nicht glaubten, so sollten sie noch besser suchen; sie haätten schon lange zu den Fenstern eingegucket, sie sollten eben so mähr grad yche. Als das noch nicht half, da fuhr es endlich los, hieß sie sich packen, und sagte ihnen so wüst als es nur konnte; aber auf alles was sie sagten oder frugen gab es ihnen keine Antwort.

So ein ertaubet Weib, das man nicht prügeln darf,und das auf nichts mehr hört, ist im Stande, eine ganze Armee Männer in Verlegenheit zu setzen, geschweige denn einen Zyberlihoger Bauer und seinen Vetter, selbst wenn der Rathsherr wäre. Sie mochten thun was sie wollten, mochten grobes Geschütz auffahren oder die Friedensfahne flatiern lassen, sie mußten am Ende doch zur Küche aus, und hinter ihnen flog die Thüre zu, daß des Vetters Kuttenfecken in der größten Gefahr war.

Draußen stunden die Männer lange und hielten Rath, und fanden endlich keinen andern als wegzugehen. Wenn sie schon warten wollten; so lange sie da wären, kaäͤme doch Niemand zum Vorschein, und das Haus mit Gewalt aufzubrechen und zu erlesen könnte nicht gut heraus kommen, rathschlagten ste. Sie gingen also fort, und wie sie die Hände verwarfen, und stehen blieben, und sich umdrehten, war sehr schön zu sehen, und große Freude hatte Sami und noch andere Leute daran.

Es gibt nicht wohl eine strengere Sache, als wenn man z'Dorf will, und man muß im Wirthshaus essen für sein eigen Geld, und noch dazu mit Gift zum Voressen und Galle zum Desert, und am Ende eine Uerti fürs Bösleben, daß einem das Liegen weh thut.

Die zwei Weiber, welche zurückgeblieben waren,hatten viel zu vernehmen gesucht, waren aber nicht schlau genug gewesen, sich selbst zu verbergen. Wenn die Täubi und der ungeduldige G'wunder recht lebendig sind, so wird selten ein Weib das Brett vors Herzloch recht stellen köͤnnen. Menschen, welche gewohnt sind,aus halben Worten Alles zu errathen, und aus Gebehrden einen ganzen Handel zusammen zu setzen, merken auf der Stelle was Trumpf ist, und beginnen aufzupassen.

Nun gibt es Gottlob noch unendlich viele Orte in der Welt, wo Jahre lang keine Komödiantenbande hinkömmt, und die Leute leben doch; die spielen sich alle Tage selbst allerlei vor, Lust- und Trauerspiele,und sogar Specktakelstücke in vielen Aufzügen, und was das Lustigste dabei ist, z'Zusehen kostet nichts,und es kann mitspielen wer will. Aber am lustigsten geht es doch, wenn eine fremde Familie ins Dorf kömmt, specktakelt vor den Leuten, sich nicht in Acht nimmt, und z'Maul nicht zu hält, bis sie wieder aus dem Dorfe ist. Und Lustigers kann es doch wohl nichts geben, als wenn eine Familie, bestehend aus vier Stück, einer dicken Mutter, einer mastigen roth angeblasenen Tochter, einem vierschrötigen Vater und einem langen Vetter z'Dorf will und im Wirthshaus blelben muß, Vater und Vetter wie taub herumlaufen, wahrend Mutter und Tochter fragen, und in ihrer Täubi noch mehr verrathen, und dann alle wieder zusammenkommen, keines feinen Kyb verbergen kann, und eines jeden Kyb an des andern Kyb wäͤchst, und sie abrathen, und je länger je weniger Rath dazu haben;Lustigers kanns nicht wohl geben. Wie ein Lauffeuer geht so etwas herum, und wers vernimmt will die auch sehen; will luegen wie ihnen die Nafen lang werden und länger, und was sie für Gesichter machen,daß der gehoffte Bräutigam ihnen entronnen. Wer kann, guckt in die Stube, wo sie essen; und wer drinnen war, bringt neue Nachricht hinaus, was sie gesagt,und was für Gesichter sie gemacht; die unerschöpfliche Quelle des Spottes ist aufgebrochen, umrauscht das Haus, und immer dicker fallen die Witze, und die drinnen merken nichts, aber kauen immer zorniger ihr zähes Kuhfleisch. Mutter und Tochter glühten in Kampflust; die Erstere wollte hinauf und dem donstigs Kasschaber z'Mul v'rmache für geng, daß es ufhört,dLut des ume sprenge. Die Töchter wär gerne an Mädi gerathen, und hätte für ihr Leben gerne ihm das Zyberlihoger Wappen, fünf grobe Finger mit langen Nägeln, ins Gesicht gemalt oder grävirt. Sie erkannten aber, das trage nichts ab; ebenso ward verworfen, daß Vater und Vetter noch einmal hinaufgingen, wovon erst die Rede war, Man könne nirgends zum Hause, ohne daß man gesehen werde, hieß es, und sobald man sie merke, gehe es ihnen wieder wie früher. Anschicksmänner könnte man nicht senden,weil es Sonntag sei, und etwas sollte doch gehen.Der Wirth ward endlich so hinten um aus gefragt, wie der Pfarrer einer sei, und ob sie keinen Fürsprech hätten. Der, Wirth, ein Schalk, dessen Nützen es war,die Leute spielen und specktakeln zu lassen so lang als möglich, gab ihnen Bescheid, der ihnen wohl gefiel.Sie beschlossen, erst dem Pfarrer einen Besuch abzustatten, um ihn zu bewegen, auf ihr Ansehen hin die Verkündigung einstweilen einzustellen, bis die Sache ausgemacht sei. Der Vetter, der alle Augenblicke in eine diplomatische Laufbahn berufen werden konnte, ver-suchte nicht ungerne, wie weit er es in diplomatischen Gebehrden, in welchen er sich Tag und Racht uüͤble, gebracht, und hoffte, durch seinen Anstand und sein bedenkliches Gesicht, welches er in Bern einem alten Herrn abgeguckt, so einen alten Pfarrer leicht zu imponiren. Und wenn es sein müsse, sagte der Zyberlihogerkung, su schlöhy er dazu uf e Tisch, daß er abenangere fahr wie D.... Wir wollen von der Unterhandlung im Pfarrhause nur anführen, daß sie mißlang. Vergeblich sagte der Vetter, wer er sei, und streckte sich lang und stellte einen Fuß schräg; vergeblich bemerkte er, es sei nur um Kosten zu sparen einstweilen, und die Sache werde sich machen, und sein Wort werde genug sein; er nehme Alles auf sich. Der Pfarrer war sehr höflich, blieb aber fest auf dem formlichen Einspruch durch den Richter bewilligt, indem kein Mensch, und wäre er sogar Schultheiß, ihn von einer gesetzlichen Bestimmung und gesetzlicher Verantwortlichkeit entbinden koönne. Vergeblich stellte man ihm vor, er solle die Familie ansehen, die dadurch in Schanden käme, und er werde doch öppe wissen einen Unterschied zu machen; vergeblich ward man spitzig und halb grob, und ganz grob zu werden verhinderte nur des Pfarrers gelassene Ruhe. Das Gesetz sei für alle da,sagte er, und die Woche habe sieben Tage, und in so langer Zeit könne es füglich entschieden werden, ob die Sache richterlich werden müsse. Sobald der förmliche Einspruch komme, werde er ihm alles Genüge leisten. Vergeblich nahm der Vetter ein Gesicht nach dem andern zur Hand; sie waren alle fruchtlos, und schimpfend und grollend wandteu sie sich zum Fürsprecher. Was dort verhandelt wurde, ist nicht bekannt geworden; viel Tröstliches muß es nicht gewesen sein;denn Prozeß wurde keiner angehoben, bloß noch ein Versuch gemacht, Hansli zu einläßlichem Bescheid und zu einer Ausmacheten zu bewegen. Da derselbe aber rund erklärte, mit denen hätte er nichts und wolle er nichts, und wenn sie etwas von ihm wollten, so muüßten sie richterlich kommen, und bei dieser Rede blieb (denn Hansli verredete sich nicht, und wenn er einmal etwas gesagt, so sagte er über die gleiche Sache nichts anderes): so erlosch die ganze Sache, und was aus List geworden, dem fragte man in Gutmüthigen nichts nach. Aber wie die Familie endlich von Gümüthigen fortfuhr, dem sah fast das halbe Dorf zu und sandte ihnen Witze nach, und lange blieb die Geschichte ein stehender Artikel in den gutmüthiger Abendunterhaltungen, und gar mancher Tochter, die man z' Dorf gehen sah, rief man nach, sie solle nicht machen, daß es ihr gehe wie ʒZyberlihogerbure Tochter, die hätte ins Wirthshaus z'Dorf müsse. Als das schöne grüne Wägeli läängst aus dem Gesichte war, verwandelte sich der Spott in Neugierde, was für Eine z'gowägers Jakobli hätte. Niemand kannte sie; Niemand hatte gehört, daß er zu einer gehe, und so vom Himmel herab,daß kein Mensch darum wußte, war in Gutmůthigen noch Niemand verkündet worden; noch lange hieß es daher, wenn eine Liebschaft unerwartet hervortrat, der hats machen wollen wie z'Jowägers Bub; aber bis zum Verkünden es heimlich halten, das konnie bis dato keiner mehr.

Unterdessen war es anders zugegangen in Hanslis Haus, ja fast wie in einer Stadt, wenn ein Sturm abgeschlagen ist und man alle Augenblicke einen neuen erwartet, ja fast wie bei der Belagerung von Jerusalem, wo die Juden, sobald die Romer einen Augenblick inne hielten, einander selbst bei den Haaren nahmen. Als die Feinde das Feld ab gefahren waren,trieb die Neugierde den Jakobli herbei. Hansli ward durch Sami geweckt, und der Letztere machte die Küchenthüre auf und frug: „Was hey si g'seit?“ „Wärist da gisi, wes di Wunger nimmi.“ Diese Worte waren so gleichsam der Zapfen in einen Bierirug oder einer Champagnerflasche, wo, wenn er gesprungen ist, der ganze Inhalt nachströͤmt, daß dem Oeffnenden fast Hören und Sehen vergeht. Das Mannevolk erfuhr jotzt in mannigfachen Bildern und vergleichenden Wörtern was es war, und was Anne Bäbi war, und wie es nicht dafür da sei, um auszuessen was sie eingebrocket; es wolle auch fort, schloß es endlich, und dann möchten sie selbst anneha, es komme ihnen dann vielleicht in Sinn, wie komod ihnen Anne Bäbi wäre.Und richtig, durch den ganzen Nachmittag war Anne

24 370 Bäbi verschwunden, kein Mensch wußte wohin, und mit bangem Herzen mußte das Mannevolk des Angriffes harren, und stärkte sich mit dem Troste: je minger me sag, desto minger v'rfehl me si, und z'letsch werde si doch absetze, übernachte werde si nit welle. Sami war als Vorposten postirt; Hansli stellte mit gleichgültigen Mienen die Miittelmacht vor, und Jakobli schloiterte als Nachhut. Wie bekanntlich bei dem Hintertreffen die Marketenderinnen sich aufhalten, so flankirte Mädi um den Jakobli herum mit dem betrübtesten Gesicht, das es auftreiben konnte, und aus welchem hintergangene Liebe gräulich hervorleuchten sollte. Der und auch die andern, sagte es bei sich selbst, sollten sich ein Gewissen machen, wie man mit ihm umgegangen,Niemand auf dem Sterbebett vergessen können, und kein Schnuüͤrfli sehe man das Mindest an. Und was das Aergste war, es fand gar keine Gelegenheit, Jakobli privatim vorzustellen, wie sie wüst Hüng gegen ihns gewesen, eys un's angere; denn wie es bei verschiedenen, der Schlacht gewaärtigen, Heerhaufen Sitte ist, es fand eine beständige Verbindung statt, und kaum haite Mädi zu einem vertraulichen Wort das Maul öffen, so erschien Sami in einer Ecke, und dem Kerli hätte Mädi für alles in der Welt den Gefallen nicht gethan, sein betrübtes Herz zu enthüllen. So ward es Abend und Zeit mit den Hühnern z'Sädel; da kam Anne Bäbi heim, ganze Haufen Triumphs im Gesichte.Jetzt, dachte es, jetzt hätten sie erfahren, was Bescheid geben sei, und wenn es dachte, wie sie es werden gesucht haben im Keller und im Säustall, so mußte es hell auf lachen; aber verflümeret Wunder nahm es es doch, was gegangen, was sie angefangen ohne ihns.Eigentlich hätte es im Sinn gehabt, erst lange nach eingebrochner Nacht heim zu kommen. Man sollte es erst suchen; es dachte, und wenn sie schon einmal Kummer häiten, daß es etwas Lätzes gemacht, so geschehe es ihnen nur recht; sie wüßten dann ein andermal,daß sie anders mit ihm umgehen sollten, u nit wie d'Ufläth. Aber man weiß wohl wie es mit dem Kuppen 57141 geht. Wie manche Frau hatte sich nicht vorgenommen zu kuppen und zu tubeln in alle Ewigkeit, hatte sich des Redens so verredet, sie würde nicht einmal dem lieben Gott Bescheid geben, selbst wenn er sie fragen würde, ob sie nichts zu klagen hätte, und so und so wollte sie sein, und dieses so machen, und jenes gar nicht, und machte dazu den Arm ganz g'stabelig und schlug auf den Kuchitisch, daß man gläubte, er fahre entzwei, und machte ein Gesicht dazu, daß keine Fliege mehr darauf absaß, sondern daß es sie weit absprengte,wenn sie es in der Nähe sahen, und es einem akurat mahnte an die Gesichter, welche im siebenjährigen Krieg die schwarzen Husaren machten sieben Jahre läng, daß die Kinder im Mutterleib zu weinen begannen, und Jedermann glaubte, wenn auch nicht in alle Ewigkeit,doch wenigstens sieben Jahre lang werde ein solches Gesicht dauern.

Aber wie laue Lüͤfte den Schnee schmelzen, und freundliche Sonnenblicke das Eis brechen, der Rost das Eisen frißt, und die Zeit alles was sie vor ihren Rachen kriegt, so hält das Kuppen auch nicht dar,widersteht der Zeit nicht, freundlichen Worten in die Länge nicht, dem Widerspruchsgeiste im eigenen Leibe nicht, aber auch nicht einer vaterlaändischen Äbputzeten,wo alle Schwarten krachen. Es ist sehr merkwürdig,aber es ist ein gewisses juste milien in uns, und dieses Ding bricht bei den meisten Menschen allen Radikalitäten die Spitze ab; es macht, daß wir nicht so schlecht sein köͤnnen als wir gerne möchten, aber auch nicht so gut als wir uns vornehmen. Es ist dieses ein kurios Ding, wir nehmen uns das Gräßlichste vor,z. B. zu kuppen sieben Jahre lang ununterbrochen,aber wir können nicht; wers auf sieben Tage bringt,meint schon viel gemacht zu haben, und jene Frau,die es auf drei Wochen brachte, hat mehr verrichtet als die meisten. Aber als ihr Mann mit einem Stecken unter dem Ofen guselte und guselte, und gar nicht aufhören wollte, so konnte sie doch dem Aerger und der Neugierde nicht widerstehen, und schnauzte ihn an und frug: „Was suchst du Stopfi?“ „E Gottlob!antwortete das Mannli, dys Mul ha ni g'sucht, u jetz Gottlob g'funge.“ Aber eben so gut bricht diese Kraft den guten Vorsätzen die Spitzen ab, daß sie nicht zu Thaten werden, und oft, wenn man Menschen von sich reden hört, wie sie es gut meinen, und so schönes wollen, und man sieht dann ihr Thun und ihr Lassen, so kömmt es einem vor, als sehe man im Herbste eine Landschaft verhagelt und verwildert, die man im Frühling in Blumenduft und Blüthenpracht gesehen. Dann meint man, diese Menschen hätten uns getäuscht, seien Heuchler und aller Falschheit voll; aber es ist nicht, sie meinten es aufrichtig, sie kannten aber den Feind im Innern nicht, der unsern besten Vorsätzen ist was die Schnecken dem Rocken und Graswürmer dem Kabis. Darauf sollte daher der Mensch achten, sollte, wo diese Macht böse Kräfte lähmt, sündigem Willen entgegen tritt, helfend ihr zur Seite treten, sollte aber mächtig gegen sie sich auflehnen, sie auf die Seite stellen, sie bannen ins dunkelste Kämmerlein, wo sie wie ein Stein oder wie eine Schlange seiner Seele im Wege liegt, wenn zum Guten sie sich einmal aufrafft.

So kam Anne Bäbi heim, das Herz voll Lachens,aber mit einem Gesichte, womit man Muheime hätte vergiften können, und erwartete, eins nach dem andern werde kommen und ihns fragen: „Aber Herr Jemer,wo bist doch g'st? u warum geyst doch furt? o wärist du doch da g'st, es wär angers gange.“ Aber Niemand that so; man achtete gar nicht, daß es wieder da war, und Niemand zappelte oder weinte. Alle,bis an Mädi, machten fast lächerliche Gesichter; es wußte nicht was das bedeuten solle. Endlich schnauzte Anne Bäbi Mädi an: „Was hets gäh?“ „Nüt, daß ih weiß,“ antwortete dieses. „Ist de Niemere da g'st?“fragte Anne Bäbi noch einmal. „KeHung, v'rschwyge de e Mönsch,“ antwortete Madi.

Also man hatte es nicht vermißt, nicht gesucht, es machen können ohne ihns; da war ihm nicht mehr zu helfen. Es hätte das Kuppen gerne wieder angefangen,aber die Täubi ward Meister, und die Trümpfe flogen herum wie die Nüsse, wenn das Neujahrkindli kömmt.Niemand war sicher, und wie man sonst sagt, weit vom Geschütz gibt alte Kriegsleut, so hätte sich dieses Sprichwort nicht erwahret, wenn Anne Bäbis Worte Kugeln gewesen wären; es schlenggete ste mit sicherem Maul gerade denen am härtesten an den Kopf, die sich am weitesten von ihm hielten, weil sie am besten merkten was für Wetter am Himmel war. Sogar die Schweine, welche sonst sicher blieben, wenn alle andern Hausgenossen darhalten mußten, kamen dießmal nicht ungeschlagen davon, sondern kriegten als sie sich etwas ungebehrdig einstellten, und zwar mit Recht, denn sie erhielten ihr Fressen eine Viertelstunde später als sonst,mit dem mutzen Besen gar wüthig auf die Nasen. Man redete ehemals viel von Poltergeistern, und heut zu Tage wollen die Halbwitzigsten nicht mehr darau glauben, und reden viel von Aberglauben. Ihr dummen Burschen ihr, habt ihr es nie in einer Küche rumoren hören, als ob man das sämmtliche Kachelgeschirr an allen Wänden herumschlage, und am Morgen war alles noch ganz oder doch das Meiste, und Thüren krachten und Fenster zitterten, und Besenstiele flogen ums Haus, und vergatterte Gabeln hintendrein; wer war dieß anders als der Poltergeist? Es ist eben ein Geist, der, wenn es ihm ankömmt, in einen Leib fährt;und genau nimmt ers nicht mit dem Leibe in den er fährt, sei er gewaschen oder ungewaschen, schön oder häßlich; bald fährt er einem Stüdi in den Leib und bald einem Mädi; bald einer Klementine und bald einer Seraphine; auf die Namen kömmt ihm hell nichts an;bald einem Hansli, bald einem Charles; aber in allen thut er wüst vom Tüfel, und nichts ist am rechten Ort, und nichts will sich schicken, und nichts aus der Hand wie üblich, sondern alles mit Gepoiter. Das ist der Poltergeist, der hat Macht über menschliche Leiber wie die Besessenen über die Gergesener Schweine,und wie er will treibt er die menschlichen Leiber. Man hüte sich vor diesem Geiste; er macht ein Haus ung'hürig; man kann ihn mit Beten vertreiben, aber nicht mit Spotten und Verläugnen; wer ihn am meisten verspottet und verläugnet, dem faährt er am liebsten in den eigenen Leib. Darum wahret euch ihr ungläubigen Bürschchen; wer weiß? vielleicht sitzt er euch bereits im Leibe. Allweg war er Anne Bäbi drinn, und nichts war sicher, Menschen nicht, Kachelgeschirr nicht, Schweine nicht, ja es hätte den eigenen Kopf im Hause herumgeschossen, wenn er nicht so zäch auf dem Halse gesessen wäre. Unglücklicherweise nun erwahret sich in Jakobli ein ander Sprüchwort, daß, wessen das Herz voll ist, der Mund überläuft. Er werde, denk wohl,morgen oder einen andern Tag auf Raxigen müssen,sagte er, gleichsam laut denkend vor sich hin. Nun hatte endlich Anne Bäbi das Ding gefunden, an dem es seinen Zorn entladen konnte; das Wort entlud seine scharf geladene Zornesbüchse. Von neuem los ging eine Sturmfluth über Jakobli, die Heirath, die Braut,die ganze Hausgenossenschaft. Das Resultat war, daß er ihm nicht z'Herrgotts sein solle, vom Hause weg zu gehen, bis er die dolders Papier z'säme ramisiren (zufammenlesen, raffen) müsse. Dere Bünteli Neuthaler hätte er afe gnue verkräzt; es sei Zyt, daß me afay,Sorg ha.

Bas düunkte Jakobli grusam; je strenger sein Bleiben geboten war, desto stärker zog ihn die Längizyti nach seinem Meyeli hin. Er konnte es fast nicht mehr ausstehen. Wenn Jemand immer in gleicher Stellung verharren muß, entsteht eine Pein, die unausstehlich scheint. Doch größer noch muß die Pein des reichen Mannes gewesen sein, der in Höllenangst und Qual nichts wünschte, als daß die Spitze des kleinsten Fingers der arme Mann ins Wasser düpfen, damit ihm die Zunge netzen möchte. Ob Jakoblis Pein kleiner war,wer ermißt es wohl? Er wußte, daß er nicht gehen durfte, und die Gewalt, welche das Flattiren einen oder zwei Tage nach einem harten Ausspruch, und manchmal schon eine oder zwei Stunden nachher über eine Mutter übt, die kannte er nicht. Er war nicht eine der flattirigen Naturen, die mit Streicheln und Däselen (Zärtlichthun) die härtesten Streiche in weiche zu verwandeln vermögen. Es dünkte ihn, wenn nur ein Vögelein daher käne, und zwitscherte ihm zu, es hätte Meyeli gesehen, und es ihns auch, oder wenn nur ein ganz klein Stäubchen daher käme, welches der Wind aus Meyelis Roßhaarspitzen geweht, und dieses Stäubchen gebe kein Deutniß, keinen Wink, aber er könnte ihm nur ansehen, daß es aus Meyelis Kappe wäre, so würde es ihm wohlen auf unaussprechliche Weise. Aber kein Vögelein kam, kein Stäubchen zog vorüber; alles grusame kam ihm in Sinn, das häͤtte begegnen können, und was Meyhyeli gedacht und gesagt,und ob es etwa reuig sei; das Alles haätte er so unendlich gerne gewußt. Er erfuhr es, was das für Schmerzen gibt, wenn man an einen Felsen geschmiedet ist,und aus dem Leibe wird einem das Herz gezogen mit einem allgewaltigen Magnet. Anne Bäbt sah das,aber wenn man ihm den Kopf abgeschrissen hätte, es hätte nicht zu ihm gesagt: „su g'hey di (so lauf) meinetwegen.“ Hansli sah es auch, und noch besser als Anne Bäbi; denn Jakobli nahm sich vor ihm weniger in Acht, und verwerchete sein Weh und seine Trauer zumeist um die Ställe herum, wo Hansli auch am meisten war. Und mehr als einmal hatte Jakobli zum Vater gesagt, er wollte sich wohl noch leiden, wenn er nur oppis v'rnähmte oder öppere g'sächti, der Meyeli o g'seh hät. Auf solche Reden antwortete Hansli nichts als höchstens: „lyd di, es ist grad für;“ aber so im Herzen duechte es ihn, z'Anne Bäbi sei doch das Wüstest wo es geben könne; so uwatlig hätte es nie gethan, und wenn das so kommen solite, so wollte er,sie wäͤren niemals z'säͤme cho.

Hansli faßt einen Entschluß und redet wie ein Buch, tröstet ein Meitschi und kauft eine Kuh.Sie waren eben im Ungreis mit den Kühen, und eines Morgens war Hansli fort; und als Anne Bäbi schnauzte, warum er nicht zum Essen käme, sagte Sami,Hansli sei in aller Frühe um eine Kuh aus, er hätte gesagt, vielleicht sei er z' Mittag wieder heim, es komme darauf an, ob er etwas finde.

Hansli wanderte allerdings stattlich über Berg und Thal fast wie ein Metzger. Den Stock, der ihm fast unters Kinn reichte, siellte er weit vorwärts; seine Speckseitekutte ließ er wadeln hinter sich, daß es fry einen Luft gab, und das Zöͤtteli an seiner weißen Kappe ließ er auf und nieder gehn so streng es konnte. Er hatte sich einen Entschluß abgerungen, und das brachte ihn in eine seltsame Hast, die ihm sonst nicht eigen war; es ging ihm fast wie einem Knaben, der Bohnen Es harzet bei ihm, bis der Entschluß gefaßt ist; langsam setzt er seine Beine in Bewegung; aber dann schießt er auch davon wie ein Pfeil vom Bogen, damit das Muetti ihn nicht mehr erreichen möge, weder mit den Händen noch mit der Stimme. So schritt er lange durchs Land, fast wie ein Gesandter des vergangenen Geschlechtes, der Augenschein nehmen und Bericht bringen solle wie die Jungen wirthschaften mit der Väter Erbe. Er hatte vieles zu sehen, und viel nahm ihn Wunder, und wo er mehr oder weniger Hagringe sah im Hag, als er hinein zu thun zum Brauch hatte, so konnte das ihm lange zu sinnen geben, welchen Weg es besser sei. Indessen duechte es ihn doch, wenn er einen G'spanen (Gefährten) bekäme, so häͤtte er kürzere Zyti; denn so schweigsam Hansli war, so hörte er doch nicht ungerne b'richten; und wenn er einmal einen Plätz unter seinem Dachtrauf weg war, so war er im Stande, selbst zu b'richten; aber daheim ging es ihm wie es noch manchen andern geht, der denkt,z'Wybervolk machs für ihn, u wenn er o no rede wett,su wär zletsch Niemere, da lost. Als er weit von sich etwas Lebendiges sah auf der Straße, so stellte er den Stecken noch weiter vorwärts, und mit Doppelirschritt zog das Mannli einem Mädchen nach, daß man hätte meinen sollen, was das für ein Käust WVogel) sei.Das Meitschi, welches er einholte, weinte bitterlich,hatte die Züpfen aufgebunden, und ein schwarzes Fürtuch an. Hansli wüünschte geziemend die Zeit, das Mädchen dankte aus dem Schluchzen heraus. Es macht styf Wetter,“ sagte Hansli. „He jo,“ sagte das Madchen. „Wo chunst her?“ fragte Hansli.“ Das Mädchen, dem es auch nicht wenig wohlete, daß es sein Elend Jemand mittheilen konnte, antwortete: „Vom Doktor.“ „Hest Neuer kranks?“ fragte Hansli.

Nun war die rechte Schleuse aufgezjogen; das Mädchen gab vollständigen Bericht. Es kam von Buzloch und wollte nach Wallisau. Dort, sagte es, regiere ein grusam Fieber, wo kei Dokter öppis dra mache chͤn; ume d'r Vehhansli im Büzloch bring se d'rvo,die wo d'r Zůg möge erlyde; aber die, wo nit chech (robust) syge, die nähms wie d'Fleuge. Der Vater,der hätte es nit möge erlyde; nit mänge Tag sygs gange, su heygs ne g'no. Vo Stung a, wo er vo dem Züg g'no heyg, heyg me g'seh, daß es ne grusam agryf, u mit ihm mache wele Weg, u du heygs emel du mit ihm fertig g'macht. Jetz sei es zum Vehhansli der Mutter wegen; die sei äuch grusam krauk an der gleichen Krankheit, und jetz sei ihm so Angst.Vehhansli habe gesagt, das sei nichts anders gewefen,daß der Vater gestorben; das haäͤtte so kommen müssen;der sei fule g'st un ag'steck a der Lungi, u die nähms,die möge d'r Züg nit erlyde; u yche luege vor und eh (vorher), wies innefert syg, chönn me nit, es wär chumlich. Und bei der Mutter sei eben jetzt die Frag,wies innefert syg. Syg gut dert, su chöm si d'rvo wie Schnupf; d'r Züg fehl de nit, däã heygs de. Es söll darum nit Chüummer ha. Syg si g'sung uf em Herz u a Lebere u Lungi, so sei ste in es paar Tage uf de Beine; syg si nit g'sung, he nu, so chlepf es se;aber sie wär de allweg g'storbe früher oder später; de wenn es eim uf em Herz fehl, su fehls nit, mi müß sterbe. Aber es könne nicht helfen, sagte das Mädchen, es mache ihm notti grusam Kummer; wes die Mutter v'rlüre sött, es wüßt nit was afah; ke Monsch hätts de meh uf d'r Welt.

Ja, sagte Hansli, es sei mit dem Dokteren bös;fehlts innefert, su säge si, mi chönn nit yche luege,mi můß probire, u de chöms ebe druf a; u fehits ußefert, su säge si, ußefert chönn me nit helfe, mi müß innefert fechte; u wes nit gut chunt, su hey si geng e Usred; u we eine stirbt, su sott er geng felber pschuld sy innefert oder ußefert, u we me nit änefert (jenseits)wär, chumlige: Wys, si chäͤmte eim no cho wüst säge,daß me g'storbe wär, u we si scho siebe Mal selber z'Schuld dran wäre.

Nein, sagte das Mädchen, Vehhansli sei nicht so,u b'sungerbar b'rühmt, u grusam gute Züg hätie er,es schütt eim fry we me ne numme alueg, u we me ne brucht heyg, su stinke d'Wäng im ganze Hus no lang geng, u er heyg grad g'seit, für die Krankheit gäbs ke angere Züg, aber es chom druf ah, wie me innefert syg. „He nu, sagte Hansli, das wird de no eine vo de meh bessere sy; dä seyt eims doch no wos het, n wie z'Sach ist; aber die bi üs umenangere sy ganz Kunde, die eine wüsse nuůt, u die wos wüßte,die wey eims nit säge.“ Nun erzahlte Hansli Jakoblis Geschichte in abgebrochenen Sätzen und auf seine Weise,und wie zuletzt no e Frau hät zuche müsse, die hätte du z'Sach füre g'macht, u chönne säge, wo's hätte.Und Hansli hatte darob die kürzeste Zyti, daß er nicht merkte, wie nahe er schon bei Raxigen sei, bis das Määdchen links bog, dem kranken Mütti zu, mit kummervollem Herzen das Züg z'probire, wo deWäng no acht Tag d'rna steyche.

Hansli war so ung'sinnet vor Raxigen, daß er keinen Operationsplan hatte entwerfen können; er fand es am besten, ins Wirthshaus zu gehen. Es war ihm zwar z'wider; am Morge mache ihm der Wein nicht am baasten, sagte er immer. Indessen wußte er sich nicht anders zu helfen, da er den Schnapps noch weniger liebte, und als Röseli ihn fragte: „Was soll ih bringe?“ sagte er: „däych e Schoppe;“ und auf die Frage: „was fürige?“ aniwortete er: „ume liechte, wo me nit sövli g'spürt; ih mah ne nit erlyde ame Morge.“

Er brauchte aber nicht lange zu sinnen, Röseli half ihm bald zur Rede mit seinem gewohnten: „Woher?wo aus?“ und hatte auf der Stelle ios, daß das der alte Jowäger sei.

„Willst du zu deinem Sühnisweib?“ frug es resolut und schalkhaft; „wart, ih wills ga reyche.“ „Hab nit Mühy, sagte Hansli; ih will de selber zum Hus;mi chonnt süst meine, mi dörft si nit zeige, oder es syg üs nit recht. U d'r Bub het Chummer, es gang d'm Meitschi bbs.“ „Warum chunt dä schießig Schlabi nüt?“ fragte Röseli. „Das ist öppe nie erleöt worde,daß eine lat v'rkuündte, chunt wie vom Himmel obe abe,u geyt wie ne Schelm, wo, wenn er het was er will,si o nimme zeigt. ZoMeyeli weiß nit, was es denke soll, u het si d'Auge fast usem Kopf pläret, u dä alt Schlychi hat sy Galgefreud dra, u plagts wo ner cha;we nes si nit g'schämt hät, es wär dym Bub nahg'lüffe, dem Schlusi.“ „He, mi cha nit geng mache wie me will, b'sungerbar we Wybervolch imme ne Hus isch, sagte Hansli. D'r Bub v'rmah si desse nuůt; er wär längste cho; aber es ist, wo Wybervolch ist, mängist trüh Wetter, wes scho nit regnet. Du, was ih frage will, hest em Meiischi e B'kleidig lah mache wies öppe d'r Bruch ist? oder manglist no Geid, su sägs.Unde vo wäge de Köttelene ha ni welle säge, du sollist se o chaufe. Uesi Alti het g'meint, Jakobli soll üser Jumpfere ihri ume etlehne. So eyni, die me usem Bettel nehm, müß me nit ga ufputze wie ne Fasnachtkuh, sust werd di ume z'stoizi. We si de einist wüß,wo z'Geld her chöm, u öppe thüy wie ne Mönsch, so chönn me de geng no luege. Uses het darwidere neue Niemere viel g'ha, vo wege we üsi Alti öppis im Gring het, sunhet sis nit i de Füße, u we me ere widerredt,su doppelet me ere z'Sach ume dest fester yche. Aber es het mi doch neue duecht, es wär strengs, we me für z'Sühniswyb bi de Jumpfere ging ga d'Göllerkötteli etlehne; es hät neue afe ke Gattig. U lue, da hest Geld u chauf se; we e Sach einist g'scheh ist, su ist si g'scheh, u de cha me geng no sage was me will,uscha o nüt säge, wie me lieber will.“ „Du mußt e Bösi daheim ha, du, sagte Röseli; das chunt nit gut;die tödt es Suühniswyb, u darfür ist Meyeli doch z'gut.“„S'macht nüt, sagte Hansli, si syge neue alle glych,seit me; we me ne d'r Gring laht, su cha me no sauft d'rby sy, u we me st ihrere nit alles achtet, su ist si d'rnebe no e Guti u gönnt de Lüte z'Sach. Si nähm emel nie öppe e Tropf Gaffe oder bppis angers, wies öppe d'Wyber im Bruch hey, daß nit o öpper angers d'rvo naäh müßt. Wenn es Sühniswyb öppe nit köpfig ist, su wird das scho gah; nit daß es nüt gäh wird;je meh Wybervolch, dest meh Kifel.“ „Los Aetti,VV wie a angere Orte, es Mul zum esse ha, u eys zum balge, aber kes für es fründligs Wort, und wer Zyberli ißt muß gräͤnne. Wenn me aber syr Lebtig bi Zyberligrännene ume sy muß, wer wett da z'letzst nit hässig werden. Doch nüt vor ungut, ih wott nit mit dir zanke, und z'Meyeli wird grusam froh sy, wes di g'seht. Drum gang, aber chum de ume, u brings mit;sue dert äys Hus ists u dur das Gäßli mußt.“Hansli zog langsam ab und schritt gravitätisch bis vor die Küchethüre, doppelte an selbiger und frug:„Ist Niemer daheim?“ Da bewegte sich ein Läufterli am Fenster, und ein Köpfchen schob sich heraus, das aussah wie eine aufgegangene Rose, aus welcher zwei Sternlein funkeln, und purpurroth ward diese Rose,als die Sternlein den Mann vor der Küchenthüre erkannten und hörten wie er sagte: „Du sollist e chley use cho.“ Zagend, zaudernd kam purpurroth das schlanke Meyeli durch die Küche, wie vor den Richter die Sünderin tritt, vor den Sultan der arme Sklave,der nichts verbrochen, aber weiß, ein Wink von des Sultans Hand, und zertrümmert ist fein Dasein. Ach das arme Meitschi, was hatte das gelitten, wie gebetet, wie geweint seit dem Sonntagẽ, an welchem es verkundet worden war.

Was Jakobli litt, das haben wir gesehen; aber was Meyeli litt, war unendlich mehr. Denkt euch ein liebendes armes Mädchen, dem Dornen sein Beit sind, und ein hartes Herz sein Hauptkissen, und das Mädchen träumt, und die Liebe kommt ihm ent-gegen und öffnet mit goldenem Schlüssel ein goldenes Thal, ein herrlich Paradies, und Liebesworte sind des Thales Säuseln, und Liebesblicke sind die Licht-strahlen, die das Thal erleuchten, und eine Herrlichkeit, die keine Worte faßt, schwebt über ihm, senkt sich in sein Herz, schwellt es auf in unendlicher Wonne,wie sie die Rose füllt, wenn sie dem Lichte sich erschließt, und Ewigkeit scheint diese Herrlichkeit zu umranden, und auf den Wellen reiner Lust wiegt das arme Mädchen sich in unendlicher Wonne, und die Wellen tragen es von Seligkeit zu Seligkeit, und immer näher gleitet der Kahn dem Borne, aus dem die Strome der Seligkeit sich ergießen, die durch des Herrn Welten fließen. Da stößt an verborgenen Riff der Kahn er bebt in hartem Stoße; erschuüͤttert fährt das arme Mädchen auf, schlägt in schwarzer Kammer seine Augen auf; die harte Hand, die den Kahn an den Riff gestoßen, liegt noch auf seinem Arme; zu der rauhen Hand gesellt sich die nicht weichere Stimme und ruft die Seele des Mädchens aus dem seligen goldenen Traume ins öde wuüͤste Leben, das kaum den großen Wüsten Arabiens gleicht. Dort sind noch herr liche Stellen, duftige Schatten, süße Quellen, kieine Paradiese; in des armen Mädchens Leben sind diese süßen weichen Plätzchen nicht; da ist nichts als harte Sonne, harte Menschen, härte Arbeit, ein Sehnen sonder Ziel, und dieses Leben dehnt sich schattenlos und endlos vor des erwachenden Mädchens Auge wieder aus; und welches Mädchen weint nicht, härmt sich ůber keinen Verlust, und hat es doch nichts verloren,ist es doch um einen Traum reicher geworden, und dieser Traum wird es noch manchmal erquicken in harter Arbeit, an harter Sonne wird noch manchmal sein Plätzchen sein, wo es ruht fliehend vor den harten Herzen. O unglücklich wird nie, wem so selige Träume in sein Leben hineinreichen. Träume sind Boten Gottes, und wem sie Freudiges künden, dem sind sie das köstliche Labsal in des Lebens Drangsal, ja dem sind sie die Felsen, an welche die Seele sich klammert, wenn die Stürme sie ergreifen, wenn die Brandung sie umdonnert. So sendet der Vater über den Sternen, wenn des Abends die Sonne untergegangen ist, die Nebel aus den Gründen steigen, und die Gebete aus den Herzen der Menschen zu seinem Throne, viele, viele tausend süße Träume aus, Boten der Liebe, Zeugen der Erhörung der betenden Herzen. Und viele tausend dieser Träume verklären sich zu holden Liebesgärten und senken sich nieder in die Herzen der Mädchen, die fromm und froh dem Leben dienen, des Herrn warten,denen unzeitiger Frost oder eine wilde Hand den Liebesgarten im Leben zerstört, oder denen des Herrn Wille im Leben keinen zugewiesen, sondern ihnen das Harren zugetheilt, das gläubige Harren, daß denen,die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen.Diese Träume alle sind dem Thane gleich, den der Her fallen läßt auf die durstenden Pflänzen, die welken Blümlein, daß sie in neuer Kraft und Schöne den folgenden Tag begrüßen. Nach solchen Träumen weinten wohl die Mädchen, aber die Thränen sind nicht bitter; manchem Mädchen sind sie sein Stab auf der Lebenspilgerreise; sein Schlauch süßen Wassers in der Wüste seines Wanderens. Ein ganz anderes wäre,wenn unser Geist wirklich geschieden wäre aus dem Leibe, und ein holdes Wesen in lichtem Liebesglanze würde sein Führer, seine Hand zerstrente die Rebei,die herrlichsten Räume entröllten sich, in seligem Entzücken fühlte unser Geist vom süßesten Wesen sich erfaßt,aber plötzlich würde schwarz das Lichtwesen an seiner Hand, versunken wären in schwarze Nacht die herrlichen Räume; zu giftigen Schlangen wäre das Wesen geworden, und die Schlangen hätten fich um sein Innerstes gewunden, und in giftigem Hohne stieße die Hand, die ihn gehalten, von Äbgrund zu Abgrund,und in jedem wäre schwärzer die Nächt, und in jedem grauenvoller die Pein. Das wäre kein Traum, das wäre ein Erlebniß, und an der Herrlichkeit des Erwartens wurden die Schrecknisse des Erlebten wachsen je einen Tag um den andern, und die täuschende Hand wüurde der Dolch sein, der sonder Aufhören die Seele peinigte, da wo ihr Empfinden das innigste ist, da wo die Liebe weilt.

Jetzt denke man sich das arme Meyeli, seit Jahren gefesselt ans Dornenbrett, auf dem das Gnadenbrod gebacken wird, und auf einmal erscheint ihm nur ꝛin Jakobli, und dieser besaß nur ein Auge, aber der Jakobli schien ihm doch fein Engel; in seinem Herzen leuchtete er wie die Morgensonne; er lösste es ab von dem Dornenbrett, er öffnete ihm ein freies Leben voll Liebe und eigenem Brod und dieses Leben ward ihm zu einem großen Tannenbäumchen, wie die Kinder am Neujahr kleine kriegen, und dieser Tannenbaum gebar der goldenen Nüsse in die Tausende, und geschmückt ward er alle Stunden herrlicher, und süßes Wehen säuselte um sein junges Herz. Wer zählt wohl die Gedanken alle? wer hat sie erglühen fehen in ihrer Farbenpracht? wer sie gekostet in ihrer Süßigkeit, die Meyelis Herz durchflutheten in selber Nacht, die dem Tage folgte, an welchem er das Hochzeit angegeben hatte? Ein Bräutigam war ihm wie vom Himmel gefallen; um den grünen Haselhaäg herum war er ihm“in die Arme gefallen, und noch dazu gerade der, den es im Herzen trug, dessen vermeintliche Unfreundlichkeit ihns so lange geplagt hatte, der aber seit jenem Be* so freundlich in seinem Herzen wohnte, und doch o wehmüthig. Wärest du doch gegangen, häättest mit ihm eine Halbe getrunken, wer weß was es gegeben hätte; jetzt hast du ihn dein Lebtag vielleicht zum letzten Male gesehen; so klang es in mancher stillen Stunde in seinem Herzen, und dann ward dieses so schwer und weich, daß es ihns dünkte, es sollte der Boden sich öffnen unter ihm, und es möchte so gerne an die Ruhe.Aber immer kam doch wieder eine Kraft oben auf, die ihm sagte, du hattest recht gethan, und wo man recht gethan soll man nie reuig werden; wenns Gottes Wille sei, so werde er sie schon noch mehr zusammenführen.Und als er sie zusammenführte, als die Anfänge des Knotens geschlungen waren, den nur der Tod lösen soll, da nun faßte sein Herz die Freude kaum, und es dünkte ihns manchmal, es wolle zerspringen vor Freude;dann ward ihm doch wieder so bange; es konnte nicht glauben, daß alles möglich sei, und wenn es wirklich ist, so malte ihm doch die innere Angst das Widerstreben der Eltern vor sammt den andern Hindernissen,und es sagte sich hundertmal, es werde sicherlich nichts daraus geben, darauf könne es zählen; es sei ja nie erhört worden, daß so ein armes Meitschi so ung'sinnet glücklich werde. Als am Sonntag, nach der ung'sinneten Verkündigung, alle Leute ihren Spaß mit ihm hatten und ihre Freude zeigten, nur hier und da einige Schmutzgüggeli die Nase rümpften und sagten,wenn sie sellig wollten, wie da gestern einer im Dorf herum gelaufen wie e Sturm, so häͤtten sie schon mehr als hundert sellig haben können, aber sellig möchten sie mit keinem Stecklein anrühren; da vergaß es seine Angst, und nahm einige Siunden die Sache als ausgemacht, als fertig, als erlebt. Als der Abend kam,da freute es sich unsäglich auf Jakobli, und tausend Sachen hatte es ihm zu sagen, und tausend zu fragen,und sein einziger Kummer war, daß es mehr als z'Hälbe vergessen werde.

Aber Stunde um Stunde verrann, kein Jakobli kam; der Montag kam und kein Jakobli war gekommen; so ging Tag um Tag um, und keiner brachte dem armen Meyeli seinen Bräutigam. Es wußte nicht was es denken sollte; es ängstigte sich mit taufenderlei Dingen. Vielleicht war er erschlagen oder daheim an tödtlichem Fieber im Bette, oder es hatte ihm Jemand z'bös geredet, er war reuig geworden, oder hatte von Anfang es nur zum Besten gehalten, nirgends verkünden lassen als hier, und lachte jetzt seiner, und seine Eltern nahmen ihn mir nichts dir nichts unter den Jahren weg. Und wie das menschliche Gemüth in solchen Aengsten immer am ärgsten haftet, so glaubte es sich je länger je mehr verrathen, verlassen. Alle seine Hoffnungen that es durch, eine nach der andern, und ganz dunkel ward sein Leben wieder, und auf das Dornenbrett, auf dem das Gnadenbrod gebacken wird,VVgrößter Schmerz. Aber das that ihm weh bis ins mnnerste Mark hinein, das wollte seine Seele fast zerreißen, daß Jakobli so an ihm handeln konnte. Es hatte ihn so lieb gehabt; er war der einzige und erste Mensch, seit seine Eltern gestorben, den seine Seele mit Liebe umfaßte, dem es aufschloß seines Herzens Thüre, den es umfaßte mit aller Innigkeit eines jungen verlassenen Herzens; und dieser wars der ihns betrog,täuschte, seiner vielleicht lachte. Es hatte geglaubt,jetzt sei es doch wieder öpperem, hätte doch Jemand in der weiten Welt, an den es seine Seele ketten, den es lieb haben könnte und dürfte so recht von Herzens Grund und vor Gott und Menschen, und jetzt hatte der ihns verrathen, jetzt war es noch ärmer als zuvor.Es war um seinen Glauben, sein Vertrauen gebracht,daß Jemand mit einem armen Meitschi es gut meine,daß es je eine aufrichtige Seele finden werde. Wenn man Mädchen weinen hört gebrochenen Herzens, und sie können es einem sagen was ihnen eigentlich den tödtlichen Stich gegeben, so ist es nicht der Stich, der von zertrümmerten Hoffnungen auf äußeres Lebensglück kömmt, nicht der, welcher auf die Scham kömmt, ein Spott der Menschen zu sein; die Mädchen, welche nur dieses sticht, sterben nicht an gebrochenem Herzen, sondern es ist die Wunde der verrathenen Liebe; es ist der Schmerz, daß von dem Geliebten der Schlag 25 386 gekommen; es ist der Verlust des Glaubens, des Vertrauens zum Menschen; es ist der Schmerz der Verzweiflung an der höheren Natur der Menschen. Das ist was so unheilbar manches arme Herz verletzt hat,ja was ihm fast den Glauben an die Seligkeit genommen hat; denn wie sollte ein solches Geschlecht, das Liebe lohnet mit Verrath, zu einem himmlischen Dasein bestimmt sein?

Das wars, was so mit unsäglichem Schmerz des armen Meitschis Herz zerriß durch so manchen Tag über. Es konnte ihm keinen Namen geben; es mochte nicht einmal Röseli klagen, denn auch diesem traute es nicht mehr, aber gestorben wäre es gerne. O wenn doch so eine alte Frau wüßte, wie weh ste thut mit solchen Wunderlichkeiten einem armen Herzen, wie wirser (weher) als die grausamsten Schläge thun, sie wäre sicher weniger wunderlich. Ich glaube es nicht einmal, wenigstens alle nicht. Es gibt solche herbe versaäuerte Naluren, die eine eigengiche Feindschaft in sich tragen gegen junge Herzen, und zu meinen scheinen, solche Herzen zu plagen, zu quälen gehöͤre zur Erziehung, sei eine von Gott dem Alter aufgetragene Pflicht. Und nun thun sie allerdings Alles was in ihren Kräften steht, diesen Herzen jede Freude zu vergiften, jede Hoffnung zu verkümmern, jeden Genuß zu hindern, und je lauter sie darüber weinen, desto stolzer ist so eine widerharige Alte oder Alter auf die erfüllte Pflicht. Es ist wirklich nichts traurigeres auf Erden als so ein altes zusammengeschrumpftes runzlichtes Herz. Aber glaube man, ein solches Herz plagt am meisten seinen Träger; derselbe würde tausendmal wöhler leben am scheußlichsten schmerzlichsten Geschwür in seinem Leibe, als an solch einem Herzen.

Meyeli war allein in der Stube als draußen geklopft wurde, hatte den Kopf auf den Ofen gelegt,und trüb und schwer lag es auf seiner Seele; wie finstere Regenwolken an den Bergwänden, so hingen dunkle Gedanken über ihr. Nun stund draußen Jakoblis Vater; es erkannte seine auffallende Gestalt auf den ersten Blick. Darum ward es so roth, darum kam es hervor mit einem Schritt, so schwer wie ihn der Verbrecher geht, wenn ihn der Richter ruft, der Richter, der den schwarzen Stab in den Händen hält,der gebrochen wird über dem sündigen Haupte, das dem Tode verfallen ist. Es war überzeugt, der kam um anzusagen, daß mit Allem nichts sei, und daß es sich schämen sollte, an solche Sachen nur zu denken.

„Grüß Gott! und wie gohts?“ sagte Hansli, und streckte dem Meitschi seine Hand dar, die fast aussah wie ein Stück Eichenrinde. Meyeli nahm die Hand,aber brachte kein Wort hervor; es schnürte ihns im Halse und alles Blut war aus seinem Gesichtchen gewichen, wie jeder blaß wird, der das Schwert zum tödtenden Streich auf sich niederfahren sieht. „D'r Bub wär selber cho, fuhr Hansli fort, aber es het si neue nit welle schicke, un ih ha du däycht, ih well fry D mit dym Götti o oppe es Wort redt. Wo ist er? er föll füre cho.“

Seppli hatte das Klopfen wohl gehört und in der Ecke des Hauses dem Ding abgewartet. Jetzt schlich er daher wie von Ungefähr. „Das wird ne sy mit Schyn, frug Hansli, d'r Götti?“ „Ih sött ne sy,sagte Seppli, aber ob me mi geng d'rfür heyg, ist ebe d'Frag.“ „Es wird o gah wies cha u ma, sagte Hansli. Aber warum ih chume, my Bub het da neue es Haändeli mit dem Meitli ag'fange.“ „He ja, fiel Seppli ein, es ist mir öppe z'wider gnue g'si; ih v'rmah mi desse nüt, u wott mis o nit etgelte, lueg es jetzt.Vom Hus eweg han ne g'jagt; aber hinger mym Rücke hey si das du g'macht.“ „He syg das jetz wies well,sagte Hansli. Ih ha ume welle säge, we d'r z'Meitli übel erleidet syg u de's nimme vor Auge ha mögist,su welle m'rs grad zu nihs näh; uf e nes paar Tag uf oder nieder chunts de notti nit ah, u b'sungerbar em Bub wärs z'Rechte, wes chäm.“

Seppli vergaß das Maul offen; aber wer den Glanz hätte fassen köͤnnen, der in Meyelis Augen trat,hätte den koöstlichsten der Diamanten gehabt, wie er in keiner Krone der Erde gefunden wird.

Seppli sagte endlich: „es wird dir öppe nit Aerst sy; aber wie g'seyt, ih v'rmah mi d'r ganze Sach nüt;für z'helfe ist me gut gnue, aber für öppe z'rathe mangelt man eim nüt, u jetz wott ih o nüt d'rmit; wes ufha witt, su häb; es ist m'r z'rechte, ume daß es de weiß wies d'Meitlene geyt, wos ihrem Gring nah zwänge wey. Es g'scheht ihm recht dem Dreckloch,was mangelt es selligs Meitschi z'hürathe.“ „He,sagte Hansli, es wird ihm öppe sy wie angere o. Aber vo Ufha ist ke Red. Mir hey ihms nit agä, mir wey ihms o nit wehre. Es ist üs recht, we ner es bravs Wybervölchli überchunt, un uf ene Chrüzer Geld chunts ihs nit a. U so ha ni ume welle luege, wies gang DD ihm notti Platzg u z'Esse.“ Man kann sich nicht denken, wie es Meyeli war bei diesen Reden. Nicht wie einem Verbrecher, dem man am Hochgericht Gnade rufet, denn Liebesangst ist nicht ganz wie Galgenangst.Aber noch viel weniger ist des Mädchens Freude, das aus Liebesleid und Noth gerissen wird, des Verbrechers Freude, welchem das Leben geschenkt wird. Des Verbrechers Freude kann man beschreiben, aber wer malt des Mädchens Freude? wer malt Sternenglanz und Morgenroth? wer des Thaues perlend Licht im Kelche der Blume? wer den wunderbaren Duft der an thaureichen Morgen über den Wiesen liegt?

Wie aber Seppli da stand dumm und verblüfft, das hat Jedermann schon gesehen; des Menschen Jämmerlichkeit steht uns ja alle Tage vor Augen; die Liebesfülle eines jungen Herzens, wenn sie hervorbricht aus der Noth dunkler Kammer, wie selten schaut einer die,und wer sie gesehen hat, findet die Farben nie, sie darzustellen. Denn dieser Farben Quelle sprudelt nur in liebesvollen Herzen; hingegen einen jämmerlichen Seppli darzustellen sindet man die Matkerie in jeder Pfütze. Der Seppli stund also da als ob ihn seine Hosen in Verlegenheit setzten, und frug endlich: „Ja so, ists de Aerst? Jä so, wes so ist so muß ih doch de nadisch frage, was ihr für Lut syt, vo wege ih bi d'r Götti, un es cha m'r nit graglych sy, wies zMeuschi het, u zu wem es chunt, vo wege es handlet si da nit ume Lyb, sondern o um z'Seel, u so mir nüt dir nüt lah nihs nit so zu me ne Jedere. Es chönt dä wäg e Niedere cho, es welle, u nih has de Eltere abg'no, u muß es einist v'rspreche.“ „He jo, jo,sagte Hansli, es wird sy, aber du bruchst nit Ehummer z'ha vo wegem Lyb; z'esse hey m'r, es zahlts Höfli u bppe Geld o ne chly, u vo wege der Seel cheu m'r bete, göh z'Chile, hey ne Bible u d'er Wyl drin z'suege, u was will me meh?“ „Es ist mügli,sagte Seppli, aber es ist scho mängist oppis g'seit worde, es ist nit, g'si.“ „Ha nüt d'rwider, sagte Hansli, o no i mänger V'rfammlig. Aber üseretwille bruchst nit Chummer z'ha. J ha no ke Mönsch e re Kuh twege ag'loge, u so eme ne Wybervolchli twege möcht ih nit Mühy ha.“ „Ih g'höre, sagte Seppu,du wirst o vo dene eine sy, wos mit d'r Welt hey,vo dene Selbstgerechte eine, wo es G'sicht hey wie du, u meine mi sott ne alles glaube. Aber du hests g'hört, ih muß das Meitschi vor Gott v'rantworte, u es ist hüt zu Tag Niemere z'traue, es ist gar e böst Welt. U ih will d'rs grad use säge, dyne Rede a bist du o nit vo de Rechte eine, u mi wird müsse luege was me macht.“ „He nu so de, su mach du fry was du witt, sagte Hansli. Es ist emel jetz z'verchünte,u das wirds wohl ha; u am Fryte, wos am Sunde ist us z'verchünte g'st, wey si Hochzyt ha, u das wirst se emel müsse lah, u wed nit witt, su mach was d'chast. U we si Hochzyt g'ha hey, su chunt äs zu nihs, das wird de müsse sy. M'r wey jetz nit z'längem chäre (nutzlos wortwechseln); z'Sach lauft nüͤsti (ohnehin, jedenfalls). Du wirst notti wüsse, was es vo de unnütze Worte heißt, we du so ne Geistlige bist.Adie wohl! Du chumm mit, ih ha no Neuis mit d'r,“sagte er zu Meyeli, und achtete sich Sepplis, der aufbegehrte und sagte, er mangle denn des V'ersumens nut all Fingerslang, und er hätte seine Jumpfere anders z'brauchen als des ume z'laufe. So böse war aber Hansli auch lange nie gewesen, denn so weit er gewöhnlich kam, war er bekannt, und so weit er bekannt war, fiel es Niemand ein, seine Rechtlichkeit, sein Vermögen, seine Frömmigkeit in Zweifel zu ziehen. Er wanderte in zorniger Hastigkeit dem Wirthshause zu, sah sich nie um, ob Meyeli ihm nachkäme, und griff mit seinem Stecken noch einmal so weit aus als sonst.

Im Wirths haus hatte Hansli lange, bis er sich gefaßt hatte. Er begehrte aber nicht laut auf; er war gewohnt, so etwas in sich selbst in aller Stille zu verwerchen. Endlich sagte er, dä Käpper (Ketzer) hätte ihn bald taube g'macht, u wes nit der Götti wär, es müßt per forst mit ihm cho. Unterdessen hatte Röseli das Meyeli angefallen, warum es die ganze Woche nicht zu ihm gekommen, und nach einigen Ausreden hatte es dasselbe endlich zum aufrichtigen Bekenntniß seiner Seelenangst gebracht. In aufrichtiger Treue erzählte es, wie es ihm gewesen, aber wie es dasselbe vor Niemand hätte dürfen verlauten lassen, und dazu flossen die Thränen ihm stromsweise über das Gesicht wie Regen, aber wie Regen, durch den bereits die Sonne scheinet. Und es kam selbst dem Hansli warm die Backen ab, und als er mit der Hand über die Backen fuhr, gabs fast einen Ton wie wenn man mit einer Holzfeile über einen Laden fährt, und er sagte:„Das ist eyfalts vo d'r g'st Meitschi; meinst doch de bi üs obe syg me so schlecht, so nes Tröpfli da Weg ga für e Narre z'ha? Nei z'selb doch de nit. Es müsse hie ume schlecht Lut sy, daß d'r sövli schlechts z'Sinn cho ift. Aber wärist cho luege u cho frage, gäb de sövli usg'stange hest; söpli wyt ists doch nit.“ Es haäͤtte nicht dürfen, sagte Meyeli; wenn mes de eͤppe vom Hus g'jagt hätt, es wüß ke Mönsch was es ag'fange hätt, u wi es si hätt chönne v'rsünge. Aber wie es ihm g'si syg, chönn es Niemere säge; es syg ihm no jetz in alle Gliedere; es duechs, mi hätt ihm d'Gleych (Gelenke) usdrähyt oder abe nangere g'saget.Indessen ward es doch wieder fröhlich und heiter,konnte mit Röseli scherzen, konnte erzählen wie der Götti gewesen. Viel gesagt hätte er nicht; je länger Jakobli nicht gekommen, desto mehr hätte es ihn gelächeret; es hätte wohl gesehen, wie er es ihm hätte gönnen mögen, wenn aus Allem nichts geworden. Äber es nehme es auch kein Wunder; er werde nicht wissen,wer die Haushaltung machen solle, wenn es fort sei.Es müsse sagen, das g'mühe ihns; es sei doch geng d'r Götti, un es duechs, wenn es by nihm blieb no e Rung, bis er oöͤppe wieder e Angeri heyg, u das gang nit lang, su wär das nit z'unaständigiste. „Selb wey m'r nit mache, sagte Hansli; er cha luege wie ers macht, u für Geld gits Lüt gnue. D'Mutter lat d'r Bub nit furt wenn er will, u sövli Längizyti ha miechne no ung'sünger as er ist. U z'Sühniswyb lah Jumpfere sy, wos zʒWüstiste alles abthue muß, schickt si neue o nüt, we me selber z'werche u z'esse het, u no viel u dick frönd Lüt muß ha. Wes Hochzyt für ist, su chunst; es schickt si am baaste, wes dor emel recht ist.“

„B'hütis, sagte Meyeli, ih mache ja wie mes bifihlt; aber grusam Angst macht es mir z'cho, so ohni nüt, u nih förchte, ih chöns nit breyche u Jakobli werd reuig, u mi syg nit z'friede mit m'r.“ „Häb nit Chummer, sagte Hansli, es ist a alle Orte öppis,u my Alti brummlet albe einist; aber mi muß si desse nüt achte. Mach geng u säg nüt, su fehlts d'r nit.“

„Da möchte ich nicht dein Söhniswyb sein, lachte Röseli; wer Tüfel möcht geng mache u nüt säge?Wenn ih mache, su wott ih rede, d'r Blast (Athem)muß allweg use. Nei Aetti, gredt muß sy, u we Meyeli nüt säge soll, su gange ni no hüt zum Pfarrer u säge, er soll höre v'rchünte. Denk doch o, wed amene Morge dys Sühniswyb v'rsprengt im Bett fungist wie ne versprengti Büchse; du hättists doch o ungern.“ „Sövli g'fährlig ists nit, sagte Hansli; vo nüt säͤge ist o nit d'Ked. Aber du weißt wohl wie ni's meine. Aber es meint e Niederi, si müß rede,we si schwyge sött, u we si rede söll, su weiß me mängist längs Stück nit, ists e Stock oder e Moönsch,u gäb was me macht, es wott e ke Gux cho.“ „Du weißt aber o nit was d'iwitt, Aetti; bal soll me rede,u bal nit; dir ist bös z'breyche, ü wes no böser ist,dyr Alte z'breyche, su gnad Gott eme ne Sühniswyb.“„We ni nit scho eys hätt, su sieg ih: chum probir!sagte Hansli. Es ist ime Hus, grad wie ime Lied; da muß eys ufs anger lose, wes schön ga soll, u mängist muß eys süferli singe, we die angere am lutiste maqe,u mängist eleini singe, u mängist die angere eleini lah mache. U wie e nieders Liedee eigeni Wys het,fu hets o es nieders Hus, u wie me geng muß luege,a was für eme Lied me ist, we me afäat singe, su muß me o luege, us was für eme Ton es ime Hus gang.U darum geyts sövli bös, wil so mängs ime medere Hus ufem glyche Ton blybe will. Es ging o nit schön, we me es nieders Lied uf e glych Weg singe wett. Aber das cha me eym nit b'richte, mi muß selber 'G'hör ha d'rfür, u merke, welle Weg es am beste geyt.“ „Aetti, sagte Röseli, hest de das selber ersinnet? We das ist, ag'säh thät me d'ors nit.“ Du bist e Täsche, sagte Hansli. Aber my Großmutter het albez g'seit, we eine nit vergeß, was Aetti u Großaätti g'seit heige, u nihm selber ume alli Wuche eimst öppis z'Sinn chöm, su syg er doch no lang witziger as Mänge, wo meyni, es g'seyh z'Gras wachse'u PYhör d'Flöh huste, u si fast lätz sin, u d' Tärm usem Lyb drück für dir G'schyst z'werde. Ussi het g'seit, es syg de nit g'seit, daß me äll Tag alles säge müß, wo me wüß; we me ume alli Fraufasten Speck heyg, es duech eim am beste.“ „Ja Aetti, aber Speck u Rede ist doch nit z'glyche. Speck ha nih grad gnue, aber je meh nih rede, desto lüstiger duechts mi.“ „Du hests de mit em rede o wie mit em tanze, we d'Obrigkeit nit Fürabe miech, d'Meitscheni hörte nit uf, bis si d'Bey bis anne Stumpe zuche abgewetzt u abtanzet hätte. Aber ih u du heys nit glych. Tanze cha me 393 F'ganz Jahr, wed d'Gyge geyt, aber für z'säͤye (säen)güs nit so mänge Tag, wos gut ist, u i der Münz nuschet (wühlt) me all Tag, aber über d'Duble u übere Sparhafe geyt me z'Jahrs nit mängist, we me emel witzig ist.“ „Aber was chunt di de a, daß de hüt so über d'Drucke geyst, u da uschramest als ob bu uf d'r Wysheit Salomonis hocketest?“ sagte Röseli.„He los, du Schnädergätzi (Plappermaul), das will Vniswyb, will ih ume ey Bueb ha, u das ists, u das g'fallt mr, u nih däych, es chönn nit so übel gah,wes si öppe schicke wett. Aber d'Großmutter hets mängist g'seyt, es chöm alles druf a, wie eini über d'Schwelie trapp; we ne re d'r erst Schritt fehl, su heygs g'fehlt; das syg grad, wenn d'r erst Nagel,wo me id z'Schwelle vo me neue Hus schlach, rauchni,es nit fehl, daß z'Hus v'rbrönn. U da ist m'r dra g'lege, daß d'r erst Tritt nit fehl, u dem erste Tritt die angere nah ginge; vo wege z'Wybervolch ist es wunderlichs Volch, ih ha no vo kem sellige g'hört.We me Wy imme Faß het, su cha me öppe mit jungem zufülle, es macht nüt; aber we me alts Wybervolch im e Hus het, u es chunt jungs d'rzu, su faht's (fängts) geng a jäse (gähren), u mi muß gut d'rzu luege, daß es dem Faß nit d'r Bode use spreng. U dessetwege ha nih e weni drüber g'luegt übers Schatz-kaäͤstli u ha füre g'no, was m'r unger d'Finger cho ist,wo nih g'meint ha, es schicks si ͤppe.“ Hansli täuschte sich aber doch. Wenn man anfängt zu reden, kennt man selten die Triebfeder; hinten drein hat auch der Dümmste den besten Grund. Aber wer hat nicht schon gesehen, wie eine alte Schwarte weich wird an der Sonne, und wer nicht, wie ein alter Käusi in Gegenwart junger oder nur eines jungen Mädchens aufthaute, zwanzig, dreißigjährige Rinde schmolz, und aus der älten Hülle recht Junges und Reges zum Vorschein kam, daß man auf den Kopf hätte stehen mögen? Wer will sich daher wundern, daß es dem Hansli Jowäger auch so ging in Gegenwart zweier Mädchen, 394 von denen das eine ihn aufguselte wie man mit einem Stock am Ende auch das trägste Thier auf die Beine bringt, das andere aber wie sanfte Wärme aufthauend auf ihn wirkte. Schon der ritterliche Zug unter dem Vorwande eines Kuhkaufes zu seines Sohnes Braut hatte ihn aufgeregt, und eine längst vergrabene Entschlossenheit hatte er hervorgesucht, wie auch oft vor alten Zeiten Ritter zu ihren kuüͤhnsten Thaten Schwerter aus den Gräbern genommen.

Der Kampf mit dem alten Seppli hatte ihn noch mehr aufgeregt, und ich möchte fragen, ob, wenn vor Zeiten nach ruhmvoll bestandenem Turnir die Ritter unter ihren Schonen saßen, ihre Herzen nicht ganz flüssig geworden sein werden? Mehr als zwanzig Jahre hatte Hansli nie so etwas erlebt, nie sich so gestellt,nie alleine zwischen zwei so holden Mädchen gesessen;da muß man sich doch wirklich nicht wundern, wenn die alte Schwarte schmolz und ihm ganz wohlig ward ums Herz, und ihn duechte, wenn er Jakobli wär, so hätte er auch die genommen und keine andere, und wenn er dem Meitschi etwas ersparen koönnte, so möchte ers, und wenn er ihm ein Lieb anthun könnte, so reute ihns Geld nicht. So plauderte er mehr als er seit Jahren gethan, versäumte sich länger als er wollte,ließ aufwarten als ob er der Bräutigam wäre, begleitete Meyeli wieder zum Haus, und sagte dem Seppli noch nachträglich, er well sys Sühniswyb no da lah bis es Hochzyt g'ha heyg, de aber ke Tag länger, u er söll ume nache frage, so streng er mög, aber ihm sorg zum Meitschi ha, wenn es ihn füͤr e Götti ha söll, su soll er o wie ne Götti thue, u nit ume, wos ihm chumlig syg, sondern o wos Recht u Bruch syg.Seppli war nicht der, der sich nicht duckte, wenn er Hand ob sich sah; er konnte dann thun wie eine Katze,wenn sie zartlich wird. Er hieß Hansli in die Stube kommen; es sollte ihm ein Kaffee gemacht werden, und mit allen Herrlichkeiten des Hauses aufgewartet; er haätte unrechten Bericht vernommen; man häͤtte ihn für den lätzen angesehen, kurz deren Entschuldigungen hätte 3983 ein Hofscharwanz nicht besser gemacht, wenn er den König für einen Küchenjungen angesehen hätte. Aber Hansli war nicht beweglich; an alte Katzen war er went die machten keinen Eindruck auf sein Herz.r hätte gegessen und getrunken, sagte er, u müß hüt no e Plätz wyters, und er söll öppe nit Chummer ha fürs Meitschi; es chöm notti o zu Lüte. „Hest g'hört,u b'hüti Goti,“ sagte Hansli. „Du zürnst doch öppe nit? sagte Seppli; es wär m'r leid, ih has gut gemeint u mein es no so.“ „Was wett ih zürne, sagte Hansli; es machts e Niedere wie ers im Bruch het un ihms d'r Geist y git. Adie.“ Nach zehn Schritten stund er stille, winkte Meyeli und sagte: „Los Neuis!“ und als es willig und fröhlich herbeisprang,sagte er: „Chum e chlyseli (wenig) mit m'r.“ Als ein Ofenhaus, Bäume und ein dicker Dornhag vor neugierigen Augen sie deckte, zog er ein Hämpfeli Geld aus dem Busen, und sagte: „Es ist aständig, wenn es Meitschi, wes Hochzyt het, o nes Schübeli Geld het,daß es o öpperem chrame cha wos aständig ist, u wo nes gern möcht, u daß es nit so ganz blutts y zügle muß; da hest Neuis u bruchs wie d' witt, u schüch di nüt, wo das g'st isch, isch no meh.“ Das Meitschi weigerte sich erst, aber Hansli sagte: „Thu nit dumm u nimm, du bist ja jetz o mys King.“ Da fiel Meyeli dem Alten um den Hals und sagte: „O Aetti, o Aetti,ha ni wiederum e Äetti.“ „Du bist e Göhl!“ sagte Hansli, raspelte mit der Hand im Gesichte herum und pressirte weiter. Aber noch lange biß es ihn im Gesichte, und er führte Selbstgespräche bis er zum Schluß kam: „Apparti es bravs ist's nit; die angeri wär de viel die bräver g'si, aber es styfs ist's unes manirligs Wybervölchli; es duecht eim, bi dem sött es kurzwyligs Sy sy, d'ernebe weiß mes nit. Was es use me Meitschi für e Frau git, weiß ke Mönsch; es duccht eim mangist, us de schönste Himmelsguegiene sötts die wüsteste Donnerguege gäh.“ Darauf richtete er seine Gedanken auf eine Kuh, denn ohne eine solche wäͤre er nicht gerne heimgekommen, Anne Bäbi hätte sonst merken können,wo er gewesen, und wenn es gefragt, so hätte er nicht gelogen, das war nicht sein Brauch. Aber er wollie lieber, es frage nicht, denn er fürchtete Anne Bäbi,wie eigentlich so viele andere Männer ihre Weiber.Es ist nicht eine eigentliche Furcht, aber durch ein nachhaltiges instinktmäßiges Nichtnachgeben und immer von vornen anfangen, haben sie eine Gewalt gewonnen, die nicht immer sichtbar ist, aber die der Mann doch fühlt wie das Roß den Zügel, und gar mancher pressirt heim, läßt nicht wechseln, hat einen Schoppen weniger alles seines Weibes wegen, das ihn nicht prügelt, aber das ihm es zu erleiden wußte. Anne Bäbi hatte Hansli nicht verbodten hin zu gehen, er wußte nicht, was es dazu sagen thäte, wenn es es vernähme,aber er wollte es lieber nicht erfahren. Sein Lebtag hatte er nie so schnell eine Kuh gekauft wie dießmal,und noch nie eine so gute und dazu wohlfeile; es war als ob das Glück ihn expreß in das Nebeaushüsli geführt, wo wegen Mangel an Platz eine feil stand.Noch war es nicht Nacht als er heim kam, und die ganze Haushaltig stund um den Kleb und bewunderte Hanslis Geschick; selbst Anne Bäbi kam, aber als ob es die andern suchen und wegjagen wollte. Wo doch.die Stogline (Störche) all seien, es sei wohl d'r werth,wege me sellige Cheibechüli so z'säme z'stah u z'luege,wie we si ihrer Lebtig no nut mit Hörnere g'seh haue.Und als die andern auf das viergegetig üter wiesen und rühmten wie es eine g'modelte fei, so brummte Anne, Bäbi, es sei wohl“ d'r werth, so nes Wese Imache; wenn es hätt e ganze g'schlagene Tag nache stopfe welle, so hät es eint welle chaufe, no einist fo groß u no einist so wohlfel. Dann jagte es Mädi in die Küche; es solle ga yschnyde, su chönn me o einist esse, u we me ruüf, su solle st enangere nah cho, u nit mit dem Chuli die ganz Nacht d'Göhle mache, daß ste no i d'Brattig chöme; es syg st doch noui nit der werth mit eme sellige Grieggel“ Im Stall, als es sauber war vom Weibervolk und Sami molch, sagte Hansli: „Es laht di de grüͤße. ‚Wem? wo bist g'st?“fragte Jakobli. „He wem! sagte Hansli. Es ist di geng warte g'st, u wott de cho, we d'r Hochzyt g'ha heyt.“ Die Worte fielen wie ein großes Labsal in Jakoblis Längizyti, und wie auf einen Hammerschlag tausend Funken aus glühendem Eisen sprühen, so flammten auf das eine Wort Fragen die Unzahl auf in Jakoblis Gemüthe, aber nur eine kam zu Tage: „Ists no bim Gotti? oder ischs dppe im Wirthshus?“ „Bim Götti,sagte Hansli; dä het mi taube g'macht, aber dem ha nis du g'seit; er weiß es öppe jetz, daß m'r kener Hudellüt sy, ja wolle!“

„Still!“ sagte Sami unter der Kuh, „es chunt Neuer.“ Sie schwiegen; draußen ging der Wind; da wollte eben Jakobli eine neue Frage thun, als von der Küche her Anne Bäbis Stimme erscholl. „Wo bist?was Tüfels soll das gah? warum rüfst ne nit?“ „He!dir söllit cho esse,“ rief Mädi unter der Stallthüre;„ih ha ne g'rüft, aber es het ke Mönsch welle g'höre.“„Ja wolle, g'rüft, sagte Anne Bäbi, säg selligs de ame ne Stock.“ „Jo wäger ha ni g'rüft, betheuerte Mädi, aber mi g'hört, we d'r Luft d'r nah geyt, mängist nit wegem Brunnen.“ Und allerdings hatte Mädi nicht gerufen, aber horchen hatte es wollen. Es wußte wohl, daß der Stall das Gemeinrathzimmer war des Mannevolks, wie die Küche die des Weibervolks, und eine innere Stimme, ein unerklärliches Etwas, ein Etwas, das nicht bloß auf die Begabtesten des Jahrhunderts kömmt, sondern noch auf gar manches Mädi im weiten Lande, sagte ihm, Hansli habe nicht nur eine Kuh heimgebracht, sondern sonst noch etwas, und dieses Etwas wäre gerade jetzt im Stalle zu vernehmen. Statt zu rufen machte es sich leise dem Stalle zu. Aber weun Mädi leise gehen wollte, so war es bloß, daß es nicht schlarpete (schlürfte), das Abstellen hatte es nicht in seiner Gewalt. Sami hörte es immer in der Küche abtrappen, wenn er hinter dem Stall auf dem Bänkli saß. So kam es auch jetzt um seine Ohrenweide, und noch dazu zu sauren Augen von Anne Bäbi, und wie es auch den ganzen Abend ums Haus herumtrappete, um etwas zu vernehmen und damit Anne Bäbi zu versöhnen, so konnte es doch hell nichts mehr erhaschen. Es ging ihm akurat wie einem Knaben der Spatzen fangen, Salz auf den Stiel ihnen streuen will, aber allemal, wenn er zehn Schritte von ihnen ist, niesen muß; wenn er wieder aufsieht, husch,ist kein Spatz mehr da.

RNun war im Hause vieles zu beschicken, und Niemand schien daran hin zu wollen. Niemals fing Anne Bäbi gerne davon an, daß Jakobli eine neue Bekleidig haben, noch dieß und jenes gekauft, verschiedene Arbeiter her geheißen werden sollten. Anue Bäbi war es selbst Angst darum; denn wenn es schon im Kopf hatte, Meyeli brauche nicht hoffärtig zu sein, sondern alles sei gut genng für ihns, so wollte es doch, daß Jakobli daher komme wie es sich öppe schicke für einen der ein zahltes Heimeth hätte, und noch ein Schübeli Geld; man sollte sehen, von wem das Geld sei. Und wenn Jakobli doch ein armes Meitschi wolle, so brauche er sich auch nicht zu schämen, wenn es alle Leute wüßten, aber ihns, Anne Bäbi, sollte er dafür halten und ums Nöthige bitten, damit es erst rechts und links schnauzen könne, ehe es Gnade gewähre und Erhöͤrung.Es ward jeden Tag wilder, und als die Andern sich schon darein ergeben hatten, daß Jakobli seine letzte Sonntagsb'kleidig auch noch brauchen könnte, hielt es sich nicht länger, sondern frug ihn einmal hastig: „Du wirst nichts mehr mangein, du wirst dich schon versehen haben?“ „Nein, wäger nicht, sagte Jakobli,ich mangelte noch manches.“ „He nu su lueg, daß d's überchunst,“ antwortete Anne Bäbi, und schnurrete davon. Eine Stunde später ließ es sich wieder zu ihm, und fing, von neuem an davon zu reden, und sagte, ehemals seys d'r Bruch gewesen, daß me öpper d'er Mutter d'Ehr atha hätti ü st um selligs g'fragt,aber hürmehi mach es Nieders was es well AÄber es sei ihm gleich, es hätte nur weniger zu thun. Und ehe Jakobli antworten konnte, hätte es wieder den Weiten genommen in seinen Holzboden. Und doch keß 399 es es nicht leben, und ehe noch am selben Tag der Abend kam, war Alles abgeredet, und ehe der Hochzeittag kam Alles fertig; aber wunderliche Leute schaffen sich viele Plage.

Es wird dargethan wie Hochzeithalten kein Narrenwerk ist.Anne Bäbi hatte einen schönen Traum gehabt.Wenn Jakobli Lisi genommen hätte, so hatte Anne Bäbi sich bereits das Hochzeit ausgedacht. Das sollte in diesem Falle zu Gutmüthigen selbst gefeiert werden in seiner alterthümlichen Pracht, daß die Leute sich darob verwundern müßten und sagen, so ein Staatsmönsch hätten sie lange nicht zur Kirchthüre eingehen sehen, und e selligi vornehmi V'rwandtschaft syg o no nit bal z'säme cho. Wenn die Leute das Alles mit Staunen betrachtet hätten, so würden sie endlich fragen: „aber säget doch ume o, wie ist z'gowägers Bueb zu ere sellige Frau cho?“ de werd es heiße, sy Mutter het ihm d'rzu v'rhulfe, daß ist vo de Abg'richtetiste eine, mi g'säch er es nit emal a. B'hütis, er selber hät üser Lebtig nie ke selligi übercho; si steyt fry dem ganze Dorf wohl ci. So hatte Anne Bäbi geträumt,denn es ist in der ganzen Welt kein Anne Bäbi, das nicht auch seine Träume hat, so gut als die holdseligste Jungfrau, nur ganz andere. Diese Träume waren zu Schanden gegangen, das that weh, und Jemand sollte es doch entgelten. Anne Bäͤbi begehrte natüürlich nicht,daß sein Büb mit so einer ab der Gaß in Gutmüthigen Hochzeit halte, sondern je weiter weg desto lieber.Und so eine müsse nicht meinen, daß da Staat müsse gemacht werden; es söll in der Welt gehen, wie es sich für e jederi schick. So Eini sei gewohnt zu laufe,u für ihri Sache z'führe, werde man keinen Zug brauchen; die seien wohl zu tragen. Hätte er Eine genommen, wo o d'r werth g'si wär az'spanne, un sie öppis 400 z'führe g'ha hät, es hätts kes Geld g'reut; aber für es Huhn oder es Gitzi zMärit z'führe, un oöͤppe es paar Kuderbützi spann ke Mönsch en Esel a, vrschwyge de es Roß. So strafte nun Anne Bäbi seinen Sohn und dessen Braut dafür, daß es schöne Träume gehabt, die jetzt nicht in Erfüllung gingen; dafür, daß die Leute sagen werden, Jowägers Frau ist d'rwider g'yst, aber es ist ere recht g'schey, die weiß doch de jetz, daß si nit alles zwänge cha. Sie mußten ihm zu Fuß gehen und den Bündel tragen. Es frier se ume minger, sagte es; z'laufe erwärm, b'sungerbar we me öppe nit Kleider heyg für si recht az'lege.

So mußte also Jakobli zu Fuße gehen; er schämte sich fast; es durete ihn für Meyeli; se minger eis afe g'ritte syg, dest wöhler thühy es ihm, b'sungerbar uf eme eigete Wägeli, so dachte er. Und wenn einer so recht Liebe hat, so möchte er seinem Liebchen geben was nur zu geben ist, und wenn er mit Gott unzuliebten nicht die ganze Welt in die Hände gibt, daß er sie seinem Liebchen schenke.

Wie das gehen werde im Hause machte ihm bange.Ob wohl sein Meitschi alles von der Mutier annehmen könnte, wie sie es könnten und gewöhnt seien,dachte er. Sie seien daran gewöhnt und könnten sich darein schicken, ihm aber werde es fremd vorkommen,und es werde es nicht so annehmen können. Darauf komme es an, und wenn es es d'r Tusig Gottswille nur könnte, sonst wäre er bös z'weg; d'r Mutter etgege ha chön me nit, wes gut gah söli, u de d'Frau ume g'seh pläre u ere nit helfe, das brächt er doch schier nit üb'rs Herz, u da wüßt er wäger, wäger nit wie mache. Es ist aber auch nicht Wunder, daß dieses Jakobli so Kummer machte, denn weiß man doch nie voraus, wie zwei Gemüther zusammen passen, wie sie sich annehmen, vertragen können. Es ist mit den Gemüthern der Menschen wie mit den Stoffen der Erde,die einen ziehen sich an, die andern stoßen sich ab, so ist es von Natur. Nun aber ist doch der Unterschied,

401 daß der Mensch nicht durch Nothwendigkeit gebunden ist, sondern daß vor ihm das Gebiet der Freiheit ist,daß sein Geist über seine Natur gestellt ist, daß sein Geist die Natur zwingen kann, zu ertragen, was ihr anfangs zuwider ist, daß er andere Näturen in der Sanftmuth, der Liebe zu überwinden im Stande ist.Diese Gewalt des Geistes erkennt man im Allgemeinen an; aber wenn zwei Naturen feindselig zusammenstoßen, so muthet eine der andern zu, sie solle sich umgestalten, modeln lassen, und jede will bleiben wie sie ist, will des Geistes Macht sich nicht fügen, den Balken nicht aus dem Auge sägen lassen. Wo so die Naturen obermächtig sind, da ist ein ungeheures Ungefähr, ob wohl zwei zusammenpassen, und kein Mensch kann das vorauswissen, denn in jeder neuen Umgebung kommen neue Seiten der Menschen zum Vorschein, und in neuen Verhältnissen offenbaren sich immer neue Eigenthümlichkeiten. Da muß es einem allerdings schwer und bange machen, wenn man ein Weibchen nimmt,und noch dazu mit einer wunderlichen Mutter es zusammenbringt. Und wenn auch das Weibchen noch so sanft und weich und lieb scheint, wer weiß, ob nicht beim Zusammentreffen mit der Mutter eine Salz- oder Bitterquelle zu Tage springt, und das ganze Haus in eine Flut von Bitterkeit setzt, wie z. B. der artesische Brunnen zu Grenelle halb Paris unter Schlamm. Und wenn auch nicht, so ist des Weibes Gemüth vielleicht zu weich und zart für die Manövers der Schwiegermutter, und wird nach und nach zerrieben daß es ein Elend ist. Fragt einen Müller wie viel es darauf ankoömmt, ob gut gemahlen werde, daß zwei Steine, die auf einander laufen, in Härte und Weiche genau zusammen passen, und daß das noch schwer zu treffen sei. Und ist das bei Mühlsteinen schwer, die man doch mit Eisen und Stahl probiren kann, wie viel schwerer ist das bei Herzen, wo man mit keinem Finger daran längen kann. Es gibt Steine, die das Wetter nicht ertragen mögen, andern ist die Kälte zuwider, und obs nicht welche gibt, denen die Sonne nicht recht ist,26 weiß ich nicht; es gibt Zeuge, die man nicht waschen darf im heißen Wasser, andere nicht im kalten, andere soll man nicht bauchen, andere wollen keine Seife,und wäre ich eine Wascherin, ich könnte sicher noch hundert Dinge sagen, was die einen wollen, die andern nicht wollen. Aber von den Zeugen weiß man, ob sie von Wolle oder Leinen, bauelig oder halb und halb sind,oder seiden oder sonst etwas; von den Herzen weiß man das wieder nicht, kein Wäscherweib, die beste Baucherin nicht einmal, kann es einem sagen. So schwer und eigentlich unmöglich ist es von vornen herein,a priori würden die Gelehrten sagen, zu bestimmen, wie ein Meitschi in neuen Verhältnissen sich machen werde.Hintenher ist gut predigen, und a posteriori sind die Gelehrten b'sunderbar bischlagen, und können es einem Punktum sagen, wenns gedonnert hat, daß das gedonnert sei, und daß man das häͤtte voraus fehen können, denn wenn es heiß sei, so gebe es Wolken, und wenn die Wolken zusammenführen, so gebe es ein Donnerwetter, und wenn es ein Donnerwetter gebe, so klepfe es, und wenn es in den Wolken klepfe, so sage man dem Donnern.

Und wenn man eines Herzens Beschaffenheit auch ordentlich ergründet hat, so kommen beim Weibe namentlich, das empfänglicher und fruchtbarer Natur ist,lebendig ist in seiner Einbildungskraft, in Betracht,was für Samen in der nächsten Zeit ausgesäet wird in dessen Seele, und auch das liegt außer aller Berechnung. Wo ein Aas ist, da versammeln sich die Adler; aber wo ein jung Mädchen Hochzeit machen will, da laufen alle Weiber zusammen, junge und alte, und die Freundinnen werden noch einmal so zärtlich, und alle reden, und alle so streng sie mögen,und alle diese Worte sind Samenkörner, und fällen hinein aufs Herz, und nie ist eines Mädchens Herz empfanglicher, fruchtbarer, als in seiner Brautzeit.Und hat man auch wie ein Drache dieses Herz gehütet, gelingts vielleicht noch am Polterabend einen frevelnden Hand, die böse Saat zu streuen „ja mitten 403 in der Nacht kömmt der Feind Unkraut zu werfen in den durch den Tag behüteten Acker.

Und der arme Jakobli hatte dieses Herz nicht behütet. Lange drei Wochen war er ihm nicht genaht,und wenn kein anderer Wächter in selbem wachte, was mochte wohl da alles für die Zukunft bereit liegen?Hauptsächlich und vor allem gehen die meisten Reden der Freundinnen und Nachbarinnen da hinaus, daß das Mädchen sich tapfer halte; sie sind ähnlich denen,welche man einem Jüngling gibt, wenn er in die Schlacht zieht. E dumme Hung solle es nicht sein, sich nicht iassen ungere thu; gleich zeigen wies gah söll; wie me bett su lieg me; nüt na lah g'winn; mit süferli thue afa, u wes nüt nützi mit Wuüstthue es durezwänze. Un se Narr solls nit sy u bös ha; es sölls fis jetz gonne. Möglich daß die Stadtweiber und Meitscheni sich etwas feiner ausdrücken, und vielleicht sogar weltsch oder halbweltsch, aber am Ende ist doch nur der Unterschied, daß man auf dem Lande solche Räthe unverblümter und handgreiflicher gibt, in der Stadt mit mehr Rückhalt, verzückert und eben vielleicht halbweltsch. Wer wollte sich daher ver vundern, wenn das Mädchen, das vor drei Wochen zufrieden war, ein Herz erobert zu haben und selig war, Neuere z'ha uf d'r Welt, auf einmal eine ganz neue Welt vor Augen hat. Wer will sich wundern, wenn es den meisten Meitscheni am Hochzeitmorgen wird wie es Alexander war als er seine Macedonier sammelte, um Persien und Indien zu erobern, wie es dem Cäsar war als er ein Heer über den Rubikon führte, um Herr der Welt zu werden. Sie sind kühne Eroberinnen, eine jede eine Semiramis, ausziehend mit Hellebarden und Granaten, ein Reich, eine Welt sich zu erobern. Aber muß es solchergestalten einem Bräutigam nicht fast werden, wie es einem königlichen Sohne zu Muthe sein muß, wenn er den Feind ins Reich seines Vaters führt, oder wie einem römischen Senator, wenn er ihn führt ins Gebiet seiner Mutter? muß er nicht zagen und bangen über das Schicksal des Vaters, der Mutter, 404 den Ausgang des Kampfes, das Schicksal seines neuen Führers und sein eigenes endliches Schicksal? Und wenn des Kampfes Trompeten schmettern, wird da nicht seine Seele von den Tönen in zwei Theile gerissen, und einer strebt hiehin und einer dorthin, und ein Theil bindet den andern Theil, und von beiden Seiten schimpfen ihn die streitenden Partheien Verräther,und beider Streiche fallen auf ihn? Wer ist solchen Bangens Zeuge nicht schon gewesen, und wie Viele haben es nicht empfunden? Aber seltsam ist, daß das Umgekehrte nicht das gleiche Bangen zeuget, aber meist einen noch unglücklichern Ausgang hat. Ich meine, es geschehe nämlich oft, daß Einer auf dem Throne eine zuswärtige Macht zu Hülfe gerufen, um inländische Feinde zü beg'wältigen, um desto mächtiger den eigenen Sinn geitend zu machen. Herodes, welcher die Römer zu Hülfe rief, die Römer, welche auf die Barbaren sich stützen wollten, und tausend andere Beispiele predigen laut die Lehre, wie so zu Hülfe gerufene Freunde zu Meistern und zu Tyrannen werden, wenn nicht noch gesunde Kraft genug da ist, sie zu überwältigen. Und doch helfen alle Warnungen der Geschichte nichts, und alles Hinweisen auf sie hilft nichts. Wem es in den eigenen Beinen fehlt, will halt Krücken, und wer z. B. in der Schweiz mit seiner schlotternden Zunge und wackelnden Beinen das Männchen machen möchie, greift nach Krücken, der eine kriegt ang'fähr Radikale, der andere Rothstrümpfler; dem einen gibts Propagandisten daraus, dem andern Jesuiten, und gäͤb wie man warnt, es hilft alles nichts; wie er fühlt,wie eng es im eigenen Hause wird, und wenn man es ihm einmal vereitelt hat, so versucht ers zum zweitenmal, und wenn es nicht gelingt, so kupet und tubelt und taubelet er zur Abwechslung daß es grüslich ist.Gerade wies Anne Bäbi haben sie es, das eigentlich Meister war, aber noch Meisterer sein wollte, und derethalb List ins Haus wollte, und nicht begreifen wollte, daß es ihm noch tausendmal ärger gegangen wäre als dem Herodes mit den Römern; dem ließen 408 die Römer doch noch etwas von der Sach, gleichsam die Hinterstube; Anne Bäbi aber hätte ins Ofenhaus sollen, und nicht einmal ein Huhn haben können, und gegen ein manierliches Söhnisweib, das den besten Willen hatte, waffnete es sich mit Hellebarden und Granaten, und das, welches Kräuel machte an allen Gliedern, und so lange als es konnte, hatte es für alle Gewalt ins Haus wollen. So muß es einen bei solchen staatsrechtlichen Verhältnissen nicht Wunder nehmen, wenn es Jakobli Angst machte, ein Weibchen zu holen; wußte er doch nicht, was daraus werde,und dachte er, wie übel er z'weg kommen müßte zwischen Frau und Mutter, wenn die Sache z'ungutem g'rathen sollte, noch viel schlimmer, als es einem Finger geht, wenn er zwischen Thüre und Angel kömmt.Wenn die Achtung vor der Mutter den Mund verbindet, die Leiden der Frau das Herz zerreißen, die Mutter schreit: „du mußt er es säge, mußt ere d'r V'rstang mache, we si ne nit selber het, du Fösel;“ die Fraü klagt: „lieb hest mi nüt, du wurdist sust nit so lah mit m'r umgah, wurdist d'r Mutter d'r Marsch mache;aber du wottsch es mit Niemere v'rderbe, du Höseler,was de bist;“ da ist wirklich ein schlimm Dabeisein,und es gehört ein anderer Kerli dazu als so ein Jakobli, um in solcher Bedrängniß zwischen zwei Weibern das rechte Loch zu finden.

So wanderte tiefsinnig Jakobli Raxigen zu. Aber wie in dunkler Nacht Raketen prächtige Streifen ziehen und ein schön Luegen ist, wenn ihre sprühenden Funken Sternen gleich den Himmel zu bevölkern scheinen,so warf auch die Liebe, und das Sehnen, und das Bewußtsein eine Seele gefunden zu haben, helle Lichter in sein dunkles Sinnen, und hinter diesen Lichtern,wie die Sterne hinter den sprühenden Funken, stand ihm das Vertrauen zu seinem lieben Herrn und Vater im Himmel, der bisher Alles so wohl gemacht und ferner Alles wohl machen werde.

Und wie er so wanderte und sann, knallte plötzlich ein Schuß durch des Abends Dunkel, und noch einer 4060 und noch einer, und die Schüsse wiederholten sich von Zeit zu Zeit und immer erschütternder, daß Jakobli dachte, das müsse ein groß und vornehm Hochzeit sein,welchem man schieße, bei ihm gehe es mit Mingerem zu. Hätte er daheim Hochzeit gehalten, so wäre diese Ehre ihm auch geworden. Aber Jakobli irrte sich,gerade zu seinen Ehren geschah es von Röseli veranstaltet. Es hatte ihm gar prächtig geschienen, wenn dem armen Meitschi zu lieb und dem Götti zum Aerger geschossen würde nach alter Sitte, als ob die reichste Bauerntochter Hochzeit hielte. Dieses Schießen ist eine militärische Ehre, und stammt aus den Zeiten her, wo jeder Berner wußte, daß er ein geborner Soldat sei, und jeder Berner durch ein Gesetz gebunden war, in kriegerischem Schmuck Hochzeit zu halten,bewaffnet in der Kirche sich einsegnen zu lassen. Dieses Schießen, das noch immer gehört wird, ist Ursache von vielem Unglück; von solchem Schießen verstümmelte Menschen sieht man mehr im Bernerlande als im Kriege wund gewordene. Deßwegen aber möchte doch solches Schießen nicht zu verbieten sein;wegen jedem einzelnen Unglücksfall soll man nicht ein Gesetz machen. Den Schießenden aber sollten die hundert Beispiele, die sie vor Augen haben, Vorsicht und Mäßigkeit predigen, und die Lehre, daß wenn Brönz zum Pulver kömmt, der Tüfel nicht mehr sicher ist,und kein Katzenkopf hart genug. Es wäre hier eine schöne Gelegenheit, ein halbes Dutzend Arme und Beine in die Luft zu sprengen, und etwelche Aerzte damit in Verlegenheit zu setzen. Indessen um der Aufrichtigkeit willen, da von allen dem nichts geschah,soll bei der Wahrheit geblieben und gemeldet werden,daß Rööseli von seinem Einfall keinen solchen Verdruß bekam. Es hatte denselben dem Hansli mitgetheilt.Dieser besaß noch nicht die neue Sparsamkeit, die alles überfluüͤssig findet, was man nicht selber ißt; denn die Summa der neuen Weisheit liegt ausgedrückt in dem Sprichwort: selber esse macht feiß; sondern er hatte noch ganz den alt adelichen Sinn, der bei Gelegenheit zur Ehre des Hauses und zum Ergötzen der Andern ein Erkleckliches aufgehen zu lassen wagt. Er gab daher Röseli Beifall und Vollmacht, dafür zu brauchen was hier üblich sei; es söll ne nüt reue. Röseli hatte alle jungen Bursche am Bändel; Meyeli war auch beliebt; dem alten Seppli machte jeder gerne eine Täubi; es war ihm daher leicht, das Schießen anzustellen. Reichlich Geld zu Pulver gab es, aber zu Trinken keinen Tropfen auf den Schießplatz. Wenn sie kein Pulver mehr hätten, so sollten sie ins Wirthsbaus kommen, sagte es, da müßten sie haben bis genug, und der Wein dunke sie nur um so besser, sagte es, wenn sie nicht schon mit einem vollen Kopf herkämen oder gar mit einem zerschessenen.

Jakobli kam ins Wirthshaus, und in sein Sinnen war nun auch der G'wunder gekommen, wem man so schieße, und ob die, denen man es thue, morgen mit ihm Hochzeit hätten. Er fragte daher Röseli, das schon lange seiner geharrt hatte, noch eher nach dem Schießen als nach seiner Braut, und Röseli, das noch nicht in die ziemliche Reihenfolge der Fragen sich einstudirt hatte, und aus der Verletzung dieser Reihenfolge der Fragen kein Hauptverbrechen machte, wie es manch zimpfer Meitschi in der Stadt gethan haäͤtte,wollte ihn rathen lassen.

Jakobli aber errieth es nicht, und hörte mit Staunen, daß er ins Dorf gezogen war wie ein König in seine Hauptstadt unter Kanonendonner, mit dem Unterschiede nur, daß er nicht wußte, wem das Donnern gait, und daß er zweibeinig einzog, während ein König achtspännig einfaäährt. Aber Gedanken hatte er auch gehabt, üngefähr auch wie ein König sie haben soll,nämlich schwere und bange, wie er zu thun habe, daß es gut komme in Zukunft, und wie er sich einstellen müsse, damit man mit ihm zufrieden sei, und er nicht zwischen Thüre und Angel gerathe. Solche Einstands-gedanken sind sehr wichtig; es kömmt aber alles darauf an, ob fie demüthig oder hochmüthig seien. Sind solche Einstandsgedanken, die jeder hegt, der in ein 408 neu Berhältniß tritt, jedes Kindermeitschi und jeder König, jeder Mauser und jeder Minister, jeder Standesweibel und jedes Standeshaupt, hochmůthig und gehen da hinaus, daß die Welt noch nie so etwas erlebt, nie einen solchen Mauser oder einen solchen König,nie ein solches Kindermeitschi, ein solches Standes haupt, so kann man fast darauf zählen, am Ausgang hängt Spott und Schande, und der Hochmuth nimm einen bosen Austrag. Da wären Beispiele zu erzählen, könnte aber stinken in der Fechtschule! Sind die Gedanken aber demüthig, sieht man die Größe seiner Aufgabe, wiegt man mit Angst seine Kräfte, sieht mit Bangen und Verlangen zu dem empor, in dem Hülfe die Fülle wohnt, in dessen Hand Segen und Gelugen ruhen, dann wird so gerne der Ausgang ein gesegueter, und ein neu Beispiel wird gegeben, wie machtig der Herr im Schwachen sein kann, wenn er demuüthig seine Hülfe sucht.

Wie drinnen in der Stadt den König eine Illumination erwartet, Vivats ertönen, ein Mordspecktakel ezeht „so ging auch vor Jakobli ein heller Abend auf.

Sein holdes Mädchen kam, nach drei unendlichen Wochen sah er es wieder. Was meint man, wenn einmal drei Wochen lang die Sonne ausbliebe, aber am zwei und zwanzigsten Morgens glühten Lichtstreifen durch die Nacht, und sie höbe wieder ihr strahlend Haupt über die Berge, wie würde da dem Menschen sein Herz so voll Dank! Freude, Entzücken schlügen über ihm zusammen, in jedes Auge würde die wunderbare Schrift treten, die keine Worte hat, keine Schriftzeichen, die unaussprechlich ist, und die doch jeder versteht, und die das herrlichste Gebet vor Gott ist. So war es selben Abend Jakobli, als er sein Meyeli wieder hatte, als es ihm so lieb und gut in die Augen sah,mit seinen wunderbaren tiefblauen Augensternen. Der Kanoniere lustige Fröhlichkeit war gleichsam der strahlende Kranz um die stille sinnige Freude der Brautleute,und zwischen beiden hin und her der bewegliche Dia 409 mantenstrauß, bewegte sich Röseli in muthwilliger Lust,strudelnd aus dem Bewußtsein, ein gut Ziel glüücklich erreicht zu haben.

Ein solch fröhlicher Abend wirft Wellen, den Meereswellen vergleichbar, und wie diese an heitere Ufer schlagen, und an diese Ufer Schiffende tragen, so tragen sanft und leise glücklicher Abende tanzende Wellen manch Menschenkind an glückliche Gestade, an traumreiche Inseln, in des Paradieses verlornen Garten, den wachend kein Sterblicher findet. Aber wie die Fluth ans Ufer rauschet, so rollt die Ebbe Welle um Welle zurück auf des Meeres bewegte Höhe; aus der Ruhe steiget die Bewegung, aus der Racht kommt wieder der Tag, und einen neuen Anlauf nimmt das Leben,zur Höhe den Menschen zu führen, und manchen bewegt es nicht, und mancher, wie hoch ihn auch das Leben hebt, rollt über Nacht immer wieder tiefer als der Tag ihn gehoben.

Die helle Morgensonne sah freundlich durch ein kleines Fenster, sah in kleinem Stübchen zweien rosigen Mädchen und ihrem Treiben zu. Auf einer Stabelle saß das eine, das wunderholde Gesichtchen dem Fenster zugekehrt, goldene Locken lang und seiden umflossen aufgelößt das liebliche Bild. Hinter ihm stand schalkhaft und muthwillig, schlank und kräftig ein anderes Mädchen, und füührte emsig und geschickt den engen Kamm durchs reiche Haar der andern, das wie goldene Wellen ihm durch die Hände floß, scheitelte dann die Haare in zwei Hälften aus einander, daß kein Härchen mehr auf der einen Seite war als auf der andern, und schlank und grade wie eine March zwischen zwei Landestheilen, des Hauptes Marche von der Stirne zum Scheitel lief. TDann ward die eine Hälfte wieder getheilt, und beide Theile, zwei schlanke Flechten, zweri glatten Schlangen gleich, in die breite geblümte schwarzseidene Schnur geflochten, die bis auf den Boden reichte, und als die eine Hälfte fertig war, kam die Reihe an die andere Hälfte, und kein Härchen durfte seine Spitze strecken wohin es wollte,jede mußte eingebogen, die ganze Züpfe mußte glatt und jede Flechte makellos sein. Das ganze Werk ward mit einer Sorgfalt vollbracht, daß man wohl sah, daß es das Haupistück der Arbeit sei, und mit einem Geschick, von dem manche Kammerfrau hätte lernen können, und dazu alles ohne Pomade, nur hier und da ward der Kamm in Wasser getaucht. Als alles gethan war, sagte Röseli: „Stang uf u lue, ih ha ag'wengt was ih möge ha.“ Meyeli trat vor den Spiegel, und wie ein Thautropfen in weißer Rose, in dem die Sonne sich spiegelt, strahlte ihm sein Gesichtchen entgegen und färbte sich immer höher, je röther auch sein Ebenbild im Spiegel ward. Es war als ob sie eine Zwiesprache führte, die Niemand hörte,Dinge sich erzählten, die Niemand wußte, und ob diesem ging eine helle Morgenröthe, einen neuen Tag verkündend, in beiden Gesichtchen auf. Dann warb um den schlanken Hals das schwarze Göller gethan,an dem schwer und blank die silbernen Kettlein hingen.

Zum ersten Mal sah Meyeli diesen Schmuck, und durfte ihn fast nicht anthun, und hatte doch seine kindliche Freude daran; denn wo ist das Mädchen, dessen Augen nicht um so dunkler funkeln, je heller sein Schmuck strahlt? Dann ward das seidene Halstuch über das weiße Hemd geheftet; dann z'Chuttli von feinem schwarzen Guttuch angezogen, die Arme in den

Aermeln z'weg gestreckt, endüch die schöne Kappe mit den reichen Blonden und den mächten Schnüren (breite

Seidenbande) aufgesetzt, und fix und fertig bis ans

Kränzlein war ein höldselig Bräutchen, und Roslein freute sich nicht wenig seines Werkes, schlug die Haände zusammen und sagte: „Myr Lebtig hätt ih nit glaubt,daß d'Kleider sößli machte, u daß si dir so wohl astienge (stünde). Du bist ganz es angers, u wih bi froh, daß du furt chunst, vebe dir schin Niemere nüt meh. Un we me öppe o nit z'eydiste ist, u d'Nafe o z'mitts im G'sicht het, gege dir ist me ume e Kuchimutz.“ „Du bist geng z'gloche u weißt all Lut us z'spotte,“ sagte Meyeli aber nicht böse. Die schöne 4141 -Tracht, das rauschende Zeug, das seidene Fürtuch,die unter dem Kuttli hervorglänzenden Häfte, alles das kam ihm so seltsam vor, es dünkte ihns, es sei eine andere Person, und vor dieser andern Person empfand es ordentlichen Respekt, und war so demůthig in seinem Herzen, und machte sich so klein, daß es sich gerne verborgen hätte in des Stübchens finstersten Windel. Aber Röoseli musterte es hinaus in die Gastflube, wo Jakobli wartete und seinen Augen nicht raute, als das schmucke zierliche Kind unter die Thüre trat; eine fremde Hochzeiterin, meinte er, stehe da,die ihm aber doch so bekannt vorkam, als ob er sie erst gesehen. „Donstig, sagte er endlich, bist du es?ich kannle dich nicht.“ Da ward Meyeli roth, und Röseli meinte sich, pries seine Einkäufe, strich um Meyeli herum, und strich es heraus von allen Seiten,daß dieses immer verlegener ward, immer demüthiger,und fast zu weinen angefangen hätte. Solche Kleider,D ihns; was doch die Leute fagen würden, gestern noch so verhudelet,kein gerechter Faden am ganzen Leibe, hente nun in solchem Staate, und morgen wieder in den alten Kleidern, das schick sich nicht, und es schäme sich, daß es fast nicht aufsehen dürfe. E Minders hätte es besser gethan, und wäre anständiger gewesen. „Was werden“doch die Leute sagen? ich darf wahrhaftig nicht vor das Haus hinaus.“ „He, was werden sie sagen?sagte Röfeli, es stehe dir wohl an; wer das bezahlt hätte, musse Geld haben, aber sie hätten es auch geuommen, wenn es einer ihnen hätte anschaffen wollen;aber so g'fellig (glücktich) Hüng seien sie nie gewesen;wenn ihnen einer hätte eine Halbe zahlen sollen, so hätten sie erst ihre liebe Noth gehabt, v'rschwyge we fĩ öppis angers welle häätte. E Theil wird d'rs gönne n e Theil nit, wies geyt i d'r Welt. Aber jetz hesche,u es ist zahlt, u das ist d'Hauptsach, u jetz biß zifride.“

Solche Zusprüche warfen allerdings sonnige Streifen über Mihelis Gemüth, und es konnte sich freuen seines Staates, und daß so etwas sein eigen sei; es strich mit der Hand über das seidene Fürtuch, fuhr mit der Hand an den Kopf, sich zu verg'wissern, ob die schöne Blondenkappe noch oben sei; streckte bald ein Füßchen, bald das andere unter dem Kittel hervor, und freute sich der schönen weißwollenen Strümpfe,der gattlichen Schuhe, und doch hatte es die Zehen nicht über einander gedrückt, als der Schuhmacher ihm das Maß nahm, wie viele hoffärtige Mädchen thun,die kleine Schuhe haben möchten, und damit der Schuhmacher kleine mache, ihn betruügen auf alle mögliche Weise; was ihr armer ehrlicher, breitlochtiger,starkknochigter, verbeulter Fuß dazu sage, das fragen sie nicht. Der aber ist nicht dumm; wer Sonntägs Mädchen sieht, die wie auf glühendem Eisen gehn,denen allemal, wenn sie den Fuß absetzen, und noch so leise, das Wasser in die Augen schießt; ja wer das Glück hat, solche süße Kinder mit breiten Füßen,die klein sein sollten, mit den Schuhen in den Händen anzutreffen, wandelnd in den Strümpfen, der denke nur, das ist auch eine, die den Schuhmacher hat b'scheißen wollen, und jetzt treibt der Fuß ihr ihre Schalkheit ein, von wegen mit den Füßen ist nicht spaßen, das sind kybigi Bursch. Wenn des Meitschis Natur sich geltend gemacht, und vom Weinwarm gegessen, das Röseli ihnen aufgestellt, so tauchte doch wieder übers Meitschi ein ander Wesen auf, das dachte an die Zukunft, was ihm warte, wie es bestehen möge,an die Vergangenheit, an seine seligen Eltern, was die sagen würden, wenn sie das erlebt. Es sah vor seinen Augen, wie die Mutter gestorben, und gerne gestorben, aber doch über ihre Kinder geweint, daß sie keine Mutter mehr hätten, und hörte noch alle Worte, wie drungelich sie dem Vater die Kinder anempfohlen, und daß er bete mit ihnen, vor bösen Händen sie wahre. Es sah den Vater sterben, wie es ihn so hart hielt von seinen Kindern weg, und wie er innerlich so viel betete, daß der himmlische Vater ihr Vater sein möge; es sah noch seine Augen, wie er ste ansah eins nach dem andern, fast als ob er sie zähle, und wie er dann seine Hände zusammenlegte und aufwärts sah, und wie dabei sein Auge dunkler und dunkler wurde, wie er zwei schnelle Athemzüge that, die Hände aus einander fielen, das Herz stille stand. Es war ihm wie damals, als sie im engen Stübchen ohne Mutter, ohne Vater waren, eine unendliche Trostlosigkeit über sie kam, und in so recht innigem Elend ihre Herzen zerspringen wollten. Ohne daß es es wußte rannen die Thränen ihm die Backen ab, daß Jakobli es recht ungern hatte, nicht bloß von wegen den Leuten, die ab und zu gingen, denn alle die im Wirthshause waren, wollten sehen, wie schön Meyeli sei und wie wohl ihm die Kleider stünden, sondern es fing ihn an der Gedanke zu plagen, ob wohl das Meitschi reuig geworden sei, gerne zurück möchte,ein anderer im Herz ihm sei. Er war so innig, so still in sich selbst glücklich gewesen ohne Worte, da kam es wie eine schwarze Wolke über seine innerliche Freude; er mußte fragen: „Bist reuig?“ „Nei wäger nit,“ sagte Meyeli, und legte seine Hand in Jakoblis Hand, und sah ihn an daß es war, als käame seine Seele herauf aus ihrer geheimen Wohnung, träte sichtbarlich in die Augen, und wölbe mit den Strahlen des reinsten Lichtes eine Brücke sich hinüber in der andern Augen, schwebe hinüber zur andern Seele,gatte sich mit ihr zum ewigen Bunde.

„Nei, wäger nit, sagte Meyeli. Ih ha a Vater u Mutter g'sinnet, wie si hey müsse sterbe, u wie si so ungern vo n'ihs weg sy, un du ha n'ih g'snnet,ob si ächt jetzt o wüsse, wies ihs geyt, u daß ih so glücklig worde syg.“ Da schwand die Wolke wieder von Jakoblis Seele, und Meyelis innige Seele trat zu seiner Seele, und zwischen ihnen war weder ein Dunkel mehr, noch eine Kluft, und Jakobli sagte:„Es duecht mi geng, es chönn nit sy, u we n'ih m'r doch de säge, es syg, su duechts mi de, ih heyg das nit v'ordient, u de wirds m'r wieder Angst, es chönt no nüt drus werde, oder es chönnt no angers cho.“ 414 Da fing es an zu Läuten. Die Glocken haben einen wunderbaren Klang. Wer, der mit einer Leiche gegangen ist oder mit einer Taufe, hat die Klänge nicht im Herzen empfunden, wenn diese mahnend zu ihm herüber klangen? Aber noch viel anders läuten sie im Herzen der Braut, wenn sie rufen zum heißen Steine,zum Prüf- und Magnetsteine der menschlichen Natur,wo es sich bewährt, was ächt ist und was Flitter ist,wo das Gold zu Tage kömmt, Stroh und Stoppeln verweht, verbrannt werden. Selten eine ist so roh,daß sie nichts empfindet, daß nicht eine Welle aus dem Meere bräutlicher Empfindungen, gemischt aus Weh und Wonne, über den Rand ihres Gemüthes schlägt. In Meyeli rauschten sie mächtig auf, und auch Jakobli ergriffen sie und bewegten sein Gemüth.Es waren nicht besondere Gedanken, die sich gleichsam Bild um Bild vor ihre Seelen stellten; es war ein gedankenloses aber tiefes Empfinden; wie im heiligen Haine der Wind durch die Eichen zieht, so war es ein Wehen des Geistes in ihren Herzen; er machte keine Worte, und doch erklang seine Rede hinein in die innersten Falten des Herzens. Und des Pfarrers Wort, als er den Segen sprach, war nicht die Macht,welche die Fluth aufregte, sie waren nur der Wind,der hinter der Fluth herrauschet, die Wellen höher hebt, eine bestimmte Richtung ihnen gibt. Sie sind selten die Augenblicke im Menschenleben, wo in Weh und Wonne die heiligen Fluthen weit über alles Denken gehn, und den Menschen versenken in den tiefen Brunnen heiliger Andacht, süßen Bangens, heißen Sehnens.

Schon lange hatten sie wieder die Kirche verlassen,und noch war Meyeli so seltsam zu Muth; es wußte nicht wo es war; es hatte Augen und sah nicht, Ohren und hörte nicht. Es war als ob sein ganzer Mensch inwärts gezogen wäre in die innersten Kammern der Seele, und von der Welt nichts merkte,von den Menschen rings nichts vernähme. Aber die Welt duldet ein Weilen in diefen wunderbaren Kammern nicht lange; des Tages Brandung erhebt feindselig gegen des Geistes Rauschen sich; der Mensch muß wieder hervor, hinaus, muß Bescheid geben des Tages Pochen,und Rede stehen den fragenden Menschen, wie auch so oft der Klopfer an der Thüre den Menschen aus Beten und Sinnen hinaus vor die Thüre ruft, nicht schweigt, bis er draußen ist. Und gar oft ist das,was ihn hinaus geklopft, im grellsten Gegensatze mit dem, bei dem er drinnen war, und die Zustände, in welche des Tages Brandung ihn wirft, sind himmelweit verschieden von den Empfindungen, in denen er sich im Grunde seiner Seele gewiegt hatte. Meyeli mußte in seines Göttis Haus, mußte dort zusammenpacken, Abschied nehmen von ihm, von den Kindern,mußte durch das Dorf gehen, von allen sich besehen,ansprechen lassen. Vielen Bräuten oder jungen Weibchen ist das so unlieb nicht; andern aber ist es peinlich; sie kröchen lieber zur Katze unter den Ofen, als daß site mit dem neuen Ehemann über die Gasse gingen.

Jakobli begleitete sein junges Weibchen; er wollte den Götti sammt seinen Kindern zum Essen einladen;zudem hatte er sich nicht gerne von seinem Weibchen getrennt. Wenn es fortgeblieben wäre eine Vierteleine halbe Stunde, er hätte geglaubt es sei fortgelaufen, jemand hätte es gestohlen, es sei ihm sonst ein Unglück begegnet. Was so junge Eheleute voll Aengsten sind, man glaubt es nicht, später werden sie kaltblütiger.

Wo sie durchgingen sah man ihnen freundlich nach,und wem sie begegneten, der sprach sie freundlich an: „E tusig Meyeli, wie hoffärtig!“ sagte das Eine; „dolder abe nange, du g'fielst m'r o!“ ein Anderer: „So,das ist da, wo d'Meitleni nimmt wie d'Schwalbeli d'Mugge, u so ne ufläthige Grüsel, wie me g'seit het,ist er notti nit,“ sagte ein Dritter. Nur hier und da hinter einer Thüre oder einem Brunnenstock standen einige, die fürchteten im Rest zu bleiben, Töchter und Mägde, und die eine sagte: „Pfi Tüfel, wenn'ih de e sellige welle hät, mängs Hundert hät ih de scho chönne ha;“ und die andere sagte: „Lueget, was däGrieggel für Kleider anne het; es ist si doch d'r werth,e sellige Besestiel daäweg z'b'kleide; es muß e dumme Hung sy; er hät süst uf eini g'luegt, wos o d'r werth g'si wär.“ Und eine dritte: „Es ist ume lätz, daß ih nit zu n'ihm ha chönne cho, gäb er b'hanget isch,ih hät ihm welle Sache säge, es wär ihm erlädet, u das frömd Dreckloch spazierte nit wie ne Pfau des ume. Aber so ists i der Welt, de nütnutzigste Täsche kalberet z'Glück Eine zuche, wo nes bravs Monsch si d'Auge usluege cha, un es chunt doch e kene.“

Bei Sepplis Haus zeigte sich Niemand. Von weitem hatten sie Kinder gesehen, aber als ob sie auf der Lauer gestanden, schossen dieselben, als sie die Kommenden erblickten, ins Haus, nur die Katze war draußen geblieben, und strich mit hoch gehobenem Stiele an Meyelis Füßen herum.

Meyeli schloß die Thüre auf, in der Küche handthierte Sepplis neue Gehülfin, und gab auf Meyelis freundlichen Gruß keine Antwort. Drinnen in der Stube waren die Kinder, und thaten als kennten sie Meyeli nicht mehr, und doch sah man ihnen an, daß das Fremdethun ihnen nicht aus dem Herzen kam, und etwas wie alte Anhänglichkeit lag auf ihren Gesichtern. Das junge Weibchen hatte ihnen allen etwas gekramet, aber sie wollten nichts nehmen, legten die Hände auf den Rücken, und erst als das Jüngste begierig in den erhaltenen Lebkuchen biß, konnten sich die andern nicht enthalten, auch nach ihren Gaben zu langen. Da kam Seppli, erwiederte die Grüße kaum,sah scheel die Kinder an und sagte, es dueche ihn, sie haätten das können bleiben lassen; er hätte gute Lust,allen die Ruthe zu geben. Meyeli sagte, wenn es ihm recht wäre, so wollte es seine Sächen einpacken und mitnehmen, sie wollten gleich nach dem Essen d'r dür hey, z'Mas Eltern verlangten es, und weil er Jemand anders habe, so werde es ihm nichts machen.Jakobli aber lud ihn gar dringend ein ins Wirshshaus mit ihnen zu Mittaäg zu essen, und die Kinder auch mit zu bringen, er hätte bestellt, und ungern, wenn er nicht käme. Aber Seppli sagte, er hätte selber zu essen daheim, und nicht im Brauch i d'Wirthshüser yhocke; brav Lüt thäten das nicht. Aber recht sei es hin, wenn Meyeli mache, daß es weg käme, es und seine Sachen; er hoffe aber, es werde seine und ander Leute Sache wohl von einander kennen. „O Götti,sagte Meyeli, han d'r je öppis v'runtreuet? u chum cho luege, was ih nihme.“ „Da chönnt ih lang,sägte Seppli, we me felligs im Sinn het, su wartet me nit bis z'letsch. Aber mach u gang, es blanget mi jetz o, bis de furt bist. Dem mit Thränen in den Augen nach seinem Kämmerlein gehenden Meyeli wollte Jakobli folgen, aber es hieß ihn bleiben; es werde gleich wieder da sein. Es schämte sich vor ihm,seine Hüdeli einzupacken, seine zwei guten und drei bösen Hemdchen, seine drei Mänteli, wo es bei zweien die größte Mühe kostete, die Löcher zu verbergen, seine zwei Kitteli, von denen einer bös war und der andere noch böser, sein Gloschli, das einmal roth verbändelt gewesen war, jetzt aber ringsum Fransen hatte. Alles das und noch einige andere Stücke, die einmal neu gewesen waren, packte es in eine alte Ziehe, und dachte bei jedem Stück, wenns doch Gottes Wille wäre, daß Niemand beim Auspacken sei. Und erst jetzt war es so recht reuig, daß es nicht Röoseli mit aller Macht von den schönen Kleidern abgehalten, und auch alles Geld, das Hansli ihm gegeben, für währschafte Kleider angewendet. Aber erstlich ließ der Götti es nicht aus den Augen, und zweitens hatte es gar große Freude am Gelde selbst gehabt. Wenn es so große schöne Silberstücke gesehen, so hatte es manchmal gedacht, ob es wohl auch einmal so glücklich würde, solche im Besitz zu haben, und wenn es sie hätte, wie wollte es sich ihrer freuen, wie Sorge tragen zu ihnen. Jetzt hatte es deren mehrere, und hatie richtig Freude an ihnen und ans Ausgeben nie gedacht. Erst jetzt, wo seine Armüthigkeit ihm Stück 27 418 vor Stück in die Hände kam und vor Augen trat,erst jetzt fiel es ihm ein, was es häͤtte thun sollen.Wenn es schon von Allem wenig hatte, so gab doch alles zusammen noch einen ordentlichen Bündel, und noch einiges blieb übrig, mit welchem es ein alt Wartsäcktein fülte, so daß es ganz bebündelt in die Stube kam. Dort haite Jakobli auch etwas auszustehen gehabt, und nicht weniger als sein junges Weib droben in der Kammer. Seppli hatte Schuß um Schuß,und immer scharf geladen abgefeuert auf ihn. Es gibt deren Leute, sie tragen sich etwas vorwärts, ihre Augen haben einen unheimlichen Schein, sehen Niemand an, sondern bald links bald rechts in eine Ecke.Aus ihrem Munde aber entladet sich, wie aus einer Windbüchse, Giftkügelchen um Giftkügelchen, alle wohl gezielt und scharf gebrannt. Sie gleichen Wegelagedern, die mit gespannter Büchse lauern hinterm Busche,und auf alles Lebendige, das in ihren Bereich kömmt,feuern fonder Erbarmen und, Schonung. All ihr Reden ist ein beständiges Giftlen, daher man Weiber dieser Art Giftlöffeli nennt. Die Manner aus dieser Race sind aber noch viel ärger und nicht selten; die sollten Giftgöhn oder Giftkellen heißen.

Gerade so einer war Seppli trotz seiner Frömmigkeit; denn gar viele Frömmigkeit ist nichts als ein Spruühregen bei vielem Staub; in den Boden dringt er nicht, sondern dämpft eben nur den Staub, und wenn es so feucht ist über dem Boden, so schleicht ben das wüste Gewürme um so lieber hervor. Lauler Trümpfe spielte Seppli aus, bald über liederliche Meitli, bald über liederliche Bursche, wo enanderenah gy'heye, es wüß ke Mönsch wo, u mit em erste beste hingere Hag schlüfe. Bald über die Undankbarkeit,wie me King usem Elend zieh chönn, u we me meint,mi hät o öppis an ne, su laufe si d'rvo u trage eim no zum Hus us, meh as ne g'hör, und über Bauernsöhne, die thäten als hätten sie Geld z'fressen, un we me recht luegi, su syge si no die ferndrige Schuh 419 schuldi n nem Kämifeger no vo mängem Jahr nache.Und während er so was sagte, so sah er in die Ecken,erst wenns Wort raus war, so schoß er einen Blick auf Jakobli, so wie der Schütze auch nach der Scheibe fieht, nach welcher er geschossen. Und zu allem dem halte er bloß den Grund, daß diese Heirath ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, und jetzt glaubte er volles Recht zu haben zu Haß, Feindschaft,Verfolgung und weiß der Teufel was noch. Es macht nämlich jeder Mensch eine Art Lebensrechnung, aber selbstsüchtige Menschen hauptsächlich haben den Gebrauch, Menschen wie Zahlen, mit denen man umspringen kann nach Belieben, sie addiren und dividiren,subtrahiren und multipliciren, in diese Rechnungen zu bringen, und ganz besonders bringt man auf diese Weise Untergebene in Rechnung, ein Götti seine Pahin, manchmal reiche Leute ein arm verwandt Kind.Macht das nun eine eigene Rechnung, läͤßt sich nicht trahiren und pliciren wie eine leblose Zahl, wird zum selbstständigen Wesen mit eigenem Lebenszweck, so schimpfen sie auf die lästerlichste Weise, als ob es Teufel und Hölle an ihnen verdient, als ob sie völlig das Recht hätten zu Tödten und zu Schinden, wenn nicht das Tödten überhaupt verboten, das Schinden aber dem Schinder überwiesen waäͤre. Gerade so that der grämliche Seppli auch, bis endlich in Jakobli der Maun erwachte, und er anfing zu fragen, was dann eigentlich das zu bedeuten hätie; habe Meyeli etwas Schlechtes gemacht, so solle er es sagen, habe er Schaden an ihm gehabt, so solle er die Rechnung stellen; aber wenn ein Mädchen aus der Unterweisung DDGottswillen seien solche doch nicht mehr da, wo sie vom Morgen früh bis Abends spät z'wüstest alles machen müßten, und dafür nicht einmal Kleider hätten.Oder wenn er Schaden gehabt habe, so solle ers nur sagen, er sei da für gut zu machen, bis er zufrieden R, 420 Gleichen, wenn man sie vor die Klinge nimmt oder gut deutsch mit ihnen reden will, so halten sie einem nicht Stand und sagen: „b'hütis, ich habe ja nichts gesagt, oder wer sagt dir, daß ich dich gemeint?“ Oder aber sie springen auf ein ander Feld. So machte es auch Seppli. Er sei scheint's auch von denen einer,sagte er, wo nur von einer Gattig Spys wüsse, u nie a d'Seel sinne. Er rede nicht von den leiblichen Gutthaten, die er erwiesen; da wisse er wohl, daß die Linke nicht wissen solle was die Rechte thue, und ob es verdient was es bekommen, da könne er seinethalben rechnen wann er wolle, er habe es nicht im Brauch; rucket es Niemand auf, heiße es. Aber wenn es an einem andern Orte gewesen wäre als bei ihm,wo es in der Zucht und Frömmigkeit gehalten worden sei, so hätte man sehen können, was es aus ihm gegeben. Als es zu ihnen gekommen, sei es eins gewesen, er wolle nicht sagen wie eines; aber für selligs trag man einem keine Rechnig, und was man mit so einem hätte, wüßte Niemand. Und we me se de z'weg heyg, daß me hoffe dörft, es gäb Mönsche usne,u üse Herrgott hätte einmal ein Wohlgefallen an ihnen,so liefen sie einem daraus u dem zu, wo me nit säge dörf, aber no ume nandere gang wie e brüllede Leu,u such, wen er v'rschling. Aber er well schwyge, es heiß, wer schwyg dä werd sy Lohn im Himmel ha,aber er werde st wohl hüte, meh es Kind z'näh d'r Gottswille, we me de e sellige Dank d'rvo heyg.Meyeli unterbrach ihn kommend mit den zwei Büudeln. Es werde doch nichts vergessen haben, frug er spöttisch. Es meine es nicht, antwortete es ehrlich und bewegt. Er glaubs, sagte er, und was er ihm hätte machen lassen werde es alles haben. Es meins,sagte es, aber wenn er es etwa zurückbegehre, so wolle es wieder auspacken.

„Ha nih d'rs ume g'heusche? sagte Seppli. Los,so chum m'r nit; soll das jetz my Dank sy, uv'rschanti Rede u Schmüzwort? Wenn nit e Gott im Himmel 424 wär, es erleidete eim uf d'r Welt zisy. Machit jetz,daß d'r furt chömit; ih bigehre nit der ganz Morge z'v'rsume, u z'letsch für alles m'r no la wüst zisäge.“Aber Götti, sagte Meyeli, ih has ja nit bös g'meint;chömit mit ihs i z'Wirthshus!“ „Los, chär nit, sagte Seppli, gäll, ume daß de m'r no mängs für ha choönnist, u mi trümpfe, du u die Täsche im Wirthshus.Ich merke z'Spiel wohl; aber g'hörst, gang m'r jetz;wed alles hesch, was de dynigest, su hest jetz nüt meh da z'thüe.“ Und gäb was Meyhyeli sagte, und wie es dankte, und als es die Kinder b'hütete, er hatte auf alles ein giftig Wort, das schmerzlich in Meyelis Seele fuhr, und zu allem hatte er keine andere Ursache, als daß Meyeli einen Strich durch seine eigenmächtige Rechnung machte. Hätte er billig rechnen wollen, so wurde er gefunden haben, daß er dem armen Meitschi ein nicht unbedeutend Stück Geld heraus schuldig wäre.

Es beelendete Meyeli im Tiefsten seiner Seele, auf solche Weise ein Haus zu verlassen, in welchem es den bedeutendsten Theil seiner Jugend, die Jahre verlebt hatte, in welchen das Bewußtsein sich entwickelt.Es hatte viel ausgestanden, aber seine Harmlosigkeit hatte allem den Stachel genommen, und wenn der Götti auch keinen Lohn, so hatte doch Gott ihm viele Freuden gegeben. Wo kein Gift im Herzen ist, sondern harnilose Liebe, da blühen sonder Kunst und Geld,wie auf freier Wiese tausend Blumen, tausend Freuden auf dem Lebensacker; sie pflanzet kein Gärtner, kein Reicher kann sie kaufen; sie pflanzet alle Gott, und schenkt sie den einfach treuen Gemüthern. Und Meyeli war nicht blos dankbar dem Gärtner da oben, sondern auch Seppli, unter dessen Dache es sie genossen, und gerne hatte es ihm gedankt, und er vergällte ihm den Dank, und die Kinder, die es liebte trotz ihren Unarten, wollte es küssen, und er jagte sie von ihm weg,und so mußte es vom Hause weg, nicht bloß wie ein unverschämter Bettler, dessen Dank man verschmäht,sondern wie eine eigentlich Schuldige, die man ausjagt. Das that ihm grusam weh; der Thränen konnte es sich nicht enthalten; die Base, wenn sie auch wunderlich gewesen, hätte doch das nicht gethan, dachte es. Aber sie war gestorben; es waren ja alle gestorben,die ihm sein Glück gegönnt hätten; es ward ihm recht finster in der Welt, und es weinte recht inniglich, so daß es ihm ganz dunkel vor den Augen ward. Jakobli trug den größern Bündel ihm nach, und dachte wirklich nicht daran, daß in selbigem sein sämmtlich Weibergut verpacket sei, sondern fühlte nur des Göttis Grausamkeit und einen ihm ungewohnten Zorn.Wäre er in solchen Dingen gewandter gewesen, er hätte den Götti an die Wand gedrückt; das Gelüsten dazu fühlte er in sich; aber die meisten Menschen bedürfen zu den meisten Dingen eine gewisse Vorbereitung.

Die aber, welche vorhin gespottet, die hatten ihre Burgerlust an Meyelis Thränen und am Trossel, ja an der ganzen Zügelten, die unter Jakoblis Arm Platz hatte. Es sei einer ein ganzer Kerli, wenn er sovü erweiben könne; aber der Witzigist müͤsse er nicht sein,daß er den Bettlersack am heiter hellen Tag durchs Dorf trage. Sie wollten sich aber schämen, sövli lang unter fremden Leuten gewesen zu sein und nicht mehr erdienet zu haben; aber für zu etwas zu kommen müsse man ein so dummes Lali Meitschi nicht sein wie das,wos geng g'lächeret heyg wes ume e Thüͤrlistockel goseh heyg . So hielt der Neid Gericht, während doch der Meisten Urtheil Seppli traf. Keines wohl schärfer als das Urtheil Röselis, das unter der Thüre stehend ihrem Wandern zusah. Meyelis Thränen verkundeten ihm, was geschehen war. Nur das reue ihns, sagte es, daß man einem solchen Kopfchieri den Hals nicht mit einem batzigen Hälsig strecken dürfe.

Meyeli war sonst ein sehr heiteres Wesen, und wie es Höhen gibt im Lande, die heiter zum Himmel sehen, wenn das ganze Land mit Nebel bedeckt ist, ja 423 die Nebel und Wolken, welche von allen Seiten der Wind her weht, zu verzehren scheinen, daß heiter über ihnen der Himmel bleibt, so besaß es ebenfalls ein Gemüth, das Trübe zu verwerchen, daß es heiter blieb und lachen konnte, wo andere Gemüther gehüllt gewesen wären in des Weinens Wolken, wie viele Hiederungen in Nebel und Regen. Denn doch war sein Herz keine Sandwüste, wo nur Sonne oder Sandsturm ist; es gab auch Wetter, in denen die Brunnen der Tiefe aufbrachen und nicht alsobald versiegten, wie in glühendem Sande ein mager Wässerlein. Einen Lebensabschnitt hatte es vollendet, und was trug es weg aus demselben? Einen kleinen Buündel, an Kleidern leicht, an schnöden Worten schwer, das schien seines bisherigen Lebens Gewinn. Ein leichtfertiger Sinn hätte mit der Zukunft sich getröstet; ein tiefes Gemüth mußte Schmerz empfinden, und bange Ahnungen mußten aufsteigen. Es gibt überhaupt Tage im Menschenleben, an welchen auch die hellsten Gemüther für Ahnungen und Vorbedeutungen empfänglich sind. Es gibt eine Tiefe im menschlichen Gemüthe,weiche tiefer ist als der Eimer reicht, mit welchem die Philosophie ihre Weisheit schöpft. Umsonst bot Röseli allem auf, die neuen Eheleute lustig zu machen; der Nachmittag kam, seine Anstrengungen hatten keinen Erfolg gebracht.

Jakobli begann vom Aufbrechen zu reden. Röseli sagte, es müsse doch fragen, wo er sein Fuhrwerk habe? Jakobli ward roth, und sagte mit Mühe, er hätte keins. Die Mutter habe gesagt, die Mahre hätte mehr zu thun als im Lande ume z'springe, u junge Lüte thue es besser zu laufen, sie frieren nur minder.

Jakobli wollte beschönigen, und wußte nicht, wie tief hinein diese Worte gingen in seines Weibchens Herz, das kein Wort darauf sagte, wohl aber begehrte Röschen auf. „Hör, eine böse Mutter mußt du haben, sagte es; wohl, dieser wollte ich den Marsch machen; aber daß ihr zu Fuß gehn sollt, das thue ich 424 nicht. Da erst würde Seppli seine Freude haben, und böse Leute ihr Gespött. Hat doch schon Mancher muckeln wollen, es můß nicht weit her sein mit dir,daß du ein so arm Meitschi nehmest, u daß Niemere si zeigi. Einem, dem man schießt, der geht nicht zu Fuß heim mit einem Bündel unterm Arm, als ob er husirt oder Lumpen z'säme treyt hätte; da käme ich ja selbst in Spott und Schande. Wir wollen euch führen lassen bis heim, oder einmal bis es nachtet, damit euch Niemand kennt oder ansieht, daß ihr Hochzeitleute seid. Aber sag du mir auch, warum thust du so etwas? nimmst nicht die Mähre aus dem Stalle und fährst, und läßt die Alti hinter d'r is Blutte donnern? Jä los, we du so ne Fösel sy wottsch, su Gnad Gott dyr Frau, u z'letsch muß ih m'r d'Finger abbyße, daß ih d'Finger i dir Sach g'ha ha.“ Jakobli versprach sich so gut er konnte, sagte, seine Mutter sei nit bbs aber wunderlig, u we me Gedult heyg,su machs nüt. „Aber wie viel Gedult muß Oeppere ha, wes nut meh mache söll? u we me Gedult gnue hät, was würde dann noch etwas machen?“ Meyeli meinte, das Fahren sei nicht nöthig; es wolle seine alten Kleider anziehen, dann achte man sich seiner und des Bundels nicht mehr. „Das wäre mir lustig, sagte Röseli, so wie ne Aeschegrüdel auf d'r Straß z'sy am Hochzyttag; das hat m'r e schöni Bidütig.“

Bald stand ein Wägeli z'weg, und bewegt nahm Rööseli Abschied von seiner Freundin; und daß sie bald etwas well lah z'wüsse thue, das mußte sie versprechen.Jakobli dankte, aber mit wenig Worten, und als sie auf dem Sitz waren, da plötschte noch der Knecht neben sie, und preßte sie zusammen, daß von Jakobli,der in der Mitte saß, kaum der Hut und beide Arme sichtbar waren.

So fuhren sie gepreßt der Zukunft entgegen; aber heiter war der Himmel, schön ging die Sonne unter,und als sie unter war, leuchtete noch lang und klar der Stern der Liebenden, der Abendstern ihnen in die 428 Augen. Ohne viel Redens fuhren sie des Weges bis es dunkler ward, Meyeli den Knecht umkehren hieß,seinen Bündel unter den Arm nahm und zu Fuße der neuen Heimath zuwanderte.

Jaköbli trug dießmal das kleinere Wartsäckli und ging schweigend neben Meyeli her, denn es war ihm,wenn doch recht nur die Mutter freundlich wäre mit seinem Weibchen, und ein ordentlich Nachtessen z'weg hätte ihm zu Lieb und Ehr, wie allenthalben der Brauch.Und so war das seine Art, daß wenn er so etwas sann, er nicht leicht davon seine Gedanken losbrachte,und sparsam seine Rede war. Was Meyeli ihn fragte,beantwortete er; dann saß seine Seele wieder in Gedanken feft, und schweigend wanderten sie zusammen.

Da schnürte dem armen Weibchen das Herz sich immer enger zusammen; sein Bündelchen schien ihm immer schwerer; seine Angst vor der Zukunft ward immer größer, und Jakobli tröstete es nicht, und warum er nicht redete wußte es auch nicht. Es begann zu glauben, er sei sich reuig, es sei ihm, als waäre nur alles nicht; es konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und bei dunkelm Abend wird gleich jeder Gedanke so dunkel und so schwer, und immer schwerer drückt die Bürde, die man auf sich hat. Es kämpfte lange mit sich; es rollten ihm die Thränen über die Wängen leise, wie die Sterne leise am Himmel gehn.Aber endlich begann ein leises Weinen, und das Weinen wuchs, bis Jakobli erschrocken es horte. Da frug er: „was hesch?“ Da drückte es Meyeli übers Herz, es konnte vor Schluchzen nicht weiter; es legte sein Bündelchen ab, setzie auf einen Stein am Wege sich und weinte bitterlich. Jakobli wollte trösten, zeigte auf ein Lichtchen in der Ferne; dort sei ihr Haus,also nicht mehr weit, es sölle es noch zwängen. Jetzt ward seine Angst noch größer, und sein Weinen noch bitterer; so arm und so nah das fremde Haus, und so recht schwarz schien das Elend über ihm zusammen zu schiagen, und Jakobli stund vor ihm und wußte 426 nicht zu helfen, und fand immer weniger Worte. Aber hell blieb über dem armen Pärchen der Himmel, freundlich zwitzerten die Sterne, Sternschnuppen glitten über ihre Häupter hin, als ob sie Muth bringen wollten von oben, und so lange heiter der Himmel bleibt über dem Menschen, und freundliche Sterne leuchten ins Leben hinein, so lange versinken wir ins Elend nicht,und was Elend scheint ist eine schwarze Wolke, die vorüber geht, und wenn sie schwindet kömmt der Himmel mit seinen freundlichen Sternen wieder.In unserm Verlage ist ferners erschienen, und kann durch alle Buchhandlungen bezogen werden:Bilder und Sagen aus der Sschweiz von Jeremias Gotthelf.Ites Bändchen enthält:Die schwarze Spinne. Der Ritter von Brandis. Das geibe Vögelein und das arme Margarithli.3. geheftet Preis 10 Batzen (48 kr. oder 12 ggr.).2tes Bändchen enthält:Geist und Geld. Der Druide.8. geheftet Preis 15 Batzen (1 fl. oder 15 ggr.).

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Von Jereι οι*.aeèff.

Zweiter Theil.

Solothurn.Verlag von Jent & Gaßmann.

1844.Druck von J. Gaßmann, Sohn,in Solothurn.Vorwort.

Mit Bangen entläßt der Verfasser diesen zweiten Theil seines Anne Bäbi; an schwere Fragen hat er sich gewagt, und fürchtet jetzt, die Art, wie er sie zu lösen versucht, möchte mißverstanden werden. Der Verfasser will Niemanden seinen Glauben aufzwingen, aber jeden Leser möchte er um den Glauben freundlich bitten, daß es ihm Ernst ums Herz, und um Treue und Wahrheit zu thun gewesen. Wer an geistlichen Dingen in einem sogenannten weltlichen Buche sich ärgert, der lege es weg, oder er bedenke, daß auch Gott Irdisches und Geistliches mischt im großen Weltenbuche und im Menschen selbsten, und daß jedes weltliche Buch geistiges enthalten muß, wenn es kein schlechtes sein soll.

An der Vertheilung der Rollen möchten andere sich ärgern, und daß einem Mitglied des geistlichen Standes eine zugetheilt ist, welche eben keine glänzende Seite darbietet. Die Vertheilung der Rollen ist ein Vorrecht des Schriftstellers, über dessen Gebrauch er sich blos vor dem Throne der Wahrheit zu verantworten hat.1V Zudem glaubte der Verfasser diese Rolle, gegenüber dem eigentlichen Arzte einem eigentlichen Geistlichen, und nicht einem geistlichen Herumzügler, zutheilen zu sollen,auch hielt er es für nicht unehrenwerth, die Schwächen seines Standes, welchem anzugehören er es sich zur höchsten Ehre rechnet, nicht zu verschweigen.

Sollte aber Jemand meinen, die ganze Rolle und die Fragen, welche sie berührt, hätten füglich ausbleiben,weil sie leicht Aergerniß geben können, im Kanton Bern übrigens gar nicht nöthig gewesen wären zu berühren,der würde vielleicht von einem Arzte die Bedeutung dieser Fragen am besten vernehmen können, in Beziehung auf den Kanton Bern möchte die Bemerkung erlaubt sein, daß dieses Buch nicht blos für die lieben Mitburger bestimmt ist.

Doch, statt allen Antworten auf alle Bedenken wiederholt der Verfasser noch einmal die freundliche Bitte:in guter Meinung zu nehmen, was in ehrlicher Treue gegeben worden.

J. G.Meyeli kömmt ab dem Steine und hinter einen Tisch.An Jakoblis Hochzeittage hatte über seinem väterlichen Hause die Sonne nicht geschienen. Anne Bäbi rumorte übel im Hause herum, wußte aber selbst nicht warum. War es Zorn, daß die Heirath doch nun erzwängt sei, war es das unheimliche Gefühl der Schwiegermutter, der eine Schwiegertochter ins Haus zieht, die Nachfolgerin, vielleicht auch die Nebenbuhlerin in des Hauses Meisterschaft, oder war es gar das merkwürdige Mißhagen, welches oft den Menschen ergreift, wenn er etwas erzwängt hat, das ihm hintendrein nicht recht ist, dessen Schuld er lange auf keine fremden Achseln zu schieben weiß. Anderthalb Tage hatte es Jakobli nicht gesehen, und wie viel Liebesangst oder eͤngstliche Liebe kann nicht in anderthalb Tagen in einem Mutterherzen erwachen, und besonders wenn während diesen anderthalb Tagen das Kind Hochzeit hält? Was konnte Jakobli in dieser Zeit alles erfahren, alles aufgelesen haben, wie konnte er heimkommen, zu Fuß und ohne Mahre?

Es ist möglich, daß von allen drei Dingen in Anne Bäbis Herzen war, aber wer will es entscheiden, da unsere Augen so selten ins eigene Herz hinunter schauen,geschweige denn in ein fremdes. Das kam an Tag,daß die innere Pein immer mehr dem armen Meyeli zur Last geschrieben ward, denn immer häufiger entfuhren Anne Bäbi Worte, die wie Täschli, Lumpenmoönsch u. s. w. lauteten.

Anne Bäbi. II.

1 Mäͤdi ermangelte nicht, ins Feuer zu blasen; es mochte Anne Bäbi seinen Aerger gar herzlich gönnen,und immer herzlicher, je größer er ward. So wie für sich felbst sagte es, für eine Lustreise sei heute schön Wetter, es wäre heute gut einen Trossel zu führen, der Regen verderbte ihn nicht. Es nehme ihns nur Wunder ob sie mit zwei Wagen kämen oder nur mit einem,und ob es nicht Platz machen sollte für die Sachen abzustellen. Anne Bäbi sollte ihm rathen, ob es die junge Meisterfrau ehren müsse; „säg Marei“ werde wohl zu ünhöflich sein für so ne Zimpferlige. Hansli, der im Vorbeigehen so was hörte, kam es übers Herz und er sagte: es duech ihn, er wollte nicht in Sachen reden,die hn nichts angingen, und Niemanden den Plätz machen, ehe man ihn gesehen.

Diese von Hansli unerhörte Zurechtweisung nahm Mädi bedenklich übel. „So, kömmt das schon so, ehe das Täschli noch im Hause ist, sagte es, wohl, das wird schön gehen. Aber es ist güt, daß man mit solchen Leuten nicht verheirathet ist, und daß man öppe sy cha wos ist. O jere, wenn ih de uslah ih well wyter, de wirds de es schöns Gschryß gäh um mih, u mängi längi Nase wirds gäh, aber i Gotts Name,meh as a eys Ort cha e Mönsch nit.“

Auch Hansli war es bang ums Herz, und je naher der Abend kam um so banger, doch sagte er es Niemanden. Aber er stand fäst wie genagelt neben dem Brunnenstock, von wo man den Weg nach Rarxigen ůͤbersah, rauchte aus Leibeskräften und doch wollte das Pfeifchen nie brennen, und so streng er anzündete, eben fo streng mußte er von neuem Feuer schlagen, was nie mit einem Streiche abging und manchmal nicht mit einem Dutzend. Hansli hattie den Grundsatz, nichts zu g'schänden, daher warf er keinen Feuerstein fort, so lange er ihn noch in den Händen behalten konnte und wenn er auch rund war und nirgends eine Ecke hatte wie ein Marmorkugelchen. Anne Bäbi schnauzte ihn oft deßwegen ab, wenn er eine ewige Zeit dängelete ehe er Feuer hatte, ja, es kramte ihm einmal ein Druckli

Streichhölzchen. Das sei eine b'sungerbare Sache, sagte Anne Bäbi, und chumligers hätte es nichts gesehen noch.Aber Hansli sagte, von Solchem hätte sein Vater und sein Großvater nichts gewußt, und wenn nicht der Teufel die Finger darin hätte, so käme es nicht erst jetzt auf. Er kam damit ab Weg, man wußte nicht wohin, und erklärte rundweg, daß, so lange er öppis zu sagen hätte, selligs Züg nicht mehr in sein Haus kommen solle. „He, sagte Anne Bäbi taubs, was frag ich dem nach, wenn du Freud am Dängele hast, so dängele, aber myr Lebtig krame ich dir nichts mehr, und wenn ich Feuer mangle, so kann ich öppe machen, daß ich von einem Mal zum andern auf der Feuerplatte finde.“ Seither hat Hansli oft gesagt, wie er es den Heͤlzlene gemacht, und wenn d'Regierige so witzig wäre wie er, so verböte sie dieselbe ganz, denn die halbe Brünste kämen von dene schießige Hölzlene, u de soll afe alles azündet worde si, wes d'Lüt doch ume v'rliechtsinniget heyge. So iubakete und dängelete Hansli am Brunnenstock, während Sami tränkte und im Stall handthierte.

Lang schnürfelte die Mähre im Brunnen, und als endlich Sami, der unterdessen gestreut hatte, kam um sie hineinzujagen, hatte sie fast Muth zu einigen ungattlichen Sprüngen. „Wenn ich Meister gewesen wäre,fagte Sami, so wäre mir die anch nicht zwei Tage z'leerem im Stall gestanden, während der Büb z'Hochzeit hat laufen können.“

„He ja, sagte Hansli, es ist bald viel zwängt, aber je mehr sie zwängen, desto mehr soll man z'schuld sein,und sagt man ihnen etwas ab, so hat man Hungs bös bei ihnen.“ Er sehe keinen Unterschied, sagte Sami,zwängt oder nit zwängt, es duech ihn, sie seien alle Tage g'hassig. „Und wenn ich es gezwängt hätte, sagte Hausli, so haätte es doch nichts abgetragen, laufen oder ryten, man kömmt am Ende doch an einen Ort.“Allweg, sagte Sami, aber es wäre mir doch wegem allgemeinen Gebrauch, und daß ich auch wüßte, wer Meister wär. „Selb wundert mich nicht, sagte Hansli, u wegem Bruch kömmts immer darauf an, ob man es hat oder nicht hat; hat mans (vermag mans), so hat man dem Brauch nichts nachzufragen.“

„So, das ist mir e sufere Sach, keifte es hinter ihnen. Während ich mich halb tödten muß, machst du als ob dich die ganze Sache nichts anginge, und wer hets zwängt, ich frage, wer hets zwängt, daß e sellige Schnuderbub scho hochzitet?“ „Es hat mich Wunder genommen ob sie bald kommen“, sagte Hansli. „Und Denn es mich schon Wunder nähmtie, sagte Anne Bäbi,so zöge es mir sich doch nicht, da zu stehen wie ein Stöck und z'ͤhlgötzen. Da will e jedere Schnürfli zwänge, was ihm i Gring schießt, aber daß dann zuletzt alles in der Ordnung sei, dafür zu sehen, ist dann Anne Bäbi gut genug. Aber wenn du Fleisch willst PNacht, wie es öppe der Bruch ist, an einem Hochzeit z'Nacht, so komm und han ab, und wenn du Wein willst, so gib Geld oder schick Neuere.“ „Wie d'meinst“, sagte Hansli. „Wie d'meinst, wie d'meinst,sagte Anne Bäbi, man sollte meinen was ich zu befehlen hätte, wie d'meinst, u macht es Nieders nach seinem Gring und z'letsch muß ich doch zu allem luegen,wes gut gehen soll, und was für einen Dank hab ich däfür: es Söhniswyb wie es einem ieden Bettler ab dem Karren fallen könnte.“

TDas dünkt mich wunderlich, sagte Sami, als Hansli ihm Geld gab für Wein, daß die in der Küche jetzt ein Mahl machen wollen, und thun doch den ganzen Tag nichts als branzen und balgen, daß es einem deucht,Säuerdäpfel sollten ihnen zu viel scheinen.“ „He, sagte Hansli, das chunt vo wegem zwänge, wenn ih vo Fleisch und Wein gesagt hätte, so hätten wir es mit er Milch und halbg'schwellten Erdäpfeln machen onnen.“Schon lange war der Wein z'weg und das Fleisch eßbar, aber kein junges Ehepaar ließ sich merken, Die Sterne glitzerten immer schöner am Himmel, aber immer dunkler wurden Anne Bäbis Stimmungen, immer deutlicher der Jammer über den Sohn und immer lauter der Aerger über das Söhniswyb. Ja, es kamen ihm sogar Beispiele in Sinn, wo eine Dirne Hochzeiterin geworden, auf dem Heimweg den jungen Maun gemordet und mit Geld und Uhr sich davon gemacht,daß man nie ein Wort von ihr gehört, gäb wie man nachgefragt. Es hielt sich nicht dafür, fonst wäre es ihnen längst entgegen gegangen mit Mädi und der Laterne. Das Mannevolk schicken mochte es nicht, die sollten nicht wissen, wie es ihm war. Aber mehr als hundertmal sagte es, und Mädi wiederholte es mehr als zweihundertmal, es sei ihm nichts so z'wider als das verflucht Mannevolk. Hätte man es nicht nöthig,so stehe es einem allenthalben im Weg, und koönme man es brauchen, so zeige sich kein Schnürfli, und wenn man sie am wenigsten begehre, so hangten sie das Maul in Alles, und dann wiederum thät längs Stück kein Stock das Maul auf, und wenn sie etwäs sinnen sollten, so seös, helf ihm Gott, als ob sie gar kein Hirni hätten. Die Türks Donstige, wenns ume keine hätt' müsse schmöcke syr Lebtig.

Wenn Anne Bäbi gewußt hätte, wer ungefähr eine Viertelstunde von ihm auf einem Abweissteine saß und weinte und sich gar nicht trösten konnte, es weiß kein Mensch, was es angefangen hätte.

Dort saß Meyelli mehr als eine halbe Stunde, und immer neuer Jammer eniströmte seinen Augen, wie bei hartem Regen ein Bach nach dem andern anläuft und dem Hauptstrome sich zustürzt. Vom Stolze, eine reiche Frau geworden zu sein, fühlte es auch nicht die geringste Regung, sondern die Gefüühle seiner Niedrigkeit, seiner Armüthigkeit, und wie es im neuen Hause sich bewegen solle, daß es recht sei, und wie es Jakobli vergelten könne, daß er ihns erwählet; aber wie es sich diesen Abend schämen müsse in seinem Staate und morgen in seinen Hüdelenen, das tauchte eins nach dem andern auf und wenn Meyeli einen Jammersturm beg'wältiget hatte, die Thränen abwischen, sich aufrichten wollte, so gährte es neu in den Kammern seines Herzens, neues Schluchzen zuckte in seinem Halse, neue Thränen strömten ihm nach.Jakobli war es Himmelangst bei der Sache und darum fand er das rechte Trostwort nicht, gäb wie er es suchte, und das machte Meyeli wieder elend und es dünkte ihns, Jakobli sei schon reuig und er schäme sich mit ihm ins väterliche Haus zu ziehen, er sagte ja nichts als „schwyg ume, schwyg“, und sagte nicht: „chum doch recht, u stang uf, si werde daheime b'lange u längi Ziti ha nah 6.“ Es pressirte Jakobli also selbst nicht, meinte es; so gehe es, wenn ein arm Meitschi einen reichen Burschen heirathe, und wenn doch nur alle ein Exempel nähmien an ihm, dachte es. Es dünkte ihns, wenn der liebe Gott ihm nur über die erste Stunde, die ersten Tage helfen wollte, so wollte es sein Lebtag zufrieden sein, mit allem, was ihm zustoße und nie mehr klagen und sich unterziehen Gott und Menschen. Und wie es dieses dachte mit unaussprechlichem Seufzer, zog durch den klaren blauen Himmel ein heller Stiern zwischen ihm und Jakobli durch,dem elterlichen Hause zu; rascher und rascher glitt er,daß es fast einen Schein gab, und über dem Hause schwand er. Da war es Meyeli, als dränge des Sternes heller Schein in sein dunkles Herz und verscheuche dort des Jammers Gestalten und eine Verheißung sei ihm gegeben, daß es getrost sein, sich aufmachen solle, Gott werde mit ihm sein. Als seine Mutter noch lebte, hatte sie ihnen einmal erzählt, wenn man schnell einen schönen Wunsch thue, während ein Stern durch den Himmel fahre, so werde derselbe erfüllt. Seither hatte es gar mänchmal in den blauen Himmel gesehen, hatte in seinem Herzen einen schönen Wunsch gerüstet, und in frohem Bangen auf den Stern gewartet, der ihn vor Gott tragen sollte. Und wenn er kam, vertraute es schnell ihm an, was es ausgesonnen, und allemal war es ihm leicht geworden ums Herz und in kindlicher Zuversicht legte es sich schlafen, daß sein Wunsch jetzt schon vor Gottes Thron, und einem Engel die Erfüllung aufgetragen sei. Jetzt hatte es an keinen Stern gedacht, und doch einen frommen schönen Wunsch im Herzen gerüstet, da sandte ihm Gott selbst einen

Stern, der den Wunsch mitnahm und die Zuversicht der Erfüllung, einem hellen Scheine gleich, durch seinen finstern Jammer hindurch ihm ins Herz warf. Das ist der Segen frommer Gemüther, daß sie solch wunderbaren Tröstungen, von denen die Unfrommen keine Ahnung haben, offen sind, sie empfangen mitten in des Lebens wildestem Sturm, sich an ihnen aufrichten, wenn Last und Druck der Welt am größten sind.Wie Oel, aufs Meer gegossen, desselben sturmbewegte Wellen sänftigen soll, so klärte der helle Stern Meyelis Gemüth, die Fluthen erhoben sich nicht mehr, kein Schluchzen brach mehr hervor aus des Herzens Klüften,es faßte sich zum Gehen. Doch vorher hängte es noch die schweren Göllerkettelein aus, von denen es füͤrchtete daß die Mutter an ihnen das erste Aergerniß nehmen möchte, die breiten Haften, welche unter dem Tschöpli hervorsahen, hätte es gerne verborgen, das ließ sich aber nicht thun, dann sagte es zu Jakobli: „ich denke wir gingen in Gottes Namen.“

Mit jedem Schritt leichtete es Meyeli; heiteres Gottvertrauen breitete sich über seine Seele aus, und es war ihm, als rege sich eine Kraft in ihm, die sich 9 verbittern läßt, die Alles duldet, nie das Ihre ucht.Das Licht im dunkeln Hause wurde glänzender und Jakobli schien es, als rutsche der Weg ihm unter den Füßen weg und das Haus auf den Hals, daß es eine grüßliche Sach sei, und endlich sagte er dem Meyeli,er hülf nicht so laufen. Ihm war es noch bitter Angst;er war von denen einer, die merken, was kommen kann,aber in sich keinen Rath finden, auf das Kommende einzuwirken, abzuwenden und herbeizuführen, was in der Menschen Kräfte liegt. Kaum wird es diesen übler gehen als denen, die in selbstbewußter Kraft dem Ereignisse entgegen gehen; jedenfalls geht es ihnen besser als denen, welche in vorwitziger Ueppigkeit in das Rad des Schicksals greifen; aber das schwere Bangen vor den entscheidenden Stunden ist ihr eigenthümlich Theil,dem sie nicht los werden, während der, welcher seiner

Kräfte sich bewußt ist, besonnen sie braucht, gefaßten Muthes in die Gefahren geht.

Schon hörte er den Brunnen rauschen, sah aber keinen Menschen, keinen Schatten sich bewegen; das war ihm ein bös Zeichen. Er hatte erwartet, daß ihnen wenigstens Sami entgegen kommen werde, wenn nicht der Vater selbst, und daß die Andern ums Haus herumstehen würden zu einem freundlichen Empfang.Man glaubt gar nicht, wie schwere Lasten man durch ein Entgegenkommen abnehmen, und wie leicht ein freundlicher Empfang vor dem Hause den Eintritt in ein Haus machen kann.

Endlich regte sich etwas, aber Jakobli erschrak, er meinte der Brunnenstock spalte sich in zwei Theile und der eine Theil schwanke hin und her. Aber es war Hansli, der ausguckte, von wannen sie kämen, und dem, als er endlich sie erkannt hatte, es sich zweyete,sollte er sie begrüßen, oder den ersten Gruß Anne Bäbi gönnen, da, wie bekanntlich, Anne Bäbi in sonderbarem Grade die Kunst besaß, bei übler Laune an jeder Rede und jeder Handlung Anstoß zu nehmen; daher Hansli sich sehr ausgebildet hatte in der Kunst, weder zu reden noch zu handeln, sobald bei Anne Bäbi die böse Laune im Anzug war. So bildet ein Mensch den andern Menschen. Indessen gewann diesmal doch das Bewußtsein des Vaters die Oberhand und er trat aus dem Dachtrauf hervor und hieß sie willkommen in Gottes Namen.

Meyeli konnte nicht satt werden, des neuen Vaters rauhe Hand zu schütteln und zu drücken, aber Hansli sagte, sie sollten machen und hineinkommen, sie hätten afe längi Ziti nach ihnen gehabt, und je weniger lang das Weibervolk warten müsse, desto besser sei es. Dem Meyeli nahm er trotz dessen Sträuben den Bündel weg und sagte, er sei ihm ja nur im Weg und er wolle ihn gleich dahin thun wo er hingehöre. „He nu,so nimm den auch gleich“, sagte Jakobli, und reichte dem Vater den andern Bündel; es ward ihm so leicht,als ob das Säcklein 7 Zentner schwer gewesen wäre.

„Si chöme, si chöme“, rief Mädi, das, wenn es wollte, seine Ohren offen haben konnte, wenn schon sein Maul ging. „Meinethalb, schauzte Anne Bäbi,wären sie doch nur geblieben, wo sie gewesen sind; ist das afe e Manier, hey z'icho ame ne Hochzyt? schon vor mehr als einer Stunde hats Sieben geschlagen.“Indessen gewann doch auch bei Anne Bäbi die Mutter die Oberhand über den Kyb, und als eine freundliche Stimme unter der Thüre sagte: „Guten Abend geb euch Gott, segnihs Gott Usgang und Ygang und b'hütis vor allem Bösen in alle Ewigkeit“, so sagte Anns Bäbi: „he nu so de su sygs e so, biß Gottwilche, du wirst doch das neu Sühniswyb solle sy?“ „Ih sött, sagte Meyeli, u wes Gottes Wille ist, so will ich öppe thue,daß si Niemere über mi z'erchlage het, u Jakobli si nit reuig wird, so nes arms Meitschi g'no z'ha.“ „He nu so de, sagte Anne Bäbi, mi cha de luege; öppe zu dene wüstiste Hünge bist o nit cho, u mußt dy Sache dppe ha, wed schoö nüt ykehrt hest, u wär's ume Jakoblis d'wege. Dernebe v'rspricht mänge alles Guts u git notti d'r wüstist Hung ab. Aber chömit yche, mir wey eße, es kaltet sonst alles.“ Bei der Wendung nach der Thüre sah Meyeli Mädi beim Schüttstein stehen,ging auf ihns zu, bot ihm die Hand und sagte: „Bis mir auch Gottwilche, du wirst z'Mädi sy; Jakobli hat mir viel b'richtet, wie du ihm abgewartet und ihm g'luegt heygist.“ Mädi wußte, während es sich die Hand am Fürtuch abstrich, nicht, sollte es rauen wie eine Katze, oder schnautzen wie ein Hund, von wegen es konnte beides, und sagte daher nur: „Ih darf d'r d'Hang fast nit gäh, ih ha gar e wüesti, vo wege die het gar wenig Sundig g'ha, die junge Meitscheni hey se jetz scho zimpferer. He nu ja so de, su bis m'r mynetwege o Gottwilche.“

Mädi hätte gerne etwas angehängt, aber Anne Bäbi sagte: „Rüf, m'r welle eße.“

„Rüf m'r welle eße!“ wiederholte Mädi im Hinausgehen, da meint der alte Sturm als mangle es nichts als z'bifehle, aber bim Wetter, gäb ih m'r de myr 40 Lebtig geng so will lah bifehle, goh nih lieber u häyche mi.Ihr söllit yche!“ brüllte es Hansli und Sami an, auf die es draußen im Schopfe stieß. Wahrend Sami am Handtuch in der Küche seine Hände abtrocknete, fragte er Mädi boshaft: „U wie g'fallt si d'r, ist st so hübfsch wie du?“ „Gang yche u lue selber, du Möff, sagte Mädi. Um mängs tusig Pfung möcht ich ke selligs G'fraäß ha, wo me z'ganz Jahr ire Drucke ha muß wie z'Sundekappe, wes nit abschieße söll, und wo brämt (von Ruß geschwärzt) wird, wes e Mönsch aluegt u b'sungerbar de so ne Drecksami.“

„Du hast recht, sagte Sami, wenn ich es hätte wie du, es wäre mir aüch so. Es mag deinem Gesicht geben was es will, wüste kann es nicht, ume hübsche.Und da weiß ke Tüfel, wenn recht viel darüber geht,und wenn du hundertjährig wirst, wie hübsch du zuletzt noch wirst, vielleicht wie cine Königstochter.“

„Emel hübscher als du, weist's, du Karrensalbküng du, was du bist, u du wärist froh, wenn du o hundertjährig würdest. Aber d'Lüs werde di lang vorher gffresse ha, wennd neh nit öppe z'fast steychst (stinkest).“„Du wirst dich meinen“, sagte Sami und wollte das Gefecht fortsetzen, aber Hansli sagte, er hülf si wette yche,selligi Wort ame sellige Tag trage nüt ab. Man sollte immer Acht geben was man rede, aber bisungerbar a sellige Tage, da bedeutete Alles etwas, un öppis Wüsts werd chum öppis Guts bidüte, darum duechte es ihn witziger sie schwiegen.

Mädi deckte seine Zähne ab und wußte nicht was machen, denn so war Hansli ihm noch nie gekommen, aber ehe es sich besonnen hatte, war derselbe in der Stube.

Drinnen stand die Lampe auf dem Tisch, die Kaffekanne auf dem Ofen und Jakobli und Meyeli saßen oben am Tisch und hatten Eyertaätsch auf einem Teller und Brod daneben. Meyeli hatte sich untenan setzen wollen, wo sonst d'Jumpfere hocket; das hatte Aune Bäbi b'sunderbar gefallen, und bei sich selbst hatte es „He nu so de, so ist's doch no es manierligs

önsch, wes scho nüt het. Seh hockit da obe a Tisch nebe angere, so ist's der Bruch, we me Hochzit g'ha het, morn prediget de scho en Angere.“ Und Meyeli war ohne Zimpferigi da oben hin gesessen, hatte sich gehorsam unterzogen, saß auch still da oben, ließ Anne Bäbi machen und einschenken und vorlegen, kein Zeichen that Meyeli, Anne Bäbi etwas abnehmen,vorlegen oder einschenken zu wollen. Von wegen auf dem Lande besteht die Meisterschaft im Selbstmachen und nicht im Zusehen und Befehlen, und ein Söhnis-weib, das mit städtischer Zuvorkommenheit der Schwiegermutter ihre Geschäfte abnehmen wollte, würde sich nicht nur bei einem Anne Bäbi, sondern noch bei ganz andern schlecht empfehlen. Das chöm nicht gut, würde es heißen, schon den ersten Abend hätte sie die Finger in Allem haben, alles regieren wollen.

Als Hansli und Sami hineinkamen stand Meyeli auf, und zu Hansli sagte es, es wolle jetzt in der Stube innen ihm noch die Hand geben und ihm nicht nur wunschen, daß Gott ihm einen guten Abend gebe,sondern ein langes Leben und G'sundheit bis äne us (bis zuletzt). Dann ging es zu Sami, gab auch ihm die Hand, und sagte, das werd Sami sein allem an.Es denk', sie wollen im Frieden bei einandern sein, an ihm solle es nicht fehlen, und wie Jakobli säg, werd sich das mit Sami schon machen. Den beiden Schnürf-lene, wie Anne Bäbi sie gewöhnlich nannte, wurde es ganz wunderlich; es war ihnen fast, als ob man ihnen mit rohen Zwiebelen im Gesicht herum gefahren wäre,aber Anne Bäbi sagte schnell: z'rühmen mangle sich da nichts und sie sölle niederhocke u näh, es kalte sust.„Aber wo bleibt Mädi, die schießigi Knieppe“ (eine die nicht vorwärts kömmt), sagte Anne Bäbi, und rief zur Thür hinaus: „Warum chunst nit?“ „He, es het mi Niemere heiße yche cho“, antwortete Mädi. „So, das wär mͤr afe, we me no d'Jumpfere apparti sött heiße cho eße, wo me gnue z'thüe het, dene Stopfeni nah z'laufe, u wed nie hättist welle cho, oder mi hät di heiße, du liefest laääͤngst nit meh da ume, dä Sturm“,u Anne Bäbi zur Stube hinein. Endlich kam Mädi 12 wie eine Wolke voll Blitz und Tonner, die nur aufs Anrühren wartet, um zu platzen und das gewaltigste Wetter loszulassen aus ihrem Bauche.

So saßen endlich in düsterm Lampenschein die sechse beisammen, die unter einem Dach fürder leben sollten,sie aßen und tranken, wer aber die Blicke sah, die verstohlen herumfuhren von einem Gesicht zum andern Gesicht, der merkte wohl, daß bei Essen und Trinken die Seelen der Sechse nicht waren. Gar hell glänzte oben am Tische Meyeli, seine blauen Augensterne strahlten freundlich über den Tisch weg, aber auch seine großen silbernen Haften glänzten und wollten sich nicht verdecken lassen, gäb was Meyeli auch versuchte; denn Mädis Augen hefteten sich darauf, wie Katzenaugen auf das Mäuseloch. Je schneller die Blicke sich kreuzten,desto langsamer bewegte sich die Rede um den Tisch herum, wie die Tritte eines Furchtsamen an einem dunkeln Orte, der oft stille steht, lange tappet ehe er einen Fuß weiter setzt. Was ist unsere Rede anders,als eine unsichtbare Hand, wunderbar und vielfach gefingert, mit welcher wir fahren über unserer Mitmenschen Gemüther. Und diese Gemüther sind die Instrumente, aus denen Töne quellen bei jeder Berührung,himmlische und himmelschreiende, eben je nach der Berührung. Jedes Instrument gibt einen andern Ton,eine andere Antwort dem Finger, der darüber hinfährt,und wie die Harfe Wind und Wetter fühlen und je nach Regen oder Sonnenschein andere Töne geben soll,so gibt des Menschen Gemüth andere Töne des Morgens, andere des Abends, andere vor dem Essen, andere nach dem Essen, andere nach einem Glas Wasser, andere nach einem Glas Wein, andere nach jedem andern Gesicht, das man gesehen, andere nach jedem Blick den eine Hausfrau in Küche und Keller gethan, oder gar auf eine Staubdecke, die nicht sein sollte und doch ist.Das ist nun die unendliche nie auszulernende Kunst,und Takt wird sie genannt, die Tasten der Gemüther immer so za beruüͤhren, daß sie nicht gen Himmel schreien,nicht donnern, nicht toben, nicht züngeln, spitzig und giftig, sondern fein manierlich aufquellen, wohllautend und schön tönend, in mannigfachen harmonischen Weisen sich ergehen und rührsam und wohlthuend verklingen, so daß ein süßer Ton in der Seele nachklingt, wie wenn Götter verschwinden, ein himmlischer Duft die Luft erfüllt, nach des Teufels Abgang aber ein bestialischer Gestank. Dieser Takt wird, wie anderer Takt, mehr angeboren als angelernt, aber wie alles auf Erden unvollkommen ist, so ist auch der noch nicht gefunden worden, der taktfest war auf jedem Instrument, dem es nicht entgegen gixete und gaxte, wenn er zur zartesten Melodie angesetzt zu haben glaubte. Es gibt musikalische Tölpel, die fahren mit ihren Fingern überall und zu jeder Stunde herum, und wie gräßlich es ihnen entgegen klingt, sie haben ihre Freude d'ran, wenn es nur klingt. Kunstverständige setzen mit großer Vorsicht sich hinter ein fremdes Instrument und eines, von dem sie wissen, daß es verstimmt ist, lassen sie stehen, bis es anders gestimmt ist. Aber das ist der Gugger mit dem Instrument in des Menschen Brust, daß dieses gerade wenn es am verstimmtesten ist, am meisten nach Fingern verlangt, welche auf ihm hernmfahren. Aber nicht immer um Laut zu geben und so recht vaterländisch wüsten, sondern um gar keinen zu geben, denn gerade wer kupen will, der wird am täubsten, wenn Hiemand zu ihm reden will, von wegen, wenn Niemand einen anredet, so hat man auch Niemanden zu antworten, und wer merkt es da, daß man eigentlich kupe,und warum kupet man, als daß man es merke? ich frage. Ach, wie mancher arme Teufel hat es erfahren, was es heißt nicht reden zu Jemand, der kupen will, oder auch nichts reden zu Jemand der verstimmt ist. Der wußte fürder, wie man aus dem Regen in die Traufe kommen kann. Das ist übrigens ein Kapitel über welches junge Ehemänner sich eigene Vorlesungen sollten halten lassen und sie schön honoriren.Doch bewahre, daß ich damit sagen will, daß nur junge Weiberherherzen verstimmt sein können, bewahre! es gibt der alten Weiberherzen in die Tausende, die ruggen und raxen wenn man sie anrührt nur von weitem mit einem Stecklein, wie die Thüren unserer leeren Kornhäuser ruggen und raxen würden, wenn man sie wieder einmal öffnen thäte. Aber alte Ehemänner haben sich etwas angelernt, wie dumm sie daneben sein mögen, ste wissen ungefähr, was sie zu sagen haben, daß es am wenigsten macht, wenn die Frau die Verstimmig hat,und gar mancher findet sich am besten dabei, wenn er gerade zu mit dem Finger düpft, als ob seine Frau eine geladene Elektrisirguttere wäre, ein Schlag oder zwei und der Teufel ist raus, das Wetter vorbet; aber eben was gut ist, lernt man nur durch Erfahrung und bei gutem Willen.

Offenbar schwebte Bangigkeit über dem Tische, wo die Sechse aßen und tranken, und band die Rede der Mehrzahl. Mädi saß da wie ein geladener Katzenkopf,um den oft das Pulfer weit herum liegt und sich entzündet, ehe man noch dabei ist, und Änne Bäbi glich einem Bienenstock, von dem man glaubt er wolle stoßen,und der es oft gerade nicht thüt, wenn man es am meisten glaubt.

Meyeli kannte die Gemüther zu wenig, und war daher in großer Verlegenheit, was es reden sollte ohne Anstoß zu geben oder vorlaut zu scheinen, und schweigen schicke sich auch nicht, das fühlte es wohl. Es rühmte den Eiertätsch, sein Lebtag hätte es keinen Sellige gegessen, sagte es. Ho öppe g'spart hätte es nichts daran, sagte Anne Bäbi, u wenn es dich gut duecht so nimm, und somit schlenggete es ein gewaltiges Stück auf Meyelis Teller. Es möge wager wäger nicht mehr, gäb wie gut es sei, sagte Meyeli. „So? sagte Anne Bäbi, warum rühmst de? Aber du wirst aüch eins von dene junge Täschlene sy, wo meine mi chön e alti Frau für e Narre ha wie me well.“ Da sagte Jakobli, sie wollten theilen, wenn es den ainen Theil nehmen wolle, so wolle er sehen ob er den andern möge, er sei wirklich b'sungerbar gut, aber d'Mutter vorstangs. „Ho, sagte Anne Bäbi, du wirst das jetzt g'rad nimme glaube, wo du jetzt e jungi hest, u die 48 wey hüt zu Tag alles besser wüße als öppe e Mönsch,der afe e Plätz d'r by g'si isch.“ Meyeli haätte gerne noch den Kaffe gerühmt, aber es merkte, daß heute nicht Wetter für's Rühmen sei und ein drittes Kacheli Kaffe begehrte es auch nicht. Hansli frug, um dem verlegenen Kinde zu Hülfe zu kommen, ob noch mehr Hochzeit, oder ob sie alleine gewesen? „Mi muß doch e Göhl sy selligs z'fͤrage, sagte Anne Bäbi, fahren sie an einem Freitag nicht schwallsweis herum, wie Käfer im Maien? es duecht mi, es soötte i ere jedere Chilche es halb Dotze sy, dere Goöͤhle. Aber es meint es jeders Schlärpli, wes chum cha über e Milchhafe us luege,su müß e Ma zuche.“ Während Anne Bäbi jede Rede auf diese Weise auffing und wiedergab, war Kaffe und Eiertätsch, der erste Gang, vollbracht, und der zweite,Fleisch und Schnitz und Wein marschirte auf. Sami wischte ab Mund und Löffel und wollte sich zurückziehen, aber bei aller Häßigi gönnte Anne Bäbi das Essen den Seinigen und meinte nicht, daß sie zu keinen Zeiten am Beßern Theil nehmen sollten, bestund das Bessere aus was es wollte. Es war einmal eine Mutter, die hatte eine Tochter, und diese hatte einen Bräutigam,und dieser aß gerne Haferbrei. Wenn nun der Bräutigam kam, so ward ein Haferbrei gekocht, und als Dessert damit aufgewartet, aber wohlverstanden nur dem Bräutigam und der Braut, und wenn es wohl ging, auch derselben Papa, die andern konnten gehen oder zusehen. So aber war Anne Bäbi nicht, und Sami mußte sich setzen und Mädi, nachdem es aufgetragen, auch. Essen und Trinken ging von Neuem an und Anne Bäbi streute sonder Unterlaß Salz und Pfeffer dazu, und wenn Meyeli nicht alles versorgen konnte,was es essen sollte, so sagte Anne Bäbi, sie könnten ihm nicht helfen, sie gäbten, wie sie es hätten, und wenn es das nicht schätze, so sei es boös zweg bei ihnen.Mädi, durch Anne Bäbis Reden und den Wein kuraschirt gemacht, begann in abgegrochenen Worten seinen Senf beizugeben, und da ihm Niemand darauf antwortete, so ward es immer kuraschirter und sah die Wetter nicht, die in manchem Auge aufstocketen, es sah nur das schöne Fraueli oben am Tisch neben Jakobli, fühlte nur die Bosheit, ihm seinen Platz zu verbittern und meinte uuter Anne Bäbis Schutz sich sicher und durch dessen Beispiel dazu sich berechtigt.

Meyeli hatte eine Ecke seines Fürtuchs aufgenommen und über den Schooß zurückgelegt, hatte auch uoch das Nastuch ausgebreitet, überhaupt die größtmögliche Sorgfalt an den Tag gelegt. Als aber dennoch ein Stücklein Fleisch entwischte, hinunterfiel, und Meyeli eben nicht wußte wohin, daher aufsprang als ob es auf eine Biene gesessen und sich nicht beruhigen konnte, bis es bestimmt wußte, daß es keinen Flecken gegeben, so sagte Anne Bäbi, albetz hätten sie es VWD da haätten sie Kleider gehabt, die solches hätten erleiden mögen, und die gewiß weniger gekostet hätten als selligi Fetzlein.

O hürmehi heyg Alles Geld genug, sagte Mädi,und mi müß z'Sach öppe ha, daß si z'säme akkidire.Sellig Haften hätte es auch noch nie gesehen und, es nämte ihns Wunder, was es Paar Sellige kosteten.

„Aber mi duüͤecht, das sött di gar nüt agah, sagte Anne Bäbi, es wird dir für die, wo es hat, Niemere z'Geld heusche, u we du sellig witt su frag de d'r Gürtler.“ „Z'frage wird doch erlaubt sy“, sagte Mädi.„He ja, antwortete Anne Bäbi, was dich angeht, kannst du fragen so viel du willst.“ „So, ist das so gemeint,antwortete Mädi, so, es soll mich nichts mehr angehen,und ich soll nichts mehr fragen! O, ich verstehe das wohl, den Verstand braucht man mir nicht mit dem Holzschlegel yche z'dopple (hinein zuschlagen). Schon morgen kann ich gehen, schon heute, wenn man will.O Jere, Mädi findet Platz genug! Aber daß es mir so gehen werde, hätte ich keinem Menschen geglaubt,äb wie er sich verflucht hätte. Aber unser Heiland w nicht vergebens, das sei der Welt Lohn. Fünfzehn Jahre treu dienet und am einzige King z'Lebe g'rettet u jetz geyt me däͤ Weg mit m'r um. Aber es ist graglych, es ist gut, daß e g'rechte Gott im Himmel ist, u daß der Alles g'seht un o wie me mit arme Mönsche umgeyt; und es wird öppe nit v'rgebe heiße,daß de am jüngste Tag alles werd a d'Sunne cho.“Somit stund Mädi auf, nahm seinen Teller mit und schoß in die Küche hinans, wie eine Bombe in eine Festung, rumorte draußen eben auch akurat wie eine geplatzte Bombe in einem Gemach von irdischen und gebrechlichen Dingen. Drinnen sagte Anne Bäbi zu Meyeli, dessen Aügen voll Wasser standen: „häb's nit ungern, das ist öppe nit viel d'ra g'lege, was das sagt.So uv'rschant ist es öppe nit geng, u de währts o öppe nit lang, mi cha das de öppe angers mache we me will.Es ist hüt zu Tag mit frömde Lüte nüt meh z'schaffe, u wed Lüt öppe wäre, wie sie sy soötte u werchete, wie me albetz g'werchet het, mi manglete a mengem Ort weder Jumpfere noch Knecht, mi chönnt z'Sach selber mache.Du b'ruchst's nut ungern z'ha, Sami, aber ih säge z'Sach wie's mi duecht.“ „Ih ha das nit ungern, sagte Sami, ih ha das scho mengist g'hört, un ih denke, we me mi nimme well, so werd me mi scho heiße gah, u we nes mir nimme g'fallt, su cha nih o mache wie ih will.Gut' Pacht mitenangere“, sagte er, und ging. Da sagte Meyeli, es begehre Niemand zu vertreiben, aber arbeiten wolle es was man ihm vorgebe, es sei daran gewohnt und thue es gern. Es werde nie vergessen, daß es arms sei, und daß es mit Werchen seine Sache machen müsse. Man solle ihm nur befehlen, und wenn es etwas nicht recht mache, es ihm sagen, es werde alles gerne annehmen und alles auszurichten suchen wie man es begehre, und zufrieden wolle es sein mit allem, nur ein wenig lieb haben soll man es. Vater und Mutter seien ihm gestorben, und fremd sei es in der Welt gewesen, und es duechts, wenn es e Vater und e Mutter wieder fänd, es wär im Himmel, und syr Lebtig wett's nit es Brösmeli meh klage. So redete Meyeli, bot beiden Alten die Hand, und dicht liefen ihm die Thränen d'Backen ab. „Bis nit e Göhl, sagte Anne Bäbi, und wischte sich auch die Backen ab, öppe Aune Babi. II. 2 fresse wird di Niemere. Ih ha di nit gern g'seh cho,ih will's grad' use säge, und es hat mi es strengs duecht, daß ih d'Mutter sy sött u nut d'rzue säge soll.Aber wed bppe thust wie's d'r Bruch ist u aständig,funbi nih de notti ke Tüfel nit, u das bi nih nit, si möge mi de v'rbrülle wie sie wey. Nüt hest, das ist wahr, aber sövli hey m'rs o nit nöͤthig, stotz m'r aber nit dppe d'r Gring mit dene Schnürflene z'säme oder gar mit Mädi, dem Uflath, de wirds scho gah, u viellicht daß m'rs öppe mache cheu, ohne daß frömd Lüt yMul bruche i üsi Sach z'häyche. Aber trinkit, seh,mach us, d'r Wy soött dir seltsam sy, du wirst öppe nit all Tag d'rzu cho sy. Mir hei ne o nit all Tag,we mers scho vermoöchte, aber ih ha daicht, wed scho nit werth chöͤmist, ih well notti thue, was öppe d'r Bruch syg. Ke Mönsch hätt dra daicht, weder ih, u wes nit g'scheh wär, us unger d'Lüt cho wär, so hätt ih doch a allem sölle z'Schuld sy, u's Mädi, die Täsche,wär z'Erste gsi, wo's wär ga usbrülle. Aber wart das ume, dem lütet es einist ung'sinnet Fürabe (Feierabend).“ Anne Bäbi, durch Mädi entladen, kam nach und nach in glücklichen Zug und ward durch den Wein immer redseliger und fand sein Glück im Ruhman, wie gut Meyeli geheirathetet, wie reich, wisse es noch lange nicht und wie reich Jakobli hätte heirathen können,wenn er nicht, so den Narren an ihm gefressen, könne es sich nicht vorstellen. Aber das mache jetzt nichts,sie hätten notti Fesse, un es werd scho gah, aber z'Mädi, dä Struß, dä müß me nit Meister lah, u r jetz well es ihm afah zeige, wer eigetlich z'bifehle eyg.

Anne Bäbi hätte vielleicht die Nacht durch geschwatzt,aber es begann die Lampe düsterer zu werden, kam dem Erlöschen immer näher, und endlich merkte es Anne Bäbi, und hieß Jakobli das Oelkrüglein holen.Aber Jakobli fand es nicht. Anne Bäbi hieß ihn einen Sturmi, öppis nit z'finge, wo ja es jeders King wüß wo's syg. Aber Anne Bäbi fand es selbsten nicht, gäb wie es suchte; es rief Mädi, aber Mädi gab wohl weislich keinen Bescheid; es schimpfte üͤber Sami, der es vielleicht im Stalle hätte, aber dort es suchen, war ihm z'wider. Im Keller war noch Oel, aber Hansli wehrte und meinte, es wär am besten, sie gingen nieder, so möchten sie am Morgen auch auf. Anne Bäbi mußte sich darein ergeben, aber unter vielem Schimpfen uüber die böse Zeit, wo man im eigenen Hause nicht mehr so viel Meister sei aufzubleiben so lang man wolle,und nichts mehr sicher sei, wo es hundert Jahre lang gestanden und Mutter und Großmutter es blindlings gefunden; aber warten die nur, morgen sei auch noch ein Tag, und wer ihm das Kruglein verstellt habe,der solle sehen was er gemacht, dem wolle es es verleiden, eins für alle Male. So räsonnirte Anne Bäbi,bis ihm der Schlaf die Augen zudrückte, es hörte das Kichern nicht, welches schadenfroh im Dunkel des Gadens hörbar ward.

Wie Meyeli erwarmet.Seltsam war es am Morgen Meyeli zu Muthe,als es von keinem Vetter aufgerufen, statt in einem rußigen Gaden, in einem freundlichen Stübchen erwachte,der Tag an die Fenster hoschete, durch die Umhänge zwitzerte, und an der Wand ein loses Spiel trieb.Das Bett war so weich und warm, wie es keines noch gesehen, was das für ein anderes Dackbett war,als das dünne Häutchen, mit dem es sich sonst decken mußte, und welch Unterbett gegen das, auf dem es sonst lag und durch welches hindurch man die Bettladen wenn nicht zählen, doch fühlen konnte. Da war an Federn nicht gespart und man sah es wohl, daß je mehr derselben in die Ziehen gingen, desto größere Freude die Bäuerin, welche sie füllte, gehabt haben mußte: das war so von den Betten eins, in dem man bei müden Gliedern den füngsten Tag bequem verschlafen könnte. Es war Meyeli schwer es zu verlassen.Man glaubt gar nicht, was so ein weiches warmes Bett für eine Wohlthat ist, wenn man an Wind und Wetter gewesen, einen lieben langen Tag, und was es für eine Gewalt übt über die, welche in schlechten Betten manche liebe lange Nacht durch geschlottert und von weichen warmen Betten nur haben reden hören,und so ein weiches warmes Bett ihnen vorkam ungefähr wie ein Vorhof zum Himmel. Wenn eine Magd von den Bessern ist und nicht ihr Geld alles an Fatzenetleni und Gäugelei hängt, so sinnet sie an ein Bett, und hat sie ein gütes Bett sich angeschafft, so wohlet es ihr,es ist ihr als ob sie nicht mehr verlassen wäre, als ob sie für ihre alten Tage gesorgt hätte, sie hat ja ein 9 (Heimat), sie weiß, wo sie ihr Haupt hinlegen ann.

Aus dem Bette aber sah Meyeli auf einem Tischchen seinen Hochzeitstaat und nebenan in der Ecke seine zwei Bundelchen stehen; dieser Anblick störte sein Behagen, trieb ihns auf. Es packte aus, und erst jetzt,wo es alles neben einander auf ein Tischchen legen mußte, und noch dazu die Sonne darauf schien, sah es, wie seine Hüdeli und sein Staat gegen einander abstachen, und da war keine Vermittlung, keine Brücke von einem zum andern, rechts lag einer Bäurin reiche Kleidung, links die baueligen Fetzleni eines Gottswillen Kindes, dort alles währschaft und in Fülle, hier alles durchsichtig, zu eng und zu kurz.

Vor alten Zeiten sprach man von einer Baürin,welche ihren Mägden Hemden zum Gutjahr gegeben,von denen jedes acht Pfund gewogen habe, an diesen waren Kuder und Knöpfe nicht gespart, und die müssen ein handlich Tragen gewesen sein. So handlich waren Meyelis Hemdchen nicht, aber sie waren durchsichtig,kurz und klein, die Hühner konnten den Hafer dadurch picken und vornen wollten sie ihm fast nicht übereinander. Das Kitteli war viel zu kurz, der Mond schien durch dasselbe und zeigte die bösen alten Strümpfe, von denen man nicht mehr wußte, waren sie gewoben, gelismet oder genäht. In gleichem Styl war das Tschöpli, und wenn Meyeli einmal drinnen war, so machte es ihm den ganzen Tag Kummer, wie am Abend wieder hinaus. Diesen Staat mußte es nun heute anziehen und damit vor dem Publikum erscheinen, vor dem es gestern in reichem Hochzeitgrust aufgezogen war,mußte das Zeugniß an sich herumtragen, daß es nur ein Gottswillen Kind gewesen und gleichsam nur d'r Gottswille da sei; denn die Leute faffen es nicht, daß wir alle, Konig ünd Schelm, eigentlich nur d'r Gottswille da sind, wo wir sind, und daß hier kein Unterschied ist zwischen dem Menschen und keine Ausnahme von der Regel.

Meyeli weinte, und wer will es ihm verargen? So konnte es ja nicht einmal in die Kirche gehen, weder das eine noch das andere schickte sich, und wenn Jemand ins Haus kam, so durfte es sich weder in dem einen noch im andern zeigen; das Eine schickte sich nicht für ordinäri Tage, das Andere nicht für eine junge Bauersfrau. Sagen durfte es nichts, mußte ihnen es überlassen, Verstand zu haben, dem Mangel abzuhelfen; aber jetzt mußte es doch in seinen alten Kleidlene hinunter, im Gloschli konnte es nicht bleiben so wenig als im Bette. Es durfte Jakobli nicht einmal sein Herzenleid klagen; Meyeli brachte nur in Anschlag, was es mit Jakobli erhielt; was er durch ihns erhielt, dem gab es keine Schatzung; Meyeli war noch demüthig. Meyeli hatte von der Art junger Weiber keinen Begriff, die zu profitiren wissen, oder die meinen,weil sie dem Manne die Ehre angethan ihn zu nehmen,so sei es nun seine Hundspflicht uünd Schuldigkeit, ihnen zu allem zu verhelfen, was ihnen einfällt, und nie satt werden mit begehren und drangsaliren und von keinen Rücksichten was wissen; die zu meinen scheinen, ein Maunn sei eigentlich nichts als ein großer Lulli, an dem man sauge, bis nichts mehr darin sei, und sei nichts mehr darin, so schreie man wie ein Kind, und mache ein Lätschmaul, je größer je lieber, und wenn's so groß würde wie der lange lange Schweif des letzten Cometen.Meyeli hatte von dem keinen Begriff, es erhielt ihn auch nie, sagte sein Lebtag nie: „Es thut ihms sauft,dem Hung, dem Uflath, dem Muffi.“ Es wischte endlich seine Thränen ab, zog seine Kleidleni an und ließ schüchtern sich hervor.

Gut Wetter war nicht ob Handen. Anne Bäbi hatte das Oelkrüglein nicht vergessen, und das erste am Morgen, was es vornahm, war ein Forschen nach dem Krüglein, und siehe, es stund zwar nicht an seinem ordinäri Platz, doch dicht dabei, wo, wie Anne Bäbi behauptete, man es hätte sehen müssen, wenn es gestern da gewesen wäre. Aber alles Forschen war umsonst, kein Mensch wollte es angerührt, weggenommen, hingestellt haben. Anne Bäbi hätte selbst und zuletzt es in Händen gehabt, behauptete Mädi, und es duech ihns nicht kurios, brummte es vor sich her,daß man am Abend etwas nicht gesehen habe, was am Morgen einem blinzlige in die Augen falle, es sei schon manchem Menschen so gegangen. Meyeli achtete man kaum, doch glaubte es von Mädi einen spöttischen Seitenblick abgekriegt zu haben, was ihns noch mehr in Verlegenheit setzte, denn zu dem Bewußtsein, was für Kleiker es anhätte, kam nun noch die Angst, wo es jetzt stehen, absitzen, was es anrühren solle, damit es Niemand an seinem Orte stehe, und Niemand etwas ühre, welches dieser Jemand nicht angerührt haben wollte.

So eine junge Dame weiß gar nicht was es heißt,Suüͤhniswyb sein und als Sühniswyb in ein Haus eintreten; entweder zieht sie in ihr eigen Menage, oder aber, wenn sie am Morgen gefrühstückt hat, macht sie die Toilette, setzt sich an ihren eigenen Arbeitstisch und niggelet etwas bis Visite koömmt, oder sie Visite macht,und wenn die Köchin gekocht hat, so sitzt sie ane und wenn sie gegessen hat, so streicht sie sich, und wenn man nicht den eigenen Weiberteufel im Leibe hat, der nur im Zanken leben kann, wie der Fisch nur im Wasser, so kommen Schwiegermutter und Schwiegertochter parfaitement bien aus, es sei dann, die Schwiegertochter sei auch vom Ehrteufel geplagt, wolle die Hoünenrs machen und die G'astimirtere sein. Auf dem Lande aber da ist es anders, da gibt es weder appartigi Arbeitstischchen noch appartigi Menage, weder Visite noch Appartements, da ist ein gemeinsamer Haushait, der beschafft sein will durch alle vorhandenen Haände. Kommen nun frische Hände dazu, wo sollen ste angreifen und wer macht ihnen Platz? Wenn böser Wille da ist, so trifft man es nicht, man mag es machen wie man will. Greift ein Sühniswyb ungeheißen zu, so heißt es, schon am erste Tag hätte es gemacht,wie wenn es da alleine Meister wäre; wartet es aber bis man es heißt, oder frägt es, was es machen solle,so heißt es: wenn es V'rstäng hätte, so käme ihm selbst z'Sinn, was zu machen wäre, und man sagt ihm, wenn man höflich ist: „he öppe was gern witt, mir heys bis dahi chöne mache, mir hätte Niemere meh g'manglet.“Ist man unhöflicher, so sagt man: „mira, was diwitt,mir hey ihs g'wahnet ðwerche, u hey nit d'r Zyt,enangere d'Näse uf z'Sach ʒstoße, es sott öppe es Nieders g'seh, was z'mache ist.“

Ist cin Hauptwerk da, Anpflanzen im Frühling,Heuet, Erndie, Säet, so macht sich die Sache am leichtesten, da nimmt ein Sühniswyb das Werkholz und geht aufs Feld und trägt Mittag und Abends,wenn ses sich einkaufen will, der Schwiegermutter ungeheißen Holz und Wasser zu und hilft abwaschen und rüsten, was es sich ergeben mag. Jetzt war aber gerade die eigenthümliche Zeit, wo man es in jedem Bauernhause anders hat, und ungeheißen kein Fremder viel zu machen weiß, die Zeit wo der Herbst in den Winter übergeht, der Säet zu Ende, die Erdäpfel aus sind, aber Dreschen und Spinnen noch nicht angefangen haben, die Zeit wo man draußen und drinnen fertig macht, sich zweg nistet zu behaglichen Winterquartieren.Die Einen haben mit Rüben zu thun, andere mit Waschen, mit Obst und Eingraben, mit Fahren und Dörren,mit Plätzen und Fegen, mit Brechen und Hecheln, kurz mit vielen Dingen, und fast in jedem Hause mit etwas anderem, und fast bei jeder Sache ist in jedem Hause ein anderer Brauch und wenn nicht alles akurat diesem Brauch nachgeht, so hat man nicht den mindesten Glauben zur Sache, sondern sagt: „oppis dumms e so, üser Lebtig chunt das nit gut.“ Jetzt denke man sich eine Schwiegermutter und ein Söhniswyb beim Wäscheeinlegen, beim Kabiseinmachen, beim Kücheln, und jedere denkt, wenn die andere die Hand rührt, Herr Jeses wie dumm, das chunt üser Lebtig nit gut! Wie das in beiden worget und kochet. Endlich sagt die Schwieger: nit e so, üser Lebtig nit, wie wett das gut cho.Mir hey das daheim geng e so g'macht, u Niemere het g'seit es syg lätz, z'kunträri, d'Arbeitslüt hey nie g'nue choöne rühme, antwortet die neue Tochter. Ho,das müße wunderlig g'st sy, antwortet die Schwieger,hie fräßes d'Säu nit, we mes so miech. Somit ist die Kriegserklärung gemacht. Abends sagt die Schwieger zu ihrem Mann: mir sy ung'fellig g'si, es duüͤmmers Mönsch hät üse Hans nit chöne übercho, u we es si no öppe ließ b'richte; aber e Gring hets, wie ne beinige Esel. Du, ih hätt mir Lebtig nit g'laubt, daß es Lüt gäb, wo d'r Kabis so ginge gag'schänge u dz'Storze use haue, die sy ja g'rad am chüstigste, u hey am beste dar.

Das Sühniswyb aber pläret dem armen Mann die ganze Nacht die Ohren voll, es g'stangs dä Weg nimme us, es well wieder hey und gäb es Kabisstorze freß, well es lieber gar nüt.

Und aus ist es mit dem Frieden, es gutet nimmer,bis eins nach dem andern die Augen zuthut und ins stille kalte Kämmerlein muß, wo alles Reden aus und Niemand mehr Kabis einmacht. Ja es ist wirklich ein Elend, wie des Menschen Elend so oft aus nichts entsteht, nur aus unserm Kopf hervorgeht, wie die Welt aus nichts entstanden, nur aus Goites Willen hervorgegangen ist.

Meyeli hatte dieses sich nicht ausgedacht, aber etwas davon fühlte es, und es war ihm, als es in die Küche trat, als sollte es sein nacktes Füßchen setzen in ein aufgeregtes Wespennest. Guten Tag geb euch Gott mit einander,“ sagte es, und ob ihm Jemand dankte,oder ob nur das Feuer spretzelte und die Kacheln rasselten, vermochte es nicht zu unterscheiden. „Kann ich etwas helfen, frug es, etwa Holz tragen oder Wasser holen 2“ „Wir haben im Brauch, das zu holen, ehe wir z'Morgen kochen,“ antwortete Anne Bäbi. Da Mädi grade das z' Morgen (Frühstück) hineintrug, sagte Meyeli,„Foll ich dir helfen?“ und wollte die Schüffel mit Rösti fassen. „Häb nit Muüh, sagte Mädi, ich habe das schon lange alleine gemacht, es braucht mir Niemand zu helfen.“ „Soll ich zum Essen rufen?“ fragte Meyeli. Niemand antwortete, aber Mädi schoß an ihm vorbei wie ein Hurnuß und brüllte, „ihr söllit cho eße“, daß man unten im Dorfe bei vielen Häusern meinte, man habe bei ihnen gerufen, und das Mannevolk daherkam und mit dem Weibervolk, das nicht fertig war und nicht gerufen haben wollte, z'branzen (disputiren) anfing.

Drinnen wollte Meyeli zu unterst am Tische absitzen,da fuhr ihns Mädi an, es werde ihns doch nicht von seinem Platz vertreiben wollen, wo es bald hundert Jahr g'hocket sei, und als Meyeli mit dem Weinen zuvorderst in der Stube stand, und nicht wußte wo zum Tisch,daß es recht sei, sagte Anne Bäbi, „warum chunst nit cho hocke, soll me di no apparti heiße?“ Es wisse nicht recht, wo es zuche söll, sagte Meyeli, daß es Niemere am Weg syg. „G'sehst de nit, daß da uüfem Vorstuhl (der bewegüche Stuhl vor dem Tisch) Platz isch,“ schnautzte Anne Bäbi. Meyeli hatte den Platz wohl gesehen, da er aber oberhalb Anne Bäbi war, so saß es nicht gerne ungeheißen da ab, und eben so wenig unterhalb, wo der Platz derjenigen war, die über Tisch les honneurs machte.

Ueber Tisch war die Rede vom heutigen Tagwerk,und es war beschlossen, die Rüben herbeizümachen. Es werde sie doch nicht alleine ziehen sollen, frug Madi,es werde jetzt wohl Neuer da sein, der ihm helfe.Mädi gramselte es schon vor Freude in allen Gliedern, 26 mit dem armselig gekleideten Sühniswyb durchs Feld auf den Acker zu gehen und hatte bereits darauf hin schon den bessern Kütel an, ein währschaft Fürtuch zurecht-gelegt und eine Kappe, an welcher der Sammet noch schwarz war. Beim ordentlichen Wetter war sicher das Feld voll Leute und Alle neugierig die neue Frau zu shen, die noch Niemand kannte. Und im ganzen Feld,dächte es, werde kein Christenmönsch sein, der nicht denke, was Jakobli füͤr ein Löhl sei, ein solches Faggeli un es selligs Häggeli (das erstere bezieht sich auf schlechte Kleider, das letztere auf einen schlechten d. h. schmäch-tigen Leib) zu nehmen, wo er es doch näher und zehnmal besser hätte haben können. Z'Jowägers Jumpfere,z'Mädi, wär ihm doch de hundertmal lieber g'si. Kein römischer Held konnte sich auf seinen Triumphzug mehr gefreut haben, als Mädi auf seinen Gang durchs Feld mit dem armen Meyheli.

Da sagte Hansli, Mädi hätte die Rüben schon manchmal 'alleine gezogen und wenn es sie heute nicht möge, so könne man noch morgen daran machen. Es woüe gerne mit, sagte Meyeli, es sei ja da für etwas zu mächen. „Das wird's schon noch geben, sagte Hansli, u daheim wird's wohl noch etwas zu machen sein.“ „Wes doch gern käm, sagte Mädi, und zweimal zu laufen trägt auch nichts ab.“ „Du hast's gehört,fagte Anne Bäbi, was Hansli gesagt hat.“ „He nu so de, sagte Mädi, so sygs de mira“ und schoß hinaus als wenn es ein Habicht wäre, der einer Taube nachfährt. Anne Bäbi hatte Mädis Absicht halb errathen,halb ärgerte es sich selbst über Meyelis Aufzug, und so gerne es demfelben die Schande gegönnt hätte, so fühlte es doch, daß dieselbe auf ihr eigenes Haus zurückfiele, denn einmal war Meyeli jetzt Jakobli Jowägers Frau und daran war nichts zu äändern, was man gegen ihns hatte, konnte man an ihm auslassen, doch es nicht unter die Leute lassen. So alt Anne Bäbi war, so wußte es doch nicht, wie unklug es ist, eine ertaubte Jumpfere allein auf ein Feld zu schicken, auf dem viele Leute sind und zu dem man vom Hause weg nicht sieht.

Mädi schoß hinaus wie ein entronnener Wolf, der nicht warten mag, bis er seine Zaähne ins erste beste Fleisch schlagen kann. Natürlich war Mädi eine willkommene Erscheinung im Freien: wo us, wo wottsch,warum alleini, ih ha glaubt du sygist z'Hochzit? so redete man es ihns allenthalben an, und jeder stellte sich bei ihm, und wo auf einem Acker Leute waren, da riefen sie, chum los Neuis, und Mädi ließ umsonst sich nicht rufen. Und allenthalben packte es seinen Grimm aus und wenn man ihus fragte, warum die junge Frau nicht mitgekommen, man hätte geglaubt, Anuür Bäbi möge nicht warten, bis es sie schicken könne Rüben zu ziehen, so zog es seine Maulecken zu den Augen herauf, stellte die Fäuste in die Seiten, und sagte: es ist Anne Bäbi nit wegem borge (schonen) g'si, o jere,das borget Niemere, aber es hei si g'schämt, g'schämt het es st, uf my armi Thüri, wie ne Hung. I d'r ganze G'meind ist kes Bettiermönsch schlechter bikleit as das neu Sühniswyb, dem g'seht mes o so recht a, daß es ab d'r Gasse chunt, die leydist Jumpfere chunt besser daher;“ und Stück für Stück legte es Meyelis Kleider aus und dann sein ganzes Wesen, wie es nichts anders sei als ein akahreter (angemalter) Haueustiel u no vo de leydere eine. Hatte man es so lange auf einem Acker stehen sehn, so nahm es begreiflich die Leute auf dem andern Acker auch Wunder, was Mädi zu b'richten hätte, mitten im halben Tag, es mußte auch ihnen sein Herz leeren, so daß es nicht lange nachals Mädi in ihren Rüben zu stehen kam, Mittag äutete.

Das arme Mädi sah das ganze Feld voll Leute für seine besten Freunde an, die den inmigsten Antheil nähmten an seinem Zorn und das lebhafteste Bedauern fühlten über seine erlittene Behandlung; es ließ sich nicht träumen, daß alle den köstlichsten Spaß an feinem Zorne hätten, und alle es ganz begreiflich fänden, daß man so mit ihm umgehe und nicht anders.

Während Mädi die Posaune machte auf dem Felde herum, ging auch daheim etwas vor. 28 Anne Bäbi hatte Meyelis Kleidung übel vermerkt und sah ihm mit sauern AÄugen nach, aber lange sagte es nichts, es hätte lieber gehabt Jakobli oder Hansli würden davon anfangen, aber die hüteten sich wohl,sie wußten, daß die Mutter am Ende den Verstand habe, fobald nur Niemand ihr ihn machen wolle. Richtig brach sie endlich auch mit der Frage los, „warum leyst (ziehst) du dich so an, leyder kommt hier kein Straßenmensch?“ „Verzeiht Mutter, sagte Meyeli, das sind meine besten Kleider. Ich habe sie erhalten, als ich vom Herren kam und seither ließ mir der Götti keine andern machen, und Geld habe ich keins gehabt,um selber anzuschaffen, ich habe mich müͤssen leiden.“

„Schäme söttst di, e sellige Götti z'ha, sagte Anne Bäbi, wes m'r nit ume Jakobli wär, u daß d'Lüt nit müßte d'Freud ha, uf my Armi, ih ließ d'r ganz Winter di so desumelaufe. E sellige Staat ga z'ha am Hochzyt, u de morndrisch ke güte Fetze am Lyb.Aber so het's die hütigi Welt, du wirsch o es rechts Täschli sy, sust hättist meh V'rstang g'ha, as e so.“

„Mutter, sagte Jakobli, z'Meyeli virmah si deße nüt,es het d'Hochzytkleider nit selber ag'schaffet, u angeri ede het me denkt, chön me ihm de lah mache, wes ie yg.“

„Wer het de die schöne Kleider ag'schaffet, fragte Anne Bäbi, emal du o nit, oder sy si oppe gar no entlehnt ?“

„Ney, Mutter, sagte Jakobli, z'Wirthstochter z'Raxige het z'Sach g'macht.“

„Wer seyst?“ schnautzte Anne Bäbi. „Z'Wirths-tochter z'Raxige!“ antwortete Jakobli.

„Jetz no gar, nei, jetz ist m'r nüt meh z'helfe,antwortete Anne Bäbi, jetz ist afe Zyt, daß ih da dänne chume, u lieber hüt as morn; zur Mutter, wo eim ungerm Herze treyt het, het me kes z'Zutraue u lauft zu nere Wirthshusmore. O, wie nih doch die Trücher (träg und sinnlich) hasse! Die wird di schön b'schisse ha, wohl, u huse mir doch söpli. He nu so de, mira, su gang jetz zu dere, u säg, si söll d'r o lah

Kleider mache für e Werchte, ih wott mih nut dry mischle,wott nüt säge. Es einzigs King, u macht eims e so,laht d'Mutter hocke u so ne donnerschießige Schlarp im Geld krüschle. So geyts hüt zu Tag, wohl albetz hätt mes e so selle mache. Es nähm mi ke Wunger,we scho üse Herrgott d'Welt ume ne Stud (Pfähl)ume schlug, bis siti tusig Fetze fuhr, nei, verwungere thäts mi nit.“

Jakobli hatte Mühe die Mutter zu besänftigen; je mehr er sich unterzog, desto mehr Ursache glaubte Anne Bäbi zum Aufbegehren zu haben, das gänze Wetter,welchem Meyeli gestern entronnen war, brach heute los, aber es machte schon nicht mehr halb so viel, war es doch nicht mehr der erste, sondern der zweite Tag.Da es immer wieder darauf zurück kam, wie das donstigs Trüch ihn werde b'schisse ha, so hatte endlich Jakobli den glücklichen Gedanken, die Mutter zu bitten,sie möchte kommen und z'Sach g'schaue, sie werde dann selbst sagen müssen, daß z'Sach recht sei, us Niemere wöhlfeler hät choöͤne mache. Anne Bäbi rurete (brummte)gewaltig über diese Zumuthung, sellig Hoffertschiß begehre es nicht zu sehen, sagte es. Indessen war doch in Anne Bäbi des Weibes Ferse (sein weicher Punkt) getroffen,der immer und alleweil verwundbar ist, gäb wie fonst Leib und Seele geharnischt sind. Wenn von Kleidern die Rede ist, die zu kaufen oder zu sehen sind, da wird wohl selten ein Weib sein, das nicht Ohren hat dafür,und nicht Augen, und auf Erden ist sicher keine Schwiegermutter, welche nicht zu bewegen wäre, den Hochzeitstaat ihrer Schwiegertochter in Augenschein zu nehmen.

Es geht die Rede, wenn man einem wilden jungen Kühlein (um es so höflich als möglich zu sagen) einen nassen Lappen übers Kreuz lege, so schlage es nicht mehr, sondern werde zahm wie ein Lamm, aber würde nicht (wohlverstanden nicht zusammen gezählt), noch manche junge Frau zahm und zärtlich wie eine Taube,wenn ihr der Mann jeweilen, ich will nicht sagen, was Nasses, sondern was Neues, einen schönen Shwal oder einen schönen Kittel ums Kreuz legte, wenn es spuken thäte im Kopf. Ach, die Weiber haben einen sichern Takt, ein richtiges Gefühl, sie wissen wie wüst und gebrechlich der Mensch von Natur ist, wie nöthig er es hat ein neues Wesen zu werden, wenn er Wohlgefallen finden will vor höhern als Menschen Augen.Uud wenn sie nun in den Irrthum fallen, daß dieses Neue der Krämer verkaufe und der Schneider mache,wer ist Schuld daran, als die wüsten Männer, welche die armen Weiber nicht besser b'richten und es oft selbst nicht besser wissen.

Immer protestirend gelangte Anne Bäbi vor des Stüblis Thüre, es wußte nicht wie, und als die einmal offen war, da war ihm natürlich nicht mehr zu helfen und die Hände über dem Kopfe zusammenschlazend, trat es zum Tischchen und rief: „O Jocheli, o Jocheli, Herr Jemer, was soll das bidüte, für kes dieb möcht ih e Zopfe arühre, das wär ja z'schön für eRathsherretochier, verschwyge de fir . Wo ich Hochzeit gehabt, und tausend Pfund hat mein Vater Eheseuer gegeben, habe ich auch Hochzeitkleider bekommen,und ich habe geglaubt, wie hoffärtig ich sei; aber was?es sind Hüdeli gewesen gegen die, der Kittel hat sieben Kronen gekostet, z'Gloschli füfz'g Batzen und d'Hafte dryßig und sonst habe ich neue nichts gehabt das neuis kostet het, als neue Schuhe und die haben achtzehn Batze gekostet und jetz Selligs und wer hets lah mache u wo ist d'Eh'stür?“ Während dem Reden ließ Anne Bäbi Stück für Stück durch die Finger laufen, hielt sie gegen das Licht, seufzte bei sedem Stück, Herr Jemer, Herr Jemer, o Jocheli, o Jocheli. Hundert Thaler machen es nicht, rief es endlich, und wer hat das zahlen müssen! Wohl, das fängt gut an, und haben wir doch so g'huset, u kes Freudeli uns gönnt.„Aber wo sind die Göllerketteli, frug es plötzlich, bei einer solchen Pracht wirst du doch nicht Geliehene inne gehabt haben?“

Meyeli hatte schon lange geschlottert und Anne Bäbis Worte waren ihm durchs Herz gegangen wie die alten Schweizerspieße ehedem den Landsknechten und andern

Oestreichern. Da rührte sich auch der Satan in seinem Herzen und legte ihm die Worte auf die Zunge:ðWirthstochter het m'r ihre gäsg'ha, und schon waren sie auf der Zungenspitze, als es Meyeli war, es gebe ihm Jemand eine tüchtige Ohrfeige und nehme die Worte ihm ab der Zunge. Es wandte sich um, nahm mit schwerem Herzen die Ketteli aus seinem Bündelchen und legte schweigend der Mutter sie dar. „Aber nei,aber nei, u wettigi, u wettigi, rief Anne Bäbi, selligi sy im ganze Dorf nit, emel füfzehe Krone hey si kostet,u myni werde nit meh als sechse kostet ha, u bi nih doch e Buretochter g'st, u wie wird ech no das dolder Mönsch, wo alles het müße kaufe, b'schisse u zwüsche use g'no ha, daß me möcht Plätzeab pläre. U d'r Mutter v'rtrauet me selligs nit a, aber ihr werde zum Vorus g'wüßt ha, daß si ech selligs Tüfelwerch nit is Scheube u de gar no selligi Ketteli, wo me ja e Stier d'ran könnt 5'Märit führe. U de selligi Hüdeli d'rzu,fuhr Anne Bäbi fort, welches sich während seiner Rede zu Meyelis Bündeli gewandt hatte, g'schauit, luegit doch,wettigi Hemmeli u was für Strümpf! He nu so de,mira, es cha jetz kehr um mache; ei Tag chas probire,wies i de Hudle isch, u ei Tag wies a nes Rathsherretochter isch, so öppis het me doch üͤser Lebtig nit erhört.Sy das dyner Sache all?“ „Jo wäger, Mutter, sagte Meyeli, d'r Götti het m'r nüt lah mache sit ih vom Herre cho bi.“ „Säg doch eme sellige Uflath nit Götti,antwortete Anne Bäbi, ih wott's nit ha, g'hörst? Er wird o über di z'ichlage g'ha ha, junge Meitscheni sy hürmehi nüt meh werth, aber wed scho z'wüstist Trüch g'st wärist, so hätt er di doch nit sölle lah gah sövli v'orhudlet u nütwerthig. E sellige Uflath hey m'r doch notti keine i üser Vrwandtschaft, Gottlob.“ „Ja,Mutter, u wed wüßtisch, was er mir fürg'ha het und wie ner mi mit dem Bese vom Hus furt g'jagt het?Hudellüt, het er g'seit, syge m'r.“ „Es ist d'r recht g'scheh, sagte Anne Bäbi, u we wir di ume no wyter g'jagt hätt, warum g'heyst unger es sellig's Dach. Aber Hudellüt sy m'r doch de Gottlob nit, u vo me sellige föll me si de nit so lah säge, Bub, g'hörst ?“ „Ebe,sagte Jakobli, ha nih du denkt, dä söll g'seh ob m'r de Hudellüt syge oder nit, un ha zWirthstochter g'seit,uf es paar Neuthaler uf oder nieder köm's de nit a,und Meyeli het nit welle, für e Tusig nit; aber es het du emel müße sy, u Zyt isch zikurz g'sy, für no angeri Kleider lah z'mache, mi hätt süst dra g'sinnet g'ha.“ „Dra g'sinnet g'ha, sagte Anne Bäbi, bedeutend befänftigt, dra g'sinnet g'ha, ja wolle, wer hätt selligs welle sinne, selligs chunt öppe geng a mih. Aber mi wirds de öppe einist erfahre, wo d'r V'rstang hercho ist, wenn er nit meh da isch, un ih o nit. U was soli me jetz mache, ini darf's vor ke frömde Mönsch lah u Arbeitslüt, Schnyder u Nähyere u dere Züg darf me nit emal b'schicke, si vorbrüllete ihs z'Land uf u ʒꝓLand ab, wie m'r es Sühniswyb heyge, keis Bettlere meitli chöm schlechter daher, u g'machti Sache fingt me öppe Niene z'kaufe, weder öppe a Steigerige, un ih weiß vo ker fellige, u my Sach schickti st dir nüt,am ene sellige Maägerlig (magere Person), ame sellige Meyerysli.“

Das sei ihm d'r größt Chummer g'si, sagte Meyeli,es hätte scho vo Afang dra denkt, und es heygs duecht,wes ume mit Jakoblis Mutter z'rede cho chönt; aber d'r Götti hätt's nit lah gah, u cho hätt's nit dörfe.„Het's di duecht, fragte Anne Bäbi, hets di notti buecht?“ Aber wenme ihm Rustig furegäh wett, so z'Möthigist wetts probire z'mache, daß me si de öppe bor de Handwerslüte nüt z'schüche bruchti. Sy Mutter syg e Näyere g'si, un es heyg ere gar viel müße helfe, ehe si g'storbe syg, un si heyg ihm öppe alles zeigt, was nöthig g'sti syg. „So, e Nädyere isch si g'si, he nu so de, ebesomähr! Mir hey im Mooshüsli o Huslüt g'ha, u drei Wyber hingere nangere hey m'r g'ha, wo Näyere g'si sy bi ihrer ledige Zyt, u das sy die nütnutzigste Wyber g'sy wo ufem Bode g'lüffe sy. „Wo si ledig g'sy sy het öppe üse Herrgott nit höffahrtigere g'seh, u wo si Wyber g'sit sy, sy si vo dene strübste g'si wo me het welle g'seh, mi het längs Stück nit chöne wüße, was hingefer, was vorver isch,gäb wie me g'lueget het. Es sy aber o all drei Husmanne z'Hudels gange, u G'mein cha d'King erhalte.Ie Nähyere isch dy Mutter g'si, u du büt o dere Zug?“eheli verwerchete seine Thränen so gut es konnte,und erzählte wie seine Mutter eine exakte Frau gewesen,früh und spät, wie sie die Kinder zu allem gehalten,weil sie nicht wüßten, wozu es ihnen gut käme, und je früher man etwas könne, desto weniger brauche man später zu lernen; aber wie Unglück und Krankheit uüber hnen gewesen und beide Eltern ins Grab gedrückt. Wie sein Nähen ihm bei dem, Götti komod gewesen, und nicht für ihns, sondern für dessen Kinder, denen er nichts hatte machen lassen. Aber deßwegen hätte es nichts destoweniger draußen gemacht und im Hause; aber zwischen hinein gehe viel, wenn man die Zeit zu ehren wisse.

„He ja ja, sagte Anne Bäbi, was me nit g'seh het, muß me glaube, un ih wott nit säge, daß de lü gist; aber uf dem des umehöckle u naäͤyerle u lismerle ha nih nüt, u no anger Lüt hey o nüt druff, u wenn büt zu Tag eini ful isch, u z'Sunne nit mah erlyde,su g'rathet si zu nere Näyere. Aber wed öppis chast,u di nit ume derfür usgist, wies hüt zu Tag d'r Bruch isch, wo jede Schnuderbub Alles cha will, hexe u z'angere o, su ischs m'r graglych, wed d'r z'Nöthigist machst,daß öppe o eyere glychist, die use me Burchus chunt,wo me öppe zTuch selber het, u nit e niedere Fetze hingerem Zun füre grüblet oder vo me ne Hudilumper ytuschet. EChum, ih will d'r füre gäh, aber g'hoörst, es Nayerli bigehre ih de nit z'ganz Jahr im Hus, un ufs Abhaue achte ih mi de, u z'verschleipfe isch de notti i üsem Hus nit d'r Bruch g'si; wer Geld mangelt,cha z'Mul uf thu, wenn er e Bitz Brod yche lah ill,su muß er o.

Anne Bäbi holte die Spycherschlüssel und sagte zu Meyeli: „chast cho!“ „Wie d'r bifehlit, Mutter, sagte

Anne Bäbi. LI. 3 Meyeli, sust cha ih ume hie blybe.“ „Cha ih ume hie blybe, sagte Anne Bäbi, we di heiße cho! weinst de,ih well alles eleyni übere schleipfe?“

Der Spycher ist die große Schatzkammer in einem Bauernhaufe, derowegen steht er meist etwas abgesondert vom Hause, damit, wenn dieses in Brand aufgehe, jener noch zu retten sei, und wenn das Haus angeht,so schreit der Bauer; „rettit den Spycher, su macht Fangere nit sövli.“ Er enthält nicht blos Korn, Fleisch,Schnitze, Kleider, Geld, Vorräthe an Tuch und Garn,sondern selbst Schriften und Kleinodien; er möchte fast das Herz eines Bauernwesens zu nennen sein. Darum,wenn Diebe Beute machen wollen, so brechen sie in den Spycher, nicht ins Haus, darum ist der Spycher wohl verwahret, gewöhnlich aus sogenannten Helbligen chalben Tannen) gebaut und mit starken und kunstvollen Schloössern wohl versehen.

Wie der Konig in seine Schatzkammer das Volk nicht läßt, sondern nur den Schatzmeister und bei guter Laune guten Freunden die Schätze zeigt, aber selten alle, so geht in den Spycher nur der Bauer und als Schatzmeisterin die Bäurin, und diese ist es dann auch,die jeweilen bei besonderer Laune einer nahen Verwandtin oder Schwester die Schätze zeigt, aber ebenfalls selten alle. Toch wird weder Schwester noch Verwandtin je den Wunsch äußern, in den Spycher geführt zu werdeu; je neugieriger man ist, desto mehr verbirgt man die Neugierde. Man weiß es aus dem eigenen Herzen,daß, sobald man Neugierde sichtbar werden sieht, Mißtrauen entsteht, und sorgfältig verborgen wird was die Neugierde wissen oder sehen möchte.

Anne Bäbi hatte wenige Menschen noch in den Spycher geführt, aber gar sehr sich gefreut, die Zyberlibüri und ihre Tochter in denselben zu führen, wenn sie zu ihnen z'Dorf kämen. „Die werde luege, sagte es oft zu sich, was säge st ächt 070 Daß diese Freude ihm verdorben ward durch Jakoblis eigenmächtige Liebe,war eine bedeutende Mitursache, daß es so hartnäckig auf seinem Willen bestand, und so wüst gegen Jakoblis

Liebe that. Es ist viel zu wetten, daß, wenn die Zyberlibüri in ihrem Stolze die Schätze nicht gerühmt, sie geringschätzig angesehen hätte, Anne Bäbt selbst böse geworden und ihnen den Bündel vor die Thüre geworfen hätte.

Darum war Anne Bäbi so bereitwillig, das neue Sühniswyb mit in den Spycher zu nehmen. Eine Freude, die man sich ansgedacht, steckt einem gar lange im Kopfe, und wenn sie einem vereitelt worden ist, so exfaßt man um so begieriger die erste beste Gelegenheit,sich dieselbe zu verschaffen. Darum aber war Meyeli auch so bescheiden, und gab nicht der ersten Einladung Folge, sondern erwartete die zweite, damit die Mutter nicht meine, es sei so g'wunderig, daß es nicht warten möge bis es wisse, was im Spycher sei.

Stolz schritt Anne Bäbi voran, und trat mit Majestät in seine heiligen Hallen, Meyeli aber kam demüthig nach und schritt fast mit ehrfurchtsvollem Schauer,wie in ein dunkles Heiligthum, über die bedeutsame Schwelle. Es war noch nie in einem Spycher gewesen,der Götti hatte keinen gehabt und sie noch viel weniger.Was brauchen Hausleute, die keine Schätze haben,einen Spycher! Aber viele hatte es von Außen gesehen,hatte viel davon gehoört und manchmal gewünscht, wenn es doch nur einmal so in einen sehen könnte, nur von Weitem, und jetzt ward sein Wunsch erfüllt, und noch dazu trat es in einen, der einmal ihm eigen sein sollte.

Anfangs sah es fast öde aus im halbdunkeln Raume,einige Kleider hingen an Stangen und Korn lag in Kästen; aber wie die Hexe von Endor Todte aus Gräbern, ließ Anne Bäbi steigen Schätze aus Kisten und Kästen. Wellen Tuch von allen Sorten, gemachte Sachen, gesponnenes Garn und G'spünst (Spinnstoff),daß es Meyeli fast g'schmuecht (ohnmächtig) ward,und es einen Ausruf um den andern loslassen mußte,um nur Luft zu kriegen, und das Beste von allem, die Strichlisäckli mit dem Klingenden, unter Schnitzen und Spreuer verborgen, die zeigte Anne Bäbi ihm noch nicht.Die Ausrufungen thaten Anne Bäbi natürlich wohl und es dachte bei sich selbst, z'dümmst u z'umanirligist Mönsch fei das neue Sühniswyb doch nicht, und es wäre noch möglich gewesen, daß Jakobli weit übler hätte fahren fönnen. “ Indessen ward es in Mitte seiner Schätze nicht weniger stolz und ließ manchen Seitenhieb fallen.Was solches zu thun gebe, wisse der nicht, der seine Sache nur vom Krämer hätte kaufen müssen, sagte es,und das Unglück sei, daß solche Leute, wenn sie G'fellhüng seien und ung'sinnet zu solchen Sachen kämen,nicht Sorge dazu tiragen könnten, und bald mit ihnen feriig seien. Das würde ihm das Herz zerreißen, wenn es das erleben und sehen müßte, wie ein Stück hier auswandere, das andere dort aus; aber davor wolle es sein, den Schlüssel gebe es nicht ab, bis der Tod ihns strecke, dann könnte man seinethalb mit der Sache machen, was man wolle. Indessen legte es doch vom schönern Tuch z'weg für Hemder, schönen Halblein für ein Kuttli, währschafts Scheubenzeng und unter seinen Kitteln suchte es nicht den schlechtesten aus, für d'Noth,wie es sagte, ein neuer müsse doch dann sein, so für die g'meine Sunntige.

In Meyeli stritten wunderbar ein gewisses Behagen,eine kindliche Freude, Antheil an diesem allem zu haben,der Gedanke, einst selbst Besitzerin von diesen Herrlichkeiten zu werden, die es zum ersten Male mit seinen Augen erschaute; diese stritten mit der unverstellten Demuth, ein solches Glück unverdient erhalten zu haben und nie abverdienen zu koöͤnnen. Glück und Reichthum scheinen dem Menschen gar zu oft gleichbedentend.Einem Armen, der aus beängstigenden Nöthen in des Wohlstandes Fülle geräth, ist dieser Glaube zu verzeihen, aber Menschen, die in des Wohlstandes Füülle dennoch unter Seufzen und Stöhnen ihren Lebtag am Angstkarren gezogen, beständig ein Genügen gesucht und keines gefunden, ist es nicht zu verzeihen, wenn sie,um ihre Kinder glücklich zn machen, sie an den gleichen Angstkarren spannen zu müssen glauben, außer Geld keine Seligkeit kennen für sie.

Die Demuth gewann in Meyeli die Oberhand und statt sich zu erheben begann es zu weinen (einem Herrn soll es einst übel geworden sein, als er hoörte, wie groß seiner Frau Reichthum sei, so hat er's gesagt),und sagte Anne Bäbi, wenn es gewußt, wie reich sie seien, und was sie alles hätten, es hätte Jakobli nie warten dürfen, sondern wäre geflohen, so weit es seine Füße getragen hätten. „Du Göhl du, was d'bist,sagte Änne Bäbi, ja wolle, laufe, so weit einem d'Füß träge, wenn man zu einem reichen Manne kommen kann.*Und Wunder nehme es ihns nicht, daß sie es so ungern gesehen, fuhr Meyeli fort, sövli es arm's Meitschi wie es sei, mit nicht einmal einem rechten Kleidli auf dem Leibe. Das sei ihm jetzt so schwer, daß es es nicht sattsam erzeigen könne, daß es sein Glück erkenne und wie man noch gut gegen ihm sei, und jetzt sövli schöns Tuch für Hemder und e sellige brave Kiltel ihm gebe und hätte doch scho sövli Kosten mit ihm gehabt,es wüß ke Mönsch wie viel. Wie es das alles vergelten solle, wisse es nicht, aber was man ihm auch zumuthe, keis Brösmeli well's d'rgege ha. „Was man dir auch zumuthet! sagte Anne Bäbi. Zumuthet, es wird dir kein Mensch öppe viel zumuthen, ih weiß nicht, was du damit meinst, und ob das soll g'haue oder g'stoche sy, öppe die wüstesten Leute sind wir doch notti nit. Aber halt's nur nicht mit Mädi, wenn du mir mit dem den Kopf zusammensteckst, su lue o wie's d'r geht, ih schryße d'r ne bim Donnstig ab. Und dann mit dem Mannevolk, dene Schnürfline, häb's o nit, u mein nit öppe, daß de dene d'Häng unger säge. Lue ume uf mih, wie ihs mache. Wey si hust,so wott ih hott, wey si das, so wott ih äys, u gibe de bim Tüfel nit nah, so geyt's am beste, u de weiß me doch de o, wer Meister ist u wer z'bifehle het.Wenn ih's nit so miech, es wüßt ke Christemönsch, ob mir no e Krüzer hätte, n doch seit m'r Niemere dank-eygist, z'Gunträri, es wär ne Recht, wenn ih ne us Weg käm, je eher je lieber. Aber ih wett e Narr sy,u ne das z'Gfalle z'thue; das würd schön ga, wenn 38 ih nimme wär. Oeppe einist wird's wohl müße sy,aber de chast du furtfahre wed öppis nutz bist, us geng schön mit mir hest. Aber chum jetz, ih muß gah färe. Ueses Mannevolch mahnt mi a nut bas, as ane alti Füllimähre, wo Zäng het wie Zunstecke; we die nit e ganze Tag d'r Bahre voll het, su überchunt si es Tags kenist gmue. Wenn ume kene dere Züg waär uf der Welt. Älbetz isch's m'r no graglych g'st, aber we my Bub nit wär un ih Herrgott wär, es duechti mih,ih g'heyti st all uf em ganze Erdbode i eys Loch u de d brave Stey d'ruf, öppe e siebezentnerige oder meh,si hätte si de dppe still, die Ufläth, wo si sy, die Freßhüng.“

Mdeyeli zog mit seinen Schätzen in's Haus hinüber,ging gleich handlich an die Arbeit, nahm aber nicht alles auf einmal vor, wie so ein junger Sturm manchmal es pflegt, sondern styf ein's nach dem andern.B'sinn di wohl, sagte Anne Bäbi, als Meyeli zuerst Halblein zum Kuttli abschnitt, b'sinn di wohl, es Kuttli ist kes Narrewerch, u' fo d'r Halblin so mir nüt dir nuüt so lah v'rtufle möcht ih doch o nit, lieber wett ih Fletzt e Schnyder.“ „Heyt nit Chummer, Mutter,“sagte Meyeli.

Aber ihm machte es doch selbst Kummer, und noch mehr Jakobli und während Meyeli mit größter Vorsicht schnitt und maß, schlotterte Jakobli dabei und frug sogär mehr als einmal, „wär's ächt nit äy Weg besser?“und bei jedem Schnitt sagte er, „gib emel brav zu, e Hang oder zwo, es ist gäng besser alles syg z'großes as z'chlys.“

Dbschon Mädi diesen Morgen nicht fleißig gewesen war und Nachmittag ihm ein groß Stück Arbeit blieb,wenn Sami ein Füderchen Rüben heim führen sollte,so kam es doch noch früher als sonst heim und schoß zur Stube hinein wie eine Wespe zu einem Loch hinaus, wenn es endlich eins findet. Der G'wunder hatte x Madi heimgetrieben, was Meyeli daheim mache und was Anne Bäbi diesen Morgen mit ihm angefangen hätte. Es hoffte auf bös Wetter, verplärete Augen und hatte schon seinen Plan sich ausgedacht, wie es Meyeli helfen und gegen Anne Bäbi aufreisen wolle.Es nehmte ihns doch Wunder, hatte es gedacht, wenn sie zwei recht zusammenspielten, ob sie dänn der alten Surmummle nicht Meister würden.

Jetzt hörte es Niemand zanken in der Küche, sah Niemand plären hinter dem Hause, und als es die Thüre aufriß, sah es Meyeli hünter vielem Tuche, und da d'rein hauen mir nichts dir nichts, als ob's auf hundert Ellen mehr oder weniger nicht ankäme. Es schoß alsobald wieder hinaus. Zur Küche hinein kam eben Anne Bäbi und machte eine fast lächerliche Miene und sagte zu Mädi, „bisch scho hey ?“ „Warum sollte ich nicht heim sein, sagte Mädi, es macht mir meine Sache daheim Niemand. Aber dir wär's vielleicht nützer, du wärest d'rinne, wenn du noch öppe Tuch,das nit verschnäflet ist, behalten willst. Nit e Handbreit groß bleibt üͤbrig, wenn das noch eine halbe Stunde so geht. U wo me üserein nit e halb Ell gönnt hätt,chunt's jetz uf es ganzes Stück nit a, mit Schyn.“„G'häb di de, sagte ÄAnne Bäbi, wes us dym Tuch geyt, es duecht mi, für mys Tuch könntest du mir den Kummer überlassen und einstweileu deine Sachen machen, deretwegen du sovli früh heimgekommen bist.“Daß es nichts recht machen, nichts recht reden könne,das hätte es schon lange gewußt, sagte Mädi, aber daß es ein Faulhung set den man seine Sachen müüsse machen heißen, das hätte ihm noch Niemand gesagt.Oeppe g'nue g'werchet hätte es allen Leuten, wo es hingekommen sei, und d'Fulkeit hätte ihm noch kein Mönsch vorgehalten. Aber es sehe wohl, je reicher die Leute würden, desto wüster Hüng würden sie, und sie dächten nicht mehr daran, wo alles hergekommen,und wer ihnen dazu geholfen habe. Es geschehe ihm aber recht; die Leute hätten ihm schon lange gesagt es werde ihm so gehen, aber es hätte es Niemere geglaubt, söpli e dumme Hung sei es gewesen. Aber es mache nichts, sage doch unser Heiland: „selig seid ihr,die ihr um der Gerechtigkeit willen verfolgt werdet;“ für die angere werde de wohl no öͤppe e Tüfel sy.Gäb wie Anne Bäbi sagte, es solle schweigen, es hätte ihm nicht gesagt, daß es faul sei; es hörte das eine nicht und das andere faßte es beim Schwanz und verdrehte es, daß jedes Wort Oel ins Feuer ward. Es sehe wohl, sagte es, warum man es ihm so mache, es sei jetzt überflüssig und man wolle ihm den Verstand machen zu gehen, jetzt, wo der Winter vor der Thüre sei, und alle guten Plätzg besetzt. Aber das mache nichts, es könne Spinnerin sein, oder vielleicht gebe es noch öppe ame angere Ort e arme Bub, der gute Abwart mangle; d'r Herrgott werde scho für ihns sorgen, heiße es doch, er gebe auch den Lilien auf dem Felde zu essen. O Jere dem Wertheli (Schooßkind) da inne könne es schon Platz machen, aber Anne Bäbi könne dann sehen, wer d'Sach mach.

So kifelte Mädi, daß es Meyeli d'rinn ganz Angst wurde, aber Jakobli sprach ihm Muth zu, bat ihns,es sollte nichts d'rein reden, es werd schon guten, das gehe zuweilen so, aber wenn man sich nicht hineinmische, so sei die Sache gewöhnlich bald vorbei. Diesmal ging es aber länger. Mädi vertubelte das Essen und ging ungegessen wieder auf das Feld und am Abend redete es nichts, aß aber wieder, machte dazu jedoch ein Gesicht, daß man nicht recht wußte, war es ein entlebucher Morgenstern oder ein Kübel voll B'schütti, und was es für fürchterliche Vorsätze und Anschläge in seinem Busen wälzte, war ein Geheimniß,aber einmal sagte es halblaut zur Katze, „du arm's Thierchen du, es schätzt dich auch Niemand mehr, mir hey's glych, wey m'r z'säͤme gah? U wenn ih wüßt,daß Sami m'r nicht nachliefe, oder sich gar hintersinnete, bim Dolder noch heute müßte es sein.“

Es ist kein Ding auf der Welt, welches nicht zu etwas gut ist, so sagt ein altes Spruüchwort, und richtig gefaßt, hat das alte Spruchwort recht.

Meyelis Hüdeli zwangen es zu einer Beschäftigung,wo es durch die Sache selbst weder Anne Bäbi' noch Mädi ins Handwerk griff oder handlangern mußte, es nahm einen ganz neuen Platz ein, wo es Niemand in den Weg kam, es mußte sich nicht in die Haushaltung einzwängen, wie ein Keil in hartes Holz.

Das war nämlich eine von denen Haushaltungen,in denen weder ein Stich genäht noch ein Laäͤtsch gelismet wurde. Gab's irgendwo ein Loch, so trug man es bis der Schneider kam, und der kam zweimal im Jahr ordinäri und plätzete dann alles von den Strümpfen weg bis zu den Zwilchhandschuhen, und dann mußte alles halten, bis er wieder kam. Es war wohl auch ein Fadenkörbchen auf der Bank, aber das brauchte Niemand als Hansli, wenn er einen neuen Lulli an einen Pfeifenspitz, den er mit dem zahnlosen Mund nicht mehr recht halten konnte, machen wollte, oder Sami, wenn er sich gehauen hatte, und mit bloßem Faden, über die er dann Wagensalbe strich, die Wunde verband. Anne Bäbi und Mädi sagten oft: öppis z'schnurpfe wär manchmal komod, sie hätten nichts darwider, aber das Dolders Fädmen sei ihnen am Weg.Es gebe neue keiner Nadle meh wie albetz, albetz heyg me so ne Fade düre g'ha wie g'wünscht, u jetz well kene meh düre, bald syg d'r Fade z'grob, bald das Loch zu klein.

Gespannt sah man dem ersten Produkt der neuen Hauskunst entgegen; Jakobli zitterte und Mädi sagte,es nehme es auch Wunder, das werde öppe e Luzernerkutte gah, die me kem Posterli (Vogelscheuche) alege dörf. Die Kutte aber stand gut, Hansli sagte, er hätte es nicht glaubt, Jakobli lächelte, und Anne Bäbi meinte, komod wär's doch, we me neuis v'rstand, nit ume vom Näyen, sondern auch vom Schnitt, u b'sungerbar fädme chönn es, das gang ihm wie g'hexet und es brauch dafür ume nit apparti a d'Heiteri z'stah u deFenster ufz'thue.

Mädi mukelte, das sei keine Kunst; wenn es es gelernt hätte, es könnte es auch und noch viel v'rflüchter, aber wenn man ihm schon tausend Pfund geben wollte, es sollte so ein Näyerli sy, es sieg: ih sch..d'ruf. Damit aber, da ihm der erste Schuß hintenaus gegangen war, lud es einen zweiten. Es stichelte, wo es anzubringen war, über die Untauglichkeit der Näherinnen in einer Haushaltung, wie sie nichts könnten,nichts erleiden, und wenn nur einmal ung'sinnet der Bysluft gang, gäb wie leicht, so nehme er so einer Näherin die Haut weg, und manchmal noch das Fleisch,wenn nämlich noch da sei. Anne Bäbi war dieß kein d. h. mit einem groben Werkzeug d'rein schlagen konnten, selbst auf dir Mugge, und wußte gar manche Geschichte zu erzählen, wie es dieser Näherin ergangen,oder jener. Es hatte kein Arg dabei, aber es that Meyeli doch weh. Es nähte daher Tag und Nacht darauf los, nähte, um nur das Nöthigste fertig zu machen, und zeigen zu können, daß es etwas anders auch konnte, als Fädmen und Nähen. Anne Bäbi sagte manchmal, für so nes jungs sei es b'sungerbar es flyßiges u heyg si zur Sach. Dann sagte Madi,das duech ihns nicht anders für so nes arms, wie es gewesen sei, es werd's so haben machen müssen, wenn es nicht hätte wollen Hungers sterben.

Unterdessen, während Meyeli das Nöthigste für sich gemacht hatte, so daß es recht anständig daher kam,war alles hineingewerchet worden und eines Montag Morgens sollte das Dreschen beginnen. Meyeli, dem Mädis Reden tief ins Herz gegangen waren, stellte sich am Morgen ungeheißen im Tenn, löste die Bänder an den Garben auf und verspreitete das Korn, als ob es sein Lebtag nichts anderes gemacht hätte. Als Hansli dazu kam, fragte er, was das heißen solle?Es solle wieder an seine Arbeit, sie hätten es bis dahin ohne ihns machen müssen, er wüßte nicht, warum es jetzt helfen sollte, und wenn man so schnell mit Dreschen fertig würde, was dann das Mannevolk machen sollte, den ganzen Winter lang? Aber Meyeli dröschete den ganzen Tag munter und wacker, hielt nieder und stellte den Flegel, daß Mädi ganz schalus wurde, aber Hansli sagte, es sei ein recht kurzweilig Dreschen dä Weg, der Tag sei ihm ume gange, wie g'sunge; das war auch nicht zu verwundernñ.

Hansli Jowägers Haus war eins von den sehr vielen, wo es ist, als ob immer die gleiche trübe Wolke auf ihnen sich lagere, die Sonne nie recht durchscheinen möge. Sie hatten von allem mehr als genug, hatten keinen eigentlichen Streit, nicht Unfrieden, kein Laster,und doch fehlte das rechte Lebensglück, fehlte fröhliche Heiterkeit, liebliche Freundlichkeit.

Das Weibervolk war reizbar und voll Kiefel, das Mannevolk schweigsam und nahm das Weibervolk kalt-blütig, daher ward wenig gelacht, alles ging seinen Trab, über Tisch ward wenig gesprochen und wenn es nur nicht donnerte und blitzte, so war man froh und mißte nichts, denn man war es so gewohnt, nahm Sauersehen für Freundlichkeit.

Nun war es als ob in dem Maße, als Meyeli erwarmete, die trübe Wolke über dem Hause dünner würde, einzelne Sonnenstrahlen brachen sich Bahn und verkuündeten, daß die Sonne da sei.

Das Wort erwarmen steht nicht umsonst da, es ist ein gar prächtig herrlich Wort. Wärme ist Leben,Kalte ist Tod. Wenn es kalt uns umweht, wenn dünn der Wind durch dünne Höschen fährt, durch durchsichtige Kitteli, da läuft nicht nur kalt unsere Haut an,schrumpft das Fleisch zusammen, klappert das Gebein,es zieht sich auch das Herz zusammen, es sinkt der Muth zusammen, es wird trübe über unserer Seele.

Wie aber laue Winde wieder um uns spielen,warm die Sonne über uns scheinet, eine warme Stube uns umfängt, dann beginnt es zu rieseln wie neues Leben über unseres Leibes Oberfläche, wohl wird es uns, als ob nach und nach starre Bande sich lösten,als ob aufthaue über uns eine harte Eisdecke; es wird uns wie es dem Veilchen wird, über dem der Schnee schmilzt, und das noch während dem Schmelzen freudig dustet und blühet. Und es thaut nicht nur der Leib äuf, sondern auch das Herz, das gebunden; in wonniger Behaglichkeit dehnen sich unsere Glieder und in dem Maße, als wir erwarmen, effnen sich auch die Thüren und Riegel, hinter welchen unserer Seele Wesen A A und ihre Gedanken verborgen liegen, und frei und fröhlich draäängen sie sich zu Tage, wie eine muntere Quelle aus duftigem Waldesdunkel. Es wird uns wohl an Leib und Seele, munter fließt das Blut in den Adern,wohlige Empfindungen füllen das Herz, heitere Gedanken strömt auf sröhliche Weise die Seele aus, oder versinkt in ein stilles süßes Behagen, wo es einem wird als wäre das Leben eine Ankenschnitte, über und über Honig darauf fingersdick. Das heißt Erwarmen.

(Ein alter herumziehender Soldat und Schnapsbruder aus dem Luzernbiet sagte einmal, allemal wenn er in den Kanton Bern komme, so sei es ihm, als käme er in eine warme Stube.)

Nun gibt es Lebenszustände wo es einem beständig ist, als hätte man zu dünne Kleider an, als fahre einem der Wind über die Haut, als friere man. Es ist einem unwohl, man weiß nicht was einem fehlt,aber in unserm Innern wird es starr, und Mißmuth lagert sich über unser Gesicht; und Häuser gibt es,wo es ist, als wäre da nie ein warmer Ofen, in denen die ächte trauliche Behaglichkeit nie gesehen wird, keine fröhliche Freundlichkeit aufblüht, weder Sommers noch Winters.

Meyeli war in einem so fröstelnden Lebenszustande gewesen, hatte die liederlichsten Kleider getragen im strübsten Wetter und wenn es einmal auf den Ofen sich setzte, so hieß es, man hätte doch geglaubt, es hätte mehr Verstand als so, den kleinen Kindern den Platz zu verschlagen auf dem Ofen, die hätten die Wärme nöthiger als es, die könnten noch nicht werchen; wenn es etwas nutz wäre, so könnte es sich erwärmen ohne Ofen. Und zu dieser Kälte kam des Göttis unheimeliges Wesen, dem alles nicht recht war,in welchem der Teufel sein Spiel trieb, während er Gott zu Ehren die Augen verdrehte, der, im Gegensatz mit Gott, der Niemand etwas vorrucket, dem Meyeli jeden Tag Wohlthaten vorruckte und das Gottswillen Brod, und dabei sich nicht einfallen ließ, wie er sich damit gegen seinen Heiland, den er immer sein nannte, verging, der da saget, daß man die Linke nicht wissen lassen solle, was die Rechte thut. Aber der hatte es auch wie Mancher, der brauchte von der christlichen Religion nur die Namen, die Lehren machte er selbst,und für sich machte er sie so und für die andern ganz anders. Meyeli hatte bei ihnen keinen Lohn und keine Kleider und durfte weder das eine fordern noch das andere, noch durfte es beides an einem andern Orte suchen, wenn es nicht wollte, daß der Götti den Fluch der Undankbarkeit ihm nachsende und es verbrülle bei Gott und Menschen, so weit es kommen möge; so war das arme Kind böse d'ran, wie es vielleicht wenige erfahren.

Aber wie es Quellen gibt, welche nie gefrieren,wie streng auch die Kälte werden mag, die immer reich,offen und flüssig bleiben, wenn auch rings um zu Eis alles wird, so war auch Meyelis Gemüth nicht zu erstarren, eine innere Wärme trotzte der äußern Kälte,unter dem Gletscher hervor, der von allen Seiten über ihm sich zusammen drängte, drängte sich fort und fort heiteres Grün, blühten duftende Blumen empor.

Die Welt redet oft von fröhlichen, leichtsinnigen,liederlichen Häuten, die immer hellauf seien, immer zu lachen machten, nennt sie Hauderidau, Lachbenze, Hurlibuse, redet recht verächtlich von ihnen. O, wie unrecht thut die Welt! Die Erde ist ein vergänglich Wesen und noch dazu ein unvernünftiges, und doch hat sie nicht nur einen Frühling, wo alles jauchzt, alles lacht, sondern ist ein Frühling vorbei so kömmt nach wenig Tagen ein anderer, und ist er hier vertrieben so sproßt er in einer andern Weltgegend wieder auf, und der ewige Mensch sollte hier nur einen Frühling haben, und mancher gar keinen, sollte nur wenige Tage lachen und jauchzen und viele gar nie. Sollte eben nicht in ihm,dem Ewigen, ein ewiger Frühling sein, voll Heiterkeit und Freude, und Früchte dabei und Gottes Segen allenthalben, trotz allen irdischen Stürmen, allen menschlichen Zuständen, sollte das Ewige im Menschenherzen nicht emporragen, sichtbarlich trotzend dem Wechsel der 46 Zeit, den Wettern der Erde? Was dem Verständigsten fo oft nicht gelingt, das vermochte Meyelis kindliches Gemüthe, es hatte das göttliche Lachen und Weinen noch beisammen, und wie die Thränen ihm auch rannen,weil die Vorwürfe der Undankbarkeit sein Herz ihm zusammenquetschten, sein Fleiß Faulheit genannt wurde,im Umsehen lachte es mit einem Kinde, das freundlich ihm entgegensprang, brachte mit der herzlichsten Freundlichkeit dem Götti ein zufällig gefundenes Nest voll Eier,welche die Hühner verlegt hatten. Weinen und Lachen lagen friedüch nebeneinander in seinem Herzen, zwei Schwestern, die sich liebten, ablösten, eine der andern unentbehrlich war, aber Groll und Gram, die das Lachen verzehren und das Weinen auftrocknen, die kannte es nicht. Rus diesen Lebenszustäänden und mit diesem Herzen kam es in das neue Haus, wo sonst die Sonne anch nicht schien, wo es aber doch ganz anders war als im frühern Hause. Gift war da keines, weder geistliches noch welsiches, war weder Knickerei noch Heuchelei, und schon anfänglich trat Meyeli wie ein heller Schein ins Haus hinein, und wenn es auch unterm Weibervolk knurrte und brummte, es war mehr das Schnurren der Katze, der man den Balg streicht, als ihr Rauen, wenn man ihr auf den Schwanz tritt; unterm Mannevolk dagegen war ein Wohlbehagen, dessen der wüsteste Knüder sich nicht erwehren kann, wenn ein lieblich Weibsbild (Frauenbild) in seine Nähe kömmt, und gar noch sich freundlich umthut. Seit Meyeli da war, bartete Sami alle Sonntage, statt über den andern; es fange ihn neue an gar zu beißen, wenn er länger als acht Tag alt sei, sagte er; er verwunderte sich gar, warum er ihn erst jetzt zu beißen anfange, und früher ihn nicht gebissen hatie; bei allem Nachdenken ergründete er den Grund davon nicht, und als Mädi ihm sagte: „du alte Möff, wottsch o no d'r Göhl mache, und di öppe gar no hinger die Jungi lah,“ sagte Sami, „du bist geng z'glich Laschi, emel hinger di mach ih mih nit, häb nit Kummer.“

Aber auch Meyeli blieb nicht das gleiche; es be gann zu erwarmen, jeden Tag mehr. In den warmen währschaften Kleidern war ihm unglaublich wohl. O,erst jetzt begriff es den Unterschied zwischen einem halbleinenen Kuttli, selbst gefüttert, und einem Kuttli von Aargauerzeug und Schneiderfütteri. Es hatte ein herrlich Bett, Niemand jagte es vom Essen, auf dem Ofen konnte es sitzen Sonntag und Werktag, so oft es wollte. Es entstand das Gefühl in ihm, daß es da nicht nur entlehnt sei, sondern von Gott und Rechtswegen hier daheim. Aber es sah auch, daß es ihm unendlich besser ging als es anfangs fürchtete, daß die Sternschnuppe seinen Wunsch zu Gott getragen und vom gütigen Vater derselbe gewährt worden sei. Es fühlte, daß es Jemand lieb war, Jemand angehöre,und nicht nur Jakobli, sondern auch Hansli, es sah, daß auch mit Anne Bäbi auszukommen sei, und hundertmal leichter als mit dem Götti, daß es Niemand absichtlich quäle als vielleicht noch hie und da Mädi, aber Mädi hatte hier eben nicht zu bedeuten was der Götti dort.Es kam ihns ein Wohlsein an, daß es ihns manchmal dünkte, es möchte z'sämefüßlige in den Himmel gumpen,und dann zuweilen eine Wehmuth, eine Angst, es könne nicht so bleiben, es sei viel zu wohl, daß es weinen mußte, man hätte die Hände waschen können in seinen Thränen. Dieses Wohlsein schlug bei ihm aber nicht in Hochmuth um und in Anmaßung, die immer mehr begehrt, je mehr sie hat, und nicht genug an die Sache thun kann; sondern Meyeli war in seinem Wohlsein so von Herzen lustig und fröhlich und demüthig, daß es ihns dünkte, es müsse allen die Hände unter die Füße legen. Es ging kein Tag vorüber, daß es sie nicht einmal zu lachen machte, was sonst im Jahr kaum drei Mal sich ereignet hatte. „Dä Göhl, sagte dann Anne Bäbi. O, mi weiß nicht wie dumm me isch we me jung isch, aber es wird dir scho angers no cho,wart ume,“ aber lachen that es doch, ja, es läͤcherete es ihns manchmal, wenn es Meyeli nur ansah.

Mädi sagte, es nehme ihns nicht Wunder, daß es so jungs scho e Ma übercho heyg; wenn es so d'rLöhl hätt welle mache, es hätt mängs hundert welle übercho,aber es hätt si g'schämt; aber auch es lachete, und ließ sich zu Meyeli, suchte es gegen Anne Bäbi zu gewinnen.

Aber Meyeli machte nicht Partei, that jedem, was es ihm an den Augen absechen konnte, plätzete Sami die Zwilchhändtsche und Mädi seine Fürfüße. Man sehe wohl, sagte dieses zum Dank, daß das der Schneider nicht gemacht habe, der mache es anders bravs,es werde öppe nit lang ha, brachte aber dennoch trotz seines Zweifels böse Hemder zum Plätzen, und Meyeli plätzete unverdrossen daran, wenn die andern schon iängst Feierabend hatten, und gäb wie Anne Bäbi sagte, nit besser als Mädi es mit ihm meine, wollte es mit seiner Sache sich nicht sövli plage.

GEin Vikari thut einen Fehlschuß.Daß diese Gestaltung der Dinge wohlthätig auf Jakobli einwirkte, kann man sich denken. Er nahm sichtbarlich zu, ward munterer, vom lebendigern Geiste angesteckt, arbeitete mehr als sonst, drosch neben Meyeli wie Tusig, gäb wie Anne Baäͤbi abwehrte, es wollte es nicht z'gut machen. Aber da es Jakobli so besserte und er z'weg war, wie nie, so ward es Anne Bäbi auch wohl, trotz dem Arbeiten desselben. „He nu so de, sagte es, so können sie doch jetzt sehen, wer das Rechte gesinnet hat, ob Anne Bäbi oder öpper angers,und wer mehr verstanden hat, ein Dockter oder Änne Bäbi? Seit dem Jakobli g'wybet hätte, duünke es ihns sei er ganz ein anderer, eße thue er wenigstens z'halb mehr als sonst, und rede fast wie ne angere Mönusch.“Dieser Erfolg wirkte natürlich auch mit, daß Aune Bäbi um so eher mit Meyeli sich versöhnte. DHauptsach sei, daß es Jakobli bessere, sagte es, es sei dann zuletzt hellgleich, was er für eine Frau habe. Es sei gar nicht, daß es so an dem Zyberliblock g'hanget sei, o Jere, gar nicht, es sei ihm nur wegem Wybe gewesen,und weil es geglaubt habe, wenn's mit dieser nichts gebe, so bringe es ihn mit keiner andern mehr zusammen. Es glaub fast selber, z'Sach sei nicht so bös gegangen, und es sei die Frage, ob die angeri so gut sich hätte schicken koöͤnnen in alles. Darum sei es froh,daß es nicht so wüst gethan hätte, wie manche andere Mutter gethan hätte; e angeri, die hätt ne wurde, bim Schieß! Aber es vergeß nie, was seine Großmutter albetz gesagt habe: weil man nie wisse, wie es komme,so müsse man nie meinen, man wolle etwas erzwingen,sonst koöͤnne man v'rflümeret reuig werde u dorf doch notti Niemere klage. Das vergeß es nie, u d'rum chönn ihm o Niemere nahrede, daß es mein, es müß alles nah sym Gring gah.

Zu seiner Zufriedenheit trugen aber auch die Reden der Leute viel bei. Wenn ein neues Huhn in einen Hühnerhof kömmt, so drehen sich alle Hühneraugen nach ihm, alles marschirt um ihns herum was Beine hat,hier kriegt es einen Pick, dort wieder einen, sie wollen halt sehen, ob seine Federn gut eingemacht sind, und es ist glücklich, wenn sein Heimischwerden nichts als Federn kostet. Etwas ähnliches geht vor, wenn eine junge Frau in ein Dorf koömmt. „Hesch se g'seh?“fragt Haus Eist und Stüdi Benz. „Oeppe e apparti Schöni isch sie de öppe nadisch nit, sagt Stüdi, dere hätt er de hie mängi funge, wenn er se nit bräver bigehrt het.“ „Es ist b'sungerbar e stysi, ih wüßt ere hie ume keni z'vergliche, sagt Benz, um Stüdi zu ärgern. Ih hätt nit glaubt daß me meh e selligi fung u de ume no mit eym Aug, er muß e G'fellige sy, es g'seht ihms o Niemer a.“ Aber so glücklich wie Benz und Stüdi waren wenige Leute, obgleich nichts unversucht blieb, um eben so glücklich zu werden. Wer aufs Feld wollte, ging, wenn's schon weit um war, bei Jowägers Haus vorbei, und wer irgend nur was ersinnen konnte, hoschete dort an; Jemand hatte ein Hauli vergessen, Jemand frug, ob man nicht ein Beil gefunden,das man ab dem Wagen verloren, Jemand, ob Anne

Anne Bäbi. JII. 4 *29 Bäbi nicht reistiges Tuch zu verkaufen hätte, Jemand,ob seine Faselschweine ihm nicht feil waären.

Aber wenige waren so glücklich zum Zweck zu gelangen, wenige hieß Anne, Bäbi in die Stube kommen,sondern gab seine Erläße über die Küchenthüre hinüber,und Medyeli war nicht g'wunderig, steckte sein Näschen nicht überflüssigerweise zum Läufterli hinaus. Nur wer das Gluck hatie, Mädi in der Küche anzutreffen, kam manchmal in die Stube. Denn hoschete Jemand, so sagte es: „gang ume yche, si sy dinne, du chast nes de selber säge, was d'witt.“ Und es war nicht, daß Mädi das sthat, weil es es nicht besser wußte, weil es übel dressirt war, sondern rein aus Boshaftigkeit. Aune Babi pützte ihn's allemal ab, und sagte: ‚„Warum heißist doch Alles yche cho, chast m'r nit rüfe!“ „Rüfe,was rüfe, sagte dann Mädi, das wär m'r afe lustig,wenn ih da soött gah d'r Narr mache, u d'Lüt gah amelde, wie ime ne Herrehus. Nei sellig nen Brüch wey m'r notti nit afah, wer Tüfel wett d'r Wyl ha,da geng ume un ane z'gumpe, u my Sach macht m'r Niemere, u so wege ere sellige lah ih mi de nit plage.Hätt si mira Kleider mitbracht, daß st si zeige dörft,das v'rmah ih mi desse, daß si ume Fötzeli het, nit emal öppe wie ne rechti Jumpfere.“ So that und redete Mädi in den ersten vierzehn Tagen, wo Meyeli am übelsten z'weg war, nachher, als dasselbe ihm Fürfüße und anderes geplätzet hatte, hätte es Mädi nicht mehr gethau. So haben es die Menschen, daß sie eben am wüstesten thun, wenn ordlich thun am nöthigsten wäre.

Eine große Zahl Leute, und namentlich alle Mädchen in Gutmüthigen, denen Jakobli entronnen war,blieb also auf den Anblick der jungen Frau gespannt und bildete sich ein, sie werde sicherlich am zweiten Sonntag in der Kirche erscheinen, wie öppe üblich und bräuchlich. Denn auf dem Lande, wo man kein Theater hat, stellt sich das Weibervolk nicht ungern in der Kirche dem Publikum vor; es vergißt halt, daß die Kirche nur dazu da ist, sich Gott vorzustellen. Aber warum sollte man das dem Weibervolk, dem schwächern

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Theil, nicht verzeihen, da das Mannevolk nicht nur in der Kirche (wo es noch selten genug erscheinet),sondern im ganzen Leben Menschengunst nachstellt, und an Gottes Gnade nicht denkt, Menschen fürchtet und Gott nicht, seinen Mantel nach den Winden hängt,welche von Menschen, dem Säusein aber und den Stürmen, die von Gott kommen, Herzen und Ohren verwäre, aber da würde man nicht nur in einen Ast sägen, sondern kein Mensch wuüßte, in wie manchen, muß aber doch einmal sein.

Was üblich sei, das werde auch die junge Frau thun, dachten die Gutmüthiger, und wer leicht eine G'wundernase hatte in selbigem Torfe, der machte sich an selbigem Sonntag z'Chilche; man kann denken,daß da viele Leute sich einfanden, denn in Gutmüthigen sind die G'wundernasen nicht rarer als an andern Orten. Aber selben Sonntag gab es manchen styfen Aecken (Nacken) in den Weiberstühlen; denn so oft man Jemand zur hintern Thüre hereinkommen hörte,drehten sich alle Köpfe wie aufs Komando, drehten sich und drehten sich bis kein Tritt mehr zur Kirche hineinkam, und immer umsonst, denn kein Meyeli erschien.Und seit Gutmüthigen stand, wurde nie so viel über Halsweh und daß man den Gring nicht mehr drehen koönne geklagt, als selbigen Sonntägabend.

Es hatte Niemand etwas zu rühmen als der Vikari.

Die Frau Pfarrerin war bekanntlich ein gutes Mutterli. Ueber Mittag, wenn sie den Suppenteller dem Vikari reichte, sagte sie gewöhnlich: „Herr Vikari, ihr habt heute wieder eine rechte schöne Predigt gehabt,“ausnahmsweise sagte sie: „o ne prächtigi, es dunkt mich, sie sollte allen Leuten zu Herzen gegangen sein;es dünkt mich, die Leute sollten auch mehr darnach thun.“ Zuweilen sagte ihr dann wohl ihr Herr später:„Aber wie hast du doch so was sagen können! Albetz hast du dich recht gut auf jede Predigt verstanden,und jetzt verstehe ich mich nicht mehr auf dich. Du 8*

*rühmst dem Vikari Predigten, wo dech ume junges Zeug sind, alles durcheinander, ein Krausimausi, wo,was zvorderist ist z'hinderist g'hörti, und Einleitungen,wo man gar nicht weiß, wo es hinaus soll, und so lange, daß man meint, die Predigt sei aus, wenns doch nur die Einleitung ist, und Eintheilungen, es weiß kein Mensch nach welcher Logik, es sind nicht Homilien, sie sind nicht analytisch, nicht synthetisch,kein Mensch weiß was fie sein sollen. Und die rühmst du, als wenn du nie bessere gehört hättest.“ „O Papaii, sagte dann das Mamali, zürn mir doch recht nicht. Denk, es ist e junge Herr, dem muß man Muth mache. B'sinn dich, ihr habt ehmals auch nicht ungern gehabt, wenn man euch rühmte; jung Lüt si emel so, und warum sollte man es ihnen nicht zu Gefallen thun? Doch seid ihr in einem Stück ganz anders gewesen, so wie ich mich darau b'sinne, das muß ich bekennen. Es ist noch etwas an euch gewesen, uud es hat etwas sein müssen, ehe ihr den Muth verloren.Die hütige junge Herrleni sy numme so Plütterlüpfe (Weichlinge), es ist nut mit ne. Sie machen wohl anfangs G'sichter, als ob sie wollten ohne Fecken 5'Himmel fahren, aber Handkehrum, wenn ne nume e Mus übere Weg lauft, so mache si G'sichter, als ob sie jedem Muheim nachschlüpfen wollten in sein Loch,oder ob sie gar z'Loch suchten, wo me zur Welt us chunt, Gott b'hüetis d'rvor. Da, Papali, muß me wäger so einem jungen Herrn albeeinist Muth machen,denk doch, wenn's ein Unglück gebte, was man sich für ein Gewissen machen müßte.“

„O, häb doch nit unnöthigen Kummer, sagte dann der Pfarrer, die heutigen Herren bekümmern sich gar nicht darum, was alle Leute loben oder tadeln, sie wissen alles viel besser als wir, und was wir auch sagen, das ist ihnen ganz gleichgültig.“

„Aber Papali, antwortete die Frau Pfarrerin, zürn mir nicht, aber ich muß dir doch widersprechen. Tu bist ein berühmter Pfarrer, keine so, aber so wie's e hütige Vikari, ja, ih möcht sage, all Mönsche hey,

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253 hest doch v'rgessen. Sieh, wenn ich Visitaz habe und recht angewendet mit kochen und braten, so macht mich nichts so böse, als wenn mich Niemand rühmt. Wenn ihr da so alles in euch hineinesset, als ob es Krüsch (Kleyen) wäre, so denke ich, he nu so de, so will ich das andere Mal euch geradezu Krüsch anbrühen, wie den, ich darf's nicht sagen, wem. Verzieht einer gar den Mund ob dem Essen, nimmt Salz nach, oder läßt etwas über, und wenn er auch kein Wort sagt, so macht das mich so böse, ich kann dir nicht sagen wie,und ich muß immer denken, o wie froh wäre der,wenn er es alle Tage so hätte, aber es ist immer wahr gewesen, daß die am meisterlosigsten sind, die daheim es am schlechtesten haben. Rühmt mich aber einer und sagt: lange, oder gar sein Lebtag, häätte er nichts so gutes gegessen, so thut mir das so wohl, du glaubst nicht wie, Papali, und ich nehme mir vor, es müsse nicht zu machen sein, sonst müsse der, so oft er zu uns komme, etwas Gutes haben, und anwenden wolle ich allemal, so viel mir möglich. Und doch weiß ich wohl, daß ihr alle vom Köchen nichts versteht,und daß mir einer vielleicht nur ein Kompliment macht und es ihm ganz anders ist als er denkt; aber ich kann nicht helfen, z'Rühmen thut mir wohl und zTadeln kann ich nicht leiden und so, denke ich, hat's so ein Vikari auch, Papali, emel die hütige. Wenn du ihn albeeinist rühmtist, und nicht allemal ungeduldig würdest, wenn ich es thue, es wäre möglich, er nähmte noch manchmal etwas von dir an, und du könntest ein Vater an ihm sein, während er jetzt thut, als ob er ein ungeschaaltes Ei wäre. Es hat mich schon dunkt, allemal, wenn ich ihm gesagt habe, er hätte eine herrliche Predigt gehabt, so häite er den nächsten Sonntag erst recht angewendet. Aber ich darf es gar selten ihun,du machst mir dann ein so saures Gesicht, und ich möchte mein Papali für alles in der Welt nicht höhn machen.“ Darauf hielt ihr dann das Papali gewöhnlich einen eigenen Platz haben muß. BM Als die Frau Pfarrerin dießmal dem Vikari sein Lob abgestattet hatte, that er bescheiden und sagte, er hätte nur gethan was in seinen Kräften gewesen, den befondern Eindruck hätte er dem Herrn zu verdanken und er haätte Ursache, ihm zu danken, wenn der Eindruck größer gewesen sei, als seine Zufriedenheit mit sich selbst. Tarauf schwieg er und ließ den andern Platz zum Reden, da aber Niemand es that, räusperte er sich endlich und sagte: er sei seit einiger Zeit recht muthlos gewesen, und er hätte beinahe geglaubt, der Herr hätie ihn geprüft und in einen unfruchtbaren Acker gestellt um zu sehen, wie lange er da aushalte und er ee des Geistes geharrt, der ihn aus der Wüste treibe.ie er sich auch angestrengt, die Leute seien in ihrer Gleichgultigkeit verharret, ünd wie er auch gepredigt,die Kirche hätte sich nicht gefüllt, während an den Tanzsonntagen die Leute immer weniger Platz in den Pintenschenken hätten. Jetzt scheine die Sache sich wenden, das Höhere zum Durchbruch kommen zu wollen,und er erfahte es, daß das Ausharren noch immer vom Herrn gesegnet sei. Schon am vorigen Sonntag hätte es ihm geschienen, als sei die Kirche angefüllter alls sonst, und da sei es ihm gewesen, als fühle er klar ein eigenes Geisteswehen und mit besonderer Kraft und Klarheit habe er gepredigt, wie der natürliche Mensch der Hölle verfallen sei, wie die Gerichte Gottes vor der Thuüͤre seien, und ohne schleunige Zerknirschung und Umkehr ein greulich Ende. Es sei ihm fast zu Muthe geworden als sei er der Prophet Jonas und als liege zu seinen Füßen die Stadt Ninive, und hinter ihr Gottes schauderhafte Zorneswolke, und da habe er so recht feurig den Zorn Gottes in die Herzen hineingeredet, aber nicht wie Jonas in der Freude am Tode des Sünders, sondern in der Freude an seiner Bekehrung. Und heut habe er die Erquickung gehabt,daß endlich sein Wort durchgebrochen, das Volk wie das zu Ninive der Bekehrung sich zugewandt; die Kirche fei fast ganz angefüllt gewesen, und was ihn am meisten gefreut, er habe so manches Unterweisungskind wiedergesehen, das er lange nie in der Kirche gesehen,endlich scheine der Same, der unter dem Schnee gelegen, zum Leben gekommen zu sein. Das, er müsse es sagen, habe in ihm eine solche Freudigkeit erweckt,wie er sie noch nie empfunden.

„Verzeiht, Herr Vikari, sagte Sophie, in deren Mundwinkeln es schon lange geblitzt hatte, die vielen Leute sind da gewesen, um Jakobli Jowägers Frau zu sehen, man redet viel von ihr, und die wenigsten haben sie noch gesehen.“

Die Mama stieß mit dem Ellbogen, konnte aber das Töchterlein nicht erreichen, welches sich in die nöthige Ferne gesetzt hatte, der Papa machte ein streng Gesicht, aber das Töchterlein sah es nicht an. Der Vikari hatte noch ein schönes Stücklein Wurst auf dem Teller gehabt, das aß er kaltblütig, dann stand er auf voll heiligen Zornes, warf einen vernichtenden Blick auf die arme Sophie und schmiß sich schmetternd aus der Thüre.

Als die Thüre versurret hatte, sagte die Mama:„aber Sophie, bist du doch immer das gleiche, und welch Verdruß machst du uns? Kannst du nichts als necken und die Leute plagen, willst du nie lernen, was Friede ist, und wie man ihn suchen muß.“ „Aber Mamali, schmälet nicht, sagte Sophie, ich wollte den Vikari nicht beleidigen, und trieb auch nicht Spott;aber er sagt immer, man müsse die Wahrheit sagen unter allen Umständen, und da habe ich auch nichts als die Wahrheit gesagt. ZPeterlis Meyi hat mir gestern gesagt, als es Eier brachte, heute werde es viele Leute in der Kirche geben, es wolle alles z'Jowägers junge Frau sehen, es heiße, es sei gar eine hübsche, und sie hielten sie wie versteckt. Da habe ich denn gedacht, er müsse doch den wahren Grund wissen, ich sei es der Wahrheit schuldig, und er hat mehr als einmal gesagt, wenn man unumwunden die Wahrheit sage, so könne man nicht wissen, ob man nicht eine Seele aus dem Rachen des Teufels reiße.“„Sophie, sagte der Pfarrer streng, mit solchen Dingen spottet man nicht. Wenn man dich um die Wahrheit fragt, so sage sie, jetzt hat dich Niemand um sie gefragt. Wenn du allen Menschen die Wahrheit sagen woutest, diesem: „ihr habt rothe Haare,“ und jenem:„ihr habt schwarze Zähne, wüste Augen, einen unfläthigen Mund,“ oder dir z. B. ein jeder: „Mamsell Sophie, ihr habt einen Fuß, daß ihr barfuß übers Meer laufen könntet, wo käme man hin und was wurdest du sagen?“ „O Jere, Papa, so einen großen Fuß habe ich doch wahrhaftig nicht, wenn ich Sackgeld genug hätte, meine Schuhe beim Trechsel machen zu lassen, ich hätte einen Fuß, so schön als irgend eine.Aber so muß ich hier beim ersten besten Holzbodenbaggler schustern lassen, und kriege darüber allerdings Tatzen als ob der alte Bär im Graben mein Götti wäre, dem ich nachschlage.“ „Sophie, Sophie, sagte der Papa,das ist wieder Spott, aber ich möchte dich mahnen an den Spruch zu denken vom Splitter und vom Balken und wenn du deinen Balken haben willst, so brauchst du nur deine Hand nach deinem Gesichtchen zu strecken,so kriegst du ihn zu fassen.“

„Das ist eben, sagte Mamali, was mir Kummer macht. Du bist so schnippisch gegen den Vikari, und hängst ihm etwas an, wo du nur kannst, und wie oft habe ich dir schon gesagt, er werde dir das so auslegen, als sei es lauter Kyb, weil er nichts von dir wolle, weil er auf jedem Suppenbröcklein zu verstehen gibt, er verplämpere sich nicht, sondern er habe sehr gute Aussichten, mache Ansprüche an hohe Bildung,an eine religiöse Richtung, und habe Hoffnungen, alle seine Erwartungen erfüllt zu sehen, mehr als er sich je hätte dürfen träumen lassen. Das sei der Grund, warum er hier nicht wohl sei, warum du namentlich ihn verfolgest, und wenn er dir Hoffnungen machen, mit dir,wenn auch nicht im Ernst, sich abgeben möchte, so würde man ihn auf den Händen tragen, aber so etwas verböten ihm seine Grundsätze.“

Da stand Sophie glühroth auf, und zornige Thränen rollten ihm die Backen ab, und ohne das Stücklein

Fastenbrod auf ihrem Teller anzurühren, sagte es zornig:wenn die Eltern so seine Worte auslegten, so wüßte es allerdings, was es von fremden Menschen und namentlich von einer eiteln Seele zu erwarten hätte, aber es sei ihm gleich, es wisse am besten wie unrecht man ihm thue, und wandte rasch sich nach der Thüre.

Das sei eben die Frage, sagte der Papa, nahm ein Stücklein Brod und trank einen Schluck Wein.Mamali kannte dieses Zeichen wohl, es war gewöhnlich scheinlich über die Schwierigkeit der Selbsterkenntniß.O, so ein Mamali ist Goldeswerth, sie kennt ihr Papali durch und durch, um und um, nicht nur jede Falte des Gesichts und jeden Ton der Stimme, sondern jegliche Geberde, weiß woher sie kömmt, wohin sie führt. Und diese Kenntniß hat sie sich erworben, nicht aus Schlauheit und um das Papachen zu betrügen,wie listige Liebchen pflegen, sondern getrieben aus Ehrfurcht und Liebe, um Schmerz ihm zu ersparen und Aergerniß, um liebes ihm anzuthun uud sein Wohl zu pflegen; er war ihr der Stellvertreter Gottes auf Erden, sie seine Priesterin, die ihrem Herren opferte Dichten und Trachten, für ihn lebte, für ihn starb.

Da, während der Pfarrer noch seinen Wein dem Brod nachsandte, sagte sie: „Hör Sophie, wie machst du aber, und fährst auf bei dem geringsten Wort; so wirst du nie witzig, von wegen, man kann dir 'nie erklären, wie man es meint, und meint man es doch so gut mit dir. Z'Papali hat ganz recht, wenn der Vikari artiger gegen dich wäre, und nicht so vom Himmel oben aben, so würdest du nicht so jedes Stäubli an ihm sehen, und mit Gelegenheit daran stichelen.Wenn ein Herr nicht höflich gegen uns ist, es macht uns allemal bös, und b'sunderbar, wenn er uns von weitem schon den Verstand machen will, er sei für uns was für eine Katze eine Speckseite im Kämi ist.Das ist so unsere Art, auch wenn wir im mindesten nicht meinen oder wünschen, daß er uns nehmen solle;aber es macht uns böse, wenn man uns so unter dem 38 Arm durch behandelt. Aber eben da müssen wir nicht dergleichen thun, am allerwenigsten, daß wir böse seien,müffen die jungen Herren mit ihren Einbildungen manövriren lassen, als ob das Alles uns nichts anginge und höflich sen und bleiben, das ist's, was wir müssen.Ich bin auch eine Pfarrerstochter gewesen, und wir haben auch Vikarine gehabt, gäll Papali. Aber geh und sieh doch, sind nicht Hühner im Garten. Das ist mir doch e tusigs Sach, hey mir selber keine und jetzt plagen uns alle Tage fremde, und dürfen nichts sagen,sie kaum jagen.

Ueber ihnen schritt mit starken Schritten der Vikari auf und ab, studirte nicht seine Kinderlehre, sondern was er gegen solche Bosheit vorzukehren, wer solches wohl der Tochter eingegeben hätte, ob Papa oder Mama, oder ob sie es verschmähter Liebe wegen selbst ersonnen?

Der arme Vikari. Er war stark in der Exegese und seine Professoren hatten ihn im hebräischen und griechischen stark gefuchset und wenn er auf eine dunkle Stelle kam im Hiob oder in den Sprichwörtern, so kriegte er Angst, zog Stiefel an und lief auf Bern,denn es war ihm heiliger Ernst um die Sache. Wenn ihm dann dort einer sagte, es sei ein Punkt versetzt,oder das Ding beziehe sich aufs Nachfolgende und nicht aufs Vorhergehende, ihm den Schlüssel zum verschlossenen Heiligthum in die Hände gab, so ward er wieder glücklich, lief heim, den Kopf voll Licht, lief herum daheim mit langen Beinen und es dunkte ihn,es sollte ihm Jedermann ansehen, was er Neues heimgebracht, welch tiesen Grund er gefunden.

Aber ach, über die Exegese des Lebens hatte kein Professor ihm was gesagt, für die war an der Hochschule kein Lehrstuhl, und Vater und Mutter, die sonst sehr oft in solchen Dingen gelehrter sind, die größten Utüfle von Professoren haiten ihn in diesem Punkte auch nicht gehörig gefuchset. Es ist prächtig, wenn man in Platos Gesprächen grübeln kann nach dem,was Plato eigentlich meine, und wenn man im Cicero lesen kann, wie er dem Verres den Marsch macht, und wenn man weiß, wie viele Codices man für das Neue Testament hat, und welche die besten sind, und was nach altgriechischem schmeckt, oder was chaldäische Ankläänge hat, und ob und wie die Mythen von Vorderindien und Hinterindien zusammenhängen. Das ist alles prächtig, ja nothwendig, will ich sogar sagen. So ist der Mensch glücklich zu preisen, welcher ein Auge hat,denn was ist der Mensch, wenn er kein Auge hätte.Aber schöner und besser als ein Auge sind zwei, und zwei hat Gott dem Menschen gegeben, und halbblind ist und bleibt der immer, der nur eines hat. Und wie Gott dem Menschen zwei Augen gegeben hat, so hat er ihm auch zwei Bücher gegeben, das heilige alte Buch, das nicht blos ein Vikari soll exegisiren können,sondern jeder Christ verstehen; aber auch das wunderbare Buch, das alt ist, und doch jeden Tag neu wird,das wunderbare Buch, das aus göttlichem Quell entsprungen, wie durch unzählige Bäͤche ein Strom genährt wird, durch Quellen aus sedes Menschen Brust, das Gott mit lebendigem Athem durchhaucht und Blatt um Blatt beschreibt vor der Menschen selbsteigenen Augen.Und wie die beiden Augen einander helfen auf unerklärliche Weise, und eins ohne das andere verwaiset sich fühlt, und einsam und nur noch halb so gut als früher,so hat es auch ein Buch mit dem andern Buch, ein Buch wirft Licht auf das andere Buch, beide strömen Leben sich zu, und halbdunkel wenigstens bleibt ein Buch ohne das andere Buch. Ein Mensch der nur in einem der Bücher lesen kann, ist gleichsam nur ein halber Mensch, nur halbwitzig, oder ist, als ob er nur ein Auge hätte. Kann er nur lesen in der alten lieben Bibel, so kömmt er wohl zur Erkenntniß dessen, was gewesen ist, aber nicht dessen, was ist, er erkennt wohl,was Gott ist, wie er aber waltet, das bleibt ihm verborgen; zur Rechtgläubigkeit kömmt er, aber im Leben findet er sich nicht zurecht. Wer aber nur im Leben lesen kann, liest und liest, und kömmt nie zum Verständniß, findet Satz um Satz, aber nie deren Sinn, zieht Perlen um Perlen an einen unendlichen Faden,aber zu einer Kette kömmt er nicht, läͤuft und läuft,aber än den Ausweg gelangt er nicht, sucht, und das Rechte findet er nicht, im Leibe findet er den Geist nicht, in der Welt Gott nicht, und darum findet er das Heil nicht, denn das ist allein bei dem Heiligen,der unser Vater im Himmel ist. Wo nun das erste Buch vor Augen liegt, da wird dem Menschen begreiflich der Fall und Ungehorsam der ersten Eltern im Paradiese, und wie nothwendig zur Auferstehung dem Menschen ein Heiland geworden; aber den eigenen Fall und wie er selbst sich aufzurichten, begreift er nicht;und wo er nur siehet ins andere Buch, da wird ihm sein Fall nur zu begreiflich, aber ein Heiland scheint ihm nicht nöthig, die Auferstehung, welche das Leben sedgi scheint ihm zu liegen im Bereiche der eigenen raft.

Aber wo der Mensch mit beiden Augen in beide Bücher sieht, da nahen sich Himmel und Erde, ist der Himmel offen, Engel Gottes steigen auf und nieder,strömende Offenbarungen Gottes verklären das Leben,heiligen die Zustände, die Bibel gibt dem Leben seine Weihe, das Leben macht die Bibel lebendig. Gott wird ihm lebendig, und klar der Mensch in der eigenen Brust. Er sieht, wie Gott den Menschen ziehen will nach oben, der Mensch dagegen Gott niederkämpfen will in den Staub, er fühlt den Kampf in der eigenen Seele, in tiefer Demuth erkennet er sein sündig Wesen in jeglicher Verzweigung, in froher Zuversicht aber auch seine hohe Berufung und die Macht Gottes über die Sünde. Gott ist sein Leben, und sein Leben ist Gott,und was trennt ihn nun noch von Gott wenn er so mit Andacht und Heilsbegierde mit beiden Augen in beiden Büchern lieset? Aber eben das ist das ünglück, daß die Meisten nur in einem lesen, die einen in diesem, die andern in jenem, und meinen doch sie lesen alles, was zu lesen sei, und dann hat der Eine dieß gelesen, und der andere etwas anderes, und dann zanken sie sich fürchterlich, wie Halbblinde, von denen der eine nur die Blumen links gesehen, der andere die rechts, die einen waren rosenroth, die andern himmelblau, und der eine will, alle Blumen seien himmelblau gewesen, der andere rosenroth, und einer schiltet den andern, einer legt Hand an den andern, beide wähnen sich im heiligen Recht, und keiner denkt, daß er nur links gesehen oder nur rechts. Freilich geschieht es wohl auch,daß die Augen gehalten sind, sie mögen lesen in welchem Buch sie wollen, sie finden die Wahrheit nicht,finden nichts in ihm als den Irrthum, in welchen ihre Seele befangen ist. So fand z. B. der Antoni Unternährer in der Bibel die Schweinereien, welche in seiner begehrlichen Seele gewachsen waren, so finden andere im Leben nichts, als was ihr eigen Herz in ihre Seele wirft, buchstabiren aus demselben nichts heraus, als ihre Lust, ihre Liebe, ihr Wünschen und Hassen, ihr Neiden und Trachten, und was sie zu finden meinen,soll absolute objektive Wahrheit sein, darum zanken sie sich wie eingefleischte Philologelein und mögen sie mit Worten nicht kommen, so werden sie händgreiflich.Da ist Heini wie Hans, und Hans wie Heini, und Anne Mey, das nichts als spinnen kann, und zwar nur Kuder, ist nicht schlechter, als ein Pädagögelein,das nur Wurst's Ding im Leibe hat, und zBuße Rechenbüchlein an den Fingern.

Aber, und das ist eben vom Uebel, daß die G'studirten mehr und mehr das Leben verachten, und dagegen als natürliche Wukung das Volk das heilige Buch, daß die einen meinen, das Buch sei veraltet,die andern, das Leben bedeute nichts, und dessen Verständniß lerne man von selbst, wie die Buben das Pfeifen; daß die einen meinen, wenn einer im Urtert herumfahren könne wie eine Hex, so sei er ein Hexenmeister und wenn er blindlings die Klassen der Engel aufzählen köͤnne, so sei er selbst ein Engel, die andern aber, daß, wer das Leben am besten auszubeuten wisse,zu seinem Nutzen und zu Stillung seiner Triebe, so sei er selbst Gott geworden, des Lebens Herr. So entsteht eine fürchterlche Einseitigkeit, welche in die klarsten Dinge

Verwirrung bringt, eine Kluft, welche unwiederbringlich die Menschen scheidet, eine babylonische Sprachverwirrung, wo keiner den andern mehr versteht, keiner dem andern mehr ein Bruder zu sein vermag.

Ach, unser arme Vikari, wie der die Stube auf und nieder rannte, an Rache dachte, und wie immer und immer wahr bleibe, daß dem Guten der Neid auf der Ferse folge, und wie hier sein Bleiben nicht sei,wo man seines Thuns nur spotte, seine Erfolge ihm nicht gönnen möge, der Feind so sichtbarlich umhergehe,und am heiterhellen Tag Unkraut in seinen Acker streue.Es reute ihn nur eins, daß er die Gärnase nicht zurecht gewiesen, ihr so recht vaterländisch den Text gelesen, und ihr gesagt, sie solle doch nicht an sich selbst abnehmen, warum andere Leute in die Kirche gingen,das ungebildetste Mädchen in Gutmüthigen hätte höhern und christlichern Sinn als sie. Das hätte er ihr sagen sollen, das hätte sie geschlagen, aber sie müsse es doch noch einmal hören, gelobte er sich.

So ging es der armen Sophie mit ihrer Erklärung einer Thätsache, mit ihrer Exegese, es ging ihr immer so arg, wie manchem Professor mit der Erklärung einer Stelle, ja, es hätte ihr gehen können, wie vor alten Zeiten den Ketzern, mit denen man kurzweg ins Feuer führ, wenn nämlich der Vikari Pabst gewesen wäre.Und doch, wer hatte Recht?

Das hätte der Vikari bei jedem Stüdi vernehmen können, aber er frug nicht; warum fragen, wenn man eine Sache bestimmt weiß?

Der G'wunder lag so unverhehlt und arglos zu Tage, daß, bei der geringsten Berührung des Predigtfleißes, Jedermann ihm gesagt hätte, es werde den andern Sonntag vielleicht noch mehr Leute geben, denn da werde doch, so Gott wolle, des Jowägers Sühniswyb sich afe dörfe zeige.

Das wäre aber noch die Frage gewesen, wenn nicht der Hechler kühn die Sache ins G'seis gebracht hätte.Der ging nämlich hin und nahm Meyeli zur Gotte.

Meyeli tritt in der Welt auf.Das war ein Ereigniß in Jowägers Hause, aber noch ein größeres für Meyeli. Als“ der Hechler seine Bitte in wohlgesetzter Rede anbrachte, war es Meyeli,als schnagge (krieche) ihm das Doggeli aufs Herz, oder als gieße Jemand einen Kessel voll heißen Wassers über ihns aus. Sein Lebtag war es nie Gotte gewesen, sein Lebtag noch nie in Gutmüůthigen zur Kirche,sein Lebtag noch nie als junge Frau in irgend einer Kirche, und alle diese Dinge sollte es auf inmal bestehen, und zwar schon nächsten Sonntag! Mit Müuhe brachte es die Antwort heraus, es müsse serst mit feinen Leuten reden, denn wie üblich hatte der Hechler geheimnißvoll in appartiger Audienz sein Anliegen angebracht.

„Herr Jeses Mutter, Herr Jeses, es wott mi eine zur Gotte, was soll ih o mache,“ rief es Anne Bäbi zu, das eben Brod einschnitt in der Küche. „He, du Göhl, sagte Anne Bäbi, du hättest mich bald erschreckt,was wottisch mache?“ „O Mutter, chönnt me nit oppis z'Wort ha, un ihm öppis gäh, er nehmte es sicher gern?“ „Wohl, das wär mir e suferi Sache,sagte Anne Bäbi. Was wurde d'Lüt säge, wenn du gingist gah absäge, u scho z'erst Mal; es wurd g'rad heiße, mir dörfte di nit zeige.“ „Aber Mutter, ih bi no nie Gotte g'si, ih darf wäger nit.“ „Das wär m'r afe, sagte Anne Bäbi. E niederi Sach muß einist z'erst Mal sy, du Göhl.“ „Aber Mutter, das kostet viel, u git groß Köste, bis alles usg'richtet ist.“ „Su gäb's, sagte Anne Bäbi, wenn's aänger Lüt v'ermöge,su v'rmöge mir's auch, das wär m'r afe, wenn me deretwege nicht wett eim gah zuchestah (Gevatter stehen), wo's mangelt.“ „Aber Mutter, ih chenne d'r Ma nüt.“ „Aber ih, sagte Anne Bäbi, es ist üse Hechler. U gang m'r jetz, u säg ihm zu, und heiß ne mit ihs cho z'Nachteße. Er chunnt ihs de z'anger Mal öppe zur rechte Zyt, we me ne heißt cho,u führt ihs nit so des ume, wies sust d'Hechler im Bruch hey. G'hörst, gang m'r jetz, was wird er o sinne!“Mit schwerem Herzen mußte Meyeli gehen, mußte sagen, wenn es nichts anderes gebe, so werde es kommen, er solle auf ihns zählen. Als ob man Wasser auf eine Mühle gelassen hätte, wirkte diese Gevatterschaft im stillen Hauswesen.

Hansli und Jakobli freuten sich, aber still, sie mochten den Sonntag fast nicht erwarten, um Meyeli in seinem stattlichen Putz aufziehen zu sehen; denn das war eben eine Gelegenheit, zu welcher die Hochzeitkleider wohl paßten, und zu schönen Kleidern und einem D00Leute nicht alles sagen? Mädi war bumpelrurrig. Die schießige Löhle, sagte es, meinten, für eine Gotte mangle es eine Bäuerin oder eine Bauerntochter, aber es hätt scho Mänge gäh, und es wär ihm nützer g'st,er hätt d'gumpfere g'ino as d'Tochter. Es gäbte de dere Bure, wo nes fast lieber d'r Tüfel zum Götti wett; Pbung (Pathengeschenk) gäbte si doch e kene,aber am Mahl fräse si für siebe, u de söll me ne no danke, daß si cho syge. Oeppe e rechti Jumpfere wüßt,was si zu thun hätte, und schämte sich, nit öppe o z'thue, wie's d'r Bruch syg, und öppe o eini, die wüß wie me thue söll i d'r Chile, wo scho meh d'rby g'si syg. Was doch eine d'rvo hätti, wenn er scho lang e hoffährtigi Gotte heyg, u de die nit wüß, wie sie thue söll, un e Schang an ere erleben muß für syr Lebtig. Von dem Zeitpunkt an konnte Madi den Hechler wegen seinem Unverstande nicht mehr leiden. Verflümeret gern hätte es gehabt, wenn das Kind ein Mädchen gewesen wäre. Es hätte nichts zu machen sein müssen, oder Mädi wäre die andere Gotte geworden, damit doch die Leute sehen könnten, was z'Fowägers Bub für e Löhl sei. So ausgebildet war Mädis Takt nicht, zu denken wie das für den Hechler ein unüberschreitbarer Stein des Anstoßes sei, Jumpfere und Meisterfrau zusammen zu Gevatter zu nehmen. Es gibt halt auch Etikette auf dem Lande. Anne Babi war das Ding recht, da sollten die Leute jetzt recht sehen,4J wie witzig es sei, und wie eine gute Schwiegermutter,daß es ke bessere gäbt uf dir Weit. Mit den Geschenken hatte es weit mehr zu thun, als es je gehabt,wenn es selbst zu Gevatter gestanden. Das Körn für die Züpfe faßte es selbst und mehr als je und vom besten, Eier rechnete es mehr als sonst, und befahl Sami, der die Sache zum Beck führen mußte, dem Beck, dem B'schyßhung, zu bifehle, daß er ganz guten Anken nehme, es hälte keinen beigelegt, weil sie die Nidel gar zusammensparen müßten, ehe sie anken könnten, und so werde er nie süß, gäb wie frisch er sei.Hansli mußte all sein Geld erlesen, um den schönsten Neuthaler zum Einbund zu finden, und Jakobli den schönsten Spruch abschreiben, um ihn darein zu wickeln.Einen langen Rath gab es, ob man die Näherin wolle kommen heißen um die B'kleidig für das Kind zu machen, oder ob man gleich alles beim Krämer nehmen wolle, da man ohnehin wegen einigem zu ihm müsse.Endlich gab Anne Bäbi den Ausschlag für das letztere,oppe gar wöhlfeler mache man es nicht, sagte es,wenn man die Näherin kommen ließe, die verschnaäfelten eim z'Sach mängist vom Tüfel, daß me zwo B'kleidige hätt könne chaufe, b'sungerbar we si öppe e Bub im Gring heyge, oder e Tanzsundi vorstands, u de wüß me nie, wo d'r Fade hichöm, ob d'Käfer d'rhinger syge, oder öpper auger. „Du kannst diesen Abend us Torf gehen und z'Sach kaufen, sagte es zu Meyeli,d'r Aetti söll der Geld gäh.“

„Aber Mutter, wie wollte ich gehen, sagte Meycli,ich weiß ja nicht wo der Krämer wohnt, und der Krämer weiß nicht wer ih bi.“ „He, sagte Anne Bäbi,was brucht er di zichenne, wed d'Sach nit dings nimmst?Was wurde d'Lüt säge, wenn ih für di ging ga ychaufe.M'r dörfte di nit zeige, oder dörfte dir z'Geld nit av'rtraue!“ Nach langem Streit war man endlich einig,daß beide zusammen gehen sollten, und Hansli sagte zu Anne Bäbi, „du weist ja, wo z'Geld isch, nimm.“„Ih wott z'Geld nit, sagte Anne Bäbi, du chast's Meyeli gäh, sust chönnte d'Lüt glaube, ih syg ume

Anne Bäbi. L. 3 deretwege mit cho, damit ih wüß, wie viel z'Sach chost,u sövlise mißtreue Hung bi nih de notti nit.“ Hansli nahm aus dem Gänterli ein Paäckli, that es auf, und zählte es, 's sei recht, sagte er, u no bravi Münz, er hätt's nit glaubt, er heygs vo me ne Wirth. Dazu ihat er noch einige Fünfunddreißiger, und als Meyeli sagte, soviel brauchte es nicht, er solle sie wieder wegthun, entgegnete er: „Nimm se, es schickt si neue nit,wenn e jungi Frau d'Batze so muß z'säme lese i de Säcke, u so d'Brodbrosme füre chere muß.“ „He nu,Vater, sagte Meyeli, su will d'r de Rechnig gäh.“„Manglet si nüt, fagte Hansli, b'häb's ume, su bruchst mr nii geng z'heusche, wed öppis manglist.“ „Was wett ih o mängle, sagte Meyeli, und denn habe ich auch noch Geld.“ „S'wird oöppe nit viel sy,“ sagte Hansli,der seine Freigebigkeit doch nicht gerne vor Anne Bäbi verhandeln hörte, von wegen dem Eindruck. Draußen polterte Mädi mit der Waschgepse und schnautzte dem vorbeigehenden Sami nach, wenn das so gehen solle,so werd bppe Niemere mehr lang hier sein können; was si 5Unnutz bruche, das werd me de a ihne welle erspare. Es wüß wohl, wie es gehe, dest hoffährtiger zBurevolch werd, dest minger heyge d'Dienste z'freße.Wer zu ihm selber luege un öppis für ihn selber astelle well, werd Zyt ha. Sami sah spöttisch zurück, und sagte, „am G'lust hätts d'r scho lang nit g'fehlt, mir ischs no lang wohl e so.“ „Du dolders Möff, schrie Mädi, last m'r d'Thür geng off,“ und schmetterte dieselbe hinter ihm zu, daß Sami mit Noth seinen letzten Fuß in Sicherheit brachte.

Es war ein wichtiger Gang, den Anne Bäbi und Meyeli jetzt mit einander thaten. Es ist allemal ein wichtiger Gang, wenn eine Schwiegertochter und eine Schwiegermutter zum ersten Male mit einander ausgehen, und absonderlich in einen Krämerladen. Sind ihre Herzen leicht mißstimmt, so entzweien sie sich sicherlich und der erste Gang legt das Fundament zu all andern Gängen und eine nimmt immer größeres Aergerniß an der andern, und das Aergerniß durchsäuert das ganze Verhältniß, uud wird immer sichtbarer, jedoch nach Stand und Gemüth. Wie manche Schwiegermutter und wie manche Schwiegertochter sind vom ersten Gang zurückgekommen und die Schwiegertochter sagte zu ihrer Seele: „o wettsch, was ist das für es alt's Räf!“ und die Schwiegermutter zeigt in allen Zügen die Ueberzeugung: „die macht meinen Sohn unglücklich, was ist si? e Gans ist st und leider Gott dazu no e hoffährtigi Gans, e löthige Täsch, es Beel,e Mugge?“

Bööses hatten aber unsere beiden Weiber nicht im Herzen. Anne Bäbi fühlte einen gewissen Stolz, denn ein gattlich styf's Fraueli war Meyeli jedenfalls. Zudem wollte es den Leuten zeigen, daß sie einig miteinander seien, und daß dasselbe nicht wider seinen Willen im Hause sei. Und wenn eine Schwiegermutter eine neue Sohnsfrau ausführt, und sich nicht ein gewisser Stolz in ihrem Herzen regt, so ist es selten recht gut.Meyeli dagegen ging mit einem eigenen Gefühl den ersten Gang aus dem Hause, welches es mit so schwerem Herzen betreten hatte. Es hatte ihm gewohlet, es war erwarmet, nicht nur im Hause, sondern, wie es ihm schien, in der Welt; es dünkte ihns, es durfe viel besser niedertrappen, es begriff, was man damit sagen will, der geht einher als ob die ganze Welt sein wäre,es hatte jetzt auch Theil an der Welt, d. h. ein Stück-lein davon war sein.

Es ist ein eigenes Gefühl, nicht nur einfache Hüdeli zu haben, sondern zweifache Sonntagskleider, mindere und bessere, Geld im Sack zu haben und einen Mann daheim, und das Gefühl im Herzen, daß man Jemand lieb sei, und eine Schwiegermutter an der Seite, hundertmal gutmeiniger als man gefürchtet. Der Gang war Meyeli viel leichter als es gefürchtet, und es durfte die Leute ansehen, und wenn sie gegen ein Haus kamen, wo Leute davor saßen, so sagte es nicht:„Mutter, cheu m'r nit hingedüre?“ sondern es wünschte ihnen freundlich Zeit, und fragte, ob sie Feierabend hätten. Die Krämerin empfing sie recht freundlich,hieß sie innefür cho und sagte: „G'seht me doch einist die junge Frau? Mi het afe g'meint, dir heyget se ime neSchaft inne, u doch dorfet ihr die wohl füre lah, die stieng jedem Haus wohl a, d'r Jung het wohl usg'lese. Er v'rsteyt si schynt's no d'ruf, mi g'säch ihm's nit emal sövli a.“

Im Laden zeigte sich Meyeli sehr verständig, wußte was Farbe hielt und Stich und sah die Schabenlöcher im Wollenen, trotz der herrschenden Finsterniß, denn in gar vielen Läden ist immer Sonnenfinsterniß, wenn schon keine im Kalender steht. Die Krämerin ermangelte auch nicht, zu sagen, sie verstehe sich darauf mehr als Manche, man sehe wohl, daß sie nicht das erste Mal einkaufe. Nit, bei ihr hätte man es nicht nöthig;wenn eine Sache einen Fehler habe, so sage sie es selbst,sie begehre Niemand anzuführen. Aber sie wiß e Ort,wo so junge Weibchen oder Meitleni, die nichts verstünden, erbärmlich angeführt würden. Selligi sollten doch immer sehen, zu wem sie gingen, Meyeli aber hätte das bppe nit nöthig, es könne selber luege u chenn bppe z'Sach. Das that Anne Bäbi grusam wohl, denn es betrachtete alles, was zu ihrem Hause gehoörte, als seine Sache, Mann, Sohn, Schweine ünd Kühe, und daß alles so war, wie es war, das hatte man ihm zu verdanken. Darum, wenn man etwas rühmte, so rühmte man ihns, es war hoch erhaben derowegen über alle Eifersucht. Einzig mit Mädi machte es eine Ausnahme, das wußten aber auch alle Leute und richteten sich darnach. Als Meyeli fertig war mit Einkaufen, so begann auch Anne Bäbi sich vorlegen zu lassen, und kaufte eine Kappe, ein Gloschli,kurz, kramete aus dem ff. Es geht gar manchen Weibern in einem Krämerladen, wie es den Männern mit dem Wirthshaus geht. Es gibt Männer, die Monate lang nie ins Wirshshaus kommen, und Ragger sind,fürchterlich, sind sie aber einmal drinn, so sitzen sie fest,trinken Halbe um Halbe, können nicht fertig werden,bis es ihnen oben äus läuft. So gibt es Weiber, von den huslichsten, die im Märten um einen halben Vierer sich fast die Zunge schinden, und daheim auf jeden Kreuzer sitzen, wie eine Henne auf den Eiern; sind sie aber einmal in einem Krämerladen erwarmet, so kömmt der Gugger los und die Eva rührt sich. Das dünkt sie schoöͤn und jenes noch schöner, dieß haben sie nöthig und jenes noch nöthiger, dieß kaufen sie, jenes kaufen stie, kaufen eine Burde z'weg, bis es sie dunkt, es sei Zeit aufzuhören, wenn sie ihnen nicht zu schwer zum heimtragen werden solle. Freilich überschlägt dabei Manche fortwährend Milch-, Anken- und Eiergeld, aber je mehr sie kauft, desto mehr wird sie überzeugt, daß fortan ihre Kühe mehr Milch geben, ihre Hühner besser legen würden.

Das Erkennen und Benutzen dieser Schwachheit macht eben den Unterschied zwischen den Krämerinnen aus, und eine, die sich darauf wohl versteht, ist funfundzwanzigtausend Fr. werth wie Schnupf, wenn sie schon keinen Kreuzer erbt.

Anne Bäbi hatte auch etwas von dieser Schwachheit an sich, dießmal jedoch regierte sie es nicht alleine.Es schien der Krämerin schon lange, Anne Bäbi kaufe so wunderlich ein, daß, ais dasselbe noch Scheubetuch verlangte, sie sagte: „du wirst es für dich wollen?Siehe, hier ist b'sunderbar schön's, u doch aständigs,g'rad so für ne älteri Person, wie du bist.“ „Ich will es aber nicht für mich,“ sagte Anne Bäbi. „Du wirst es für dy Jumpfere welle?“ fragte die Krämerin.„Du bist mir heute e G'wunderigi, fagte Anne Bäbi,nei, für mys Sühniswyb wott ih Neuis. Ih ha ihm no nüt kramet, u wil ih doch z'erst Mal mit ihm bim Krämer bi, es wird öppe nit viel g'scheh, su ha nih däicht, es syg o öppe aständig, daß ih ihm öppis krame, ume so, daß es o wüß, daß es m'r nit unaständig syg u daß ih mit ihm Ffriede bi.“ Natürlich war der Krämerin jetzt aufgeholfen, da sie merkte, wo Barthlome Most holt, und wenn sie mit dem Maul nicht eine Hex gewesen wäre, so wäre sie in Verlegenheit gewesen, wie sie ihr Rühmen zwischen Meyeli und ihrer Waare vertheilen sollte; aber dieser machte so was nicht einen Buß, sie rühmte links und rechts, daß die Schwarten krachten, und Anne Bäbi nicht fertig geworden wäre mit Kramen, gäb was Meyeli wehrte,wenn sie nicht die Nacht abgetrieben hätte.

Der nächste Sonntag war einer von den schönen Wintertagen, welche oft so klar und lauter aufgehen über der Erde, daß der Mensch wähnt, der Sommer wolle zurückkehren, oder der Frühling wolle schon kommen.Aber wenn er sich recht umsieht, so ist es nicht der Sommer, nicht der Frühling, der am Himmel steht,so hell, weich und lieblich ist kein Frühlings -, kein Sommerstag, es ist ein Tag, dem Auge des Greises gleich, das, von der Erde Dunst und Nebel gereinigt,üm so heller in den Himmel sieht, je näher es dem Brechen ist. Früh war Meyeli auf, früh alles im Hause, und doch mußten sie mit dem z'Morgenessen warten über Gebühr, denn Mädi hatte zum Feuern das grünste Holz genommen, welches ums Haus herum zu finden war. Anne Bäbi machte das Kammermeitli mit Strählen und Züpfen und als endlich Meyeli fix und fertig da stand in vollem Putze, den nur Jakobli noch am Tage gesehen, so konnten alle nicht genug luegen und als es dem Dorfe zuging, sagte Anne Bäbi, es stang fry am Hus wohl a, und es mahne ihns akkurat an ihns, wo es jungs g'st syg, ume sei es e wenig z'öllere g'si. Wenn e angeri die Kleider anhätte, sagte Mädi, mi chönt de luege wie die wär,u de so nes G'sicht für e Sunde mochte es nit ha,wo d'r Bruch nit erlyde mog. Mi chönn de luege äys Jahr, wie das d'ry g'seh werd, öppe nit viel besser as e gibleti (gestorbene) Geiß. Emel es tuschete noch lange nicht.

Bangen Herzens ging Meyeli seiner Wege. Es hatte Kummer, es könnte sich verfehlen bei der Taufe,gäb wie es gefragt hatte um hiesigen Brauch, ob der Pfarrer die Kinder im Deckeli nehme oder nicht, ob er allen zusammen den Segen gebe oder jedem besonders u. s. w.; es hatte Angst vor den Leuten, die es g'schauen und zerlegen wurden, und wie es bestehen möchte in ihrem Urtheile.

Allerdings waren der Leute viele, die auf Meyeli schauten, und als der Vikari in die Kirche kam, überflog ein eigener Schein sein Gesicht: Mamsell Sophie,Gernase, was säget ihr zu diesen Leuten?

Als Meyeli einmal in der Kirche war, schwand ihm die Angst, und gar seltsam ward ihm zu Muthe. Es wiegte sanft das Kindlein in seinen Armen, damit es nicht erwachen, nicht schreien möchte, und wie es wiegte,ward es ihm, als schmiege das Kindlein an seine Brust sich an, als fühle es dessen warmen Hauch in seinem Herzen, und in unaussprechlicher Liebe schwoll sein Herz, und ein innig Sehnen trieb es an, das Tauftuch zu heben, des Kindes Gesichtlein zu schauen, es zu küssen, es fest an seine Brust zu drücken. Als es endlich das Tauftuch heben konnte, das friedliche Gesichtchen in süßem Schlummer sah, da brannten seine Augen in heißer Liebe, seine ganze Seele senkte sich in den Segen hinein, den der Herr über das Kindlein gab, und als es dasselbe draußen der Frau abgeben mußte, um es heimzutragen, dünkte es ihns, es gebe etwas vom eigenen Herzen weg; es konnte sich nicht trennen vom Kindlein, der Thränen konnte es sich kaum erwehren, als die Frau mit dem Kinde dahinging.Träumerisch kam es in die Kirche zurück, das Guggen und Schauen der Leute achtete es nicht, seltsame Ähndungen wogten in ihm auf und ab, bald ward ihm so süß zu Muthe wie noch nie, dann wieder so weh, daß es den Kopf zum Sterben hätte legen mögen, und Thränen rannen über seine Wangen, es fühlte sie nicht.Als die Predigt aus war, war es ihm, als erwache es aus tiefem Traume, und was es geträumt, wußts es doch nicht, und anstrengen mußte es sich, ordentliche Sehkraft wieder in seine Augen zu bringen, und Worte zu finden, die freundlichen Grüße zu erwiedern, welche ihm außerhalb der Kirche von mancher Seite her gebracht wurden. Freundlich und lieblich begegnete es Jedem, und alles ging seines Lobes voll nach Hause,was mit gerechter Wage die liebliche Erscheinung wog.Natürlich, daß allenthalben Leute sind, die Pseffer in den Zucker streuen, denn, wo findet sich der Neid nicht,das tausendzüngige Ungeheuer, das alle Freuden trübt,das Wohlwollen saugt aus jeder Brust, in die es sich den Eingang bohrt? Auch im Wirthshause war es wie ein Licht am dunkeln Orte. Sehr oft ist eine Taufmahlzeit das, was man eine langwierige Fröhlichkeit nennt. Man sitzt hinter Essen und Trinken, alles ist voll auf da, aber die rechte Würze, die Heiterkeit und das kurzweilige Gespräch, fehlen. Da sitzt man hinter dem Tische und ißt, und das Essen gleicht fast dem Mahlen der lieben Kuh, wenn sie in frischem Stroh liegt, die Augen behaglich halb schließt, und langsam die Kinnlade hin und her bewegt, wiederkaut. So sieht man oft Gestalten halbe Tage hinter dem Tische sitzen,und die Kinnlade geht immer zu, aber langsam, es ist,als ob sie wiederkauten und ist es doch nicht, denn mächtige Stücke schieben sie von Zeit zu Zeit ins weite Maul hinein, aber lange machen sie dann daran, das ist wahr. Wer nun die Würze bringt zu solchen Mählern, der ist gar sehr willkommen, und ein kurzweiliger halber Tag ist dem Menschen eine halbe Seligkeit.Meyeli mit seinem freundlichen gesprächen Wesen, kommend aus fremdem Torfe, wo manches zu erzählen,manches zu fragen war, brachte diese Würze mit, und der Abend war da, ehe man es sich versah.

Anne Bäbi nahm es mornderst verflümeret Wunder,was man eigentlich zu seinem Sühniswyb sage im Dorfe, und wie es sich aufgeführt im Wirthshause.Und das ist sich an einem Anne Bäbi nicht zu verwundern; gibt es doch Leute, die, wenn sie einmal ein Wort von sich gelassen, wie wild rum laufen in allen Kneipen und in allen Ecken fragen wie es gerochen?

Wie abgeredet stund die Wirthin vor der Thüre,und frug: „wo aus, Anne Bäbi?“ „Nit wyt, antwortete dasselbe, ist die Wirth daheim?“ „Nein, aber er wird gleich kommen, komm unterdessen hinein.“ „Ich habe ihn nur fragen wollen, ob er auf den nächsten Markt eine Sau mangle, es wär m'r aständig, eine vorab z'gäh. Aber du chast m'r das o säge,“ äntwortete Anne Bäbi. „Chum du yche, sagte die Wirthin,er chunt uf d'r Stell u du chast de selber mit ihm rede. Ih glaub nit, daß er eini het, aber du weißt's wohl, wie's d'Manne hey, si säge de Wybere nit alles.Es Schöppli soll ih bringe?“ sagte die Wirthin. „Es halbs,“ antwortete Anne Bäbi. „He, ih wett es ganzes näh, es halbs ist gar bös z'breiche, u het nüt dar,“entgegnete die Wirthin. Und als sie mit einem ganzen wiederkam, hub ste an, ehe Anne Bäbi zum Proiestiren kommen konnte: „Aber nein, was du doch auch für ein Sühniswyb hast! Unser eim sieht öppe viele Leute,b'sungerbar öppe an Märkten und Tanzsonntagen; aber ein styfer und manirlicher Weibervolk ist mir seit langem nicht vor die Augen gekommen, u de gar es lächerligs isch. Der halbe Tag ist herum gegangen, ich wußte nicht wie, und gar manchmal hab ich vergessen,Wein zu holen, daß ich ihm ha müsse ablose, ih ha möge welle oder nit. Es het chönne thue, mi het nit g'nue chöne luege, nit öppe so wüst u uschafeligeun ugattlig, wie so ung'wahnet Gotte mängisch im Bruch hey wo nit chönne rede, bis si voll sy, u de grad use brülle wie hungerig Säu. Es het's chönne so aständig wie die vornehmste Buretöchter, wo öͤppe viel unter den Leuten sind, u het wüsse z'brichte, vo diesem und äym, mi het nit g'nue chönne lose. Da hat man gesehen, wie doch die Leute lügen können. Haben die nicht gesagt, Jakobli hätte ein Bettelmönsch nehmen müssen ab d'r Gaß, zu dem er gekommen, er wisse selbst nicht wie, und in Fötzeln hätte er es daher gebracht, daß man es keinem Menschen hätte zeigen dürfen. Und jetzt ist das eine, b'kleidet de fry fürnehm, un im ganze Dorf wüßt i de fry keni, die dere z'verglyche wär, da g'seht me aber wie d'Lüt lüge chönne.“

Oeppe eine reiche sei sie nicht, sagte Anne Bäbi,aber sie sei ihm notti aständig, sie könnten es machen,wenn Jakobli schon nichts erheirathe. Vo rechte Lüte nache sei sie, das sei wahr, und das sehe man ihr von weitem an. Aber ihre Leute hätten Unglück gehabt,und seien viel zu gut gewesen, und böse Leute hätten sie um ihre Sache gebracht, sie seien früh gestorben aus Verdruß, der Hof hätte müssen verkauft werden, und Verwandte und G'yatterleute, hätten die Kinder zu sich genommen. Zwischen jedem Satze nahm Anne Bäbi ein Schlücklein, und es war wunderbar, wie mit jedem Schlücklein seine Phantasie wuchs, und seine Erzaählung schöner wurde, und als diese nicht mehr schöner werden konnte, that sich auch das Herz immer mehr auf, und es erzählte, wie Meyeli zu einem wüsten Hung und Götti gekommen, und wie der es gehalten, nicht wie ein Mönsch, sondern wie ein Türk, nicht halb genug zu essen ihm gegeben, und keine Kleider, daß es kaum mehr vor die Leute konnte, und hätte doch alles machen müssen. „Aber warum ist's nit furtg'loffe, fragte die Wirthin, wohl ame sellige wett ih?“ Anue Bäbi nahm einen Schluck, und fuhr dann herzhaft fort: „das hab ich auch gesagt, aber es hat der Göttis Frau, die wohl gewußt hat, wie wüst ihr Mann ist, auf dem Todbett versprechen müssen, in keinen andern Platz zu gehen, und Jakobli hat fry grusam anwenden müssen,bis es begriffen hat, daß e Platzg un e Ma nit z'glyche syg. U daä Uflath vo Götti hes i Kleidlene lah laufe,daß kes Bettelmönsch se leider het, was es noch gut gehabt, das hat er ihm nicht mitgelässen, und will doch de no besser sy as anger Lüt.“ „Aber wie sind die zusammen gelommen? fragte die Wirthin; daß er sie hätt nehmen müssen, selb ist de nit, darauf verstehe ich mich de zu gut.“

„Ja, sagte Anne Bäbi, glaube thäte ich selligs nicht, wann es mir oöpper anger erzählte,“ und führte dann eine Geschichte z'weg, wo die Wirthin ein über das andere Mal die Hände über dem Kopf zusammenschlug,und ausrief: „Herr Jemer, ist's möglich, nei, so öppis ha nih no nie erlebt.“ „Ih o nit, sagte Anne Bäbi,und ih wills gerade heraus sagen, afangs ist mir die Sache gar nicht aständig gewesen. Ich hatte eine andere für meinen Buben im Biet, die mir grusam gerühmt worden ist, und z'Sach war soviel als richtig,und daß er eine andere im Kopf hat, seit mir da Tropf nit, bis er fast gar g'storbe g'st isch. Er ist de ne gute, das muß ih säge, u we m'r nit uf appartigi Wys d'rüber cho wäre, ih glaub er wär g'storbe, ehe er m'r's bikennt hät, ume will er g'seh het, daß ih öppis angers im Biet ha, ume will er glaubt het, es mach m'r V'rdruß, wenn er jetzt mit ere angere chäm,u no d'rzu mit so nere arme. Aber als ich einmal darüber kam, da sah ich gleich, was das beste sei, und daß der Lieb Gott das well, und wenn der einmal was will, so ist mit dem nichts mehr zu machen, my Hansli chan ih öppe no äne ume dräye. Und dazu habe ich noch Sachen vernommen, es hat mir übel gruset, da bin ich froh gewesen, ist es so gegangen, mir hätten können unglücklich werden, alle zusammen mit dem Trampelthier, vo wege, ih bih e gutmüthige Göhl g'st u hätt d'r Löffel us d'r Hand gäh, eh m'r gesse gha hätte, u hätt d'r Täsche alles lah v'orschryber“ „Mi sött das nie mache,“ sagte die Wirthin. „Was witt,sagte Anne Bäbi, we me d'King lieb het, u meint sie heyge eim glych lieb. Nu, vom Jakobli hätten wir nichts zu fürchten gehabt, aber er wäre nichts mehr Meister gewesen. Aber wo ich einmal gemerkt habe,wie z'Sach liegt, wohl, da habe ich ihr du d'r Täsch gäh, u du isch's richtig g'st. Aber glaub's m'r oder glaub's m'r nit, dä Hung vo Götti hat's noch schier nicht thun wollen, hat gesagt, wir seien Hudelleute.Aber wohl, da haben wir ihm gezeigt, wer wir seien;isch es gester nit öppe ag'leyt g'si, daß mes het dörfe lah luege?“ „B'sungerbar schön, sagte die Wirthin, es hat mir nicht bald ein b'Kleidig so g'falle wie die, aber Geld het die kost, alles i allem hätt ih se nit für hundert Krone welle lah mache.“ „Oeppe wyt bist nit d'r vo, sagte Anne Bäbi, aber meh hätt mi nit g'reut,ume daß sie wüsse, ob mir Hudellüt seien oder nicht;dessetwege chöme m'r notti doch nit über nüt.“ „Wer weiß, sagte die Wirthin, aber wenn ihr nichts mehr habt, so kommt zu uns, wir wollen euch dann entlehnen.“ „Gut, daß me selligs weiß, sagte Anne Bäbi,mi weiß nie was es eim gäh cha. Äber wenn ume d'r Wirth chäm, ih muß wäger hey, st wüße nit wo ih bih.“ „Was wottsch mit ihm? frug eine Stimme aus dem Dunkel hervor, in welches die zwei Weiber gerathen waren, sie wußten nicht wie.

„He d'r Sacker, sagte Anne Bäbi, jetz wär ih bald erschrocke, u ha fast g'meint, es syg e Geist.“ „Ney wäger, sagte die Wirthin, das ist ke Geist, dä ist de z'handlige für ne Geist, u handlet z'gern um alles was es isch, ih glaubti, er handleti um mih, wes erlaubt wär.“

Wie eine Hebamme zu Ader läßt, um ein schweres Herz leichter zu machen.Anne Bäbi meinte sich also je länger je mehr mit seinem Soöͤhnisweib, nur eins wünschte es, da Mädi so oft v'rblümts darauf rede, wie rahn cschlank und mager) es sei, daß dasselbe zunehmen möchte, und zu dem Ende sollte es toll essen. Aber Meyeli nahm eher ab als zu, sah leid aus, mochte immer weniger essen,klagte fortwährend über Zahnweh und wußte, wenn man von Ausreißen sagte, doch nicht recht, in welchem es sei, indem es ihm von einem in den andern schoß.

Das ganze Haus nahm Antheil an diesem Leiden,und ärgerte sich ob Meyelis Abnehmen, nur Mädi machte eine Ausnahme, mit dem Munde wenigstens.Wenn es schon Zahnweh hätte, daß es ihm den Gring obe absprengte, und es grad use brülle müßt, daß mes im Weltsche hinge g'hörti, es luegti Niemere nebe ume,u doch syg es o e Moönsch so gut as e angers. U z'letscht syg's de ume nit e Mal Zahngweh, sondern öppis ganz angers, u die Gehle sinne nit emal d'ra.So redete Mädi in seiner eigenthümlichen Widerharigkeit; es konnte mit Recht sagen, wüst thun sei seim Gutmeinen, denn was es an Linderungsmitteln kannte,gab es an und suchte es auf, und was es Meyeli zuvorthun konnte, unterließ es nicht, denn es hatte Mehyeli lieb, aber es wußte es nicht, und sein Maul war so gewohnt ans Widerbelfern und Aufbegehren, daß seine innigste Liebe keine Ausnahme machte. Anne Bäbi wollte nicht glauben, daß bei Meyeli öppis angers sei, und es wisse das doch besser als Mädi, wos nie selber erfahren habe, so viel emel es wüß, sagte Anne Bäbi. „Was erfahre, sagte dann Mädi, soll das g'haue oder g'stoche sy? Aber wenn ih's bigehrt hätt z'erfahre, wer weiß,ob ih nit so gut e Büri wär as mängi angeri, o Jere!U de wär's bos, we me z'Sach geng selber müßt erfahre für z'wüsse, wie's syg. Wenn ih scho nie i d'r Höll g'st bi, su weiß ih doch wie's öppe d'rinn isch.“„Das glaube ich wohl, aber das ist drum ganz öppis angers, sagte Anne Babi, u Zahngweh ha ni nie kes g'ha, z'Konträri, es het m'r besseret d'rmit, aber übergäh ha nih mi müsse, e ganze Tag, es het mi duecht,es well nüt meh by m'r blybe.“ „Drum het's du o ne leyde Bub gäh,“ sägte Mädi. „E leyde Bub, was,e leyde, so chum m'r de notti nit, du was du bist.D'r Jakobli ist z'schönste King g'si wo me het welle g'seh wyt u breit.“ „Ja, sagte Mädi, wo nih ne du F'weg g'futteret g'ha ha, aber afangs ist er nit größer g'si as e große Dumefinger, es hat eim duecht, emel dä sätt nit für cho, es het's o ke Mönsch glaubt.“ „Jetz schwyg m'r de, jetz isch Zyt, sust frage ih de, wer ne sövli vorcharet heyg daß er ume eys Aug het, ih weiß,was d'r Dockter mängisch g'seit het.“ „Was het er g'seit? was? was vychare? sött ih öppe das sy? säg ume, säg, ih wott's wüsse!“ „Frag ne selber, sagte Anne Bäbi, er wird d'r's scho säge.“ „U, U, jetzt soll ich noch gar das sein, das Jakobli v'rcharet het, soll z'Schuld sy, daß er halb bling isch; jetzt b'het mih Niemere länger hier, e ke Stung.“ So heulte Mädi,ging indessen doch nicht fort, sondern ließ sich besänftigen, bald von Meyeli, bald von Jakobli. Indessen war man durch diese Disputazen doch nicht klar über Meyelis Zustand, und derselbe schien sich noch zu verschlimmern. Zu den Zähnen kamen noch schwere Beine,Müdigkeit in den Gliedern überhanpt, eine gewisse Weichheit oder Wehmuth, es duechte ihns, es müßte weinen ob jedem Wort, und wenn es sich nur einmal ausweinen dürfte, so recht von Herzen, so wäre es ihm fast gleich, wenn es schon nachher sterben müßte,und doch mußte es wieder weinen, wenn es nur von weitem ans Sterben dachte.

Anne Bäbi focht mit Melissethee, so streng es mochte, aber es half nichts. Hansli mahnte, da Wagensalb hier nicht anzubringen war, an das Elixier. Es war noch ein Rest vorhanden, der ward Meyeli aufgenöthigt; aber erst jetzt ward es ihm so recht ums Sterben. Es war ihm, als fahre man ihm mit einem Garbenknebel im Leibe herum, als wollte endlich auch die Seele aus dem Leibe. Darauf ward es grusam schwach, und manchmal blos ab dem Spinnen fast g'schmucht (ohnmächtig). Das könne nicht so gehen,erkannte man im Famllienrath, und wollte Meyeli zum Doktor schicken; aber es wollte nicht. Doktor kenne es hier keinen, sagte es, und so einem Stockfremden dürfe es nicht sagen, wie ihm sei, und zu einem Guütterler habe es kein Zutrauen mehr, seit jener seiner Base immer Besserung versprochen hätte, bis sie todt gewesen sei. Es sei alles yg'richt auf dir Weli füͤr de B'schiß, seufzte es, je eher man hinauskomme, desto wöhler gehe es einem, und begann zu weinen, daß man die Hände unter ihm hätte wäschen können.

Anne Bäbi ward nicht wohl bei der Sache, es ging einmal wieder selbst ins Wirthshaus und forderte ein schönes Stück Fleisch. Bratis wär ihm recht, wenn sie hätten, sagte es, und eine Maaß Wein vom besten.Ob sie Dorf hätten oder Neuer kranks, fragte die Wirthin. Da leerte Anne Bäͤbi sein Herz und jammerte,wie sie doch die ung'felligste Leute seien; kaum hätten sie angefangen, sich an einander zu gewöhnen, so wolle es schon gah sterbe. „Du bist doch e Göͤhl, sagte die Wirthin, gah sterbe, ja wolle! es wird öppis angers sy.“ „Ja, wes das wär, sagte Anne Bäbi, es wär m'r recht; aber es ist das nit, kes einzigs Mal het es si müße übergäh, ih ha gut ufpaßet, ud wo ih mit em Jakobli gange bi, het kes Brösmeli welle by mor blybe.

Es het mi mängist duecht, d'r letzt Darm well obsig.“„Das cha wohl sy, sagte die Wirthin, aber geng isch's nit so. Glaub m'r, ih ha 7 King g'ha, u de wääger bi mängem ha nih mi kes einzigs Mal müße übergäh,und z'iEsse het mi nie besser duecht, als grad ziselbisch,und we me m'r es Stoßbocki voll Kaffe g'macht hätt,ih hätt ne ustrauche.“ Und nun erzählte die Wirthin die Geschichte aller ihrer sieben Schwangerschaften und überzeugte Anne Bäbi zuletzt, daß es etwas angers sein könnte. Wenn es dasselbe nur für g'wüß wüßt,sagte es, su hätt sy Seel doch o wieder e weneli Ruh,dä Weg konn's bald nimme schlafe. „Weißt du was,gang du zur Hebamme, es ist b'sungerbar e witzigi Frau, die wird d'r scho chönne drus helfe, und säge,was es isch.“ „He ja, du hast recht, sagte Anne Bäbi, das wird ziwitzigist sy, daß eim doch das nit selber cha z'Sinn cho.“

Wenn die Noth über das Weib einbricht, welches Eva ihren Töchtern zugezogen, wenn das Weh kömmt,das man nicht näher zu bezeichnen braucht, um verständlich zu werden, da es das Weh aller Wehe ist,so bedarf das Weib einen Beistand, der seiner sich annimmt, und zu glücklichem Ende das Weh bringt.Darum nennt der Deutsche das Weib, welches hilfreiche Hand bietet der Armen in ihren Nöthen, Wehmutter, nicht weil sie des Wehes Ursache ist, sondern weil sie die Leidende in ihrem Weh pflegt mit mütterlichem Sinne, wie eine Mutter ihr Kind pflegt.

Hebamme nennen wir sie, ein herrlich bedeutsam Wort.

Unser Kind ist unser Schatz; für seine Kinder warf Winkelried sich in die Speere, für sein Kind that Tell seinen Schuß, sein Kind ist's, für das der Schweizer sein Vaterland wahret; aber auch sein Kind ist's, dem er das Vaterland übergibt zur heiligen Hut. Wer das Kind ihm entbindet aus seiner dunkeln Kammer, es ihm darbringt zum ersten Kusse, der hat einen Schatz ihm gehoben, ist ihm hoch und werth, sie ist eine heilige Priesterin im Hause und ein rauhes Wort wird ihr nie. sagefemme nennt sie der Weltsch. Wer stellt sich bei diesem Worte nicht vor eine wunderbare luftige Gestalt, weiß, schwebend, geisterhaft, die erscheint und verschwindet, im Himmel und auf Erden wohnt, den Sterblichen Himmlisches bringt, und Kunde von ihrem Treiben nimmt, Rath gibt, Hülfe leistet, die jenseits menschlicher Kräfte und Einsicht liegen, Weise Frauen waren die Priesterinnen der Alten, welche den Göttern dienten, den Menschen riethen, des heiligen Feuers warteten auf den Altären, das Leben des Meunschen pflegten, wenn es verglimmen wollte in seinem schadhaft gewordenen Gehäuse. Und wer sollte wohl würdiger an ihre Stelle treten als die Sagefemmes,welche himmlische Gaben bringen den sterblichen Menschen, Kinder aus Gottes Schoos, ohne welche das Leben nichts, die Erde bald ein großer Kirchhof wäre,welche das glimmende Leben pflegen mit kundiger Hand,daß es aufflammt und zu stätiger Flamme kömmt.Und stehn sie nicht an den Pforten, welche das Sichtbare trennen vom Unsichtbaren, auf der Schwelle,welche zwischen Gottes unendlichem Schooße und unser endlichen kleinen Wohnung liegt, über die er seine Kindlein sendet, welche er für diefse Wohnung bestimmt hat.An diesen Schwellen stehen sie, die Sagefemmes, und empfangen in kundige Hände Gottes heilige Gaben,heben über die Schwelle sie, geleiten sie ins Leben ein.Wer wollte diesen Dienst nicht einen heiligen nennen,und wen, der ihm sich weiht, sollte er nicht heiligen?

In alten Zeiten verrichtete diesen Dienst wen Gott dazu berief, wer der Noth am nächsten war, wer das meiste Vertrauen der gesegneten Schwestern fich erworben hatte. Füurstinnen leisteten ihn ihren Dienerinnen,königliche Hände glaubten sich dazu nicht zu königlich,und lange ward er bei uns kein Gewerbe, kein Beruf,er blieb ein Freundesdienst, und noch jetzt wird bei uns manche Dorfschaft sein, wo der Dienst ein freiwilliger Dienst, wo die vornehmste Frau der Berufung sich nicht weigert, im allgemeinen Vertrauen eine Ehre findet und hohen Stolz darin setzt. Und allerdings ist es des Stolzes werth, wenn einmal, wenn der Vater sie heimrufet, alle Weiber weinen, alle Welber fragen:wer wird jetzt unsere Mutter sein in unfern Wehen?Indessen fehlt an manchem Orte die weise Frau und die kundige Hand, die über die Schwelle dem Kinde half und die kluge Sorgfalt, welche das glimmende Leben zu wahren und anzufachen, der Mutter das ihre zu erhalten verstand. O, es ist eine schwere Stunde, wenn im Tode ein Leben vom andern scheidet, und manche Mutter möchte dem sterbenden Kinde nach in den dunkeln Schooß der Erde; aber die Stunde ist noch viel schwerer, wo Leben vom Leben sich scheidet, aber nicht zum Tode, sondern zum Leben, und wie des Kindes Leben auflodert, glimmt der Mutter Lebensflamme schwächer und schwächer, kömmt so gerne dem Erlöschen nahe, es ist, als wenn sie ihr Leben hingegeben, damit ein Kind lebe und Gotles Wunderwelt sich freue. Daher bedarf ihr Leben kundige Sorge so gut als des Kindes Leben, diese aber fehlt so oft,und rauhe Windzuge die durchs Leben fahren und durch so viele Häuser, löschen so mauches Leben aus.Kinder sind des Staates größte Schätze, wie sie des Hauses reichste Gaben sind, aus den Kindern blühen die Kräfte auf, welche bessere Zeiten schaffen sollten, sie sind jedes Gemeindewesens höchster Zweck, und in welcher Kinderseele die größte reinigendste Kraft verborgen sei, weiß der klügste Staatsmann nicht. Darum ist ein jedes Kinderleben von heiliger Bedeutsamkeit,und eines jeden Kindes Tod ein schmerzlicher Verlust,dessen Größe Niemand zu ermessen vermag. Sind dem Staate die Kinder so bedeutsam, so sind es ihm auch in eben dem Grade die geheimnißreichen Schatzkammern, in welche Gott seine Gaben niederlegt, der Mutter Leben ihm kostbarer als funkelndes Gesteine, als gelbes Gold. Darum begann ser für kundige Hände zu sorgen, die Schätze zu heben, die Leben zu wahren,damit aus Mangel an menschlicher Hulfe oder durch unverständigen Beistand nicht Leben verloren gingen;er sorgte dafür, daß, was Menschen dabei thun könAnne Babi. II. 3 nen, gelehrt werde verständigen Weibern und Mädchen,er sorgte, daß Hebammen so wenig als möglich irgendwo fehlen möchten im Lande, Wehmütter, weise Frauen allenthalben seien. So ward dieser Dienst mehr und mehr zum eigentlichen Beruf, und zwar zu einem der höchsten und bedeutsamsten, der, wenn er auch nicht hoch emporragend im Staatsdienste, desto tiefer seine Wurzeln ins häusliche Leben schlägt, der, wenn er auch mit fremden Mächten nicht im Verkehr steht, weder Frieden schließt noch Krieg ankündet, desto maäͤchtiger wirket in des Hauses innigsten Verhältnissen.

Wie in Waldesdunkel, wenn Blitze leuchten, Bäume brechen, der Pfad verloren ist, einem bebenden Wanderer wird, wenn eine Fee erscheinet, ihn schirmet, und aus dem Dunkel führt, wie geheimnißvolle Schauer ihn durchrieseln, und doch wieder Sicherheit und Ruhe ihm ins Herz zurückkehren, die Fee eine freudige Erscheinung ihm ist, an deren Hand er getrost durch das Dunkel geht: so etwas ähnliches geht auch im Weibe vor,wenn die Hebamme ihm erscheinet. Wie manches Gottlob! hat sie empfangen, wenn sie eintrat zu einer Thüre,und es war fast in der angstvollen Stube, als wie es war auf dem See Genezareth, als im Sturme der Herr sich erhob und auf seinen Wink Wind und Wellen sich legten. Wenn die rettende Fee später erscheinet, und nicht in Stunden der Angst, so bringt sie Freude, es ist als ob ein heller Schein über des Menschen Wesen fahre, als ob dessen Herz ihr entgegen springen wolle; so haben es so viele Weiber mit ihren Hebammen, und selbst sehr vornehme Weiber.

Ist eigentlich ein Weib vom andern unterschieden in den Stunden ihrer Angst, und ist die Hebamme dem reichen oder dem ärmsten von mehr oder minderem Werthe? Die Königin ist so hülflos, so hülfbedürftig,so zagend, so unendlich froh über eine Mutter in der Noth als das ärmste Taunerweib.

Aber je einsamer ein Weibchen ist in seinen Lebensnoöthen, je ärmer in seinen Umständen, desto weiter wird der Kreis, in welchem die Hebamme hülfreich wirket.

Sie sorget für seinen Bedarf, für Hüllen, das Kind zu empfangen, sie läßt es erwarmen km Leben, sie sorget für eine Suppe, daß die Mutter wieder erwarme zum Leben, sie gibt ihm ihre Räthe, sie gewährt ihm Trost,zeigt ihm, wie an andern Orten noch viel größer das Elend sei, sie ist seine Fürsprecherin und mit dem Schlüssel zu so viel Herzen in der Hand, öffnet sie ihm die, welche sie milde erfunden hat für fremde Noth.Aber auch wo keine Leibesnoth vorhanden ist, ist sie Freundin als weise Frau, und wenn sie erscheint, glänzen der Bäurin Augen, als wenn Gabriel der Erzengel erschienen wäre in eigener Person; der beste Kaffe wird gemacht, und dazu was das Haus vermag, und dann im Hinterstübchen ein vertrautes Wort gesprochen. Was es Niemand sagt, was der Mann, die Schwester nicht vernehmen, die geheimsten Dinge der Ehe oder des Herzens, vernimmt die Hebamme, auf ihren Rath kömmt das Wichtigste an. Es kömmt der Bäurin hinter dem trauten Kaffe vor, als sei die Hebamme für sie allein in der Welt, und als liege sie, die Bäurin, ihr alleine am Herzen, und als könne sie ihr deretwegen alles sagen,was in ihrem Herzen sei, noch viel besser als dem lieben Gott. Und je mehr zum Trost und zum Vergessen ihr die Hebamme von hieher und von dorther zu sagen weiß, und wie es in dieser Haushaltung und wie in jener zugehe, desto weniger denkt sie daran, daß die Hebamme auch noch eine andere Freundin haben, und auch in einem anderen Hinterstübli sitzen und ihre gegenwärtigen Mittheilungen dort zum Trost und Vergessen auftischen konnte, sie vertraut ihr unbeschräänkt. Und wenn etwas zwischen ihr und ihrem Manne ist, so ist's die Hebamme, welche es vernimmt; sie ist die natürliche Mittlerin in gar vielen Dingen zwischen Mann und Weib. Wie manchen Mann hat nicht schon die Hebamme nebenaus genommen und ihm gesagt: „Los,biß doch nit so ne Uflath, los, du must doch o V'rstang ha, sinnist dann gar nichts, denk o a dyni arme King,u wed scho e hübscheri un de rychi wieder überchämist,was hättisch d'rvo, we de d'r dyr Lebtig es G'wüsse

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84 machi můßtist? U de ist de scho mänge g'si, die zweuti hätt ihm die ersti wieder gut g'macht, u scho Mänge het by m'r plärrt, u het g'seit, wenn er die Ersti wieder lebig mache chönnt, es duech ne, es reut ih ne kes Geld nüt, er weit alles gäh, was er hätt. Aber so gang's am Mönsch, we me nie z'friede syg, su werd's eim ytriebe, mi wüß, was me heyg, aber nit was me überchöm.“ So lesen die Hebammen den Männern können es, denn selten hat je eine ein rauhes Wort von einem Manne erhalten; eine Art von Zauberschild schutzt sie, und wenn je ein Wort, so wird das ihre respektirt. Darum empfangen sie aber auch Opfer,Priesterinnen gleich, leer gehen sie nicht oft aus einem Hause, es müßte denn wirklich nichts in selbigem vorhanden sein, sonst wandert etwas unter das Fürtuch oder ins Körbchen, und manches fliegt noch ins Haus,sie wissen kaum woher.

So ist ihre Stelle, sobald sie nur wollen, sobald sie Wehmütter, Hebammen bleiben, als weise Frauen sich bescheiden wollen mit dem, was ihnen zugewiesen ist,mit dem was sie verstehen, mit dem was an sich so hoch und herrlich ist. Aber, wie gesagt, wo etwas Herrliches ist, da legt der Teufel seine Eier hinein und die Zeit brütet ste aus, und was so vielen ein Stein des Anstoßes ist, warum sollten die Hebammen, die am Ende doch wieder nur Menschen sind, sich nicht daran stoßen, und das ist der Mißbrauch ihrer Stellung und das ist der Hochmuth.

Davon will ich nicht reden, daß es welche gibt,die dem Tode die Hand bieten, nicht dem Leben, welche aus dem Dienste Gottes in des Teufels Sold hinüber treten, Sünde und Frevel sündiger Menschen decken oder fördern. Dunkler Macht sind die verfallen, ihre Hände verdienen zu verdorren und ihre Seelen den ewigen Brand, ihre Nächte sollten füllen sterbender Kinder Todesseufzer, und des Tages sie verfolgen die Angst vor dem eigenen Schatten, dem sie nicht zu entrinnen vermögen, so lange es Tag ist, so wenig als ihre Seele dem Teufel, so lange eine Hölle ist. Es ist aber auch nichts grauenvoller als so ein Unthier von Weib, das schon von Natur von Gott zum Schutz hülflloser Wesen bestimmt ist, das nun noch vom Staat dazu privilegirt ist, und seine lästerliche Hand an Kinderleben legt, Kunst und Vertrauen dem Morde weiht; für ein solches Unthier ist keine Strafe zu hart, kein Fluch zu fürchterlich, und keine Verdammniß ju schauerlich.

Ich will hier auch nicht reden von denen, welche das Vertrauen mißbrauchen, Weiblein verrathen oder verführen, den Frieden zwischen Männern und Weibern,zwischen Nachbaren und Nachbaren stören, die bösen Geister spielen in ihrem Bereiche, und Gift ausspritzen auf den Wegen, die sie wandeln. Es geschieht natürlich hier auch, wie in allen andern Berufen, daß um des Vortheils willen, oder weil ihr Verstand diese Richtung hat, Menschen einen Beruf wählen, zu dem sie gemüthlich durchaus unfähig sind; Kenntnisse halber muß ihnen das Recht, ihn auszuüben, ertheilt werden,ja, in mannigfacher Kunde und Fertigkeit mögen sie hervorragen unter ihren Berufsgenossen, und dennoch wird das Recht, das sie erhalten, der Beruf, der zum Schutz oder Heil der Menschheit geordnet und geschützt wird, zum zweischneidenden Dolch, mit welchem sie in den Herzen der Menschen wühlen.

Dieß geschieht im Hebammenstand nicht mehr als in allen andern Berufen, aber eines ist, das bei ihnen mehr geschieht als anderswo, allfällig die Apothecker ausgenommen, welche in diesem Punkt auch Vögel sind.Apropos, von Vögeln, wie doch die Apotheker schreien,wie Elstern, wenn sie nesten, sobald in ihrer Nähe eine Apotheke errichtet, in ihre Rechte soll gegriffen werden!und wenn einer aus ihnen dem Dokler ins Handwerk pfuschet, und die Herrn Provisors unter der Hand mit 8 und Tränkern fechten, wie Ketzer, was sagen ie da?

Gar viele Hebammen bleiben nicht mehr Sagefemmes,sondern überschreiten die Schranken, weiche ihnen gezogen sind, wagen sich in Gebiete, die ihnen durchaus unbekannt sind, wo sie nichts sehen und nichts als tappen, ungefähr wie die Kühe werden getappet haben während der egyptischen Finsterniß.

Der Hebamme ist ihr Gebiet und die Zeit ihres Wirkens durch Gesetz und Natur ziemlich scharf begrenzt; wenn sie will, und bescheiden bleibt, sie kann nicht irren.

Ehe die schwere Stunde kömmt, ist die Hebamme nichts als eine weise Frau, mit guten Räthen kann sie beistehen, unerfahrnen Weibern sagen, was andere von Mutter und Großmutter vernommen, vor Unbesonnenheiten warnen, zur Vorsicht mahnen, und zum Arzte schicken. Kömmt ihre Zeit des Wirkens, so schreibt die Kunst ihr Thun ihr vor, und bezeichnet genau wieder die Umstände, wo sie nicht mehr genügt, ein Kundigerer zur Stelle muß. Ist das Kind geboren, sind die Umstände wie sie sein sollen, so hat sie mit Sorgfalt und Treue beide Leben zu wahren, und besonders darauf zu achten, ob keine Störungen eintreten, Gefahr verkündigende Zeichen sichtbar werden. Und wo sie solche Zeichen sieht, da hat sie dem Arzt sie zu zeigen,denn sie selbst ist weder unterrichtet in der Heilkraft der Mittel, noch vermag sie zu beurtheilen die Bedeutsamkeit der Gefahr selbst, noch ihre eigenthümliche Gestaltung in der Natur der Kranken, deren Kraft und Schwäche, deren Eigenthümlichkeit überhaupt. Es hat keine Hebamme zu mitteln und zu doktern, sonst wird sie zur unweisen Frau, und weiß nicht wie schwer sie sich versündigen kann.

Nun gibt es aber eben viele Hebammen, sie bannen sich in diese Grenzen nicht, halten sich nicht in ihrem Gebiete, überheben sich, fallen in Dünkel und Sünde,ja es gibt deren, sie heben sich über den Arzt, urtheilen über ihn, als wenn sie sein Professor, und er ihr Zögling gewesen wäre, suchen das Zuträuen zu ihm zu schwächen und dasselbe sich selbst zuzuwenden, und auch die besten können sich selten enthalten, wenigstens Ader zu lassen, oder zu schräpfen nach Lust und Belieben, und wann und wo es sie ankömmt. Es mag zuweilen sein,daß eine aältere Hebamme in einzelnen Hand und Kunstgriffen erfahrner ist als ein junger Arzt, das macht sie aäber nicht zum Doktor, so wenig einer ein Gelehrter ist, wenn er Bücher binden oder abstäuben kann.Es soll in der Medicin gehen wie in der Theologie. Was eine Zeitlang die Gelehrtesten trieben, das soll ihnen erleiden, und dann nach und nach runter kommen von den Gelehrtesten zu den Gelehrten, von den Gelehrten zu den Halbgelehrten und endlich von den Halbgelehrten unter das Volk, unter den Pöbel,zu den Quacksalbern und Hebammen, und da hängen bleiben. So geht es ja auch mit den Moden; von der Hofdame gehen sie zur Edeldame, von der Edeldame zur Madam, von der Madam zur Mamsell, und von der Mamsell zur Jumpfer, an der Jumpfer bleiben sie theilweise hängen, theilweise schleppen sie sich noch bis aufs Gassengesindel herab und zu den Kellermägden.So soll z. B. unter den größern Medicinern einst das Blutlassen Mode gewesen sein, und für alles gut, und das Blut herumgesprützt haben, als ob in jedem Hause ein halbes Dutzend Sprützbrunnen wären, und ein andermal soll es Mode gewesen sein, die Leute alle Fingerslang zu purgiren und zu laxiren, daß ein Krachen und ein Bühren gewesen sei, daß man auf der Welt sein eigenes Wort nicht mehr verstanden hätte. Beides erleidete den Gelehrten bald, nach und nach auch den Halbgelehrten, aber beides spukt dato noch unter dem Volke, den Krämern und Hebammen, beides scheint so natürlich, daß männiglich damit handthiert nach eigner Lust und auf eigene Faust. Was raus laxirt und purgirt wird, ist das nicht der unfläthigste Uflath, wo es geben kann und je mehr der Gattig aus dem Leibe ist, dest besser muß es sein, dest reiner und appetitlicher wird der Leib. Laxiren und purgiren kann also nicht nur allweg nicht schaden, sondern muß nützen, und je stärker dest mehr: so raisonnirt man. Im Blut aber stecken deren Teufelchen in Menge, die einen beißen, die andern machen sturm, die dritten kurzen Athem, und die vierten schlotternde Glieder. Diese Teufelchen muß man bändigen, austreiben, je mehr böses Blut rans ist, dest besser, und da bekanntlich ein Theil der Speisen in Blut sich verwandelt, so muß doch natürlicher Weise von Zeit zu Zeit das alte raus gelassen werden,wie Tüfel sollte sons zuletzt alles Platz in unserm Körper haben! Man denkt auch hier nicht daran, daß Gott fürs rechte Maß gesorget habe, bei dem Menschen wie bei dem Thiere, und man weiß nicht, daß einige Stunden nach dem man zu Ader gelassen, man schön wieder gleich viel Blut hat, nur schlechteres, es ist, als ob man Wasser in Wein gethan. So laxirt und purgirt, schräpft und läßt zu Ader nach Herzenslust, läuft zum Krämer und holt eine Laxirig, weiche Apotheker dort im Verlag haben, so gleichsam selbst gestiftete Filiale ihrer privilegirten Apotheken, oder läuft zur Hebamme, läßt schräpfen oder Blut raus. Weun' die erste Elster im Sommer sich wieder zeigt, so geht das Blutlassen, daß es ein Graus ist. Die Eistern mausen sich nämlich im Sommer, wie die andern Vögel, verschwinden aber während dieser Zeit, man weiß nicht wohin;eine Zeit lang sieht man keine einzige mehr. So bald sie sich wieder zeigen, was gewöhnlich einige Tage vor,oder mit dem Eingang der Hundstage geschieht, da soll man zu Ader lassen. Wenn daher die erfte Elster sich zeigt, potz Blitz, wie da die Weiber laufen, wer zuerst!Und wohin sie laufen, da läßt man ihnen zu Ader für ein Batzen oder zwei, und keiner denkt, wie er damit sich versündigen könne, und was er für eine Verantwortung auf sich lade. „He, e wenig mehr oder e wenig minger Blut, was wett das mache,“ sagt er.Jüngst wurden beide Methoden des Abführens und Abzapfens auf geniale Weise in Verbindung gebracht,wie es kaum dem Doktor Eisenbart in Sun gekommen wäre. Es schnitt sich nämlich Einer mit einem scharfen Instrument in den Schenkel, traf eine Ader,und das Blut sprützte heraus wie aus einer kleinen Röhre, fast fingersdick. Die Blutung verstund man nicht zu hemmen, und statt den Tourniquet anzulegen,oder auf andere Weise zuzuringgeln um des Blutes

Umlauf zu hemmen, was machte man? Man machte ihm noch ein Loch, d. h. man ließ ihm zu Ader. Man wird entweder gedacht haben, je mehr Löcher man mache, desto eher höre die Bluiung auf, oder aber man hat sich das so gedacht, wie bei einer Wässerung,wo man das Wasser auch durch einen andern Graben reiset, wenn man den einen Graben flicken will. So wird das Blut zum neuen Loch haben heraus laufen sollen, im ersten Lach aber aufhören zu fließen. Zu gleicher Zeit gab man dem blutenden Palienten noch ein Abführungsmittel, wahrscheinlich um einen Gegenreiz zu verursachen, oder die Bewegung noch gegen ein ander Loch zu ziehen, oder aber zu verhindern, daß die noch im Leibe sich befindenden Speisen sich ebenfalls in Blut verwandelten, kurz, wegen etwas muß es gewesen sein. Die Kur gelang auch prächtig, die Blutung hörte total auf, kein Tropfen Blut floß mehr, weder aus dem einen noch aus dem andern Loche; fataler Weise stund bald darauf, man weiß nicht warum, der Puls still und das Herz hörte auf zu schlagen, der Patient hatte wahrscheinlich innerlich einen Fehler am Herzen gehabt. Wenn das nicht zufälligerweise dazu gekommen wäre, der arme Bursche lebte dato noch und die Wissenschaft und die Combination hätten einen ihrer schönsten Triumphe gefeiert.

Das hat keine Hebamme gethan, aber ähnliche Grundsätze stecken doch den meisten im Leibe, und veranlassen sie nur zu oft, bei Weibern, die guter Hoffnung sind,zu einer Vorkur. Eine Hebamme besucht je zuweilen ihre Kundsame, wie schon gesagt, hört sie klagen, und welches Weib in solchen UÜmsländen hätte nicht seine Beschwerden. „Du must dich leiden, heißt es dann,ganz helfen kann ich dir nicht, aber öppe daß es mingeret, un de chast d'rby sy, will d'r Blut use lah, un de öppe bald no einist, wes di nüt nützt, su schad's emel nüt, z'Blut use lah isch geng gut, u schadt nüt.Un all Weg hest emel de e liechteri Kindbetti, un, es isch minger g'fährlig wegem blute.“ Es herrscht nämlich eben dieses Vorurtheil, daß, je mehr man Blut herauslasse, desto leichter sei das Gebähren, und je weniger Blut eine habe, desto weniger riskire sie Blutstürze,dest minger Druck heyg z'Blut. So wird dann geaderlasset in die Kreuz und in die Quer, bald am Fuß und bald am Arm, und allerdings ist noch ein artiger Nebenverdienst dabei. Nun ist aber die Sache ganz einfach, daß ein Mensch desto schwächer ist, je weniger Blut er hat, und wer hat größere Kraft wohl nöthig in seinen Nöthen als das Weib, und welche Weiber erliegen dem Kampf in dieser Stunde am meisten, die starken oder die schwachen? Und hinwiederum, wer ist den Blutungen mehr ausgesetzt, schwache oder starke Personen? Blut auslassen ist eine gefährliche Sache,und wann sie vorzunehmen, versteht weder ein Babi noch eine Hebamme. Meinen es aber, sind halt auch im Seminar gewesen, und 's ist halt eine böse Zeit,von wegem Hochmuth. Es mag einzelne Fäälle geben,wo das Blutlassen bei einem Weibe in diesen Umständen gut ist, es mag Naturen geben, welchen es wohl thut, aber darüber zu entscheiden, ist nicht Sache der Hebamme; denn die Hebamme weiß weiter nichts vom Menschen, nichts vom Mittel, sie weiß nur: einmal war das und das gut, und also wird es allemal gut sein, schließt sie, und dieser Schluß ist gerade so dumm,als wenn einer sagen wollte: „einmal brach einer ein Bein, da nahm man es ihm ab, also muß man alle Beine, welche gebrochen werden, abnehmen.“ Würden s 3 bedanken, die Menschen, über eine solche ogik.

„Allah ist groß,“ sagt der Türk, „groß ist die Kunst,“ sagt der Arzt, und allerdings ist sie es und die weiß, wann gegen besondere Gefäße ein zu mächtiger Blutandrang ist, sie weiß, ist er abzuleiten oder nicht, und wohin er abzuleiten, und bei welchen Naturen dieß möglich ist. Darauf hin ist die Hebamme nicht b'richtet, und ihr Verstand geht nicht weiter; geht sie aber eben zum Schluß, einmal hat man einem,der aus der Nase blutete, zu Ader gelassen, also muß man einem aus der Nase blutenden zu Ader lassen, und was in zwei Fällen gut sein mag, thut sie in allen hunderten, so ist sie eben ein Babi. Und wenn ein Arzt nicht thut, was sie im Gring hat, wird stie sagen, er sei ein Esel, und wenn er einmal schräpfen läßt, wo sie einmal gehört, daß Blutigel angewendet worden, so begehrt sie auf wie ein Nachtwächter,und wenn sie einmal für eine Sache am Fuß zu Ader gelassen, so bringt sie kein Gugger dazu, bas oben Blutigel anzusetzen sie kennts.

Sind einmal die Grenzen eines Berufs überschritten,so sind keine Schranken mehr, es gibt nicht nur Vorkuren, sondern auch Nachkuren, nicht nur Blutlassen,sondern auch Tränker und sonstige Mittel, und zuletzt baggelt die Hebamme nicht nur am Weibervolk herum,auch am Mannevolk, an allen Kindern, laxirt und purgirt sie, wie es sie eben ankömmt; sie, die des Arztes kreuste Dienerin sein sollte, wird dessen giftigste Feindin.Wohlwollende Schonung des Weibes hat dafür gesorget, daß weibliche Hände kunstfertig bereit seien zu seiner Hülfe. Der Staat hat für seine Mütter gesorget,aber jetzt mißbrauche man seine Güte nicht, ehre seinen Willen, und erkenne die in der Natur der Sache und der Hebamme liegende Begränzung. Es ist ein sehr schönes Verhältniß, und für Mutter und Kinder ein sehr heissames, wenn die Hebamme die in jeglicher Beziehung höhere Stellung des Arztes anerkennt, ihn benachrichtigt, sobald Zeichen der Gefahr sich zeigen, über deren Verlauf wachet, wachet, daß der Wille des Arztes herrsche über Bett und Wiege; wenn sie des Arztes Auge ist, das am Bette sitzet, und treuen Bericht zu geben weiß über alle Vorgänge. Aber mehr und mehr scheint auch das leidige Emanzipationsfieber über sie zu kommen, das Haschen nach der heutigen Selbstständigkeit, das Trachten des Knechtes, der sich über seinen Herrn setzen will, der Hochmuth, der, weil er den großen A kennt, sich einbildet, er habe nicht nur das Hulver ersinnet, sondern sogar das ganze A B Cvon A bis 3.

Man sollte glauben, der Staat könnte hier ein kurzes Ende machen, und Annelist oder Marei sagen:„bis hieher und nicht weiter! und gehst du weiter, so setze ich dich ab, und stelle dich wieder ans Spinnrad oder an den Mistkratten, denn ich bin es, der dich hat lernen lassen, und zwar unentgeldlich, und damit Puuktum.“ Wenn der Staat so ganz kurz Recht und Pflicht übte und überall gleich, es wäre bald wieder Ordnung und jedes wieder an seinem Platz.

Aber für was wären dann Rücksichten und Ansichten? ich frage. Und wenn der Staat der Tschalpi der Pintenwirthe wird, warum sollte er nicht eben so gut der Trappi der Hebammen sein. Aber wohlverstanden,verstehe ich unter Tschalpi und Trappi weder den Großen noch gar den Reg.Rath, Goit behüte mich vor solchen Gräueln.

Wenn meine Frau oder meine Sohnsfrau eine Hebamme hat, oder wenn die Hebamme meine eigene Freundin wäre, und ich wäre hoch oben am Breit, sollte ich da nicht Rücksichten für sie haben können? Ich möchte doch fragen, was mehr sei, Regieren können oder Rücksichten haben, und wenn mir däs Recht zum Regieren gegeben ist, so ist's eben deßwegen mir erlaubt,zu machen was ich will und also Rücksichten zu haben,für wen ich will.

Und wenn ich Gerichtspräsident oder Regierungsstatthalter wäre, und ich hätte die Ansicht, daß man die Leute nicht plagen sollte, daß jedem erlaubt sei,zu machen was er wolle, heute zu predigen und morgen zu doktern, und übermorgen Geschääftit zu machen,sobald er mir immer den Hut abziehe, „Hochgeachter Herr“ sage, und nicht in meinen grünen Sessel begehre,so möchte ich doch fragen, ob mür, dem Hochgeachteten Herrn, nicht erlaubt wäre, diese Ansicht zů haben?Den moöͤchte ich doch sehen, der zu mir käme und mir sagte, Herr Regierungsding, ihr seid ein Tropf und dumm dazu, wenn das regieren heißt, so heißt f mustziren. Oder gar den möchte ich sehen, der mir zumuthen wollte, ich sollte ein schlechter Kerl sein und gegen meine Ueberzeugung, gegen meine Ansicht immen, der müßte mir in den Bärengraben auf der Stelle oder gar in eins der Löcher, in die man Menschen steckt und ihnen deswegen „Käficht“ sagt, wo aber nicht einmal die Wendtele gerne bleiben. So würde ich reden,wenn ich Regierungsding wäre, potz Hagel! Es ginge also den Hebammen gut, wenn ich ans Brett käme,es wäre also ihr Vortheil, wenn sie ihren Kredit aufböten, mir mit einem schönen Amt, wo man das Recht zu Rüücksichten und Ansichten hat, als wie mit einer währschaften Wurst das Maul zu verschoppen.

Zu einer solchen Hebamme sandte die Wirthin Anne Bäbi und Anne Bäbiglaubte der Wirthin und machte sich mit Freuden zu ihr auf den Weg. Wenn's nur das war, so war sein Kummer weg, und es hatte die Aussicht Großmutter zu werden, und das ist halt Weiberschwachheit, wenn eine nicht mehr die junge Frau machen darf so recht herzhaft, so wird sie nichis neber als Großnutter. Da ist sie dann wieder was Neues,und ist im Stande, wenn sie es recht anstellt mit Flattiren, Lebkuchen und Täfelene, einen neuen Hof um sich zu versammeln, ihre Großkinder alle, und äus ijedem Großsohn einen treuen zärtlichen Liebhaber zu machen. Weiber geben nämlich das Liebhabern erst mit dem letzten Athemzuge auf.

Die Hebamme, Zu welcher Anne Bäbi ging, war gar berühmt und nicht von den bösen eine. Sie war eine Friedensstifterin, dokterte eben apparti nicht, und namentlich das Mannevolk nicht, aber wenn sie mit Aderlassen oder Schrepfhörnlene z'weg kommen konnte,so hätte d'r Tüfel se nit ep ha.

Als sie Anne Bäbi gegen das Haus kommen sah,fuhr ihr ein Freudenstrahl durchs Herz. Sie erlieth den Handel gleich, und ein gutes Haus und eine junge schöne Frau darin, das ist für eine Hebamme unge-fähr, was ein kleines Kapital, welches sie am Zus hat. Indessen hielt sie sich, wie üblich, nicht dafür,sondern sagte das Gegentheil von dem was sie dachte.„Geh, sieh, sagte sie zu ihrer Tochter, was die will.Oeppe hoffetlig ke Kindbetti, sust erleideti es m'r de afe bald d'rby z'sy. Ke Ruh meh ha, d'r Tag nit u z'Nacht nit. Ih wett lieber Kundsami abgäh, as dere neu a z'näh. Das ist m'r doch es schießigs Züg,daß geng alles u me zu mir wott; es sy angere o noch, gange sie zu dene, u wie wäre die grusam froh,wenn Neuer chaäͤmti.“

Das sagte sie nun Anne Bäbi nicht, sondern empfing es mit dem Spaß, daß, wenn sellige Weiber die Hebamme noch nöthig hätten, so möchten sie nicht mehr alles y fergen, und wenn z'halb mehr wären, so wären noch immer z'halbe z'wenig.

„Häb nit Kummer, sagte Anne Bäbi, ih wott di nimme plage für mih, ih überlah das jetz angere; aber ih chume für mys Sühniswyb, du wirst o scho von ihm g'hört ha.“

Nun erzählte Anne Bäbi Punktum alle Umstände,wie vorhin der Wirthin, und dann was diese ihm gesagt, und was es ihr wieder gesagt, u du was si g'seit het, u was es wieder g'seit heyg, und jetz nehm's Wunger, was d'Hebamme säg.

Die machte ein sehr weises Gesicht und sagte endlich: „Los, B'stimmt's cha ih d'r da nüt säge, bis ihs selber g'seh ha; es cha das sy, es cha äys sy, bi junge Wybere isch das gar wunderlig, es isch scho mänge g'schichte Toktor b'schisse worde. Mir, ih muß es säge,hets öppe nit grad g'fehlt. Ih glaub, es syg neuis angers, du weißt, was wett me bi junge Wybere angers erwarte sy as grad das. Aber de chas e Uszehrig o sy, mi weiß es nit. Albetz het me neue vo sellige wenig gewüßt, d'Lüt sy nech neue erst g'storbe, wes het müße sy; un Lüt hets gäh no bi mym B'sinne,die, es weiß ke Mönsch, wie alt worde sy. Aber mit de hütige Lüte isch neue nüt meh, es git ume no so Blütterlüpfe, u b'sungerbax d'Meitli dueche mi, syge afe ume so Spinnhubbele, ume so füre Sunde oder hinger z'Glas; aber d'r Werchte u z'Sunne mah neue bald afe keis meh erlyde, u wenn eini es King ha soll,VV chunt, so mahnt si eim grad a ne lebige Schneeflocke, dere me Bei ungere macht het u so des ume lauft.Albetz isch das nit so g'si, da hei d'Wyber d'King neue übercho, si hey si desse ume nit viel g'achtet. Mengi het chum nebe umeg'luegt, un ihri Suppe selber g'macht u het d'r Tag durch g'anket wie Ketzer un e Kopf g'ha wie es jungs Meitschi, wes d'r erst Kilter g'ha het.Nei, es ist neue nüt meh, jetz wott alles sterbe ü g'het si, wie wenn me se lätz g'macht hätt; un wenn eini d'rvo chunt, su sött me ere siebe Jahr lang d'r Wy wärme u z'Bred bäye. Trum los, Anne Bäbi, cha ih d'r nüt säge, ume so vom g'höre; ih muß die Jungi selber i d'Kur (d'Schul) näh u de oppe no selber luege. Die nächste Tage chume ih by nech vorby u will de zuche cho; ih leu se afe grüße, u si soll si nume afe dry schicke, das gang e so, we me g'hürathet syg.“

Mit bangem Herzen wurde die Hebamme erwartet,und als sie kam, fand sie es, wie sie geglaubt hatte,und verkündete ihnen, daß sie nicht Kummer haben sollten, öppe nach Pfingsten werde es schon bessern. Aber Blut use lah chönt nut schade, das mache Meyeli leicht auf dem Herz, wenn der Sommer komme, so könne man noch einmal.

So geschah es, und Freude war im ganzen Haus,sogar Madi sagte halblaut, daß es hören konnte wer wollte, wenn das nicht wäre, es behielte es kein Mensch länger da, aber wer de zu dem armen Würmli FXluege d'r Verstang hätt, wenn es nicht da wäre? Auch Meyeli freute sich und eine Fröhlichkeit sprudelte aus seinem Herzen, an dem die ganze Haushältung Theil nahm. Jakobli verlor sein träumerisch Wesen mehr und mehr; Anne Bäbi brummte weniger, denn es haite für das Großkind zu sorgen, und Niemand widersprach ihm dabei, ja, es mußte manchmal selbst herzlich lachen und sagte dann Meyeli: „du bist doch e Lachgoöͤhl, aber wart, es wird d'r o no angers cho, we de de einist pläre must, was de jctz lachist, du hesch es de, es zahlt si alles uf d'r Welt. „Anne Bäͤbi kannte die Fröhlichkeit nicht, die eine andere Quelle hat als Leichtsinn und junges Blut, und wie hier Sonne und Regen einander aufwägen, so meinte es, Lachen und Weinen gleiche sich eben so aus. Das ist eine Meinung, aber keine Regel. Gibt es nicht an andern Orten einen Himmel, der selten sich trübt, sollte es nicht ebenso Gemüther geben, über den ein heiterer Himmel immer beständiger wird, sich immer klarer wölbet? An den Wolken am Himmel kann der Mensch nichts machen,aber den Wolken über seinem Gemüthe zu gebieten,fände da nicht jeder Mensch in sich die Macht, wenn er sie suchte?

Indessen weinte Meyeli doch auch, aber es verbarg es, so gut es konnte, es kam ihm manchmal so bang übers Herz, daß es weinen mußte, es mochte wollen oder nicht. Das geschah ihm besonders des Sonntags,wenn die andern in der Predigt waren, oder wenn es Nachmittags alleine war, und je mehr der Frühling grünte, die Bäume blühten, desto mehr nahm sein Bansehe ich das noch einmal, wer weiß, ob ich übers Jahr nicht schon gestorben bin, vielleicht weiß man dann so wenig mehr von mir, als man von den jetzigen Blüͤthen weiß? Und doch, wie lebte ich so gerne, und warum jetzt sterben, wo es mir so wohl geworden, wo ich so glücklich bin? so dachte es bei sich. Es stieg vor Meyeli auf sein Glück in vollem Glanze, die Liebe,die es genoß, das gute Leben, das ihm geworden,stieg ihm aus Haus und Hof, und die Anwartschaft,alles sein nennen, alles regieren zu können, es, das vor kurzem noch so ein armes Mädchen war ohne Liebe,ohne Kleider, ja, ohne Plätze, seine Hüdeli zu flicken.Das alles stellte sich vor sein Auge und glänzte immer schöner, und immer sicherer meinte es zu fühlen,daß es sterben, daß es die schwere Stunde nicht überleben werde. Das seien Ahnungen, meinte es, und die täuschten nicht; vielen Leuten kämen sie als sichere Todesboten, und darauf zählen könne man, daß sie in Erfüllung gingen. Es ward ihm dann fast eben so elend und weh zu Muthe, wie damals, als es auf dem Steine saß, das Bundelchen neben sich, und nicht zum Hause durfte, und schwerer ward ihm das Aufrichten und keine Sternschnuppe fuhr an heiter hellein Tage an ihm voruüber. Wenn dann seine Leute heimkamen, Jakobli zu ihm trat, so war es ihm als müůßte es sich fest an ihn klammern, so fest, daß Gott es nicht wegreißen konne von dessen Herzen; es ward so weich und innig, als ob es die nächste Stunde Abschied nehmen müßte, daß es Hansli oft die Augen übertrieb.

Man borgete ihm immer mehr mit Speis und Arbeit. Erdäpfel wollte man es keine mehr essen lassen,ung'sung, meinte man, seien die, öppe gut für die,denen nichts fehle. Die guten Erdäpfel müssen sich böse Nachreden gefallen lassen. Wenn mich Mädchen und Weiber nicht dauerten, welche Jahr aus Jahr ein nichts als Erdäpfel kriegten, wenn sie den Mannern nicht den Glauben beibringen könnten, die Erdäpfel seien ungesund, besonders zu gewissen Zeiten, so hätte ich Lust, die armen Erdapfel in Schutz zu nehmen.

Im Garten ließ man es mit dem Meyenzeug fechten und zur Noth Kraut säen; aber aufs Feld wollte man es nicht nehmen, man hätte es angeri Jahr auch gemacht ohne ihns, es werde dieses Jahr auch gehen,b'sungerbar da auch Jakobli helfe, noch me so, und ganz halb Tage schaffe, mi g'seh fry ke Ungerscheid meh zwischen ihm u ame ne angere Mönsch. Sy Schwiegere, sagte Anne Bäbi, chönt's de öppe nit i alle Stücke ruhme, e Z'wänggring heyg die g'ha, es heyg fry no kene so atroffe, es syg o besser mi schwyg d'rvo; aber das müß es säge, wo es so z'weg gos syg, st heyg ihm o borget,“ u syg minger wüst gege ihm g'si, es wüßt nit, waärum es nit no meh öppe zum Sühniswyb luege sollte, v'rglych es sich doch noch lange nicht mit seiner Schwieger.

Als Pfingsten kam, ging Meyeli zum Nachtmahl.Gar manches Weib, das Gott ein ganzes Jahr, vielleicht zwei, drei Jahre lang vergessen hat, geschaltet und gewaltet hat uüber Kinder und Haus nach eigenem

Anne Bäbi. II. 7 Belieben, die Welt im Herzen getragen, und keinen Platz dann hatte für Gottes Wort und Willen, den Sinn gestellt hatte auf irdische Dinge, und verstocket gewesen war für alle bessern Regungen wie Pharao,dem kömmt es doch endlich wieder, daß Gottes Hand alleine es sei, die das Leben bewahre, den Tod sende,die es wohlbehalten führen könne durch der schweren Stunde große Noth; es fällt ihm doch wiederum ein,daß das Recht am Himmel, das Erbe des ewigen Lebens, das größte Recht, der beste Schatz sei, und daß es Noth sei, sich selbigen jedenfalls zu sichern, sich und dem Kinde, das geboren werden solle. So erscheinen sie dann, die bangen Weiber, an des Herrn Tische,wie ehedem den Kriegern auch des Herrn Mahl ausgetheilt wurde, ehe die Schlacht begann. Manche kömmt Ind denkt nicht weiter, als daß des Herrn Wein und Brod zu leichter Geburt ihr helfe, das Leben ihr sichere.Manche will mit ihrem Erscheinen das Recht zum Himmel bewahren, es möge gehen wie es wolle, will Christus sich zum Fürsprech gewinnen, weil sie wohl fühlt, sich sichern mit dem bloßen Erscheinen am Tische des Herrn,wie man sich auch oft durch Visiten den Platz im Testament eines reichen Vetters sichert, oder durch einige Kratzfüße die Fürsprache eines Menschen bei einem andern Meister. Doch so sind nicht alle. Manche kömmt und Ffühlt in tiefer Demuth ihr sündig Wesen, und bittet brünstig um Gottes Gnade, und bringt heiße Gelübde, daß es anders werden müsse in ihrer Seele,in ihrer Familie, wenn sie überstehen werde die dunkle Stunde.“ Manche kömmt schwer beladenen Gemüthes,der Last ihres Hauses ist sie fast erlegen, die Noth nahm für sie kein Ende, und wenn sie Brod ihren Kindern gab, blieb keines für sie, und wie es in Zukunft gehen solle, weiß sie nicht. Sie kommt und wirft ihr AÄnliegen auf den Herrn, bittet ihn, er, der die jungen Raben am Bache speise, den Sperling bewahre, daß er ohne seinen Willen nicht vom Dache fällt, daß er doch ansehen möchte ihre Noth, milde Hände ihnen öffnen, bessere Zeiten geben, ihre eigene Kraft und Zuversicht sich vermehren möchte. Sie bittet zu Gott in brünstigem Flehen und mit gläubigem Herzen, zweifelt nicht, daß der, der die unaus sprechlichen Seufzer höret, auch das Flehn aus treuer Mutter Brust vernommen. Und Manche kömmt her, matt und schwach,nicht bloße Ahnungen, trübe Nebel, bange Herzen, haben ihre Seele verdüstert, nein, sie hat das Picken des Todtenmurmes vernommen, nicht neben dem Bett in der Wand, nein, dicht neben dem Herzen in ihrer Brust,schon schlägt matt und langsam dieses Herz, und als ob sie des Todes kühlen Hauch wehen fühle aus der Nähe her, scheint es ihr. Nicht nur für sich will sie bitten, sie sehnt nach Ruhe sich, Leib und Seele sind zum Tode ermattet auf schweren Wegen. Ach, sie möchte eines bitten, sie möchte ihr Kindlein mit sich nehmen, möchte im Tode eins mit ihm bleiben, möͤchte es auf eigenen Armen tragen über des irdischen Lebens Schwelle, möchte sehen, wie es da zum Leben erwacht,wie seine Augen sich erschließen zu des Himmels Freuden,möchte es segnen lassen von dem, der die Kindlein zu sich kommen hieß, möchte es tragen mit selbsteigenen Armen an des Vaters Thron, möchte bei ihm bleiben in alle Ewigkeit. Und dennoch bittet sie es nicht, um des Kindes Tod kann sie nicht bitten, auch wenn das ewige Leben auf ihn folget, um Leben und Freuden der Erde kann sie ihr Kindlein nicht bringen, aber sie bittet, schwer bewegt, daß der da oben selbst sein Vater sein, es führen woue mit eigener Hand, ihm gute Menschen erwecken, es wolle finden lassen den rechten Weg,ein seliges Ende. Daß er ihre Seele nehmen wolle in sein Reich und was er jetzt trenne, er einst droben wieder einigen möchte. So bittet sie wehmüthig, aber ergeben, und mit tiefem Beben genießt sie des Herrn Mahl, es ist das letzte Mahl auf Erden, das nuchste Mahl wartet ihr in des Vaters Reich. So ist es ihr, und immer feierlicher wird es ihr im Gemüthe.Es kömmt ihr vor, als wäre sie angekleidet in feierlichem Gewande am heiligen Sonntag und warte, bis die Glocken läuteten um in die Kirche zu gehen, als wäre sie der Brautjungfrauen eine, voll wäre ihre Lampe, und des Bräutigams harrete sie. Und so harret sie, still ergeben, bis der Herr kömmt, sie weiß es,in seine Hände kömmt ihr Geist, und ihres Kindleins Vater wird er sein.

O, es ist ein eigenes Gefühl, Weib um Weib treten zu sehen an des Herrn Tisch, und auf jedem Gesichte zu lesen der Seele Sinn, des Herzens Bitten.

Schwer und matt wandelte auch Meyeli diesen Gang,aber weder lebensmüde noch lebenssatt, es hatte auch des Todtenwurmes Picken nicht vernommen, aber einer bangen Herzenstrübe Gedanken hatte es für sichere Vorzeichen, üntrügbare Ahnungen genommen, und schied doch so ungerne vom Leben, noch war ihm alles so lieb und iheuer, womit Gott es beschert hatte. Das Herz war ihm so voll, es dachte nichts, es konnte nicht beten,nicht dieses, nicht jenes, nicht um längeres Leben,nicht um ein seliges Ende, nur bange Seufzer rangen sich los, aber die Seufzer verstand der Vater.

Aber Meyeli wußte nicht, daß der Vater ihns verstanden hatte, und fast noch schwerer als es gekommen war, ging es heim, es war ihm immer, als sei es zum letzten Mal in der Kirche gewesen, gäb wie man es ihm ausreden wollte, man redete es ihm nur hinein.Die Glocken hätten noch hintendrein angeschlagen, gerade als es auf den Kirchhof gekommen, und das bedeute, daß es ihm bald apparti läuten werde zum Grabe,sagte es.

Am Nachmittag kam die Hebamme. Als sie es so schwer im Gemüthe fand, sagte sie, das sei nichts anders, es hätten es viele Weiber so, das komme vom schweren Geblüt, man müsse daher noch einmal zu Ader lassen, dann werde es schon bessern. Oeppe nicht unerchant, sagte sie, aber doch auch, daß es etwas abtrage, wenn man einmal das Loch gemacht habe, so gehe es in einem zu, gäb ein wenig mehr oder ein wenig minder. Da machten sie doch so jung Doktere taub und es hätte sich schon mancher übel verderbt damit; die wollten nie zu Ader lassen, und wenn sie es thäten,nur so einen Fiugerhut voll. Was doch das helfen wolle? Und dor Bur säg, für en Halbbatzen lasse ihm der Vehhansli noch einmal so viel hinaus als der Doktor für einen ganzen Batzen, und da wollte er doch ein Narr sein, zum Doktor zu gehen. Nebenbei träöstete die Hebamme, Meyeli solle nur nicht Kummer haben,es stehe bis dahin alles gut, und wie sie sich darauf verstehe, werde es gut gehen, es sei kein einzig böses Zeichen da. Zudem sei ein gutes Jahr, es gebe fast alles leichte Geburten, und übel sei es noch an keinem einzigen Orte gegangen, sie haätte es noch nie so erlebt,sie wüßte doch nicht, warum es gerade hier übel gehen sollte, und noch dazu bei einer so jungen gleitigen Fräu,denen es am wenigsten thue. Dagegen habe sie schon Jahrgänge erlebt, wo einem das Leben erleide, ünd alles tromsig gehe; die einen Kinder kämen zu früh,andere wollten gar nicht kommen, und weun man meine, alles überstanden zu haben und es sei alles gut so komme ein Fieber und nähm se wie d'Fleuge. So tröstete die Hebamme, und ließ dann zu Ader. Und es ist wahr, es leichtete Meyeli, freilich nicht in den Gliedern, die wurden noch matter und schwerer, aber ums Herz. Es hatte nicht mehr so schwere Gedanken,glaubte mehr ans Leben als an den Tod, konnte sich der Zukunft freuen, und mochte wieder lachen, erlaubte sich sogar hin und wieder eine kleine Neckerei.

„Da siehst du, sagte die Hebamme, was das Blut use lah hilft, u wiess gut st. Si wey m'r's geng v'rbiete, oder säge, mi müß si grusam d'rmit i Ächi näh. Aber das ist ume V'rbaust (Mißgönnen), am Blut use lah isch m'r no niemere g'storbe, aber Vielne Es het mi duecht, fast eh no z'Blut g'laufe syg, heygist o es angers G'sicht g'macht.“

Wie nur ein klein Kind ins Haus kömmt,und dasselbe doch ganz voll Gebrüll wird.Eines Tages, als die Sonne schön warm schien,und alles auf dem Felde war bis an Meyeli und Anne Bäbi, denn das erstere ließ man nicht mehr alleine,nahm Anne Bäbi den Spycherschlüssel, und hieß das Söhnisweib mit kommen. Dort hielt Anne Bäbi erst Musterung über die vielen Dinge, ob in nichts Schaben oder Milben seien, und um die Menge sich ins Gedächtniß zu prägen, an der Schönheit und Güte derselben sich zu erquicken. Solche Musterungen sind besondere Privatvergnügungen, haushälterischen Frauen ungefähr was dem Geizhals das Geldzählen ist. Endlich mächte es sich über alle Kästen, stöberte manchen aus, und brummte bei jedem ärger, wer ihm wohl genistet, oder gar Neuis verkrätzt hätte. Bis zum letzten war es gekommen, und bis auf den Boden desselben,und brummte immer ärger, da schien es endlich zu finden was es suchte, und zog eine alte Kutte hervor und als ste damit ans Licht kamen, sah Meyeli, daß es eine alte Mundur (Uniform) war. „Das ist meines Mannes Hochzeitkutte, sagte Bäbi. Albetz hat man in der Mundur Hochzeit halten müssen, wo noch etwas mit den Leuten gewesen, jetz, wo alles ume so Schyßere sy, ist jeder Hudel gut genug für sie,“ und somit hing es die Mundur an eine Stange an die Sonne und klopfte sie wacker aus. „Wott'sch se öppe bruche?“fragte Meyeli. „Allweg,“ sagte ünne Bäbi. „Was wottsch d'rmit ?“ fragte Meyeli. „He, das wirst de erfahre,“ sagte Anne Bäbi.

Es ging darauf nicht lange, so kam einmal Abends Anne Bäbi ängstlich in den Stall gelaufen und befahl Sami, er solle g'schwing g'schirren, ein Ladli aufs Graswägeli binden, und die Hebamme holen, „u g'hörst,sagte es, spreng albeeinist, u we si nit daheim ist so fahr ere nah bis se hest. Aber we di d'rLüt frage, wo d'us wellist, su säg, du müssest ga es z'Mühli reyche

(eine Portion Mehl zum Backen), d'r Mühlikarrer, däLöhl, heyg's v'rgesse z'bringe“

Darauf eilte Anne Babi über ihren Schrank, nahm die alte Mundur zur Hand und begab sich ins Stübchen, wo Mädi der jungen Frau eben zu Bette half.„Seh, sagte Anne Bäbi zu Meyeli, leg die g'schwing a.“ „Warum nit gar, sagte Mädi, öppis dumms e so.“ „Sygs dumm oder nü dumm, sagte Anne Bäbi,so geht es dich nichts an; g'schwing, g'schwing, leg se a,“ sagte es zu Meyeli, und hielt sie demselben zum Einschlüpfen z'weg. „Aber Mutter, antwortete dasselbe,ist es auch recht, gerade wo man nicht weiß, wie es einem geht, so d'r Narr ga z'mache, u si ga z'verkleide ?“„Schlüf du ume, sagte Anne Bäbi, das ist nit d'Red vo d'r Narr z'mache, das ist ganz öppis angers, u wenn drinn bisch, so will ich es dir dann sagen.“ Da geEX alte Mundur, die Anne Bäbi eiligst zuknöpfte, in derselben legte das bange arme Weibchen sich zu Bette,und nahm sich seltsam aus als Soldat in solchen Zuständen. Es mußte halb lachen über sich, halb weinen und frug noch einmal, „aber Mutter, was soll das sein und wenn es Jemand sehen würde, was würde er sagen.“ „Ho, in den Kalender kämet ihr, sagte Mädi,und würdet ausgelacht, nicht für Spaß, aber es g'schecht euch recht, nur schade, daß dann alle ume ha müssen,statt ume die wo's v'rdient hätte.“ „G'hörst, es geyt di nüt a, sagte Anne Bäbi, u mira lach wer well, es ist m'r glych, ih mache, was ih will, un öppe, wer witzig isch, u o no öppis glaubt, u Religion het, wird nit lache, selb weiß ih. Los ume, sagte es zu Meyeli,ich will dir sage, wie es mir gegangen ist.“

„Als ich auch so z'weg kam, wie du jetzt, da kömmt meine Schwiegermutter mit eben der Mundurkutte, die du jetzt anhast, und will sie mir anziehen. Da thue ich wüst und will nicht. Ich war ein junger Gahli (unbedachter, unachtsamer Mensch), und wußte nicht,was d'r Brauch war; sie ist aber auch eine böse gewesen, wie es nicht viele gibt, und hat alles zwängen wollen im ganzen Haus, daß ich mich manchmal z'tauber Wys d'r Sach ha müsse anäh, daß nicht alles nach ihrem Gring gang. Wed e selligi Schwiegere hättisch, du wurdest de erfahre, was e Schwiegere cha,jetzt weist du's nicht.“ Es würd's bald vernäh, sagte Mädi, es mangelte nur, daß es anfing z'widerrede, un ihms z'mache, wie's bppe angeri Sühniswyber o mache.Aber Anne Bäbi achtete sich auf Mädis Reden nicht,sondern sagte: „ja, wüst tha ha nih, si isch aber o bor nah eini g'si, u ha ne re d'Mundur hingere Ofe g'schoße,un ere g'seit, daß si m'r nimme d'rmit zum Lyb chöm,sust chönn si de luege, was ih mach. Da hat sie sich doch neue g'schoche, un isch m'r nimme cho mit dor Kutte, aber g'seit het si: „es ist m'r nit wege dir, o Jere, aber wegem King isch's m'r, das duret mi, u we d'Mutter thut wie ne Uflath, su sinnet st nit, was st am King ane macht.“ Ich erschrak, als ich das hörte, aber dafür hätte ich mich nicht gehalten, daß ich gefragt hätte, was das bedeuten folle, un z'Sach isch vorbei gegangen ohne Mundur. Da erzählte ich einmal der Hebamme, als wir alleine waren, wie mich die Alte habe plagen wollen, und wie ich es ihr gemacht, und was für Worte sie dann ausgestoßen hade.Da wollte die Hebamme nicht recht mit der Sprache hervor, und erst als ich ihr zweimal sagte: „so red'doch, warum sagst du nichts ?“ antwortete sie: „He,z'Sach ist jetz wie si isch, aber we'd meh d'rzu chunst,su leg ume d'Mundur a,, du wirst di nit greuig shrUnd als ich fragte warum, sagt sie mir, es gehe leichter, und man möge es besser überstehen, und dann würden die Kinder b'sunderbar g'sund und stark, so rechte Kriegsmanne und alti Schwyzer, und an allen rechten Orten, wo man noch etwas auf Religion halte und auf alten Bräuchen, legten die Weiber die Mundur an, aber öppe so recht unter die Leute ließe man es nicht. Da bin ich gleich reuig geworden, und habe gedacht, es hätte gefehlt, aber merke ha nis notti Niemere lah, z'Schwiegere het nit müͤsse d'Freud ha.Aber du siehst wie es gegangen ist; Jakobli in schwach und kränklich geworden, und syr Lebtig ist er für e Soldat nüt nutz g'st, und mängisch han ih is G'heim pläret u denkt, ih syg z'Schuld, u hätt ih d'Mundur ag'ha, su wär er e angere worde. Aber verredet habe ich mich manchmal bei mir selber, wenn Jakobli heirathe, und seine Frau käme dä Weg z'weg, so müsse sie d'Mundur anziehen, sie möge woulen oder nicht;was an Jakobli verfehlt worden, das müsse doch nicht an seinen Kindern auch geschehen. Und wenn du nicht gewollt hättest, ih hätt di zwängt, du hättisch müsse.U jetz ist's gut, daß de g'folget hest, aber wer weiß,we de e Schwiegere g'ha hättisch wie ih, wie wuüst du gethan hättest.“

So hatte Anne Bäbi erzählt mit mancher Unterbrechung, und Meyeli schickte sich immer besser in die Mundur, und je größer seine Aengsten wurden, zu desto größerem Troste ward sie ihm, denn je größer die Noth wird, desto gläubiger fassen wir nach Ällem, und gebrauchen es als Anker in der Noth.

Endlich kam die Hebamme, als man schon an ihrem Kommen verzweifelte. Als sie Meyeli in der Mundur sah, sagte sie: „so ist's recht, häb ume nicht Kummer,es muß gut gehen. Es freut mich alle Mal, wenn ich in ein Haus komme, wo noch Glaube ist und Religion,aber die sind nicht dick mehr. Die Jungen wollen nichts mehr glauben, und lachen über alles, un drum git's so leid Lüt, so nütg'rechzig (unansehnlich), aber es g'scheht ne i Bode yche recht. Ume herzhaft, Fraueli,ð'Sach chunt gut.“

Und richtig kam sie gut, in kurzer Zeit krähte ein munterer Bube in die Welt hinein, und brüllete die Mutter kannibalisch an, wie ein junger Krieger einen Alten, den er mit Geschrei überwältigen will, weil er mit der Kraft es nicht vermag. Es war aber, als ob sein Geschrei voll Zaubertöne sei, nach welchen zu tanzen sämmtliche Hausgenossen Lust hatten, also sein Hals jenem Horne gleich, dessen Töne in unwiderstehlichen Tanz Alte und Junge rissen, selbst in den Stall schienen sie zu dringen, denn die Mähre wieherte und scharrte wie wild, bis Sami endlich merkte, daß Krippe und Bahre leer seien. Und doch konnte Anne Bäbi sich nicht überwinden, als es zu Mädi, welches feuerte und für Warmes sorgte, in die Küche kam, zu sagen:„Kumlig ist's doch, we me no e Religion het, mi het's wieder chönne g'seh.“ „Oeppis dumms e so, sagte Mädi, es wär sust o gange.“ „So, du meinst's?sagte Anne Bäbi. Aber es ist notti trurig, we me scho meint, mi heyg oppe es fromm's Hus, u thüy recht,u anger Lüt chönte es Byspiel näh, daß alles nüt b'schießt, nit yche geyt, u me muß Lüt um si ume ha,wo me geng förchte muß, d'r Lieb Gott thüy es Zeiche an ne, u zeig ne selber, was Glaube n Uglaube isch,u mi chönt selber o es Näggis d'rvo übercho.“ He,sagte Mädi, es mangle des Stichelns nicht, und seinet-wegen solle es nichts zu fürchten haben, es bruch's ume grad use z'säge, su gang es. Aber de öppe, daß d'r Lieb Gott es de minger breiche chön, söll es nicht glauben. D'r Lieb Gott syg nit so dumm, und öppe wege ere alte Mundur fürcht es ihn nicht, aber wenn es öppe geng z'Zangge z'vorderist häͤtt, wie anger Lüt,unne Zwänggring, daß nüt e so syg, de wohl, de fing es si a zförchte, u glaubti, es wär niene sicher.

Doch das war nur eine vorübergehende Wolke, die man, ihres Kommens und Gehens gewohnt, nicht achtete; der Freude Stern glaänzte hell über dem Hause und man wußte nicht, über welchem einzelnen Haupte am hellsten, selbst über Mädi stand er, obgleich es seine Freude nicht viel anders zu erkennen gab, als eine Katze,welcher man im Balge kratzt. Das Kind war der Gegenstand der größten Bewunderung; Jakobli trug es von einem zum anderen, und jedes fand neue Wunder an ihm, ein solch b'sunderbar Kind hatte noch Keines gesehen. Ja, Jakobli hätte es zu seinen Hühnern und Tauben hinausgetragen, zu der Mähre im Stall, wenn ihm die Hebamme nicht verdeutet häite, ein neugebornes Kind trage man nicht spazieren.

Anne Bäbi aber mochte nicht warten, bis ihm die Hebamme erlaubte, einen Brei zu kochen, dann ging es mit großer Feierlichkeit über seinen Schrank, nahm ein schönes Testament daraus, welches es von seiner Gotte erhalten hatte, blaäätterte darin, sagte, wenn's nur wüßte wo es am besten wäre, aber es werde wohl graglych sein wo, und riß ein Blatt hinaus. „Aber Mutter,was machst, sagte Jakobli, der eben wiegelte, als ob er das Kind gen Himmel sprengen wollte, denn er meinte, mit dem Wiegeln sei es gleich wie mit dem Reitiseilen, je strenger man es ireibe, dest lüstiger gehe es.„Kum, lue,“ sagte Anne Bäbi, und da das Kind verstummet war, so folgie Jakobli dem Ruf.

Draußen hatte Anne Bäbi das Breipfänni auf den Kohlen, verrupfte nun das Blatt aus dem neuen Testamente in lauter kleine Stücke, streute diese in den Brei, und suchte sie so gut als möglich darin zu verrühren. „Aber Mutter, was machst?“ fragte Jakobli.„Was machst, antwortete Anne Bäbi, öppis mache nih,öppis, es wüsse's nit all Lüt, aber my Mutter selig hets a mir g'macht, un ih ha's a dir g'macht, un bedi Mal het's nit g'fehlt, un isch gut use cho. Wenn man einem Kinde Neuis vom Neuen Testament in den ersten Brei rührt un ihm's styf z'esse git, su wird's fromm un überchunt ke Untuget, und was ist wohl meh i d'r Welt als Frömmigkeit, und wenn me öppe sterbe soött,was chäm eim de chumliger, emel öppe nit d'Hoffert.Ih ha myner Mutter sider mängist d'rfür danket, daß si d'Mühy nit g'schoche het amer, b'sunger wenn ih öppe g'seh ha, wie's schlecht Lüt gäh cha. Un wenn ih öppe sterbe sött, u du no meh King übercho, z'viel bigehre ih nit, ih muß es säge, v'rgiß das nit, rühr es Blatt usem Neue Testament i erst Brei, es ist graglych wo d's nimmst, ob hingefert oder vorfert.“

Es wird auf Erden nicht viele Eltern geben, welche ihre Kinder nicht gerne fromm hätten, auch wenn sie selbst nicht fromm sind; nun sind aber gar viele, die eigentlich nie wissen, was Frömmigkeit ist, und trotz ihrem Wunsche, die Kinder fromm zu haben, gerade alles moögliche mit ihnen vornehmen, um sie unfromm zu machen, sie mit ihrem ganzen Leben zur Sünde anführen. Vielleicht fühlen das Viele dunkel, und wie sie sich selbst Hoffnung machen, im Abendmahl das Recht zur Seligkeit gleichsam essen und trinken zu können,und dann ohne weitern Schenur leben zu dürfen, so möchten sie es sich ebenfalls komod machen in Beziehung auf die Kinder, und diesen die Froömmigkeit gleichsam einimpfen, wie man die Blattern einimpft, möchten sie ihnen eingeben, wie man ihnen Kindlipulver eingibt,oder Meerzwiebelnhonig oder etwas anderes. Es ist seltsam, daß noch in unsern Tagen die menschliche Natur den Meisten noch so ein unenthüllt Räthsel ist, und merkwürdig, wie die Dümmsten und die Klügsten in der gleichen Sunde befangen sind, nur daß dir einen mit dem Aberglauben sich an ihr versündigen, die andern mit dem Unglauben, die einen sie heilen wollen gleichsam mit sympathetischen Mitteln, die andern aber meinen, sie mangle gar nicht heilens, sondern sei gerade recht, so wie sie sei, und je mehr sie zugreife mit allen Fingern, nach allem was sie gelüste, um so rechter sei sie.

Kurz und komod wär's allerdings, wenn man's den Kindern mit dem Brei eingeben könnte, was sie nöthig hätten, um recht zu leben und selig zu sterben, aber doch ein Tüfels Streich für die Pädagögen; die sind ja eben am Ersinnen des Pulvers, welches den Menschen erst zum Menschen macht, und was sie ersinnet, probiren ste flugs darauf los am Menschen, ob's das rechte sei.Bisher war zwar noch nichts das rechte, aber wennss ein Blatt vom Neuen Testament wäre, im Kindsbrei eingenommen, dann wäre es austubaket mit dem Ersinnen, und was wären sie, die armen Tröpfe, dann anders, als das fünfte Rad am Wagen?

Man glaubt gar nicht was so ein klein Ding und Blütterlüpf in einem Hause, wo lange kein klein Kind gewesen ist, für Rumor und Randal“ macht. Alles hat alles nur mit ihm zu thun, alle Ohren sind beständig gespannt, und ertönt nur der kleinste Bäg, ja nur ein ganz gewöhnlich Gruchsen, so springt aues auf, fast wie eine Räuberbande auf den Pfiff des Räuberhauptmanns, stäͤubt auseinander wie ein Haufe Gemsen auf den Pfiff der Wachtgeis. Wo aber in einem Hause z. B. vier Haushaltungen wohnen und es gibt in jeder Haushaltung alle Jahre zwei Kinder, im Jänner eins und im Christmonat das andere, da wird man schon kaltblütiger, und wenn ein halbes Dutzend brüllen, so sieht man sich nicht um, und wenn alles brüllt, so schläft man eben am ruhigsten, gerade wie der Müller zwischen Mühlrad und Rönnle, der erst dann erwacht,wenn eins oder beide stocken.

So ging es bei Jowägers und alle hatten so viel zu thun mit der Sache, daß es ihnen wohl kam, daß es zwischen Heuet und Erndte und in keinem Werch war, sie hätten nicht Zeit gehabt dazu. Es soll manchmal drauf und dran gewesen sein, daß Sami oder Hansli ans Windlewaschen hinmußten. Was es da zu rathen und zu werweisen, zu machen und zu laufen,zu kummern und zu denken gab, es wäre nicht zu erzählen. Auch soll die Hebamme zu anderweitigen Vertrauten sich geäußert haben, so hätte sie es noch nicht bald gesehen, und wenn ein Kronprinz geboren worden wäre, sie könnten nicht ärger thun, man wisse nicht wer narrochtiger. Aber wenn eins nach dem andern käme, so werd's doch de wohl mit Mingerm abgah,sust bigehrti st de fry nit meh d'rby z'si, wes sust öppe no brav Lüt g'nu wäre. Es wird daher auch Niemand etwas darwider haben, wenn wir gleich zum Tauftag springen, wie es auch so manche Gotte machen möchte,die, einmal gebeten, nicht warten mag, bis sie das Kränzchen aufsetzen, das hoffährtige Büschelemüli machen, hinter den Tisch sitzen und die Füße ob Wein,Voressen, Bratis und Tateren erwarmen lassen kann.

Am aus erwählten Sonntag früh fuhr ein stattliches Wägelein vor Jowägers Haus, ein munteres Mädchen sprang rasch ab und schüttelte gar herzinnig Meyeli die Hand, das unter der Küchenthüre stand und nicht vors Dachtrauf hinausdurfte, weil es den Kirchgang noch nicht gethan hatte. Es war Nöseli, die Wirths tochter, welche zur Gotte auserwählt worden war.Meyeli hatte schon lange ein sehnlich Verlangen nach ihr getragen, aber seit seinem Hochzeittage sie nicht gesehen. Es dachte daran, sie zur Gotte zu nehmen,aber Anne Bäbi hatte sich geäußert, es wäre ihm gleich Gotte zu sein, wenn man es dafür hielte; natürlich schwieg Meyeli und zerdrückte seinen Wunsch. Da sagte eines Morgens Anne Bäbi, wenn sie etwa daran gesinnet hätten, ihns für Gotte zu nehmen, so sollten sie für Jemand anders sehen, es wolle damit nichts zu thun haben. „He, Mutter, warum nit, sagte Jakobli, wir haben auf dich gezählt und wen sollten wir nehmen?es ist jetzt schon wohl spät, und Verwandte haben wir ja nicht, die uns dazu anständig wären.“ „Da kannst du luegen, hatte Anne Bäbi gesagt, nimm, wen d'witt,aber ich will nicht; ich habe diese Nacht einen Traum gehabt, der hat es mir erleidet, nicht um viel Geld wollte ich alle Nächte einen solchen ausstehen. Zuerst war es mir, als thäte ich Flöh fangen, und je mehr ich fing, desto mehr sprangen an mir herum, es war alles schwarz, und da war ich g'sundiget wie zum Nachtmahl, hatte ein Kind auf dem Arm und wollte es zur Taufe tragen, hatte aber ein Kränzlein auf dem Kopf. Ich rief allen Leuten, sie sollten es mir doch abnehmen, aber Niemand achtete sich mein, und nirgends konnte ich das Kind abstellen, um mit eigenen Händen das Kränzchen abnehmen zu können, und Himmelangst ward es mir, was doch die Leute so zu einem alten Narr von Frau sagen würden, welche ihr Großkind mit einem Kränzchen auf dem Kopfe zur Kirche trage. So kam ich vor die Kirche und am Taufstein stand schon der Pfarrer und wartete und geschwind wollte ich hinein; aber ploötzlich war ich wie verhexet. So wie ich vor die Kirchthüre kam, war es mir, als drehe mich Jemand um und hintersich sollte ich zur Kirche hinein. Lange wehrte ich mich, aber immer war wieder der Stärkere voran und endlich mußte ich doch so hinein und alle Leute sahen so wunderlich auf mich, und da wollte ich geschwind machen um zum

Taufstein zu kommen, und sah den Tritt nicht hinter mir, stolperte und fiel mit sammt dem Kinde schrecklich um. Da erwachte ich, war bachnaß, ganz sturm und wußte lange nicht, war's oder war's nicht. Nun es war gottlob nicht, sondern blos geträumt; aber Gotte sein, will ich nicht, nehmt meinethalben wen ihr wollt,es weiß kein Mensch was mir begegnen könnte.“

Als man in Verlegenheit war und lange werweisete,wen nehmen, äußerte endlich Meyeli seinen Wunsch,und allen war's, als ginge ihnen ein Licht auf und als könnte Niemand Gotte sein als Röseli, sogar Anne Bäbi sagte, es sei ihm recht, es möchte das Tüfels Meitschi auch einmal sehen, wo die Leute so zum Pfarrer jage, gäb sie wollten oder nicht. Jetzt wolle es ihm die Sache öppe nit vorwerfen und deretwege mit ihm händle, z'Gunträri, es sei ihm recht, daß es so gegangen. Aber wenn es nicht gut gekommen wäre,so hätte es dem doch noch einmal wüst sagen wollen,und das vaterlandisch, und wo es sich getroffen hätte,im Wirthshaus oder in der Kirche, auf dem Märit oder auf dem Weg.

Jakobli mußte selbst hin; es war ein schwerer Gang für ihn. Schon von weitem hatte ihn Röseli kommen sehen, stand ihm unter der Thüre z'weg und rief ihm entgegen: „du kommst daher, als ob du z'Lycht (zum Leichenbegleit) oder z'G'vatter bitten wollest. Nu geschwind, komm und sag welches von beiden, öppe so Gott will das Letzte! Und es geht gut bei euch, wie ich gehört habe, wenn ihr schon keinen Gux mir habt appart zukommen lassen; aber so lang es Kachelträger,Hudilumpen und Schwumfraueli gibt, weiß man öppe geng manche Stund herum, wenn man will, was geyt.Sogar deine Alte hat sich zufrieden gegeben und das Sühniswyb nit g'fresse, wie ich anfangs gefürchtet. Es ist ihr aber wohl gekommen, ich habe gut aufpassen lassen, und auf my armi Thüri, wenn die Alti d'r Uflath g'macht hätt und du d'r Fösel und d'r Alt d'r Dukemüsler, ih wär selber cho, un hätt ech g'seit was Ornig wär und wie's gah müßt, daß ihr's dann ge 112 wußt hättet, oder haäͤtt ech z'Meyeli wieder furt g'no,kuyinire hätt ih's de notti nit g'lah. Also zur Gotte willst du mich? Du hast noch mehr Verstand als man dir ansieht; aber nicht wahr, du hast ihn nicht gehabt, sondern deine Frau? Mein' öppe nit, ih choöm nit, o Jere, das thät ich dir nicht zu Gefallen und auch deiner Alten nicht, die sieht mich doch ungern;oder ist sie öppe g'wunderig z'luege, wer ihrem Bub zu einer Frau geholfen hat? Ich weiß nur nicht, ob ich unser Roß haben kann; aber kann man nicht reiten,so läuft man. Und dann wär's d'r Tüfel, wenn im ganze Dorf keiner ein Roß hätte für mich, wo ich mir doch fast die Füß ablaufe muß, z'Stäge uf und ab ihretwege, wohl, denen wollte ich.“

So wäre es eine Freude zu Gevatter zu bitten,kein Davonlaufen, Verstecken, Werweisen vom Vater zur Mutter, will man kommen oder Jemand anders schicken, kein Vorbehalt von Wind und Wetter, Steg und, Weg, und ganz preußisch kam Jakobli heim und herzinnig freute Meyeli auf Röseli sich, freute sich ihns zu sehen, ihm sein Kind zu zeigen, zu zeigen Haus und Hof, Garten und Spycher, zu rühmen, wie gut man gegen ihns sei, wie gut es es gemacht, und wie es wünsche, daß es Röseli bald noch viel besser gehen möchte.„Aber Herr Jemer, wie siehst du aus, sagte Röseli zu seiner Freundin, und hielt sie bei der Haud, nicht wieder erkannt hätte ich dich, so leid siehst du aus.Ist's so bbs gange, oder geben sie dir nicht genug zu essen? Seid mir gottwilche, Mutter, und zürnit nut,ih bi es uverschant, aber mein es doch notti nit bös;ih packe us, das hingerm Thürli gyge mah ih nit.Aber gället, ich habe eüch zu einem freinen Sohniswyb verholfen, zu so einem waäret ihr euer Lebtag nicht gekommen. Ein wenig rauch habe ich es mit dem Geld gemacht; aber die da haben mich geheißen, und ich habe gemerkt, daß ihr es habt und gedacht, wenn man die Rustig einmal habe, so stehe sie dem Hause wohl an. Aber taub werdet ihr aufangs über mich gewesen sein, nicht wahr?“ He, sagte Anne Bäbi, es wär'sich auch nicht zu verwundern gewesen, wenn sie schon ein wenig taub geworden, zSach fei doch wirllich strengs gewesen; aber weil es gut gekommen, so seien sie längst z'friede.

Das resolute kuraschirte Wesen von Röseli gefiel Anne Bäbi b'sungerbar, und es sagte es ihm selbst.„Wenn ich noch einen Buben hätte, so mußte es nicht zu machen sein, oder er müßte dich haben,“ sagte es.„Daraus gäbte es nichts, ich wili es euch fry g'rad use säge, Mutter, sagte Röseli. Ich und ihr nähmten einander beim Gring, ehe vierzehn Tage um wären.Ich lasse mir nicht gerne befehlen und was ich im Kopf habe ist mir nicht in den Beinen, und was ich öppe mag vermerke, hat in einem Hause zum Regieren Niemand Platz neben euch, und wenn der Bube noch Jakobli glyche, so gebte es aus der Sache erst nichts.Wenn ich heirathe, so will ich einen kuraschirten Mann und eine freine Schwieger, eine kuraschirte Schwieger und ein freiner Mann, das ist das Boste wo me eꝛr manne cha, es steinig's Höfli un es g'lbcherets Hus wäre mir zehn Mal lieberWarum?“ fragte Anne Bäbi. He, sagte Röseli, das ist ganz naturich. Ein freiner Mann wäre ans G'meistertwerden durch die Mutter gewöhnt, und würde meinen, ich sollte durch's gleiche Loch, und wenn ich auch redete, so würde er meinen, der Fehler sei an mir, und würde mir zusprechen, und wenn es nichts hülfe, so würde er ?6 mit der Mutter halten, und da wäre ich verlassen und verrathen, und müßte eine Her sein, ein Reibeisen, kurz,kein Mensch weiß was alles. Und bin ich doch das freinst Meitli von der Welt, wenn mir Niemand befiehlt und alle machen was ich will.“ Da lachte Anne Bäbi und sagte: „So hätte es noch manche, aber da mußt du nicht einen kuraschirten Mann nehmen, sondern eben einen freinen, gerade so wie Jakobli ist, ihr wäret gewesen, wie für einander gemachi.“

„Ja, Mutter, sagte Rööseli, verstehe mich nicht unrecht, ich meine kuraschirt gegen andere Leute, nicht

Aune Bäbi. II. 8 gegen mich. Aber gewiß hat dich schon manchmal nichts so bose gemacht, als wenn du deinen Hansli Jemand anreisen wolltest, er Jemand den Marsch recht machen sollte. und er das Maul nicht aufthun, kein Bein machen wollte, gäb wie du g'si, g'st, machtest. So einen will ich nicht. Meiner muß ausg'schirren können, dem Tüfel ebe, daß all Lüt ne förchte, ume ih nit.“

„Du bist e Täsche, sagte Anne Bäbi, aber bim Schieß hest recht. Myne het mi mängisch so taube g'macht, will er Niemere nüt het welle säge, daß es mi duecht het, ih möcht ihm d'r Gring obe abschryße.“

Während Röseli den ganzen Tag so händelte mit Allen und ihnen so kurzi Zyti machte, daß es sie duechte der Abend sei da, ehe der Morgen vergangen, und Mädi sagte, die bigehre es dann notti z'Jahrs nit mangisch is Hus, we das Mönsch z'Mul uf thüy, so los me Niemere angerem meh, hatte Röseli doch seine Augen allenthalben und sah Dinge, welche Niemand beachtet hatte.

Meyelis Schwäche fiel ihm auf, sein mattes Auge,sein langsamer Gang, und mehr als einmal fragte es,ob ihm nichts fehle. Apparti nichts, sagte dann Meyeli,nur sei es noch schwach; aber das sei nichts anders.Es dünke ihns, sagte Röseli, nach fast drei Wochen und der Speis die es habe, sollte es besser z'weg sein.Es sei ein wenig hart gegangen, sagte die Hebamme,und wenn die Kindbetti vorbei sei, so müsse es so satt abführen, es werde dann schon bessern. Es werden da Unreinigkeiten sein, die weg müßten, u wes de g'süferet syg, so werd es scho wieder nuefere (zunehmen). Das Kind war ein munterer Bube, aber handlich. That der das Maul auf, so meinte man, er wolle essen oder saugen; alle Augenblicke brachte man ihn Meyeli und sagte: „Seh, nime u gib ihm, dä tusigs Bub ist geng hungrig.“ Wenn er dann nicht saugen wollte,so sagte man, er werde Brei wollen, es müsse g'schwing g'wärmt sein. War er g'wärmt, so nahm man den Buben übers Knie und strich ihm Brei ein, desto strenger, je mehr er brüllte. Natürlich kam ihm der Brei in den letzen Hals (Luftröhre), daß er husten mußte,oft költschblau wurde; dann hob man ihn wohl auf,sprang mit ihm in der Stube herum und sackete ihm runter, was im Halse stecken geblieben war.

Röseli sagte unumwunden, sie gäbten dem Bub nur zu viel zu essen, es ließe ihn albeeinist brüllen, es wurd ihm scho selber verleide wenn er genug hätte. Dä Weg gewöhne man ihn ja, daß man Tag und Nacht keine Ruhe hätte weil er meine, es müsse immer etwas gehen. Wenn es einmal Kinder haben sollte, wohl, die wollte es anders rangiren, die müßten von Anfang an wer Meister sei, und ob sie alles zwängen önnten.„He nu, sagte Anne Bäbi, so ist es allweg gut,daß das nit dys ist, mit deinem kannst es meinethalb machen wie du willst. Aber genug zu essen muß es haben, versünge will ich mich nicht. Man weiß mit solchen kleinen Kindern nie, was es gibt, man sollte zwar nicht davon reden, und wenn's ein Unglück geben sollte, Gott b'hüetis d'rvor, so möchte ich nicht, daß das arm King em liebe Gott ging gah chlage, es hätt nit g'nue z'esse g'ha. We mes het su git me nes, emel wer öppe es Herz zune het.“

„Meinethalben, so gebt ihm, sagte Röseli, aber es ist mir nur, daß Meyeli auch mehr Ruh hätte, und der Bub es nicht so ausnutzete, er saugt es ja durch und durch.“„Das wird öppe scho bessere, sagte die Hebamme,der wird doch öppe, so Gott will, einmal genug bekommen, und mit der Handligi wylet (wechselt) es sich,die einen sind anfangs bös und später gut, und andere zuerst die freinste King, und später uwattlig, daß nüt e so isch. Und wenn die jungi Frau einmal recht ausputzt ist, daß sie wieder essen mag, so schadet ihr das Säugen nichts, z'Gunträri, es ist ume gut. Und wenn's e kly z'mache ist, so müsse m'r Alle säuge, und wenn eini nit will, su isch das ume Meisterlosigt. Mi cha wohl Milch ygüdere, aber es ist doch nit die rechte,und die armen Kinder dauern mich, si werden nie nüt gerechts, oppe wie die angere, wo o g'soge hey, wie's öppe üblig u brüchlig isch.“

Röseli fand sich doch nicht beschlagen genug, um mit einer Hebamme den Kampf aufzunchmen. „Sei das jetzt wie es wolle, so hab mir Sorg zu Meyeli, es g'fallt m'r nüt, ih säges no einist,“ antwortete es.

Daß Kinder nicht blos aus Hunger schreien, sondern noch wegen ganz andern Sachen, und daß man mit Speise und Trank eben das Schreien bald erzeugt,bald vermehrt, das lag außer dem Kreise von Röselis Erfahrungen.

Aber merkwürdig ist, daß diese Erfahrung so viele Mütter, ja Großmütter, die sieben eigene Kinder und siebenundsiebenzig Großkinder haben, nie und nimmer machen.

Sie füttern darauf los, wärmen Brei und säugen,ein's ums andere, Tag und Nacht, daß sie einen Drescher wirbelsinnig machen könnten, geschweige denn ein klein Kind zum Brüllen bringen. Und wenn sie während dem Essen, ob Essen brüllen, husten, fast ersticken, so heißt es noch, das sei ume gut, das spenn (dehne) ne d'Brust us, u mach g'sung Lüt uf d'r kungi.

Meyeli vergaß nicht, was die Gotte gesagt hatte,aber in den Ohren einer alten Großmutter und einer alten Hebamme verhallen Reden lediger Mädchen spurlos; Meyeli fühlte wohl, daß es nicht gut komme, aber etwas daran ändern konnte es nicht.

Essen und Trinken hatte es vollauf, mit der Arbeit schonte man ihm, und doch wollte es nicht zunehmen,auch als die Hebamme es ausgeputzt hatte. Aber es hatte keine Ruhe, und über sein Kind war es durchaus nicht Meister, als in der Nacht, wo es mit Säugen und Wiegeln seine Zeit verbringen konnte. Anne Bäbi regierte, duldete keine Widerrede, und wenn nicht alles dem Buben unterthänig war, so g'schirrete es mit allen aus nicht für ungut. Wenn er sich rührte in der Wiege, und Meyeli schoß nicht auf ihn zu, wie ein Habicht anf eine Taube, so schoß Anne Bäbi herbei und sagte, es werde sich denk des armen Bübelis annehmen müͤssen, wenn Niemand seiner sich achte. Den Brei gab es ihm selbst, und wenn Meyeli etwa sagte,es duech ihns, er sollte genug haben, so antworiete Anne Bäbi, es besinne sich doch denk kaum, wie viel ein Kind möge; seit es seinen bekommen, werde es nicht viel Brei mehr gesehen, und z'selbist sich nicht geachtet haben, wie viel es möge. Und wer wüüß, ob es so ne schwachi Natur hätt wenn es zu syr Zyt o gnue Brei übercho hätt. Die Leute könne man in der Jugend so verderben, wenn man ihnen nicht recht zu essen gebe,man glaube es nicht, ja, daß sie ihr Lebtag nie mehr recht z'weg kämen. Mit Anne Bädbi stritt sich Mädi um den Buben, und wenn Anne Bäbi den Rücken kehrte, so schoß Mädi z'weg, wollte ihm was Gutes thun, was ihm eben einfiel, und behauptete steif und fest bei allen Leuten, das arm King wär längst verrebR ihm wieder wie äys Mal, u ke Mönsch säg ihm dankeigist, aber es moöchte dieß das Kind nicht entgelten lassen, das arm Trööpfli vermöge sich dessen nichts.Wenn es dann längs Stück Anne Bäbis wegen bei dem Kind nicht z'weg kommen konnte, so schlich es sich hinter Meyeli und raunte ihm zu, wenn das Kind sein wäre, so thäte es das sy Seel nicht, die Alte verblitzge ihm sein Kind in Grund und Boden hinein, mache,wie wenn es das ihre waäͤre, un ke angere Mönsch öppis d'rzu zsäge hätt.

Es wäre wirklich an manchem Orte sehr zweckmäßig,wenn gleich auf einmal sechs oder sieben Kinder zusammen auf die Welt kämen, so daß ungefähr ein jeder Hausgenosse eins davon abkriegte, jedem die Pflicht zuwüchse, des Kindes zu warten, und keinem mehr das Kind ein Spielzeug wäre. Aber da käme wohl satt nach und nach ein Kind nach dem andern der Mutter wieder zu, weil einem nach dem andern einfiele, es sei doch eigentlich die Mutter dazu da, ihre Kinder zu pflegen und zu warten, darum vermuthlich wird der liebe Gott es auch nicht so eingerichtet haben. 118 Hatte Jakobli den Buben bei Tauben und Hühnern,so nahm ihn Sami, setzte ihn auf die Mähre, und hränkie diese, dem Buben z'lieb, mitten im halben Tag.Aber beim Brunnen nahm ihn Hansli ab dem Roß,und trug ihn zu den Schafen, den Schweinen, bis der Bub mit dem Knie ihn müpfte, und weiter wollte.Dann ging er wohl mit ihm unter die Bäume, und wenn er cinen Apfel fand, der nur klein wenig roth am Backen war, oder eine Birne, die etwas weniger hart war als Solothurnersteine, so mußte der Bub sie haben, und da derselbe natürlich nicht darein beißen konnte, so nahm er das Messer, machte kleine Schnafeli und sagte: „du must doch wisse, wie d'Oepfel e Kust (Geschmack) hey; und wenn er dann des Nachts wieder schrie wie am Messer, so balgete Anne Bäbi grusam, was sie doch auch mit dem Buben machten,daß er so brülle, es glaub afe, sie machten es expreß.so hätte doch Jakobli nie gethan, es hätte es ihm auch nicht geduldet.

Daß Meyeli darunter litt, ist begreiflich. Es war durchaus nicht schalus, daß der Bub so gerne bei andern als bei ihm war, daß alle über ihn regierten und es am wenigsten, aber es fürchtete, es komme nicht gut so, und zudem war es nie recht wohl, es war ihm so schwer in den Gliedern, Kraft wollte ihm nicht wieder kommen, so wenig als die rothen Backen.

Es fiel selbst der Hebamme auf, als sie einmal kam,und sie sagte, da sei etwas, das nicht gut sei, und es wäre gut, wenn Meyeli etwas brauchte. Ob Melissethee wohl gut wäre, fragte Anne Bäbi. Der sei nicht bös, sagte die Hebamme, und wenn man Bocksbart dazu thäte, pppe halb und halb, so wäre es noch besser. Dann könnte man etwas Zitronenrinde dazu machen, sie gäbte der Sache eine gute Kust, und sei grusam gut gege Durst.

Meyeli brauchte den Thee, aber es besserte nicht,die Sache war lange im Alten, dann schien sie auf ein Mal schlimmer zu werden, Meyeli mochte nicht essen,und was es hinunter zwängte, wollte nicht bei ihm bleiben. Da schüttelte Anne Bäbi den Kopf und sagte,es sei lätz gange, auch die Hebamme war seiner Meinung, und befahl, daß man den Buben entwöhnen solle, es sei zwar wohl früh, aber Meyeli wegen könne man nicht länger warten.

Ein Kind entwöhnen, wo man gewohnt ist, dem Kind allen seinen Willen zu thun, ist ein Mordsspektakel. Abraham hat sicher nicht größere Angst gehabt,als er seinen Sohn auf dem Sieine hatte, als man an manchem Ort davor hat, ein Kind von der Mutterbrust zu nehmen. Gar mancher Mutter, die in Abzehrung oder im Fieber, beides macht da keinen Unterschied,bereits halb todt auf ihrem Bette liegt, wird das Kind an die Brust gelegt, nur damit es nicht brülle, und weil man sich sonst nicht zu helfen weiß, oder weil man meint, man bringe es sonst nicht für. Es geschehen da Grausamkeiten, nicht absichtlich, aber aus Mangel an Verstand, die ans Mährchenhafte streifen.

Anne Bäbi war das grusam zuwider. Es King, wes öppis g'recht's werde well, sött emel geng zweu Jahr saugen, es hätte dem Jakobli noch länger gegeben, und es wuße, daß Weiber sieben Jahre und mehr gesäugt hätten, und jetzt solle das arm Tröpfli nicht einmal ein ganzes Jahr seine Sache recht haben, das daure ihns,und dann gebe man ihm zuletzt die angeri Sach nit emal recht. Es sei viel z'letz gange.

Indessen fügte es sich, da die Hebamme sagte, es gäbt's nit angers. „Tas arm Bubli, sagte Anne Bäbi,will ich zu mir nehmen, ich weiß dann, daß es seine Sache bekömmt, und daß man es nicht verrebeln läßt.Es nimmt mich Wunder, ob es z'Nacht mir auch so brüllet, es hat mich manchmal duecht, ih sött ne übere ga Schang säge, daß si das arm Tröpfli so laße brülle.“So geschah es, und Anne Bäbi nahm sich des Kindes treulichst an, und hätte ihm für sein Leben gern die Mutter ersetzt, aber wo nichts ist, ist halt nichts,und da verliert selbst ein Kaiser sein Recht, geschweige dann ein Kind. Aber hrüllen that der Bub gleich. Nu,das sei nicht anders, sagte Anne Bäͤbi zuerst, es nehmte es nur Wunder, daß er nicht noch viel ärger brülle,vorspreng doch e jedes Kalb fast d'r Stall, wenn man es abbreche, und es wüß King, die Tag und Nacht g'rad use brüllet heyge, als man sie hätte entwöhnen wollen. Als aber auch später der Bub sich nicht besserte,so sagte Anne Bäbi, es könnte das nicht begreifen, Jakobli hätte nie so gethan, überhaupt, in ihrer ganzen Familie hätte nie Jemand so gebrüllet, das müß vo Meyeli her cho, un i d'r Art sy, arm Lüt heyge mengisch öͤppis so an ne. Aber wenn es vo Afang anne g'ha hätt, su hätt's viellicht könne d'rvor sy.

Meyeli begann es wunderbar gut zu gehen. Es mochte nach und nach mehr essen, und es dünkte ihns immer besser, aber vor allem faßte es eine merkwürdige Schlafsucht. Wenn der Abend kam, fielen ihm die Augen zu, es wußte manchmal kaum, wie es zu Bette kam, die ganze Nacht schlief es wie ein Murmelthier;man häätte Zaunstecken auf ihm spitzen können, es wäre nicht erwacht, und am Morgen konnte die Sonne scheinen so lang sie wollte, sie hätte es kaum geweckt, wenn Niemand anders ihr geholfen. Tas schlüg aber auch recht gut an, es bekam wieder Farbe, die Augen Glanz,die Schritte wurden rascher, die Worte lebendiger, die Stimmung fröhlicher, manchmal hörte man seine Stimme wieder singen durchs Haus, und des Scherzens Quelle brach wieder auf. Und obgleich Anne Bäbi von Herzen mitlachte, so sagte es doch, es sei eigentlich wüst von Meyeli, daß es so lachen u Gugeifug treiben moöͤge;wenn man ihm ein Kind so weggenommen hätte, es glaube, es hätte sich z'tod pläret. So jung Lut seien eineweg grüslich, sie sinneten nur an sich, und wenn eine verrebelte, so möchten sie lachen, und schliefen eben am besten, während einer sich todt brüllete. „He ja de,sagte wohl hie und da Mädi, so hey sie's de wie mangi Alti, wo bim Dolder ärger isch as albez d'r Kindlifresser,u we si hüt öpper tödte chönt, u wär's d'r einzig Bub,“ Wunderligkeit und Bösi su warteti si nit bis mornrist.“

Wie Jakobli aufthaut und die B'schütilöcher größer gemacht werden.Item, Meyeli prosperirte, kriegte leichte Beine, und Jakobli ward ordentlich stolz, daß er bald ein zweites Kind bekommen sollte. Er fing an, hie und da ein Wort zur Sache zu reden, daß die andern ganz erschrocken sich umsahen, und nicht wußten von wemi es kam. Und wenn sie dann sahen, daß es von Jakobli kam, weil sonst Niemand hinter ihm oder neben ihm war, so dachten sie: „das hat ihm die Frau ygäh,ihm wäre das nit z'Sinn cho.“ Weil es von der Frau kam, wie sie glaubten, so fanden Hansli und Sami es b'sunderbar gescheut, und stimmten ohne Besinnen bei, denn zu der Frau hatten sie das Zutrauen. Und wenn man zu einem das Zutrauen hat, so mag der girgen oder rauen, so meint man, wenn er sagt, das sei klarinetet, es sei klarinetet, und zwar schön. Nun war, was Jakobli sagte, nicht dumm, hatte Hand und Fuß, wäre weder Hansli noch Sami in Sinn gekommen, aber wenn sie gewußt hätten, daß Meyeli nicht Urheberin sei der vorgebrachten Meinung, daß sie in Jakoblis eigenen Gedanken entsprungen wäre, sie hätten keinen Glauben gehabt, sie hätten, weil beide Jakobli liebten, gelächelt, und ihn gefraget, „het z'Bubi g'soge,u hest de Tube gäh?“ Hätten sie ihn gehaßt, äuf der Mugge gehabt, so hätten sie ihm ans Haupt gelacht, und gesagt: „schweig doch, dn armer Tropf,von dem verstehst du nichts, gehe nach Jericho, bis dir der Bart gewachsen ist, warte, bis du so alt bist wie wir, dann komm, und laß hören, was du meinst,dann wollen wir sagen, ob du noch ein Löhl seiest,oder was anderes.“

Es ist ein sehr merkwürdig Ding um das Selbstvertrauen und den Glauben zu andern. Es gibt Leute,die das ungeheuerste Selbstvertrauen haben, und daneben den kindischsten (dieser Superlativ ist etwas schwer zu schreiben) Glauben zu irgend einer Autorität, irgend einem Götzen, irgend einem Ding, und zu diesen Leuten gehören Dumme und solche, weiche das Gras wachsen sehen, Köchinnen und Juristen, Kammermädchen und Padagogen, Schneiderinnen und Philosophen, Bürstenbinder ünd Staatsrathe, Sekretaire und Gassenwischer,Knöpf- und Häftlimacher, kurz, es ist ein kurios Ding.Aber ein liebüch Ding ist's doch, wenn ein lieblich mild Fraueli ein Vertrauen rund um sich strahlet in alle Herzen, wie die Sonne Wärme in den Boden, so weit sie zöͤmmt. Wenn sie das Selbstvertrauen, die Selbstsucht niederschlägt, wie bösen Nebel die Sounne, kalte Herzen erleuchtet, entzuündet, begeistert, daß selbst so ein Sami auf ihren Wunsch die Holzschuhe weglegte und barfuß sich durch die Hölle machte. Es ist diese Gabe eine wunderbare, ein eigentlicher Zauberstab, der Eiszapfen durchs Feuer jagt, hohe Häupter in Staub schlägt,und Demüthige zum Himmel hebt, er übt seine Macht hauptsächlich aus holdem Augenpaar hervor, es liegt abber auch zuweilen in grauen Haaren, er ist ein Scepter in eines mächtigen Helden Hand.

Wer sich selbst vergißt und ein anderer wird, merkt es oft lange nicht, und weiß nicht, wie gehorsam er fremder Fähne folgt. Doch mag es auch Geister geben, über welche weder holde Blicke noch graue Haare,noch ein Heldenarm Macht haben, kein Geist überhaupt,aber einem Stück Speck, einem Glas Bätziwasser, einer Maaß Wein sind die unterthan, werden zahm, lassen sich fangen wie Mäuse, oder zum Springen bringen,wie Rosse mit Hafer.

Sami und Hansli tauschten sich, Meyeli steckte in solchen Dingen nicht hinter Jakobli; in ihm steckte Röseli und dessen Worte. Es war ihm doch, ins Herz gegangen, wenn es ihm schon Niemand anmerkte, daß Röseli ihn nur so für einen Schlabi ansah, so für ne Bub, der sein Lebtag zu keinem vernünftigen ernsthaften Wort fest genug werde. Er konnte Röseli nicht Unrecht geben, aber eben schämte er sich, daß es Recht hatte.

Es wäre aber die Frage, ob dieses allein mächtig genug gewesen wäre, um seinem Muth aufzuhelfen und nach einer gewissen Selbstständigkeit zu streben, wenigstens seinen Willen frei und fest zu äußern, aber es kam noch eine Macht hinzu, und die hat in edlen Gemüthern schon oft große Dinge verrichtet. Es erwachte in ihm das Gefühl, Vater zu sein, Schirm und Schutz seiner Kinder werden zu sollen. Wenn er sein Kind betrachtete, so freute er sich, dessen Vater zu sein, und zugleich schämte er sich. Denn minder als nie hatte er zu allem zu sagen, nicht einmal etwas zu seinem eigenen Buben. Der war bei der Mutter ganz an seine Stelle getreten, so daß es ihm schien, als könnte er gehen, ohne daß sie ihn besonders missen würde. Es ist dieß übrigens eine sehr oft sich wiederholende Erscheinung, daß Großmütter ob Großkindern ihre eigenen Kinder vergessen, dieselben ihnen überflüssig werden, so wie ebenfalls Weiber Kinder über die Männer setzen,sie gerne hießen Band hauen gehen, wenn sie sonst zu essen hätten. Als er nun zum zweiten Mal Vater werden sollte, ward er noch stolzer, aber um so dringender auch das Gefühl der Scham. Für was sollten ihn eigentlich seine Kinder halten, wenn sie zum Bewußtsein kamen? Schon jetzt that der Bub das Gegentheil von dem, was Jakobli von ihm wollte, und wenn er ihm Ernst zeigen wollte, gäb wie leicht, so kamen Anne Bäbi und Mädi daher geflogen wie zwei Gluggeren,denen der Hab'k hinter ihre Hühner will. Er fühlte,wie schwer es sei, sich geltend zu machen auf neueWeise, da seine frühere Geltung auf seinen Buben übergetragen war. Darüber war er nicht schalus, aber nun fühlte er, daß er gar nichts mehr war, und doch wieder was werdeun sollte.

Es gibt Leute, die so spät erwachen, gleichsam erst zu sich selbst kommen, als wären sie bei ihrer Geburt auf den Kopf gefallen, und hätten zwanzig bis dreißig Jahre gebraucht, um die Stürme zu verwinden und das rechte Bewußtsein zu finden. Zu große Härte und zu große Weiche in der Erziehung häben auf schwächere gutmüthige Seelen öfters diesen Einfluß. Erwachen sie einmal aus diesem Zustande, so ist's ihnen bald wie einem, der aus schwerem Schlafe in finsterm Walde erwacht; er weiß auch nicht, soll er hott, soll er hüst; oder es ist ihm wie einem, der zu Tische gerufen wird, aber er säumet sich, und wenn er kömmt, ist der ganze Tisch besetzt, ringsum kein Plätzchen mehr für ihn.Entweder muß er Jemand wegreißen, oder alle zusammenschieben, aber welches von beiden, und wie das eine oder das andere anfangen, das ist die schwere Frage, ob deren Lösung die einen wieder in Schlaf verfaällen, andere gewaltsam zur alten Ruhe gebracht werden. Die einen sinnen und sinnen, wie sie es anzustellen, um z'Platz z'cho, zu gelten, was sie gelten follten, aber zum Handeln kommen sie nicht, sie gehen rund um den Tisch herum, aber sagen thun sie nichts,sagen höchstens: „wettisch nit so gut sy, un mi o zuche lah 2“ aber wenn Niemand ihnen antwortet, so geht ihr Wachen allmählig wieder in den frühern Zustand über, und wenn sie in diesem Zustande träumen, so ist es die Herrlichkeit der Selbstständigkeit, und wie ihnen wäre, wenn sie etwas zu befehlen, etwas zur Sache zu sagen hätten.

Die Andern versuchen eine Revolution, greifen krampfhaft hinein in den geschlossenen Ring, stoßen mit beiden Ellbogen, machen gewaltigen Rumor. Selten sind sie glücklich. Legitimisten, durch die Sympathie des Besitzes verbunden, erheben sich gegen den Eindringling, den Unberechtigten; selten ist's, daß er Meister wird, einen Platz erringt, er wird zurückgestoßen, hinaus geworfen, verspottet, mißhandelt, als Rebell gestempelt, als ein unwirscher, aufbegehrischer, anmaßlicher Mensch angesehen fort und fort. So wie ein glücklicher Sieger Kaiser werden, und als Kaiser gelten kann sein Leben lang, so giltet der Besiegte sein Lebtag als Rebell, als ein Ungeheuer, mit dessen Umgang Niemand sich beflecken mag. Und wie ein Rebell, wenn er mit dem Leben davon kommt, es selten bei einem Versuche bewenden läßt, vide Exempel am Louis Napoleon, sondern mehrfach ansetzt, aber meist immer dümmer und schwächer, so geht es auch diesen armen,zurückgestoßenen Menschen. Sie können ihr Recht nicht verwinden, kauen immer am erlittenen Unrecht, machen dazu mürrische Gesichter und wenn sie zu neuem Versuch ansetzen, so machen sie Gesichter, als ob sie einen fressen wollten, aber alles umsonst, es geht jedesmal immer schlechter, aber doch nie ohne Zank und Streit, nie ohne länger oder kürzer andauernd bös Wetter ab; wie ein Aufruhr im Volke immer auf lange böse Nachwehen hinterläßt. Hier liegt eine immer sprudelnde Quelle von Unheil und Hausstreit. Das ist die Krankheit, an welcher so mancher Mensch verblutet, gemüthlich verkrüppelt, der zu rechter Zeit, recht gestellt, ein Wohlgefallen Gottes und der Menschen geworden wäre. Jakobli war nicht von dem Holze, aus welchem die Rebellen geschnitten werden, wohl aber glich er gar sehr dem, das in sich selbst erstickt, in stillem Brüten untergeht, für das innere Empfinden keine Thüre nach außen findet.

Manchmal wifft es sich, daß solche Menschen Weiber kriegen, welche sie aufjagen, kuraschirt machen wollen; aber wie Röseli richtig sagte, nicht gegen sich,sondern nur gegen andere, sie so gleichsam brauchen wie einen Hund, den man andern änhetzt, den man aber gleich abschaffen thäte, wenn er einen selbst beißen würde. Das sind unglückliche Menschen, welche von den Weibern so geguselt werden; sie mahnen mich an Unglückliche, welche beide Beine gebrochen, am Boden liegen und die man mit Nadelstichen und Fußtritten aufjagen will vom Boden.

Aber manchmal trifft es sich auch, daß solche Männer zu Weibern kommen, deren innige Liebe ihre Herzen wärmt und stärket, denen das Bewußtsein, diese Liebe gewonnen zu haben, das Vertrauen gibt noch mehr zu gewinnen in der Welt, das Verlangen gibt, ihnen Siegeskränze zu Füßen zu legen, sich zu bewähren als ihrer würdig. Und diese Weihe kommt über Herzen,die sie dem Namen nach nicht keunen, die Hans Joggi oder Hans Uli heißen, und nur am Sonntag Lederschuhe tragen, au andern Tagen aber Holzböden. Es trifft sich, daß ihnen Kinder bescheert werden; da erwacht das Gefühl der Vaterwürde, und daß durch ihre Hand Gott Haus und Kinder regieren will, erwacht das Verlangen, vor ihnen zu wandeln, daß sie den Vater ehren müssen und schauen mit Ehrfurcht auf seinen Wandel; und daß sie das nicht können und werden, wenn er nichts ist, wenn er ein Fösel ist, das fühlt er wohl; aus diesem heiligen Herde erhebt eine heilige Flamme sich, die nicht zornig aufschlägt, nicht düster glimmt, sondern stätig und allmählig Wärme durch alle Glieder gießt und ein bestimmtes Leben in jedes Handeln bringt.

So ging es Jakobli. Meyeli stifelte ihn nie auf,Meyeli hatte, wie gesagt, nicht das Gemüth, welches immer nur das rechnet. was ihm noch fehlt, und daran denket, wie es noch viel besser haben könnte; es vergaß keinen Tag, Gott zu danken dafür, daß es soviel besser z'weg sei, als ehedem, als es je hätte hoffen dürfen, daß man unendlich besser gegen ihns sei und namentlich Anne Bäbi, als es sich je vorgestellt. Und was ihns drückte, was ihns plagte, das versenkte es ins Meer der Dankbarkeit, ward daher nie bitter, nie unzufrieden, nie giftig, stifelte nie auf. Solche Gemüther sind selten auf dieser sündigen Welt; sie sind deswegen köstlicher als der herrlichste Demant, sie sind süße Quellen im bittern Meer, kühle Brunnen in glühender Sandwüste. Aber eben dieses dankbare Dulden möchte man sagen, goß Leben in Jakoblis Willen und die Erkenntniß, daß er Vater sei, brachte ihn zum Nachdenken, was er als Vater sein und vorzustellen hätte. Wie gesagt, zum Rebellen war er nicht geschaffen, in einem Anlauf vermochte er seine Stellung nicht zu erobern, er mußte es auf andere Art versuchen und glücklicherweise fand er etwas in sich, was Niemand in ihm gesucht hätte. Er hatte ein stilles Leben gelebt und zu allem Vorkommenden wenig oder nichts gesagt, weil es Niemand in Sinn kam, ihn um seine Meinung zu befragen; aber er hatte, wenn schon nur mit einem Auge, doch viel gesehen, während es Men schen gibt, welche mit zwei offenen Augen den ganzen Tag herumlaufen und doch nichts sehen; denn sie haben wohl Augen, aber den eigentlichen Sehsinn nicht,und mit diesem ist es ein eigen Ding. Er hatte nicht viel geredet, darum desto mehr Zeit nachzudenken über alles was er sah, und die Dinge die er gesehen, zu vergleichen untereinander.

So hatte er gar Manches gesehen, was Hanusli und Sami durchaus entgangen war, und wenn sie es schon sahen, so hatten sie nie darüber nachgedacht,sondern sich begnügt, darüber die Nase zu ruümpfen,weil es etwas Neues war.

Hansli und Sami waren im alten Trapp zugefahren und hatten seit dreißig Jahren keinen Wank gethan;sie hatten Geld gewonnen und Hansli war um vieles reicher geworden, aber nicht durch Erwerb, sondern durch Zusammenhalten. Niemand in der ganzen Haushaltung verthat etwas; für das Geld in Kurs zu bringen, war Niemand abgerichtet. Wenn nun auf einem mittlern Bauernwesen keine Schulden sind, sondern noch Zufluß, die Haushaltungskosten nicht groß sind, so äuffnet sich dessen Besitzer, er weiß fast nicht wie; er braucht sich nicht anzustrengen, sondern nur der Sache den Lauf zu lassen.

Das Land war bearbeitet worden wie ehedem, vermehrtes Düngen hatten sie nicht versucht, bessere Futterkräuter nicht gepflanzt, oder nur sparsam, und aus dem AAVD alle Jahre ihre Kühe brachten. Tas hatte Jakobli schon lange gesehen, und es hatte ihn gedrückt, und immer besser hatte er sich geachtet, wie es andere machten;aber gesagt hatte er nichts dazu, von wegen man hatte ihn nicht gefragt. Nun aber, als das Gefühl so recht lebendig war, daß er doch etwas sein sollte, keine Null mehr sein dürfe im Haushalt, da setzte sich zuerst in npegung „was schon lange so schwer in ihm gelastet atte.„Sami, ich möchte dir etwas sagen, begann er einmal eines Abends, als sie auf dem bekannten Bänkchen saßen und Hansli's warteten, der mit Flachssaamen zum Oeler gegangen war, Sami, ich möchte dir etwas sagen, es hät mich schon lange gedrückt, ich durfte es Niemand sagen; aber dir will ich es offiniren. Sieh, ich habe der Sache nachgedacht, jetzt haben wir schon bald zwei Kinder und vielleicht gibt es noch mehr, man kann nicht wissen, und wenn icch jetzt schon alleine erbe, so gibt es späler doch mehrere Theile,man kann nicht wissen wie manchen, und zuletzt bekömmt einer gar nichts mehr, und, wenn wir es jetzt schon gut mächen können, so haben sie vielleicht einst um so böser. Oeppe raxe und nicht genug essen und an allen Orten abbrechen, das wär wüst un ih möchts nit. Aber es hat mich schon lange duecht, wir koönnten auf unserem Höfli mehr machen, das schadete Niemand und käme doch den Kindern einst chumlich, und wenn ich wieder recht mag werchen und Meyeli öppe helfe, so köͤnnten wir auch noch etwas Land mehr werchen, wir fühlten es nicht, und z'Geld trüg doch etwas ab.“ Nun entwickelte er des Nähern, wie er es eigentlich meine in Stall und Feld, und schloß, „oder was meinst, Sami, wär' nit öppis z'mache? Ich habe gedacht, ich wolle dir emel d'rvo rede, du werdest mir dann schon öppe sagen, was angehe, was nicht; aber duecht het es mi, oöppis soött z'mache sy u no e chly viel, oder was meinst?“

Sami hatte in größerer Andacht zugehört als je R wär' nit so dumm, öppis z'mache isch allweg no, öppe nit alles wie d's meinst, u Hansli, we me v'rnünftig mit ihm redet, isch öppe nit dä, wo eim nüt wott lah mache.“

„u d'Mutter, was meinst?“ sagte Jakobli. „O,sagte Sami, dere seit me gar nüt, was mie mache well, sust ist alles nit gut. Sagt man aber nichts,so merkt die gar nicht, was geht, die hat jetzt genug damit zu thun, dem King nachzusehen, und g'rad ufe zbrülle, wenn's oöpper angers o arühre welli, es mahnt mi uf un ähnlich dra, wo du jung g'st bisch, da het si's g'rad so g'macht. Wenn me süferli afaht, u Mädi, die Täsche, nit ufreiset, su cha me öppe viel mache, eh die's merkt.“ „Was wird aber der Vater sagen?“fragte Jakobli. „Das will ich dir morgen sagen, antwortete Sami, aber wenn alli so v'rnünftig wäre im Hus, wie er, so ging mäng's besser.“

Am Morgen, als Hansli zum Füttern kam, sagte Sami: „aus unserm Bub git's doch no neuis, ich hätte es gar nicht hinter ihm gesucht.“ „Da kann man noch nicht viel sagen, antwortete Hansli, der ist doch no z'klyne.“ „O, ich meine nicht den Krot, wo Niemere arühre darf, als wenn er gläsig (von Glas) wäre, nei,ih meine üse Bub, üse Jakobli.“

„Z'klage, sagte Hansli, ist nie über ne g'st, so öppe der thätigist u listigist isch er nit, er isch z'vlel bim Wybervolch ume g'si, u all die wey neue nit recht g'rathe,we si scho nit wüst thüe, su wüsse si doch neue nüt fürz'näh, as öppe z'wybe.“ „Ih has o g'meint, sagte Sami, und d'rum ebe hets mi v'rwungeret, daß er nit so isch; dä dolders Bub isch viel e nangere as ih däycht ha, e ganze Kerli isch er, wenn er emnist füre git, es wurd ke Mönsch hingerim suche, ih glaube nit, daß es üse Herrgott g'merkt heyg, so v'rborge cha ner's ha.“Und nun erzählte er Hansli, was Jakobli ihm alles gesagt, und wie es ihm von wegen den Kindern wäre,und wie man noch etwas mehr Land kaufen und aus allem fast z'halb mehr ziehen könnte, und was mit dem Stall zu machen wäre.

Kein Mensch kann sich vorstellen, wie andächtig Hansli zuhörte, so andächtig, daß ihm zuletzt das Wasser in die Augen kam, und ais Sami schwieg, antwortete er lange nichts, daß es Sami gegen sein Erwarten fast duechen wollte, es wäre besser, er hätte einstweilen geschwiegen. Endlich sagte Hansli, das hätte er dem Bub nicht zugetraut, sövli Sinn u sövli V'rstang, u lätz syg's, we me nit mit e nangere o recht rede chön,was d'r Eint sinn u was d'r Anger sinn. Es isch m'r o scho mängisch g'si, man könnte dieses besser machen und jenes, aber ich habe gedacht, es gebe nur ein

Aune Babi. II. 9 Branz, wenn ich es sage, darum es füͤr mich behalten,vo wege, wenn üser Gattig öppis seyt, su isch z'Wybervolch d'rwider, u sinnet doch selber nüt, nit emal a das, wo's sött, die Jungi usg'no, das isch ganz e nangeri. Mängisch ha nih g'sinnet, akkurat was Jakobli,aber g'seit ha nih nüt, u, dem isch o nit selber z'Sinn cho; we er nit das Fraueli hätt, d'Auge wäre dem no nit ufgange. Aber das isch m'r aständig, wes ume meh ʒfäge hätt, u g'sünger waäͤr, doch bessert's jetzt.Aber“ aus der Saché gibt es doch nichts, sobald man elwas anderes anfangen will, so widerredt Anne Bäbi,u Madi brullet, mi wells tödte, u de isch d'r Tschub (ein Spiel) aus.“

„Weißt du was, sagte Sami, fang du an zu jammern, wie das Land neue nichts mehr abtrage, kein Gras mehr geben wolle, und mehr als zwei Kühe sehest du nicht zu halten, und dazu müßten noch die Schafe abgeschafft sein, die Wolle, die man brauche, könne män öppe kaufen. Das mach, wenn d'Meisterfrau ohnehin hässig ist. Da gib Acht, sie wird dir wüst sagen,wie wir nichts verstünden, andere Leute z'halb mehr Waare auf z'halb mingerm Land halten könnten, und wenn wir es machen würden, wie die, so hätten wir doch einmal Milch genug, und z'King müßt nit halb verrebeln, und sie wolle eine Kuh mehr, wir könnten sehen, wie wir es machten, und bald mangelte man zwei inehr, und noch einmal so viel Schafe, wenn man dicht alle halbe Tag zum Krämer wolle. So wird sie rede, zähl druf. Äber häb m'r's nit öppe für ungut,du weißt ja wohl, wie ich's meine, und mir kenne afe d'Läuf u d'Gäng.“ Hansli schmunzelte in den Maulecken bei Samis Rede und sagte, „das ist gut agäh.Ih ha g'meint, ih mach's am beste mit schwyge, aber ihe traue, albeeinist wär öppis angers o gut g'si, aber zProbiren ist m'r erleidet. Aber weißt was, säg du's öppe einist vo wege d'r Kuh über Tisch, mi cha de lose, wie's tönt, u de geng no Juege, was z'mache isch, je nah dem es ageyt. Sellig Liste syge ihm eigetlig ywider, aber seine Großmutter hätte manchmal gesagt,es gebe Leute die es wollten g'hebt ha, daß me se füre Narre heyg, wer das nit chön, heyg zTüfels Noth mit ne.“

Wie abgeredet, sagte Sami einmal über Tisch, es duech ne, man könnte es diesen Winter mit zwei Kühen auch machen, sonst müßte man im Haustage Fuiter kaufen, und selb könnte dann theurer sein, es komme nur darauf an, welche Kuh man verkaufen wolle, den Kleb oder den Blaß.

Potz Himmel, wie ging das los, und was imußte das Mannevolk vernehmen! In keinen Schuh mehr war es gut, ful Hüng, Freßhüng waren sie, die das Land ließen z'Neuders (zu Grunde) gehen. Waäͤhrend andere Leute immer mehr Waar haätten, und Milch und Anken d'Gnügi, müßten sie ihre vermindern, und man sollte keine Milch mehr haben in der Haushaltung,während man doch immer mehr nöthig hätte für d'King,die müßten einmal zuerst haben, verrebeln koöͤnnte man sie nicht lassen, die dolders Schnürfline könnten dann zusehen, wo sie etwas z'saufen hernehmten. Kurz, das Ende des Liedes war, daß Anne Bäbi rund erklärte,daß, ehe es eine Kuh weniger wolle, wolle es eine mehr oder zwei, sie koönnten lüegen, wie sie es machten,und wenn sie es machten wie andere Leute, und nicht sellig Stopfeni und Schnürfleni wären, so möchte es sich gar gut geben. Und zuletzt hätte man noch Geld,und könne etwas Land kaufen, man hätte es doch am Ende nicht nur für Hochzeitkleider auzuschaffen, und für's so vo eim G'hältli (Versteck) ins andere zu krätzen (tragen), das trage hellnichts ab, und man hätte nichts davon. Als Sami durch die Küche ging, sagte ihm Mädi: „gäll, jetz weißt, was ihr seid, und was mit euch ist, es ist e Elend. Es ist doch eis g'fellig, wenn es nit e sellige Trappi ha muß, u we mi no hüt eine wett, unb'sinnet sieg i: blas m'r! Was luegst mi so a,du Gugag? Uf my Armi, sieg ih so, suüst probier!“„Ae, Ae, sagte Sami, ih bi ke Narr nit, du chööntisch di angers b'sinne, u es chönt d'r z'Sinn cho, es syg d'r g'ordnet, du söllist mi glücklig mache, u sälb Glüa bigehre ih no geng nüt, Mädi, u du mußt dor Lätsch angers mache, wenn ih dry trappe söll.“

„Wott'sch m'r zur Kuchi us, du donnstigs Möff,sagte Mädi, bin ih nit emal hie meh vor d'r sicher!Wohl, wes d'Meisterlüt wüßte, was du für e Uflath warist, si wurde d'r.“ „Weißt was, sagte Sami, trat dicht vor Mädi, daß dessen Herz ganz erwartungsvoll zu schlagen begann: su fäg nes.“ Da hatte er aber Zeit zu gehen, um der Pfanne zu entrinnen, mit welcher Mädi ihn hauen wollte, und ihm damit nachfuhr bis zum Futtergang, hinter dessen Thüre Sami zu rechter Zeit sich verschanzen konnte.

So' war ein Weg gebahnt zu Jakoblis Bildung und Selbstständigkeit, und ein rührigeres Leben kam in den hintern Theil des Hauses, wo das Maunnevolk etwas zu sagen hatte, und eine wichtige Verhandlung nach der andern wurde auf dem Bänkli beim Stall abgehalten.Es war in Gutmüthigen etwas schwer, Land zu kaufen, besonders schickiges, d. h. zur Bearbeitung wohlgelegenes. Wenn bekannt wurde, daß Jemand Lust zu Land hätte, so schraubte man den Preis hinauf, fast wie den Katzen die Speckseiten, und wenn bekannt war,daß ein Stucklein Land feil sei, so waren zehn da, die es wollten. Von wegen, Gutmüthigen war ein Ort,dem es aufging, und wo nicht ein Hudel dem andern Vogt sein mußte, wo Land verkaufen mehr oder weniger ehrrührig war, wo Geld war; wo auf dem Lande Geld ift, da wird es immer vorzugsweise in Land, angelegt,und nicht in Gülten. So schwer war das Kaufen an sich, und was zu kaufen war, war nicht immer schicklich und zu fürchten war, daß Anne Bäbi alles, was man haben konnte, nicht wollte, sondern gerade das,was um keinen Preis zu kaufen war. Indessen half man sich da nicht übel, Sami war ein Fuchs, und Niemand sah es ihm an; das sind aber eben die schlimmsien Füchse, die, welche es einem auf jeglichem Suppenbröcklein zu verstehen geben, wie schlau sie seien, und wie teufelmaäßig pfiffig und diplomatisch, die haben,wenn man recht hinfieht, gar keine Fuchsschwänze, sondern einfache Kalberschwäͤnze. Sami machte den Spion, und hatte er irgendwo was erwittert, ein Stücklein Land und einen geldnöthigen Besitzer, so gab er ihm auf irgend eine Weise unter den Fuß, Hansli würde vielleicht etwas kaufen, das wäͤre ein versorgeter Käufer und baar Geld, viel Lärm würde es nicht geben und man könnte sagen, er hätte es dem Jowäger zu Gefallen gethan, er, Sami, wollte einreden, so viel er vermöchte, von wegen das Schmürzelen (karg zumessen)mit dem Heu sei ihm afe erleidet; zu Hause ließ er fallen, es sei lätz, daß man kein recht Land für Flachs,Hanf, oder für sonst irgend ein Weiberherzplätz hätte,wenn man die Pflanze dort oder dort bauen könnte, sy Seel, er wollte ausbieten, ob Jemand schönere Sachen hätte. So reisete er Anne Bäbis Herz unvermerkt gegen einen Acker, den er feil gemacht und wenn dann der Verkäufer eines Abends wie zufällig zum Haus kam,und wie zufällig die Rede auf Kauf und Verkauf kam und Hansli nicht schützig that, und bedächtig werweisete, und vom Altwerden und nicht mehr viel werchen mögen, sprach, so war es Anne Bäbi, das ihm den Doe machte, und zum Kauf anstrengte, auf seine eise.

So ging es mehr als einmal. Ein glücklicher Verkäufer, der so um gut Geld und ohne Aufsehen aus einer Verlegenheit kam, machte einen andern lüstern,den gleichen Weg zu suchen. Schwerer als dieses harzeten die dadurch nothwendig gewordenen häuslichen Veränderungen. Anne Bäbi haßte wie Feuer alle Arbeitsleute, Schneider und Schuhmacher ausgenommen,welche ihm aus langer Gewohnheit den Laun wußten;kein Ehrentitel gab es, mit dem es sie nicht belegte;Freßhüng, Ufläth u Koldergringe, das waren die höflichsten. So ein Maurer, ein Zimmermeister, haben gewöhnlich Feuer im Kopf und Pulver im Leibe und lassen von einem Mann sich nicht viel sagen, geschweige dann von einem Weibe, und wenn eini ihnen das Maul anhängt, so hängen sie ihm Schlemperligen an durch die Gesellen, und wenn es nicht schweigt, so brennen sie ihm selbst Bomben und Granaten auf den Kopf,bis es sturm wird. So war es Anne Bäbi mit ihnen ergangen, und darum waren sie ihm, was anderen Menschen Schwefel unter der Nase ist. Als es um Lisis willen das Ofenhaus bauen wollte, da dachte es,zinem Gedanken unterthan, an diese Nebensache nicht,jetzt aber war nichts so Gewaltiges im Kopfe, daß der alie Haß nicht Platz daneben gehabt hätte. Der Stall sollte eigentlich frisch unterzogen werden, bei dem Anlaß konnte eine Verlängerung der First gemacht, die Schweinställe zweckmäßiger angebracht werden, vor allem aus waren B'schüttilöcher nöthig, denn die gegenwäͤrtigen waren so klein, daß sie einem halben Dutzend Englünder als Punschnapf zu klein gewesen wären, denn wenn die recht zum Saüfen kommen, so ist die größte Oberländerkuh nur ein Kalb gegen sie. Es war schon manchmal die Rede von ihrer Vergrößerung gewesen,aber sie waren Anne Bäbi vollkommen recht, so lange hätten sie es mit ihnen gemacht, sagte es, und immer schöne Sachen gemacht, es wüßte nicht, warum jetzt auf einmal mehr B'schütti sein, alles mehr B'schütti mangeln sollte, das sei nur eine verfluchte Mode, und es hasse nichts mehr als die verfluchten Moden, wo alles all Tag angers sein sollte. Es seien Sonne, Mond und Sternegleich geblieben, alle vier Wochen sei Wädel, und der Herr werd auch der gleiche geblieben sein,es wüßte daher nicht, warum auf einmal die B'schütti bas b'fchüßen sollte als sonst und besser sein, wenn sich nichts gebessert hatte, so werd d'r Dreck öppe o glych bliebe sy, mit dem öppe werd d'r Lieb Gott nit afah d'Welt vorbessere. Dagegen wußten sie nichts zu sagen,fie wußten nämlich nicht, daß in der Reformation besonders der Dünger verbessert und anders geworden sein foll. Es gibt nämlich Katholiken, welche sagen,sie wußten wohl, woher es komme, daß das Land der Reformirten viel besser sei, als das der Katholiken, es komme nämlich daher, daß die Reformirten keine Fasttage hätten, darum thäten sie viel mehr Fleisch essen, und daher fei ihr Dünger viel b'schüssiger. Weiß nicht, man sollte dem Professor Liebig in Gießen zwei Druckli schicken,eins mit katholischem D... und eins mit reformirtem D...„ der hülfe einem bald aus dem G'wunder. Da aber weder Sami noch Jatobli mit der Chemie sich abgaben, so wußten sie gegen Anne Bäbis Theorie nichts einzuwenden, theoretisches naäͤmlich, aber Sami half sich praktisch. Er wußte aus langer Erfahrung, wann die Weiber das B'schütten ankam, und allemäl, wann es sie ankam, fanden sie die Löcher leer. Wohin die Bs'chütti gekommen, wußte Niemand zu sagen, und Niemand ergründete es. Sami sah män apparti nicht b'schütten,auch keine Engländer um die Löcher sitzen, die Kühe nicht verstopft/ am Ende wußte man nicht anders zu helfen, als die Löcher untauglich zu erklären. Anne Bäbi ward nun verfluxt bös über die Löcher, und erklärte, es böse immer in der Welt, und nichts sei mehr etwas werth. Albetz wären doch wenigstens noch die Löcher gut gewesen, jetzt sei auch mit diesen nichts mehr.Seine Schwieger selig, Gottlob, hätte manchmal gesagt,die seien just gemacht worden, wo ihre Schwieger ins Haus gekommen, das werd nit emal no hundert Jahr sy. Indessen war nichts anders zu machen, die Reparatur wurde beschlossen, und vom größermachen redete man nicht viel, und als man sie größer sah, hieß es:gäb e chly größer oder chly klyner, das gehe in einen Kösten zu, und vier Kühe machten auch mehr als drei.Wenn aber einmal in Grundsätze und Gewohnheiten ein Loch gemacht wird, so weiß kein Mensch, wie groß es wird, und was nach neuen B'schüttilöchern noch all Neues kömmt. So trat ins alte Leben Regsamkeit,brachliegende Krafte wurden entbunden, ergrauete Neuthaler gelüftet, aber dem neuen Leben legten sich auch neue Hemmungen in den Weg. Wer hat das nicht schon erfahren inwendig und auüswendig. Wie mancher Hausvater arbeitete im Schweiße seines Angesichtes durch Noth und Kummer, überwand das Meiste, sah nur noch ein Berglein vor sich, nahm neuen Anlauf,streckte schon den Kopf darüber auf, da kam rasch heran wie eine Wolke im Berglande, eine neue Bedrängniß,und drückte ihn wieder nieder, und dann wieder eine und wieder eine. Das sind Prüfungen des Muthes,und wer ihn nicht verliert, überwindet. Geduld überwindet Sauerkaut, heißt es. So geht es auch mit dem inwendigen Menschen mit Buße und Bekehrung. Da wenn der gute Wille kömmt, kömmt auch der Neiz und die Versuchung mit verstärkter Macht, die Welt legt Hemmungen in den Weg, zieht durch etwas besonders den Blick der Menschen ab vom Nothwendigen aufs Auswendige, zieht durch ein Ereigniß des Menschen Kräfte vom innern Werk auf ein äußeres Werk, nimmt das Ziel plötzlich weg, stellt ein anderes dar, nach dem all Dichten und Trachten sich richtet. Kurz, der Teufel ist ein Hexenmeister, kann Täschlispielen wie keiner,und wer ihm nicht auf die Finger zu klopfen weiß,wird sein Narr.

Großmütterliche Pädagogik.Meyeli sah dem Ding mit großer Frenude zu, mischte sich aber nicht darein, außer daß es Jakobli noch lieber hatte als früher, und noch öfter das häusliche Dunkel mit lustigem Wesen und heitern Worten erhellte. Seine Zeit nahte wieder und richtig hatte die Hebamme zu Ader gelassen und gesagt, es sei fry nöthig, das Blut sei so wild, das hätte sich nicht stille gehabt, wenn man alles beisammen gelassen, jetzt werde es wohl zahmen. Anne Bäbi war etwas unwirsch, das erwartete Kind war ihm nicht ganz anständig, es betrachtete dasselbe als eine Art Usurpator, der in das legitime, bereits besessene Erbe seines Buben fiel. Großeltern haben das oft so, allein sie sollten sich halt darein schicken,weil sie nichts daran machen können; das können nun freilich nicht alle und thun wüst, was laätz ist. Anne Bäbi brach nicht aus, aber hatte es nur wie oft, war hässiger als sonst, und wußte nicht warum. Indessen klopfte es doch den Mundurrock aus, machte ihn z'weg,versäumte überhaupt keine der großmütterlichen Pflichten,aber wenn dabei sein Bub plärete, so sagte es, „ja plär ume, du arm's Büͤbeli, du merkst schon, wie üͤbel es dir geht, sövli witzig hätte ich dich doch nadisch nit geglaubt, aber wart ume, so lang ih lebe, sollft du dich öppe nit z'erchlage ha, u de nache wird d'r öppe opper anger luege. Mynetwege, we nih de nimme d'rby bi, u nimme g'seh muß, wie's geyt, su isch m'r de graglych, gang's de mynetwege, wie's well.“

Es wohlete Anne Bäbi erst, als ein Mädchen geboren wurde. „He nu so de, sagte es, um so minger macht's, eys meh oder minger der Gattig käm endlig nit d'ruf a, so nes Meitschi heyg nüt z'bidüte, gege ne Bub. Mängisch chöͤme si eym' no chumlig, aber notti hätt's apparti kes bigehrt, es gäb de mängisch so Gexnase, wo d'Nase i allem ha welle, u z'Mul i alles häyche u eym zTüfels Vordruß mache. Un es syg nüt wüster ame Meitli, als wes i alles yche red u alles g'meistere well. Mi chön de däyche, wie das gah werd, wes manni, wo d'Wyber ungedüre müße u schwyge, wes gut gah soll. Darum müsse das chly Krötli o da düre, wo es müße heig, sagte es, seine Mutter sei eine witzige Frau gewesen und hätte es auch bei ihm gemacht und es sei gut gekommen. Somit nahm Anne Bäbi das neugeborne Kind und legte es eine kleine Weile unter den Tisch. So, sagte es, als es das kleine Ding, welches mörderlich schrie, wieder hervornahm, so wird's dich jetzt lehre demüthig sein dein ganz Leben lang, es mag dir kommen zu was es will, mir ist's auch wohl gekommen, daß ich es konnte.Es weiß kein Mensch, wie es mir sonst gegangen wäre;Hansli ist afangs so prüßisch gewesen, inan hat's fast nicht bei ihm ausgestanden, all Bott (Augenblick) hat er gesagt: „dä Weg muß es gah, oder diesen Weg u du söttisch das mache, oder äys mache.“ Aber wöhl,ih ha ne du angers b'richtet. So brüll recht, fuhr es fort, das schadet dir nicht, z'Conträͤri, je meh de jetz brüllist, dest besser lerst schwyge, wed groß bisch, uüͤwohl wird's d'r cho. De lue, wenn ih d'Großmutter 2**

24 an d'r sy söll, su mußt mi rühig lah mit rede. Es ist nüt wüster ih re Hushaltig, as wen alles rede will,we eys oder mynethalbe zweu rede, es isch meh weder g'nue. D'r Hansli ha nih afe g'went, aber es git dere, die sy nut z'brichte, us Mul geyt ne ih Gottsname geng, es duecht mi mengisch, ih möcht furtlaufe u we ses Mul zuging oder zweu, es wär m'r z'halb bas.“ Es kam Anne Bäbi wohl, daß Mädi nicht in der Stube war, es hätte sonst an sich selbst erfahren können, was viel reden kann. Die Hebamme aber gab ihm vollständig recht und erzählte, während sie ihre Geschäfte verrichtete, mit geläufiger Zunge wie hier und dort es auch gut gewesen, wenn man die Meitleni zu rechter Zeit unter den Tisch gelegt hätte, wie sie hochmüthig seien, alles an die Hoffarth hingen, u's all Lüt Wunger nähm, wie lang das no gang. Da sprang sie auf ihre Meitheni über, wie sie es mit denen auch so gemacht, man hätte ihr die auch unter den Tisch legen müssen u no fry lang, u jetz chön me se ume Finger lyre, u kes Wort heyg ere no kes widerredt, aber d'rfür syge si o b'rühmt, si hätte scho alli chöne manne, u de nit öppe ume so dreikrüzerig Burste, aber sie heygs nit welle thue. Wofür heyg me d'King, we si grad vo eym laufe welle, wie d'Lüs vo de Bettlere.

Mit der Taufe wurde nicht so viel Federlesens gemacht wie mit der ersten, doch versäumte auch hier Anne Bäbi eine Vorsichtsmaßregel nicht, welche bei Meitlene b'sungerbar noöthig sei, wie es sagte. Als man das Kind zur Taufe faschete (einwickelte), band Anne Bäbi ein dünnes Scheibchen Brod und ein dito Käse ein, und sagte: „he nu so de, su wirst öppe so Gottel nie Mangel leiden, sondern geng öppe g'nue z'esse ha. Bi Bube ist das öppe nit sövli nöthig, ih meine, bi Lüte, wo öppe ihri Sach hey, un es Nest für die Junge, daß si o öppe wüsse wo sy, aber bi de Meitlene weiß me öppe nie, wie's ne geyt, u wie si's astelle, die Drecklöcher.Gäb wie me meint, mi lueg öppe, hanget eys ame ne Hudel un ist z'Tüfels für syr Lebtig, u het nimme z'byße u z'breche, daß mi si synere schäͤne muß, u Niemere säge darf, daß es eym öppis ageyt.“ So ward das Kind mit Käs und Brod zur Kirche getragen und Mareili getauft. Der Großmutter zu Ehren wollte man es Anne Baääbi taufen, sie aber wollte nicht, und sagte, sie begehre nicht, es duech se, es sei einstweile genug an einem Anne Bäbi, wenn dänkly Krot o so hieß, su chönt es de grad meine, es well o z'bifehle ha, u was eys Anne Bäbi mach, das könn z'angere o mache.Meyeli hatte unendliche Freude an dem Kinde, hatte es doch nun wieder ein Kind. Das Erste lebte wohl und alle Tage sah es dasselbe, aber es war nicht sein Kind, es war der Großmutter Kind. Wenn es Schmerz empfand, so suchte es der Großmutter Schoß, wenn es Hülfe bedurfte, der Großmutter Hand, alle Klagen brachte es bei der Großmutter an, allen Trost woilte es nur von ihr, für alle seine Wünsche suchte es bei ihr deren Erfüllung und fand sie auch. Und wenn Meyeli es lockte mit den lieblichsten Namen, geschah es wohl, daß der Bube ihm den Rücken kehrte, und der Großmutter zustopfete. Es weiß sicher manche Mutter, was das einem Mutterherzen zu verwerchen gibt,und mancher arme Mann weiß es, was das für Stoff zum Streiten gibt. Streit gab es in diesem Hause deßwegen keinen, aber was für Freude unser Meyeli an dem kleinen eigenen Kinde empfand, das fühlt sicher ebenfalls manche Mutter. Dazu war das Kind so lieblich und freundlich, war Meyeli so ähnlich in den Augen und machte akkurat so freundliche Mineli wie seine Mutter, und schmiegte sich so eigen warm und innig an sie an, daß es Meyeli ward, als möchte es das Kind nicht nur hegen an seiner Brust, sondern es hinein nehmen ins Herz hinein, in warmen Schutz gegen Wind und Wetter dieses Lebens, daß es es so recht empfand,was es sagen will, wenn so recht innig und heiß ein's zum andern spricht: „du bist m'r lieb, ih möcht di freße.“Und es war gar seltsam, wie das ganze Haus in sogenannte zwei Lager sich theilte. In einem Lager stand die Großmutter und der Bub, im andern der übrige Haushalt, Madi war in beiden Lagern zu sehen, doch am meisten in dem der Großmutter, zankte und brummte aber um nichts weniger mit ihr, und setzte all sein Vermögen daran, ihr den Buben abspenstig zu machen, und ihn gegen sie aufzuweisen. Was sie nicht gab,das gab es ihm, was sie ihm nicht nachließ, das ließ es ihm nach, und so wendete er sich allerdings auch zuweilen zu ihm hin. Aber woran es alles setzte, und allem aufbot, daß er bei ihm schlafe des Nachts, dahin brachte es es nicht, da war der Bube fest, aus Großmüttis Stübli wollte er nicht. Das machte Mädi manchmal fast tromsigs im Kopf. Das kleine Mädchen war so freundlich und lieblich, ging zu allen und machte ihnen Ae, doch sah man ihm gut an, daß es ihm am wöhlsten war an der Mutter Brust, wie es auch dem Küchlein am wöhlsten sein muß unter den Flügeln der Henne. Nur zur Großmutter ging es nicht gerne, und machte ein trübselig Mineli; dafür sagte die aber auch,es sei das ufründligiste King wo sie noch gesehen, eine ewige Gränne und dazu e leide Grieggel. Das that der Mutter weher als dem Kinde, aber sie vergaß es allemal wieder, wenn das Meiteli auf ihrem Schooße wieder zu lächeln begann. War es auch kein Wunder,wenn das Meiteli grännete auf der Großmutter Arm.Nahm sie dasselbe doch nur, wenn der Bube böse und unartig gegen sie war, nichts von ihr wollte, oder gar an Mädi hing, wie meisterlosige Kinder es nach und nach eben denen am öftersten machen, welche sie am meisten hätscheln. Dann brauchte sie künstliche pädagogische Mittel, sie riß das Schwesterchen auf den Arm ünd sagte: „he nu, we du nüt vo mir witt, wott ih o nüt meh vo dir, ih ha jetz es angers King.“ Und wirkte dieses Mittel nicht alsobald, so sagte sie: „he nu so de, su muß das jetz Wätschge ha u Schnitz, u chum, ih weiß no es Lebküchli ame Ort.“ Das wirkte richtig, der Bube ward schalus, schlug nach Großmutter und Schwesterchen, und das letztere zu sichern, war die Erstere selten schnell genug. „He nu so de, fragte die Großmutter, wott'sch foige oder nicht, oder soll ich Schwesterli epha?“ „Woit folge, schrie dann der Bub trotzig, aber das muß furt, thus dänne“ brüllte er immer ärger und riß alles an sich was man dem Meiteli vorgelegt, oder in die Hand gegeben hatte. „He nu so de, su wey m'r wieder z'frirde sy, sagte die Großmutter, u du mußt lieb sy!“ „U du must z'King furt thue,“ sagte der Bube. Unterdessen hatte richtig das Meiteli zu weinen angefangen, und wer will es einem Kinde verargen, gegen das man schlägt, und dem man alles nimmt, was man ihm gegeben? „Näht m'r die Brüllere, sagte dann die Großmütter, die ewigi Gränne,u schum du, mys Bübeli, hest mi wieder lieb, sä du,sä, aber so wüst thue mußt nimme, sust b'häb ih de das Schwesterli.“ „Säg du die Brüllere,“ antwortete der Bub. „Wie seyst?“ fragte die Großmutter, und das Herz im Leibe lachte ihr, und sie repetirte es vor allen Leuten und alle Mal wenn sie alleine war: „die ewigi Brüllere! Die ewigi Brüllere het er g'seit, was dem tusigs King doch afe z'Sinn chunt!“ So prächtig erzog Anne Bäbi, und so prächtig wird noch an gar manchem Orte erzogen, und was keine Kuh thut, thut der Mensch.

Meyeli schlug das Sängen abermals nicht gut zu,gäb wie die Hebamme abführte. Es wurde wieder blaß und matt und dazu gesellte sich eine immer zunehmende Muthlosigkeit. Es bildete sich ein, es sei kränkligs und werde nicht lange leben, es drückte ihns, daß es nicht mehr so recht arbeiten mochte. Die Leute werden sagen, sagte es, es sei zu faul dazu, es, das nichts zugebracht, wolle jetzt gut haben und lasse sich wohl sein, als wenn es zwanzigtausend Pfd. eingekehrt. Und manchmal kam es ihm vor, als lese es solche Gedanken selbst in dem Gesichte eines Hausgenossen, und wie der meine, alles sei nur Phantast und eben wenn es zu werchen gebe, so liege es im Bette. Und hätte es doch so gerne gearbeitet und b'sunderbar jetzt, wo Jakobli sövli z'weg war, so großen Eifer hatte und das Hauswesen einen Aufschwung nahm, welcher allerdings recht rüstige Hände brauchen konnte. Diese Gedanken wechselten in seinem Herzen und an ihnen erstarkete es nicht 142 und wenn es sich auch zwängte, und meinte, es komme auf die Gewohnheit an, und wenn es sich einmal wieder gewohnt hätte, so werde es schon gehen, so mußte es es büßen und die Arbeit einstellen es mochte wollen oder nicht. Die Hebamme meinte, das werde schon bessern, öppe albeeinist es Tröpfli gute Wy werd nüt schade, un es Bitzli früsches Fleisch, sust g'sey si nit,daß ihm apparti eiwas fehle. Und das King sei einmal munter und das sei die Hauptsache und das beste Zeichen, daß Meyeli g'sung's sei ums Herz, u wes da güt sei, su heyg de z'angere öppe nit sövli z'bidüte.

Jakobli meinte einmal, ob's nicht vielleicht gut wäre,V mal gehöri, das schwäche die Wyber grusam, b'sungerbar we si's z'lang trybe u d'King z'streng ha müße.

Potz wie kam er an bei Anne Bäbi. Das gääbte ihr e suferi Musterig, sagte dasselbe, wer da wohl möchte dabei sein, es brüll eym dä Wäg fast d'r Gring ab, u we das nimme z'Suge hätte, es brüllete, es g'stiengs Niemere us, u si könnte kene Handwerkslüt meh ha,nit emal d'Schnyder. U de heygs no nie gehoört, daß me es King etwenn, wes no nit viel meh as es halb Jahr alt syg, das wär sie v'rsünget am King un es g'hör doch eme Niedere öppis uf d'r Welt, wes scho Ame es Meitschi sgyg. Wed z'Säuge schade sött, es lüffe nit söpbli Wyber des ume, öppe a d'r Uszehrig syg scho Mängi g'storbe, aber daß eini vom Säuge ystorbe syg, seib heyg es no nie g'hört.

So säugte Meyeli fort und ward matter und muthloser von Tag zu Tag, aber krank sei es nicht, hieß es, es fehle ihm nichts; daß es mit der Krankheit oft ist wie mit dem Reiche Gottes, daß man nicht sagen kann, siehe hie ist sie, siehe da ist sie, weil sie nicht auswendig ist, sondern inwendig, und nicht hie oder da, sondern allenthalben, das wußten z'Jowägers noch nicht. Wer weiß welches Ende diese Krankheit, welche sich einschleicht, wie ein Dieb in der Nacht und die Gefäße leeret von den kostbaren Lebenssäften, genom men hätte, wenn nicht etwas anderes dazwischen geschlagen hätte, wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Was das Leben sei, was der Frevel an diesem Leben sei und wie es einem solchen Frevler ergehen werde.Der Bub ward plötzlich krank, d. h. man ward eine Krankheit plötzlich inne, welche sich bereits angekündigt hatte, aber nicht bemerkt worden war. Er war heiser gewesen und kriegte dazu einen Husten, welcher akkurat dem Bellen eines jungen Hundes glich. Der Bube lief herum, wie er wollte, barfuß oder in Schuh und Strümpfen, trank Wasser, wenn er wollte, und Kaffe, sobald er wünschte; aber was er nicht wollte,das that er nicht, und was ihm nicht schmeckte, das nahm er nicht. So wollte er nicht in der Stube bleiben zu rechter Zeit, noch viel weniger Melissenthee trinken, als Anne Bäbi ihm anbot, und Anne Bäbi drang nicht in ihm. Es sei ein arm King, sagte es, und es mache ihm den größten Kummer, wenn es krank werden sollte, es chön ke Züg näh. Das ist ein Uebel,welches auf dem Lande manches Leben kostet, es ist da eine Meisterlosigkeit, von der man sich keinen Begriff macht, eine Meisterlosigkeit, die nicht nur nicht isset, was einem nicht eben gut dünkt, sondern eine Menge Dinge geradezn von der Hand weifet, ohne sie nur zu kosten. Es gibt dere Schlärpli von Jungfräuli,die kein Gemüse essen mögen, keine gewöhnliche Speise,keine Erdäpfel mehr, aber Tag und Nacht ihre Meisterleute bestehlen, um ihrer Schmäderfräßigkeit zu frohnen, und wenn man einem solchen Schlärpli nur Kamillenthee beibringen will, so thut es, daß man es in einen Nothstall bringen müßte, wenn man ihm einen Tropfen beibringen wollte. Diese Meisterlosigkeit kömmt bei Armen rein aus Neid und Gelüsten, uüm Reichen oder Meisterleuten mehr abzufressen. „Ih wett e Narr so u das fresse, heißt es, wenn ih dere cha ha“; und wenn man auch an fetten Speisen erworgen müßte, so ein Ding thäte eher mehr daran als minder, nur um dem Meister nicht etwas zu ersparen. Bei Reichern kömmt sie theils davon her, daß man ein Kind nicht zwängen will, zum Theil, weil es schon lernen werde,zu brauchen, was ihm gut sei, wenn es zum Verstand käme, u mi wells de nit ufem G'wüsse ha, wes sterbe sött u de gang gah chlage, wie mes plaget heyg u was es heyg müsse fresse, wo me doch anger Sache g'nue g'ha hätt.

Eine andere und Hauptursache liegt in der Unklugheit, dem Kinde einen Gedanken, eine Idee, wie man zu fagen pflegt, beizubringen, welche ihm von selbst micht gekommen wäre. Wenn man mit Kindern wandeli, so braucht man nur zu fragen: seid ihr müde, so wird auf der Stelle das eine oder das andere Kind Müdigkeit fühlen, an die es vorher nicht gedacht hatte.Frägt eine zärtliche Mutter ihre Kinder oft: fehlt dir was ? wo hets mys Schätzli? wo thut's d'r weh? so wird sie gewiß Kinder haben, denen sehr viel fehlt, die jedenfalls immer zu gelegener Zeit über ein Uebel zu klagen haben werden. Nun hat man das große Ungeschick, meistentheils dem Kinde die Meinung beizubringen, es könne ke Zůg näh. Erst erzählt man selbst,man konne kene näh, dann verhandelt man mit dem Arzt vor den Kindern, ob eins nehmen könne oder nicht, me wüß es nit, mi zwyfli, aber mi well probire.So bringt man dem Kind zwei Gedanken auf einmal bei. 1) D'r Züg sei bös zu nehmen. 2) Wenn man nicht wolle, so zwäng man einen nicht. Natürlich nimmt ihn das Kind nun nicht, man hat ihm das Vorurtheil selbst beigebracht und wenn einmal ein Vorurtheil da ist, warum sollte es im Kinde weniger mächtig sein als im erwachsenen Menschen?

So auf alle Weise hatte man es mit dem Bübchen getrieben, darum wollte es auch Anne Bäbis Melissenthee nicht. Aber etwas gehen mußte doch, das sah man wohl, die Anfälle wurden heftiger, das Kind bekam Aengstigungen, daß es den Seinigen den Angstschweiß auf die Stirne trieb. Nun wußte man nicht recht, wo Hülfe suchen, Anne Bäbi hatte zu Niemand Zutrauen,da wußte endlich Mädi Rath.

Mädi hielt sich zeitenweis, gleichsam zur Abwechs-lung, für krank; es fehle ihm für und für, und ke g'sungi Stung heyg es meh, sagte es; bald war das Uebel mehr oben, bald mehr unten, aber zig'rechtem öppe weg,ging es nie. Es dokterte beständig, in irgend einem Guggeli war fast immer ein Hafen für ihns z'weg, bald mit derlei Trank und mit anderlei, und des Döckterlens war kein Ende; aber nichts wollte helfen, auf die Laängi. Wohl besserte es ihm allemal, weunn es von einem neuen Doktor ein neues Trank hatte, und diese wechselte es öfterer als im Winter seine Strümpfe,deren es nur zwei Paare hatte, das mindere für vor dem neuen Jahre, das bessere für nach demselben. Es hatte in einem Winter oft von Vieren Zeug, und war allemal zuerst voll Freude; aber bald kam's ihm vor,als sei es wieder im Alten, und so z'Unnutz wolle es bei einem sellige Möff und G'stabi sein Geldli nicht verdoktern; der begehre es nur des ume z'zieh, es merk's wohl; aber sellig sött me bi de Beine ufhäyche, die Schyßhüng. Von Doktor zu Doktor war es zu einem gerathen, der war jetzt der Rechte. Zu dem hatte es unbedingtes Zutrauen, der chön meh, als all anger z5'säme g'no, sagte es, un es glaub, we nes zu rechter Zyt zu dem cho wär, es hätt ihm no us em Fundement konne g'holfe werde, aber der könne auch mehr als Brod essen, u wüß meh as öppe e angere Mönsch u b'sungerbar eine, des ume us de Büchere nähm u d'rzu no muß d'r Spiegel bruche, wo ner doch ume ebe halb g'sehy. Der hatte allerdings als Hauptbuch das Vorgeben, er sehe die verborgenen Uebel in reinem Wasser in einer weißen Flasche auf wunderbare Weise.Er brauchte eben auch wieder den Schein des Ueberirdischen, so gut wie der Doktor im Emdthal bei Frutigen, der den Weibern die Hand auf die Brust legte und mit ihnen betete, oder wenn man ihn um

Anune Bäbi. II. 10 Rath frug fuür einen Kranken im Emmenthal, ein Fernrohr nahm und kaltblütig nach der Himmelsgegend hinsah, wo das Emmenthai lag, um zu ergründen, ob der Patient den Glauben hätte oder nicht. Und die Leute fahen solchen Manövers auf das Gläubigste zu. Zu solchen Wunderärzten kommen die meisten Leute, und alle die, welche aus der Ferne sind, nicht in Krankheiten, die sich rasch entwickeln, schnell zu Ende gehen,fondern fast immer mit eingewurzelten oder eingebildeten Uebeln. Es kommen Leute mit verglimmendem Lebensfunken, welchen jede neue Hoffnung zu längerem Leben in ihr Lämpchen ein Tropfe Oel ist, und jeder neue Dokior wirket als wie ein solcher Tropf, sie fühlen Besserung, und alle Menschen posaunen diese Besserung aus und sagen: der komme gewiß noch z'weg, sie hätten es nicht geglaubt. Es kommen Menschen mit beschwertem Unierieibe und schweren Gedanken, denen Bewegung wohl thut und jede veränderte Richtung der Gedanken; so erleichtert jeder neue Arzt ihnen den Stuhlgang, auch wenn er ihnen noch nichts gegeben hat, sie blos noch gekommen sind, ihn anzusehen. Es kommen zu ihnen die lebersuchtigen Mädchen, die meinen, es fehle ihnen auf dem Herz, und die Frauen mit den Nerven, und die,denen es blöd ist, sie wissen nicht recht, ob im Kopf oder im Magen, und die, denen das Alter kömmt und die doch jung bleiben möchten, und die denen die alten Sünden Molest machen, die sich nicht verläugnen und vergessen lassen, und die mit alten Schäden, bösen Beinen, verrosteten Hautkrankheiten sonder Zahl. Diesen allen ist nicht zu helfen auf die Dauer, oder höchstens durch eine lange sorgfältige Kur, welcher sich selten ein Mensch unterwirft, wenigstens auf dem Lande nicht;sie können nur erleichtert werden, und die größten Erleichterungen sind die, welche sie sich einbilden, welche in erregter Hoffnung bestehen. Vielleicht heilt hier und da ein Quacksalber einen alten Schaden scheinbar, aber zum größten Schaden der Kranken, jedoch zu seinem eigenen großen Ruhm, und was will er mehr! Denn nun wird die ganze Welt voll posaunet, wie man

Jahre lang umsonst gedoktert, und wie der und der einen nun radikal kurirt hätte. Wenn dann das Uebel an einem andern Orte ausbricht, so bleibt doch der Ruhm der Heilung, oder wenn der böse Ausfluß sich auf die innern Theile wirft, auf die Lunge z. B., oder sonst wohin, so denkt kein Mensch daran, wer das gemacht und wer Schuld an dem dadurch erfolgten Tode ist.Das sind die zahllosen hülfesuchenden Schaaren, welche besonders die Wunderärzte besuchen, und denen diese Ruhm und Preis zu verdanken haben. Unter diese Schaaren gehoörte auch Mädi, das hiehin und dorthin lief, dem aber auf länger keiner helfen konnte; was ihm fehlte, konnte keiner ihm geben. Aber noch keiner hatte es ihm so getroffen, wie dieser, von dem die Rede ist, es war aber von den schlimmsten einer. Derselbe verstund sich auch etwas, wie man sagt, aufs Schatzgraben, oder aufs Geldbeten. Es gibi nämlich Leute,welche glauben, das Gebet sei gleichsam ein Zauberschlüssel, mit welchem man alles aufschließen, eine Macht,mit welcher man alles bezwingen könne, was man wolle; so könne man mit Beten Geld aus dem Boden zwingen, Geld in einem Schaft vervielfältigen. Wäre eine komode Sache, besonders für faule Leute, und würde beten lernen noch Mancher, welcher es verlernt hat. Der sah die Krankheiten also in einer Flasche,jedoch nur die Krankheiten derer, welche ferne wohnten,denen in der Nähe sagte er es unverholen, was mit der Flasche sei, und daß er dieses nur thue des Glaubens wegen, vo wege wege der G'schickti kämen die Leute nicht zu ihm. Der kannte Leute von Mädis Schlag vortrefflich, und sah für sie in der Flasche die merkwürdigsten Sachen. Dem Maädi sagte er, seine Uebel kämen vom vielen Plären und V'rdruß, es sei gerade,wie wenn ihm ein rother Schneck übers Herz schnage,es sei ganz schlieferig (schlüpferig) d'rvo, das müß me luege süfere, und dann wolle ihm Neuis wachse auf der rechte Seite, was es sei, könne er noch nicht recht eine folche gebe, so sei es boös, aber vielleicht koönne er 148 davor sein, am Fleiß solle es nicht fehlen, aber es müsse d'r Glaube recht zu ihm fassen. Mädi war ganz erstaunt über diese Kunde und sagte, akkurat so sei es ihm, so ganz kalt und g'schlieferig üb'rs Herz, u rechts duech's, es chlemmm's mängist so wunderlich, un es müeß so sy, e V'rdruß heyg es usg'stange, es angers hätt's tödi, u all Tag heyg es früsche, es duech's mähatte es Glauben und brauchte ihn länger als die anbern, und der wußte die Krebsscheere wachsen und abnehmen zu lassen, auf eine Weise, daß der Glaube immer mehr wuchs. Als nun der Bube so heftig krank ward, dem Ersticken so nahe kam, so brachte ihn Mädi in Vorschlag. Anne Bäbi in seiner Angst hatte nur die Einwendung, „er nimmt ja ke Züg.“ „Wohl, dä Züg, wo dä git, dä nimmt er, das weiß ih, sagte Mädi, das isch nit Züg, wie se öppe die angere gäh,das ist ganz angere.“ „He nu so de,“ sagte Anne Bäbi.Mädi Kief, brachte Zeug, ein süßes Säftchen wars.Der Knabe nahm es allerdings und gerne, und forderte selbst davon. Da ward auch Anne Bäbis Glaube an den Doktor unumstößlich. Aber bessern wollte es nicht,das Röcheln, die Angst, nahm zu. Sonderbar war es, wie der Knabe jetzt besonders nach der Mutter verlangte, und wenn schon Anne Bäbi ihn hielt, wenigstens eine Hand mußte Meyeli ihm nehmen, und wenn es nicht da war, hafteten seine Augen sonder Unterlaß auf der Thüre, und wenn Meyeli wicder eintrat, streckte er alsobald sein Händchen aus und zog die Mutter zu sich heran. Es war, als walle in ihm die rechte Liebe wieder auf, als wolle er in voller Fülle der Mutter geben, was er so lange ihr entzogen hatte. Es wollte auch Meyeli fast zerreißen, dieses weiche Wesen, dieses Suchen des Mutterherzens, dazu die Aengsten des Kindes, die Hoffnungslosigkeit des Zustandes, die Unmöglichkeit, etwas zur Linderung beizutragen. Es konnte nicht einmal bei ihm sein, wie es wollte, Anne Bäbi war da, war fast sinnlos, nahm an nichts Theil; daher alle dessen Geschääfte Meyeli aufflelen. Meyeli meinte da der Züg nicht anschlüge, ob's nicht gut wäre, zu einem andern Doktor zu gehen. Aber Anne Bäbi und Mädi fuhren über ihns her, daß es schweigen mußte.„G'sehst nit, sagten site, wie er da Züg nimmt, u wenn dä ihm nit wohl thät, er nähmt ne nit so, er nimmt ja sust ke Züg, u was hulf e angere Dokter, wenn er de d'r Züg nit wett.“ Aber der arme Knabe nahm das zweite Säftchen nicht zu Ende, er starb Anne Bäbi in den Armen, und so lange seine Augen sehen konnten,ten: „o Mutterli, Mutterli, hilf m'r,“ und seine Hand blieb in Meyelis Hand, und es war, als ob sie alleine warm wäre und lebendig. Das arme Kind war am Croup, an der Bräune, oder meinethalb an einem entzündlichen Halsweh gestorben, jedenfalls an einem Uebel gegen welches ein Säftchen, und sei es aus Rosenhonig, oder gar noch aus besserm, nichts hilft; da müssen ganz andere Mittel, und zu rechter Zeit, herbei,wenn so ein arm Kind von einem dieser Uebel gerettet werden soll.

Denn das ist eben bei Quacksalbern der gefährlichste Punkt, daß die Einen von ihnen wohl heftige Mittel haben, Merkurialsalben, Pulver u. s. w., aber dieselben fast ohne Unterschied anwenden in allen Krankheiten und bei allen Menschen, Kindern und Erwachsenen,andere dagegen, besonders die, welche gebüßt worden sind, einzelner bekannt gewordener handgreiflicher Fälle wegen, starker Mittel sich enthalten, und nur laviren wie man sagt, d. h. Mittel geben, die wenig schaden und nicht viel nützen, allerlei unschuldige Kräuter zu einem unschuldigen Trank, oder noch unschuldigere Säftlein von Himbeeren, Honig, Eibisch. Das ist vortrefflich bei all den Personen, die selbst es fast nicht wissen, fehlt es ihnen hinten oder vornen, die das ganze Jahr doktern, und doch nie zur Gesundheit kommen.Sind es ja sehr geschickte Aerzte, die solchen Personen Pillen verschreiben von klarem Brod, aber mit etwas Dbei Uebein, welche von selbst und ohne Mittel bessern 17599 würden, welche Uebel freilich der natürliche Mensch nicht kennt, sondern nur der Arzt. Aber wie verderblich solche unkräftige Mittel sein müssen in raschen starken Krankheitsanfällen, wo schnell dem Fortgang der Krankheit der Fuß vorgehalten, die Entzündung gehemmt, der Andrang des Blutes abgeleitet werden muß, sieht jedes Kind ein. Das ist gerade, als wenn man ein Haus,welches zu brennen anfängt, mit dem Einfüchtbeseli oder einem Weihwedel, und wäre es selbst ein Missionswedel, löschen wollte. Das ist daher ein Punkt, wo Quacksalber am gefahrlichsten werden; ein gewisser Instinkt hält aber viele Leute, die sonst öfters mit ihnen verkehren, in solchen Fällen ab, sie zu suchen; „da muß doch däych e rechte Dokter zueche,“ sagen sie.Indessen geschieht es doch, und namentlich bei Kinderkrankheiten, bei der Ruhr z. B. und beim Croup, der Brüni; da ließen sich traurige Exempel erzählen. Der Quacksalber gibt sein Säftlein, aber da er nicht selbst zum Kranken geht, da er überhaupt wenige Krankheiten kennt, und namentlich den Croup nicht, weder im Allgemeinen noch in seinen eigenthümlichen Entwicklungsstufen, so setzt er nicht Blutsauger an, gibt nicht Brechmittel, noch weniger Quecksilber, und wenn er es geben würde, so würde er es zur unrechten Zeit geben und nicht in gehörigem Maaße. Die Krankheit hat daher ihren ungehinderten Fortgang, und nimmt ihr üblich Ende. Ueberhaupt wird auf dem Lande auf diese Krankheit viel zu wenig Obacht genommen, Heiserkeit nicht geachtet, so wenig als der rauhe gebellartige Husten;man thut oft gar nicht dazu, nimmt sie auch für sogenannte Giechti, oder doch zumeist zu spͤt. Und wo man zu spät dazu thut, da wird auch der gewissenhafte Arzt mit den besten Mitteln der Krankheit nicht Meister.So wenig als man gegen ein Haus, das in vollem Brande ist, mit zwanzig Feuerspritzen mehr etwas ausrichtet, während man ganz von AÄnfang mit einer einzigen es hätte löschen können. So stirbt so manches liebe Kind, und so manches Mutterauge weinet, und ein heißes Zuckerwasser alsobald, und den Arzt so schnell als möglich, hätten den Tod verjagt, dem Mutterherzen den Schmerz erspart. Wenn es zu Grabe läutet und einer fraget: „wen begräbt man heute?“ so antwortet vielleicht der andere: „ume es King,“ und ein vorübergehend Bettelweib setzt bei: „ih bi doch der ung'felligist Hung, ha scho siebne, un alli Jahr no eis, u sterbe wotti Gott's Name kes.“

„Ume es King!“ Ist bald gesagt, aber wer es sagt,weiß nicht was er sagt.

„Umeé es King.“ Und weiß wer, was ein Kind ist und was ein Kind birgt. Das Kind ist ein Neujahrs-tag, und der Neujahrstag trägt ein ganzes Jahr in seinem Schooße, ein Kind ist ein Räthsel, und in diesem räthsel liegt vielleicht der Stein der Weisen. Ein Kind ist unendlich mehr als ein Mann, um den Mann sind bereits die Schranken seiner Beschränktheit gezogen und ziehen alle Tage sich enger; ums Kiud liegen noch keine Schranken, der glücklichen Mutter ist der Traum ersaubt, es werde das All umfassen, über alle Sterbliche ragen, über die Endlichkeit hinaus in den Himmel hinein. Was groß war auf Erden, war ume es King,ume es King war unser Heiland, und was wären wir ohne dieses King! Ume es King war jeder Held auf Erden, jeder Mann Gottes, jseder Wohlthäter der Menschheit. Darum sind alle Kinder uns geheimnißvolle Gaben Gottes; welche Kraft die Schaale birgt,wissen wir nicht; was aus dem Heiligthum der Seele heraustreten kann, wenn die rechte Stunde kömmt,das kennen wir nicht. So bedeutsam soll jedem jedes Kind sein, und was der Leichtfertige ume es King nannte, hätte das vielleicht nicht schon seinen bestimmten Werth, seine große Bedeutung, war der Schatz einer Familie, die Ampel eines Hauses, einer Mutter Hoffnung, zweier alten Leutchen einzige Freude. Sein Tod, ist er vielleicht ein Spalt in ihre Herzen, der Räuber ihres Friedens, des Schmerzens schwarzer, nie versiegender Quell? Es ist auf Erden gar manches Haus,und alle darin können sterben, ume das King nicht,der Schmerz um jedes würde vergehen, den Schmerz ums King nähmten alle mit sich ins Grab. Und wenn jetzt ein schwarzer Schmerz in manchem Herzen wohnet, die Herzen Brandstätten verzehrter Freuden sind,Brandstätten, auf denen keine Pflanze wächst, kein Gebäude mehr stehen will, bis sie der Tod verschlingt, und ich müßte mir vorwerfen, ich sei Brandstifter und Mordbrenner, sei die Schuld, daß das Leben zerstört sei, und diesen Herzen alle Freude verlodert,ich hätte den Tod herbei gezogen, des Kindes Leben schlecht gewahret! Ich mußte mir einbilden, in den finstern Herzen wälzten sich zornige Gedanken und durch die verweinten Augen hindurch blitzten Vorwürfe: „du trägst die Schuld, du warest Wächter, wardst Verräther, ließest den Feind ins anvertraute Heiligthum!“Ich müßte solches sehen, müßte mir vorwerfen, zu solcher Schuldgebung sei ein Grund, es möge ein Recht sein in der Anklage, und doch hätte ich das Meine gethan, hätte mit allem menschlichen Fleiße die Kräfte und Krankheiten des Menschen, die Kräfte und Stoffe der Natur zu ergründen versucht, hätte Jahre dem Werke geopfert, meiner Jugend besten Theil, und hätte dann mit Sorgsamkeit die Kunst geübt, mit Nachdenken die Krankheit geprüft, die Heilmittel gewählt, hätte alles gethan, was mir möglich war, und doch mich geirrt,und doch falsch gegriffen, das Leben nicht gehälten,das zu retten gewesen wäre. Wenn ich Arzt wäre,und welchem Arzte geht es nicht so, und wer liest im Herzen der wahren Aerzte die innere Angst und den innern Jammer, die Trostlosigkeiten und die Wehmuth und den Ueberdruß, ich würde allemal erbeben, wenn man zu einem Kranken mich rufen würde, es würde mir allemal sein, als gäbte man mir ein Räthsel aufzulösen, und an dessen Auflösung hinge Tod und Leben „und je mehr ich dächte, desto weniger fiele mir bei, und wie grinsende Räthsel würden die Kranken an meinem Bette stehen, und die Todten würden gezogen kommen, mir zeigen meine Irrthümer, meine falschen Auflösungen würden der Kranken spotten, die mir glaubten würden das Leben von mir fordern, um das ich sie betrogen.

Ein Leben hatten sie in meine Hand gelegt, es mir anvertraut, und unter meinen Händen erlosch es, sie erhielten es nicht wieder. Ein Leben ist kein Licht, ein Licht kann ich wieder anzünden; das Leben ist eine Flamme Gottes, einmal läßt er sie auch brennen auf Erden, dann nicht wieder. Das Leben ist der Einsatz,den ich von Gott erhalten, den Himmel mit ihm zu gewinnen, es ist der Raum, in welchem ich die Schätze zu pflanzen und zu sammeln habe, welche die Diebe nicht stehlen, die Motten nicht fressen, es ist die Zeit,während welcher ich auf dieser Welt mein Zeichen aufdrücken, das ein Sandkorn werden soll zu der Stufe,auf welcher das kommende Geschlecht höher steigt. Das Leben ist das höchste Gut des Menschen, das er selbst unter all seinen vergänglichen Gütern am wenigsten verschleudern darf. Der Staat ist eine Verbrüderung zum Schutze der Güter, ist eine aufgestellte Wache,welche hemmen soll jede Beeinträchtigung dieser Güter,aber auch muthwillige Verschleuderung, ist eine väterliche Pflege, die dafür sorget, daß den Unmündigen (und es gibt zweier Gattig) kein Gut vorenthalten,kein Gut angetastet, aber auch keines von ihnen verleichtsinnigt, Betrüger Hände nicht über sie mächtig werden könnten. Dafür ist der Staat da, sonst ist er für nichts da. Regenten hat man nicht etwa wie ein englischer Narr Pferde hat zum Luxus, oder eine alte Jumpfere Katzen oder Hunde ebenfalls zum Juxr, die noch dazu zuweilen recht bissig und giftig sind, die kleine strube Katzen und die halbe noch rüdig dazu.Die Narrheit heutiger Theorien, welche den Staat zu nichts machen als einem großen Kaffehaus, der für nichts da ist, als an einigen halbverrückten Zeitungen Bildung zu lernen und sich im räsonniren zu üben,ahnete man nicht, als man Staaten in Wirklichkeit und nicht en théorie stiftete und ordnete. Von daher geprüft und von kompetenter Behörde nicht nur fähig gefunden, sondern verpflichtet zu gehen und zu helfen sedem, der mich begehrte, meiner bedürftig sei, wärs mir so schwer übers Herz, wenn hintendrein mir das Werweisen käme und das Bangen, es sei unter meiner Hand ein Leben erloschen, eine Aufgabe nicht erfüllt worden, ein Zweck nicht erreicht und b'sunderbar, wenns ume ein Kind gewesen, das noch gar nichts erreicht,noch gar nichts geworden, oder ein Hausvater, der so bedeutungsvoll im Staate sich gestellt, oder eine Mutter im Staate so hoffnungsreich. Und wie wäre es mir erst dann, wenn ich keinen Beruf zum Heilen haätte, nichts wüßte von der Natur und ihren Stoffen,dem Menschen und seinen Kräften, von den Krankheitsformen und Krankheitszeichen; wenn ich nichts hätte als ein Maul zum reden und lügen, einige Papiersäcke voll Kräuter, einige alte Töpfe voll Salben, und einige alte Bücher zum zeigen; wenn ich ein Blinder wäre, und aus Säcken und Töpfen aufs Ungefähr austheilte, bald Salben, bald Kräuter, unbekümmert um Leben und Tod mich mit dem Spruche tröstend,der Herr werde es schon machen, und wen er gesund oder todt wolle, der werde das eine oder das andere mit und ohne Salben und Kräuter, wie wäre es mir,wenn ich in diesem Sinne handelte freventlich? Und dieses heillose Handeln wäre mir verboten obrigkeitlich,weil es ein heillos Spielen mit Leben sei, der kostbaren Flamme von Gott, dem höchsten irdischen Gute, und ich führe doch fort, und hanthierte an dem Leben herum,lockte die Menschen von den Verständigen weg, mir, dem Betrüger, zu, und Leben um Leben erlösche, und für jedes Leben hätte ich ein Blutgeld empfangen, selten dreißig Silberlinge, oft nicht dreißig Kreuzer, die ich bald an Schnaps gewendet, bald an ein neu Häuschen,oder ein gelegen Ackerstück, und hätte so gelebt, verstockt, voll Betrug und voll Lust, müßte mir am Ende das Gewissen nicht aufspringen, und eine Angst über mich kommen, eine Angst, wie die eine war, welche den Kain flüchtig über die Erde jagte? Müßte es mir nicht sein, als wäre jedes Schnapsglas weiß gewordenes Menschenblut, Blut von denen, welche unter meinen Händen weiß wie der Tod geworden? Und wenn Nachts die Wände girren an meinem Häuschen, muß 1B8 es mir nicht toöͤnen wie Röcheln und Todesseufzen? Und wenn ich auf dem Ackerlein Korn schneide, muß mir nicht jeder Kornhalm vorkommen, als wäre er ein Finger, den ein durch mich Gedödteter hervorstrecke aus dem Grabe, mir winke: „du, warte nur, wie du den Halm schneidest, hast du mich geschnitten, hast du viele geschnitten, aber du, warte nur, wir harren der Auferstehung, dann kömmt die Rechnung über die Leben,die da unten liegen!“ Und wenn ich mein Ackerlein mäste und alle Jahr das Korn dichter steht, kann ich mich freuen daran, muß es mir nicht vorkommen, als haben die drohenden Finger sich gemehret, als sei so manches Leben mehr in Rechnung gekommen, als Halme mehr auf dem Acker stehen? Und wäre die Rinde um mein Gewissen auch hart wie ein Felsenstück, vermöchte ich kaltblütig meinen Schnaps zu trinken, ruhig mein Korn zu schneiden, so ist doch mein Leben kein Fels,und wenn das Leben bricht, springt auch das Gewissen auf, und vor Augen steht, wie man gehandelt hat bei Leibesleben, sonder alle Täuschung. Und wenn dann die Leben vor mich treten, die ich gebrochen, Gott die Thränen mir vorrechnet, die um meinetwillen geflossen,was will ich da vorschützen, was machen, dem Zorne Gottes, dem höllischen Feuer, zu entrinnen?

Darf ich da vor Golt auf den Geist mich berufen,der mich getrieben und erleuchtet? O, ich weiß zu gut,daß es ein Lügengeist war, ein Vorwand, ein Blendwerk für die Menschen. Soll ich dem Gott, der alles weiß, sagen, die Menschen hätten mich gezwungen? Er weiß zu gut, wie ich sie gelockt mit Lügen und Verläumden. Soll ich sagen, jeder Wurm bedürfe der Speise und müsse sehen, wie er sie gewinne, geschweige dann der Mensch, der noch Kleider bedürfe, und Allergattig sonst, und Gott wisse am besten, wie das Leben schwer zu erhalten sei? Das wäre eine Rede,wie unvernünftige Menschen sie oft brauchen, wie sie aber wohl keiner je vor Gott wagen wird. Kann nicht ebenso der Räuber, der Mörder, der Betrüger, der Meineidige sprechen, und ist der Gewinn des Lebens auf unrechtmäßige Weise erlaubt? „Warum handeltest du nicht mit etwas Erlaubtem, würde mir zur Antwort werden, mit Schwamm oder Schwefelhölzern,warum mit Leben, die ich dir nicht anvertraute, aber jetzt aus deiner Hand ste fordere? Es war deine Faulheit, dein Stolz, warum du das thatest, es ging dir ringer, und vornehmer schien dir das Handwerk, und gotivergessen genug warest du, es zu ergreifen.“ Und wenn es mir in Sinn kommen wollte, zu sagen, das Doktern sei nicht verboten in der heiligen Schrift, und das seien nur Menschen Neid und Satzungen, welche es mir verboten hätten, so würde ich erinnert werden,daß man unterthan sein solle der Obrigkeit, die Gewalt über einem habe, dieweil Gott durch ihre Hand uns regieren wolle, und daß, wenn diese Ordnung nicht wäre, es auf der Welt nicht auszuhalten wäre, und wer diese Ordnung breche, Gottes Gnade verscherze,und warum? Welil ihm das Linsengericht lieber ist als die Kindschaft.

Aber wie der arme Sünder an jedem Ast sich hält,und auch Cain, als Gott ihn zur Rede stellte, antwortete: „soll ich meines Bruders Hüter sein?“ wird der, welcher verstockt geblieben bis in den Tod, die Zerknirschung von sich wehren, in neuen Ausflüchten seine Rettung suchen; wer frech gewesen in seinem ganzen Leben, mit Frechheit manchen Sieg gewonnen, wird auch frech vor Gott noch sein, wird der Frechheit Macht,welche ihm die Menschen unterthan gemacht, an unserm Herrgott selbst noch versuchen. Er wird sagen: „ich habe nicht alleine getödtet, Aerzte haben es auch gethan, und noch mehr als ich, bin ich schuldig, so sind sie in gleicher Verdammniß.“ Da ist's mir aber, wenn ich solches gesprochen hätte, als fühlte ich bereits des Herrn Zornesflamme brennen auf meiner Seele, als hörte ich die gewaltige Stimme, vor welcher kein Trug besteht,weder Selbstbetrug noch Betrug anderer, als donnere diese Stimme mir zu: „Schweige und gehe hin. Irren ist menschlich, kein Sterblicher ist frei davon. Erlöschen Leben unter des Arztes Händen, und war er treu dabei, so faällt keine Schuld anf ihn, denn mehr als daß einer treu sei, fordere ich nicht; es wäre grausam, mehr zu fordern, als die rechte Berufung und die Treue die vor mir besteht. Nur wo Untreue ist, da wartet auch ein Gericht. Du aber warest ein Unberufener, hattest weder den Ruf von mir noch meiner Obrigkeit; der Geist, von dem du redetest, war ein erlogener Geist; Lügner und Heuchler warest du. Du hast dich an die Leben gedrängt, wie ein Verläumder an die Ehre des Nächsten, wie ein Dieb an dessen Schätze, hast gefrevelt gegen die Ordnung, welche von mir kömmt, warest auch untreu, hast die Flamme nicht gehütet mit eigenem Auge, sie gehalten mit eigener Hand,hast aufs Gerathewohl hineingeblasen und mit verschlossenen Augen. Du wußtest es, aber es kümmerte dich nicht, daß blindes Blasen ein Licht zehnmal löscht, ehe es einmal anbrennt eine glimmende Flamme. Unberufener, Ungetreuer, schweig, und geh!“ So tönte es mir mein Lebtag in den Ohren, wachend und schlafend,mein ganzes Leben fort und fort, wenn einmal ein Leben unter meinen Händen erloschen wäre, an dessen Heilung ich unberufen Hand gelegt. Und wenn hundert Häuser durch meine Schuld verbrannt wären, sie quälten mich weniger als das eine Leben, denn ich wüßte, da wäre keine Entschuldigung. Wie die falschen Propheten verflucht waren, so falle noch jetzt dem Fluche anheim, der für etwas sich ausgibt und er ist es nicht,das wüßte ich. Und wie das nicht alle wissen und fassen, begreife ich nicht. Aber wie dem, der absichtlich und muthwillig auf bösen Wegen geht, die Augen gehalten sind, die Mahnungen an sein Gewissen ausbleiben, so geschieht es auch hier. Der Arzt, der in die Hänser geht, die Kranken besucht, der sieht alle Tage,was ein Leben werth ist. Er sieht, wie Kinder um einen Vater beben, wie der Vater für die Mutter betet, wie Eltern trostlos an ihres Kindes Wiege stehen.Und wenn er zur Leiche kömmt, so hört er den lauten Jammer, sieht die stillen Thränen, wie der Gram sich bohrt in der Wittwe Züge, der Kummer sich legt auf des Vaters Gesicht, wie das Bewußtsein des Verlassenseins herzzerreißend aus den Kindern bricht; er sieht die Lücke, die gerissen worden, den Wandel des Hauses, alles, alies, was nun kömmt, weil dieses eine Leben erloschen, sieht der Arzt fast alle Tage, und Gott zeiget ihm dieses nicht umsonst, er will ihn bewahreu vor Gleichgültigkeit und der Geringschätzung des Lebens, deren so viele naturgemäß und ohne seine Schuld, unter seinen Händen, erlöschen.

Es möchten wohl wenig Aerzte sein, denen solche Anblicke nicht heilsam wären, auch wenn ihre Herzen weich, ihre Seelen treu sind, ihnen immer vor Augen erhalten, wie bedeutsam ein Leben sei, sei es nun ein armes oder ein reiches, ein erwachsenes oder ume es King. Und wenn der Arzt noch höher steht, nicht nur den Leib sieht, sondern auch an die Seele denkt, zu welch hochheiligem Geschäfte muß es ihm nicht werden,den armen Sündern die Gnadenzeit zu verlängern, den Reuigen die Buße, den Verstockten die Zeit zur Erweichung!

Diefes alles fehlt dem Quacksalber. Er steht nicht am Sterbebette, steht bei keiner Leiche, sieht die Kranken selten, kennt sie oft nicht von Angesicht, vielleicht nicht einmal ihre Namen, er hat für die Brunzgläser die Mittel gegeben, und wenn bei dem nächsten Sack voll, welchen eine alte Frau ihm bringt, eines fehlt,und es heißt, der sei gestorben, er weiß nicht mehr,wer es war, noch viel weniger, ob sein Leben irgend eine Bedeutung hatte. In gar vielen Fällen gibt er Mittel, und vernimmt nie, ist der Patient gestorben,oder lebt er noch, und kümmert sich auch nicht darum.Da ist also keine Theilnahme, kein inniges Verband,er sieht nie, wie viel werth ein Leben ist, wie übel der Tod geht. Zuweilen wohl kömmt eine Tochter mit verweinten Augen, ein Mann mit fehlendem Athem, aber die Fälle sind selten. Quacksalber gelten im Allgemeinen mehr in der Ferne als in der Nähe, und aus der Ferne her kommen selten die Leute der Kranken selbst,sondern Andere, die schon da gewesen, den Weg wissen, ja, es gibt immer solche, die zu eigentlichen Boten sich aufwerfen, ein ordinair Pöstlein daraus machen, eine Art Lebensverdienst. Darum sind dem Quacksalber die Leben auch so gleichgültig, sein Gewissen springt ihm nicht auf in seinem Leben, höchstens scheut er die Obrigkeit, sonst wäre ihm recht, wenn ihm recht viele stürben,denn destomehr würde dann von ihm geredet, desto berühmter würde er, desto größer auch sein Zulauf. Aber was dieses Leben nicht aufsprengt, das sprengt dann Gott auf mit selbsteigener Hand, wenn er anzunden will in selben der ewigen Reue Höllenfeuer.

Und wie die Herzen bluten, wenn ein liebes Leben erlischt.Ich weiß es nicht, wenn der Gütterlidoktor an des armen Kindes Leiche gekommen, ob da nicht seine Vermessenheit erschüttert, sein Frevel ihm sichtbar geworden wäre, wenigstens innerlich? Anne Bäbi faß da in sinnlosem Jammer, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wimmerte, weberte, daß es Steine hätte aufsprengen können, und wenn es redete, so waren es furchtbare Worte, die man fast nicht hören durfte.Meyeli flossen still die Thränen, es bezwang sich um Anne Bäbi's willen. Aber zu Jakobli, der auch gar weich und wehmüthig war und sagte, wenn er gewuüßt D mehr bigehrt; ob das wohl aäͤcht z'Straf syg, für e Hochmuth? sagte Meyeli manchmal: Wenn es vo wege d'r Großmutter ume zeige dörft, wie's ihm ums Herz wäre. Das Bübli hätte es manchmal böse gemacht und es hätte es nicht dörfe erzeige und da hätte es ihns duecht, es sei ihm fry nüt lieb. Aber in seiner Krankheit sei er ganz ein anderer gewesen und hätte es ihm erzeiget, daß er ihns noch für sein Mütti hielte und den Blick mit dem er ihns angesehen, könne es nie vergessen; so wie es in die Stube gekommen, hätte er ihm die Hand dargestreckt, und es hätte ihm nichts helfen können. Es duechs, es well ihm das Herz zerrLeißen und müsse es verbergen, es thue ihm das so weh, es möge es fast nicht erleiden. Hansli sagte nicht viel, aber wenn man ihn nicht wußte und suchen muhte, so fand man ihn auf dem Bänklein beim Stall,und wenn man ihn recht ansah, so sah man die Thränen durch die Furchen rinnen.

Mädi ging jammernd ab und zu und redete, wie das böse Gewissen es zu thun pflegt. Wenn das arm King nit vo dem Säftli g'ha hätt u wes ihm nit zum Docuter wär, g'wüß e Tag früher hätt es sterbe müße u emel g'wůß no z'halb meh lyde; aber für e Tod syg kes Krut g'wachse, u we öpper jung sterbe soll, su werd er mit alt; mi mög mache was me well, z'zwäͤnge si Vrsünge. Mi sött geng froh sy, we es King sterbe chön dor Uschuld, u“ wenn es öppe sys Sächli geha heyg uf d'r Welt, daß me si nit bruch es Gwusse mache. U sövli nöthlig thue wege me King möcht es nit, wo's ung'sinnet ja'no Mängs gächön. Die erste Nacht schlief wohl Niemand. So groß war der Jammer nicht, fo tief war das Weh nicht, als Jakobli an den Blattern lag; da war nur noch die Angst groß;aber in der Angst war noch Hoffnung, wenn aber der Tod kömmt und aus der Angst die Hoffnung nimmt,daun zerrinnet die Angst zu trostlosem Jammer und Weh. So eine Nacht in tiefem heißen Schmerz zugebracht, fliegt vorüber wie eine Nacht im Rausche der Freude. Man hört keine Stunde schlagen, man vergißt den Ort, wo man ist, man ist in einem andern Lande, und wenn der Morgen kommt mit seinem blassen Scheine, die Erde unsern Sinnen sich wieder aufdrängt,da ist, als kehrten wir zurück, wir werden bestimmter Zustände uns wieder bewußt, wenn der Tag sich uns aufdrängt mit seiner Pflicht. In des Tages Schein betrachtet man das Entschlafene, aufs neue rinnen die Thränen, aufs neue bricht der Jammer aus, dann wankt das eine zur Thüre hinaus dem Stalle zu, rin anderes ihm nach zur Küche, ein jedes wird durch seine Pflicht gerufen. Wo aber der Tag kömmt und die Pflicht ruft, und der Mensch merkt den Tag nicht, hört den Ruf der Pflicht nicht, da droht große Gefahr.

Meyeli hatte sich aufgerafft, den belebenden Kaffe bereitet, der nicht nur den Leib erfrischt, sondern auch dem Geiste einen Halt gibt, ihn gleichsam wieder auf die Füße stellt; allerdings auch eine Art Opium, aber eine auffrischende, keine Kraft und Leben verzehrende Art desselben. Jakobli hatte das kleine Meyeli besorgt,es aufgenommen, das todte Brüderchen ihm gezeigt.Aber dasselbe hatte sich alsbald von ihm abgewendet mit einem Dureli (einem zum Weinen verzogenen Gesichte). Die guten Eltern machten ebenfalls eines und herzten das lebendige Kind, im Glauben, es theile ihren Schmerz, es weine ums gestorbene Brüderlein; ihre eigenen Empfindungen meinten sie zu lesen auf des Kindes Gesicht. So liest gar oft der Mensch auf fremdem Gesicht nur das, was im eigenen Herzen sich reget. Das gute Kindlein wußte ja nicht, was Tod,was Leben war, seines eigenen Daseins war es sich nicht bewußt, geschweige denn, daß es das Schwinden eines andern begriff; aber es wußte, was das Brüder-chen im Leben ihm war, es war ihm die feindselige Macht, welche ihns schlug, ihns vertrieb von der Großmutter Schooß, ihm nahm, was ihm gefiel. So machte es jetzt sein trübselig Gesichtchen, aber nicht aus Schmerz über den Tod des Brüderchens, welches es noch in voller Kraft glaubte, denn daß so eine Kraft enden könne, wußte es nicht; sondern aus Furcht vor ihm und dessen Gewalt; als es von ihm sich wegkehren konnte, läͤchelte es so freundlich die Mutter an und schmiegte sich an ste, daß auch aus ihrem dunkeln Herzen ein Strahl der Wonne blitzte.

Aber diesem allem achtete Anne Bäbi sich nichts.Bald war es in stummem Weh befangen, aus welchem plötzlich Töne brachen, bald einem wilden Geschrei, bald den Ausbrüchen des tiefsten Schmerzens gleich; dann riß es das iodte Kind an sich, küßte es, wollte es

Aune Bäbi. U. 11 aufwecken, und wenn es todt blieb, so ergoß es sich in Lasterungen und Redensarten, welche den andern die Haare empor trieben. Umsonst sprachen alle ihm zu,Imfonst wollte Meyeli es zu Speis und Trank bereden,beides stieß es von sich, geberdete sich als ob mit dem Kinde Hinmmel, Heil und Seligkeit ihm versunken sei.„Dü mußt denk gah agäh ünluege we mes v'rgrabe chont, sagte Hansli zu Jakobli, u de wird me müße heiße z'Lycht cho.“ „Muß ih gah? fragte Jakobli.Däych wohl, sagte Hansli, es schickt si neue nit angers. Wer laht taufe, muß dieses o bifehle, er muß es lah i d's heilig Wasser trage u is heilig Grab, es lah yschrybe für d'Welt und o für d'Euigkeit (Ewigkeit).“ Jakobli legte ein schwarzes Halstuch um, nahm den schwarzen Hut hervor; aber ehe er ging, mußte er noch einmal zum Bettchen stehn, mußte von Herzen sich ausweinen, dann erst konnte er gehen. Es war ein schwerer Gang. Die ganze Welt schien ihm schwarz wie sein Halstuch, aber noch schwärzer ward es in seiner Seele. Diese schien ihm, während er das einsame Weglein den Weiden nach zum Pfarrhaus hinabging, sich umzuwandeln in einen finstern weiten Saal,schwarz behangen ringsum, und ringsum setzten sich schwarze Richter, nur der Oberste fehlte. Und die schwarzen Richter erkannte er nach und nach alle, es waren seine eigenen Gedanken, die körperliche Gestalt angenommen hatten und jetzt über ihn zu Gerichte saßen, und diefe Gedanken zeugeten alle gegen ihn und flagten ihn an. Sie klagten ihn an des Neides gegen bracht, des heimlichen Zornes, der Schadenfreude bei wüstem Thun desselben, den Hoffnungen, die Mutter werde ihre Thorheit noch erfahren müssen, des Wunsches, etwas recht Ungattliches möchte der Mutter die Augen öffnen. Diese und viele andere Klagen erhoben sich gegen ihn. Alle diese Gedanken waren nur flüchtig gewesen, dem Scheine eines Blitzes gleich, geglitten uüͤber die Oberfläche seiner Seele, waren entschwunden,wie sie entstanden, hatten weder den Grund berührt noch einen Eindruck hinterlassen, er hatte sie kaum erkannt, so schnell versanken sie oder verflüchtigten sie sich wieder; aber jetzt saßen sie alle da, sichtbar, kenntlich gestaltet und klagten des Frevels am Leben seines Kindes ihn an, daß er den Tod herbei gewünscht,heimlich an ihm sich versündigt, der geheimen Sünde offene Strafe sei der Tod gewesen. Alles war wider ihn und noch der Undankbarkeit ward er angeklagt, daß er die Liebe, welche er auch genossen, nicht einmal dem eigenen Kinde gegönnt, und es war ihm, als stünden die schwarzen Gestalten auf, harreten des obersten Richters, öͤffneten den Mund zu einem dreifachen Weh über den unnatürlichen Vater. Da saß plötzlich auf dem obersten Richterstuhle in hellem Glanze sein gestorbener Knabe, lächelte mit dem süßen Lächeln, mit welchem er sterbend den Eltern gelächelt und winkte mit dem Händlein den dunkeln Richtern; da versanken sie, Gespenstern gleich, welche der Strahl der Sonne getroffen;er läächelte noch einmal freundlich winkend ihm zu, bot dann sein Händchen einem freundlichen Engel, der bei ihm stund und entschwand. Jakoebli wußte lange nicht recht, hatte er geträumt oder ein Gesicht gesehen. Aber es graute ihm allemal, wenn er davon erzählte, wie seine Seele zur schwarzen Richterkammer geworden und seine flüchtigsten Gedanken verkörpert zu Richtern. Er sagte oft, es nehmte ihn Wunder, ob dann eigentlich in jeder Seele eine solche Kammer sei, und was für viele und schreckliche Richtergestalten da sein müßten,wo die Menschen längs Stück nichts dächten, als wie sie einander schaden und tödten könnten, wenn bei ihnen auch jeder Gedanke zu einem leibhaftigen Richter wüůrde.

Es war des Morgens zeitlich, als Jakobli ins Pfarrhaus kam. Der Herr war etwas unwohl, noch im Bette, daher brachte Sophie den Jakobli ins Eßstübchen, wo sie eben am Frühstück saßen. „E myn Gott,sagte die Frau Predikantin, als sie das schwarze Halstuch sah, wer ist euch gestorben? ich hörte gar nicht,daß Jemand krank bei euch sei.“ „Z'Bübli,“ sagte Ja

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464 kobli, und 'weinen kam ihn wieder an, daß er längs Stuck kein Wort sagen konnte. „E aber, was ihr nicht saget! sagte die Frau, das lustig Bubeli mit den schönen rothen Backen und dem Krufelhaar, e aber,was het ihm g'fehlt?“ „E grusam Halsweh, sagte Jakobii, es isch es schröckligs Luege g'si, es het eim duecht, mi sött ihm könne helfe, n het notti nit könne,u das het eim fast z'Herz welle z'rschryße.“ „Heyt d'r nuüt g'macht, kei Dokter brucht?“ „Wohl, mir hey,sagte Jakobli. Mir hey Züg g'ha, da vo dem Borühmte,wob y Sach i ne re Gütlere g'seht, u es wär recht g'st,yKung het ne b'sungerbar gern g'no. Aber es het nüt g'hulfe, es wird so ha sölle sy, daß er nit d'rvo chunt,u wene Sach sy soöll, was wett me da chönne mache?Aber notti geyt es eim grusam hert, un es duecht eim,mi chon si fast nit dry schicke.“ Die Frau Pfarrerin dankie dem lieben Goti, daß ihr Mann noch im Bette alle Mal sehr heftig wurde. „E sedere Totsch, e jedere Uflath, wenn er öppis v'rung'schicktet oder öppis schlechts g'macht het, chunt u seit, es wird so ha sölle sy, u ba ist de nut z'mache, mi wird si müsse dry schicke,und damit sind sie getröstet und fertig“, pflegte er zu digten, sehr oft in den Unterweisungen, aber er klagte noch öfter, es sei, als ob man an eine Mauer rede,und die Worte dagegen prätschten an dem steinhart gewordenen Vorurtheil ab wie Flintenkugeln an einer Mauer von Solothurnersteinen. Die Frau Pfarrerin lenkte daher rasch ein, ehe ihr Herr dazu, oder der Vikar in Zug kam, der nichts dagegen gehabt hätte, daß das Unglück bestimmt und ihm nicht zu entrinnen gewesen, der aber dann dasselbe ausgelegt hätte als ein Gericht Gottes, einen Ruthenstreich zur Mahnung, wie Noth Buße und Bekehrung sei. Frauen haben darin großes Geschick, und nicht nur die Hoffährtigen, sondern auch noch andere, es ist, als wenn sie es in sich fuüͤhlten, wie in jedem der anwesenden Herzen ein Wort anklinge und als ob sie jedesmal appartige Eingebungen I 9hätten, was für Worte sie den vorangegangenen nachzusenden hätten, damit es keinen Mißton gebe, sondern einen manirlichen Akkord. Sie sagte: „wie könnt ihr mich dauern, ihr alle, aber b'sunderbar die Großmutter,die hat so große Freude an dem Kind gehabt, das Herz im Leibe hat ihr allemal gelacht, wenn sie nur von ihm reden konnte, das wird die hart halten.“ „O schröcklig, sagte Jakobli, und das macht uns auch noch Kummer, man kann sie gar nicht trösten, sie will nicht einmal essen, nicht einmal Kaffe hat sie genommen, und stößt Reden aus, es wird einem ganz Angst dabei,man weiß nicht einmal recht, was sie meint, und muß förchte, es könnte ihr noch letz i Kopf cho, Gott b'hüet is d'rvo.“ „Wir wollen nicht hoffen, sagte die Fran Pfarrerin. Ihr habt so ein lustigs Meiteli, sie vergißt es öppe ob diesem, und wenn sie das gut arm Bübeli einmal nicht mehr sieht, so wird sie sich schon darein schicken.“ Er wisse es nicht, sagte Jakobli, d'Mutter faß z'Sach gar teuf u hert i Kopf, und wenn einmal eine Sache darin sei, so sei sie drin, und schwer sei es,sie vor ume z'bringe. „E, mi well öppe geng zBessere hoffe,“ sagte die Frau, und Jakobli verrichtete sein Geschaäft und ging daun noch zum Todtengräber, ein Grab zu bestellen, zum Tischmacher für einen Sarg, zum Schulmeister für eine Leichenrede. Da erfuhr er es,was schwere Gänge sind im Leben. Er hatte deren auch schon gethan, wie er meinte, aber gegen diesen wog keiner etwas. Es war ihm, als trage er ein Kreuz und das werde so schwer, daß er einsinken müsse darunter, und Niemand sah er, der es ihm abnahm. Und wenn ihn die Leute schon frugen: „E aber Jakob, was het's gäh?“ und er b'richten mußte, und sie trösten wollten, so machte das sein Kreuz nicht leichter, sondern jeder Bericht, den er geben mußte, schien demselben einen Centner beizulegen. Und doch war auch das noch nicht der schwerste Gang, der Gang zum Grabe war noch schwerer. Es war ume es King, aber als es ihm versenkt wurde, da schien es ihm, als versenke man ihm alles, es war nicht blos sein Kind, es war sein Stab, seine Stütze, an dem er sich aufgerichtet, und sein Leben schien ihm wieder zusammen zu sinken, wie ein Körper zusammensinkt, dem der Geist entwichen.

Wie ein Vikar in Harnisch kömmt, ein Pfarrer auf die Beine und eine alte Frau um den Verstand.Das Gespräch der Frau Pfarrerin mit Jakobli hatte tiefer eingeschlagen, als irgend wer dachte: es hatte den Vikari gefaßt und ließ ihn nicht los.

Er war hier in einer unheimeligen Stellung, diese drückte ihn immer mehr, ward ihm immer peinlicher.Der alte Herr und seine Gemeinde waren ein Hirt und eine Heerde, in freundlichem Vertrauen so recht innig zusammengewachsen, Kinder, welche er getauft, saßen im Gemeinderath, Kinder, die er unterwiesen hatte, waren Großväter und Großmütter geworden. Sie hörten ihm mit Andacht zu, er mochte predigen oder sonst reden, hielten große Stücke auf ihm, und wie es dann so geht, neben ihm galt ihnen kein Pfarrer etwas.„Wenn üse scho afe e alte isch, su thut er se doch no all dür, m'r tuschete ne nit a nes Dotze dere junge Gumpine (Springinsfeld), wie me se jetz het.“ Das ist ein Zug in den Gemeinden, der sein Schoönes, aber auch sein Gefährliches hat, schon der Apostel Paulus macht darauf aufmerksam.

Ist ein junger Mensch nicht geistig todt, so schwillt seine Brust während der Studienzeit; je mehr er lernt,desto mehr drängt es ihn zum Handeln; was seine Seele erschaut, will er hinaussetzen in die Welt, will die Ideale verkörpern im Leben. Wenn der Junge aus dem Kadetenhaus kömmt, will er ein Held werden, wie die Welt seines Gleichen noch nicht hatte; wird aus dem Student ein Vikari, so träͤumet er sich so gerne als Siegrist bestellt, dem tausendjährigen Reich einzuläuten,ihm Thür und Thor zu öffnen. Aber zwischen einem Kadeten und einem Vikari ist ein großer Unterschied.Der Kadet muß dem Lieutenant, dem Hauptmann, dem Oberst pariren, muß sich selbst tüchtig einreiten, fummeln dafsen, ehe er selbst andere fummeln darf, Der Vikar aber weiß gar nicht, was er vorstellen soll, bald soll er Lieutenant, bald Hauptmann, bald Oberst sein,und weil er es nicht weiß, was ist natüurlicher, als daß er am liebsten Oberst wäre, und daher auch meint,er muüsse es sein? Ebenso weiß der Pfarrer nicht, für was er ihn halten soll, aber eben so natürlich ist es,daß er selbst am liebsten Oberst bliebe, und den Vikar hielte für das, wozu er sich schickt, oder was ihm,dem Pfarrer, am komodsten wäre, entweder für Kadet oder für Hauptmann. Daraus entstehen nun die fatalsten Verhaältnisse, weil die Selbsterkenntniß selten ist,welche richtig urtheilt, wozu man selbst passet und wozu der andere passei; diese Selbsterkenntniß haben Professoren nicht, wie sollte man sie einem Vikari zumuthen,oder einem alten Pastor, der sein Lebtag nie Professorenmuggen gehabt, d. h. sich nie beifallen ließ, sich einzubilden, er sei Holz für einen Professsßr. Nun mag es oft gefchehen, daß allerdings ein Vikar zur Entfaltung aller seiner Thatkraft berufen wird, und da geht es oft strub genug zu und manchmal auch vortrefflich. Aber wiederum eben so oft steht der Pfarrer wirklich geistig an der Spitze der Gemeinde, und kräftig, der Zusammenhang ist durchaus ungestört, nur zu einzelnen Verrichtungen fehlen ihm die Kraäfte, oder seine Kräfte bedürfen einiger Erleichterung, seine ganze Konstitution bedarf größerer Ruhe. Das scheint nun so einem thatenschnaubenden, heldendurstigen Jüngling eine graßliche Lage, statt daß sie einem kindlich frommen Gemüthe,welches gerne in der Stille sich kräftigt und Erfahrungen sich sammelt, eine herrliche ist, eine Gelegenheit, so in aller Stille hineinzuwachsen in des Volkes Herz und Sinn, eine Gelegenheit, nicht nur im Hebräisch sich zu ermannen, sondern auch unvermerkt zum Verständniß des Volksgeistes zu kommen und wo derselbe das Loch hat, durch welches man ihm beibringen kann, was man 168 auf hebräisch gelernt und homiletisch z'weglegen kann.Er will wirken, handeln, seine Jugend nicht versäumen, und der tolle Wahn sticht ihn, wenn er nicht reder könne, so könne er auch nichts lernen, als ob ein ieutenant nicht eben einen guten Obersten mangelte,um ebenso ein Oberst zu werden. Nun geschieht dreierlei. Es gibt deren gutmüthige Seelen, bie sich an wenigem ersättigen. Sie befehsen den Schulmeistern alle drei Wochen, die Bänke in den Schulstuben anders zu stellen, lassen den Siegrist etwas länger läuten, und ändern etwas in dem Admittiren, einmäl auf Pfingsten,ein andermal auf Weihnacht, und würden es komod finden, die Unterweisungen des Abends zu halten. Indessen, da es nicht geht, hintersinnen sie sich nicht,sondern reden mit vieler Behaglichkeit von den neuen Organisationen, welche sie getroffen, und erwarten mit großer Ruhe ihre weltverbessernden Folgen. Andere sind ungenügendern Geistes und streben tiefer, sie wollen wirken, nicht nur unter Schulbänken und Tischen, sondern auch auf die Gemüther, sie wollen fußen, wurzeln in der Gemeinde, wollen etwas für sich sein. Das gelingt ihnen aber nur, daß sie sich zwischen den Pfarrer und die Gemeinde drängen, den Zusammenhang zu stören, ihre Person an die Stelle seiner Person zu stellen suchen. Sie sind sich dessen sehr oft nicht bewußt,denn es ist gar zu schwer, immer klar zu wissen, ob man gründlich die Sache fördern möchte oder sich selbst,ob, man Gott oder einem Götzen dienet, und zu solchen Götzen stempeln sich oft die, welche so schöͤne Manieren haben, oder so geistliche, daß man nicht genug luegen kann. Das gibt böses Blut, verbittert manchen alien Tag, erzeugt manche Klage. Oft geht es einem solchen,so wie einem Eifenwecken, den mañ da einschlagen will,wo das Holz am besten verbunden ist, er zieht nicht,er springt zurück, mit dem Unterscheide, daß dann ein Eisenwecken stumm auf dem Rücken liegt, ein Mensch sich aber grausam gebehrdet, davon läuft, und die Welt voll brüllet, es sei nichts zn machen, wie ja heut zu Tag auch jeder Hausirer, jeder Häͤfilimacher sich Plätzen 41*abklagt, wie nichts mehr zu machen sei. Freilich geschieht es ebenfalls, daß ein Pfarrer erst erwacht, wenn ein anderer in der Lücke steht, in welcher er eingeschlafen, dann will er auch wieder kämpfen um seinen Pfosten und leider Gottes geht es auch da nicht gut.Es handelt sich da nicht um Personen, sondern um ein Reich, und leider Gottes vergessen das nur zu viele,oder meinen vielmehr, des Reiches Heil hange davon ab, ob sie Hauptmann seien oder Oberst, und das geht nicht nur Vikarien so, oder Pfarrern, weiche Vikarien haben, sondern noch ganz andern Prinzen.

Es gibt aber noch eine dritte Art, scheinbar zwischen beiden inne, die ist stein unglücklich. Die von dieser Species sehen tiefer als die von der ersten, Bagatellverwaltung genügt ihnen nicht, sie wollen mehr, sie wollen aus dem Vorhof ins Inwendige, aber wiederum nicht in ehrwürdigem Geleite, haben aber das Herz nicht, den Wächter wegzustoßen, haben die Energie nicht, sich zwischen ein zu stellen, sie quellen über in innerlicher Bitterkeit, aber es quillt eben nur, zu Thaten wird es nicht. Sie verzehren sich in innerem Groll,sehen die Welt durch einen Gallensack und kaufen sich Kautschukschuhe, damit, wenn von wegen den Sünden die Sündfluth wieder komme, sie doch nicht naß um die Füße würden. Dieser Art war auch unser Vikari.Er focht den Pfarrer nicht an, aber innerlich focht er desto mehr in Gedanken, in der Gemeinde setzte er ihn nicht herab, aber seinen Freunden klagte er schüli über seine innerlichen Krämpfe und seine äußere Gebundenheit. Zum allgemeinen Verhältniß kam noch ein besonderes, eine Verschiedenheit in den Glaubensansichten,die auch sehr oft eine verschiedene Ansicht vom Leben erzeugt, oder auch von einer verschiedenen Ansicht des Lebens ausgeht. Denn das ist der Gugger, daß man so oft nicht weiß, was das erste, was das zweite ist,was vorangegangen und was hintennach gekommen.Schade, daß dieses so wenige wissen. Potz Tüfel, was gäbe dieses für verblüffte Gesichter! Der Pfarrer war rin gutmüthiger heiterre Mann, um Glaubensformen zankte er nicht, aber in Glaubenswerken eiferte er mit jedem; wie fromm er war, wußte Gott; die Menschen hätten es ihm nicht angesehen. Gegen die Menschen war er milde und je milder, um so niedriger sie stunden, jedoch konnte er gegen Unvernunft sehr heftig werden und um so heftiger, je höher herab sie kam; auch über der Armen Trägheit und Unverschämtheit ereiferte er sich oft, nebenbei aber gab er ihnen reichlich und mehr als er selbst billigte.

Anders war der Vikar. Er hielt nicht viel auf den Werken, von wegen man wüßte nie wie grob sie mit Sünden befleckt seien, sagte er, aber auf der Rechtgläubigkeit hielt er viel, und wollte nie glauben, daß man über die Rechtglaäubigkeit verschiedener Meinung sein könnte. Auf den, welcher nicht rechtgläubig wie er war, sah er recht kalt und vornehm herab, predigte übrigens oft von der christlichen Demuth und bußfertiger Zerknirschung. Den Armen kappete er tüchtig ab wegen Mangel an Arbeitsamkeit und Frömmigkeit, und eben deßwegen gebe er ihnen nichts, sagte er, er wolle ihre Sündhaftigkeit nicht verstocken helfen, aber wenn sie sich besserten und bekehrten, so würde Gott selbst ihnen Mittel und Wege zeigen, wie sie sich helfen koönnten. Er jammerte, daß die Welt so im Argen liege,und wußte Punktum warum, es fehlte an aufrichtigen Bekennern, und deßwegen bekannte er sich Tag für Tag vor den Menschen und bot allem auf, daß man ihm ansehe, wer er sei und was er glaube. Es wollte ihn fast versprengen, daß er nicht wirken konnte nach seinem Sinn für das Reich Gottes, daß durch das Verhältniß des Pfarrers zu seiner Gemeinde Hände und Füße ihm gebunden waren, und doch war er zu gutmüthig, etwas gewaltsames zu versuchen und appartiges. Das Verhältniß mit Pulver zu sprengen oder dasselbe zu unterminiren mit Zeit und Feinheit, dazu war er von Haus aus zu ehrlich, und wenn man ihn zum letztern auch anleiten wollte, so begriff er's nicht.Er war daher stein unglückkich. Wenn die Brüder erzählten, was sie wirkten, wie weit sie es gebracht mit dem Reiche Gottes und wie manche Seele sie bereits darin hätten, und er konnte nichts erzäͤhlen, hatte nichts gemacht, nichts gestiftet, nichts, kein appartig Kirchlein aufgerichtet und mit so und so viel Seelen besetzt, so schämte er sich. Mau klagte ihn der Lauigkeit an, stifeite ihn auf, die Sache nicht länger gehen zu lassen,der Heiland sage ja, er sei gekommen, Krieg zu bringen und nicht Frieden. Es heiße ja, wer Vater und Mutter mehr liebe als ihn, sei nicht sein, und so ein alter Pfarrer sei noch lange nicht sein Vater oder seine Mutier. Dann kam er stürmisch heim, machte saure Gesichter, ging der armen Sophie aus dem Wege sieben Schritte weit, als ob sie der Schwarze selber waäre,und gab dunkle Bescheide, von denen man nicht errathen konnte, was darin stecken sollte, aber zur Thätigkeit, zum Stiften kam er nicht, zum Obrist ward er nicht; machte sich aber beständig Vorwürfe darüber,war stein unglücklich, denn er meinte es ehrlich. Hier hättest du anfangen können, da bot dir der Herr felost das Heft, dort wollte sich dir eine Seele aufschließen,“ so stuckete er beständig mit sich, quälte sich mit Vorwürfen, aber im gegebenen Momente erkannte er die Gelegenheit nicht, erst nach einigen Tagen gingen ihm die Augen gewöhnlich auf das eben hielt er für sein Unglück.

Er hatte sich übel geärgert, wie früher der Pfarrer das Anne Bäbi getröstet, wie er die Gelegenheit versäumt hatte, dessen Seele zu zerknirschen, überhaupt hatte er so oft seinen heiligen Aerger, weil es ihm vorkam, der Pfarrer gehe nur so auf flache leichtfertige Weife mit den Menschen um. Ictzt war Anne Bäbi wieder in einem solchen Zustande, seine Seele gebeugt,die Bußzucht Gottes so augenscheinlich, daß es ihm mehr und mehr vorkam wie eine besondere Fügung,wie ein Ruf Gottes an ihn, daß er dieser Seele sich annehme, sie rette. Wenn es ihm hier gelänge, so würden an das eine Werk sich vielleicht hunderte reihen, vielleicht auch sei der Same schon lange im Boden, haätte Wurzel gefaßt, harre nur der günstigen

Stunde, harre nur eines entscheidenden Schrittes von seiner Seite, um aufzugehen. Solche Gedanken gingen in ihm herum und mit ihm, er kämpfte gegen sie, ernährte sie wieder. „Soll ich es wagen, oder ist's nur eine Versuchung?“ so ging es des Tages so oft in ihm auf und ab. Denn er war von Nalur auch in weltlichen Dingen sehr unschlüssig und konnte oft Stunden lang angezogen am Fenster stehen, werweisen, ob es regnen werde oder nicht, ob er gehen solle oder daheim bleiben, und am Ende beim schönsten Wetter Hut und Stock wieder in die Ecke stellen, um sich Zeit zu lassen zum b'sinnen bis am folgenden Tage. Ucberdieß hatte er nichts Zudringliches, weder Süßliches noch Freches,sondern er war schüchtern, redete ungern Leute an,machte oft einen Umweg, wenn er Leute vor einem Hause sitzen sah, nur um ihnen nicht die Zeit wünschen zu müssen und konnte er sie nicht umgehen, so wurde er roth, wenigstens allemal verlegen. Man kann sich jetzt vielleicht vorstellen, wie es in ihm kämpfte, wie er mehrere Male ausging mit dem bestimmten Vorsatz, zu Jowägers zu gehen, wie unwillkürlich seine Schritte sich seitwärts lenkten, und er heim kam, ohne etwas verrich-tet zu haben. Er machte sich dann die heftigsten Vorwürfe, faßte den bestimmtesten Vorsatz auf Morgen, und Morgen ging es ihm eben so. Das Ding erwerchete ihn immer strenger, es kamen ihm, der sonst nie träumte,sogar Träume. Einmal sah er Anne Bäbi, das winkte ihm immer ängstlicher, immer drunglicher, und als er nicht ging, dünkte es ihn, als hebe es die Hand auf wie zum Fluch. Er erwachte, in Schweiß gebadet,bebend am ganzen Körper. Selben Tages führte er endlich seinen Vorsatz aus. Er war ind Verlegenheit gewesen was er gleich anfangs sagen wolle, warum er käme, ob er einen Vorwand brauchen, oder den rechten Grund, daß ein Traum, vom Herrn gesendet, ihn hieher gewiesen.

Er traf den Alten auf seinem Bänklein, wo er so oft absaß, wenn sein Herz schwer war, und schweigend in den Himmel schaute, bis das Herz ihm leichter ward,doch dießmal wollte es nicht leichter werden. Das Bübeli dauerte ihn grusam, es waäͤre doch noch e Gute worde, das hätt me i de letzte Stunde dütlig g'seh.Dann machte ihm Anne Bäbi grusam Angst, und sie wußten nicht, was mit ihm vornehmen. Es saß da,und nahm sich allem nichts an, und hätte nicht gegessen, nicht getrunken, wenn man es ihm nicht aufgenöthet; bald brach es in Weinen aus, bald redete es,man wußte nicht, was, ob mit sich selbsten oder mit dem seligen Bübchen. Des Nachts konnte man es nicht zu Bette bringen, und war es im Bette, so hatte es weder Wols noch Ruhe, stand alle Augenblicke wieder auf.

Als der Vikar unerwartet vor Hansli trat, erschrak dieser, stand verlegen auf und wußte nicht, was das zu bedeuten hätte. Da erzählte ihm der Vikar, was ihm Gott gleichsam befohlen hätte und was er für einen wunderbaren Traum gehabt und fragte, wo die alte Frau sei. Darüber verwunderte sich Hansli auch und sagte: „He nu so de, ebeso mähr! Sie ist dinne, chömet yche!“ Unterwegs setzte er noch hinzu: „es het das geng so g'ha, es ist ihm geng alles wohl starch i Kopf cho, mi het si müße i Acht näh.“ Damit ging er voran ohne Komplimente, und überließ dem Vikari den Kummer, nachzukommen. „Lue da ist d'r Vikari,“sagte er in der Stube zu Anne Bäbi, das an der Sielle saß, wo das Bettchen des entschlafenen Knaben gestanden, die Hände im Schooße, erbärmlich seufzte.Anne Bäbi nahm wenig Notiz von ihm, die fremdartige Erscheinung riß es nicht aus seinem Gedankenkreise. „Hokit ab, sagte Hansli, wenn d'r neue Cirgendwo) cheut.“ „Ihr habt ein schweres Unglück gehabt,sagte der Vikari, aber man weiß nie, für was eine Sache gut ist, und solche Heimsuchungen findet der Herr nöthig, die Menschen aus Schlaf und geistigem Tode zu erwecken. Ja, denket, Frau, der Herr schickt mich zu euch. Heute in der Nacht im Traum sah ich euch, fast so wie ihr da sitzet, aber ihr winktet mir.Habt ihr vielleicht in euerm Herzen ein Verlangen nach mir gehabt?“ Anne Bäbi, das, als es vom Unglück hörte, zu weinen angefangen, schüttelte auf diese Frage den Köpf. „Daraus kann man absehen, sagte der Vikari, daß der Ruf um so bestimmter vom Herrn kam.Ja, gute Frau, er selbst schickt mich zu euch, eure Seele zu retten, die sonst ewig verloren gehen müßte.Da hat der Herr, der nicht den Tod des Sünders will,sondern daß er sich bekehre und lebe, noch das Letzte an euch versucht; darum, jetzt, wo ihr seine Stimme höret, verstocket eure Ohren nicht. Gället, das Knäbli habt ihr sehr lieb gehabt, es ist so euer Eis und Alles g'si?“ Da brach Anne Bäbi in lauten Jammer aus:„O Bübli, mys Bübli, wo bisch, ih wott zu d'r, ih chume, ih chume.“ „Ja, seht, Frau, das ist eben die Liebe, die ich meine, welche eine so große Sünde ist,es heißt: „du sollst den Herrn deinen Gott lieben über alles,“ und jetzt habt ihr das Kind geliebt über alles und das war eine vermaladeite Abgötterei, denn das ist Abgötterei, wenn man etwas mehr liebt als Gott,und das Kind war euer Gott. Darum, weil der Herr euch nicht verstoßen, noch nicht ganz fallen lassen wollte,nahm er euch das Kind, um eurer Sünde willen mußte das Kind leiden und sterben, eure sündliche Liebe ist Ursache seines Todes. Der Herr wollte euch die Augen öffnen, wie es einem geht, wenn man sein Herz an eiwas vergängliches hängt und wollte euch zeigen, daß er der Herr sei, der Leben gibt und den Tod sendet.Hättet ihr das Kind weniger geliebet, es lebte wahrscheinlich noch, aber ihr machtet es zum Stein des Anstoßes und des Aergernisses, den der Herr wegräumte.Erkennet, wohin die Sunde führet, sie bringt einem um das Liebste, auch euch hat sie um das Liebste gebracht, erkennet es, thut Buße und bekehret euch. Ja,ja, Frau, bekehret euch, gerade ihr habt es am nöthigsten. Ihr seid auch von den Leuten, welche meinen,sie hätten es nicht nöthig, sie seien brave Leute, aber den rechten Glauben habt ihr doch nicht, ein Herz zu Gott habt ihr auch nicht, ihr liebet alles mehr als Gott, und wollt doch um eurer guten Werke willen in den Himmel, aber eure besten Werke sind ja mit Sünden befleckt, und eure, Gerechtigkeit wie ein unfläthig Kleid,und wenn ihr euch nicht bekehret, so seid ihr auf ewig verloren, auf ewig, denn es heißt ja, wer nicht wiedergeboren wird, kann das Reich Gottes nicht sehen. Ja Frau, denket, was ihr euch selber zugezogen habt, denket, vielleicht lebte euer Kind noch, wenn ihr bekehrt gewesen und es nicht so sündlich geliebt hättet, und daß euch der liebe Gott das Kind hat nehmen müssen, um euch zu bekehren, weil ihr, so lange ihr das Kind gehabt, keine Augen und Ohren für ihn gehabt hättet.Erkennet Gottes Gericht, vergesset jetzt das Kind, und denkt an eure Sünden und öffnet der aufrichtigen Buße eure Seele, jetzt, wo es noch Zeit ist, ihr wisset nicht,wie lange der Herr euch noch Zeit gibt, denn der Mensch ist wie Gras und die Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blume.“

„Je eher je lieber, heulte Anne Bäbi, hüt no, grad jetz, o mys Bübli, mys Bübli, un ih soll jetz no yschuld sy, daß g'storbe bisch, ih söll di tödt ha, u ha nih di doch so lieb g'ha, u d'r g'luegt Tag u Nacht,u jetz chunt me dä Weg.“ „Nit, sagte Hansli, das seyt ke Mönsch, du hest g'macht, was de chönne hesch u nüt g'fehlt, bis du ume z'friede.“ „Jä nein, mein guter Mann, z'friede soll eure Frau eben nicht sein,das wäre nur der Friede der Welt, und der ist der Tod. Sie soll weinen und wehklagen, aber nicht um das Kind, sondern über ihre Sünde, und daß das Gericht Gottes hat über sie auf diese Weise kommen müssen.Sie wird dem Kind gut abg'wartet haben, daran zweifle ich nicht, aber was half das? Wenn der Herr dessen Tod um ihrer Sünde willen beschlossen hatte, so kann man die Schuld am Tode eines Menschen werden,wenn man ihn auch mit keinem Finger anrührt und gerade Schuld am Tode derer, welche uns am liebsten sind.“ Er hülfs nit z'starch mache, sagte Hansli,als Anne Bäbi, wie man auf dem Lande sagt, grad use brüllete, als ob man es an einem Messer hätte.Es stach allerdings an einem Messer, aber an einem geistigen. Sein dumpfer, trüber, allgemeiner Schmerz,welcher wie ein schwarzer Nebel die Seele umhüllte und umnachtete, hatte sich ob diesen Reden in Bewegung gesetzt, und begann allmählig grausig sich zu verdichten und niederzuschlagen in den einen Gedanken:es solle Schuld sein am Tode des Bübchens, und wenn es nicht gewesen wäre, es lebte noch. Noch hatte dieser Gedanke sich nicht zu seiner zweischneidenden tödtlichen Schärfe ausgebildet und eingebohrt, aber in formlosen Umrissen wogte er durch die Seele und erfüllte sie mit unaussprechlicher Trostlosigkeit, welche in einem bald lautern, bald leisern, wortlosen Wimmern und Webern sich kund that. Hausli tröstete immer strenger, es solle nicht so nöthlig thun, und z'Sach nit so schwer näh, es sei dem Vikari nicht halb so Erst wie er d'r glyche thüy. Dieser war in bedeutender Verlegenheit. Er wußte nicht, war Anne Bäbis Zustand eine geistige Zerknirschung, ein Vorbote anrückender Bekehrung, oder war es nur das Weinen einer dummen beschränkten Frau, sollte er jetzt die Wirkung ruhig abwarten, oder sollte er noch tiefer niederhalten. Daß er schon z'teuf (zu tief) gegriffen, davon hatte er keine Ahndung, und doch kam zu seiner Verlegenheit eine gewisse Angst, weil er diesen Zustand nicht recht heimzuweisen wußte. Er hatte wenig Erlebnisse, war noch niemals der sichtbar werdenden Bekehrung eines Menschen beigewohnt, aber er dachte sich, das werde wohl so gehen, das sei das Gähren des Sauerteiges, der Herr fange an zu wirken, das beste werde sein, ward er räthig, er warte das ab, und sehe Morgen nach,was sich heraus gebildet, und wie er noch nachhelfen könne. Er sehe, sagte er endlich, daß es doch noch ein Herz hätte für Gottes Wort, und nicht ganz verhärtet sei, er hoffe zu Gott, das werde alles gut kommen und es sich wieder erwahren, daß der Herr die, welche er liebe, züchtige, und daß die Züchtigung des Herrn wirke eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit. Sie wollten jetzt noch ein herzlich Gebet verrichten und dann das Werk dem Herrn überlassen, der so mächtig im Schwachen sei. Er betete, und wirklich herzlich, er meinte es gut und wollte eine Seele retten, aber eines gewissen Bangens mochte er sich nicht erwehren. Morgen werde er wiederkommen, sagte er. „He nu so de,ebeso mähr,“ antwortete Hansli. Er wanderte darauf den Weiden nach dem Bach entlang nach Hause. Vor einigen Jahren war den gleichen Weg der Pfarrer gewandelt, als er Anne Bäbi getröstet und aufgerichtet hatte nach Jakoblis Blatterkrankheit, welche Anne Bäbi sich zuschreiben, sie zu Gemüthe nehmen wollte. Heiter und freundlich war er den Weg hinunter gewandelt,hatte freundlich dem Spiel der Fische zugesehen auf dem klaren Grunde und fröhlich war es in ihm. Es war aber nicht die Fröhlichkeit des Selbstgefaälligen, der sich erst selbst lobt und preiset, dann noch Mann um Mann sich denkt, jedem Lob und Preis zwischen die Zähne legt, um das durch sich selbst dorthin gelegte Lob sich als ein fremdes zu pflücken und sich zu Gemüthe zu führen; es war ein wortloses freundliches Säufeln des Geistes, dem man keinen Namen geben kann, in dem Gott wohnet, das aber wie ein süßer Friedenskuß, wie ein Liebesblick des Himmels, unser Herz berührt und ein selig Lächeln auf die Lippen ruft.

Jetzt stürmt unser Vikar denselben Weg entlang.Auf dem klaren Grunde sieht er das Spiel der Fische nicht; die Disteln steht er dem Bache entlang, Kopf um Kopf derselben fliegt ins Wasser, schreckt die Fischlein auf dem hellen Grunde. Er lächelt auch, aber dann kömmt der Ernst wie eine düstere Wolke und legt sich über sein Gesicht; auf demselben sieht es aus, wie der Himmel aussieht im Aprilwetter. Er freuté sich seines Werkes, herrlich sei es ihm gelungen, den Zurder des Lebens in einen Todten zu werfen, eine schlafende Seele zu wecken. Wenn er nachstens zu den Brüdern komme, so hätte er doch auch was zu erzählen und es nähmte ihn Wunder, was sie dazu sagen und ob wohl einem von ihnen was Aehnliches gelungen. Und was daran sich knüpfen, was sein Werk für einen Fortgang nehmen, z'oPfarrers dazu sagen

Anne Bäbi. II. 12 - 178 werden, nahm ihn ebenfalls Wunder. Hatte er einmal diese Familie gewonnen, so hatte er den Fuß im Hafen,hatte einen Platz gewonnen zum Versammlung halten,fonnte da wie von selbst an einem schönen Abend sich einfinden, ang'fähr fanden sich auch andere ein, einer erbaute den andern, es gab herrliche Stunden, den Herrn zu preisen und zu loben, der aus kleinen Anfängen so großes werden läßt. An einen wunderbaren unerklärlichen Traum knüpfte sich hier das Heil einer ganzen Gemeinde, vielleicht auf Kinder und Kindes Kinder hinaus. Dann kamen wieder Zweifel gezogen über den Ausgang. Das Betragen der Frau schien ihm seltsam und ängstlich, und obögleich er fest glaubte, er werde mit Kräft und Gottes Hülfe die Sache zum rechten Ziel führen, so glaubte er es doch nur mit Anstrengung thun zu können. Dann ärgerte ihn Hausli mit seiner Kaltblütigkeit, und daß auch die andern eigentlich so wenig auf seine Worte gegeben, sondern nür ängstlich um die Mutter gewesen. Er dachte, wenn auch die alte Frau gewonnen sei, so werde es doch noch manch harten Kampf kosten, die, welche da gestanden wären, als gingen alle seine Reden sie nichts an, auf die rechte Bahn zu bringen; aber habe er einmal die alte beim Herrn, dann wollte er mit den andern z'weg, und wolle ihre Herzen zerreiben, daß sie würden wie Korn unter den Mühlesteinen.

So sahen ihn die Weiden am Bache; o, so Weiden sehen viel, wenn sie alles erzählen könnten, was an ihnen vorüber geht, und was über die Herzen weht,die an ihnen vorüber gehen. Was aber erst eine Eiche sehen mag, welche seit fünf- bis sechshundert Jahren an der gleichen Stelle steht und alles sieht, was des Weges geht, welche die Berner ausziehen sah zur Schlacht bei Laupen, welche sie sah, als sie nach Neueneck zogen, welche sieht, wie sie jetzt nach Wangen ziehn,einem Fischlein nach, oder sonst was Eßbarem, welche hin und her ziehen sieht, Große und Kleine, Alte und Reue, Buben und Mädchen in wichtigen Dingen und eitelm Treiben, Aufgeblasene und solche, die aus dem letzten Löchlein blasen. Wenn so eine Eiche an der Freiburgstraße z. B. zu reden und zu erzählen begönne, und die Nachricht käne auf Bern, wahrscheinlich auf die Zentralpolizei zuerst, es rede eine Eiche auf der Freiburgstraße, das würde einen« Klupf geben, der vom obern Thor bis zum untern ginge und auf dem Rathhause würde guter Rath theuer. Auf den Klupf würde es ein Geläuf geben, zu hören, was die alte Eiche rede,der neue Prediger in der Wüste, und alle schlottern,es möchte jetzt an ihre Voreltern gehen, jetzt an sie selbst, ihre Weiber und Kinder. Es würde Allarm im Lande geben und was sonst noch weiß Gott, wenn nicht etwa der Zentralpolizei-Direktor einen Einfall hätte, wie man die alte Eiche zum Schweigen bringen könnte. Noch aber reden glücklicher Weise die Eichen nicht; auch die Weiden am Bache blieben stumm, konnten nicht erzählen, was der Vikar gehabt, als er bei ihnen vorbei gestürmt; sie vernahmen es daher im Pfarrhause nicht. Der Vikar traute ihnen nie, und seit der Geschichte mit der Predigt vertraute er ihnen auch nichts mehr. Aber ein Zeichen thun mußte er doch; er lächelte daher zuweisen, als ob er etwas wüßte, dann zog er bedenkliche Mienen, ließ hie und da ein bedeutfam Wort fallen, von dem man gar nicht begreifen konnte, wie er dazu kam. Er ging höher einher, in einer seltsamen Würde, schnippte seine Worte gar seltsam hinaus, und wenn er einen Rock, mit Pelz verbrämt, besessen hätte, er hätte ihn bestimmt angezogen an selbigem Tage, trotz seiner Geistlichkeit. Je länger er von Jowägers Hause weg war, je dunkler Anne Bäbis Thun ihm ward, dessen Züge verschwammen,um so mehr war er überzeugt, daß ihm sein Werk gelingen werde. Er mochte daher den Morgen kaum ererwarten, bis er gehen, den Fortgang betrachten konnte.

Einen Fortgang sah er allerdings, aber welchen?

Bei Anne Bäbi hatte sich der Gedanke immer bestimmter gestaltet, immer tiefer gegraben, es sei Schuld am Tode des Kindes. Die dunkeln Mächte des Wahnsinns walten geheimnißvoll, sie kommen und gehen,woher und wie, ist unbekannt, ihr Walten geht über der Menschen Rathen, und wenn es auch Menschen zu gelingen scheint, einen Geist zu lösen, den sie gebunden, so hat Gott es gethaun. Auch steht es in meiner Macht nicht, einen Menschen in die Gewalt dieser Mächte zu bringen, ihn binden zu lassen mit des Wahnsinns füurchterlichen Banden; der Sterbliche kennt den Zauberspruch aicht, dem sie gehorchen, der sie ruft und fliehen heißt, diese Gewalt liegt in einer höhern Hand.

Aber es gibt Gemüther, die Jahre durch am Rande des Wahnsinns schwanken, Gemüther, über die nicht blos Begebenheiten, sondern auch einzelne Worte eine besondere Kraft üben, welche sie nicht beg'wältigen können, so daß dieses eine Wort gleichsam ihre Seele auf und niederpeitscht, in fieberhafter Schwingung sie erhält,und wie leicht geschieht es alsdann, daß über die üblichen Schranken die Wellen schlagen. Und das sind nicht etwa gräßliche, gewaltige Worte, es sind oft sehr unbedeutende Worte, Worte, welche man sonst nicht beachtet, aber sie schlagen zur verhängnißvollen Stunde in die Seele. Ihr könnet einen großen Theil dieser Leute daran erkennen, daß sie nie ganze Sätze zu begreifen im Stande sind, ihre Gedanken bleiben immer nur an einem Worte kleben, nur einzelne Worte bringen eine Wirkung in ihnen hervor. Aus ganzen Predigten wissen euch diese Leute nur einzelne Worte, die eben besondern Eindruck auf sie gemacht, aus einer ganzen Unterweisuug werden gewisse Kinder nie mehr als einzelne Worte wiedersagen können. Kanzelt Mägde ab, so gibt es welche, die euch fast z'Guggers machen,indem ihr es nie dahin bringen könnt, den Sinn und die Bedeutung einer Abkanzlete zu begreifen, sie hängen sich an einzeine Worte, schnappen diese auf, fangen an zu raisonniren, oder zu schreien und zu heulen, als ob ihnen ein Stich ins Fleisch gegangen, und diese Worte tragen sie bei sich herum, wie andere Leute was Rares, und weisen sie bei jedem Anlasse vor. Die einen geberden sich so aus Bosheit und Tüfelsüchtigi, aber andern ist es wirklich ihrer Natur gemäß. Es ist in ihnen eine Beschränktheit, von welcher man sich kaum einen Begriff zu machen im Stande ist, die wirklich nur ein Wort auf einmal fasset, unter dessen Macht sie kommen, wie andere unter die Macht eines gewaltigen tiefen Eindruckes, den man fast nicht zu beg'wältigen vermag. Zu diesen Leuten muß man sehen, und sie mit besonderer Rücksicht behandeln, wie man auch Leute schont, welche einen schwachen Magen haben, der nicht alles ertragen mag. Diese Schonung schwacher Seelen empfiehlt auch Paulus und geht darin mit eigenem Beispiele voran, und wo sie aqußer Acht gelassen wird, da nimmt die Zahl der Wahnsinnigen zu, vide Neutäuferei. Ich will nicht sagen, daß man die Gewalt habe, einen Menschen wahnsinnig zu machen, sobald man wolle, aber man kann doch Ursache werden vom Wahnsinn eines Menschen,dessen Möglichkeit man recht gut hätte voraussehen und also hätte meiden, unterlassen können, womit man ihn herbeigeführt. Das sei nicht gefährlich, wird man vielleicht sagen, unter hunderten begegne so was kaum einem. Möglich, aber wer weiß, was Wahnsinn ist,wird es begreiflich finden, wenn ich meine, es lohne sich wohl der Mühe, gegen hundert menschlich zu verfahren, um den Einen vor dem Zustand zu bewahren,welcher die Hölle auf der Welt ist. Möglich, daß so ein junger Kannibal von Mediziner oder Pictist nicht dieser Meinung ist, daß der eine sagt, auf so ein g'schi Bauernleben mehr oder weniger komme es nicht an,wo es sich um die Erweiterung der Kunst handle, und der andere, wo es sich um das Heil der Seele handle,komme es so auf einen Babiverstand mehr oder weniger nicht an, gölten keine Rücksichten, zug'fahren,heiße es. Möglich, daß so geredet wird, aber doch siher nur von medizinischen oder pietistischen Kannibalen.

Anne Bäbi hatte einen sehr schwachen Kopf und führte doch ein absolutes, despotisches Regiment, was öfters beisammen ist, als man glauben sollte, aber

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Exempla wären odiosa. Worte, Eindrücke, setzten sich A ihns und regierten ausschließlich das ganze Haus so lange, bis neue Eindrücke ber Worte die auten verdrängten, den Gedanken, dem Willen, eine andere Richtung gaben und die alten blieben um so länger, je mehr sie Widerstand und Widerspruch fanden; Widerspruch und Widerstand waren die zwei Hämmer, welche Worte und Eindrücke stärker in die Seele schlugen. Das wußte Hansli und that es nie,und doch erfuhr er es noch manchmal, wie einfache,hingeworfene Worte, Bemerkungen, wie Fenerteufel irten in Anne Bäbis Seele. Blos Mädi widerstritt Anne Bäbi, gleichsam dessen böses Prinzip, siegte aber eben deswegen nie aus eigener Kraft. Hansli wußte,wie teuf Aune Bäbi alles griff, und wie es durchaus machte ihm deßwegen oft Angst. Wenn was darnach käme, sagte er, es“käme Anne Bäbini Kopf, es wüßt ke Mönsch,wie, u de wurd's nit recht im Kopf, daß es ke Gattig häti. Davon und von der Eigenthümlichkeit des menschlichen Kopfes hatte der Vikari keine Ahnung, daneben war er grusam e G'schickte. Als er zu Jowägers kam und mit' dem Traum anfing, schwanete es (ahnete)Hansli gleich, es könnte nicht gut kommen, Anne Bäbi sünnte das 'teuf nehmen, er ließ darum auch einige Worte fallen, auf welche aber der Vikari mit seiner vorgefaßten Meinung und voll von der Wichtigkeit des bevorstehenden Werkes, gar nicht achtete. Als derselbe kam mit seinen Vorwürfen, so faßte Anne Bäbi von dem Sinn seiner sämmtlichen Reden nichts auf, als daß es Schuld am Tod seines Bübchens sei, daß dasselbe seinetwegen gestorben, und wenn es nicht gewesen wäre, so lebte es noch. Von Buße, Bekehrung, Wiedergeburt verstund es nichts, und ließ sich gar nicht träumen, daß es sich zu bekehren hätte, war es ja doch eine brave Frau, hatte nie mit einem andern zu thun gehabt, und gestohlen auch nicht, und in der Käfi war rs auch nie gewesen, und in eine Käserei gegeben und mit der Milch b'schissen, und mit dem Käser unter einer 2

Decke gelegen, war es auch nicht. Also Schuld am Tod des Knabchens war es, so sagten die Leute, sogar der Vikari kam expreß, es ihm zu sagen, ihm dem sonst Niemand etwas vorwarf, Niemand einer Sache es beschuldigte, als zuweilen etwa Mädi, aber nur verblümt und hälblaut. Das kam ihm teuf in den Kopf, und sein Wimmern ward lauter, seine Angst größer. Wenn das arm Bübli nicht eine selligi Großmutter gehabt hätte, so lebte es noch, man sollte es doch auch tödten,es verdiene nicht mehr zu leben, d'Mörder richte man,d'Landjäger würden wohl bald kommen und es holen,und es sei ihm recht, es sterb je eher je lieber, daß es wieder zu seinem Bübli komme. So begann es zu reden und immer deutlicher, je bestimmter der Gedanke in ihm sich ausbildete und immer ängster ward es seinen Leuten, sie kamen alle, ihns zu trösten, ihm zuzusprechen, ihm zu sagen, so was denke kein Mensch und es hätte den Vikari nur unrecht verstanden; aber es hoörte sie nicht, oder wenn es sich ihrer achtete, so sagte es, sie könnten ihm lang reden, es wisse was es wisse,und sie würden es bald erfahren, wenn die Landjaäger kämen und es nehmten ver d'Herre. Vor dem Gericht fürchte es sich nicht, je eher es sterben könnte, desto iieber sollte es ihm sein. Sie hofften aälles von der Nacht. Wenn es schlafen könnte, so meinten sie, es würde alles vergessen, aber sie irrten sich. Es schlief nicht, es seufzte nur, es meinte immer, die Landjäger zu hören, es stund oft auf, ging unter das Fenster,wollte hinaus, und nur mit großer Mühe konnte Hansli es im Bette hüten und behalten.

Als sie am Moꝛgen den Vikar rasch den Fußweg hinauf kommen sahen, dem Hause zu, that es jedem weh in der ganzen Haushaltung, und es zuckte ihnen durchs Herz, aber keines sagte, was es fühlte, sondern machte blos, daß es abweg kam, den Vikar nicht zu er cha jetz cho luege, was er ag'richtet het; ih will ihm's fry grad Hige sobald er dopplet, da muß wüsse,was er cha, da „Biß m'r nit zHergetts, sagte Meyeli, und keys Wort red m'r zur Sach, g'hörst,es ist m'r wege z'Pfarrers, u de wird er öppe scho giseh, wie's ist.“ „Das ist no d'Frag, sagte Mädi,e sellige ist im Stang, es Surkabisbocki für ne Gerichtsäß az'luege, n wege z'Pfarrers bruchti me nit Chummer z'ha, er syg ne neue o z'uwitzig u z'geistlig, si sölle neue e nangere z'Sach scho mängisch ung'nöthet g'seyt ha.“ „Syg das wie's well, sagte Meyeli, so schwygst du mir, emel einist hey m'r Lydes g'nue, mi muß nit no selber neus mache.“ „He ja, ja, sagte Mädi, Anne Bäbi ist o mängist nit gege m'r g'si wie's hätt sölle, aber es cha mi notti doch no dure, u wenn ih wüßt, daß es öppis gege m'r hätt, su wärs m'r doch leid.“ Da hoschete es draußen, Meyeli wischte die Hände nochmals ab und öffnete die Thüre, und als der Vikar fragte: „wie geht es bei euch, was macht die Mutter? so sagte es: nicht am besten, die Mutter sei übel zweg, er solle aber so gut sein und hineinkommen. DSer Vikar dachte an eine immer tiefer dringende geistige Zerknirschung, freute sich daher innerlich über das glücklich begonnene Werk und sagte, das wo einem am übelsten scheine, sei oft gerade das Wahre,und wenn man es recht fasse, so führe es den Menschen zum rechten Heil. Meyeli antwortete nicht, sondern that die Thüre auf und ließ ihn vorangehen. Drinnen war Jakobli, er hütete die Mutter.

Anne Bäbi saß da, in dumpfes Brüüten versunken,fuhr aber auf, als der Vikar hineintrat und sagte: „ha nis nit g'seit. He nu, je eh dest besser.“ Nun begann ein schmerzlich Mißverständniß, welches den armen Leuten fast die Seele aus dem Leibe trieb. Der Vikar redete seine Sprache, redete vom Herrn und daß er Anne Bäbi zu ihm führen wolle. Anne Bäbi hatte diese Sprache nie gehört, verstund unter Herr den Richter, Pfarrer oder Landvogt, kurz, den, der ihm das Leben abspreche, sagte, es sei zweg, komme je eher je lieber, forderte nur noch eine Kappe und eine frische Scheube. Den Vikar ängstigte das, er meinte, sie brauchten deßwegen hier nicht fort, der Herr nehme es auch hier an und auf die Kleider sehe er nicht. Anne Bäbi sagte, es sei ihm auch recht, aber es hulf pressiren, es sei ihm daran gelegen, daß die Sache vor sich gehe, heute noch. Der Vikar fand pressiren auch gut,doch ward ihm unheimlich, er sagte von beten zusammen. Anne Bäbi sagte, wenn er es hier machen könnte so sei es ihm auch recht, so könnten es seine Leute auch hören und ein Exempel daran nehmen, es werde aber müssen auf d'Kneu nieder? Es war ein herzzerreißender Auftritt; wie Jowägers alle weinten, kann man sich vorstellen, wie es sie schüttelte, als Anne Bäbi aufstand, Abscheid nehmen wollte, bat, sie sollten ihm nicht zürnen, es heyg das Kingli tödt, es chönn selber schier nicht sagen, wie, aber selig werd's notti und chöm de zu ihm, wenn es jetzt d'Straf abthue. Dem Vikari begannen die Augen aufzugehn, er begriff, daß da ein Mißverständniß vorwalte; er fragte, was es gegeben,was Anne Bädbi eigentlich meine, gestern sei es auf so guten Wegen gewesen. Er vernahm, wie Anne Bäbi ihn verstanden, daß es müsse gerichtet werden, weil es das Kind getödtet, wie es ihn für einen Schreiber oder verkleideten Landjäger angesehen, den der Herr geschickt,die Sache zu untersuchen, und, wie es behauptet, er werde wieder kommen, ihns holen, es müsse gerichtet werden, aber es sterbe gerne, dest eh sei es wieder bei seinem Bübeli.

Der Vikar verwunderte sich höchlichst, wie man so klare Reden mißverstehen könne, so etwas sei ihm doch wirklich noch nie vorgekommen, er wollte erklären, sich verständlich machen, der Schweiß stand ihm auf der Stirne, denn mit all seinem Erklären nagelte er Anne Bäbis Vorstellung nur fester, es pressirte nur dest stärker zu gehen. Es war ein fürchterliches Zusehen für die, welche inmitten dieses Mißverständnisses standen,und es nicht heben konnten, und hören mußten, wie der Vikar es immer vergrößerte. Es ist aber eben so fürchterlich, wenn man redet und redet, und man sieht,daß man nicht verstanden wird, und man versucht es immer von neuem, aber findet die Sprache nicht, die verständlich wird, weiß nicht, wo es fehlt,begreift nicht, daß es daher kömmt, weil man Begriffe, Vorstellung, Redweise des Betreffenden durchaus nicht kennt.So käun man deutsch zum Deutschen reden und wird nicht verstanden, es ist, als ob beide direkt vom Bau zu Babel kaämen. J

Er wußte zuletzt nichts zu machen, als zu gehen.Der Herr werde das schon zum Guten wenden, sagte er, man musse ihr nur Zeit geben zum Nachdenken, es werde das Wahre doch durchbrechen. Morgen wolle er wieder kommen, oder wenn man früher nach ihm verlange, so solle man es ihm nur sagen lassen.

Als nun der Vikar ging ohne ihns, ward Anne Bäbi sehr bose, und die Seinen haiten schwere Noth mit ihm. So zum Besten halten ließ es sich nicht,sagte es, man gönne es ihm nur nicht, aber es wolle ihnen zeigen, wer Meister sei. Was es gethan, wisse es, und jetzt wolle es auch was es verdient hätte, damit es selig werden könnte; aber grad das möchten sie ihm nicht gönnen und hätten ihre Freude daran, wenn es dem Teufel zumüßte, aber reisen wolle es es ihnen.

Dem Vikar war es schwer zu Muth und ganz dunkel im Kopf, und als er den Weiden entlang nach Hause ging, da ging er, als versinke er mit jedem Schritt bis rin die Knie in die Erde. Was er glaubte, es werde ihm zum Eckstein, war zum Stein des Aergernisses geworden; während er von Freude und Ehre träumte,fand er' eine zerrüttete Seele, statt fort zu fahren und eine Seele reiten, stand er an einer Mauer und höͤrte jenseits, wohin er keinen Weg wußte, einen herzzerreißenden Jammer. Noch stand ihm der innere Zusammenhang nicht vor Augen, aber nichts destoweniger war ihm sehr bange. Er besaß die Kaltblütigkeit der Neutäufer z. B., und ihre souveraine Verachtung gegen alle, welche nicht zu ihrer Partie gehören, nicht. Es geschah den Neutäufern nicht selten, daß in ihrer Mitte Menschen verrückt wurden. Diese ließen sie ohne Hülfe und stießen sie direkt oder indirelt unter die Kirchgänger zurück, in die Kirche zurück, aus denen sie dieselben gelockt hatten. Sie hatten keine Ahnung von einer Schuld an deren Zustand, weil solche Leute selten den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung erkennen;sie sagten ganz ruhig, ihr Zustand sei vom Teufel und weil sie sagen, die Kirchgänger seien auf den Wegen des Teufels, so schlossen sie, solche arme Zerrüttete gehörten als vom Teufel aus ihrer Heerde geführt, wieder unter die zurück, die freiwillig dem Teufel zugingen,und überließen Sorge und Pflege denen, welche an ihrem Zustand keine Schuld trugen.

Den Vikar plagte dieser Züstand sehr. Er hatte wirklich Mitleid mit dieser armen Frau, obgleich er sich eines gewissen Aergers über sie, daß sie so sehr seine Erwartungen vereitelte, nicht erwehren konnte und gegen einen Verdacht sich wehren mußte, als ob das alles nur Verstellung, ein angelegtes Spiel sei; es plagte ihn sehr, was die Leute dazu sagen werden, und ob nicht der eine oder der andere ihm die Schuld geben würde aus Unverstand und aus Haß gegen alles fromme Wesen und jedes fromme Wort. Wie aber das wohl moglich wäre, dachte er, mit einer Ermahnung, einen Menschen zu verwirren; es wäre doch wohl traurig,wenn man keinem Menschen einen Zuspruch ertheilen könnte, ohne Gefahr zu laufen, ihn verrückt zu machen.Das wäre Wasser auf die Mühle derer, die allem geistlichen Zuspruch feind seien und jeden verschreien als dumm, oder anmaßlich, oder staatsgefährlich. Was x Pfarrers dazu sagen würden, plagte ihn vor allem.Ob es besser wäre, er finge selbst davon an und erzählte ihnen die Sache, damit sie mit der Wahrheit berichtet würden, oder aber sich zu stellen, als ob er nichts wüßte, das beschäftigte ihn sehr. Darauf kam er immer wieder zurück, daß er an dem Uuglück durchaus keine Schuld hätte, und widerlegte immer bündiger die Leute, rechtfertigte sich immer kräftiger und wenn er fertig war, so wär er doch nicht ruhig, sondern fing von vornen wieder an und wenn er hinten aus war,so kam er wieder vor für und immer wieder. Der gute Vikari wußte nicht, daß dieses Studiren zur Rechtfertigung, wo man immer wieder vorfür muß, meist nichts anders ist, als ein Zurechtzupfen einer Decke,welche zu kurz oder zu schmal für den Gegenstand ist,welchen sie decken sollte. Mit einer solchen Decke kömmt man nie zurecht, zupft man oben, so fehlt es unten,zupft man unten, so fehlt es oben; gäb wie man vorfür geht, fertig wird man nie. So ist es mit allen Entschuldigungsgründen, welche ein Unrecht decken sollen; ganz zu decken vermögen sie es nie, ein geheimes Gefühi sagt es uns, denn hier können wir die leiblichen Augen nicht brauchen. Und doch soll es geschehen, und wir sind die Ersten, die meinen, es sei geschehen, das Ding sei ganz bedeckt, an dem wir doch noch immer auf und ablaufen und immer neu zudecken. Und wenn Jemand durch die Decke sieht und was unter ihr liegt,Vdaß er uns nicht glauben will, sich nicht überreden lassen will, wie wir uuns selbst überredet. Es wird wirklich manchmal seltsam komisch, wie so ein Hans oder eine Trini, dem man zeigt, was unter dem Deckeli liegt, sich gebehrden kann, wie eine Katz am Hälsig,als ob man ihm das himmelschreiendste Unrecht thue,als ob er uns verklagen wolle noch am jüngsten Tage.Man kömmt selten darüber, ob er wirklich an seine Rechtfertigung glaubt, oder ob es nur Zorn ist, daß man nicht an seine Gründe, nicht an ihn glaubt, wie an das Wort des Evangelinms, oder, im Geiste der Zeit ansgesprochen, daß man ihn oder ihns, Hans oder Trini, nicht für eine Autorität hält, die immer unbedingt Recht hat. Es ist allerdings schön, so dazustehen in wahrer Glaubenswürdigkeit, einem Thurme gleich,fest in jeglichem Winde, ruhend auf den beiden Ecksteinen Wahrheit und Weisheit; aber daß man jedes Tschaggeli, und jeden Lümmel, und jeden Lügner, und jeden Büffel für einen solchen Thurm ansehen solle, das ist eine starke Sache. Seit man Gott die Autorität genommen, will nun jeder Bube eine Autorität sein;es bleibt aber doch immer nur eine Bubenautorität.Freilich, wenn man ihm dieses zu verstehen gibt, ver blümt oder unverblümter, so wird er taub, ist aber halt auch graglych. So war dem Vikar sein Unrecht nicht klar und noch eines begriff er nicht. Es ist wunderbar, und alle Tage geschieht dies Wunder, daß wenn ein Mensch etwas thut nicht aus Glauben und nicht zur Ehre Gottes (d. h. er kann es wohl sagen,aber er denkt doch dabei an seine eigene Erhöhung,was er für ein Köbi sei und was die Menschen dazu sagen werden), so erniedrigt ihn Gott und schlägt ihn in den Graben, d. h. es geht ganz umgekehrt als er glaubte, es schlägt übel aus, weist sich als eine verkehrte Handlung aus, oder hat sonst üble Folgen, die man freilich nicht berechnen konnte, welche aber doch die Menschen einem zurechnen. Das sind Fingerzeige des Vaters, zeitliche Strafen, welche verhüten sollen,daß wir nicht alles Gute, welches wir thun, hintendrein alsobald mit Sünden beflecken, mit den Sünden des Hochmuthes und der Eitelkeit.

Das alles merkte der Vikari noch nicht, war aber nicht ruhig dabei, die Sache wollte ihm nicht aus dem Kopfe, er nahm sich aber vor, im Pfarrhause zu thun,als wüßte er nichts besonderes, und erst, wenn man ihn frage, zu sagen, was es sei, d. h. sein Deckeli hervorzunehmen und es zurecht zu zupfen.

Aber man fragte ihn nicht, man redete von der Sache nicht, er mußte sie in sich behalten, und merkwürdig ist wieder, wie so eine Sache ein eigenthümlich Leben zu haben scheint, wächst, aufschwillt und je nach dem sie an einem Orte ist, uns entweder das Herz zu ver, oder den Kopf oben abzusprengen droht. Er mußte daran sinnen, er mochte wollen oder nicht, er mußte mit Gewalt sich zurückhalten, nicht noch am Abend zu Jowägers zu gehen, aber eine gewisse Scheu widerstand dem Drange, die Leute hatten ihn so sonderbar angesehen, waren weder freundlich noch dankbar gewesen, und was sollte er sagen selben Abend schon wieder? Durch die Nacht besserte es hoffentlich, oder veränderte Umstände gaben ihm bessern Rath.

Aber am folgenden Morgen während sie im Pfarrhause beim Frühstück saßen, klopfete es; die Magd kam herein und fagte: „Es ist Neuer da, d'r Herr soöll use cho.“„Wer ist es?“ frug der Herr. „Ich weiß nicht, aber er pressirt gar.“ „Gaug, lue doch, Sophie, sagte die Frau Pfarrerin, vielleicht kannst du auch Bescheid geben und verwyle z'Papali ustrinke.“ Sophie ging, kam plötzlich wieder und sagte: „„'Jowägers Knecht ist draußen,ihr sollet geschwind kommen, Papa.“ „Was hats gegeben?“ fragten Papa und Mama zusammen. Da stand der Vikar auf und sagte: „er wird wahrscheinlich mich meinen.“ „Nein, sagte Sophie, euch meint er nicht, er hat ausdrücklich gesagt, d'r alt Herr, nit d'r jung. Er sagte, es hätte Neuis Ung'schickts gäh, aber was, will er nicht sagen.“ „Du wiüst doch nicht gehen, fragte das Mamali, der Weg ist wüst und der Morge kühl u denk wie alt de bist; könnt nit d'r Herr Vikari afange gah lnege was es wär?“ Aber während die gute Frau ihre Rede hielt, war der Herr schon draußen und als sie ihm die Schuhe und Ueberstrümpfe anzog, mußte sie hören, daß sie ihm doch nicht mit sie hätte doch ja gehört, daß man ihn wolle und nicht den Vikari. Das hätte er ihr vor dem Vikari nicht sagen können, ohne ihn zu beleidigen. So sei sie gerade mit ihrem vorschützigen Gutmeinen schuld, wenn der junge Herr böse werde, und meine, er, der Alte,greife ihm unbefugt ins Handwerk. Uebrigens müsse es seinen bestimmten Grund haben, daß man ihn ausdrücklich verlange. Der Schulmeister habe ihm gestern Abend gesagt, was wohl bei Jowägers sei, der Vikari sei zwei Taäge hintereinander dort gewesen. Er habe aber den Vikari nicht fragen mögen; wenn er den Geheimnißkrämer mache, so könne er, fragen thue er ihn nicht. Es komme ihm aber fast in Sinn, was dort sei, indessen wolle er erst sehen, ehe er etwas sage.„Wann kömmst du heim?“ frug die Mamma, als der Herr Hut und Stock, beides am rechten Ort hatte.„Frage mich doch nie, wann ich heim komme; wie oft habe ich dir das schon gesagt? weiß ich, wie der Herr mich führt, und was die Leute an mich bringen? Niemand als Gott hat eine so große Audienzstübe wie so ein alter Pfarrer; wo er geht und steht, wird er angesprochen,, muß Rede stehen, und er thut es gerne,gäb wie pressirt er ist, er weiß ja nie, ob das Wort,das er jetzt sagen koönnte, ihm später noch einmal zu sagen eriaubt ist.“ „Aber Papali, wird nit höhn, ih frage ja nit wege mir, ih frage wege dir, wenn me d'r soll d'Finke z'warme thue u d'r Nachtrock ufe Ofe, und weil du nur zu Jowägers willst, so habe ich geglaubt,so ungefähr wüßtest du, wenn du heim kaämest, ine re Stund oder zweune.“

So ging der alte Herr und der junge sah ihm aus seinem Fenster nach. Erst regte sich der Zorn in ihm über den alten Herrn, der ihm immer ins Handwerk pfusche, nicht die Selbsterkenntniß habe, dieser Zeit nicht gewachsen zu sein (den Zeitgeist nicht im Leibe habe), neidisch auf ihn sei und nicht leiden möge, wenn er Fuß fasse, in der Gemeinde. Doch dieses war nur der erste Schatten, der flog vorüber, denn so viel Gerechtigkeitssinn hatte der Junge doch, daß da der alte Herr sich nicht zugedrängt, sondern daß man ihn ausdrücklich gerufen habe. Äber erst nun recht kamen ihm Angst und Zorn und er hatte fast kein Bleiben mehr;es schien ihm, als hätte er das Recht, selbsten hin zu gehen, zu sehen, was da wäre, und zu verhüten, daß nicht eine unberufene Hand ihm zerstöre, was er so schön angefangen, und was vielleicht die andern Hausbewohner, weiche so unempfänglich schienen, so Unchristen, nicht aufkommen lassen möchten, wie es ja oft geschehe, daß man die bis aufs Blut verfolge, welche sich bekehren wollten und den Heiland annehmen. Aber was war wohl begegnet? Wäre es nur ein allgemeiner Wunsch, und nicht ein plötzliches Ereigniß, so hätte man den alten Herrn nicht so früh und dringlich rufen,sondern etwa sagen lassen, er solle kommen, wemn es sich ihm öppe schick, oder wenn er an'gfähr bim Hus vrby gang.

Und was fuüͤr ein Ereigniß war das? Er grübelte aus seinem Gedächtniß Wort für Wort wieder hervor,was gesprochen worden, und je mehr er zusammen zu stellen hatte, um so mehr stieg in ihm die Ahnung auf,Anne Bäbi habe den Tod gesucht. Schwermüthige und Irrsinnige suchen ihn ja so oft, daß das jedes Kind weiß und sagt: „zu dem muß me luege, gäb wie leicht,so könnte der sich ein Leid anthun.“ So etwas mußte geschehen sein, aber warum berief man ihn nicht, der doch so treu sich ihrer angenommen, sondern den alten Herrn, der gleichgültig zu Hause geblieben und ihrem Jammer von Ferne zugesehen? Undank sei der Welt Lohn, dachte er. Unverstand suche bei jedem Unglück eine unschuldige Ursache, aber seltsam sei es doch, daß das Ding bald nach seinem Weggehen angefangen;hatte er doch gar nichts bemerkt, als er fortging; war's doch unmöglich daß so bloße Worte einen solchen plötzlichen Eindruck hervorbringen könnten? Dem armen Vikari ging es fast so, wie einem, der in einsamer Scheune geruhet, dort eine Pfeife eingemacht, Feuer geschlagen, die Pfeife angebrannt, den Deckel zugemacht,ünd seines Weges fort gegangen. Auf einem Hügel ruht er wieder aus, sieht hin, wo er hergekommen,steht dort Rauch aufsteigen, einen Brand beginnen und es muß die Scheune sein, in der er geruht. Nun fällt ihm nach und nach ein, daß er dort Feuer geschlagen,die Pfeife angebrannt, aber Schuld am Brande konnte er doch nicht sein, hatte er doch einen Deckel auf der Pfeife und nirgends Feuer verzattert. Aber wie konnte dann das Feuer entstehen, und brach es nicht bald nach seinem Weggang aus? Aber hundertmal hatte Einer in einer Scheuer Feuer gemacht, und nie hatte es gebrannt. Und machen nicht Viele mit der Pfeife im Munde Heu herunter, und es brennt auch nicht. Aber wer dich dort gesehen, denkt er weiter, wird dir doch Schuld geben, dich zur Rechenschaft ziehen, denn wer als du kann es wohl gewesen sein? Und während solchem Werweisen fängt es an zu brennen in ihm, und die Füße beginnen zu laufen. Tie Füße der einen Gedankenreihe laufen dem Feuer zu, die Füße der andern laufen vom Feuer weg, alles je nach Art und Weise,ich will nicht sagen, des Bewußtseins von Schuld oder Unschuld, vielmehr nachdem Keckheit oder Verzagtheit und Unbefangenheit in ihm die Oberhand haben. So geht es einem, dessen Seele werweiset, ob durch ihre Schuld ein einsam Scheuerlein verbrannt sein möchte,und wenn auch Niemand sie anklaget, kein Richter ihr nachforschet, die Wunde bleibt doch, das Bewußtsein möglicher Schuld verharrschet so leicht nicht. Ein Leben ist mehr als ein Scheuerlein, und wir haben vorhin gezeigtz, wie es einem rechten Arzt durch die Glieder bebt, wenn das Werweisen ihn befällt, ob er ein Leben geopfert, zu dessen Rettung er berufen worden,wir haben gezeigt, wie es dem Suacksalber zu Muthe werden sollte, der gegen Gesetz und Ordnung an ein Leben sich wagt und unter seinen Händen geht dasselbe zu Grunde, wie es ihm allerdings, aber selten, g'schmucht zu Muthe werde, weil er selten oder nie stieht, was er angerichtet; weil er daheim bleibt und sich damit tröstet, die Leute haben es zwängen wollen, und jetzt hätten sie nichts, als was sie erzwängt, und dessen vermöchte er sich nichts, er wasche seine Hände in Unschuld.Der Lümmel denkt nicht, was es Pilatus half, als er seine blutigen Hände wusch, daß Paulus sagt: auch richte ich mich selbsten nicht, und daß ein Anderer predigt, was recht und unrecht ist, und nachdem was er predigt oder hat predigen lassen, das Gericht auch selber führt, und darum sich nicht kümmert, worin sich einer gewaschen habe, ob in Dreck oder Unschuld, sondern wie einer gewesen sei, und wie er gehandelt habe.Aehnlich wie leibliche Quacksalber es mit dem Leben haben, haben es geistliche Quacksalber mit der Seele,an den Neutäufern ist's nachgewiesen worden. Eine Seele zerrütten ist unendlich mehr, als ein Leben nehmen, ein Leben verwahrlosen.

Stirbt einer, so ist sein Leben abgeschlossen, er ruht im Grabe, die Seinen weinen um ihn, entbehren ihn,aber sie wissen ihn in Gottes Hand. Wird aber eine Seele zerrüttet, so gleicht der Leib einem entmasteten

Anne Babi. II. 13 1494 Schiffe. Dieses ist jedem Winde, jeder Welle preis gegeben, das entsetzlichste ist jeden Augenblick zu gewärsigen. Mord, Brand, an sich und andern, eine völlige Entmenschlichung. Das Schrecklichste ist möglich,der fürchterlichsten Pein kann der Mensch verfallen, die fürchlichsten Leiden den Seinen verursachen, eine unermeßliche Last ihnen sein, beides, denen, die ihn lieben und denen, die eigensüchtig sind, wenn der Wahnsinn ihn erfaßt hat. Benen die ihn lieben, durch die Pein des Zufehens und die Unmöglichkeit, zu helfen, den täglich zu gewärtigende Schmach. Und ein Wahn sinniger vermag so wenig für das Heil seiner Seele zu sorgen, als ein Todter, und des Uebelthäters Macht vermag ihn so wenig zu heilen, als ein Todschläger einen Erschlagenen lebendig machen kann. Man follte also meinen, die Unthat', eine Seele zerrüttet zu haben, müsse einen fürchterlichen Stachel, einen nie erlöschenden Brand in des Thaters Seele werfen. Aber da wäre man im Irrthum. Von den Eigenthümlichkeiten der Seele, ihren Krankheiten, den verschiedenen Folgen verschiedener Behandlungsweise, verschiedener Eindrücke, haben die wenigsten Menschen einen Begriff. Klemme ich einen Menschen in den Arm, so schreit er: Uy! und zeigt mir den Eindruck, aber das Tümpfi in einer Seele kann man nicht zeigen, wie ein Tümpfi im Arm, und wenn mich einer tiodt schießt, so kann man ihm das Loch zeigen, wo die Kugel hineingegangen und wieder hinaus, und er kann nicht sagen, ich sei an einem Leberfluß oder an einem Lungenbruch gestorben, aber wenn einer eine Seele zerrüttet, kann man ihm weder ein Loch zeigen, noch sonst was, die Einwirkung war eine geistige, darum läugnen alle geistig Blinden jede Schuld, und gehen kaltblütig weiter, und drängen an andere Seelen sich, unbekünmmert um den Erfolg, und wenn es üübel ausfchlägt, sind sie nicht schuld daran.Und doch liegen sie in weit größerer Schuld als der leibliche Quacksalber. Nicht nur ist, wie oben gesagt,die Sacse an sich die bedeutsamere, fürchterlichere,sondern der, welcher Seelen zerrüttet, bleibt nicht zu Hause, und läßt sich suchen, wie der leibliche Quacksäbber, sondern er sucht die Leute, er drängt sich auf,und darum könnte er auch die Folgen sehen, könnte den gräßlichen Zustand der Irrsinnigen sehen, könnte zerrüttete Hauswesen sehen, das Elend der Ihren,er sieht es auch, aber kaltblütig, das geht ihn alles nichts an, das hat der Teufel gethan, der umhergehet und suchet, wen er verschlinge, der Unkraut in den Acker säet, und Macht über die Herzen hat, wo nicht der rechte Glaube herrscht. Solche Menschen haben ein einformiges, religiöses Durcheinander, G'stürm, das allenthalben das Gleiche ist, so eine Art Aarwangerbalsam, oder eine wunderthätige Pillenart, oder ein Taverielixir, und das wenden sie allenthalben und bei jedem an ohne Unterschied, als eine wunderthätige Universalnmixtur; die Verbreitung dieser Mixtur ist ihr Beruf, der Herr hat sie gesandt; ob sie anschlage und wie sie anschlage, und für wen sie passe, das zu untersuchen,ist nicht ihre Sache, nicht ihre Pflicht, das ist des Herrn Sache, der Herr macht das, er hat das Wirken und das Vollbringen, und wenn einer darob kaput geht,so hat das der Teufel gethan, der leider über diesen Menschen mehr Macht hatte als der Herr.

So war denn doch unser Vikar nicht, bei ihm griff die Sache tiefer. Er war mehr einem jungen Arzte zu vergleichen, der in ein bestimmtes System, eine eigenthümliche Mittellehre, eingetrichtet worden ist, die er nun allenthalben und an allen Naturen anwendbar machen will und um so zudringlicher damit wird, je weniger die Menschen Zutrauen dazu haben. Er ist berufen,er meint es gut, aber er kennt nichts als sein System,kennt den Menschen nicht, und die unendliche Verschiedenheit der Naturen nicht, an welchen er dieses System anwendbar machen will. Was würde man zu einem Tischmacher sagen, der mit Tannen, Buchen, Ahorn,Kirschbaumholz u. s. w. akkurat gleich umginge, oder zu einem Musikanten, welcher mit den gleichen Schlägeln eine Guittarre erpaukt, mit welchen er eine 196 währschafte Pauke bearbeitet. Was hat man früher zu dem Arzte gesagt, der, um die Blutung einer Wunde zu stillen, geschwind noch ein Loch machte. Aechnlich ist das Manöver, eine Seele, welche bereits schon so tief im Jammer sitzet, daß derselbe fast über ihr zusammenschlägt, noch tiefer in den Jammer hinein zu stoßen, ohne irgend nur daran zu denken, ob in der Seele noch Kraft sei, sich hinaus zu arbeiten auf die Weise, wie man es meint, daß nämlich der weltliche Jammer aufhöre und ein neuer Mensch beginne. Das ist ja fast wie jene Frau sang:

My Ma ist mir i d'Emme g'falle,

Ih ha ne g'höre gluntsche,

Hätt ih ne nit bim Bart erwütscht,

Hätt ih ne nit bas ache drückt,

Su wär er nit ertrunke.

Steht ein junger Arzt an Todtenbetten, wo er sein System zum Sargdeckel werden sieht, so schüttelt es ihn, schwere Gedanken wälzet sein Gemüth, schwere Zeiten sind es für ihn, bis er zur Einsicht gelangt, daß Kunst und Leben sich einen müssen, daß es auf Erden kein System gibt, weder ein geistliches noch ein medicinisches, das, absolut genommen, einen Kreuzer werth ist, daß auf Erden alles relativ ist, d. h. sich modeln muß nach Natur und Lebensweise, nach Kraft und Schwäche, nach Wärme und Kälte, nach Fleisch und Erdäpfeln, nach Milch und Wein, nach hunderterlei andern Dingen noch. Und diese verschiedenen Modifikationen rasch zu fassen und geschickt in Rechnung zu bringen, in jedem gegebenen Fall, das macht den Arzt aus, der, wenn Treue dazu kömmt, eine Wohlthat des Landes wird, um den Tausende weinen, wenn der Herr den getreuen Arbeiter ruft.

Freilich schüttelt es manchen, und er kömmt doch nicht zur Einsicht, er jammert, er hat Mitleid, aber daß sein System, oder wenigstens seine absolute Handhabung nichts taugen, das geht ihm gar nicht auf, aber er möchte davon laufen, möchte aus der Haut fahdenchie so recht gründlich unglücklich werden, das m er.

Aehnlich ging es unserm Vikari. Es hatte ein Unglüͤck gegeben, aber daß er schuld daran sei, konnte er nicht glauben, und doch konnte er es nicht aus dem Sinn bringen, er repetirte alles was er gesagt, und es war durchaus biblisch und akkurat wie er es gelernt,ähnliche Fälle zu benutzen, um Leute Jesu zu gewinnen,ihre Seelen zu retten; er wußte nicht, sollte er fortlaufen, weit weg, daß ihn Niemand mehr zu Gesicht kriege, oder hin zu Jowägers, zu sehen, was es gegeben. Jedenfalls hatte er zu beidem bei dem schlechten Weg Stiefel nöthig, die zog er daher einstweilen an.

Unterdessen war der Pfarrer, so rasch sein Alter es ihm erlaubte, zu Jowägers Hause gekommen, wo Hanusli mit verweinten Augen ihm entgegentrat. „E Hansli,sagte der Pfarrer stille stehend und verschnaufend, was hat es bei euch gegeben, ist jemand gestorben?“ „Ach,sagte Hansli, meh as g'storbe u doch nit, ih darf's fast nit säge, Herr Pfarrer, u nie ha nih däycht, daß ih selligs erlebe müßt i üsem Hus, es ist viel Fschröcklig.“ „Aber was ist's denn?“ fragte noch einmal der Pfarrer. „Ach, sagte schluchzend Hansli, denket, my Frau, mys Anne Bäbi, het si welle häyche, u wo das nit g'rathe ist, het es si i Hals g'haue, mir hey g'meint,mir chönne zBlut nit g'stelle. O Herr Jesis, Herr Jesis, was me alles erlebe muß, u was für Schang ha!“ „Aber mein Gott, fragte der Pfarrer, was hat es gegeben, habt ihr Streit gehabt?“ „B'hüetis nei,sagte Hansli, bppe lang nie. Anne Bäbi ist geng öppe e wenig es Meisterhaft's g'st, aber mi het's lah mache,u nit viel d'rzu g'seit, es un z'Sühniswyb hey e nangere no nie kes Unantwort gäh u chönnes b'sungerbar gut z'säme.“ „Aber öppis muß doch g'si sy, sagte der Pfarrer, und ich möchte gerne wissen, was, nicht aus G'wunder, aber ih soött's wüsse, damit ih wüßt, wie ih rede söll mit ihm. Vo wege, lueget, mi cha nit mit alle Lüte glych rede, u bi de eine darf me öppis gar nit säge, wo bi angere z'erste sy muß.“ „Ach,Herr Pfarrer, ih darfs fast nit säge, was es gäh het.Daß das Bubi g'storbe ist, ist ihm grusam yche gange 198 und es het tha wie lätz, es isch ihs scho z'selbisch alle Angst worde, aber verirrets ist's doch notti nit g'si.Dal chunt du, aber heit's nit ungern, Herr, d'r Vikari u seyt, z'Anne Bäbi syg ihm im Traum erschiene.Deppis dumms e so! un er müß zu ihm, un ih säge no, es nähm alles wohl teuf. Aber er hat sich desse nüt gachtet, es muß ne öppere gege ihs ufg'wiese ha. Er het dor Frau abezellt vo siebe Lyde nache, u nere abeFyhaue als ob si i ke Schuh yche gut wär. Das hätt o nüt g'macht, aber er het zmerke gäh, stsyg z'Schuld, daß das King g'storbe syg, un das ist du Iche gange. Mir heys afangs ume nit sovli g'merket.Aber vo Stung zu Stung het's böset, es het g'meint,mi werd's cho reyche u richte, un het si no druf g'freut, u das het ihs übel afah gruse. U wo du gester d'r Vikari wieder chunt, luegt es ne du für e Landjäger a, wo's well cho reyche, u wo ner du betet het, su meints, jetz müß es g'richtet sy u das syg d'r Lebesabspruch g'si. Wo er du geyt su het's du g'meint,mi well's ume für e Narre ha, u g'seit, mi well's ume plage u gönn ihm d'r Tod nit, aber es well's üs scho reise. Un es het ihs es greiset, gäb wie m'r ihs i Acht g'no hey. Gester wo m'r z'Nacht gesse hey,ist z'Sühniswyb by nim g'si, das cha de b'sunger gut mit ihm rede un ihm däsele, und het's g'hütet. Da blick nebe us, u het Niemere g'rüft, es het's o nit g'sinnet, u g'meint, es chöͤm grad, ume. Un es ist cho,sobald's chönne het, aber z'Meitschi heo's es Brösmeli länger g'sumet as es g'meint het, u wo's ume chunt,Heir Pfarrer, hanget mys Anne Bäbi scho am Ofesangli. Mi cha denke, wie das arm Fraueli, wo sust ung'fungs ist, erschrocke ist, es het e Brüll usg'lah, es duecht mi, ih g'hör ne no jetz. Un ih g'schwing zuche u haues ache, un du hets d'r Athe grad wieder zoge,vo wege, es ist ke Minute dobe g'si. Aber wo's zu nihm selber cho ist, b'hüt mi Gott d'rvor, was die Frau g'seit het, u wie si tha het, ih möchts kem Mönsche säge, daß m'r se nit heyge lah mache, u daß me ere d'r Tod nit gönn. Mir hey betet un pläret die Nacht,Herr, es stellt si das ke Mönsch vor. Aber mangist hets mi duecht, we d'r Vikari ume wüßt, was es gäh heyg, u wenn er ihs müßt helfe pläre u bete. Aber D d'rnah.“ Nit, daß ih säge well, er syg z'Schuld, es wird so üses Herrgetts Wille g'si sy, vo wege, es isch ihs ume z'wohl g'si, un ih ha mängist däicht, was es ächt gäb, es läy si alles ume z'gut a, aber a das,wo cho isch, ha nih nit däicht. Wo du Mittinacht vorüber g'si isch, da isch du Anne Bäbi rühyger worde u het g'sillet nah di nah, u du ha nih g'seit, si solle es chly ga schlafe, ih well jetz scho eleyni by nihm sy. U zerst hey si nit welle, aber was häͤtt's abtreyt,we da alli die ganze Nacht g'hocket wäre, u pläret u betet häͤtte? Ugege Morge ane het's mi duecht, es schlaf, u du het's mi o gäh, u z'Sühniswyb isch scho uf gifi, un isch cho luege, u het g'seh, daß m'r bedi schlafe, un het d'Thür off g'lah, un i d'r Rebestube Brod yg'schnitte. Tu muß es du use, gah dMilch abem Für näh, si het welle überlaufe, laht z'Messer nebe d'r Brodchachle liege, u Anne Bäbi uf wie der Blitz, schießt ufs Messer u haut i Hals. Es het ume d'r glyche tha es schlaf, u het d'r G'legeheit glußet.Un mi duecht's, ih g'hör öppis, u schieße uf, u du g'seh nih Anne Bäbi nimme im Bett, un wo nih ume luege, het's z' Messer im Hals. Herr Pfarrer, g'schmuecht ischis mr no nie worde, aber duecht hets mi, es gäb m'r eine mit eme Zunstecke i d'Kneuäcke, un ih müß uf de Kneue zu ihm rütsche, es het mi duecht, es gang e ganzi Gloggestung, bis ih by nihm syg. He nu,Göttlob, es isch no früh gnue g'st. Aber wie's üs g'si isch, wo m'r's hey müße ha, fast wie nes wilds Thier u m'r alli voll Blut g'si sy, das cha Niemere sinne.Mir sy g'st im G'sicht wie wyßbleichti Tücher, u de voll Blut d'rzu, es het eym vor em angere gruset, un es isch alle gischmuecht worde, weder mir und Sami nit. Aber mi cha si o nit däyche, wie's eim isch,we me mit ere Mutter, wo nüt yschlage het u dryß'g Jahr mit ere im Friede, wie öppe d'r Bruch isch, g'lebt het, da Wäg z'weg muß u se binge muß wie nes Uv'rnünftigs, ume für se chönne z'vorbinge u daß si si nit z'todt blüti, u m'r die Schang nit müße ha, daß si öppere um's Lebe brunge hätt i d'r Familie, u d'r V'rdruß, daß es nit e mal i Kilchhof chöͤm, so ume i Wald use, wie nut z'säme zellt es Uv'ernünftigs. Du hey m'r üses Lebes nüt meh wüsse az'fah, angere Lüte hey mor's nit gern g'seit, vo wegem G'red, un de isch d'Frag, ob si ihs hätte chönne rathe, d'r Vikari hey mör nit bigehrt, u hey emel euch müsse plage, m'r hey Niemere g'wüßt, zu dem m'r besser z'Zutraue hätte.U wo Jakobli d'Blattere g'ha het, heyt ihr ihs o chönne tröste, ih hätt's Niemere glaubt, u ha sither no mengisch müsse d'ra sinne.“

Dem Pfarrer war bei diesem Bericht zuerst das Feuer zu Haupt gestiegen und wäre fast in einige harte Worte ausgebrochen. Aber der Pfarrer war ein edler Mann und was er zu seufzen hatte, verseufzte er nur vor seinem Mammali und vor Gott, er verdächtigte den Glauben seiner Amtsbrüder nie, und namentlich verunglimpfte er einen Jungen nie, er vergaß nie, daß wir allzumal nur ein Werdendes sind, sei es nun ein junges oder ein altes, und wenn er auch ein junges Werdendes nicht liebte, und es ihm nicht zu Gefallen war, so bestreute er dessen Weg nicht mit Gift,bezeichnete es nicht als ein Verdorbenes, er wußte, wie solche Urtheile Schlingpflanzen sind, welche um die edelsten Naturen sich ranken, sie lähmen, verderben. Er gehörte nicht zu den niederträchtigen Amtsbruüdern, die in Gleißnerei den Schlüssel Petri suchen, meinen, ihre Brüder seien nur da, um sie zu einer Pyramide zusammen zu drücken, auf deren Spitze sie sich stellen können, zu den niederträchtigen gehörte er nicht, die alles um sich und neben sich verdächtigen, verkleinern,denen, wenn sie den Glauben eines Amtsbruders, oder gar seinem Wandel einen Schlemperlig anhängen können vor ihren oder seinen Gemeindsgenossen, die Wollust die Augen auftreibt, daß man sie mit dem Zwilchhäntschen fassen kann, so kleins sie im ordinaäͤri Zustand sonst auch sein mögen. Dieser heillose kollegialische Sinn ist ein Fluch, der wie eine schwarze Wolke über allen Berufen weilt. Der Pfarrer unterdrückte daher seinen Zorn,hörte mit großer Betrübniß den Bericht zu Ende, dann frug er: „und jetzt, wie ist eure Frau, redet sie und womit beschäftigt sie sich?“ „Sie ist still, sagte Hansli,u mi cha nüt usere use bringe, aber chömit yche, u luegit selber.“

Drinnen traf er Meyeli und Jakobli in trostlosem Zustande, die Kranke still im Bette, in sich versunken und matt. Nachdem er den erstern freundlich die Hand gegeben, wandte er sich zur Kranken, setzte sich zu ihr,es nahm ihn Wunder, ob sie ihn noch erkenne, oder ob sie ihn auch für einen Landjäger halte, der sie holen wolle. Sie sah ihn lange starr an und man sah,daß sie mit dem Erkennen ringe. Da sprach der Pfarrer und sagte, er hätte ste lange nicht gesehen, aber er sei alt, komme nicht mehr viel fort, nicht einmal immer in die Predigt. Das letzte Mal, daß er darin gewesen, da habe er auch Anne Bäbi dort gesehen mit seiner Sohnsfrau. „Ja, Frau, sagte er, damals, als euer Sohn die Blattern gehabt hatte, erinnert ihr euch noch, es war an einem Sonntag, als ich da vorbei kam und ihn zum ersten Male sah, da hätte kein Mensch glauben sollen, daß der so bald ein jung und lustig Fraueli haben würde, aber der liebe Gott macht oft etwas ung'sinnet. B'sinnet ihr euch noch, wie ihr euch damals kümmertet, daß er die Blattern gehabt, und wie ihr euch ein Gewissen daraus machen müßtet, und jetzt denkt kein Mensch mehr an Jakoblis Blattern, er nicht und seine Frau noch weniger. Im Gegentheil,sie danken sicher dem lieben Gott dafür, denn vohne die Blattern wären sie nicht zusammengekommen, und wer weiß, wo Meyeli jetzt Jümpferli sein müßte in einem halbbatzigen Kitteli. Damals hat man es nicht so nehmen können, und ihr nahmet es recht schwer, und es machte mir damals recht Angst um euch, aber nicht wahr, es ist alles viel besser gekommen, als ich und ihr gedacht?“ Anne Bäbi sagte nichts darauf, aber man sah doch, daß es den Pfarrer erkenne, ihn nicht mit seinem Wahn in Verbindung bringe. Es war fast,als wolle es weinen, und that es doch nicht, man wußte nicht, gedachte es der vergangenen Zeit oder bewegte ihns sein gegenwärtiger Zustand. Der Pfarrer chat nicht, als ob er wüßte, warum es im Bette liege,bedauerte, daß es krank sei, fragte, wie es mit seinem Söhnisweib zufrieden sei, sagte, daß alle Leute es rühmten, und vermied so sehr möglich jede Berührung des wunden Fleckes seiner Seele. Und Anne Bäbi blieb ruhig, und als er sagte, er wolle jetzt nicht mehr so lange warten, bis er wieder zu ihnen komme, er komme bald wieder, lächelte es fast und nickte mit dem Kopf; aber stille blieb es und kein Wort kam über seine Lippen. Draußen sagte der Pfarrer, der guten Frau Zustand sei allerdings bedenklich, man wisse nicht,spiele sie den Schalk oder sei sie sonst so still, indessen habe sie ihn doch sicher erkannt, und die Erinnerung än vergangene Zeiten hätte site auch noch. Das Gebiet des Wahns sei freilich ein unermeßliches und fast unerforschtes, aber so weit er sich darauf verstehe, glaube er, Anne Bäbi sei noch nicht so weit über dessen Grenzen, daß es nicht noch zurückgeholt und vollständig geheilt werden koöͤnnte. „Was habt ihr fuür einen Doklor 2“ „Keinen, antwortete Hansli, wir waren bis dahin ung'fellig zu allne, und jetzt haben wir uns gescheut, einen zu holen, wir möchten die Sache so wenig als möglich unter die Leute lassen, und mi weiß wohl,wie die Doklere alles plauderet ha müsse, es soll ja no mengist i d'r Zytig dere Züg cho. So grad ane verbinden können wir auch, es ist einmal ume z'Brodmesser g'si, wo i d'r letzte Zyt bppe Niemere d'Zyt g'ha her z'schlyfe, wes es Federmesser oder es Rastermesser gest war, es hatt scho böser chönne gah.“ „Das ist möglich, sagte der Pfarrer, aber ein Doktor sollte doch herbei. Es ist auch wegem anderen. Es fehlt euer Frau freilich an der Seele, und was ich thun kann, soll nicht fehlen, aber Körper und Seele sind gar in einem engen Zusammenhang, wenn es einem fehlet, so leidet auch das andere, und manchmal scheint es an dem Körper zu fehlen, aber man muß doch die Seele doktern, wenn der Körper gesund werden will,und manchmal kommt in der Seele die Krankheit zum Vorschein, aber man muß sie im Leibe angreifen, dort hat sie ihre Wurzeln, die Seele ist blos das Fenster,aus dem sie das Gesicht streckt. So kann man z. B.jemand tödten, ohne daß man ihn mit einem Finger berührt, durch die Seele, durch Verdruß, Herzenleid und Kummer, und so werden wirklich auch viel mehr Leute gemordet als den andern Weg, und man kann hinwiederum jemand gesund machen durch Freude,Sanftmuth, manchmal durch eine einzige fröhliche Nachricht, und wiederum kann man die Seele verrückt machen durch Brönz oder einen einzigen Schlag auf den Kopf, und kann sie heilen durch Aderlaß und Abführungs oder andere körperliche Mittel; das sind geheime Thüren, welche die Erfahrung aufgefunden, der Verstand aber nicht beschreiben kann. Und ich glaube, gerade hier wäre ein Doktor nöthig, oder wäre es vieleicht nicht am besten, wenn ihr eure Frau irgend wo hin unter gute Aufsicht thätet, wo sie die ärztliche Hülfe nahe hätte, oder vielleicht gar im Hause. Man hat manchmal, so wie ihr es auch habt, nicht einmal Zeit zur rechten Aufsicht.“

„Man kann d'r Zeit machen, sagte Hansli. Und Anne Bäbi hat so lange Jahr gut zu allem g'luegt,daß ih nit wüßt, warum me jetz nit o gut zu ihm luege sött, u v'rmah es si desse allem ja nüt, u hel's ume übercho wege syr Aengstligi, für die es ja o nüt cha. Es wäre mir grusam z'wider, es weiters zu thun,man weiß nie, wie sie es bekommen, gäb was die Leute versprechen, und wenn es ihm gehen sollte wie jener Frau bi dem Umönsch, dem me d'r L.... dokter seyt,wo aber nie gelert het, st ume d'rfür usgit, wo dafür ins Blaue gekommen sein soll, ich hinterfinnete mich.“„Was hat daun der gemacht, fragte der Pfarrer, ich habe nichts davon gehört.“ „Man sagt, antwortete Hansli, der habe auch so eine Frau, der es g'fehlt heyg im Kopf, in die Kur genommen, habe ste vierzehu Tage lang hinter einander laxirt und purgirt und zehn Mal zu Äder gelassen, sie angeschlossen und in diesem Zustand mit ihr gemacht, was ihn gelüstet. E sellige weit ih doktere, daß er syr Lebtig usdokteret haätt.“ „Herr Jere, sagte der Pfarrer, das ist ja fürchterlich, wie darf doch ein Mensch so was wagen, es wird ihm aber die Lust dazu vergehen jetzt.“ „Mi cha de luege, sagte Hansli, wer uvörschant ist, lebt dest bas, u wer weiß, ob dä nit no selber i d' Regierig on Nei Herr, zu mir arme Frau wott ih selber ege.“

„Das ist schön von euch, sagte der Pfarrer, aber so müßt ihr doch einen Doktor kommen lassen, das ist nöthig, glaubt es mir, wenn ihr es Brösmeli Glauben zu mir habt.“ „Meinet ihr, es müsse sein, sagte Hansli, he nu so de. Aber was für eine, ih ha neue ke Glaube zu keim. Wes üsem Herrgett g'fallt, su lebt me, u wes üsem Herrgett g'fallt, su stirbt me.“„Ja, Hansli, u wes üsem Heirgett g'fallt, su gits Klee ame Ort, un ame angere Bersette, u ame dritte Korn, gäb mi heyg g'säyt oder nit, oder ist's nit so?“„Nein, Herr Pfarrer, so ist's nicht, das ist ganz anderlei; aber will dir's säget, su will ih i Gottsname ume Dokter us, aber ihr müßt säge zu was für eym,si sy m'r all glych, es ist m'r eine wie d'r angere.“„In solche Dinge, sagte der Pfarrer, mische ich mich sfonst nicht, mein lieber Hansli, da aber die Sache Noth thut und ihr mir lieb seid, so schicket auf der Stelle euren Knecht nach Täubelige und lasset, dem dortigen Doktor sagen, er solle so schnell als möglich kommen und zwar bei mir vorbei, es sei ein Nothfall.Es ist ein junger Mann und mir verwandt und an seinem Beruf ist ihm gelegen, deßwegen ist's, warum ich ihn rekommandire und nicht wegen der Verwandt-schaft.“ „He grad deretwege ist er m'r recht, sagte Hausli, es isch de bppe o ne brave Herr, der nicht so bigehrt, eim a d'r Nase des ume z'führe, bis eim z'Geld alles usem Sack g'runne isch. Oeppe meh wüsse, as e angere, wird er o nit.“

Es war schon spät gegen Mittag, als der Pfarrer wieder gen Hause ging, und unterdessen hatte Niemand im Hause vernommen, warum er war beschieden worden, und alle, bis zur Magd herab, hatten viel zu verwerchen von G'wunder und Theilnahme, sie wußten nicht welcher Gattig mehr, wie es denn auch schwer ist, G'wunder und Theilnahme zu unterscheiden. Am meisten doch der Vikari, der, als er seine Stiefel anzog, noch immer nicht wußte, welchen Weg damit und eben sich entschloß einen Freund zu besuchen und ihn um Rath zu fragen, als ihm an einem Bein die Knöpfe sprangen, in welchem die Stegreife hingen, denn ohne Stegreife ging er nicht aus. Er betrachtete in großer Verlegenheit den Schaden, an einem Fuß Stegreife,am andern nicht, das ging doch nicht wohl; den andern Stegreif abmachen, wäre das kürzeste gewesen,allein er trug doch Bedenken. Er sah den Schaden genauer an, ein Knopf war gesprungen, war nicht wieder anzunähen, was er im Nothfall im Stande gewesen wäre, neue Knöpfe hatte er nicht im Vorrath,und welche der Jungfer Sophie abzubitten, trug er wiederum Bedenken. Er dachte an andere Hosen, was auch möglich gewesen wäre, da er in der That noch welche hatte, aber sie waren theils neuer, theils dunner, die neuen reuten ihn bei dem schlechten Weg, in den dünnen fürchtete er einen Pfnüsel bei der feüchten Luft, darum trug er gegen die einen und die andern Bedenken. Er wußte sich wirklich lange nicht zu helfen,endlich fiel ihm ein, daß zunächst ein Schneider sei an dessen Haus sein Weg vorbeiführe, dort hoffte er dis nöthige Hülfe ohne Bedenken. Er schoß, das Versäumte einzuholen, wie ein Schutzgatter davon, und schoß unter der Hausthüre mit dem Pfarrer zusammen.Das war ein eigen Zusammentreffen. Man erschrickt zumeist, wenn man unerwartet mit einer Person zusammentrifft, sei sie wer sie wolle; ist's dann aber eine Person, die in uns neben der sinnlichen Ueberraschung 206 eine geistige Empfindung erregt, so wird der jähe Schreck durch alle Glieder fahren, bald wird es einem, als ob man mit Wasser begossen, oder ins Feuer gestoßen würde, oder eine Art Starrkrampf jede Bewegung feßle.Als nun der Vikar so unerwartet vor sich den Pfarrer fah, der nun alles wissen mußte, was ihn so sehr bewegt hatte, aber durch die fatale Stegreifgeschichte einen Augenblick in den Hintergrund getreten war, war's ihm fast, als stehe vor ihm ein Löwe, und zwar zum Sprunge fertig. Stumm griff er zum Hut, mit großem scharfen Blick sah der alte Herr ihn an und frug:„Ihr weyt furt?“ Der Blick färbte dem Vikari die Backen roth und hastig sagte er: „Ja, und wahrscheinlich chume ih nit zum Mittagessen,“ und mit dem wollte er vorbeischießen, fast wie ein Vögelein das in Jägers Hand gefallen und diese Hand gelüftet glaubt. „So,fägte längsam der alte Herr, und schon war der Vikari unten entronnen, wie er meinte, und wußte doch nicht warum er entrann, als der Herr sich umwandte und frug: „Wißt ihr, daß z'Jowägers Anne Bäbi schwermülhig ist?“ „Ja, ich weiß es Neue“, sagte der Vikari,so abgebroösmet. „Und daß es seit gestern zwei Versuche zum Selbstmorde gemacht hat, die ihm beide fast gelungen wären“? frug der Pfarrer weiter. „Nein, das weiß ich nicht“, sagte der Vikari, und ward fast weiß,er wußte ebenfalls nicht warum. „So ist's, sagte der pfarrer, und man hat Ursache Gott zu danken, daß beide Versuche vereitelt wurden, wenn es sich nur nicht drittet, die Leute gehörig wachen und Niemand die Glut immer neu anbläst“, sagte er im Umwenden und Hineingehen. So stichelte der Pfarrer, drinnen erst leerte er fein Herz dem Mamali und dem Töchterlein. „Fürchterlich, sagte er, sei solche Unklugheit, zu blasen, wo die Glut schon glimme, man müsse doch vernagelt an Leib und Seele sein für so was. Das sei aber nur die junge Sucht sich wichtig zu machen und auch etwas vorzustellen in der Welt; es sei die junge Anmaßung,die meine, sie habe das Pulver gefressen und die Weisheit erfunden, die meine, sie häͤtien den Schlüssel Petri in Händen und jeder aus ihnen sei erstlich ein Pabst und zweitens noch ein Heiliger, was bekanntlich nicht alle Päbste gewesen. Er wolle nicht einmal glauben,daß es sei, um ihn Alten herunterzumachen und ihm das Vertrauen der Gemeinde zu entziehen, obgleich man viele Beispiele von Exempeln der Art hätte. Da führen sie nun mit ihrer Lehre von der Zerknirschung und der Buße u. s. w. im Lande herum wie d'Schwarzwälder mit Bürste. Und wenn sie Jemand zerknirschen könnten, d. h. daß er sage, er sei zerknirscht und zum Zeichen davon stoöͤhne und seufze, wie Eine, die gebäht sei und weine wie jener Jude, der Kabale und Liebe aufführen sah, mit der Fingerspitze so stark er konnte sich die Augenecken auswischte und den nassen Finger seinem Kameraden zeigte, sprechend: „ich bin geriehrt,sieh, ich bin geriehrt, bin für mehr als sechs güte Groschen geriehrt: so erklären sie ihn für gerettet, für durchgebrochen, nennen ihn Bruder und sprechen ihn heilig.In Rom spricht man einen doch nur heilig, wenn er drei Wunder beweisen kann, freilich giltet es auch wenn einer gebratene Spatzen lebendig macht, was man bei jedem Taschenspieler lernen kann, aber wenn man mit der rechten Salbe den Kardinälen die Augen zu salben weiß, so sehen sie es für ein Wunder an, wenn einer dreimal hintereinander niesen kann oder über ein Spänchen springen. So machten sie Lumpenleute, die allem nachliefen, wo etwas zu finden sei für den G'lust, fürs Maul, oder für den G'wunder, heilig. Andere, welche es ehrlich meinten, oder mit beschränkter Seele zu tief griffen, verrückt, oder den Schalken zur Beute. Sie verstünden von einer Menschenseele und ihrer innern Entwicklungsweise gerade so viel, wie Heustüffel vom Geigen. Sie lernten die Menschen anders grännen,einige Worte plappern, wie man es auch mit Papagayen und Elstern thun könne, auf eine appartige Art seufzen, und wenn dann das gemacht sei, so sagten sie,sie seien bekehrt. Es gebe Leute, sie thäten ihr Holz mit Steinfarbe anstreichen und sagten dann, es sei Stein, und andere färbten ihre Haare und wollten,daß man einen alten Narren für einen jungen Narren halte; aber dieses christlich färben und anstreichen set viel ärger, das sei eben das anstreichen von Gräbern und der Betrug, ein Grab voll alten Uflath auszuschreien für einen Tempel voll Heiligkeit. „Aber Papali, wie redest du auch, sagte die Mama, denk doch,wenn dich Jemand hörte, was würde man sagen?“„Meinethalb was man will, anwortete er, aber es ist doch so, wie ich sage.“ „Aber denk auch Papalt, das ist jetzt so der Brauüch und es geht jetzt viel anders zu als ehemals, man thut viel frommer, b'sunderbar die Jungen, und das gefällt mir, und es dünkt mich,wenn du anch schon ein wenig nachgiebiger wärest, ih will nit säge, id z'Sach yne gäh, nume nit so d'rwider sy, es würd' dir nüt schade. Es ist emel jetz e so d'r Bruch u d'Mode.“ Da zuckte der alte Herr zornig zusammen, und der gleiche Blick, welcher vorhin den Vikar traf schoß auch der Mamali ins Gesicht. Dort wurden die freundlichen Züge ängstlich, und bittend sah sie mit ihren Augen ihren Herrn an. Da wurde sein Blick milder, ein Lächeln schwebte durch seinen Ernst. Freundlich griff er unters rundliche Kinn, und sagte: „Lieb Mutterli, bist auch ein Weibchen wie alle andern sind und meinst, die Mode sei der Meister über alles, nach ihrer Laune müsse alles sich regen auf Erden. Was meinst, steht nichts über der Mode, ewig immer das Gleiche? Sieh doch auf zu den Sternen und sieh, wie sie so ehrenfest gehen im gleichen Schritt,einen Tag wie den andern Tag, in keinem Wetter wechsamer, keiner läuft schneller, weil der andere rascher kreist, keiner hemmt seinen Lauf, weil langsam der andere läuft, jeder geht, wie Gott ihn gehen heißen.Weißt du, vor bald fünfzig Jahren, wie es da Mode war, nichts zu glauben, wie man in Frankreich Gott abschaffte, und wie man nicht von Gnade predigen durfte ohne verlacht zu werden, und vom Heiland kaum,wenn man nicht für einen Tropf angesehen sein wollte.Weißt du noch, wie man damals so weltlich predigte 209 von Allerlei, vom äußerlichen Gehorsam zuweilen, aber auch von allem Nützlichen, von der Stallfütterung und vom Kleebau, vom Fischfang und der besten Art, Fische auszunehmen und zu kochen. Habe ich damals Mode und Brauch mitgemacht? hast du mich deßhalb nicht oft gerühmt und mir gesagt, du hörtest mich so gerne predigen, weil es etwas sei fürs Herz und nicht blos für Stall und Küche? Jetzt sind bald 50 Jahre vorüber und der Gleiche bin ich, Gottlob, nicht geblieben, nicht auf einer Stelle bin ich stille gessanden, gegangen bin ich,wie auch die Sterne Gottes gehen, und ich fühle es,ich stehe näher dem Thore, hinter dem die Herrlichkeit ist, aber ich bin gegangen auf meine Weise und werde den Lauf behalten; ich weiß es, es ist mein Lauf und fuührt zu Gott, würde ich ihn verlassen, und laufen nach heutigem Brauch und Mode, dann wäre ich einem Sterne gleich der aus seiner Bahn gewichen ist. Zerstörung ginge vor mir her und öde Züge hinter mir drein. Wohl sehe ich andere gehen in anderem Wesen,ernster ist dasselbe als das Meine, anders sind ihre Worte, anders nennen sie die Dinge, anders, theilweise, werthen sie dieselben. Ich ehre sie hoch, denn sie gehen ihren eigenen Gang, aber ich stürze mich ihnen nicht nach, denn ihr Gang ist nicht mein Gang. Daß ihr Gang mein Gang sein solle, steht nirgends geschrieben; das sollte man sich merken. Wir haben nur ein Vorbild. Unser Herr hatte zwölf Jünger, jeder folgte ihm, aber in seinem eigenen Gange. Nun aber gibt es auch Cometen mit langen Schwänzen. Von den Cometen weiß man bis dato nichts, als daß sie zu gewissen Zeiten wiederkehren; aber von ihren Schwänzen sagt man, es seien Weltdünste, die gleichsam noch nicht recht wüßten, wohin sie gehören und wohin sie sollen,ungefaähr wie Buben nach einer Solennität, nach welcher gewoöhnlich anch eine neue Klasseneintheilung stattfindet. Dann gibt es freilich auch Dünste, die nicht einmal dazu gelangen, an eines Cometen Schweif sich zu hängen, die freilich sich erheben, so weit sie können, aber bald auf die Nase kriegen, und als Hagel Anne Bäbi. ILI. 14 oder Schnee oder Regen zur Erde niederrieseln. Wie es nun Jahrgänge gibt mit Cometen, Jahrgänge mit Hagel, und andere mit appartigem Schnee oder Regen,so Fibys akkurat auch Jahrgänge mit Moden und Bräuchen aller Art im geistigen Leben. So wenig, lieb Fraueli, als du gerne hättest, wenn ich immer weinte,enn es draußen regnen thäte, oder hagelte, wenn es draußen hagelte, so wenig fordere von mir, daß ich an eines Cometen Schweif mich hänge, oder an irgend eine Mode der Zeit. Ich gehe meine Bahn. Halte mich nicht für hochmüthig und glaube nicht, ich meine Stern sei Stern, und ich sei auch einer. Der Sterne sind unzählbare Heere, groß sind die Einen, klein die Andern, so klein sind unzählige, daß sie wie eine ungetheilte Masse erscheinen, fast dem Nebel gleich, und doch besteht dieser Nebel aus Sternen, von denen jeglicher seine eigene Bahn geht, und jeglicher nach dem Willen Gottes, jeglichem ist Gott seine Sonne, um die er sich beweget? Sieh, unter diese Sternenmasse zähle ich mich. Tomet bin ich keiner, du siehst, Nebelschweif habe ich keinen, die Zeitungen z. B. reden von mir nicht, nicht einmal auf den Sternwarten sieht man mich. Meteor bin ich keiner, ich mache kein Aufsehen,mache nicht plötzlichen Glanz, zerplatze plötzlich und werde eben so plötziich wieder dunkel. Aber ein klein Sternlein will ich sein in Gottes unzählbaren Heeren;des Menschen Auge unterscheidet mich nicht, aber mich fieht Gott und meinen eigenen Gang. Freilich, lieb Fraueli, mußt du dieses nicht so buchstäblich nehmen,als wenn in der Ordnung der Sterne, zu welcher ich mich zähle, alles so ganz unwandelbar wäre, immer Sonnenschein, und kein Schwanken irgend einer Art.Unsere Erde ist ja auch ein Stern mit eigenem Gange,und doch wechseln schön und wuüst Wetter, Wärme und Kälte, ja, es erdbebnet auf ihr, Vulkane sprühen zu Zeiten Feuer, Sündfluthen hat es gegeben, ja, eine eigene Neigung im Gange soll sichtbar sein, aber doch ist ein eigener Gang. Nun soll es auch Doppelsterne geben, wo beide eins scheinen, und doch ihrer zwei sind, 2149 einer um den andern herumgeht. Siehe, die stelle ich mir fast wie eine Ehe vor, was auf dem einen vergeht, davon muß auch der andere kriegen. Brechen auf dem einen Vulkane aus, so wird der andere Asche oder Steine kriegen, und sündfluthet es auf dem einen,XAV0 erdbebnet es auf dem einen, so gibt's auf dem andern wenigstens Erdiauenen oder Kleck (Spalten). So empfindet einer sicher den andern, aber wie akkurat,das zu ersinnen, waren bis dato unsere Gelehrten zu mutz. Sieh, so besteht eine rechte Ehe auch aus zwei Doppelsternen, und wenn es auf mir was neues gibt,z. B. Berge Feuer speien, und über dich hageln Steine,so gehe ich doch meinen Weg, und du mit mir, und wenn es Auf dir sündfluthet, es trüb wird, wird's deswegen auch bei mir; so gehst du doch deinen Weg, und ich mit dir, und wenn unsere Bahn sich schon neiget, hie ame oder dert ume, so ist's doch unsere Bahn, die sich neiget. Unser Vikar aber ist noch lange kein Stern,nicht einmal ein Comet, der durch den Himmel fährt und auf allen Sternwarien ausgeschrieben wird, er ist noch ein Dunst. Ich glaube nicht, daß er ganz gemeiner Dunst sei, der als Hagel oder Regen wieder zur Erde faährt; ich will gerne glauben, er gehöre zu den hoöͤhern Dünsten, welche die Gelehrten Weltstoff nennen, aus denen namentlich die Schweife der Cometen bestehen sollen. Möglicher Weise gestalten sich im Laufe der Zeiten solche Schweifdünste auch zu Sternen,so wie es ja aus den Cometen selbst durch die immer ftärker auf sie einwirkende Anziehungskraft der Sonne manirliche Sterne geben soll, aber dato sind sie es nicht und was aus ihnen wird, weiß Gott. Und soll ich soichen Tünsten folgen, mein lieb Doppelsternchen?mochteft du es, daß dein alter Herr seinen Gang verließe, zu faseln anfinge, durch die Mode sich treiben ließe, wie die Dünste durch die Winde, sich anziehen ind fortreißen ließe durch jeden Cometen, der vorüber fährt? Und wer weiß, ob er nicht der Schweif eines Tomeien ist, der, in sich selbst zerfallen, erniedrigt wird,weil er sich selbst erhöht hat, der jetzt so ungemessen als Schnee und Regen niederschlägt, die Erde und das Wohnen auf ihr so trüb und unlustig macht?“

„Aber Papali, wottsch nit öppis, sagte sie, es Tröpfli Wy, du eryferist di so, und du weißt doch,was d'r Növb (Neffe) g'seit het, du söllist di vor dem hüte, es chönt d'r schade.“

„Fraueli, wenn ich mit dir rede, das schadet mir nicht. Weißt du, ihr seid nicht vergebens unser Doppelstern. Ihr seid an uns gebunden, und gäb wie es euch hiehin zieht und dahin zieht, bald nach diesem Cometen, bald nach jenem, ja, wie es euch zuweilen gelüstet, selbst Dünsten z'best zu reden, so müßt ihr doch mit kommen, könnt nicht von uns los. Denn wenn es euch ziehet hie hin, dort hin, so speien wir Feuer, dann gutet es bei euch wieder, ihr sündfluthet ein wenig, darob geht unser Feuer aus, und somit ist's gut. Aber das thue nie mehr, mir aus lauter Gutmüthigkeit zumuthen, mich an den Vikar zu hängen, er der Comet und ich in seinem Schweif. Das ihue mir nicht, sonst machst du mich böse wie er. So unberufen herum zufahren, eine alte dumme Frau im Eifer für sein Reich verrückt zu machen und dann spazieren zu gehen, um den Vorwürfen zu entrinnen, das ist doch zu arg. Und ich hätte gute Lust, die ganze Sache anzuzeigen, doch hoffe ich, es komme noch alles gut,wenn er nämlich jetzt nicht noch hinausläuft, was ich jedoch nicht hoffe. Kinder, wenn sie was dummes angerichtet, laufen gewöhnlich so weit als möglich davon weg, damit ja Niemand meine, das Ding komme von ihnen. Wenn ich ihn gewesen wäre, ich wäre da geblieben und hätte in Sack und Asche mich verkrochen,aber Kinder haben es eben so, aus den Augen, aus dem Sinn. Hoffentlich wird er je länger je mehr über uns zu klagen haben, und eine andere Stelle begehren. S'ist mir recht, wenn es auch auf unsere Kosten geschieht.“

Ungerecht war unser Pfarrer doch; darum, Gottlob, hat auch Gott keinem Menschen seine Waage anvertraut, nicht einmal dem christlichen Volksboten von Basel. Fast einer angezündeten Rakete gleich waren des Pfarrers Worte dem Vikar in die Seele gegangen.„Zwei Versuche zum Selbstmorde gemacht, die beinahe gelungen wären,“ und zu diesen Worten leuchteten des Pfarrers Augen und warfen einen seltsamen und sonderbaren Schein auf sie. Und Schein und Worte begannen zusammen zu gähren, er vergaß seine Stegreife,sah des Schneiders Haus nicht, au dem er doch dicht vorüber ging, es drängte sich ihm doch aus dem Hintergrunde dunkler harmloser Angst die Frage hervor: „Bist du eine Ursache dieses Unglücks, hat in heißen Stoff dein Eifer den Zunder geworfen?“

Für einen Vikari ist das wirklich eine schwere Frage,besonders da sie seine eigene Person betraf. Juristen behaupten immer, ihr Client sei unschuldig, der Gegner im Fehler und wissen das Ding so gut durchzuführen,wenn sie nicht bestochen sind, daß Männiglich sagen muß: „Wäger ist's so,“ und das geht ihnen so nach,daß, wenn sie Richter werden, ihnen die ganze Welt unschuldig vorkommt und besonders jede Eva, und daß kein Teufel sie überreden könnte, daß irgend eine Eva und besonders wenn sie noch alle Zähne hat, in einen Apfel gebissen, oder gar einen Mann vergiftet hätte,und sollte man ein halb Pfund Arsenik in seinem Magen finden, und wenn man gar noch ein hübsches Evächen als Diebin einbringt, so ist man gar noch im Stande, die Bestohlenen auszuschelten, es sei doch d'r Werth, wegen einer solchen Bagatellsach ein solch Fraueli auszuschelten. Wie soll man nun von diesem juridischen Standpunkt aus, und dieß ist in der neuen Staatstheorie das Höchste, daß nämlich jeder unschuldig sei, den man Lust habe, unschuldig zu finden, und schuldig nur, wer keinen Zahn mehr im Maul hat, oder was darin, das einem nicht gefällt, einem Vikar zumuthen, daß er sich im Fehler bekenne, und daß es ihm Angst werde ums Herz wegen einer Sache, wo man ihm juridisch gar nichts beimessen konnte.

Und doch wards ihm Angst und immer mehr, es 214 dämmerte immer mehr der Zusammenhang zwischen seinem Bekehrungsversuche und Anne Bäbis Zustande auf,und daß feine Worte die bewegende Ursache gewesen;nur konnte er nicht begreifen, wie das hätte zugehen können, und schrecklich schien es, wenn die Ausübung einer heiligen Pflicht, wenn das klare reine Gotteswort solche Folgen haben könnte. Es ist bekannt, daß einmal ein Rarr in einem Fenster gestanden und eine unten im Garten arbeitende Frau gefragt, was sie meine,ob Gottes Wort auch schaden könne. Die antwortete unb'sinnet: „öppis dumms e so! wie wett das chonne schade?“ Da führte er den praktischen Gegenbeweis und schmiß der armen Frau eine schwer beschlagene Foliobibel auf den Kopf, worob sie fast ums Leben kam, und es erfuhr, was Gottes Wort vermag in eines Narren Hand. Dieses Geschichtchen kann nicht genug wiederholt werden, damit die Wahrheit so recht erkamat werde, daß es bei Gottes Wort auf die Hand viel ankommt, in welcher dasselbe liegt, welche den heiligen Samen ausstreut. Die Katholiken verschließen den heiligen Samenbehälter, halten dem Volke die Bibel vor, die Reformirten gaben ste frei, untersuchten sonst aber die Häude derer, welche sich anboten, den heiligen Samen auszustreuen. Das könne man unterlassen,scheint man in neuerer Zeit zu meinen. Ob man wohl meinte, wenn man Narrenhänden den heiligen Samen uüberließe, so werde den Menschen der heilige Same selbst erleiden?

Jedoch ist nicht jede ungeschickte Hand eines Narren Hand. Uebung und Anstrengung können aus einer ungeschickten Hand eine Meisterhand bilden, aber da fängt man bei Leichtem an und schreitet zum Schwereren fort; einem Lehrling werden nicht Kunstarbeiten zugemuthet, einem Lehrling vertraut man gefährliche Operationen nicht an; wenn einer sich in den kleinen Finger geschnitten, so kann ihn der Lehrling verbinden,und wenn einem die Hühneraugen wehe thun, so mag er die auskratzen.

Nun aber ist es eine der kühnsten geistigen Operationen F

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(das Wort wird wohl erlaubt sein), wenn ein Seelsorger zu einem Menschen, der in leiblichen Jammer verfunken ist, trittet und zu ihm spricht: „das ist Gottes Gericht. Um deiner Sünden willen hat seine Hand dich geschlagen!“ Das mochte Hiob kaum ertragen,als er auf dem Misthaufen saß, geschweige dann ein Anne Bäbi. Der christliche Seelsorger muß aber noch weiter gehen, hat er einmal angefangen. „Aber dieß Gericht, so muß er fortfahren, ist nichts gegen das,welches deine Seele erwartet, wenn du nicht Buße thust und dich bekehrest, dieser dein Jammer wird verstummen, aber Heulen und Zähneklappern einer verlornen Seele verstummen nimmer, darum laß den Jammer um den Leib, jammere, daß du um so Nichtiges gejammert, jammere um deine arme Seele, jammere, bis der Sonnenschein der Gnade den Jammer dir trocknet.“So den Jammer zu wandeln in des Menschen Seele,vom Nichtigen auf das Ewige ihn zu stellen und durch diesen Wandel Leib und Seele die Gesundheit wiederzugeben, das ist des Seelsorgers kühnstes, höchstes, fast göttliches Werk. Aber unbedachtsam unternimmt er es nicht, trittet nicht plötzlich ans Lager unbekannter Wesen, schleudert nicht den glühenden Stachel in ein unbekanntes Herz, so wenig als der Arzt auf Gerathewohl mit einem Küchenmesser in das Auge fährt, auf welchem er den Staar stechen will.

Dieß war die Nuß, welche der Vikar nicht aufbeißen konnte, und warum er sein Herz, das so Angst hatte,nicht begreifen, aber auch nicht beruhigen konnte; er hatte ja in seiner heiligen Pflicht gehandelt, hatte eine Seele retten wollen. Daß sie darob den Verstand verlor, daß sie sich das Leben fast genommen, konnte er etwas dafür, vermochte er sich dessen etwas? Er wollte immer sagen: „nein,“ und doch brannte der Boden unter seinen Füßen, und das Herz klopfte ihm, daß er's deutlich hörte, und als er endlich zu seinem Freunde kam, war er außer Athem, daß der Freund ganz erschrak über sein Aussehen, und doch lange nicht vernehmen konnte, was ihm begegnet sei.Der Freund war einer von denen, die sich für bekehrt und in der Gnade halten, die also nach ihrem Sinn nicht mehr fehlen können, die, wenn man sie eines Irrthums überweiset, sagen: „dafür kann ich nichts, der Herr hatte es mir so eingegeben,“ die,wenn man ihüen ein Unrecht nachweiset, entweder sagen: „das begreift ihr nicht, solche Dinge wollen geistig geurtheilt fein,“ oder: „ja der Herr hat mich fallen lassen, aber er hat mich auch wieder aufgerichtet;“einer von denen, bei welchen man nicht klug wird, sind sie dumm oder stellen sie sich einfältig, sind sie Jesuiten,die sich wie Schafe gebehrden oder sind es Schafe, die aber zuweilen böckelen; einer von denen, welche nicht aus Leib und Seele zu bestehen scheinen, sondern aus zwei Schubladen, die, von einander abgesondert einander auch nichts angehen, in der einen Schublade haben sie die geistlichen Dinge, in der andern die leiblichen Dinge; die eine geht inwärts auf, die andere auswendig,die leibliche nämlich inwendig, die geistliche auswendig,und müͤssen sie einmal vor andern Menschenaugen die leibliche hervorziehen, so vergessen sie selten die Vorsicht,aus der geistlichen das weltliche mit einer geistlichen Brühe zu verakomidiren, so daß man die Dinge darin eigentlich auch für geistlich ansehen sollte. Er war ein Rüstzeug Gottes, ein eifriger Streiter für Christi Reich;darum haßte er jeden, der nicht seiner Meinung war,weil es heiße: wer nicht für mich ist, der ist wider mich; er haßte ihn aber nicht nur, sondern er verfolgte ihn auch, denn wenn er's nicht thäte, so würde ihm der Spruch gelten: wer mich verläugnet vor den Menschen, den werde auch ich verläugnen vor meinem Vater, der im Himmel ist.

Als dieser, welcher den Vikar vielfach gegen den Pfarrer aufgestiefelt, zum Handeln getrieben hatte,dessen Erzählung hörte, lächelte er und sagte: „aber Bruder, das macht dir Angst? Du schwaukest immer noch und dein Glaube ist nicht fest. Du hast ja nur das Wirken, dem Herrn ist das Vollbringen, du hast die Predigt, er aber ist's, der verstocket und lebendig macht. Weißt du nicht, daß über einen Sunder, der Buße thut, mehr Freude ist im Himmel als über neunundneunzig Gerechte, und was sind Millionen und abermal Millionen Sünder gegen neunundneunzig Gerechte.Soll man Millionen schöͤnen, wo man hoffen darf,eine Seele zu retten? Und wenn Tausende und aber Tausende zu Narren würden, was kümmert das dich,wenn du Seelen dem Reiche Gottes gewinnen willst?ja, wer eine Seele vom Tode rettet, der wird bedenken die Menge der Sünden. Ja, es wäre recht gut,und ich würde dafür meinem Gott auf den Knien danken, wenn alle die, welche nicht in unsern Bund, in den Bund Christi gehören, verrückt würden; wohl da würde die Welt endlich erkennen, wer das Eine, das Noth thut, unsern Herrn, recht ergriffen hätte.“

So redete der Bruder dem Bruder recht Muth ins Herz, und es gelang ihm auch, denselben zu steifen und zu stärken, so lange er bei ihm war, ihm die Bedenken zu nehmen über das, was die Leute sagen würden, ihm den Glauben beizubringen, daß eben solche Dinge geschehen müßten; das sei das Licht auf den Scheffel stellen, die Menschen würden aufmerksam gemacht, neugierig, ließen sich herbei, und habe man einmal einen, den müsse man dann nicht mehr fahren lassen. Er solle daher bei Leibe nicht von Jowägers weg bleiben, sonst meinten sie ja, er hätte ein böses Gewissen, und gerade das würde sie im Wahn bestätigen, daß er selbst glaube, an der Sache Schuld zu sein. Unerschrocken müsse er hin gehen, müsse fest und sicher sein, dann gewönnen sie Respekt und Zutrauen, und was böse gewesen zu sein schiene, gerade das werde zu einer Handhabe, an welcher er die ganze Familie fassen könne. Wo man auf Gottes Wegen gehe, da müsse man nichts fürchten, nicht den Teufel,nicht Menschen, sonst sei man seiner nicht werth, Fleisch und Blut ererbten das Himmelreich nicht.

So steifte er den armen Vikari, daß der ganz g'stabelig ward, aber eben nur so lange, so lange die Stärke währte, in die jener ihn getaucht hatte; und bekanntlich hilft alles Stärken nichts, wenn der Luft stark geht,öder wenn es gar regnet. Er hatte, ehe er heim ging,blos etwas himmelblauen Kaffe getrunken und draußen ging der Wind, daß die Bäume sich zur Erde bogen,nasser Regen peitschte über die Erde, daß es stob in den Wegen und in diesem Hundewetter wanderte unser arme Vikari nach Hause, ward naß und immer näͤsser, und je nässer er ward, um so kleinmüthiger ward er auch. Alles schien ihm wüͤst und trübe, er seufzte über seinen Beruf, er lag ihm auf den Schnultern wie ein Berg von Blei; wenn er ihn nur abschütteln konnte, dachte er, sterben wäre ihm recht; er ward so weich, so wehmüthig, Thränen standen ihm in den Augen, als er heimkam.

Wie ein Doktor aus der Haut fahren will und ein Pfarrer ihn wieder hineinstößt.Drinnen in der Stube war Licht und eine mächtige Disputation in vollem Gange; drinnen war der Doktor, der bei Anne Bäbi gewesen war und jetzt mit dem alten Herrn gewaltig stuckete, und derselbe mit dem Doktor.

Der Doktor war ein junger geistreicher und begeisterter Mann, der durchaus seinein Beruf sich hingab,in ihm und für ihn lebte. Er dokterte nicht um leben zu können, er lebte für zu doktern; er dokterte nicht um des Geldes willen, nicht um der Ehre willen, er hätte Geld machen können wie Heu, Stadtdoktor oder gar Professor werden, aber das that er alles nicht,sondern setzte für jeden seiner Patienten alles ein, was er hatte, Geld und Leben. Keine Nacht war so strub,die ihn abhielt zu gehen, wenn irgendwo Gefahr war,und nie kam er zu müde heim, um nicht noch die Mittel zu besorgen, welche sobalb als möglich angewendet werden sollten. Wo Begrängniß war, nahm er nicht nur kein Geld, er gab noch; daher wartete er Reiche und Arme mit gleicher Treue und der Zulauf, den er hatte, war so groß, daß er in krankhaften Zeiten Vormittag und Nachmittag ein Pferd müde ritt oder fuhr.Aber einen eigensinnigen Kopf hatte er auch, heftig war er, wunderlich ebenfalls, bei der größten Gutmüthigkeit,fromm war er auch, denn er war ein treuer Knecht seines Herrn, aber er hatte eigene Ansichten, er war kein Materialist, doch frug er allem Kirchlichen nichts nach, und die Geistlichen hatte er durchweg auf der Mugge, und wo er einen bei einem Kranken antraf,da schnitt er Gesichter eine neue Ell lang. Er behauptete immer, er wisse es allemal am Puls eines Kranken, ob ein Pfarrer bei ihm gewesen sei oder nicht;und wenn er für einen Kranken das Moöͤglichste thue und für sein Leben verantwortlich sei, so wolle er an seinem Bette auch alleine Meister sein. Wo er auch nur von Ferne die Einwirkung eines OQuacksalbers merkte,da blieb er weg: er wollte nicht, daß ihre Lümmeleien ihm in die Schuhe geschoben würden, sagte er, und habe man nicht Zutrauen zu ihm, so sei er fertig.Da er so gut und treu war, und Niemand, der ihn einmal erfahren hatte, gerne verlor, so hatten die Quacksalber um ihn herum wenig oder nichts zu thun, sie ließen weder bauen, noch kauften sie Aecker aus ihrem Blutgelde.

Man kann sich denken was er sagte, als er zu Anne Bäbi kam und das Vorgefallene vernahm. Freilich sagten die guten Leute nicht, der Vikar ist schuld;sie wußten nicht, war das gefehlt oder nicht vor dem Doktor, und fehlen gegen irgend Jemand, das vermieden sie mit der groößten Aengstlichkeit. Dem Doktor ward aber der innere Zusammenhang auf der Stelle klar, und wenn er's auch um seines Onkels willen nicht sagte, so fluchte er doch mörderlich innerlich. Er verbot auf das Strengste, Jemand, der nicht zum Hause gehöre, zu Anne Bäbi zu lassen und wohl zu achten, was es rede, und so wenig als möglich ihm zu widersprechen,wohl aber, wenn es zu reden anfange, seine Gedanken auf unschädliche Dinge zu lenken zu suchen. Er sagte, sie sollten nicht Kummer haben, aber getreu folgen, was er befehle, nichts dazu, nichts davon thun, gäb wie sie das eine oder das andere gelüste, machte den gehörigen Verband, und da der Aufregung und dem Blutverlust eine bedeutende Abspannung gefolgt war, so wollte er für das Weitere die Nacht abwarten. Das alles sagte er nicht vor der Kranken, aber die größte Mühe hatte er, Mädi zu verhindern, in der Stube vor der Kranken alles mögliche zu stürmen, was ihm von der Kranken auf dem Herzen war und was es von dem Vorgefallenen wußte.

Er jagte es endlich förmlich hinaus, und ehe er fortging nahm er sie noch alle in eine andere Stube einen Kranken zu betrachten wie einen Klotz Holz, der weder etwas höre noch etwas schmöcke, und nun vor ihm alle seine Umstände und Zustände zu verhandeln,ob er leben oder sterben werde, zu- oder abnehme, geduldig oder ungeduldig sei, oder gar ob es wohl oder übel gehen werde, wenn er sterben könnte. Vor Gesunden thue man das nicht, warum dann vor Kranken,die unendlich empfindlicher seien und alles schwerer nähmten als die Gesunden, so daß er überzeugt sei,mancher Mensch sei an den Reden gestorben, die man an seinem Krankenbett gehabt und nicht an seiner ursprünglichen Krankheit. Ganz besonders aber in solchen Zuständen wie Aune Bäbi sei, müsse man auf die sorgfältigste Weise jedes unbesonnene Wort vermeiden,das die noch vorhandene Glut anblasen könnte. Sie hätten ihm es ja selbst angedeutet, Worte hätten es in diesen Zustand gebracht, darum sollten sie doch ja recht sich in Acht nehmen und durchaus nichts vor ihm verhandeln. „D'r Dokter chönt no recht ha, sagte Hansli,mi het süst geng nit Sorg g'inu könne ha mit em rede,daß z'Für nit ids Dach chöm u d'Wort hey teuf griffe,d'r nebe wär's nottine guti Frau g'si, u het g'hufet,us no gut g'meint d'rnebe.“

„So, sagte der Doktor, um desto mehr müßt ihr euch jetzt doppelt und dreifach in Acht nehmen, und euch binde ich sie ganz besonders auf die Seele, sagte er zu Meyeli, das in einer Ecke saß und sein klein Meyeli säugte. Aber was fehlt euch,“ sagte er. „O nichts, sagte Meyeli, ich bin nicht krank.“ „Die Leute meinen oft sie seien nicht krank, sagte der Doktor, und es wäre doch die höchste Zeit dazu zu thun, aber wenn sie Niemand apparti fragt: wo fehlts, un was hest,so sagen sie nichts, bis es zu spät ist. Wenn ich in ein Haus komme, und sehe so etwas, so frage ich.Wenn ich in des Nachbars Haus komme und sehe Feuer im Stroh, ich lösche auch, und es ist mir nicht um den Lohn fürs Löschen, sondern um des Nachbars Haus.Thut man das an einem Hause, wo man doch akkurat ein gleiches bauen kann, sollte man das Gleiche nicht an einem Menschen thun, dem man das Leben, wenn es einmal dahin ist, nicht wieder geben kann. Darum Fraueli, fehlt euch nichts? Es wäre ja schade um euch,solche gibt es nicht alle Tage.“ „Herr Doktor, sagte Meyeli, es fehlt mir wäger nüt, weder so müd bin ich,die Glieder sind mir so schwer und doch kann ich nicht schlafen, und Muth habe ich nicht mehr wie ehemals.Aber die Hebamme hat gesagt, ich sollte bald wieder abführen, und wenn sich die Aegersten wieder zeigen,so wär' z'Aderlah vielleicht nicht bös, das Biut sei nicht gut, und es sei gut, wenn man es herauslasse und neues pflanze.“ Der Doktor ward ganz roth,wahrscheinlich fluchte er wieder mörderlich innerlich, und als er innerlich fertig war, begann er erst laut zu reden und sagte: „Frau, wenn jemand schwach ist, so muß man ihn nicht noch schwächer machen, und wenn Jemand ohnehin wenig Blut hat, ihm nicht noch das Blut nehmen, was er hat. Laxire und Blutlassen greift ja allemal an und schwächt, der stärkste Mensch fühlt es ja, geschweige denn ein schwacher. Wißt ihr Frau was ihr vor allem thun müßt? ihr müßt das Kind entwöhnen. So lange ihr säuget, werden die Säfte zu Milch statt zu Blut, und je mehr ihr Milch habt,um so magerer werdet ihr. Nicht zusammengezählt,liebe Frau, könnt ihr das an jedem Thiere abnehmen, je mehr es Milch gibt, desto magerer wird es, und jedes Thier entwöhnt seine Jungen zu rechter Zeit, es jäßt sich nicht aussaugen bis auf das Blut. Merkt euch diesen Ausdruck, der ist nicht von ungefähr erfunden worden.“

„Herr Doktor, etwas Recht mögt ihr haben, antworteie Meyeli. Als ich den Bub säugte, gings mir auch fast so, und so bald ich ihn entwöhnen mußte,wurde ich wieder z'weg und lustig, fast wie nes Meitschi, aber 'selbisch isch's angers g'si. Aber jetzt durete mich das arm Kindli, ich habe noch sövli Milch un es lebt so wohl dra, un de ist z'etwenne sövline handligi Sach, un wer wett Zyt näh d'rzu, jetz wo me sövli z'sinne u z'thue het.“ „Aber glaubt ihr mir, fragte der Doktor, es würde euch bessern, wenn ihr entwöhntet?“ „Es wär müglich, sagte Meyeli, emel z'vorig Mal isch's grad besser cho, aber z'selbist het die Großmutter m'r zum Bubeli selig g'lueget, aber wer wett m'r jetzt zum Meiteli luege, wo me geng bir Mutter sy sött ?“

„Gerade das ist die beste Zeit, sagte der Doktor,aber auch die höchste Zeit. Fahrt ihr fort zu säugen,bei Strapazen Tag und Nacht, so kann es morgen,übermorgen über Ort mit euch gehen. Denn seht, da weiß män nie wo die Scheide ist zwischen Leben und Tod. Darum muß man umkehren, sobald man merkt,daß man dagegen zugeht. Ist man einmal darüber,so helfen alle Künste nichts und nicht einmal mit Hexen kömmt man wieder bergauf. Noch seid ihr nicht darauf, aber zur Umkehr ist's Zeit. Denkt, wenn ihr krank würdet, nicht mehr nach möchtet, da wäre ja doppelte Abwart nöthig, und wenn's Kind seine Mutter verlöre, so wäͤre das unendlich mehr, als nicht mehr saugen können. Es ist nur ums Ablegen einer Gewohnheit, bei Milch und etwas Essen ist das Kind immer DKind der sturmen Jungfrau da, wo schwatzen muß,und wenn sie obenaus nicht mehr könnte, es untenaus probirte; sie soll es einige Tage haben, und ihr, Frau, geht in die Stube zur Mutter, wohin die Magd mit dem Kinde nicht kommen kann, so macht sich die Sache von selbst und allen ist geholfen.“ „Z'Sach wär recht,sagte Hansli, aber z'Nacht, am Tag wolle er nichts sagen, gehe er nicht von seiner Alten weg. Dreißig Jahre fast seien sie in gesunden Tagen bei einander gewesen, und wenn er auch etwas zu gruchsen gehabt,so sei sie auch nie apparti gah ligge, un öppis angers wolle er jetzt nicht machen. U mü söll nit Kummer ha,wenn es si rühr, so merk er's scho. Das sei noch besser, sagte der Doktor, so habe die junge Frau des Nachts Ruh, und am Tag, wo sie abwarte, da sei die Unrnhe auch nicht so groß; denn er denke, die Mutter werde so unruhig und plaghaft nicht mehr sein.Meyeli hatte noch manche Einwendung, und namentlich die Uebergabe des Kindes an Mädi, dessen Launen man nie trauen konnte. Aber Jakobli redete stark ein und versprach selbst zum Kind zu sehen, so viel möglich und Mädi unter Aufsicht zu halten, und er vermochte viel über ihns, von wegen alte Liebe rostet nicht.Als man Mädi die Sache vortrug, sagte es, es sei doch kurios, daß es jetzt zu etwäs gut sein solle, zu nere alte Frau, wo doch nimme sovli viel anere g'lege syg, well me's nit lah, aber es King, wo alli d'r Narre a nihm g'fresse heyge, das wohl, das well me nihm gäh. Aber es heygs scho lang g'merkt, daß me's ume kujonire well. Wes de a Nothknopf chöm, wohl de syg Mädi wieder gut. Aber es sei ihm gleich, es wolle das King nehmen, we me doch sövli wüst gege ihm sy well uün ihm z'Suge nimme gönne, so wär'doch Niemere, der si synere erbarmeti. Aber we's de brüll, su söll ihm de Niemere d'Nase zuche ha u öppe säge, es heygs g'klemmt.

Erst als alles dieses fest bestimmt, ausgemacht und bereits in Kraft getreten war, verließ unser Doktor das Haus. Er hatte nur gar zu oft erfahren, daß, wenn er etwas angerathen, die Leute ihm den besten Bescheid gaben, und kehrte er den Rücken, so hatten sie es vergessen oder verlachten es, und thaten es natürlich nicht,denn von Gehorsam gegen den Arzt haben die wenigsten Leute einen Begriff, und namentlich die Berner nicht, denen überhaupt Gehorsam nicht ihre starke Seite ist; denn die folgen verflümeret ungerne und ehe sie es thun, schlagen sie erst hinten und vornen auf wie junge Fülli. Der Arzt habe den Züg zu geben, meinen sie, ums Weitere sich aber nicht zu bekümmern;sie aber geben den Züg dem Kranken, wenn es ihnen gefällt, oder wie es dem Kranken selbst beliebt, manchmal auf einmal, was während zwei Tagen genommen werden sollte, manchmal alle ander Tag einen Löffel voll, statt alle Stunden einen.

Manchmal rathet der Arzt nicht blos, er befiehlt und geht. Kömmt er wieder und frägt: „Habt ihr's gemacht?“ so heißt's: „Herr Doktor, mr hey du denkt,mr hey du glaubt, hey g'meint, g'sinnet,“ kurz, eine Menge Dinge, um die Sache nicht zu machen, welche der Doktor befohlen hatte. Jetzt erst macht der Doktor Beine und läßt den Befehl in seiner Gegenwart vollziehen oder wenigstens dessen Vollzug beginnen. Der Mensch ist nämlich ein wunderlich Ding und was ihm Mühe macht, ihn aus der Gewohnheit bringt, das ist ihm zuwider, das schiebt er auf, das mag er nicht.Nun gibt es viele Leute, die ihr Lebtag nichts sinnen,denken, glauben, als warum sie eine befohlene Sache nicht zu thun brauchten. Hört man sie, so dächte man,sie säßen beständig ob dem Sinnen, es ist aber blos ein Verneinen dessen, was sie sollen, was ihnen und andern gut waäͤre. Es gibt Knechtlein und Mägdlein,die alles unter den Händen vergessen, und fragt ihr sie,warum dies, jenes, nicht gethan sei, so haben sie entweder g'sinnet, oder denkt, oder g'meint, oder glaubt.Diese Redensarten gehen noch viel weiter hinauf.Darin fand wahrscheinlich einmal ein Oberst Grund zu dem Tages befehl: Ein Soldat soll nichts glauben,soll nichts denken, soll nichts meinen, soll nichts sinnen,ein Soldat soll nur gehorchen. Es lag Sinn in diesem Erlaß.

Als der Toktor fortging sagte Hansli: „da g'fallt m'r nit so bös, er ist e kurlige (sonderbarer) und e guraschirte, u g'fluecht het er doch nit, das cha nih afe hasse bi de Krankne ume. U ufem Vikari het er o nit viel, er hätt sust nit z'rede v'erbote, er het wohl g'merket, was z'Schuld isch. He nu so de, wes ume besseret, u z'Sach nit öppe z'fast unger d'Lüt chunt.“

Im Pfarrhause hatte man den Vetter schon lange mit Verlangen erwartet, denn so in einem Pfarrhause hat man so auf einem Vetter sehr viel, überhaupt die Vetterschaft noch hoch in Ehren. Wenn auf irgend Jemand, der von Ferne nur verwandt ist, die Rede koömmt, so wird sicher allemal hinzugesetzt: „es isch e Vetter, e Bäsi vo m'r, frylich wyt use,“ ja, so sagt man selbst, wenn der Vetter im Blauhaus und die Bäsi im Spital ist. Ist aber an einer Bäst leicht etwas gutes, oder ein Vetter in irgend einem Ansehen, so wird mit wahren Freuden davon gesprochen, und wenn so ein Vetter kommen will, so weiß es das ganze Dorf vorher, besonders der Metzger, der, es weiß kein Mensch wie oft, gefragt worden ist, ob er dann und dann frisches Fleisch habe, d'r Vetter chöm. Diese verwandtschaftliche Herzlichkeit ist nicht mehr Mode, gehört nicht zum guten Ton, vielmehr unter die Dinge, um welcher willen der Städter den Landbewohner vornehm über die Achsel ansieht, auch der Vornehme den Gemeinen mitleidig belächelt. Aber eben diese warme Herzlichkeit sticht so wohlthätig ab gegen die vornehme oder städtische Kühle, die doch am Ende nichts ist, als glacirte Selbstsucht. Man mag sich nur mit sich selbst abgeben, höchstens mit seinen Kindern, dem Rest frägt man nichts nach, ssist nur Genur dabei und, Gott weiß,welche Last. Es ließen sich recht hübsch die Dinge zusammenstellen, um welcher willen der Städter andere Menschen über die Achsel ansteht, es würde ein sehr merkwürdig Ergebniß sich herausstellen.

Wenn man aber einen solchen Vetter lange umsonst erwartet, so brummt man nicht schlecht über ihn, empfängt ihn aber dann auch um so herzlicher, wenn er einmal erscheint. Schnippisch empfing ihn vor dem

Anne Bäbi. II. 15

Hause Sophie, und begann einen weidlichen Zank, wie sie es unter sich gewohnt waren, zwischen welchem hindurch mancher Funke blitzte, der Zeugniß gab, daß nicht Haß des Zankes Grund war. „Rudi, du bist immer der gleiche Zaaggi und Dreißi, und wenn du einmal an einem Orte bist, so kannst du nicht mehr fort, besonders wenn etwas Hübsches im Hause ist.“Rudi konnte nicht antworten, schon mußte er die Tante grüßen, dann den Onkel, und dann diesem Bericht geben über Anne Bäbis Zustand. Diesen fand er nicht schlimm, nur müsse man wissen, ob seine gegenwärtige Ruhe Schwäche sei oder Verstellung und da es nichts rede, so wisse man nicht, was in ihm vorgehe, und um die Sache in einigermaßen zu beurtheilen, müsse man wissen, ob etwas der Art in der Familie sei, und ob die Frau schon früher Anlage dazu gezeigt. Der Pfarrer fagte, in der Familie sei durchaus nichts, überhaupt sei die Art Krankheit in seiner Gemeinde nicht heimisch,er wisse sich nicht zu erinnern, daß ein Fall dieser Art sich zugetragen. Von Anne Bäbi habe er nie gehört,daß dasselbe Anfälle der Art gehabt. Der Doktor bemerkte, der Mann habe doch selbst gesagt, es hätte immer die Sache teuf genommen und allem hert nah g'sinnet und das wolle ihm doch fast vorkommen, wie rine langjährige Anlage, welche jetzt sich entwickelt habe und ausgebrochen sei Er sehe das nicht so an, sagte der Pfarrer. „Anne Bäbi gehöre unter die Klasse Menschen, deren Kopf so eng sei, daß sie nur eine Sache fassen könnten, und diese Sache fülle ihn ganz, etwas anderes sinnen und denken als dieses können sie nicht,so scheine allerdings die eine Sache sie tiefer zu ergreifen als andere Leute, welche von mehreren zugleich bewegt würden. Deßwegen aber sei es nicht, daß diese Dinge gar teuf griffen, bleibender als bei andern einwurzelten. Es möge wohl zuweilen geschehen, aber Regel sei es nicht. Man sehe im Aügemeinen nirgends schnellern Wechsel, als bei so beschränkten Menschen.Vernüuftige Gründe seien die tiefen Wurzeln in des Menschen Seele, wo diese nicht seien, da bewege das ganze Leben des Menschen sich auf der Oberfläche der Seele und schlage seine Wellen hin und her nach dem D wohl schnappten da die Wellen zuweilen über, kehrten aber bald wieder in ihre Ufer zurück. Je beschränkter,einfältiger, von der Sinnenwelt abhängig, ein Mensch sei, desio veränderlicher sei er in Liebe und Haß, desto öfters wechsle er seine Freunde und seine Feinde, tausche die einen gegen die andern aus, erhebe heute den einen gen Himmel,, morgen finde er ihn in keinen Schuh mehr gut, heute heule er sich fast zu Tode und bald darauf jage er etwas anderem nach. Er glaube,daß bei Leuten von Anne Bäbis Art solche Anfälle weit weniger gefährlich seien, als bei Leuten, deren Seelen weicher und tieferer Eindrücke fähig seien. Ich glaube, die Verzeichnisse der Irrenhäuser würden meine Ansicht bestätigen. Uebrigens hat eben auch Anne Bäbi allerdings immer an einer Sache mit aller Beschränktheit gehangen, aber diese Sache ist nicht die Gleiche geblieben, sondern sie hat gewechselt. Erst ist es an seinem Kinde gehangen, dann an dessen Hochzeit und hat mit derselben das Kind fast umgebracht, und diese Hochzeit war so ungereimt als möglich und akkurat so, als ob sie Anne Bäbis größter Feind erdichtet hätte. Dann ward ihm die neue Sohnsfrau lieb und bald darauf verwechselte es dieselbe mit ihrem Kinde,und hätte sie um des Kindes willen zu Tode plagen können. Jetzt stirbt das Kind, nun hat es nichts in sich und es ist kein Jammer entsetzlicher als der eines plötzlich ganz öde gewordenen Herzens. Nun kömmt unglücklicher Weise mein Vikar dazu und wirft in dieses dde Herz hinein einen Gedanken, gibt dem formlosen Jammer eine bestimmte Richtung, aber leider rine ganz andere als er will. Und das geschah um so leichter, da Anne Bäbi nicht gewohnt ist, daß man ihm abputzi, ihm so oben herab wie vom Throne die Leviten liest, aAso solche Worte um so greller und erschrockener auffassen muß; zu allem dem kam natürlich die körperliche Aufregung durch Weinen, Abwart, Schlaf-

228 losigkeit, Störungen viell eicht im Blutumlauf, was meist vorangeht, oder doch dabei ist. So stelle ich mir den Gang der Dinge vor, in die geheime Werkstätte unseres Wohles und Wehs, woraus die Gedanken aufsteigen, die unser Thun leitenden Kräfte, gleichsam die Dämpfe, welche die ganze Maschine in Bewegung setzen, sehe ich freilich nicht. Aus diesen Gründen halte ich die Krankheit nur für vorübergehend, die so schreckliche Folgen hätte haben können und jedenfalls immerdar eine sehr trübe Rückerinnerung für diese Familie sein wird.“

„Ja Onkel, das meine ich auch, sagte der Doktor, und daran ist euer Vikar schuld, ich möchte das nicht auf dem Gewissen haben. Da hat man wieder einmal ein Beispiel, was Geistliche in der Krankenstube können, excüse Onkel! Es gibt bei allen Sachen Ausnahmen. Aber wunderselten wirken die Herren nicht nachtheilig auf die Kranken ein. Schuster bleibe bei deinem Leisten, heißt es; der Doktor gehört zu den Kranken, und nicht der Pfarrer.“ „Zu wem gehört denn der?“ fragte Sophie. „Zu wem er will, sagte der Doktor, zu allen Leuten, die ihn nöthig haben, nur nicht zu meinen Kranken, hier will ich alleine Meister sein, wie ich auch alleine verantwortlich bin. Denn geht es unglücklich, so wird kein Mensch sagen, der Pfarrer hat ihn getödtet, sondern der Toktor muß an allem Schuld sein. Und wir haben schon so viel Hindernisse in dem Erfolge unserer Kunst, die auf keine Weise sich beseitigen lassen, daß es gewiß Niemand verübeln wird, wenn wir wünschen, man möchte uns nicht noch muthwillig solche herbeiziehen, die so füglich zu vermeiden sind.“

„Aber sag mir Növö, meinst du, es solle kein Pfarrer zu einem Kranken gehen?“

„In der Regel, ja, Onkel, es sei dann, daß der Tod entschieden und der Pfarrer ein vernünftiger Mann ist, der den Sterbenden nicht unnöthig plagt, aber auch da wäre es besser er bliebe weg, wenn der Kranke ihn nicht ausdrücklich verlangt. Will er ihn haben, nun meinethalb, der Tod kömmt ohnehin, und wenn der Kranke ihn mit mehr Plage haben will, so habe er es, des Menschen Wille ist ja sein Himmelreich,heißt es.“

„Aber meinst du, fragte der alte Herr, was der Pfarrer sage und wovon er rede, das plage nur, veruürsache Schmerzen ?“ „Das ist allerdings meine Ansicht, sagte der Doktor. Der Kranke muß liebreich behandelt werden, dafür sorge ich nach Möglichkeit,dann müssen Ruhe, geistige und körperliche, und Heilmittel das Uebrige thun. Und wenn ich sterben sollte,so möchte ich in vollkommener Ruhe sterben, ohne daß mich hier einer etwas frägt, und dort ein anderer tröstet; und was ich für mich wünsche, das möchte ich auch andern gönnen, und wenn ich irgendwo das Unglück haben sollte, einen anzutreffen, wie euern Vikar,so spazirt derselbe zur Thüre hinaus, und wenn dieselbe zu weit abhanden ist, zum Fenster.“

„Und ich, Rudi, wenn du mich antriffst, zu welchem von beiden muß ich hinaus?“ fragte der Pfarrer.

„Ihr seid doch nicht bose, Onkel, und bezieht dieß auf euch? antwortete der Doktor. Ich weiß ja wohl,daß ihr ein vernünftiger Mann seid, und nicht meint,ihr müsset bei jedem Kranken assistiren, und während der Doktor den Leib plätzet, für die Seele ein Hühnerstegli zweg machen, ihr laßt den Doktor machen, und kommt ihm nicht ins Gehäge.“ „Nennst du des Doktors Gehäge das Krankenbett?“ frug der Pfarrer.„Allerdings, antwortete der Doktor, was sonst?“ „Ja da bin ich schon gar oft darin gestanden, und wenn du nicht so weit von mir entfernt wärest, so hättest du mich schon oft darin angetroffen, und da hätte es mich doch Wunder genommen, was du mit mir angefangen. Aber daß das Krankenbett nur euer Gehäg sei, verneine ich durchaus, und halte dich auf deine Art für eben so einseitig als den Vikari; auch du wirfst den Kübel sammt dem Kinde um. Während er Platz haben will, um mit der Seele zu fechten ohne Rüucksicht auf den Leib, hast du nur den Leib im Auge und willst dich eingenmächtig in den Alleinbesitz des Krankenbettes setzen. Und sehr merkwürdig ist, daß der Vikari, der nur mit Seelenheil handthieren will, materieller Art ist, und viel auf dem leiblichen hält und für seinen Leib größere Angst hat als für seine Seele, die er für gerettet haält, während du, der seine Mitmenschen nur beim Leibe fassen und für diesen alle Rechte fordert,der du der erste Materialist scheinst, für dich sehr geistig bist, Leib und Leben in die Schanze schlägst, materiellen Genüssen wenig nachfrägst, aber der höchsten Anstrengung und Aufopferung fähig bist, eigentlich für dich doch mehr im Reiche der Ideen lebst als auf Erden. Und während deine Natur so hoch dich stellt,pflanzest du die Fahne einer Art rohen Naturalismus am Krankenbette auf, und gehörst also eigentlich auch zu den Aerzten, die eben durch diesen Naturalismus und Knnstprahlerei die Masse der Menschen zu den Quacksalbern treiben, sich selbst allen Kredit rauben.Nur wird dieses bei dir weniger sichtbar als bei vielen andern, weil deine Natur eine andere ist als dein System, weil dein hervorleuchtend geistig Wesen den Leuten eben so wohl thut als deine Mittel, und deine aufopfernde Treue dir eine höhere Glaubwürdigkeit verschafft als deine Kunstfertigkeit, während so viele Aerzte in Natur und System Materialisten sind und ohne Treue und Theilnahme nur ums Geld doktern, und wo nun dieses sichtbar wird, da fehlt in der Noth auch der rechte Glaube.“

„Lieber Onkel, ihr sagt mir da wunderliche Sachen durcheinander, Komplimente und Scheltungen, gute Sachen und unglaubliche. Daß wir die Suacksalber machen, daß das Volk uns geistlich will, das sind seltsame Aussprüche. Aus des Volkes Dummheit stammen die Winkelärzte, und wer ihns am besten heile, das sant das Volk, und nicht, wer am schönsten beten önne.

„So scheint es, sagte der Pfarrer, aber so ist es nicht, anders sieht es in der Tiefe aus, als man glauben sollte, wenn man den Blick nur über die Oberfläche wirft. Die Bessern unter euch forschen freilich auch nach den Gründen der Erscheinungen, aber sie finden doch nur die im Fleische, in der sinnlichen Natur liegenden, die, welche aus dem Grunde des Geistes stammen, die übersehen sie, darum werdet ihr so ungerecht,so einseitig, und hemmt selbst so vielseitig euer Wirken,und den Spruch Jesu: ins Himmelreich geht ihr nicht,und die hinein wollen, laßt ihr nicht, gewissermaßen auf euch anwendend, möchte man sagen: das Reich des Geistes kennt ihr nicht, und die, die es bebauen wollen, lähmet ihr, schließt ihr nach Kräften aus und treibet gar oft eben deßwegen eure Patienten dem ärgsten Aberglauben in die Arme.“

„Ich begreife euch nicht recht, lieber Onkel, sagte der Doktor. Daß ich mit allen meinen Kollegen zufrieden wäre, könnte ich nicht sagen, wahrscheinlich eben so wenig als ihr mit allen euern Amtsbrüdern,aber was ihr mir andeuten zu wollen scheint, glaube ich, sei nicht so, ihr seht Gespenster, meine ich.“

„Bleibst du da über Nacht, Rudi?“ fragte der Pfarrer. „Ich hätte fast Lust, habe eben jetzt nicht viele Kranke und kreine gefährliche. Morgen aber möchte ich frühe da sein, um zu betrachten, ob die Frau nicht aus ihrem äußerungslosen Zustand herauswolle oder nicht hinauszubringen sei. Aber warum frägt ihr das so plötzlich, Onkel?“

„Darum, lieber Növö, weil, wenn du fort wolltest,ich dieses Plänkeln, bei dem nichts heraus kömmt, als Mißverständnisse und Tybeni ESticheleien) abgebrochen hätte, denn wir stehen da im Halbdunkel vor einer Pforte, innerhalb welcher wir einander sicher verstehen werden. Aber hinein zu gehen braucht es Zeit, und drinnen müssen wir uns ebenfalls etwas aufhalten und was ich nicht ausmachen zu können voraussehe, das fange ich lieber nicht an. Willst du aber da bleiben,so wollen wir eine Pfeife stopfen. Sophie, hole Wein,aber von dem unter der Hurt links, das ist ein alter frommer, und läßt einen nicht hitzig werden.“

Als Sophie hinausging, folgte ihr die Mutter.Der Növö kannte das Manöver, nahm die Tante bei der Hand und sagte: „aber für mich macht mir ja nichts Apparts, durchaus nichts, sonst reite ich auf der Stelle fort.“ Sophie drehte sich auf der Schwelle um und sagte: „Häb nit Kummer, mir wey nut mache als d'r Rübli wärme und G'häck (gehaktes Fleisch)d'rzu, wo hüt überblibe ist. Tu wirst wohl z'friede sy d'rmit.“ Sie mußten lachen, denn das waren wohlbekannte, dem Növö von Jugend auf verhaßte Gerichte.Indessen erhielt Sophie einen mütterlichen Zuspruch, sie solle doch nicht immer sagen, was ihr in den Mund komme. Es sei so ordlich vom Vetter, daß er dableiben wolle und ihnen einen heimeligen Abend machen,daß man ihm nicht zur Dankbarkeit unangenehme Dinge sagen müsse, sonst komme er nicht mehr. Sophie sagte,Rudi werde hoffetlich nicht Dokterlis machen und einen Spaß übel nehmen wollen, sonst könnte er bleiben wo er wolle. Wenn man nicht sagen dürfe, was einem durchs Gehirn laufe, so sei es mit der Heimeligi aus.Aber Rudi sei an so was gewöhnt, und habe dem Papa selbst die uv'rschantesten Sachen gesagt, es hätte sie nur Wunder genommen, daß der Papa nicht böͤse geworden, sie sei manchmal darauf und daran gewesen,ihm seinen dokterlichen Uebermuth um die Nase zu reiben.Die Gütterlifürsten thäten, als wenn Niemand mehr witzig wäre auf der Welt als sie alleine. „Gehe du,und hole Wein, sagte die Mamma, und versäume dich nicht mit räsonniren, sonst wird der Papa ungeduldig.“

In der Frage, was ist heimelig, hat man das freundliche Eing'richt um ein Kamin vergessen nach hartem Tagewerk, bei einer guten Pfeife, einem guten Glase und guten Freunden, namentlich ein artig Wybervölkli mit der Lismete. Da wird es einem so behaglich warm, so traulich wohl, so mild bis ins Herz hinein, so friedlich, daß man nicht disputiren, nicht zanken kann; es ist einem nichts als behaglich, nichts als heimelig. Die Kälte ist die rationalistische Temperatur, wo man mit schreiben und reden, mit zanken und streiten sich zu erwärmen sucht; jemehr einem das

Holz fehlt, destomehr muß man aufbegehren um warm zu kriegen. Der Vikar war nicht dabei. Als er zwei Lichter im Zimmer sah, statt nur einem, war er in die Küche gegangen und als er dort vernommen, daß der Növö da sei, der bei ihm schon lange in absonderlich bosem Geruche stand, war's ihm, als hätte ihn eine Natter gestochen, und er fuhr hinauf in seine Stube wie der Byswind.

Sie aber unten sädelten sich um den Kamin, brannten die Pfeifen an, machten es sich recht behaglich.Der Növö mußte Pantoffel anziehen, und während ers that, brachte Sophie noch die Resten von Rübli und G'häck herein und fragte: „was meinst, hest g'nue dra?“ „Allweg,“ sagte der Doktor. Die Tante aber sagte: „Du bist geng z'glych Säumeitschi!“

Wie ein alter Herr ins Reden kommt und nicht mehr hören kann.Der Pfarrer achtete sich dessen nicht, sondern wie aus tiefem Sinnen erwachend, sprach er: „Wie mich doch das heimelet; so bin ich mit deinem Vater manchmal gesessen und noch dazu gleichst du ihm immer mehr und das gleiche Thema, welches jetzt zwischen uns liegt,lag auch so manchmal zwischen ihm und mir, und fast auf deine Weise verfocht er es, nur daß jede Zeit eine ungleiche Ausdrucksweise hat. Sein Verstand beherrschte fast unübersehbare Weiten, darum erkannte er seine Schranken nicht in allen seinen Ansichten, aber in allen seinen Verhältnissen herrschte das Gemüth vor und beide wurden vermittelt durch einen Eifer, eine Berufstreue,die seine Lebenskraft früh verzehrten. Der gute Bruder! Wir waren beständig anderer Ansicht und doch nie uneinig, ein jeder bedauerte des andern Beschränktheit und doch hatte einer den andern so lieb. Er bedauerte, daß ich außer Verstandesweite noch etwas annehmen musse, das ich eben nicht mit dem Verstande zu erreichen vermöge; ich aber bedauerte ihn, daß er neben dem von ihm beherrschten Gebiete kein anderes anerkenne, so daß er mir vorkomme fast wie der Kaiser von China, der außer seinem, allerdings großen Reiche,ebenfalls keine andern Reiche anerkennen wolle. Nun aber liegt zwischen dir und mir noch deine Zeit und meine Zeit,deine Jugend und mein Alter. Wie die neue Zeit die alte überragt in vielen Dingen, meint meist der Jüngling auch den Greis zu überragen, und es vergißt der Jüngling, daß er nur unreif und meist auch das Unreife seiner Zeit in sich trägt, daß in jedem Menschen sich abklären muß das, was er in sich aufgenommen,und des Alters Weisheit es gegeben ist, zu pflücken der Zeiten gesunde, reife Früchte. Es vergißt der Jüng-ling so gerne, daß auch der Greis ein Jüngling gewesen, er selbst aber auch ein Greis werden wird. Ich sage das nicht als Vorwurf, denn selbsten ging es mir so, und deinem Vater ebenfalls. Ach, er würde kein Greis, wär er es geworden, wie hätte wohl seine Anschauung der Dinge sich gestaltet?

Er ward in der Zeit gebildet, wo die Erkenntniß der Menschen Riesenschritte machte, der Verstand seine Grenzen unendlich erweiterte und darum in den Wahn verfiel, er hätte alle andern Gebiete verschlungen, wo der Mensch der Kräfte der Natur sich bemeisterte, und sich einbildete, es gebe keine wirkenden Kräfte mehr,als die, welche er in Ketten und Banden geschlagen,deren Wirkungen er erforscht und sie zu regeln im Stande sei. Dem Menschen sei es gegeben, mit Zeit und Weil in seinem Wissen Alles ihn umgebende, berührende zu umfassen, und was er noch nicht erfasset,das sei darum noch nicht erfaßt, nicht weil es nicht möglich sei, sondern weil die rechten Leute sich noch nicht damit abgegeben, die rechten Wege dazu noch nicht gefunden worden seien. Was er durch das Wissen erforscht meinte, hielt er für untrüglich, brachte es in ein System und dieses System war sein Evangelium.Und weil die Mediziner, welche sich ursprünglich hauptsächlich mit diesen Naturwissenschaften beschäftigten, dieses Evangelium, daß alles was sei, auch vom Menschen müsse erklärt werden können, erfunden, so hielt er sie für das Licht der Welt, die den Schlüssel zu allem in der Tasche trügen, und von diesem hohen Standpunkte aus lächelte er auf alle nieder, die unter ihm im Dunkel tappten, d. h. noch Dinge glaubten, welche sie weder sehen noch zergliedern konnten. Und weil er auf diesem Standpunkte die Bestimmung des Menschen,seine Vollendung, darein setzte, zu einem vollständigen Wissen zu gelangen und mit diesem Lichte des Wissens das ganze Gebiete des Glaubens und des Ahnens taghell zu machen, so haßte er recht eigentlich die Männer des Glaubens, die Dunkelmänner (das Wort Pfaff war damals noch nicht gebräuchlich) welche in den geheimnißvollen Schachten der Seele die höhern Kräfte hervorgruben, ein geheimnißvoll Auge entschleierten, und was dieses sah, frommen Glauben nannten. Seiner Ueberzeugung nach waren sie nicht nur überflüssig, sondern auch gefährlich, sie hemmten den Menschen auf dem Wege zu seiner Vollendung, und wenn er Meister gewesen wäre, so hätte er allen den Abschied gegeben.Er theilte sie der Mehrzahl nach ein in Betrüger, welche von dem Irrthum alles dessen, was sie lernten, vollkommen überzeugt seien, aber entweder es ihrer Faulheit angemessen fänden, auf diese leichte Weise ihr Brod zu verdienen, oder aber es zu ihrem eigentlichen Handwerk machten, das Volk in der Verdummung zu behalten, weil es in jeglicher Beziehung im Zustande der Verdummung am leichtesten auszubeuten sei; und in Dumm- oder Schafskoöpfe. Unter diesen verstund er alle die, welche noch glaubten, was sie lehrten, denn es schien ihm rein unmöglich, daß ein vernünftiger Mensch noch an Dinge glauben konnte, die außer dem Gebiete des Begreiflichen und Erklärbaren lägen. Er mahnte mich in dieser Beziehung an einen Menschen,welchem von Jugend auf der Geruchssinn fehlt und der daher alle auslacht, welche von guten und bösen Gerüchen „die er ja weder sieht, noch hört, noch mit Händen fassen kann, ihm sprechen. Keine fanden vor 236 ihm Gnade, als die, welche sein System annahmen,dem Wissen Himmel und Erde einräumten, und mittelst dieses Schlüssels Himmel und Erde, Gott und Geist,ganz natürlich und einfältig zu erklären wußten, daß es einem vorkam, sie kämen eben hinter dem Umhang hervor, hinter welchem ein Taschenspieler auf die natürlichste Weise die Künste bereitet, mit welchen er seine Zuschauer vor dem Umhang in Staunen und Verwundern setzt. Mit denen ließe sich noch auskommen, sagte er, indessen betrachtete er sie für sich selbst doch mit geheimer Schadenfreude, als die, welsche gegen ihr Gebein wütheten, ihr eigen Reich zerstörten, und wenn sie dann dieses ihr Werk gethan hätten, selbst als überflüssig auf die Seite geworfen würden. Er verglich sie oft mit einer gewissen Wespenart, welche erst andere Wespen vertilget, um dann selbst von Raupen aufgezehrt zu werden. Mit mir war er in seltsamer Verlegenheit. Für einen Betrüger hielt er mich nicht, dazu dachte er zu brüderlich und hatte mich zu lieb, und für einen Schatskopf mich zu nehmen, war noch Manches ihm im Wege. Nicht weil ich im Disputiren ihm nicht nachgab, er mich nie überzeugen konnte, das, sagte er,seien eigentlich nur Zeichen der Einfältigkeit, denn je dümmer ein Mensch sei, desto schwerer fasse er die Wahrheit, das Einfache, das Klare, während man ihn um so leichter überreden könnte, schwarz sei weiß, weiß sei schwarz, und der Gugger sei eigentlich der Teufel,und wer sich nicht in Acht nehme, den nehme er und fresse ihn ohne Sauce. Er erfuhr im gewöhnlichen Leben mich nicht als Schafskopf, sah, wie ich Verhältnisse durchschaute, Umstände benutzte, und, was ihm am meisten auffiel, Bemerkungen machte bei mir bekannten Kranken, welche ihm Fingerzeige waren zu ihrer Heilung. Er sagte oft, es sei Schade um mich, daß ich nicht Arzt geworden, und wie ich Geistlicher bleiben könne bei meiner Ehrlichkeit, begreife er nicht.Theils, meinte er, würden es Jugendeindrücke sein,welche unsere fromme Mutter, deren Liebling ich gewesen, mir eingepreßt, theils aber eine unbegreifliche

Standesbeschränktheit, ein unwillkührliches Gefangennehmen des Gedankens und des Nachsinnens. Natürlich ließ ich mir diesen vornehmen Vorwurf des Beschraänktseins nicht gerne gefallen, sondern bin retour gefahren und habe gemeint, ich könnte ihm noch mit mehr Recht den Vorwurf des Beschränktseins machen,ihm, der nur ein Gebiet anerkenne, in welchem er mit seinen fünf Sinnen, geführt vom Verstande, herumfahre, wo er mich an einen Jäger mahne, der mit fünf Hunden jagen geht, aber sehr oft das Gewild nicht erjage, weil dasselbe in anderes Gebiet sich flüchte und namentlich, wenn es Fecken häätte, fliegen könne,und vor den schweren, vierbeinigen Hunden in luftige Regionen sich zurückziehe. Dann warf er mir wohl vor, wir seien allerdings weder Jäger, denn wir erjagten gar nichts, noch hätten wir Hunde, denn wir besäßen kein Gebiet, auf welchem Hunde laufen könnten.Wir mahnten ihn an Stangen, die im Nebel herum führen, und in diesem trüben, öden Nichts nichts erguselten, als recht eigentliche Nebelstecher. Je mehr wir predigten, desto mehr verlören wir an Bedeutung,pflegte er zu sagen. Wenn unsere Predigt was wäre,so müßten wir bereits die Welt erobert haben, nun aber hätten wir uns um die Welt gepredigt und lange gehe es nicht, so werde man uns aüenthalben als überflüssig erklären. Es sei aber auch nichts natürlicher, denn ali unsere Lehrsätze mahnten ihn an Rechenpfennige, sie glänzten wohl und klängen etwas, seien aber ohne Werth, beim oberflächlichsten Beschauen. Unsere Verschreibungen aufs Himmelreich seien auch nicht gewich-tiger, und verloren alle Tage an Kredit, und die Menschen wandelten je länger je mehr gerade so, als ob sie nicht ins Himmelreich wollten. Zeit wäre es, wir redeten verständig zu den Leuten, wie sie dieses Leben zu betrachten und zu benutzen hätten, daß es ihnen zum Vortheil sei, dann wären wir doch zu etwas nütze,betrügen Gott nicht um die Zeit und die Obrigkeit nicht ums Geld. So redete mein Bruder, es war die Stimme der Zeit, und Pfarrer gab es, die wirklich in seinem Sinn predigten und von der Kanzel lehrten, was mit sieben Brachfeldern zu machen sei, und was besser sei,Stallfütterung oder der Weidgang, und wie man Kälber wohlfeiler mit Heublümtthee als mit Milch abtränke,sintemalen die Milch die Menschen selbst gut dünke,während Heublümtthee kein Hund riechen möge.

Und doch war mein Bruder selig ein Christ, wollte es aber nie glauben, ein freundliches Kindeswort trieb ihm Thränen in die Augen, aber auch jede Schlechtigkeit ganze Fuder Blitze aus seinem Munde, die Armen waren seine Kinder, und sein Leben bot er alle Tage zum Opfer; aber dabei redete er, daß man ihn für rinen versteinerten Selbstsüchtling hätte halten sollen.Während er so mit allem Bestimmten und Gegebenen mit allem Positiven in der Religion verfuhr, war er dem Bestimmten und Festen im Doktern zugethan, er war ein medizinischer Dogmatiker. Er war ein fleißiger, gelehrter Mann, wäs auf dem Gebiete der Mebicin errungen war, das wußte er, er kannte die Krankheitsformen, ihre Ursachen, ihre Form und Entwicklung, den Gang derselben je in den verschiedenen Korperbildungen, den hagern, den fetten, den mus kulösen und nervösen und von allen die äußerlichen Kennzeichen; er kannte Stoffe und Kräfte der Natur und wußte eine jegliche Wirkung derselben auf den menschlichen Körper in gesundem oder krankem Zustande, und wo verschiedene krankhafte Zustände in einem Körper sich vorfanden, wußte er akkurat mit welchen Kräften man dagegen fechten und wie viel von jedem Stoffe man für diesen Zustand und wie viel von einem andern Stoffe man für einen andern Zustand bedürfe und wie sie zu mischen, mit welchem Mittel zu binden seien, daß sie nicht auscinander strebten oder einander widerstrebten, sondern vereint, aber jeder auf einen betum erklärte er, warum dieser Stoff auf diese Form so wirke, auf eine andere anders. Und was da erkannt war, das hielt er felsenfest, das war sein Evangelium. Das gab er zu, daß das Gebiet zu erwei tern, Neues zu entdecken, der Bau höher aufzuführen sei, das Genie neue Agentien und Kräfte entdecken,das Talent Art und Weise ihres Gebrauches vervielfältigen könne. Wie oft ich ihn auch aufmerksam machte,daß die Lehrsäͤtze und Dogmen auf seinem Gebiete nicht haltbarer mir scheinen, als ihm meine auf meinem Gebiete, daß er da eine Menge Voraussetzungen mache,die keinen Grund hätten, Dinge annehme, welche noch lange nicht bewiesen seien, und Wirkungen voraussage,die selten erfolgten, öffnete ich ihm die Augen doch nicht. Er sagte, darüber hätte ich kein Urtheil und für solche Dinge keinen Verstand, ich müßte noch gar viel lernen, ehe ich in die Tiefe der Wissenschaft sehen,den Umfang derselben erfassen wollte, und blieb ein wunderbar gläubiger Mediziner, trotz dem, daß sein Glanbe so oft auf die Probe gestellt ward, und sein System ihn im Stiche ließ. Aber dann hatte er hundert Gründe seinen Glauben zu rechtfertigen vor sich und andern. Es war gefehlt worden in der Anwendung der Mittel, oder im Gebrauch von Speisen, oder aber es hatten ihm alte Frauen u sellige Züg ins Handwerk gepfuscht. Das haßte er furchtbarlich und hatte ein instinktmäßiges Mißtrauen gegen solche Einwirkungen. Sowie er in eine Krankenstube kam, sahe er in alle Winkel hinein, ob nicht ein GOütterli oder ein Papierli liege, zog auf das Sorgfältigste die Stubenluft in die Nase, um zu unterscheiden, ob dieselbe nicht mit verdächtigen Gerüchen geschwängert sei. Und wo er das Geringste merkte, sagte er ihre Schuld den Leuten auf den Kopf zu, daß sie das und das brauchten. So,daß die guten Menschen oft glaubten, er könne hexen,indem sie doch, da sie seine Art kannten, alles Verdächtige auf die Seite geschafft, ja manchmal sogar die Stube gelüftet hatten. Wie fein die Nase meines Bruders war, davon machte man sich keine Vorstellung,er ist aber auch komod für einen Arzt. Daß die Leute aber deswegen das Zwischeneindökterlen unterlassen hätten, davon war keine Rede, und keine Frau, welche er, sie ertappend mit einem Gütterli oder einem Salbli unter der Scheube, alle Schande sagte, ließ sich abhalten, noch selbigen Tages an einen andern Ort hin bas gleiche Mittelchen zu schmuggeln, ihrethalbe könne er wüst thun, so viel er wolle, sagte sie, d'r Gring heyg er doch no Niemere abg'schriße. Oder aber er gab den Apothekern schuld, welche den Teufel im Leibe hätten, schlechte Droguen für gute zu verkaufen, oder nicht Zeit hätten, die Sache gehörig zu kochen; oder sagte, es seten da noch unbekannte Agentien, welche,wenn sie entdeckt wären, das Ganze aufklären und alle bisherigen Voraussetzungen rechtfertigen würden; aber auf das Unbekannte habe man nicht Rücksicht nehmen können, was zwar unglückliche aber unverschuldete Folgen gehabt. So wußte mein Bruder immer sein System zu vertheidigen, sich in immer festeren Glauben an dasselbe hineinzureden, und doch war gerade das seine Qual im Leben, an welcher er auch starb, das Mißverhältniß zwischen Wissen und Können.Unbestritten war mein Bruder der wissenschaftlichste Arzt weit umher und auch ein glücklicher Arzt, seine Praxis war noch größer als die deine, mein lieber Növö, denn damals waren noch nicht so viele Aerzte als jetzt. Und die große Praxis stumpfte seine Theilnahme nicht ab, ein gefährlich Kranker lag ihm auf der Seele, und wenn ein Vater oder eine Mutter oder ein hoffnungsvolles Kind ihm starb, so sah man ihn Wochenlang nie lachen, es war, als wäre ihm selbst das Liebste gestorben, und es konnte ihn quälen bis zum Tode, öb er wohl gehbrig systematisch alle Kennzeichen zusammengestellt, alle nöthigen Hülfstruppen in möglichster Macht aufgeboten hätte? Nun geschah ihm doch zuweilen, daß ein Kranker, den er allerdings heilungsfähig glaubte, an dem er alle seine Kunst umsonst versuchte, weiter ging und von einem andern Arzte, der meinem Bruder nicht die Schuhriemen aufthat in Beziehung auf das Wissen, oder gar von einem Quacksalber geheilet wurde, oder wenigstens geheilet schien.Denn allerdings geschah manchmal, daß in Bälde etwas scheinbar Anderes am Kranken ausbrach und ihn hin raffte, aber das scheinbar Andere war doch nur der zersetzte und in anderer Form erscheinende alte Krankheitsstoff. Das wußte freilich die Menge nicht, sie pries nur die Heilung, den spätern Tod vernahm sie nicht, oder brachte ihn in keine Verbindung mit der frühern Krankheit. Solche Fälle quälten meinen Bruder unendlich. Er hatte alle seine Kunst erschöpft, seine Mittel mit der größten Sorgfalt und Umsicht zusammengesetzt und es war alles umsonst, es war, als ob er die Tränke einem Steine einschütte, und nun kömmt ein anderer und heilt den Menschen fast blindlings.Manchmal meinte er, die erfolgte Heilung doch seinen frühern Mitteln zuschreiben zu können, aber die meisten Male konnte er dieses nicht, er mußte den Erfolg dem Gegner zugestehen. Tas aber wurmte ihn fürchterlich,er brachte die Sache nicht aus seinem Kopfe, er durchlief die ganze Geschichte immer wieder, und immer hatte er recht, so wie er die Sache angesehen, so war sie auch, davon blieb er überzeugt, aber heilen konnte er sie nicht, das Können war einem andern gegeben. An dieser Mauer stand er oft Monate lang und stürmte wider sie, aber sie fiel nicht um, er blieb im Dunkeln,das Warum kounnte er nicht erklären, der Zufall mußte ihm endlich helfen, wenn der Eindruck zu erlöschen, der Gegenstand zu erkalten begann.

Da geschah es, daß cein Nervenfieber über unsere Gegend kam, man wußte nicht wie, nicht woher. Wenn der Föhn über die Berge kömmt und die Pflanzen versengt, so weiß man wohl, er kömmt aus dem heißen Afrika, heißt aber dort Samum. Wenn aber ein Fieber einbricht in die Menschheit, mit Feuersglut, mit Höllenangst Leib und Seele fület, wer weist es nach,ob dasselbe als giftiger Schein vom Himmel gefahren,oder ausgebrochen sei, als verpestender Dunst aus der Erde tief unterstem Grunde, wo in ihrem verborgenen Schooße gebraut werden die Geheimnisse, die nie des Menschen Auge ergründen wird, oder ob es geschlichen kam, unhörbar und leise, der Schlange gleich durchs glatte Gras bis an der Hütten Rand, mit einem

Anne Babi. II. 16 Sprunge den erfassend, der sorglos zuerst in seine Nähe triit, von dessen Lager dann sich schleichend an jeden,der au der Unglücklichen Lager sich wagt. Wo so ein Fieber eingebrochen ist in des Menschen sicher geFlaubte Hütten, da gestaltet dasselbe sich entweder als Schlacht die rollend in tansend Donnern dahinbrauset,niedermähend auf ihrer Bahn zu Tausenden, alle, welche auf ihrem Wege sich finden; oder zum mörderischen Gefechte, wo hier einer fällt, dorteiner, immer mehrere, wo aus jedem Busche die Kngel pfeift, von jedem Huügel der Stein rollt, dann lange Strecken sicher bleibeü, dann wiederum der Felsblock rollt, die Kugel saust; wohl viele entrinnen, aber oft die am wenigsten,die am meisten sich gesichert wähnen, während der unverletzt steht, der kühn an den gefährlichsten Oertern gestanden.

Aber wo eine Schlacht donnert, ein Gefecht daherbrasselt, da zaubert der Donner den Muth hervor, es raufcht das Blut in den Adern, einer reißt den Andern mit sich, die Massen erhitzen sich, das Bewußtsein geht unter, der Tod verliert seine Schrecken, Todes Trotz wird zur hoöchsten Lust.

Wo aber das Fieber daherschleicht, tückisch, lantlos sich in den Körper wühlt, da erfaßt ein stilles Grausen den Menschen vor dem Feinde, den Niemand sieht,Niemand hört, der so plötzlich, so brennend auftaucht in des Menschen Gebein. Wo er einen niedergeworfen auf sein Lager, da weilet der Feind, man sieht ihn nicht, aber man weiß es doch, weiß, daß er einem elektrischen Funken gleich, von einem zum andern springt,daß er in einen Athemzug sich kleidet und das Inwendige findet, daß gegen ihn weder Wehr noch Waffen helfen, der Starke gleich dem Schwachen ist, der Muthige gleich dem Feigen.

Und doch ist's gerade da, wo der Gottesfunken in des Menschen Brust am hellsten leuchtet, wo still und ungesehen ein Heldenmuth sich entfaltet, den man mit Orden und Titel nicht lohnet, den aber der Vater im Himmel sieht und nicht vergißt. Ungeheißen tritt das

Kind ans Lager der Eltern, stellt dem Feinde sich preis,die Gattin verläßt den Gatten nicht, der Vater wacht über seinen Kindern, ihren Dienst verwaltet die treue Magd, so lange ihre Krafte sie tragen, und wenn eins nach dem andern fällt, vom tückischen Feinde giftig erfaßt, so tritt ein ander Glied des Hauses an seine Stelle, so lange noch eines ist, dessen Kräfte nicht gebunden sind in des Fiebersschauern, im Todeskampf.Selten sind hier die Feigen, und wenn auch in dieser,in jener Brust die Angst ihre Flügel regt, es kämpft der Mensch sie nieder im Bewußtsein seiner Pflicht,im Vertrauen auf den da oben, dessen Hand auch über diesen Fiebern mächtig ist, im Glauben, daß Feigheit vor dem Tode nicht schütze, daß gar oft den Feigen auf der Flucht der Tod erreicht, der Muthige in Müte von Leichen aufrecht bleibt.

In solchen Schlachten ist der Arzt dem Feldherrn gleich, doch mit dem Unterschiede, daß er nicht von sicherm Hügel aus den Feind observiren, die Geschütze dirigiren, mit den Seinen manövriren kann. Von Anbeginn muß er zunächst dem Feinde stehen, muß persönlich ihm in die Augen sehen, wo er sich zeigt, muß persönlich die Angriffe leiten von Lager zu Lager, muß an jeglichem helsend und tröstend stehen, muß allgegenwärtig sich machen, muß auf den Flügeln des Eifers sich vervielfältigen, muß selbst ütrer Müde und Mattigkeit siegen, und wenn Rath und Kraft, Muth und Trost allenthalben ausgehen wollen, muß er die Quelle sein, die andere mit neuer Ausdauer tränket. Wie der Held seine Seele Gott befiehlt und nie denkt, daß eine Kugel seinen Leib treffen köͤnne, muß der Arzt hervorragen über alle, in kiarer Unerschrockenheit, den Helden gleich, von denen die Sage geht, daß sie hiebe und kugeifest gewesen durch übernatürliche Kunst, Fällt er dennoch, und Helden schont der Tod nicht, so stübt er einen Heldentod, dem größten Feldherrn gleich, und wenn fein Name schon nicht glänzt auf den Blättern der Geschichte, so steht er doch verzeichnet in dem goldenen Büche, wo alle Namen stehen, deren Träger für andere in den Tod gegangen.Ein solcher Held war mein seliger Bruder in jenen Tagen mitten im würgenden Tode, mit einer eigentlichen Begeisterung flog er von Lager zu Lager, seine Kraft schien unerschöpflich, wenn man glaubie, hier sei er, so war er schon Stunden weit. Was ich helfen fonnte, that ich auch, und vielleicht hier zum erstenmal so recht erkannte mein seliger Bruder, daß wir nicht nur leibliche Brüder seien, sondern daß wir auch als Arzt und Pfarrer in unserem Wirken Brüder sein konnten, sollten, Brüder sein müßten. Der Tod hatte keine Mächt über ihn, das Fieber floh, aufrecht stand er auf dem Schlachtfelde, aber er hatte unglücklich gekämpft,die Beute, welche er dem Feinde entrissen, war gering,groß aber die Zahl, welche ihm erlegen. Viele Väter waren gestorben, ihnen nach die Mütter und elternlose Kinder irrten klagend herum, auf den Gräbern ihrer Kinder kinderlos weinten Mütter, seufzten Väter, und jeder Seufzer war meinem Bruder ein Dorn ins Herz,jede Thräne ein glühender Tropf auf seine Seele, jedes verwaiste Kind ein Zeuge gegen ihn vor Gott. Denn nirgends hatte das Fieber gewüthet, wie in seinem Bereiche, keinem Arzte waren so viele gestorben, und namentlich hatte einer, der einfältig schien und sonst nicht im besten Rufe stand, sehr viele gerettet.

Das war's, was meinen Bruder fürchterlich ergriff.Umsonst stellte ich ihm vor, wie solche Krankheiten nie an allen Orten gleich innerlich, gleich zerstörend seien,wie oft die Lage eines Ortes oder die Zusammensetzung der Luft, welche durch dasselbe strͤme, die Gewalt einer Krankheit erhöhe oder müldere. Wie auch auf keinem Schlachtfelde die Todten gleich vertheilt lägen, sondern in Haufen hier, einzelne zerstreut dort, so set es auch in solchen Krankheiten, während oft ganze Dörfer verwůstet würden, blieben andere fast unberührt. Freilich wüßte man auf einem Schlachtfelde wohl, daß die Haufen niedergeworfen worden seien, durch die Kugeln einer Batterie oder durch die Säbel der Kavallerie, in einer Krankheit lägen die Ursachen verborgener, und hie und da möge wohl ein Böoswilliger die Ursache in einem

Arzte suchen. Aber jedenfalls geschehe dieses von der Menge im Allgemeinen nie, die Menge sage, namentlich bei solchen Krankheiten, sehr selten, der oder jener Doktor ist geschickt oder ungeschickt in Behandlung der Krankheiten gewesen, sondern: der ist b'sungerbar g'fellig (glücklich) zu der Krankheit, jener aber b'sungerbar ungöfellig; sie suchen also den Grund, daß einer mehr geheilt äs der andere, weder in der gröstern Kunst, noch im bessern Fleiß oder Willen, sondern höher, und dieser Fingerzeig der Menge nach etwas Höherem sollte den Verzten ebenfalls ein Fingerzeig sein. Namentlich bei ihm werde kein Mensch die Ursache in Mangel an Wissen oder Willen suchen, sondern es werde blos heißen,zu der Krankheit sei er b'sungerbar ung'fellig g'si.Aber das war gerade der wunde Fleck, der in immer verzehrenderem Feuer brannte in seiner Seele. Kam es da auf das G'fell und Ung'fell an, gelang blindem Tappen, was vollendetes Wissen nicht vermochte, stunden sie da als willenlose Werkzeuge einer Macht, welcher er längst alles Einwirken in menschliche Verhältnisse abgesprochen hatte? Sein Wissen war gleichsam sein Gott gewesen, seine Kunst seine Religion, mit welcher er seinem Gotte diente, und zwar in seltener Treue.War sein Gott ein Phantom, seine Kunst eine Täuschung? Sein Glaube war erschüttert, und mit seinem Glauben erlosch sein Lebensmuth. Nicht gekränkte Eitelkeit war es, der Aerger, daß einer mehr geheilt als er,besonders vom Volke gepriesen ward, was den starken Mann zusammenbrechen ließ, einem dürren Zweige der Eiche gleich, es war das Gefühl, welches den erfaßt,der sich von Gott verlassen glaubt für immer. Mit der ganzen Innigkeit seines Wesens hatte er in seinem Wissen gelebt, ihm sein Leben geweiht, dessen Ausübung seine Lebenszeit, und dieses Wissen verrieth ihn in seinem wichtigsten Lebensmoment, in welchem Männer zu Helden werden, und seine Kunst war eine machtlose,eitle! Er war einem Kinde gleich, das mit hölzernem Schwerte die Welt bezwingen will. Er versuchte alles,ging unzählige Mal seine Heilungsweise durch, stellte zben so oft älle Krankheitszeichen zusammen, er konnte keinen Irrthum finden, nach Regel und Kunst hatte er gehandelt. Er erforschte, was jener Arzt gegeben; das Sinnlose in dessen Mitteln konnte er nicht begreifen,und doch hatten sie geheilt. Da zerrann ihm sein Wissen,einem Nebelbilde gleich, und vor der Ausübung seiner Kunst schauderte er zusammen, wie die ersten Christen geschaudert haben mögen vor den Opfermahlzeiten, an welchen sie kurz vorher noch Theil genommen, vor e Göötzenbilde, zu dessen Füßen sie erst noch geniet.

Trostlos sank er in sich zusammen und richtete sich nicht mehr auf; vergebens versuchte ich, den Arzt zu machen. Ich stellte ihm vor, sein Uebel sei ein körperliches, er wisse ja selbst am besten, daß der ungeheuren Anstrengung Abspannung folgen müsse, und mit der Müdigkeit des Körpers stelle sich ja immer eine gewisse Muthlosigkeit ein und aus dem müden Körper schaue ein trubes Auge in die Welt hinaus, und sehe alles trübe im hellsten Sonnenschein. Im Maaße als er sich erhole/ würde eine andere Anschauung sich ihm von selbst bilden und wie in den Körper die Kraft wieder komme werde auch in die Seele der Muth wiederkehren. Ich bat ihn, den Koörper zu stärken, die Seele abzuziehen von den Trümmern seiner zerrütteten Welt, in die sie immerfort ihre Blicke heftete. Ich wollte mit ihm fortreisen, wohin er wollte; aber er wollte nicht, zu allem schüttelte er traurig das Haupt und wenn ihm deine Mutter die Kinder brachte und ihn innigst bat, um ihretwillen sich doch zu erhalten, so wurde ihm wohl das Auge naß, aber in wehmuůͤthigem Lächeln schüttelte er das Haupt: „Ihr guten Leute, sagte er, plagt mich nicht, mir hilft nichts mehr,ums Herz bin ich krank.“ So sank er sichtlich zusammen, und war auf keine Weise aufzurichten. Leute von allen Seiten kamen, baten, rühmten, weinten bei dem geliebten Doktor, aber es half alles nicht, sie ermuthigten ihn nicht, bitter lächelte er zu Lob und Preis.Eines Morgens lag er todt im Bette, auf seinem Her

27 zen lagen seine Hände, als ob er hätte dessen Brechen fühlen wollen, ader auf seinem Gesichte weilte ein heiteres Lächeln, es war, als ob in seine Dunkelheit neues Licht gebrochen waäre.“

Die Erinnerung überwältigte den alten Herrn, es ging eine Weile, ehe er wieder fortfuhr und Niemand mahnte ihn, es war, als wenn alle lauschten, ob nicht ein Engel durch die Stube rausche.

„Das war das Leben und das Ende deines Vaters,lieber Rudi, sagte er endlich, und darum tauchte beides so hell wieder auf, weil du dem Todten riefest, in deiner geistigen und körperlichen Aehnlichkeit mit dem Vater, nur daß du noch in den Zweifeln der Jugend dich herumtreibst, daß du das Heil nicht in die bisherige Wissenschaft setzest, sondern in die, welche aus dir hervorgehen werde, wie du meinst. Du hältst wie er,deinen Beruf für den höchsten, siehst auf die andern vornehm herab, wie ihr dann wiederum von den Juristen, den Usurpatoren des Staates, weidlich verachtet und kujonirt werdet; in der Ausübung deiner Kunst aber bist du nicht Dogmatiker, wie er, du traust weit mehr dir selbst als dem System, und näherst dich darin auffallend den Sektirern, welche das Heil auch nicht im Buchstaben suchen, sondern in dem ihnen, wie sie meinen, inwohnenden Geiste.“

„Aber Onkel, ist das nicht recht, heißt es ja nicht,der Buchstabe tödte, der Geist sei es, der lebendig mache? Ich kann nichts mehr hassen, als diese Systeme aller Art, wo, was einer einmal gekannt hat, alle andern nachkauen sollen in alle Ewigkeit, sie mahnen mich an die Exercirreglemente, wo, wenn der gestrenge Lieutenant befiehlt: Schultert! alle schultern, und wenn er sagt: setzt ab! alle absetzen, wenn es sie schon dünkt,schießen wäre besser. Und warum sind wir gleich ausgerüstet wie unsere Voreltern auf die Welt gekommen,wenn wir nur brauchen sollen, was sie erfunden, nur trappen sollen, wie sie getrappet.“

„So seid ihr Jungen, sagte der Alte, immer Kübel und Kind zusammen. Es ist kein Junger, der sich

nicht freut, wenn er was erben kann, und ich habe voch von keinem gehört, der so stolz und hoffährtig gewesen sei, das Erbe seines Vaters wegzuwerfen, well er es für eine Schande halte, Erworbenes von andern anzunehmen, da jeder ja Kräfte zum eigenen Erwerb hätte;Jeder erbt, und zwar je mehr je lieber, und je mehr einer erbt, desto weniger geben die Meisten davon ab.Aber eine andere Erbschaft will die Jugend, und namentlich die heutige, verläugnen und kann sie doch bei keinem Schritt und Tritt entbehren. Auf den Erfahrungen und Erfindungen der frühern Geschlechter steht das gegenwärtige Geschlecht, so wie aus den Anschwemmungen vergangener Zeiten die jetzige Pflanzenwelt sich erhebt, und um so üppiger, je reicher die frühern Anschwemmungen waren.

Jede Bequemlichkeit im Leben haben wir den Alten zu verdanken, die Gabel, mit welcher wir essen, die Erdäpfelrösti, welche wir essen und gar manches Genie,welches hochmüthig alles verachtet, müßte mit Nebukadnezar Gras fressen, welches derselbe mit langen Nägeln ausrauft, wenn er nichts essen sollte, als was er selbst erfunden. Nun gibt es durch Gottes Ordnung immer Leute, welche mit dem was ersonnen, erfunden worden, sich bekannt machen, dasselbe zusammenlesen,zusammenstellen, und andern Menschen zum Gebrauch es anbieten, und viele, welche weder Zeit noch Kräfte zum Selbstsammeln haben, sind froh, so was fix und fertig zu finden, solche Zusammenstellungen nennt man im Gebiete der Wissenschaft System.

Wenn Genie Neues erfinden, so entstehen neue Systeme; das Neue besteht nur in einigen Geistesblitzen,und was die neu zeigen, ist meist so einfach und simpel, daß man gerade bei diesen Blitzen die Beschränktheit der Menschen nicht sattsam anstaunen kann, denn das Neue ist eben so simpel, daß man sich nicht sattsam wundern kann, daß dasselbe nicht vor hundert Jahren jedem Stüdi eingefallen und doch gehts wieder hundert Jahre, bis die Mehrzahl von der neuen Wahrheit was wissen und noch die halben Rathsherren glau ben nicht daran. Um dieses Neue bleibt aber das Meiste alte, nur daß man es anders ordnet, was oben war, muß nun unten stehen. Siehe, das ist gerade so, wie wenn eine junge Frau bei einem Wittwer einzieht, und ein neues Möbel mitbringt. Das neue muß in den Salon, das alte wird anders rangirt, und eini-ges kömmt auf den Estrich. Hat man aber Geduld,es hundert Jahre droben zu lassen, so holt man es im Triumph wieder runter, und hält es zehnmal theurer als das schönste Neue; so z. B. was gelten jetzt die alten Nachtstühle, welche zu Ludwig des Fünfzehnten Zeiten ins Grümpelgemach gestellt worden? Nun gibt es auch Frauen, die, wenn auch nichts Neues zum Alten kömmt, doch alle Jahre das Alte rumzügeln und immer am Rangiren sind, so daß man, wenn man zu ihnen kömmt, nie weiß, wo man ist, bei solchen tusigs Fägneten ist aber ein unheimlich sein. Aber das Alte macht in den meisten Haushaltungen und Systemen immer die Hauptsache aus, wenn's schon manchmal der Hausherr nicht meint, weil er neu firnistrte Sachen fuür nagelneu nimmt.

Aus diesen alten Schränken, den Systemen, stammet all dein Wissen her, dessen täusche dich nicht, aber kein's dieser Systeme ist dein System, während hingegen viele es gibt, die das System, welches sie in ihren Heften abgefaßt haben, behalten ihr Leben lang, und nichts dazu, davon thun, und sich nicht träumen lassen, daß jedes System einen Viertel Spreu und einen Viertel Staub enthält, daß die Zeit aus ihrem System Sprenu und Staub beträchtlich ausgesiebt, mit dem alten Staub und Spreu doktern sie glücklich fort bis an ihr Ende.Ueber diesen beschränkten Orthodoxen stund dein Vater unendlich hoch, denn er baute fort an dem System, er hielt es wohl für fest begründet, aber in Weite und Höhe nicht für ausgebaut. Du hast auch ein System, nämlich alles für gering und unbedeutend zu achten, was du erlernt hast, und für die Hauptsache dich, deinen Blick, deinen Witz, das heißt die glückliche Zusammenstellung, dein Urtheil, dein Geschick,den Geist, aber deinen Geist. Du machst dich selbst zu deinem Gotte, aber auch dein Gott ist ein ohnmachtiger Gott, und in der höchsten Noth wirst du ihn missen, und gebe Gott, daß es dir nicht wie deinem Vater geht, daß du an dir selbst verzweifeln mußt, wie er an seinem Wissen, denn dein Weg ist noch viel der gefährlichere als sein Weg war. Dir selbst traust du alles zu, deinem Geiste, deinem Blicke,deiner Hand, sie erkennen das rechte, sie wählen das rechte, führen es aus auf die rechte Weise, wenn du fehlst, so schreibst du die Schuld nicht dem Mittel zu,sondern dir, der du nicht das rechte gewählt, es nicht recht angewendet, du hast gefehlt und nicht die Wissenschaft, nicht das Mittel. Jung und kräftig, wie du jetzt bist, scheint dir das ein Geringes, aber so geht es nicht immer und eben auch wieder bei deiner Innigkeit werden Fälle kommen, wo es dir schwarz vor den Augen werden wird, wo du wünschen wirst, es öffnete sich die Erde und verschlänge dich. Sieh, es handelt sich hier um Menschenleben, ist eines dahin, so ist's nicht wieder zu geben. Sterben die Leute, wo es so recht übel geht, und du hörst, daß man sagt, du hättest unrecht sie behandelt, oder bei einem Sterbet bist du ung'fellig,waährend ein anderer viele rettet, wessen ist die Schuld,als die deine, der du fehl gegriffen, falsch gesehen, da kannst du mit nichts dich trösten. Sieh, das wird dir zu Gemüthe wachsen, deine Schuld, deine Beschränkt-heit wird dir sichtbarer werden alle Tage, und was dann als Arzt, als Mensch, aus dir werden wird,weiß Gott. Denn es ist fürchterlich, wenn man sich einbildet, Leben und Tod habe man in der Hand und während man Leben spenden will, kömmt der Tod heraus. Und was du dir selbst sagst, das verschärfen dir noch die Menschen. Tie Menschen ordinäri Schlages wissen natürlich nichts von Standpunkten und Systemen, aber in ihren Ausdrücken unterscheiden sie doch merkwůrdig. Von den einen sagen sie, er sei nicht g'fellig zu diesem oder jenem, daneben meinte er es gut,und wenn er einem helfen könnte, so thäte er es und vergönnte es einem nicht, wie es dere Schießhüng gäb.Von andern sagen sie, er könnte es, wenn er wollte,er sage es ja selbst, aber er begehre einen nicht gesund zu machen, sondern einen des ume zischleipfe, ünd je länger es gehe, dest astänger sei es ihm, von wegen,dest mehr Zůg könne er brauchen. Von dem aber, der nicht g'fälig ist, und von dem, der es nicht gönnt,wenden sie sich gerne zu denen, die höher stehen als beide, deren Heilung weder in ihrem G'fell noch in ihrem Willen liegt, sondern in einer höhern Hand, unter welche doch am Ende der Mensch am meisten Zutrauen hat, am liebsten sich beugt, wie ja auch David lieber fallen wollte in Gottes Hand, als in die Hände der Menschen, und je tiefer der Mensch in der Drangfal ist, desto dringlicher preßt sich ihm diese Ansicht auf, daß nur in einer Hand das Vollbringen liege,daß diese Hand ihre Werkzeuge wähle, und daß diese Werkzeuge allein Hingebung und vollen Glauben verdienten.“„Aber Onkel, sagte der Doktor, ihr kömmt da auf ein Feld, auf dem ich euch zu finden nie erwartet hatte,seid ihr noch im Aberglauben befangen, und wollt ihr uns zu Marktschreiern machen, sollen wir den Theophrastus Bambastus Paracelsus nachahmen 20

„Eben das meine ich nicht, sagte der Onkel, aber den rechten Namen hast du mir genannt, an welchem ich dir begreiflich machen kann, was ich meine.

Dieser Paracelsus, möglicherweise ein Unterwaldner und geb. im Jahre 1493 machte gewaltiges Aufsehen in der Welt und seinen Namen brannte er in die Geschichte ein. Er polterte gewaltig gegen alles bisherige Wisfen, und sein Wissen bestund doch auch nur aus dem Wissen der damaligen Zeit, aber durchleuchtet mit einigen eigenen Geistesblitzen. Er dachte sich alle Heil-mittel zusammengesetzt aus zweierlei, aus Stoff der Erde, und in dem Stoff eine Tugend, Kraft, Seele moöchte man fast sagen, welche letztere nicht erschaffen,sondern von Gott ausgeflossen sei, mit der Pflanze 3. B. nicht zerfalle, sondern zu Gott zurückkehre, also mit den Sinnen nie wahrgenommen werden könne.Obgleich er diese Kräfte als von Gott ausgeflossen annahm, so konnte sich derselben doch bemächtigen, wer es verstund und sie zu seinen Dienern machen nach seinem Willen, so daß wiederum Leben und Tod gleichsam von ihm abhing, die Brücke zwischen ihm und Gott abgebrochen war. Er, gleichsam Herr dieser Geister in den Elementen, möchte fast zu zählen sein zu den alten Zauberern, eine Art voun heidnischen Priestern,obgleich diese weniger schwatzten, er rühmte sich auch eines Lebenselixirs, wahrscheinlich zusammengesetzt aus Schwefel, Salz und Quecksilber, starb aber eben diesem Elixir zu Tretz ehe denn er fünfzig Jahre alt war.Sein Leben stand also in einer andern Hand als in seiner Hand, so wie überhaupt kein Leben steht in eines Menschen Hand, weder in seinem Wissen noch in seiner Kunst. Der Arzt hat es mit seinem Walten nicht anders, als der Landmann mit seiner Saat, der Hausvater mit seinem Haushalt, der Pfarrer mit seinem Wort; es ist Alles, Alles eitel, wenn Gott nicht Leben und Segen gibt.

Der Laudmann säet seinen Samen aus, denkt aber gewöhnlich nicht daran, daß er stinen Samen von Gott hat, daß er mit aller Kunst und Macht, und wenn man ihm auch alle Stoffe der Erde zur Stelle schafft,kein einzig Samkörnlein, und wär's auch der geringsten eins, machen kann. Und wenn er auch eines zu Stande brächte, dem natürlichen täuschend ähnlich, eines fehlte immer, Leben hätte es nicht, wachsen thäte es nicht.Aber zwischen dem verschiedenen Samen hat er die Auswahl, und nach dem Systeme, nach welchem er will, und nach dem eigenen Sinn, wenn er will, kann er den Acker pflügen, auf ihm handthieren, wenig oder viel säen, tief oder flüchtig eggen, alles nach System oder Gutdünken. Je nach seinem Geschick und Fleiß geräth es zuweilen, und der Fleißige erntet nach Fleiß und Geschick, und wenn dieß einige Male geschieht in geregeltem Gange, so kömmt gerne der UÜebermuth,und es stellt der Mann in seine Kräfte jeglichen Erfolg, macht von seinem Willen abhängig den Ertrag. Aber dann kömmt's wieder anders, uünd was gut gerathen war, will nicht mehr gerathen, gewinnt kein Leben mehr, todt bleibt der Same, öde steht der Acker, die lebenspendende Hand bleibt geschlossen. Da beginnt der Mensch wieder zu fühlen, wer das Gedeihen gibt,denn wie er auch nach dem Hinmel sieht, es regt keine Wolke sich, es kömmt auf sein Geheiß weder ein Sonnenstrahl noch ein Regentropfen, in kein Samkorn tritt das Leben, er kann b'schütten, mästen, kratzen, decken,es hilft ihm all, all nicht, er steht an den Marchen seines Vermögens. Da beginnen die Katholiken ihre Prozessionen, die nichts sind als eine öffentliche Demüthigung vor dem Allmächtigen, als ein thatsächlich Bekenntniß, daß wir nichts wären ohne ihn, als eine gemeinsame Bitte, daß Er doch öffnen möchte seine Hand, damit die Geschöpfe ihre Speise erhielten zu ihrer Zeit. Bei uns bittet der fromme Landmann in seinem Kämmerlein, daß der, welcher die jungen Raben am Bache speiset, seiner Kinder nicht vergessen möchte.Und wo das Gebet ein inniges ist, da kömmt ein still fromm Warten über den Beier, wo er in Geduld und Demuth des Herrn Thun gewärtigt, während der, der nicht zum Herrn sich zu wenden weiß, in solcher Drangsal sich gebehrdet, fast einem Pferde gleich, welches gebunden an einem Pfahle steht, während hinter ihm drein das Feuer braust.

Wie manchen Hausvater sieht man hasten und jagen,früh und spät, und es gelingt ihm nichts, und was seine Hände berühren, ist, als wäre es mit Fluch geschlagen, als wäre es ein Dolch, der seine Spitze immer gegen seinen Träger kehrt; sein Acker wird immer magerer, sein Stall verschlingt sein Geld, über den Seinen lastet Unfriede oder Krankheit, und je mehr er jammert, um so weniger nützt es, und je mehr er zuspricht, um so verstockter werden seine Leute. Kein Mensch kann erklären, deutlich machen, was da fehlt,wie da zu helfen wäre, denn es fehlet da das Unnennbare, Wunderbare, das nur einer kennt, nur einer gibt, es fehlet da der Segen von oben, das Gedeihen aus Gottes Hand.

Dem Säemann gleich, der irdischen Samen säet,ist der Säemann auf dem großen unsichtbaren Weltenacker, der zusammengesetzt ist aus den Herzen der Menschen, auf welchen geistiger Same gesäet werden soll,und auf welchem die Schätze wachsen sollen aus dem Samen empor, welcher hinaufreichen soll unverwelklich und unverweslich ins ewige Leben.

Sieh auch wir machen den Samen nicht selbst, er föommt auch uns aus Gottes Hand, wie dem Landmann Korn oder Roggen oder der andern Körner eines.Wir haben die Aeccker zu bebauen, die Körner nach der Aecker Beschaffenheit auszuwählen, aber Leben zu geben einem derselben in den Herzen der Menschen,ja eines derselben lebendig zu machen in dem eigenen Herzen, das vermögen wir wieder nicht, das muß Gott ihun, der Geist des Herrn, der im Anfang über den Wassern schwebte, der durch den Acker fährt, der ist's,der unsere Herzen befruchtet, unserer Schwachheit aufhilft, dem Worte Leben und Gedeihen gibt. O es gibt fürchterlich trockne Zeiten, wo kein Samkorn wachsen zu wollen scheint, Stürme und Regengüsse, die alle Mühe zu zernichten, den Säemann vom Acker zu treiben scheinen, wo er, wenn er blos nach menschlichem Ermessen urtheilen wollte, sein Amt für eitel halten,Muth und Glaube verlieren an Gott und an sich irre werden müßte. Hundert und aber hundertmal geht es ihm wie es dem Herrn zu Corazin und Bethsaida ergangen;von seinem Worte sieht er keine Frucht. Und das fühlt er noch inniger und klarer, wenn er mit dem Worite des Heils zu kranken Seelen tritt, sie heilen will. Wie sorgsam man die Krankheit erforschen, die Stunde wählen, den Samen prüfen mag, nur die Aussaat hat man in seiner Hand, ob das Wort Leben gewinnen oder todi bleiben, heilen oder noch kränker machen wird, das wissen wir nicht, dem Vollbringen des Herrn müssen wir uns unterziehen, sein ist und bleibt das Gedeihen und die Art desselben. Denn da innen in uns ist es wunderbar und des aufgeblasenen Menschen Wissen reicht nicht zur Quelle seines innern Lebens und der Mensch, der Herr der Elemente, der das Feuer in Zügel faßt und die Gewässer bändigt,ist ohne die Gnade des Herrn ohnmächtig im eigenen Herzen.

Wie man aber von der Seele des Menschen nicht sagen kann: siehe, hier ist sie, oder: siehe, da ist sie,sondern wie sie allenthalben ist in ihrer kleinen Welt,dem Leibe, so verschwimmen geistliche und leibliche Zustände ineinander. Mit all deinem Wissen vermagst du mir die Marchen nicht zu ziehen zwischen beiden, nicht zu sagen, hier hören die einen auf, und bis hieher gehen die andern, und du mit all deiner Kunst hast keine einzige Heilung in deiner Gewalt. Sieh, da drinnen ist es wunderbar, das fühlet deine Seele wohl. Du meinst, du glaubst, du hoffest, aber wie oft war deine Meinung irrig, dein Glaube eitel, dein Hoffen thorrecht.Geschah es dir nicht schon, daß du eine einfältige Wunde nicht zu heilen vermochtest, daß aus unbedeutend scheinendem Geschwür der Tod erwuchs, daß ein Mensch dir gerettet schien, und sein Leben erlosch, du wußtest nicht wie und warum, oder daß du ein Leben aufgabest,als unrettbar, und es glomm wieder auf, und du konntest wiederum nicht sagen, warum und wie, und wenn du auch Laien Gründe angabest, du glaubtest doch selbst nicht daran. Da innen waltet, auch dem Arzte gegenüber, ein Höherer, ihm gehört das Vollbringen,er gibt dem Willen des Arztes den Segen und das Voübringen, in des Arztes Kraft und Kunst liegt es nicht. Es ist Gott und nicht der Arzt der Herr des Lebens und des Todes. Kann doch ja auch der Arzt ebensowenig als der Landmann ein Samenkörnlein machen, irgend einen Stoff schaffen, den er zur Heilung braucht. Er kann entbinden und binden, zersetzen und zusammensetzen, läutern und verdichten, schwächen oder potenziren, aber Schaffen kann er nicht, Schaffen kann nur Einer.

So stehen beide, der Arzt und der Pfarrer, als Hüter und Wärter an einem Heiligthume, in dessen Ällerheiligstes ihre Augen nicht schauen, sie sind Verwalter der Geheimnisse Gottes, und die Geheimnisse ergründen sie doch nicht. Sie gleichen Webern, die weben mit fleißiger, sorgsamer Hand, sie müssen achtsam sein und rührig, müssen fest Faden an Faden schlagen, aber was sie weben, wissen sie mit Bestimmt-e nicht, das Eingericht hat eine höhere Hand gemacht.

Sieh nun lieber Rudi, so ist's, darum hast du mir den Paracelsus unrichtig angeführt, denn so wie er es meint, meinte ich es nicht. Ich halte dafür, die Macht liege in Gottes Hand, er aber meinte, die Macht sei von Gott ausgeflossen in die Stoffe der Erde und wer es verstehe, könne dieser Mächte sich bemächtigen, sie anwenden nach seinem Willen, könne ein Lebenselixier machen, einen Stein der Weisen, und somit unabhängig von Gott, Herr des Lebens und des Wissens werden. Du aber meinst es auch nicht wie Paracelsus,du machst es noch kürzer und meinst, die Macht und die Kraft liege in dir und alles erhalte erst Bedeutung und Wirkung durch deine Kunst und Anwendung, das ist's, was ich meinte, als ich sagte, du machest dich selbst zu Gott.“

„Ja lieber Onkel, sagte der Doktor, so seht ihr Herrn es an, und wenn ich auch zugebe, daß am Ende alles auf Gott hinausläuft, so sehe ich doch nicht ein, warum ich ihn in besondere Beziehung zu meinem Beruf setzen soll und was dabei herauskäme; ich mache was mir möglich, und damit Punktum.“

„Eben da ist kein Punktum, lieber Rudi, wenigstens für dich nicht. Ja, wärest du ein Lohndiener, dessen Sinn nicht übers tägliche Brod geht und die nöthige Quantitãt Wein dazu, so könntest du gewissermaßen,wenigstens in Beziehung auf dich, Punktüm sagen. Du würdest doktern, was Zeug hielte, der Erfolg dir so ziemlich gleichgültig sein, und bei jedem Sterbefall würdest du dich krösten, einmal müsse es doch gestorben sein, und wenn Niemand mehr sterben würde, so hätte man ja zuletzt keinen Platz mehr aauf der Welt. Zudem würdest du nie schuld sein wollen an eines Menschen Tod. Du aber hast, wie gesagt, es anders. Die Theilnahme am Menschen selbst und das Leben in deiner Kunst werden dir ihre Gränzen immer fühlbarer machen, immer peinlicher, deine Selbstanklagen werden immer häufiger werden, Beruf und Leben dir immer mehr erleiden. Beugst du dich aber demüthig unter die höhere Macht, erkennst ihr Wirken über deinem, fassest so recht die Gränzen des menschlichen Wissens und Könnens, so fallen die Selbstpeinigungen über Dinge,welche nicht in deiner Gewalt standen, weg. Dann begreifst du so recht und kannst auf dich anwenden was Paulus sagt: Dafür halte uns Jedermann, daß wir seien Haushalter über die Geheimnisse Gottes. Nun aber erfordert man nicht mehr an den Haushaltern,denn daß einer getreu erfunden werde. Mir aber ist's ein gar Geringes, daß ich von euch gerichtet werde,oder von einem menschlichen Tage. ÄAuch richte ich mich selbsten nicht. Ich bin mir zwar nichts bewußt aber dadurch bin ich nicht gerecht gesprochen. Der Herr ist's aber, der mich richtet. Es wird dir sein, als schiene immer die Sonne über deinem Leben. Bedenke wie dunkel ein Leben wird, wenn der trübselige Mensch seine eigene Sonne sein will. Dann möchte ich auf eines noch dich führen, bedenke es, du kannst es. Du bist so mitleidig mit deinen Kranken, verstehst so gut ihre Schmerzen, ja es ist oft als wenn du sie theillest und siehst du nicht wie das deinen Kranken so wohl thut, wie sie an dir hängen? Um deßwillen, versuche noch eines, setze deine Seele am Platze von ihren Seelen, und lausche dann, was in diesen Seelen vorgeht. Stelle dir vor, du wärest ein Vater, Kinder wollten von dir erzogen sein, eine Mutter, deren Herz in ihren Kindern schlägt, ein Mädchen, dem das Leben so freundlich lächelte, wenn es gesund wäre, aber krank wärest du, deine Kräfte schwänden, dein Körper fiele zusammen und du zögest von Arzt zu Arzt, und einer Anne Bäbi. II. 17 sagte dir dies, ein anderer ein anderes, einer wollte dir über kurzem helfen, ein anderer über langem, ein jeder zuckte die Achsel über die andern, und bei jedem wiederholte sich die gleiche Tauschung, und bei jedem erfüuhrest du es deutlicher, daß des Menschen Wissen Stückwerk ist, und seine Kunst ihre engen Schranken hat, während die Angst ums Leben wächst, weil in keines Menschen Hand deine Rettung liegt. Sieh, da würde es dir gehen wie dem Landmann, dem Regen seine Saten fäult, oder Trockenheit sie aufzehrt, deine Augen würden die Hand suchen, aus der die milden Gaben kommen, um sie würden bebend deine Lippen beten,es würde dir alles beifallen, was zwischen dir und Gott wäre, dein Leben würde vor dir sich aufrollen,sein Menschliches würde dich plagen, die Vergangenheit wie eine Alp dich drücken, sühnen möchtest du dich, versöhnen den beleidigten Gott, damit er deine Gebete erhöre, Heilung dir gewähre. Hier ist's, wo der Seelsorger an der Seite des Arztes stehen, sorgen muß, daß die Angst der Seele nicht in die Leiden des Leibes hineinwächst, sie unheilbar machen, hier ist's,wo dafür gesorgt werden muß durch den Arzt selbst,daß der Kranke die Hülfe Gottes durch Vermittlung des Arztes erwarten darf, sie nicht bei Quacksalbern suchen müsse, weil er dieselben Gott näher glaubt.Im Glauben der Menschheit liegt es gegründet, daß Gott Mittler wähle zwischen sich und den Menschen,Männer Gottes, welche von Gott selbst empfingen Wissen und Kunst, den Geist zu dem, zu welchem Gott sie berufen und bestellt, die Kraft zum Vollbringen seines Willens. Zu solchen Mäannern waäͤhlte er die, welche unter den Menschen ihm am nächsten stunden, die Hochherzigsten, Hochgemuthesten, Hochbegabtesten, Reinsten und Besten, denn sie waren Stellvertreter der Gottheit, in ihnen ward dieselbe verchret.Wie aus der Quelle das Wasser sprudelt, durch eigenthümliche Kraft getrieben, so flößen aus ihnen die Gnadengaben Gottes in Worten und Werken, Heilun gen des Leibes und der Seele. Wenn die Juden meinten, Jesus rede als einer, der die Kraft habe, und nicht als ein Schriftgelehrter, so meinten sie eben nur,seine Worte flößen aus göttlicher Quelle, und seien nicht mühsam mit menschlichen Kräften zusammengelesen und ohne göttliche Salbung; wenn Paulus sagt, der Buchstabe tödte, der Geist sei es, der lebendig mache,weiset er eben wieder darauf zurück, daß alles auf Erden todt sei, auch der Buchstabe, auch das Wort,wenn Gott es nicht lebendig mache durch seinen Geist.Auf dieser Vorstellung beruht die ganze Heiligenverehrung der Katholiken, und auf der Annahme, daß auch der Teufel ähnliche Werkzeuge wählen, mit besondern Kräften sie ausstatten könne, der Glaube an Hexen und Hexenmeister. Wunderbar haben sich diese Vorstellungen unter einander gemischt; weil man ihren Ursprung nicht mehr kennt, so findet man die Bruchstücke auf die seltsamste Art nebeneinander. Aber eine Vorstellung ist geblieben, die nämlich, daß die Austheilung der höchsten Gaben von Gott käme, freilich durch Menschen vermittelt, aber durch die reinsten und frömmsten. Darum fordert das Volk von seinem Geistlichen mit Recht zwei Dinge: erstens, einen reinen Wandel, zweitens, die Worte unmittelbar aus dem Geiste und nicht vom Papier, darum erklären aber mit hohem Unrecht die Neutäufer z. B. unsere Taufe,das Pfand der Versöhnung und das Zeichen der Reinigung für ganz wirkungslos, weil der Geistliche Theilnehmer der Sünden des Volkes sei, das ohne Zucht zum Nachtmal komme, also kein Vermittler, kein Rüstzeug Gottes sein könne, darum heben sie sich so hoch,wei sie nichts wuüßten auf menschliche Weise, sondern alles durch den Geist. Diese Vorstellungen beherrschen aber auch den Kranken mehr und mehr, je bänger ihm um sein Leben ist, je öfter er die Unzulänglichkeit menschlichen Wissens und menschlicher Kunst erfahren hat. Wenn der AÄrzt an seinem Bette sich selbst erhebt,leichtfertig redet, Späße treibt, so wird es dem Kranken ordentlich Angst dabei, es ist ihm, als wehe der Arzt den Segen von seinem Bette weg, als stehe Gott unter solchen Reden nicht hülfreich bei. Und wenn der Arzt dazu roh ist, oder sinnlich, es bekannt ist, daß er nur an sich oder sein Wissen glaubt, ja, daß er mit diesem Glauben vielleicht noch prahlet, so bildet sich im Kranken nur zu leicht der Glaube, durch ein solches Werkzeug wirke Gott nicht, die Heilung könne durch einen solchen ihm nicht kommen, die müsse durch ein anderes, Gott näher stehendes, Werkzeug verrichtet werden. Solche Werkzeuge stehen nun in den Quacksalbern in Menge da und harren auf die, welche von euch wegfliehen, wie Adler auf das Aas. Alle, oder wenigstens die Meisten derselben, nehmen bewußter oder unbewußter eine gewisse Unmittelbarkeit in Anspruch,stellen sich dar, nicht als Schriftgelehrte, sondern als solche, welche die Kraft hätten. Tie einen nehmen,freilich ohne daß sie es wissen, mehr etwas Hexenartiges an, während andere mehr mit dem Heiligenschein sich brüsten. Der Doktor im Emdthal bei Frutigen,welcher den Weibern die Hände auf die Brust legte,mit ihnen betete, und mit der Fernröhre nach dem Glauben der Leute sich umschaute, spielte den Heiligen.Er fand auch den merkwürdigsten Glauben, selbst unter der hochgebildeten Klasse. Weiber hochgestellter Beamteten, Zweispänner aus Zürich und Basel suchten bei ihm Hülfe. Ja, wenn der Mensch hülfsbedürftig wird,wenn err den Wurm in sich fühlt, der am Leben nagt, dann wird er kleinmüthig, aller Bildung zum Trotz, dann steht er armselig da, dem ärmsten gleich,und sucht mit der größten Aengstlichkeit am gleichen Orte Hülfe, wo der Aermste. Jener aber, der, den Geist in einer weißen Flasche um Rath frägt, der nähert sich mehr dem Zauberer, dem Hexenthum, findet aber auch großen Zulauf und ebenfalls von Leuten, von welchen man es nicht glauben sollte. Aber was ist der Mensch?Die Einen operiren durch Mittel, welche keinen äußern Zusammenhang mit der Krankheit zu haben scheinen,aber eine geheime, wunderbare Symphathie oder Antipathie, Andere durch wirkliche Arzneimittel, deren Zu sammenhang mit der Krankheit sie aber auch nicht kennen, nicht erklären, aber sie erklären es für gut in diesem Fall, oder für jenes, sie nehmen eine besondere Kraft und Tnugend in ihm an, aber sie wüßten nicht zu sagen, worin sie besteht. Daher untersuchen sie die Kranken nicht näher, sie rüsten das Mittel nicht besonders, sie individualisiren nicht, Mittel ist ihnen Mittel, sie theilen es aus aus höherem Auftrage und Gott ist die Wirkung. Und wirkt es nicht, so hat Gott es nicht gewollt, der Ouacksalber meinte es gut,und das Mittel war gut, aber dem Herrn war das Wirken vorbehalten. So ist es gegangen bis dahin,und so wird es immer ärger werden, wenn ihr die Gefahr nicht zur rechten Zeit bemerket, wenn ihr Aerzte nicht achtet die Fingerzeige Gottes. Denn steh,mit der Wissenschaft ist es ganz anders gegangen, als man es sich gedacht hat, sie gerade ist's, die ihre Spitzen den alten Aufklärerern, welche wähnten, es bald so weit zu bringen, daß alles klar am Tag liege,wie ein umgekehrter Bienenstock, entgegengekehrt hat.Die Wissenschaft ist bis an den dunkeln Schlund gelangt, in welcher keine Leuchte leuchten will, wo aber doch die Hauptsache liegt, oder mit andern Worten:sie ist da angelangt, wo der Weg aus der Sonnseite der Natur sich umbiegt und an die Schattseite führt,aus dem Erklärbaren, durch die Sinne wahrnehmbaren in die Tiefen des Naturgeheimnisses. Immer lebendiger drängt sich als Ergebniß aller Forschung das Bewußtsein auf, daß durch das Sichtbare ein geheimes Unsichtbares sich ziehe, ein wunderbares Band die Menschen unter sich verknüpfe, auf unerklärliche Weise mit der Natur nicht nur sie in Verbindung bringe, sondern auch mit einer höhern Welt, daß zwischen den Gestaltungen der Materie und den Aeußerungen aller Kräfte gegenseitige Einflüsse und Wirkungen stättfinden,von denen die Sinne nichts wahrnehmen, die man weder unter das anatomische Messer bringen, noch in den Schmelztiegeln der Chemie zersetzen kann. Und daneben hat Manches, das als alter Aberglaube galt,durch neue Erfahrung sich bestätigt, so manche alte Bauernregel, so manches Sprüchlein über den Einfluß des Mondes, oder die Stellung der Erde zur Sonne.Der Magnetismus ragt wie ein Zauberberg in eure Wissenschaft hinein, und um ihn reihen sich aufs neue Geistererscheinungen, Besessene und solche, welche das zweite Gesicht besitzen. Die Wahrsagerei wird wieder einträglich, und die Menge gläubig, aus dem leichtfertig gewordenen Protestantismus flüchten die Menschen sich in die dunkeln Hallen katholischer Münster. Und wie schon gesagt, kommt ihr Aerzte immer mehr zum Bewußtsein, daß Wissen und Können nicht eins ist, daß ihr oft wisset und doch nichts könnt, und daß ihr manchmal könnt und doch nicht wißt wie und warum, und daß ihr euch, wenn ihr es schon nicht eingesteht, doch immer mehr nach solchen Mitteln, die man früher verachtete, umseht, welche den krankhaften Zustand günstig umstimmen, auf bestimmte günstige Weise, deren Wirkung auf einem unmittelbaren Naturverhältniß zum krauken Körper beruht, welches aber nicht weiter erklärlich zu sein braucht.

So hat die Zeit sich gewendet, und zum Theil auch ihr mit derselben, aber in der alten Stellung zum religiösen Glauben des Volkes steht ihr noch, darum glaubt es nicht an euch, sucht Heil und Heilung anderwärts.Begreifst du mich, Rudi?“

„Aber, lieber Onkel, sollen wir denn Kopfhänger werden, Heuchler, oder gar katholisch werden, an den Betten der Kranken beten, statt ihnen Mittel zu geben,tkurzum, den Narren machen auf jegliche Weise?*„Hast mich nicht begriffen, antwortete der Pfarrer,oder hast mich begriffen, willst aber ausbeugen, um mir nicht recht zu geben. Das Beten könnt ihr denen überlassen, die dazu bestellt sind, wenn sie es gut finden. Man kann Glauben haben und zeigen, ohne Kopfhänger zu sein oder katholisch zu werden, bin ich ja doch weder das eine, noch will ich das andere werden. Aber das meine ich, daß man es euch ansehen soll am Krankenbette, daß ihr an eine höhere Macht glaubt, durch deren Willen euer Wirken bedingt ist,deren Verwalter ihr nur seid. Dann sei euer Wandel und Wesen so, daß der Kranke das Vertrauen fassen kann, Gott brauche euch zu Mittlern zwischen ihm und den Menscheu, sei mit seinem Segen bei eurem Wirken.Das ist eine Art von Glauben, welche lange verachtet ward von den Weisen dieser Welt, es ist aber doch der einzige, den der Arzt fordern darf, der nicht irrig ist, den er aberf auch suchen muß, wenn nach den Zeichen der Zeit die Kranken sich nicht mehr und mehr von ihm ab und den Wunderdoktoren zuwenden sollen,die allerdings eigentlich Laästerer und Betrüger sind und zwar darum, weil sie das, was Gott in der Menschen eigene Kräfte gelegt, Wissen und Kunst, welche allerdings auch nothwendig sind, nicht nur nicht haben,sondern auch nicht suchen, und nicht nur nicht suchen,sondern auch verlästern. Sie sind akkurat den Sektirern gleich, welche auch die Bibel, welche den Buchstaben enthält, verachten, und alles in den Geist setzen,zu besitzen vorgeben. Begreifst du mich jetzt esser?“„Papa, ich bitte euch, rief Sophie, merket doch auf mein Winken, und kommt zum Essen, d'Rübli sind schon ganz braun und das G'häck wird räukelig und bräntelet und denket doch an den armen Vikari, der will was unter die Zähne, sonst kann er nicht schlafen und vom Geiste lebt man nicht. Geht's aber zu lang, so thut er's uns doch zu leid, macht sich ins Bett, macht uns dann aber auch sieben Wochen lang ein Gesicht, daß man Wentelen damit vertreiben köͤnnte, wenn man es am rechten Ort hätte.“

„Der Vikari liegt dir am Herzen,“ sagte der Doktor. „Ja Vetter, das lyt er m'r, und zwar b'sunderbar. O, du glaubst nicht, wie artig er gegen mich ist, und wie lieb ich ihm bin.“ „So, sagte der Doktor,das habe ich nicht gewußt, es ist mir aber lieb, es zu vernehmen.“ „Sophie, du bist doch auch immer die gleiche Kädere, rief die Mamma, welcher es katzangst wurde; du denkst gar an nichts, als d'r Narre zirybe,schäm di, u denkst nit d'ra, daß es Sache gibt, wo man nie d'r Narren treiben soll.“ „Ja, los Sophie,sagte der Papa, laß dich nicht etwa gelüsten, den Vikari mit Jowägers zu necken, auch mit solchen Dingen treibt man keinen Spaß, und du, Rudi, laß deinen Zorn ebenfalls nicht an ihm aus, ihr versteht einander so wenig, als ob ihr verschiedene Sprachen redetet und ihr beide setzt euch gleich auf die hohen Rosse, daß es ein Graus ist, du, als ob du Karl der Große wärest, und er, als ob der Pabst Gregor in ihm steckte,und noch ein halb Dutzend andere Päbste. Hest ihm klopfet?“ „Nei Papa, sagte Sophie, ih ha nit g'wüßt,ob ihr zum Aufhören zu bringen seid oder nicht. Aber dä ist de grad da, wenn er öppis z'esse schmöckt, es syg de, daß ne z'kuppe öppe acho syg, wil es so lang gange ist; doch wenn's zum Esse geyt, su kuppet er neue selte.Aber chömet, ih schmöcke z'Ghäck scho.“ „Wart, du Täschli, sagte der Doktor, der mit Sophie hinter Onkel und Tante ins Eßzimmer ging, und wollte Sophie einen Kuß appliciren, kam aber damit nicht zu Stande,denn sobald Sophie das Manöver merkte, schrie es:„Herr Jeses, e Mus, e Mus!“ Da schrie die Mama:„Herr Jeses, wo? wo? wo ist d'r Maudi, rüfet d'r Köchi. Herr Jeses, wo ist si, die ufläthigi Mus! Da hinter dem Vetter düre ist sie, sagte Sophie, aber wo sie jetz hi ist, weiß ih nit, viellicht het er se öppe im Sack, er het scho mängist Muselöcher i sym Naselumpe g'ha.“ „Lue doch, Vetter, lue, sagte die Mamma in ihrer Angst.“ Heyt nit Chummer, Tante, da ist si uf all Fäll nit, und was d'Bäsi Sophie g'seh het, weiß ih nit, ih ha key Mus 'seh.“ „Eim so z'erschrecke, grollte die Mamma, wenn's nüt g'si wär.“ „G'wüß ha nih öppis g'seh, sagte Sophie, und ih ha gemeint, es syg e Mus, aber verschwere wett ihs nit, viellicht isch's v numme d'r Schatte vo z'Vetters Nase g'st, wo so wüst und grau d'r Mur na g'loffe ist, aber für g'wüß wott ihs o nit säge.“ „Du bist doch e ketzers Her, sagte der Vetter halblaut, aber wart, das treibe ich dir doch noch ein.“ „Probir, mach was v'chast, es soll d'r erlaubt sy, aber nimm di de o i Acht, es chönt de sy, ih reiseti dir de no d'r Vikari a, u nit nume d'Mamma.“Droben hatte der Vikar lange des Nachtessens geharrt, und war böse geworden, daß es so lange ging;schon dachte er daran, wie es wäre, wenn er zu Bette ginge, um sie recht zu strafen, da klopfte es plötzlich uünter seinen Füßen, nun erschrak er, und hätte einen Batzen gegeben, er wäre unten gewesen und jetzt schon wieder oben. Er dachte wieder daran, ins Bett zu gehen, aber nun fürchtete er, sie könnten meinen, er dürfe nicht kommen, und das sollten sie nicht meinen;er machte sich also auf den Weg.

Aber unheimlich ist es schon, in eine Verwandtschaft hinein zu sitzen, wo man weiß, es frägt einem Niemand viel nach; man stört, und alles ist froh, wenn man wieder geht. Wenn dann noch etwas vorgefallen ist, von dem man weiß, daß sie es verhandelt, und unserer dabei nicht zum besten gedacht, ja, vielleicht die Verhandlung erst bei unserem Eintritt abbrechen,und alle Augen sehen einem so sonderbar an, und alle Augenblicke hat man eine direkte oder indirekte Fortsetzung zu gewärtigen, so ist es einem sicher zu verzeihen, wenn es einem unheimlich zu Muthe ist, und man Isht recht weiß, was da für ein Gesicht zu machen ist.Die meisten Menschen versuchen es, ihre Verlegenheit zu verbergen, denn man schämt sich ihrer, aber den wenigsten gelingt es einigermaßen. Die Einen probiren eine gewisse Heiterkeit, welche aber selten gut steht. Die Meisten verbergen sie hinter einer Donnerwolke, einem martialischen Gesicht, ab welchem es dem Teufel grusen soll. Wenn man das Ding sieht, so sollte man glauben, was da für eine Kraftkochete über dem Feuer sei, und ist's doch nichts, als ein schmerzliches Grännen des Herzens, das Bauchweh hat, und gerne bas abe möchte. Ter Vikari, ursprünglich eine kreuzgute Haut, und zu einem von den Ehemännern bestimmt, die expreß für den Pantoffel geschaffen, daneben aber knurrig und bummelrurrig sind, und darum meinen, sie führten das Regiment, und zwar ein scharfes, machte auch so ein Gesicht, daß man hätte glauben sollen, er sei ein Bombenkessel, der eben anfangen wolle zu schießen, und als Sophie ihm Suppe reichte,schnellte er das Merci ihr so zu, daß man es fast für eine Ohrfeige hätte ansehen können. Kömmt man nun mit einem solchen Gesicht einher, so macht man das Uebel nur ärger, wenn man mit jungen, muthwilligen Leuten zu thun hat, während die Alten ein solches Gesicht ruhig lassen, nur hintendrein sich darüber beklagen und sagen: was het er doch aber für es G'sicht g'macht,und hätt doch Ursach zu einem ganz andern. Es gramselte Sophie in allen Fingerbeeren, mit dem Vikar anzubinden, aber anfangen durfte es nicht. Der Doktor,nachdenklich über des Onkels Reden, hatte sich anfangs des Vikaris nicht geachtet, aber durch dessen Merci war er geweckt worden, und begann ihm Blitze zuzuschießen,daß man wohl merkte, das Donnern werde auch wohl kommen.Nun aber gibt es gute Weibchen, sie sind nie an einem Hof gewesen, nie im Weltschland, vielleicht nicht einmal in irgend einem Leseabend, aber ste haben ein leises, scharfes Gefühl für alle Stimmungen, welche mit ihnen um einen Tisch sitzen, und ein Trieb, diese Stimmungen zu vermitteln, daß kein Mißton entstehe,und ein eigenes Geschick zumeist, welches diesem Trieb zu Hülfe kömmt. Gerade so eins war das gute Mammall; es war ihr, als ob sie das Knistern fühle inSophiens Fingerspitzen, in des Doktors Augen, und hinter des Vikars Gesicht voller suummen Donners das Grollen und Bangen der Verlegenheit.In solchen Augenblicken hatte sie zwei Manieren,entweder brachte sie Jemand auf ein Lieblingsthema,oder aber, sie erzählte selbst eine alte oder neue Geschichte, und reisete so das Unwetter unschädlich vorüber.Dießmal brachte sie den Doktor auf die Universität,wohl wissend, daß ein alter Student, wenn er an die Unlversitat gemahnt wird, an der Erinnerung hängen bleibt, wie eine Fliege in einem Spinngewebe. Aber auf der Universität hatte der Doktor Buckmäuser erfahren, mit scheinheiligen Gesichtern, die hatten ihn um Geld geprellt, diese nahm er jetzt übers Knie,steuerte immer mehr einer allgemeinen Walketen aller Duckmäuser zu, daß es dem Mammali katzangst wurde und ihn mit einem Apropos absprengte von der Universität auf seine Praxis. Aber wie wurde ihr, als der Növö alsobald bei den Frömmlern war, und auseinandersetzte, wie er da nichts machen koönnte,.so eine Betschwester in einer Stunde ihm verderbe, was er in einer Woche z'weg doktere. Sie versuchte, ihn ume zwehre, mit Fragen nach allerlei Persönlichkeiten, aber es ging ihr, wie es einem oft mit einer Katze geht,jagt man sie zu einem Loch aus, so ist sie schon unter einem andern, oder mit Spatzen, sie fliegen wohl von einem Aste weg, aber nur auf einen andern, und bleiben auf dem gleichen Baume. Sie mochte fragen nach was sie wollte, so steuerte der Doktor auf den Vikari los, und Sophie that ihm Vorschub, wie sie nur konnte.Da nahm sie mit einem Apropos, die bequemste Springstange im Reden, einen Sprung auf die Bäume, und frug das Papali, ob er nach Aarau um Bäume geschrieben habe, es wäre Zeit. Schreibe man zu spät,so müsse man haben, was überbleibe, manchmal die elendesten Griegeln. Der Doktor ging in den Gegenstand ein, und frug den Onkel, ob er noch immer so große Freude an der Baumzucht hätte, erzählte dann wie das sein Lieblingsgeschäft wäre, wenn er nur Zeit dazu hätte, und nicht so ein unglücklicher Menschendoktor wäre. Die Bäume wären sein, und Niemand als er legte Hand an sie, und wenn er an einem doktere, so pfusche ihm Niemand hinein, und glücklicher Weise hätten sie keine Beine, sonst, wer weiß, liefen sie auch von einem zum andern. Die Menschen aber machten einen wirbelsinnig; so lange sie laufen könnten liefen sie von einem Doklor zum andern, und konnten ste nicht mehr laufen, so liefen die Menschen ihnen zu,wie Fliegen einem Aas, und wollten an ihm doktern unentgeldlich, und dann seien manchmal noch dere drunter Himmel, wie wurde dem Mammali Angst!Jetzt war die Lunte auf dem Pulverfaß, jetzt ging's los, da fiel ihr die Wasserflasche, mit der sie eben einschenkte, aus der Hand, splitterte, und das Wasser schoß über den Tisch weg. „E Mus, e Mus,“ rief Sophie, das Taschli, welches später die Unverschämtheit hatte, zu behaupten, d'Mamma hätte das expreß gethan, um den Rudi nicht an den Vikari kommen zu lassen. „Aber Mamma, was machst aber?“ sagte der Pfarrer, als das Wasser selbst ihn bedrohte. Der Doktor mußte ebenfalls aufspringen, denn er fühlte die Strömung bereits auf seinen Beinen. Sophie eilte mit trockenen Zwechelen herbei, Mammali sagte, es sei ihr doch so leid, sie wisse gar nicht, wie es gegangen sei, der Vikari nahm sein Licht, und wünschte alilerfeits eine ruhsame Nacht, und endlich sagte Sophie: „so,nun ists gut, und z'Wasser lauft nimme abe. Aber gell Rudu, d'Mamma cha guti Punktümmer mache,äber nassi!“

Wie ein Pfarrer und ein Doktor zusammen eonsultiren, d. h. über einander die Köpfe schütteln.Am folgenden Morgen frühstückten sie ohne den Doktor, und schon waren alle fertig, als Sophie rief:„dort kommt er.“ Und wie Sophie das rief, stand der Vikari auf, und während er ging, warf Sophie ihm die Frage nach: „weyt d'r de nit warte und lose, was er für B'richt bringt?“ Es zweiete sich dem Vikari; etwas reizte ihn zum Standhalien, und doch ging er, antwortete aber trotzig: Er hätte nicht Zeit, ünd z'Sach werde er frühe genug vernehmen. „Das ist mir e Muffi, sagte Sophie, aber, gäb wie er thut, z'Herz ist ihm doch i de Hose, und warte darf er ihm nit.„Söphi, sagte die Mutter, du redest recht unanständig, und wenn's d'r Vetter g'hört hätt, er hätt o nüt meh uf d'r.“ „Su hätt er mira, sagte Soöphi,was isch m'r doch d'ra glege, heyg öpper öppis uf m'r oder nit. Ih ha o doWeli, uf Niemere nüt z'ha.“„Schäm di, Söphi, so z'rede, Ernst ist's d'r nit, und wenn's d'r Ernst wär, su wär,s recht schlecht vo d'r.“„Begehret d'r de, Mamma, daß ih uf alle Lüte viel nüt uf m'r het, oder soll ih gar ame ne jedere Schlabi a Hals hange?“ „Sophie, los, schwyg, das ist kiflet, und zwar unanständig, du weißt's wohl, wie's d'Mamma meint, und somit Punktum,“ sagte der Pfarrer. „Aber es Punktum, sagte Sophie, aber das Mal so nes trockes, ih muß es g'wüß e weneli afüechte“,und somit nahm sie erst den Papa obenein und küßte ihn herzlich, dann die Mamma, und während Sophie noch daran war, trat der Doktor ein. „J chume ebe recht,“ sagte er. „Ja Rudi, sagte Sophie rasch, wenn du nicht gekommen wärest, so hätte ich den Kaffe ab d'r Gluth gestellt.“ „O, ih meine nit wegem Kaffe,sondern wegem Küsse, jetz wird d'r Kehr a mir sy.“„Es ist m'r leid, sagte Sophie, wärist früher cho, aber d'Münscheni sy abem Für, und du weißt, die erkalte plötzlig, grad wie z'Blei, wo d'Scharfschütze d'Kugle drus mache. Aber häb nit Flause, zell, wie's dobe ist.“„Chum Vetter, sitz, sagte die Mamma, üses Papali ist scho lang g'wunderig.“

„Oben geht es wunderlich, aber, wie ich glaube,besser, als man hoffen durfte; das ist mir eine kuriose Frau, das. Nach dem Blutverlust und erfolgter Abschwächung ist auch die geistige Aufregung verflogen,in welcher sie sich einbildete, daß sie am Tode des Knaben Schuld sei, und den Tod verdient habe, sie scheint sich in den Glauben zu verwandeln, man wolle es ihr andichten, es sei aber nicht wahr. Sie ist ruhig, still,und hat nichts gesagt als, sie hätte dem Bubeli keinen andern Züg gegeben, als der, welchen Mädi gebracht,u wenn der nicht recht gewesen sei, so vermöge sie sich dessen nichts, man möge sagen, was man wolle. Dann scheint sie wieder tief nachzusinnen, denn auf alles Einreden, daß ja kein Mensch sie schuld gebe, daß sie ihm treulich abgewartet, und d'r lieb Gott z'Bübli greycht heyg, gab sie keine Antwort mehr. Aber ich denke mir,die Sache ist auf der Besserung.“ „Es ist möglich,sagte der Pfarrer, wenmn nur nicht der Gedanke sich in ihr ausbildet, es meinten es alle böse mit ihr, und hätten ihr expreß sagen lassen, was sie sich eingebildet,oder aber, Mädi sei Schuld an des Kinds Tod, und Unwirsches gegen dieses vornimmt. Ich glaube es zwar nicht, aber man weiß es nie; was da innen ist, das ist verborgen, und was geschehen wird, weiß Gott.Und wenn man einen Gedanken zu bilden suchte in der Frau, ihren Geist an etwas heftete, konnte man da nicht vorbauend einwirken, und vielleicht etwas Bösem zuvorkommen?“

„Onkel, ihr habt recht, sagte der Doktor. Man könnte der Alten Aufmerksamkeit auf das Kind lenken,welches das arme Fraueli entwöhnen muß, wenn es an der verflurten Hebammenpraxis nicht zu Grund gehen soll. Man könnte ihr das Kind wie zufällig zu halten geben, hier einmal, dort einmal, könnte ihr zufällig sagen, Meyeli müßte entwöhnen, man brauchte nicht zu erkläͤren, warum? Vielleicht nähme sie sich des Kindes an, und würde das andere ob diesem vergessen.“ „Aber Vetter, was denkst? sagte die Frau Hfarrerin, einer sturmen Frau ein Kind anvertrauen!Man ist ja keinen Augenblick sicher, daß sie es nicht umbringt.“ „Ich glaube nicht, daß Gefahr da sei, sagte der Doktor, im Gegentheil, würde sie an diesem Kinde zeigen wollen, daß man ihr wohl ein Kind anvertrauen könne, daß sie das Frühere nicht vernachläßigt. Natürlich müßte man sie anfangs nicht aus den Augen lassen-so lange, bis sie ihr früheres Wesen wieder gewonnen,ihre sonstigen Ausübungen angenommen hätte.“

„Nein, schäme dich, Rudi, sagte Sophie. Für den

Besten habe ich dich nie angesehen, so wüst dich aber doch nicht geglaubt. Weißt du, wie du mir vorkömmst?Als ein Priester des Molochs, der seinem Götzen, dem Molch, Kinder opfert. Anne Bäbi, die dumme Frau,ist das häßliche Bild und stellt deinen Götzen dir dar,den du, wie ich von Papa gehört, Kunst nennst. Deiner Kunst willst du das arme Kindlein opfern; nicht mit Gift, das versteht sich, das thust du nicht, auch nicht mit vermessenen leiblichen Mitteln, wahrscheinlich weißt du auch, da du fast ein Professor bist, daß die Aerzte mit solchen nur im äußersten Nothfall fechten.Nothfall ist nun keiner da, denn, so viel ich dir abgemerkt, ist das nicht ein Nothfall, wo bereits die Hoffnung wächst, sondern das ist ein Nothfall, wo nach menschlicher Ansicht und zwar nach wohlerwogener Ansicht, keine Hoffnung mehr da ist, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Rettung von Seite der Menschen (unser einer, Herr Doktor, nstht so gelehrt wie ihr, behält Gott immer vor) an der Anwendung eines einzigen Mittels haängt. In einem solchen Fall wagt man an den halb aufgegebenen Patienten cin sogenanntes desparates Mittel, wo es heißt: Vogel friß oder stiib. Der Vogel ist der Patient, das HNittel aber ist seiner Natur nach todt, fühllos, in des Menschen Willkür gestellt. Nun hast du einen Patienten auf der Besserung, und deine Kunst hat sinnreich ein Mittel aufgegriffen, das möglicherweise ihn heilt,aber dieses Mittel ist ein lebendig Kind, ein Mensch,und das Mittel kann ob der Kranken verloren gehen,am Leibe vielleicht, an der Seele höchst wahrscheinlich.Aber das redet dir dann Niemand nach, sondern es heißt nur, du seiest b'sungerbar e G'schickte, du hättest z'gowägers Anne Bäbi uf d'r Stell z'weg g'ha. Aber wenn du das thust, so gruset es mir ab dir, und dein Lebtag sage ich dir Kindlifresser, du wirst auch meinen,es syg ume es King.“

Der Doktor hörte diesem Ausfall anfangs zu, wie allen Reden Sophiens, in denen ihm gewöhnlich ein Ball zugeschleudert wurde, welchen mit Geschick zurück werfen zu können, er sich bewußt war. Im Verlauf der Rede ward er doch ernst, denn eine solche ernste Rede hatte er nie von Sophie vernommen. Er war wohl aus den kindischen Neckereien, welche zwischen verwandten Knaben und Mädchen meist statt finden,heraus, aber er stand doch mit Sophie noch auf dem verwandtschaftlichen Standpunkte, wo man sich nur zuwirft, was einem eben zur Hand kömmt, und wo man noch oft die füße Liebe in Bitterkeiten und Salze hüllt, umgekehrt wie man es mit widerlichen Heilmitteln macht, Wurmmitteln z. B. Ein Mädchen kann die schönsten Gespräche führen mit sich selbst, manchmal sogar mit einer Schwester, aber gegen einen Vetter, der ihm lieb ist, oft ohne daß sie es weiß, ist sie einer Kastanie gleich, voll Stacheln um und um, und vom Kerne merkt er nichts, bis Liebe oder Zorn, beide sind gleich in ihrer Wirkung, werden aber ungleich umgrenzt,den Kern schwellen, die Schale sprengen, den Kern zu Tage legen. Nun liebt aber ein Mädchen, in welchem,wenn auch unbewußt, die Liebe sich reget, Kinder mit besonderer Zärtlichkeit und wo es eines habhaft werden kann, da läßt es die ganze Zärtlichkeit, welche das de ihm schwellt, am Kinde los. Daher Sophiens orn.

„Du redest wie ein halber Toktor, sprach der Doktor, man hört dir an, daß der Onkel auch einer ist.“„Ein halber, wirst du meinen,“ warf Sophie hinein.„Aber, fuhr er fort, du nimmst die Sache viel zu streng, hast du nicht gehört, daß man die Frau überwachen soll, da kann dem Kinde nichts geschehen.“„Das weißt du nicht, sagte Sophie, und wenn ein Mal die Alte das Kind in ihre Hände nimmt, so läßt sie es nicht wieder los, sondern macht es wie mit ihrem Sohne und mit dem gestorbenen Knaben, sie verderbt sie am Leibe oder an der Seele. Es ist ein rechtes Glück, daß der Knabe hat sterben können, es weiß kein Mensch, was es aus ihm gegeben hätte. Und jetzt willst du das lieblichste Kind von der Welt, das so freundlich ist, und seiner Mutter wie aus den Augen geschnitten, der Großmutter in die Hände spielen, um es zu vermeisterlöslen, und ein recht ungezogen, uwatlig Ding aus ihm zu machen. Man sollte gar keine Kinder in die Nähe von solchen Menschen lassen, geschweige dann sie brauchen wie ein Zugpflaster oder eine Haarschnur.“

Der Doktor hörte Sophie so verwundert zu, daß er gar nicht an eine Antwort dachte. Da sprach der Pfarrer: „Sophie, dein Eifer ist schͤn, aber ganz verständig ist er nicht. Wenn du keine Kinder in Händen lassen wolltest, in welchen sie verdorben werden könnten, wo wolltest du mit all den Kindern hin, und wären vielleicht deine Hände die rechten? Das mahnt mich gerade daran, als wenn du keine Kirschen auf den Bäumen wolltest reifen lassen, weil sie die Spatzen fressen könnten, oder keine Erbsen ins Freie setzen, aus Furcht vor den Tauben. Vor allen Gefahren kann man nicht sein, Gott muß man auch etwas anvertrauen können; alles voraus berechnen, berathen, verhüten, kann man nicht. Sieh, da leben wir wieder als ohnmächtige Wesen unter einer höhern Macht, und unglücklich oder thorrecht sind wir nur, wenn wir diese Macht vergessen, in ihr Gebiet greifen, uns oder etwas anderes an ihre Stelle setzen wollen. Du hast deine Meinung nur in Beziehung auf diesen Fall geäußert,aber ich kenne sie wohl, du meinst eigentlich, man sollte keinen Großeltern Kinder anvertrauen, indem unter ihren Händen die Kinder vermeisterlöslet würden. Du kömmst mir mit diesem fast vor, wie der Doktor mit seinem Doktern; glücklich erziehen, glücklich heilen, hat Niemand in seiner Macht; wohl dem, der nur treu ist,und wenn du den Großeltern die Kinder nehmen wolltest, so wäre es etwas Aehnliches, wie wenn der Doktor den Kranken keine geistige Hülfe zukommen lassen wollte. Sonnenschein ist wohl herrlich, und die Hauptsache, aber ohne Thau verkümmerten im Sommer die Pflanzen doch. Die Eltern sind die Sonnen der Kinder, in ihrer Wärme reifen sie. Aber trocken sind die Eltern oft, ergriffen von des Tages Mühen, ihre Zeit

Anne Bäbi. II. 18 274 gefüllt mit Arbeit, Befehlen und Zurechtweisen, das ist ihre immer wiederkehrende Aufgabe, niederdrücken das aufkeimende Böse ihre beständige Mühe. Die Großeltern sind der Thau der Kinder; sie sind's, die mit ihrer freien Liebe die kindliche Liebe nähren, frisch erhalten, immer ein offenes. Herz haben für der Kinder Leiden und Freuden, dafür sorgen, daß das Gemüth des Kindes nicht erstarre im rauhen Leben, sondern weich und offen bleibe dem Guten, dem Schönen, der Liebe. Und wiederum erquicken die Kinder das alternde Herz, das sonst ganz öde wäre, und ebenfalls vertrocknete. Denn die Kinder sind dem elterlichen Herzen entwachsen, bedürfen der Hülfe weniger, sind verschlossener geworden, an ihrer Statt ziehen die Großkinder ein, und füllen es mit neuen Freuden, neuen Hoffnungen, erquicken es täglich mit dem Thau der Liebe.So hat der liebe Gott für das menschliche Herz gesorget, daß es weich bleibe im Leben. Erst gibt er einen Bräutigam, der schließt es auf, dann kommen Kinder und reinigen es, dann kommen Großkinder, und erhalten es weich und warm, bis endlich Gott selbsten kömmt und es verklärt mit seiner Klarheit. So hat es Gott gewollt, es ändern wollen wäre Aberwitz und Grausamkeit, so köͤnnte man mit dem gleichen Recht den Mädchen die Liebhaber verbieten, weil manches Mädchen durch sie verdorben, oder gar das Heirathen, weil noch mehrere dadurch an Leib und Seele unglücklich geworden sind.

„Das Zusammenleben der Großmutter mit den Kindern bei Jowägers kann später jedenfalls nicht verhütet werden, des einen oder des andern wird sie, wenn sie wieder zurecht kömmt, was wir zu Gott hoffen wollen,doch wieder insbesondere sich annehmen, dasselbe mehr oder weniger zu dem ihrigen machen. Nun ists doch wahrhaftig besser, sie wähle dieses freundliche, milde Mädchen, statt einem wilden, kräftigen Burschen. Ein solches Mädchen wird sie weit aus am wenigsten verderben,weil sie es nie von den übrigen wird losreißen können,denn ein solches Mädchen will allen lieb sein. Der 273 vorige Bube hingegen war von allen mehr oder weniger getrennt, kounte mit der Großmutter alles machen,X allen andern nichts nach. Möglicherweise wäre der verdorben worden, aber da hat Gott geholfen; möglicherweise hätte er durch den Zwiespalt, in welchen er mit allen immer mehr gerieth, den bösesten Einfluß auf die Frau gehabt und die ganze Haushaltung gestört. Wer weiß aber, was die alte Frau in den Händen eines lieben, kleinen Mädchens wird, und ob dasselbe nicht recht versöhnend und mildernd auf ihre Seele wirket?Und das sollte nicht zu versuchen sein, Sophie, was meinst du?“ „Verzeiht Papa, sagte Sophie, ich bin ein vorschützig Ding. Rudi, es ist mir leid, wenn ich hart war und grob. Aber es kam mir schrecklich vor,so ein Kind als Mittel zu gebrauchen, und so stelltest du es dar; jetzt, da der Vater das Geistige heraus gekehrt hat, fasse ich es, und belehren lasse ich mich gerne. Biß nit höhn.“ „Nein, lieb Bäschen, sagte der Doktor, wer wollte höhn sein, auf diese Weise sehe ich Mädchen gerne böse. Aber ich muß wahrhaftig fort,und kann vielleicht morgen nicht wiederkommen. Onkel, ich hätte eine Bitte an euch.“ „Was?“ „Ginget ihr mir nicht heute oder morgen zu der Frau und sähet zu, wie es steht und versuchtet, sie zu erkunden und aufzurichten? Sollte irgend etwas Bedeutendes vorfallen, so sendet mir einen Expressen.“ „Aber Növö,ich bin ein Geistlicher.“ „Onkel, straft mich nicht, ich bin nicht schlechter als Sophie, die läßt sich ja auch belehren. Aber geht der Vikar zu ihr, so schlage ich ihm beide Beine weg, er hört dann laufen.“

Das vom Dokbtor vorgeschlagene Mittel hatte seine erwünschte Wirkung, freilich nur langsam. Anne Bäbi wiederholte öfterer, es sei nicht schuld, und wenn man ihm lange einen Herr schick, der's säg, so sei es doch nicht währ. Mädi hätte den Züg gebracht, was fürige es gewesen, wisse es nicht, Mädi werd's wissen,sie sollten das fragen. Es hätte schon lange gemerkt,daß es ihm das Bubeli nicht gönnen möge, aber sein Lebtag hätte es an allem schuld sein sollen. 276 Der Pfarrer, vor welchem es auch so redete, wollte ihm sagen, es denke kein Mensch daran, ihm die Schuld aufzubürden. Da fragte es, warum man ihm da so einen schwarzen Mann habe kommen heißen, der ihm das habe sagen müssen; er hätte da neuis von einem Traum gesagt, das sei nur gewesen, damit es nichts merken solle, aber es hätte es doch gemerkt. Das sei gefahren wie Feuer durch ihns durch, es häͤtt's geduecht,ke Stung möge es mehr leben, und es sei ihm noch so, wenn es d'Schuld sein solle. Der Pfarrer versuchte nun, ihm zu erklären, daß das sein Vikari gewesen, den Niemand habe kommen heißen. Aber man hätte viel von ihrem Unglück geredet, und alle Leute hätten ein grusam Bedauern mit ihr gehabt, und da sei es gar wohl möglich, daß dem Vikari das im Traum vorgekommen sei. „Ja wolle, sagte Anne Bäbi, e sellige Herr, u de no e junge, wird vo ne re alte Frau traume. Und wenn er so es Bidure mit m'r g'ha het,warum chunt er de, u seit, ih syg d'Schuld ?“ „Ihr werdet ihn unrecht verstanden haben, sagte der Pfarrer,er hat wahrscheinlich das Gegentheil gesagt, nämlich,ihe hättet das Kind nur zu lieb gehabt, und deßwegen hätte es Gott zu sich genommen.“ „Su ist er e Sturm,sagte Anne Bäbi, weiß dä de nit, daß es heißt, mi soll d'Kind lieb ha? Warum laht me de sellig umeangere laufe? Aber ih chas notti nit glaube.“ Unterdessen war Meyeli mit dem Kinde hereingekommen,draußen war ihm gerufen, da bot es dasselbe der Mutter dar und frug, ob sie es nicht einen Augenblick halten wolle, es komme gleich wieder. Das Kind machte anfangs ein Dureli (verzog das Gesicht zum Weinen),lächelte aber gleich wieder, machte ein freundlich Gesichtchen, und streichelte die Großmutter mit seinen Händchen. Unterdessen sprach der Pfarrer: „seht meine liebe Frau, daß kein Mensch an solche Dinge denkt,sie würden euch nicht ein Kind anvertrauen, wenn sie euch nicht besser trauten als ihr meint. Und das Kind könnte euch nicht so lieben, wenn ihr es nicht gut mit den Kindern meintet, die wissen es, wer es gut mit 277 ihnen meint und wer nicht.“ Sein Lebtag, sagte Anne Bäbi, hätte es die Kinder immer g'liebet, sie sollten das neue afe wüsse, un ihm de nit selligs zumuthe.„Aber gäll, du meinst das nicht, sagte Anne Bäbi zur Kleinen, du fürchtest dich nicht vor der Großmutter?gäll, du weißt, die thut dir nichts? So nes King het mängist meh V'rstang as groß Lüt. Aber wes es Unglück gäh hätt, st wäre d'Schuld g'si, u hätte musse d'Schang ha, ih hätt mi desse nüt v'rmöge, warum hei st mi welle z'Schuld gah.“ Sobald Meyeli wiederkam,sagte Anne Bäbi: „seh, nimm's, u gib ihm z'suge, u de cha nis sauft no e weneli ha.“ „Mutter, antwortete Meyeli, ih säuge nimme.“ „Säugst nimme, warum nit?“ „D'r Dokter hets bifohle,“ antwortete Meyeli.„Es wird öppis angers sy, sagte Anne Bäbi, aber wer het d'r de FXKing g'ha z'Nacht?“ „Mädi,“ antwortete Meyeli. „Mädls, so, Mädi, dem vertrauist du de dys King, un ih bi d'Großmutter, so, jetz g'seh ni, wie d'rs meinit. Aber Mädi, die Täsche, soll's nit ha,ih thue's nit.“ „Mutter, ihr seid ja krank gewesen, wer hätte euch da mit einem Kind plagen können? Sonst b'hüetis, wem hätte man es lieber geben wollen?“„Aber ih bi nimme krank, u daß es zMädi heyg, thue ih nit, ih bi d'Großmutter; gäll du arms Kingli, du hest müsse bi me ne sellige Mönsch sy.“

Und Anne Bäbi wendete von selber Stund an alle Aufmerksamkeit auf das Kind, und wenn es schon zuweilen noch seine Pfeile abschoß und sagte: es duecchs,es well's z'rschryße, daß me ihm selligs d'schuld gäh Dchöm, un es wär ne recht g'scheh, wes ihm g'rathe wär,so waren das nur hohle Worte und weder Saiz noch Pfeffer darin. Es waren gleichsam nur so Leuchtkugeln,welche Weiber sehr oft bei der Hand haben, um alles um sich herum im Respekt zu erhalten. Es ware aber sehr schwer, auszumitteln, was Anne Bäbi kurirt, ob,nach der Ansicht des Doktors, die Liebe zum Kind,oder eine andere Kraft, welche gar nicht in Rechnung gebracht worden, die Eifersucht gegen Mädi.

Wer berechnet da unten die Krafte, welche sich regen wenn von außen her etwas an den Menschen gebracht wird, irgend etwas in ihm in Bewegung zu setzen, oder stille stehen zu lassen. Wir können rechnen ganze Bogen voll, und akkurat ausrechnen, was jede Zahl in in sich enthält, 2 mal 2 oder x mal x, können abtheilen den Hafer den Pferden, und wägen das Wasser,welches ein Mühlrad treiben soll, aber im Menschen innen, da können wir nicht rechnen; es kann der Arzt nicht rechnen mit Bestimmtheit, wenn er den Leib heilen will, noch viel weniger, wenn er die Seele in der Kur hat. Des Menschen Inwendiges gleicht einem Gemache, dessen Wände aus lauter Knöpfen bestehen,die aber sämmtlich verborgen sind; man mag sich in demselben bewegen, fast wie man will, so berührt man einen, und merkt es nicht. Und dieser Knopf bewegt eine Feder, und etwas springt heraus, an das man gar nicht gedacht hat. Bald ist's der Keim zu einem Uebel, den man hervorruft, ein verborgenes Feuer, das den Rest der Lebenskraft verzehrt, bald eine eingeschlossene Kraft, die dem Leben neuen Aufschwung gibt,die Heilung alleine übernimmt. Bricht eine verzehrende Kraft hervor, geht es bös, so sagt der eine, das sei ein alter Rest, von dem hätte er nichts gewußt, oder da sei etwas ung'sinnet dazn gekommen, an das man nicht gesinnet; wenn das nicht gewesen, so wäre er gerettet worden ohne anders; ein anderer aber sagt, da sei etwas, über das man noch nicht im Reinen sei,oder denkt es wenigstens, denkt, welchen Knopf man wohl berührt, aber renommiren thut er nicht, macht freilich auch mit vielem Werweisen vor dem Krankenbett dem Leidenden nicht Angst. Bedenkliche Gesichter und unschlüsstge Mienen gehören allerdings auch nicht vor den Kranken, sonst verliert er Muth und Zutrauen, so gut wie die Soldaten, wenn der Feldherr nicht mehr weiß, wo er ist, oder gar den Weitern 2* F eht es aber gut, ung'sinnet, so sagt der Eine:„Jäͤ gäll, ha nih's nit g'seit, ha nih's nit troffe, macht das e andere o?“ Der andere aber sagt: „Das hab ich nicht geglaubt, das haben wir Gott zu danken, der hat es über Menschen Vermögen zum Besten gewendet.“Kurioser Weise nun halten die Menschen mehr auf dem Renommiren als auf dem sich demüthigen, und nicht nur bei Aerzten, sondern allerwärts und je übersüniger einer thut, desto ein größeres Herrgötzli machen die Leute aus ihm, aber nur ihm zum Verderben, denn noch kein Goliath ist erstanden, dem nicht sein David nachgekommen wäre. Aber es war von Anfang so;der Teufel war der erste Renommist, Marktschreier,Rühmi, und Eva glanbte ihm auch mehr als Gott.Wo die Lüge überzieht in einem Menschenherzen, da zieht auch der Glaube an die Lüge vor, aber wer aus der Wahrheit ist, der erkennet die Wahrheit. Diese Wahrheit wäre der Schlüssel zu manchem Räthsel, wenn man ihn nur beachten wollte.

Den Doktor ärgerte diese Hülfe durch die Eifersucht,wo er nur auf Liebe gerechnet, nicht schlecht. Er gehörte nicht unter die, welche sich zuschreiben, an was sie nicht gedacht, dagegen, wenn eine Kraft ins Spiel kam, an die er nicht gedacht, und ihm die Heilung verdarb, so machte er sich schwere Vorwürfe, eben daß er nicht daran gedacht. Er ärgerte sich besonders darüber, daß da, wo man etwas Gutes erwarte, etwas Schlechtes zum Vorschein komme. Wir hätten eine Saunatur, sagte er, es erleide einem, Mensch zu sein.Längs Stück sehe man an einem Menschen nichts gutes,komme einmal etwas zum Vorschein, an dem man Freude haben könne, und sehe man es genauer, so sei es so schlecht als das andere, nur hätte es der Teufel schön angestrichen. Rechne man im Menschen auf eine gute Kraft, so sei die nicht da, lasse einen im Stich,ünd statt derselben springe eine schlechte hervor, und verrichte den gleichen Dienst. Das mahne ihn gerade als wenn Teufel mit Schwänzen und Hörnern den Dienst von Engeln verrichteten, wo einem ob den Teufeln die ganze Sache verleidete, wie gut sie an sich auch wäre. So müsse es einem erleiden, mit dem

230 geistigen Menschen zu thun zu haben, wo lauter Trug sei; alles täusche, wenn man nicht auf lauter Böses rechne. Da sei es in Beziehung auf den Körper doch unendlich besser, die Rechnung weit sicherer zu stellen,und weit mehr zu trauen.

Der Pfarrer war nicht gleicher Meinung. Daß der Körper leichter zu behandeln sei als die Seele, gab er gerne zu, aber daß Böses im Menschen gutes wirke,das sei eben das Trostreiche, ohne welches man verzweifeln müßte, ohne welches die Welt längst schon auf dem Kopfe stünde. Das sei eben Pfand und Siegel, daß der Teufel kein Gott sei, der mit unserm Vater im Himmel um den Sieg ringe, so daß dato noch zweifelhaft sei, welches oben auf komme, das Reich des Lichts oder das Reich der Finsterniß. Es thue wohl der Teufel wüst und suche was er vermöge, aber das eben sei sein Fluch, und der Fluch aller derer, die ihm verfielen, daß sie wüst thun müßten fort und fort,aber nicht nur nichts abbrächten, sondern das Gute fördern, Gottes thätigste Diener sein müßten, siehe Exempel an Joseph und seinen Brüdern, Christus und den Juden. Und wie es mit den Wesen sei, so sei es auch mit den Kräften, wie bös die auch seien, Gott spanne sie in seinen Pflug und pfluge damit sein Ackerfeld, daß es grüne und Früchte trage. Wenn man alles weg thun wollte auf Erden, was der Geiz, der Neid, die Ehrsucht u. s. w. gethan, es würde armselig aussehen auf Erden. Nun fromme das Gute,welches er wirke mit böser Kraft, dem Thäter nichts zum Heil seiner Seele, im Gegentheil zur Sunde werde es ihm gerechnet, dem Christen gereiche diese Wahrheit zur größten Freudigkeit, wie es auch stürme um ihn,und dunkel werde zu Zeiten, er zweifle nicht, werde nicht irre im Dienste des Vaters, dem jede Kraft zu Diensten stehe, der in die Hoölle führe und wieder hinaus, der mit seinen Feinden, trotz ihrem Winden, seine Zwecke wirke.

„Ja, ja, das ist alles recht schöͤn, Onkel, sagte der Doktor, aber eine verpfuschte Natur haben wir doch und das ist's, was mich eben ärgert, daß ich mir selbst erleide, mich selbst anspucken möchte. Ich glaube es nicht, aber möglich wär's doch, daß der Teufel mich ritte in meinem Berufe, mich spornte, andern voran zu kommen, und das könnte mich so ärgern, daß ich dem Teufel zum Aergerniß mein Lebtag im Bette liegen bliebe, um ihm zu zeigen, daß ich nicht sein Narr sein möge.“

„Lieber Növön, ärgere dich nicht unnöthig, aber werde etwas demüthiger, das ist die Hauptsache, welche dir fehlt; du leidest halt auch an einer Zeitkrankheit,bist zu hochmüthig, nicht gegen die Menschen, sondern eigentlich gegen Gott, und das ist eben der Unsinn.Willst Lieb Gottlis spielen, und fühlst mit jedem Athemzug deine und anderer Gebrechen, das macht dich taub,wirfst alle Augenblicke dem lieben Gott den Bündel vor die Thür, und kriegst noch den Weltschmerz, die allerneuste Krankheit. Drei Jungens haben von ihrem Vater drei Höfe geerbt, mager, wild, viel Steine dabei, und Morast auch. Der eine der Jungen meint,was er hätte an seinem Höfchen, baut sich mitten im Dreck einen Thron von Steinen, und setzt sich oben auf uud brüstet sich oben, daß es ein Erbarmen ist.Dem zweiten ist der Hof zu unbedeutend, gering, er verschleudert ihn auf die muthwilligste Weise, unter beständigem Schimpfen und Klagen, und erst wenn er ihn nicht mehr hat, und nichts anderes dazu, fällt ihm ein,wie gut es wäre, wenn er doch wenigstens das noch hätte, was er gehabt. Der dritte aber krazt sich wohl in den Haaren, aber er bauet sich keinen Thron in D ..., verschleudert aber auch den Hof nicht, er räumt Steine ab, trocknet Morääste aus, säet mit fleißiger Hand, thut was möglich ist, und sieh, am Ende, ist das magere, wilde Höflein doch dankbar, wird schön,ein lebend Lob seines Pflegers, und lohnet ihn reich.So ist's mit unserer Natur, sie ist auch ein mager,wild Höflein, aber verachte es nicht, Növö, sondern verbessere es, namentlich aus dem deinigen läßt sich so manches machen, wächst ja schon so manches Gute 232 wild. Falle nicht in den Fehler der Meisten, die ihr Erbtheil entroeder überschätzen, oder zu gering schätzen,baue es, du wirst davon reichlich ernten, und Gott wird Freude daran haben. Und wo Löcher und Moräste sind, da hat Gott es wohl gemeint, wenn er Steine dazu gelegt hat, mit den Steinen kann man die Löcher vermachen, eins ist wider das andere gut. Darum auch war Anne Bäbis Eifersucht da, die war auch so ein Stein, welcher ein Loch vermachte, ein Reitz, welcher den Verstand wieder aus dem Loche lockte, in welches er versunken war.“

„Ihr seid ein kurioser Onkel, sagte der Doktor, ihr dreht immer alles auf die bessere Seite, und darwider haben kann man nicht viel, aber alles so nehmen zu können, das ist eine Kunst, welche ich einstweilen nicht lernen werde. Eines aber müßt ihr mir helfen. Euern Einfluß müßt ihr anwenden, daß sie droben mir die alte Magd fortsenden. Das ist mir ein verfluchtes Mensch, das. Das ist eine von denen, die, wenn ihnen der Mann sagt: schwyg, oder ih schryße d'r d'r Gring ab,“ antworten: „un ih schwyge nit, u schryß ume, so surre ih no mit d'r Röhre!“ Die läßt mir meine Patientin nicht in Ruh, ihre Eifersucht ist nun ebenfalls erwacht, weil man ihr das Kind genommen und es der Alten gegeben, das kann sie gar nicht verwerchen. Wo sie nur kann, reißt sie dasselbe an sich und kann sie das nicht, so stichelt sie, wenn es etwas Ungeschicktes gebe, so wolle sie nicht Schuld sein, aber es duechte sie, man hätte es erfahren können, wie es ung'sinnet etwas geben könne, an das Niemand gesinnet. Natürlich belfert dann die Alte auch und das unterhält eine Aufregung, welche höchst schädlich ist.Es ist fürchterlich mit einer gewissen Klasse von Weibern. Wenn der Teufel in sie fährt, so muß es geredet sein, es muß use, und wenn jedes Wort eine Feuerflamme, die Welt ein Pulverfaß wäre, und wenn der Teufel mit einer dreizinggigen Gabel vor ihr stünde und sagte: „schwyg oder ih gäble di uf,“ sie schwiegen nicht: use muß's! Es ist mir schon manchmal ganz krampfhaft in die Hände gekommen, und mir gewesen,als müßte ich so einer die Luftröhre etwas enger machen, und weil ich nicht durfte, hudelte es mich, als ob ich das ärgste Fieber hätte. Weiß Gott, Onkel,wenn es wirklich wahr ist, daß von jedem unnützen geschweige dann von jedem verfluchten Worte Rechnung gegeben werden müsse, so habe ich es auch mit jenem Pfarrer, der einmal predigte: es seien keine Weiber im Himmel. Was meint ihr, Onkel?“ „Weißt du, was der Papa meint, antwortete Sophie rasch, die Weiber mit den unnützen Worten würden da sein, wo die Doktoren, welche nie was unnützes gemeint, und nichts unnützes verschrieben hatten, und so würden cirea gleich viel Weiber wie Doktoren im Himmel sein. Uebrigens mein lieber Rudi, thätest du besser, die Bibel auf dich anzuwenden, statt sie ob den armen Weibern zu verdrehen, denn es heißt nicht, daß man um eines unmützen Wortes willen nicht in Himmel komme, sondern daß man davon Rechnung ablegen müsse. Und was wartet denn eigentlich dem, der die Bibel verdreht und nur spottsweise sie anwendet, könnt ihr mir das sagen, hochgeehrter Herr Doktor?“ „Aber Sophie,sagte das Mammali, du bist doch so pukt und aufbegehrisch, der Vetter hat ja unr Spaß gehabt.“ „Ich kenne den Spaß, sagte Sophie, und was dahinter steckt;hat er aber wirklich nur Spaß gehabt, so wird er meine Worte auch nur spaßweise aufnehmen; so ein gelehrter Herr wird wissen, daß es aus dem Walde kömmt.wie man hineinschreit.“

„Kinder zankt nicht, sagte der Vater, und du Sophie geh und sieh, daß die Suppe uns nicht anbränntet; dein Aemtchen scheinst du mir ganz und gar zu vergessen und zu vergessen, daß ich es recht wohl leiden mag, wenn ein Mädchen mit allerlei Dingen sich befaßt, jedoch nie auf Kosten dessen, was es eigentlich soll. Du aber, Rudi, vergreife dich nicht an der alten Dienstmagd, dem Mädi, und muthe den Leuten ja nicht zu, daß sie dieselbe fortthun. Ich kann wirklich nicht begreifen, wie dir nicht gleich eingefallen ist, daß 284 dieses geradezu die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen würde. Die Magd und die Frau sind wohl an die dreißig Jahre bei einander und das Kifeln, welches dir aufgefallen, dauert ebenfalls an die dreißig Jahre,sie haben sich beständig gezankt und doch nie entzweit;Mädi wollte eine Art Ebenbürtigkeit behaupten, sich nicht kujoniren lassen, und Anne Bäbi wolite zeigen,daß es die Meisterfrau sei. Dieses beidseitige Streben war dreißig Jahre lang ihre Lebensfreude, war zum eigentlichen Lebenselement geworden, gab ihnen auch die, beiden so nothwendige Gelegenheit zum Reden,welche ihnen das schweigsame Mannevolk selten gewahrte.Gegenüber dem Mannevolk waren sie einig, machten ihm gemeinsam den Marsch, hatten ihre Freude an den Schlemperligen, welche sie ihnen anhängten. Weil sie gleichsam den gleichen Feind hatten, so meinte Mädi,sie müßten auch die gleiche Liebe haben, darum was Anne Bäbi liebte, liebte Mädi nicht nur, sondern meinte auch, der Gegenstand dieser Liebe müsse ihns noch mehr lieben als Anne Bäbi; daher die Eifersucht. So ging es mit Jakobli, dann mit dem gestorbenen Kind, und jetzt mit diesemn. Das ist also gar nichts neues, es wird Anne Bäbi nicht aufregen, wenn Maäͤdi trümpft,wird ihm im Gegentheil ins alte Geleise helfen, aus welchem ihns nur das Unerwartete, Unbekaunte brachte,ein Tod, den es seit seiner Ehe noch nicht erlebt, ein Vorwurf, den es noch nie gehört. Jemehr das Alte,Gewohnte ihns wieder in Anspruch nimmt, destomehr werden die neuen und ungewohnten Eindrücke sich verwischen, das Gleichgewicht sich wieder herstellen. Entfernt aber die Magd, so wird Anne Bäbi neu aufgeregt, wird meinen, man habe das ihm zu Leid gethan,wird sich einbilden, sie seien die besten Freundinnen gewesen und deswegen habe Madi fortmüssen; für die Folgen, welche dieses hätte, stehe ich dir nicht.“„Aber Onkel, wenn ich bei gesundem Verstand dabei sein müßte, ich würde ein Närr; was muß das für eine Wirkung haben, bei einer Frau, die eben nicht gesunden Verstandes ist?“ antworteie der Doklor.„Ihr Doktoren seid auch kurios, sagte der Pfarrer.Ihr redet so oft davon, daß die Heilmittel einer jeden Natur angepaßt sein müßten, und vergeßt es doch so oft in der Anwendung. Davon will ich nicht reden,daß ein Fremder die Volkseigenthümlichkeiten nicht beachtet, ein Stadtarzt das Leben der Landleute nicht berechnet, viele an die Familienanlagen nicht denken, sondern davon, daß ihr Aerzte so oft in den Fehler fallet,von eurer Natur und Eigenthümlichkeit aus die Zustände aller andern Menschen zu beurtheilen und zu berechnen.Es gibt Aerzte, welche schwächlicher Art sind und vor vielen Dingen sich in Acht nehmen müssen, oder sich in Acht nehmen zu müssen meinen; die gleiche Lebensweise und Sorgfalt dringen sie nun ihren Patienten auf und verderben sie auf diese Weise durch Verzärtelung. Andere bilden sich ein, wenn es sie am Kopfe beist, es sei eine Gehirnentzundung im Anzuge, oder wenn es sie am Rücken jucket, es formire sich eine Rückenmarkauszehrung, und nach diesem Meinen und Fürchten beurtheilen sie die Zustände der Patienten und kämpfen als wie mit Löwen, während nur Mücken um sie tanzen. Handkehrum aber, wenn es sie selbst am Kopfe nicht beist, so denken sie an keine Gehirnentzündung und sehen den bedenklichsten Zustand nur für ganz ordinäres Kopfweh an. Andere sind Meisterlose und schwatzen allen Leuten ihre Meisterlosigkeit auf, essen Zeitweise keinen Salat z. B., dann soll Niemand mehr Salat essen, oder trinken kein Bier, dann soll es auch Männiglich lassen.“

„Aber Onkel, haltet ihr mich denn eigentlich für einen Tropf, daß ihr mir solche Beispiele vor Augen haltet?“ fragte der Doktor.

„O nein, lieber Rudi, du bist meines lieben Bruders lieber Sohn, aber ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen, daß du ein Mensch seiest wie andere Menschen. Nun hat jedes Menschen Auge seine eigenthümliche Faärbung, und wie die Farbe vom Sonnenlicht kömmt, das durch die Gegenstände verschieden gebrochen und zurückgeworfen wird, so brechen und spiegeln auf verschiedene Weise die Gegenstände in unserem Auge sich ab, je nachdem das Auge beschaffen,gefärbt ist. Diese Färbung wechselt bei manchem Menschen stündlich, bei andern unmerklich in der Jahre Lauf. Dieser Färbung unterliegt auch der Arzt trotz Wissen und Erfahrung, er sieht die Dinge eigenthümlich an und nicht immer gleich, oft klarer, oft ganz nach eigenthümlicher Stimmung. Es hängt des Menschen Heilung also nicht blos von des Arztes Wissen,seinem Eifer, ab, sondern auch von der jedesmaligen Färbung des Auges, wenn nämlich des Menschen Heilung alleine in des Arztes Kuust gestellt wäre. Dieser Schwachheit bist du unterworfen, andern Menschen gleich, trotz allem deinen Wissen. Was dir weh thäte,die beständige Opposition, das Kifeln über nach deiner Meinung ausgemachte Dinge, das willst du verbieten,und bedenkest nicht, daß es in gegebenen Naturen ein Lebensreiz nicht nur, sondern ein Lebensbedürfniß ist.Glaube mir, lieber Növö, die Beurtheilung des Zustandes eines Menschen rein nach dessen innerer und äußerer Eigenthümlichkeit, ohne Einmischung unserer Neigung oder Abneigung, unserer Vorurtheile oder vorgefaßten Meinung (unserer eigenen Subjektivität), ist eine Sache die ins Gebiet der Unmöͤglichkeit gehört,wo mit der größten Anstrengung nur eine Annäherung möglich ist. Für Arzt und Pfarrer ist's daher von der größten Bedentung, dieses nie aus den Augen zu lassen;wer das nicht thüt, macht sich zum Pabst, und das ist eben lätz und sehr gefährlich.“

„Aber Onkel, sagte der Doktor, ihr nehmt mir da ein zufällig Wort wieder so schwer auf und knüpft Wahrheiten daran, himmelhohe, es ist gar nicht mit euch auszukommen.“ „Lieber Rudi, eben die sogenannten zufälligen Worte drücken bestimmte Ansichten aus,sind Blätter, die von einem Stamme fallen und der Stamm hat seine Wurzeln tief unten in der Seele und wenn ich bei jddem Worte, das dir aus dem Munde kömmt, dir die Wurzel zeige, welche es emporgetrieben,so verzeihe es mir. Ein alter Pfarrer hat auch seine Angewöhnung, und die meine ist die, innerlich in all seiner Bedentung nachzuweisen, was äußerlich nur als zufällig erscheinet. Und wenn ich dich auch aufmerksam machen wollte, daß du von der übrigen Menschen Beschränkung nicht frei seiest, so wollte ich dich damit nur billig machen gegen den Vikari, der aus gleichem Grunde fehlte, welcher dich auch fast einen Fehler machen ließ.“

„Aber Onkel, ich hoffe doch nicht, daß ihr mich mit dem Vikari zusammenzählen werdet, so ein halbverrückter Sturm bin ich denn doch nicht,“ sagte der Doktor.„Sieh mal, lieber Növö, wie du gleich böse wirst, wenn man dir sagt, du seiest dem Irren unterworfen wie andere Menschen, auch wenn man dich auf der That ertappet. Du beurtheiltest das Verhältniß von Mädi und Anne Bäbi nach deinem persönlichen Gefühl und nicht nach ihren eigenthümlichen Naturen, und was that der Vikari anders? Er beurtheilte die Lage von Anne Bäbi und wollte sie benutzen nach dem ihm eingebläueten Systeme, das er für das einzige wahre hält und hauptsächlich deswegen, weil er ebenfalls die Welt als ein großes Tintenfaß ansieht, durch welches man waten muß unter Heulen und Zähneklappen, um zur himmlischen Freude zu gelangen. Er macht ein so unglückliches Gesicht und weil er meint, er habe das rechte Trom ergriffen, so meint er ebenfalls, wen man selig machen wolle, dem müsse man vorerst zum gleichen Gesichte bringen. Das ist eben die unglückliche Systemkrankheit, welche aber unter den Aerzten zu Hause ist wie unter den Theologen, unter den Pietisten wie unter den Ungläubigen. In solchen Händen wird jedes System zu“ dem berüchtigten Bette, in welches man seine Patienten legt; sind sie zu lang, haut man sie unten ab, sind sie zu kurz, reißt man sie auseinander DV oder übel thut, frägt man nicht, man handelt nach feiner Ueberzeugung, und wer von seinen Kollegen nicht so handelt, den verdammt man, macht Ketzergerichte,wenn man kann, hält einen Arzt z. B., der Speck und Salat, oder gar Specksalat nicht radikal verbietet, für einen Mörder von Handwerk, dem man es legen soll,je eher je lieber. Darum, lieber Rudi, hudle mir den Vikari nicht. Ich zähle dich allerdings nicht mit ihm zusammen, aber an Unduldsamkeit bist du ihm ähnlich.Ich bin auch nicht immer mit ihm zufrieden, das weiß Mammali am besten, aber ich lasse ihn gewähren, weil ihm das Vertrauen zu mir fehlt, welches die Jugend selten zum Alter hat. Mit dir habe ich offen gesprochen, weil du mir lieb bist, ich dir hoffentlich auch,und ich dich von der Einseitigkeit heilen möchte, welche so gerne den beschäftigten Arzt beschleicht, daß er alles um sich verachtet, bis an sich solbst, welche Einseitigkeit übrigens auch nicht selten den ehrlichsten Geistlichen anfliegt, der einsam lebt, der um so geringer das Wirken anderer würdigt, je unverwandter er seinen Blick auf das eigene richtet. Beide werden so gerne ungenießbar für die Menschheit, aber unerschöpflich in Klagen über sie. Doch, lieber Rudi, wir kommen vom Hundertsten ins Tausendste, wie es auch wieder leicht den Leuten geht, die denken aber selten zum Reden kommen; fangen sie jemals an, so will dann alles,was sie gedacht, auf einmal raus.“

Wie eine alte Frau einen jungen Herrn übers Hnie nimmt.Der Vikar hatte keine Ahnung, daß der Pfarrer ihn milde beurtheilte und beim Doktor ihm zWest redete;er dachte sich die Menschen um sich herum viel böser und feindseliger als sie waren, was uns allen übrigens hundertmal begegnet im Leben. Er war bei Jowägers gewesen, und war dort nicht zu Anne Bäbi gelassen worden. Hansli hatte den Auftrag, ihn abzuweisen,übernehmen müssen, als man ihn kommen sah. Er hatte ihm gesagt, es bigehri neue Niemere z'g'seh, u z'rede mit ihm syg verbote. Da hatte der Vikar gesagt,4*er wolle wieder kommen, wenn er denke, daß es gebessert hätte. Hansli aber sagte, er solle nicht Muh haben, d'r alt Herr heyg neue giseit, er well ͤppe umecho,Anne Bäbi syg a ihn g'wahnet, u schüch ne minger.Aber wenn er sust well yche cho, su föll er ume cho,Sühniswyb könn ihm es Kaffe mache, wenn er mög.Das wollte der Vikar nicht, denn er ward böͤse, und meinte der alte Herr hätte gegen ihn aufgewiesen, er war aber zu schüchtern, auszupacken, und zu sagen, man werde ihm doch Anne Bäbis Zustand nicht schuld geben wollen, der komme vom Herrn, und werde schon zum Guten führen, wenn man in der Arbeit an seiner Seele fortfahre und nicht die Hand vom Pfluge ziehe. Er verwerchete seinen Zorn und doch wiederum feine Angst in sich selbst, ergoß sie theilweise in seine Predigt über den Text: ich schame mich des Evangeliums “Christi nicht. Aber bei jedem Essen sog er neuen Aerger ein.Er beobachtete alle Blicke, meinte in jedem Hohn zu sehen und ein geheimes Winken, und bezog alle Worte auf die wunderlichste Weise auf sich. Wenn z. B.Sophie sagte, es gebe bös Wetter, Schnecken liefen über den Weg, so glaubte er, Sophie stichle auf ihn,weil er ausgegangen gewesen, und wenn sie sagte, die Hühner werden heute manch Ei gelegt haben, sie hätten den ganzen Morgen gegaggelt, so nahm er das wieder auf sich, denn er hatte halblaut seine Predigt auswendig gelernt. Und doch dürfte er auf soiche vermeintliche Sticheleien nicht antworten, er mußte sich stellen, als merke er sie nicht, konnte nichts als kuppen und böse Augen machen und schnauzen, und allfällig eine Thüͤre hart zuschlagen. O, ein Vikar ist übel zweg, wenn er sich so verrathen und verkauft glaubt in einem Hause,besonders wenn er verdrückter Natur ist, und so Tag um Tag sein Aergerniß in der Einsamkeit verwerchen muß. Er hat nicht nur unglückselige Tage, sondern es setzt sich so gerne eine Bitterkeit an, welcher er sein Leben lang nicht los wird; wer einmal von solchen Stimmungen beg'wältiget wird, statt sie zu beg'wältigen, der bleibt gerne ihr Sklave sein Leben lang.Aunue Bäbi. II. 19 Da traf es sich einmal, daß das Mammali alleine daheim war, Papa und Sophie waren zum Besuch.Die gute Frau hatte das Verhältniß schon lange geplagt, denn ihr war nicht wohl, wo nicht Friede war,sie besaß eine Gutmüthigkeit, die nie ohne Schmerz Jemand böse sehen konnte. Sie war jeden Augenblick bereit, dem guten Vikar die treueste Mutter zu sein,ohne alle Nebenabsicht, und war von Sophie schon manchmal hart getadelt worden über ihre an Tag gelegte Gutherzigkeit, weil der Vikar sie deuten werde als ein absichtlich Netz, worin allerdings hier und da Vikars gefangen werden. Und allerdings hatte der Vikar,dem man allerlei von Hüten und in Acht nehmen vorgeschwatzt hatte, es so gedeutet. Er hatte keinen Begriff von der reinen Liebe, die außerhalb dem engen Kreise der Familie, ohne besondere Worte, an jeglichem Mitmenschen, sei er wer wolle, den reinsten Antheil nimmt, und nicht nur mit Worten, sondern auch mit der That. Er kannte nur die Liebe, die seufzt und klagt, die Liebe mit schöͤnen Namen: Heiland, Bruder,Schwester, die sich die Hände drückt, süß in die Augen blickt, und viele Zeichen hat aller Art. Diese Liebe besaß er für seine Mitchristen, d. h. für die sogenannten Brüder und Schwestern, gegen alle, welche er nicht so nennen konnte, meinte er hart sein zu müͤssen; einen dringend Nothleidenden hätte er erst bekehrt, dann erst bei Brüdern und Schwestern für ihn gesammelt. Er hatte darin etwas Aehnliches mit den Katholiken, die auch aus den Armen dieser Welt ihre Proselyten machen unter Versprechen von mancherlei Hülfe, die aber zum größern Theil gewöhnlich ausbleibt. Da nun die gute Frau nicht seufzte, nicht klagte, ihn nicht Bruder nannte, so begriff er ihre Liebe nicht und Sophie hatte vollkommen Recht mit ihren Warnungen.

Als nun aber Sophie und Papa fort waren, hatte die gute Frau freie Hand zu dem, was sie schon lange so gerne gethan hätte, aber keine Gelegenheit dazu gefunden. Sie hatte Butter auf dem Tisch und Honig zum Kaffe, was bei ihnen selten war, weil der Herr nichts dergleichen aß. Das Mammali hatte nichts Berechnendes in ihrem Wesen, aber so gute Frauchen haben einen eigenen Instinkt, den Leuten gefällig zu sein und ihnen das Herz zu salben, als wenn es kine verrostete Thüre wäre, die sich steckt. Und wirklich, als der Vikar auf das Klopfen herunter kam, und Butter und Honig sah, flog ein Schimmer durch die finstern Wolken, die auf seinem Gesichte lagen.

Es ist ein seltsam Ding, das menschliche Gemüth,und auf gar manches Gemüth, das hoch oben in den Wolken schwebt, hat ein Speckröcklein oder eine Ankeschnitte mehr Gewalt, als ein Wort, das hoch oben aus den Wolken kömmt.

„Kommt und sitzet, Herr Vikari, sagte die Frau Pasiorin, wir sind heute alleine daheim, z'Sophie und üse Herr sy ga Ueflige, werde dert öppis Guts ha,darum ha nih denkt, mir welle ihs o la wohl sy, es syg üs o öppis z'gönne. Serviret ech mit Anke, er ist früsch, mir hey lang kei so süße g'ha. Ih ha denkt,es waäͤr schad, wenn me ne nit z'Ehre zöͤg. Ih ha Hung d'rzu gäh, aber wenn d'r Schabzieger weyt oder Hunze, su fägets nume, es ist plötzlich da, sust heyt d'r geng Hung g'no.“ „Wenn zur Selteni einem etwas Süßes vorkömmt, sagte der Vikari, so muß man es nicht verschmähen, hat man doch Bitteres alle Tage zur Genüge.“ „E, sagte die Frau Pfarrerin, redet mir nicht so; so ein junger Herr, der für Niemand zu sorgen und zu kummern hat, der soll das Klagen andern überlassen, mit Klagen könnte er sich versündigen.“„Wenn sich Niemand mit mehr versündigen würde, als mit Klagen, wie ich klage, es wäre wohl gut, und in der Weit stünde es besser.“ „Aber mein lieber Herr,was habt ihr dann zu klagen, das sich auch d'r Werth und das noch dazu gut wäre?“

„Ja, meine liebe Frau Pfarrerin, das kann ich euch nicht sagen, ihr verstündet mich nicht, wie man mich ůberhaupt im ganzen Haus nicht versteht. Ist das eben nicht Grund zu Klagen genug, wenn einen Niemand verstehen will, und hat man nicht Grund genug o 0

über die ganze Welt zu klagen, wenn die ganze Welt für nichts anders da ist, als für einen zu plagen und alles zu hintertreiben, oder bös auszulegen, was ich zur Förderung des Reiches Gottes thue?“

„Aber, Herr Vikar, wie könnt ihr auch so reden,das ist ja recht grüslich. Z'klage ha nih o albeeinist 3. B. über z'Sophie, aber de denke ih de, ih syg selber z'schuld u heyg ihm früher z'viel nahg'lah, und de über mih selber no. Ih weiß wohl, daß ih my Herr mengist höhn mache, daß ih vor mengem sy chönnt, und mengem Mönsch besser helfe sött, und das chlage nih am liebe Gott mengist, aber über die ganze Welt zichlage, das waäͤr jane Sünd, het se doch Gott selber g'macht! Und Ursach dazu hätt ih o nit, ih ha am Lieb Gott Ursach all Tag z'danke, daß er se so g'macht het und mir so gut welle het. Es ist frylich viel Böses i d'r Welt, aber viel Guts o, un mi muß eis mit em andere näh. Die böse Lüt dure mih o, und ih bete geng Gott für se, und wenn ih eim helfe cha,su spare ihs nit. Ih denke, wenn me gut gege emene böse Mönsch syg, su gang ihm z'Herz am erste uf,und er denke, wie Gut sy e schöni Sach syg.“

„Ja liebe Frau, ihr begrifet mih halt nit, u chönnet ech nit a my Platz stelle, ihr seid halt Frau Pfarrere und ih bi numme d'r Vikari, euch legen die Leute die Hände unter die Füße, ihr syt e guti Frau u gönnet de Lüte Esse und Trinke, und mih verfolget alles,und doch möchte ich den Menschen mehr bringen als so grad ane zytlichi Spys.“

„Aber Herr Vikari, sagte die Frau Pfarrerin, ihr redet immer von Verfolgen, und von Ursache zu Klagen, ich muß doch fragen, was ihr eigentlich damit meint? Apparti lustig seid ihr von Anfang nicht gewesen, uund habt oft kin finster Gesicht gemacht, aber ich habe dann gedacht, ihr seiet nicht wohl, und es fehle euch vielleicht im Magen, und hätte euch manchmal gerne gesagt, ihr solltet nicht so viel lindes Brod essen und nicht so viel Erdäpfelkrügeli, aber ich dachte dann, ihr könntet es mir übel deuten und meinen, ich gönne euch das Essen nicht, und weiß Gott, je mehr d'r esset, je meh freut's mi, wenn d'r ume d'r Mage nit verderbet, wo d'r de albetz so sur dry lueget, und redet, als ob ihr die ganze Welt verachtetet. Aber seit einiger Zeit macht ihr nicht blos albeeinist ein bös Gesicht, sondern fast immer, und gebt so bösen Bescheid,und so kurzen, daß mir das recht weh thut, und ich schon manchmal gedacht habe, ich wolle euch fragen,was ihr hättet, aber es wollte sich mir nie recht schikken. Daß wir etwas verschuldet, konnte ich mir nicht denken; z'Sophie ist freilich ein unbesonnenes Ding,aber bös meint es es doch nicht, und die längste Zeit habe ich nicht gehort, daß es euch etwas appartes gesagt. Aber weil ihr mir jetzt von verfolgen redet, so muß es doch etwas sein. Und seid so gut und saget es mir, es ist so unlustig dabei zu sein, wenn Jemand nicht zufrieden ist; ich kann es gar nicht ausstehen; liebber wollte ich die Haut vom Leibe geben, wenn es sein müßte, und es etwas hälfe, als so im Unfrieden oder in Mißstimmung leben.“

Der Vikar wollte erst nicht mit der Sprache heraus,weil, wie er sagte, die Frau Pfarrerin das so gut wüßte als er, und daß er ihr das nicht zu erzählen brauche, von dem sicher alle Leute im Dorfe redeten.

Endlich begann er zu sagen, daß man ihn allerdings nie recht verstanden hätte und daß sie nicht der gleichen Ansicht wären, und wie weh es einem thun müsse, für das Reich Gottes nichts thun zu können, und unter Menschen leben zu müssen, die lebten, als wüßten sie eigentlich gar nichts vom Reiche Gottes. „Nehmt es nicht für ungut, Frau Pfarrerin, ihr koönnt es wohl ut meinen, aber wir sind halt nicht der gleichen An* Nun kömmt die unglückliche Geschichte mit z'Jowägers. Es ist nicht, daß ich mich da zugedrängt;was ich that, geschah auf höhern Ruf, und wo eine Seele zu retten ist, da soll man nicht zaudern und zogern, geht ja auch der Hirt dem Schafe nach, das in der Irre schreit und es hat mich manchmal schon hoch gelüpft, wie wenig für solches gethan wird, wenn man doch weiß, wie groß die Freude im Himmel über ein wiedergefundenes Schaf ist, und wie nichts auf Erden über die Rettung einer Seele geht. Ich gehe also hin,will die Frau aus dem irdischen, sundigen Jammer,aus der Trauer dieser Welt, welche den Fluch bringt,zu der Trauer füͤhren, welche die Seligkeit wirket, und die Frau versteht mich unrecht, (ist wahrscheinlich schon hereils verrückt gewesen, wenigstens redete sie gleich anfangs so wunderlich), will sich ein Leid anthun, wird verhürschet. Jetzt soll ich an allem schuld sein, wenn man es mir schon nicht saget, ich sehe es an den Augen an, wie man sich ansieht, wie man spöttelt, zäpfelt, und des Stichelns kann man sich auch nicht enthalten, aber was das Aergste ist, und worüber ich mich mit allem Recht beklagen könnte, jetzt will man mich nicht mehr zu der Frau lassen. Das kömmt gewiß von hier aus,das hätten die Leute, und ich kenne die Menschen so gut als andere, gewiß nicht aus sich selbst gemacht,das ist ihnen angegeben worden. Ich will nicht sagen,daß es der Herr Pfarrer selbst gethan, aber wenn nicht er, so doch der Doktor, und Mamsell Sophie wird ein gut Theil dazu beigetragen haben. Das nun ist nicht recht, nicht christlich, Leute gegen ihren Seelsorger aufzuweisen und noch dazu vom Pfarrhaus aus, und wenn einen das nicht böse machen sollte, so weiß ich doch wirklich nicht, was einen böse machen konnte, ist's mir doch nicht um meine Person, sondern um mein Amt.“Die gute Frau war ganz verblüfft über diese Anklage, und wußte nicht recht was antworten; läugnen,was wahr war, das wollte sie nicht, und dem, was wahr war, die rechte Gattig geben, das vermochte sie nicht gleich. Es gibt der gutmüthigen Weibchen zuweilen/ die keiner Änklage, duch der ungercchtesten, begegnen können von der Hand weg, weil sie sich gewöhnt haben „das Recht andern zuzugestehen, und immer zu fürchten, sie seien im Unrecht, sie, gegen ihre eigenen Leute, ihre Leute gegen fremde Leute, ihre Kinder gegen fremde Kinder, Es gibt solche Weibchen, aber wie gesagt, dicht sind sie nicht. Eine davon war die gute

Frau Pfarrerin. Sie sagte endlich: „nein, wahrhaftig aufgewiesen gegen euch hat sicher Niemand, aber vielleicht hat der Doktor verboten, daß man Jemand zu der guten Frau lasse.“ „Aber geht nicht der Herr Pfarrer auch dahin ?“ fragte der Vikari. „Ja Herr Vikari,antwortete die Frau, aber unser Vetter wird es ihm erlaubt haben, oder hat ihn gar dafür ersucht, und da wird er es nicht anders haben machen können als hingehen.“

„Aber, Frau Pfarrere, seit wann hat ein Doktor das Recht, einem Seelsorger den Zutritt zu einem Krankenbett zu versagen? ist nicht die Seele mehr als der Leib?“ Da ward doch das Mammali bös, denn war ihr Herr nicht Seelsorger gewesen, ehe der Vikari noch in die Windeln gekommen? es antwortete: „aber my Herr ist o ne Seelsorger, und dä ist by nihm g'st,dem hets d'r Dokter nit verbote.“

„Aber Frau Pfarrere, antwortete der Vikar, was bin ich dann? Und hat ein Doktor das Recht, solchen Zwang zu üben, dem und diesem den Zutritt zu einem Kranken zu erlauben oder zu verbieten? Der maßt sich ein Recht an, welches kein Mensch besitzt, geschweige denn ein Doktor, der sich um seine Seele nicht bekümmert, verschweige dann um eine fremde.“ „Ihr müßt das nicht für üngut nehmen, Herr Vikari. Ich weiß nicht, was der Doktor befohlen hat, aber er ist ein junger unbesonnener Mensch, und wenn er öppis g'seit het, su wird er g'meint ha, er sei für seine Kranken verantwortlich und was sie nicht ertragen mögen, müsse er verbiete, den Einen verbieten sie ja den Wein, und andern das Fleisch, und andern das Sauerkraut, und wie sie dann so sind, machen sie keinen Unterschied.“„Das ist eben das Elend, sagte der Vikar, daß so einer zwischen Sauerkraut und einem Seelsorger keinen Unterschied zu machen weiß. Das ist ja gerade das Unglück dieser Zeit, daß, wo eine arme Seele hinfahre,es den Menschen so gleichgültig ist, als, welchen Weg eine Fliege fliege; und wer eine retten will, wo es so Noth thut, den stellen sie vor die Thure, und geben ihm Sachen schuld, an denen kein wahr Wort ist.“„Werdet nit höhn, Herr Vikari, sagte die Frau Pfarrerin, aber man muß mit den Leuten gar zogelich (vorsichtig, sanft) umgehen in gesunden Tagen, geschweige dann in kranken, sie mögen meist alles besser ertragen als Gottes Wort.“ „Darnach, sagte der Vikari, hat man gar nicht zu fragen, was sie ertragen mogen oder nicht, Gottes Wort ist Gottes Wort.“ „Ja, aber,erhielt er zur Antwort, wenn ihr Jemand bekehren wollt,so muß er doch leben und bei Verstand sein, und nimme man ihm das eine oder das andere, so ist es mit dem Bekehren aus.“ „Das ist Gottes Sache, antwortete der Vikari, darnach haben wir nichts zu fragen.“„Geht mir, mein lieber Herr, das Wasser und die Milch sind beide Gottes Gaben, aber in die Hiztz getrunken sind sie Gift und bringen den Tod. Das weiß ich, und darum muß ich Acht'geben, ob ich heiß habe oder nicht, da sieht Gott nicht vor, sondern sieht nur zu, und so ist's mit Gottes Wort; macht ja auch der Apostel Paulus einen Unterschied, wie my Herr g'seit het.“ „Ihr habt also doch über die Sache geredet,“fragte spitz der Vikar. „Warum nicht, sagte furchtsam die Frau, aber glaubt es nur, mein Herr meint es nicht böse, er bedauert den ganzen Vorfall, und wird gewiß nichts nachtheiliges über euch sagen, aber mit dem Bekehren, sagte er, sei es eine eigene Sache, und so wie viele es sich dächten, ginge es nicht, man mache damit mehr Böses als Gutes.““ „So redet man, ich weiß es wohl, sagte der Vikar, aber wer sich nicht bekehrt, kömmt nicht ins Reich Gottes, so heißt es, und an Gottes Wort vergeht kein Düpflein, was auch Ungläubige, Rationalisiten und Neologen sagen mögen,und wie sie einem im Weg stehen mögen, wenn man das Reich Gottes mehren will.“ „AÄber mein lieber Herr, glaubt ihr dann wirklich, die arme Frau wäre verdammt worden, Gott b'hüet ihs d'rvor, wenn sie in dem Zustand, wo sie war, gestorben wäre ?“ Aller-dings, sagte der Vikari, das glaube ich, weil sie nicht bekehrt war, den Buben mehr liebte als Gott.“ „Aber mein Gott, sagte die Frau, ihr macht mir ganz Angst,wenn my Herr sturb, oder z'Sophie, ih chönt mih o nit dry schicke, es weiß kei Mönsch, wie nih brieggeti;glaubet ihr dann auch, ich würde verdammt, wenn ich stürbe?“ Diese Frage stellte den Vikar in etwas; so einem guten Mutterli zu sagen, es werde verdammt,war hart, indessen überwand er die Schwäche und sagte:„ja, es ist mir leid, daß ich's sagen muß, aber ich kann es nicht ändern, wer sich nicht bekehrt wird nicht selig.“ Da sah die gute Frau den Herrn Vikari lange an, das Wasser schoß ihr fast in die Augen, endlich sagte sie: „ihr seid ein junger Herr und meint es gut,aber meinem Herrn glaube ich doch mehr als euch,sonst könntet ihr mich fast z'weg bringe wie z'Annt Bäbi. My Herr, wenn er so recht zöfriede mit mr ist, und er g'seh het, daß es m'r dra g'lege ist, Friede z'ha und gut z'sy, het m'r mengist g'seit, ih syg sy guti Frau, er wünschti key besseri, ih bikehr mi all Tag, und das syg, wora d'r Lieb Gott Freud heyg.Das het m'r de albetz z'Herz e so wyt g'macht, und e Freud, es het mi dunkt, ih g'hoör d'Glogge im Himmel lüte, und e Muth und e Kraft gäh, es het mi dunkt, ih chönt alles ertrage, und ih möcht für es jeders Bettlerkind dürs Für düre. Zurnet recht nüt Herr Vikari, aber mym Herr muß ih glaube. Ihr syt no so ne junge Herr und über das Bikehre villicht nit recht b'richtet, und heyts selber no nit erfahre, wie me si all Tag früsch bikehre muß, und das nit so ist, wie mit e me ne Häntsche, der kehrt blybt, we me ne einist kehrt het, aber die schmutzigi Syte innenache het, und die suberi ussenache.“

Er glaube, sagte der Vikari, er wisse doch, was Bekehrung sei, und brauche das nicht erst zu lernen,übrigens seien rechte Christen von den Namen Christen wohl zu unterscheiden.

„Ja Herr Vikari, ih will ech nit zumuthe, daß d'r vo ne re alte Frau öppis lehre söllet, aber öppis möcht ih doch säge. Ihr lueget ihs nit für rechte Christe a,und nit für bikehrt, das thut m'r vo Herze weh, ih meines doch so gut mit ech, und dir wäret m'r so lieb.Es ist wahr, vo d'r Sach rede m'r nit viel, und öppe so öppis appartigs mache m'r o nit, aber doch g'wüß denke m'r im Herze meh a Gott as me glaube möcht,und wenn es so recht still um ihs ist, recht heimelig,und m'r ihs recht lieb hey, da geyt z'Herz ihs doch o mängist uf, und mir säge e nandere, was m'r schöns sinne und denke. Aber d'rfür hey m'r keini appartige Stunde; üsi chöme, mi weiß nit woher, u gange, mi weiß nit wohi. D'r glanbet nit, Herr Vikari, aber es ist g'wüß wahr, was z'Sophie z. B. für schöne Gedanke het; ih cha g'wüß mengist nit bigryfe, woher es se het, und wenn mes g'seht so da ume hürsche,und mängist g'hörti rede, su wurd's Niemere chönne glaube. Ih glaube g'wüß, Herr Vikari, wenn d'r ihs besser kenntet, dir wurdet nit so streng ihs aluege,und mir hätte viel z'besser Lebe mit enandere. Ih will nit säge, daß dir nit frömmer syget, aber es dunkt mi geng, wenn me scho nit die glyche Maniere heyg, und die glyche Redesarte, su sott me doch chönne so wie rechti Christe mit enandere lebe, fründlich und ohne Kuppe, und wenn me öppis gege andere hätt, so chönnt mes enandere bikenne, und wenn es liecht z'mache waär, su söll's g'wüß g'scheh, wenn ihr's numme wettet säge. Aber ihr möget m'r glaube oder nicht, z'Briegge ist m'r scho immer z'vorderist, wenn ih es unfreundlichs G'sicht am Tisch g'seh, oder numme im Hus eis weiß.“ Dem Vikari kam diese Herzensergießung sonderbar vor, er faßte Mißtrauen, meinte,die Mamma werfe Angel aus und wolle fischen, und doch war der trauliche Ton nicht ohne Wirkung auf ihn.Er antwortete daher auch höflicher: Es möge sein, daß man einander nicht immer recht verstehe, er urtheile halt und handle nach seiner Ansicht. Aber er müsse es sagen, der Herr Pfarrer sei auch gar so kalt gegen ihn und der Leichtsinn und die Leichtfertigkeit der Jungfer Sophie thue ihm in der Seele weh und bei ihren Naturanlagen thue ihr die Gesellschaft des Doktors im Grad übel, vor dem hätte er einen eigentlichen eu.Der guten Mamma nahmen ihre Gedanken eine eigene Richtung, sie überhörte die letzten Worte ganz,ihre Gedanken verdichteten sich unwillkürlich zu Worten wie Dünste zu Regen, sie antwortete: „Er ist doch gar e Gute, und mir lieb wie ne Suhn, wenn's Gottswille ist, daß er und Sophie z'säme chämte, und sie hey enandere gern, wenn si scho geng z'säme zanke, su nimmt es mi nume Wunder, wie das z'säme geyt. Aber ih ha geng d'Hoffnig, z'Sophie gäb so es recht guts Husmuiterli, wenn einist d'Flause versurret hey, und d'r Uebermuth verrauchnet ist.“

„Also d'Jumpfere Sophie soll d'r Herr Doktor hürathe?“ fragte der Vikari, und das Blut schoß ihm in Kopf, und es dünkte ihn, er hätte Ursache, bös zu werden, aber er dachte nicht nach, was für welche.

Da ward auch die Frau Pfarrerin roth, die laut gedacht hatte, und unbedacht dem mütterlichen Gedankenzuge gefolget war, und rasch sagte sie: „b'hüetis nei,Herr Vikari, darvo ist gar key Red, es denkt key Moönsch dra, aber ih ha numme denkt, wie das ging, wenn zweu so wildi Lütli enandere überchäme? Aber es ist kei Red d'rvo, so e Dokter, mit enere sellige Praxis,wo no gar hätt chonne Professer werde, denkt nit a üses Sophie. Und wenn er scho d'ra denkti, su weiß ih no nit, was z'Sophie sieg, es ist gar es kurioses,mi chunni nit recht drüber, wie nes es het. Aber syg das wie's well, gället Herr Vikari, dir weyt wieder xfriede sy, und es fründlichs G'sicht wieder mache, sust erleidet m'r no z'Lebe. Und wenn d'r öppe oöppis heyt,gället, d'r weyt mors ufrichtig säge, und ih will ech helfe. Glaubet m'r numme, wenn d'r fründlich syt mit üs, und b'sunders gege Herr, so alt Lüt hey das so gern, und es brucht so weneli, füür se z'friede ʒstelle,su hey m'r es Lebe, wie d'Vögel im Hirs. Mir sy g'wuß nit so bös Lüt, mir bigehre d'r Friede, und wenn m'r emene Mönsche öppis chönne z'Gfalle thue,u b'sunderbar amene Vikari, su g'scheht's g'wüß, glaubet m'rs nume.“

Dem Vikari ging es bei dieser Rede wunderlich, er war innerlich bitter, daß Sophie so einem gemeinen Dokterli etwas nachfragen könnte, und doch ganz verblufft, daß er das nicht gemerkt, und daß man das Töchterlein ihm also nicht anhängen wolle, wie er sich immer eingebildet, daß die Mutter ohne Nebenabsichten es gut mit ihm meine, und der Papa nicht deßwegen ihm ein sauer Gesicht mache, weil er noch immer nicht angebissen. Er merkte unerwartet, daß er auf einem ganz andern Boden stand, als er geglaubt, und daß die Pfarrsleute eigentlich nicht ganz schiecht seien, durchriebenes Pack, sondern, wenn sie auch das Wahre nicht ergriffen wie er, doch sogenannte gute Leute seien, bei welchen zu leben wäre, und nur schade, daß Gott nichts von ihnen wolle. Es fiel in ihm eine Scheidewand zwischen ihm und ihnen, er dachte, wenn er das früher gewußt, so waäre ihm mancher Verdruß erspart,manch trüber Tag weniger geworden, seine ursprüngliche Gutmuthigkeit, welche durch daß Mißtrauen eingesperrt gewesen war, war nach Verschwinden desselben entbunden, so daß er der Frau Pfarrerin recht gute Worte gab. Es sei ihm leid, sagte er, wenn er sie geärgert, und ihr Verdruß gemacht, aber er könne nicht helfen, er handle konsequent, und müsse die Leute immer nehmen wie sie sich gäbten. Der Herr Pfarrer billige seine Ansichten nicht, die er einmal nicht ändern könne und nie ändern werde, und deßwegen habe er geglaubt, sei derselbe auch böse über ihn. Die Jungfer Sophie aber betrüge sich manchmal so, daß gar nicht dabei zu sein sei, und man gar nicht wisse, was sie eigentlich damit meine, und wie sie zu solchem Betragen komme. Aber (die dritte Ankenschnitte streichend)nach den gemachten Erklärungen sehe er ein, daß es vielleicht nicht so übel gemeint gewesen, als er geglaubt. Künftig allerdings wolle er, wenn etwas Unangenehmes ihm vorkomme, und er Kränkungen erleiden müsse, die Frau Pfarrerin fragen, was das zu bedeuten hätte. Daß sie es besser mit ihm meine als die andern, das hätte er immer gemerkt, aber nicht begreifen können, warum, da sie doch nicht der gleichen Ansicht 301 seien. Jetzt sehe er, daß sie von den natürlich guten Leuten sei, welche aus einer Art Wohlmeinen es mit Jedermann gut meinten, aber ohne zu wissen, warum und wofür, es nicht wüßten, daß die Liebe Alles in Allem sei. Das sei zwar nicht das Rechte, aber wenn einmal das Vertrauen da sei, so hoffe er sie noch zum Rechten zu bringen. „Probiret's i Gotts Name, Herr Vikari, sagte die Frau, aber zürnet nüt, wenn ih bim Glaube amy Herr blybe. So mangs Jahr heh m'r z'säme g'lebt, und es ist geng g'st, als wenn er d'Wahrheit selber wäre, und wenn ih ihm ha chönne folge, su ists m'r geng wohl g'si d'rby. Aber probiret, Herr Vikari, numme werdet nit höhn, wenn ih nech widerspriche, u denket de, daß d'r nicht es fünfzehnjähriges Meitschi i d'r Hächle heyget, sondere es alts Muiterli,und wenn me d'm Sterbe zuche a ist, su sött me doch vom wahre Christethum öppe öppis afange wüsse, vo wege, es wär bös, wenn üserein nit d öppis d'rvo lehrti, bi d'r Längi d'r Zyt, sondere ume die, wo's apparti studiere us de Büchere. Es sei ja für die Unmündigen auch, sagt Christus, und so ne Unmündigi syg ih o, tröste ih mi mängist, wenns m'r vorcho will, ih syg z'wenig gllehrt, u wuß z'wenig.“

Diese Wohlmeinenheit ging dem Vikari auch wieder zu Herzen, indessen sagte er, man sollte sich vor nichts mehr hüten, als die Bibel lätz anzuwenden, das sei eine große Sünde, und viel Mißbrauch werde so getrieben. Er wisse wohl, die Frau Pfarrerin treibe mit solchen Reden nicht das G'spött, wie es so oft geschehe,aber ob sie das Unmüündig recht verstehe, zweifle er,wenn sie es auch gut meine, und da möchte er ihr doch rathen, mit solchen Sprüchen vorsichtiger zu sein.

Eben als die Frau antworten wollte, klopfte es.Die Magd kam alsobald und meldete den Weber an,der ein Stück Tuch hätte. Die Unterbrechung war der guten Frau nicht recht, sie hätte gerne gedorfet, bis Herr und Tochter heimgekommen waäͤren, um das Herz recht zu leeren bis z'Bode. „Führ ihn in dein Stübli,weun's nit usg'seht wie ne Säustall, wie g'wöhnlich,daß me nit e mal meh e Katz dry lah darf, v'rschwyge dee Mönsch. Es ist es Elend mit de Magde, sagte sie, Säu sy si, je länger je meh, a Lyb u Seel, u stait bete oder si 'wäsche, schrybe si Liebesbriefe,ufläthig, daß me se dure Profos sött la schmeize. Viellicht chume ih bald ume, ganget m'r no nit ufe, und wenn d'r no Kaffe weyt, su schenket ech doch nume y,es ist no viel i d'r Kanne.“ In dieser Erwartung strich der Vikari unter lauter angenehmen Empfindungen, sich die vierte Ankeschnitte. Es war ihm wirklich wohl, daß man es besser mit ihm meine, als er geglaubt,deßwegen nahm er sich auch vor, dieses Wohlwollen zu vergelten, und alle sammt und sonders zu bekehren,vor allem Sophie.

Seitdem er wußte, daß man ihm Sophie nicht aufdringen wolle, sah er dasselbe mit ganz andern Augen an. Es aärgerte ihn, daß es Wohlgefallen an dem dummen faden Doktor finden sollte, der nichts thun könnte als spötteln und disputiren, ob da wohl nichts zu machen wäre, daß es den Doktor fahren ließe, daß ihm die Augen aufgingen über den Werth und Unwerth der Menschen. Dem guten Viklari waren seine Hoffnungen auf jene reiche Braut in die Brüche gegangen,so ein Weltkind hatte sie ihm weggeschnapt. Seitdem hatte er sehr viel darüber nachgedacht, wie zu rechter Zeit den Mädchen der rechte Sinn beizubringen wäre,daß sie das Wahre vom Falschen unterscheiden könnten und den Geist mehr lieben lernten als den Leib,einen bekehrten Vikari mehr als ein unbekehrt Weltkind,und sein Nachdenken wurde in dem Maße schärfer, je vergeblicher er nach einem reichen Mädchen suchte, welches seine Braut werden wollte. In tiefen Gedanken der Frau Pfarrerin wartend, strich er sich die fünfte Ankenschnitte; da diese sich aber mit dem Weber so vertieft hatte, daß sie nicht wieder kam, so ging er hinauf in seine Stube und sann der Sache noch tiefer nach.

Wie Jakobli zum Durchbruch kömmt und Meyeli matt wird.Bei Jowäägers kehrte die alte Einförmigkeit allmählig zurück. Anne Bäbi sänftigte sich, nur hier und da stöhnte es ängstlich auf oder sah lang starr vor sich hin, aber wenn das kleine Meyeli ihns anlächelte, mit den kleinen Händchen die runzlichten Backen strich, dann floh das innere Bild, der Krampf in den Augen löste sich, die Kleine drängte sich ihnen auf, fesselte Anne Bäbis Aufmerksamkeit, aber während seine Augen voll Wohlgefallens waren, kifelte sein Mund, zankte die Kleine aus, daß man hätte meinen sollen, da wäre lauter Aergerniß; die Kleine verstund das jedoch besser.Wie es Bücher gibt, wo man zwischen den sichtbaren Zeilen unsichtbare sich denken, sie lesen muß, wenn man des Buches Geist fassen will, so gibt es Menschen, deren Worte man sich wenig achten darf, wo Blick und Ton alles sind. Meyeli faßte dieses vollkommen und während Anne Bäbis Worte lauter Tadel waren, war doch lauter Holdseligkeit zwischen ihnen,ja manchmal schimmerte sogar etwas Freundliches durch Anne Bäbis Züge herauf, daß es einem fast vorkam,als hätte der Morgenstern sich verirrt und käͤme einmal,statt vor der Sonne her am morgentlichen Himmel,herauf aus dunklem Kellerloch. Wenn dann Anne Bäbi so kifelte, so meinte Mädi, jetzt hätte es gewonnen.„Komm du zu mir, sagte es, du klys Narrli, du arms Tröpfli, wed Großmutter di nit cha rühig lah u nüt recht ist was d'machst, es King so ga z'erplage u nüt recht ist, was es macht.“ Dazu machte es aus lauter Täubi gegen Anne Bäbi ein Gesicht wie eine Katze,wenn sie die Haare stellt über den Rücken, und griff wohl auch nach dem Kinde wie ein Habich, wenn er auf eine Taube stößt. Auch Mädis Worte achtete das Kind sich nicht, hörte nur der Stimme Ton, sah die Täubi in den Augen, flüchtete sich zur Großmutter,oder wenn Mädi es erhascht hatte, schrie und zappelte es wie eine Taube in des Vogels Klauen, daß Mädi es lassen mußte. „Gang du Ufläthli, du wüst's Täschli du, du wirst es rechts Sackerdieli welle abgäh, du.Mira, weds z'wänge witt, su gang zu d'r alte Rure (rure, knurren), setzte es leiser hinzu. Es nimmt mich nur Wunder, warum ich so an einem Ort bleiben mag,wo eins wüster gegen mich ist als das andere, und wo me sogar d'King druf hi berichtet, chum sy si füre g'schloffe.“ Hatte es dieses Streites satt, so kehrte es feinen Spieß gegen das Mannevolk und knüpfte zu dem Ende die Allianz mit Anne Bäbi wieder fest. Diese Allianz mahnte einen an nichts besser als an den alten Strumpfbändel einer alten Kindermutter, der fast alle Morgen zerreißt, aber immer wieder zusammengeknüpft wird, so daß man vor lauter Knöpfen keinen Bändel mehr sieht. Früher hatten sie alle Jahre einmal eine Milchnoth gehabt, und dann war für das Mannevoll ein bös dabei sein. So oft der Tisch gedeckt wurde,wurde ihnen vorgehalten, was sie für Möffe seien, daß sie die Kühe nicht besser gereiset hätten, ihretwegen könnten sie jetzt selbst kochen, wenn sie essen wollten,ohne Milch könne man in einer Haushaltung in Gottes Namen nichts machen; so bei Herrnlüte, wo alles fresse, wo seye nit freß, da frag me d'r Milch nit sövli nah, da koönnten sie es sonst machen; aber ihnere rechte Hushaltig, wos o mönscheli, da müß Milch sy.Das war die eigentliche Fastenzeit, dem Mannevolk wars wirklich als ob es in Sack und Asche wäre und sehnlicher kann kein Fleischliebhaber das Ende der Fasten erwarten, als dieses Mannevolk auf die Wehen einer Kuh wartete, und wenn sie einmal ein Kalb möggen hörten, so war es Hausli allemal, als läute man mit allen Glocken. Solche Nöthen, solche Haushaltungswehen, die allenthalben einkehren, wies Weihnacht oder Neujahrkindlein, die sind die rechten Fecker und Prüfer, auf welchem Fundament ein Haus gebaut sei, wie es mit dem Frieden stehe, und wie das Gemüth gefärbt sei. Denn es gibt nicht nur Milchnöthen,es gibt Fleischnoth, wenn kein Mumpfeli (Mundvoll)mehr im Kämi ist, Arbeitsnoth, wenn die Hände nicht langen, oder nichts zu thun wissen; Dienstennoth,wenn Niemand dienen will, sondern Alle befehlen;Wetternoth, wenns Wetter nicht ist wie Weiberlaune,alle Tage zweimal naß und zweimal trocken, Wösch und Sonneten ausgenommen; Krankheitsnoth, wenn alles sich legen muß, sich Niemand regen mag; Geldnoth, wenn kein Kreuzer mehr zu finden ist, gäb wie man die Säcke schüttelt und wendet; Weisheitsnoth, d. h.wo jeder meint, um weise zu sein, müsse er etwas anders wollen, als die andern. Solche Nöthen kehren allenthalben ein, hier regelmäßig alle Jahre, dort zuweilen im Vorbeigehen, weh aber dem Orte, wo sie zum chronischen UÜebel werden, d. h. sich festsetzen und thun als ob sie da daheim wären. Ein König versprach einmal seiner Tochter eine goldene Kette, wenn sie ihm in Kindesnöthen ein Liedchen singen würde;sie brachte es übers Herz, sang das Liedchen, kriegte die Kette und ihr Kind ward der lustigste, tapferste Konig, welchen Frankreich je gehabt. Nun vermag freilich nicht ein Jeder seinem Weibe eine goldene Kelte zu versprechen, wenn es in irgend einer Noth übers Herz bringen wolle zu singen und heiter zu sein, statt zu weinen oder zu kifeln, aber viel würden doch gerne die Meisten geben, ja mehr als eine goldene Kette, sie würden mit Banden der Liebe und Achtung, immer inniger ihr Herz an des Weibes Herz ketten, sie würden es auf den Thron erheben ihrer Seele, würden alle Tage frei und froh es bekennen, daß es nächst Gott ihr Liebstes sei, daß sie, wenn sie es verlören „arme Tröpfe wären, wenn das Weib einen heitern, Gottvertrauenden Sinn leuchten ließe in jrder Noih. Es ist wirklich wahr, es ist traurig, wenn irgend eine Noth im Hause ist, wenn es nicht regnen will, wenn der Kabis gesetzt ist, es regnet, wenn die Frau spazieren will, kein Geld zu finden, wenn Salz oder Brod zu kaufen wäre, aber hilft da klagen, lifeln, kuppen,kratzen?

Wird nicht jede Noth zur doppelten Noth, wenn sie auch die Gemüther mit Heulen und Zähneklappern

Anne Bäbi. II. 20 füllt, ste aushöhlt zum graulichten Schlangenzahn, der hohl und scharf ist, aüs dem nur Gift fließt in die Wunden, welche seine Schärfe aufgerissen! Oder ist's etwa durchaus nothwendig, ist's ein unumstößlich Gesetz, daß zur Leibesnoth die Gemüthsnoth sich gesellen,gleichsam Mann und Frau, daß, wenn es trüb außerhalb ist, es auch trübe innerhalb werden, daß, wenn iein Geld da ist, man weinen, kein Regen kömmt,man kummern, keine Milch da ist, man zanken muß?Da wäre ja jede Züchtigung eine doppelte, und in jeder läge ein unwiderstehlicher Reiz zu neuer Sünde,denn Kümmern und Zanken ist nicht gleichgültig vor Gott. So wird es aber auch nicht sein im Allgemeinen, und die innere Noth wird nur da zur auüßern unabtreiblich kommen, wo eine gewisse Ohnmacht ist,und der Mensch ein Sklave der Welt, der über sich kommen lassen muß nicht nur, was sie ihm bringt, sondern der sich auch sein Gemüth von ihr muß überziehen lassen mit der Farbe, mit welcher es ihr beliebt. Nun aber gibt es eine Kraft in jedem Menschen, welche das Gemüth erheben kann über die Traurigkeit der Welt,und von sich abwehren kann Stimmungen, welche,trüben Wolken gleich, unsere Seelen überziehen wollen,und in jedem christlichen Herzen soll gepflanzt und gepflegt werden das gläubige, demüthige Vertrauen, das freudig in den Willen des Vaters sich schickt, und in kindlichem Glauben Alles willig nimmt als aus seiner Hand. Und dieses Vertrauen ganz besonders ist die läuternde, klärende Macht im Herzen des Menschen,welche alies Weltliche, das darüber hinwegzieht, wie trübe es auch sein mag, läutert, zersetzt, daß, was den Unchristen mit des Jammers Finsterniß erfüllt,dem Christen zum milden Thau wird, der den innern Frieden, der über allen Verstand geht, ihn nährt und kräftigt. Ein solcher Christ steht auf der Höhe, wo die Sonne nie untergeht, wo es helle bleibt, wie schwarz auch die Nacht, über den Thälern liegt.

Mädi freilich stand nicht auf dieser Höhe, in ihrem goldenen Lichte. Mädi hatte es umgekehrt. Mädi mußte XDDDDDD hen und nach Herzenslust darin plätschern können, um wohl zu sein, und wenn wohlthätige Geister ihm einen Feenpallast erbaut, und darin es umringt hätten mit allen Herrlichkeiten der Welt, es hätte da erst recht zu branzen und aufzubegehren angefangen. Von wegen,und das merke man sich, um zufrieden d. h. über der Noth zu stehen, kömmt es nicht darauf an, was man hat, sondern darauf, wie man ist. Hatte es sich früher übel gebehrdet, wenn es Milchfasten war, so gebehrdete es sich jetzt noch übler, wegen zu viel Milch,denn natürlich gewähren vier und fünf Kühe zu Zeiten einen rechten Milchreichthum. Es werde nicht fertig mit ausrichten, klagte es, es wisse nicht, wo sie stellen,man käme zu armen Tagen wegen den Milchkacheln,hätte den ganzen Tag nichts zu thun, als zu waschen und zu bruhen, und meine man fertig zu sein, so gehe erst das Anken an, und die Seele aus dem Leibe müsse es sich trüllen. Es schimpfte aber auch über das Verkaufen von Milch, da wollte es ein Narr sein, und einem jeden Bescheid geben, in Keller laufen, für zwei Kreuzer oder drei, däzu noch in der Rechnung haben,wie viel jedes schuldig sei und zuletzt gar nichts bekommen, so daß es einem nur dest täuber mache, je besser man sich an die Schuld erinnerte. Es schimpfte über Sami, der an allem schuld sei, der sei so ein Milch-hung, dem man nie genug deren geben könne, und jetzt meinen werde, es solle Morgens und Abends eine Bütte voll auf dem Tische stehen. Aber dem wolle es es reisen, erst jetzt müsse der ihm recht Mehlsuppe fresse,und zwar so recht schön weiße, daß er meine, sie hätten die Auszehrig. Nebenbei räsonnirte es noch über jegliche Arbeit auf dem neuerkauften Lande, und über jegliche Frucht auf demselben. Für kein Lieb hätte man es bewogen, Rüben zu kochen, welche auf einem der neuen Recker gewonnen worden. Sie hätten akkurat eine Kust wie Katzendreck, behauptete es, kein Schwein wolle sie fressen, und wenn sie gebraucht sein müßten,so könnte das Mannevolk sie selber kochen und fressen, oder sie den Kühen geben, selb sei ihm glich, aber in die Küche solle ihm keine.

Diese Reden thaten Anne Bäbi b'sunderbar wohl,sie wirkten bei ihm, wie bei andern Leuten ein Gläschen Schnapps oder sonst was Belebendes, sie knüpften es immer besser ans alte Leben an, reizten seine Thätigkeit auf und brachten es wieder ins alte Geleise, zur thätigen Theilnahme am Kampfe mit dem Mannevolk,der um so lebhafter ward, je reger das Leben desselben sich gestaltete.

Wenn Viehstand und Land sich mehren, so mehrt sich in einem Hause natürlich auch der Verkehr, es ist mehr zu kaufen und zu verkaufen, es kommen mehr Leute zum Hause und man muß öfterer vom Hause,es wächst die Sorge, und die ruhige Behaglichkeit geht mehr und mehr in eine bewegliche Geschäftigkeit über,und steigert sich bisweilen bis zum fiebeberhaften Angsten (Arbeiten, in der Angst, nicht fertig zu werden).Je mehr Vieh man hat, desto leichter kehren Krankheiten ein in den Ställen, und je mehr man kauft und verkauft, desto öfter kann man übervortheilt werden.Und wenn ein Mensch aus langem Schlummer erwacht,und er meint, er habe sich verschlafen, so eilt er gerne um so mehr, je mehr er glaubt versäumt zu haben.

Als Jakobli zagend und zogernd einen Lichtstreifen aus seinem innern Leben blitzen ließ, da gedachte er nicht, daß diese einzelnen Streifen zusammenfließen, zu einem festen Körper sich gestalten, zu einem äußern,seinem Innern entsprechenden Leben werden würden. Es ist ein Eigenthümliches mit diesem Durchbruche eines lange verhaltenen, oder eines neu entstandenen innern Lebens, welches das bisherige Leben verschlingt, und den Menschen als einen ganz andern darstellt, als er bis dahin erschienen und auch gewesen. Ein solches Heraustreten des innern und Verschlungenwerden des bisherigen äußern Lebens nennt der Christ, wenn nämlich das neue Leben das rechte christliche ist, Wiedergeburt, das Hervorbrechen selbst wird Durchbruch genannt. Man würde sich aber sehr irren, wenn man annehmen wollte, daß das neu hervorbrechende Leben immer ein christliches sein müßte, der Durchbruch immer ein geistiger; es kann inwendig ein ganz neu Leben entstehen, das alte verschlingen, welches keine christlichen Lebenszeichen in sich trägt, es kann aus dem Verschwender ein Geizhals werden, ja, aus dem Geizhals, was man selten glaubt, ein Verschwender.Wenn nämlich ein alter Geizhals Wittwer wird, und auf einmal die alte erloschene Fleischeslust neue Flammen schlägt, so sehe man zu, wie die neue Lust den alten Geiz verschlingt, der alte Mann ärger thut als ein junger Narr.

Es gibt viele Menschen, bei denen irgend wie und früher oder spääter Neues Altes verschlingt, aber sehr irren würde man sich, wenn man meinen wollte, der Durchbruch müsse immer ein plötzlicher, Allen sichtbar,Stunde und Minute desselben genau zu bezeichnen sein.Diesen sogenannten Durchbruch sieht man oft so wenig,als man Pflanzen aus dem Boden kommen sieht, nicht einmal der Veränderte, in welchem das Neue das Alte gefressen, die jungen Kühe die alten, sieht die Veränderung, wird sich derselben bewußt. Dann geschieht freilich auch oft, daß ein inneres Leben nie zum Durch-bruch kömmt, nie zur äußern Gestaltung gelangt. Es gibt Herzen, in denen wieder vergeht, was darin entsteht, nur schwaches Leben regte sich in ihnen, oder eine zu harte Kruste hatte das Bisherige ums Herz gelegt, sie zu sprengen vermag das Neue nicht. Es gibt aber auch Verhältnisse, Umstände, Umgebungen, es gibt eine Atmosphäre um den Menschen, in welcher das durchbrechende Neue nicht reflektirt, sich nicht gestalten kann, es strahlt wohl aus, aber es erlöscht wieder, weil es keine Nahrung findet, sinkt in sich zusammen, erscheint zuweilen wie ein junger Frühlingstag;aber am folgenden Tage ist es wieder entschwünden,wie der Frühlingstag, welchem ein tödtender Reif gefolgt, wie eine Sternschnuppe die vorüberfährt. Da ganz besonders sind dem Menschen Gottes Räthschläge unerforschlich, in tiefer Demuth muß er sich beugen, wenn Gott es ihm verwehrt, das Beste, welches er in sich trägt, zur äußern Gestaltung kommen zu lassen, da ist's, wo der Mensch das stille Genügen erlernen muß,das zufrieden ist mit dem Besitz, wenn die Welt ihn auch nicht sieht, zufrieden bleibt in dem Bewußtsein von Gon gekannt zu sein, zufrieden zu sein, höhere Kräfte in sich zu tragen, als die Welt zu deren Entfaltung Raum gibt, Gott zu danken dafür, daß er es nicht umgekehrt, es nicht geordnet, wie an tausend andern, denen herrliche Weiten angewiesen, in welche sie sich munter vorgedrängt und jetzt darin nichts zu machen wissen als spazieren zu führen ihre Jämmerlichkeit/ die alle Tage jämmerlicher wird und alle Tage den Spektakel großer macht, sie alle Tage verachteter.Rach diesen Betrachtungen könnte man glauben,Jakobli hätte nach großen Dingen getrachtet, hätte Kilchmeier werden wöllen, Präsident an einer Wahlverfammlung, oder gar Hüttenmeister bei einer Käserei,oder gar ein Auge gehabt auf den bernerischen GeneralKantonalgenialstab / hätte Heldenthaten verrichtet, Rechte an einer“ Käshütte genommen, hausig die Faust im Sack gemacht, dazu das Maul vollgenommen, oder sonst etwas, worin die heutigen Heldenthaten bestehen mögen, aber sehr würde man sich irren, so weit verstieg sich Jakobli nicht, Jakobli sinnete nicht weiter als an mehr Land, bessern Abtrag, größere B'schüttilöcher und mehr Mist. Wenn er mit Sami auf dem Bänkli saß oder im Stalle war, so drehte sich ihr Gespräch um diese Dinge, und ging er wo aus, so sah er sich die Augen aus, wo eiwa ein Acker feil sein könnte,was auf jedem Acker stehe, ob Bersette oder Lücerne,ob schöneres oder schlechteres Korn als sie hatten. Zudem fing ihm das Handeln an zu gefallen, und wenn er am Morgen z'Möärit wollte, so tanzten ihm die Nacht davor die schönsten roth oder schwarz Blöschen auf dem Hauptkissen und auf dem Dackbett herum.Am Morgen wanderte er mit geschwollenem Herzen,wie der Held zur Schlacht, dem Markte zu und wenn er heim kam, so mußten Alle seinen Einkauf bewun 3141 dern, er entdeckte immer neue tugendhafte Eigenschafden, kounte vor Freude wieder fast nicht schlafen, war am Morgen der Erste im Stalle, die Freude dauerte bis Fehler zum Vorschein kamen, bis es sich zeigte, daß nicht alles Gold sei was glänze, bis Sami die Achsel zuckte und meinte, es sei lätz gegangen, daß er nicht dabei gewesen, zu dem Kauf hätte er nicht gerathen.Dann 'ward Jakobli kleinmüthig, es dünkte ihn, er möchte das Thier nicht mehr ansehen, wenn es nur wieder zum Siall heraus wäre, möchte es gelten, was es wolle, und Hansli mußte wehren, mußte seine ganze Zahigkeit zu Hülfe nehmen, um übereilten Verkauf zu hindern. Das sei nichts anders, sagte er. Lehrgeld müsse ein jeder zahlen, wenn er schon meine, er könne es, so müsse er es doch immer wieder erfahren, daß der schlausten Katze auch Mäuse entrönnen. Wenn man noch einmal so viel Kühe halten wolle, so müsse man noch einmal so viel handeln, und also gewärtig sein,noch einmal so viel betrogen zu werden.

Drei Sachen solle er nie vergessen, so werde es schon gut kommen. Wenn er bei der Gewicht handle,so müsse er immer daran denken, daß zwischen lebendig und todt wägen ein großer Unterschied sei, es wisse das noch mancher Rathsͤherr nicht. Wenn er frage, ob eine Kuh trage, und der Verkäufer sage ja, und verfluche sich, daß ste trage, so müsse er sich wohl achten,ob derfelbe etwa uüͤber die Kühe hereinliege oder sich mit dem Ellbogen darauf lehne. Thue derselbe dieß, so müsse er sagen, er sehe wohl, daß sie trage, aber er meine nicht dä Weg, mit einem zweibeinigen Kalb wůßte er nichts zu machen. Und endlich müsse er von Allem,was man ihm sage, gäb wie man sich verschwöre, immer nur das Halbe glauben, und das sei manchmal noch zu viel. Wenn dieser Räthe ungeachtet Jakobli übers Ohr gehauen wurde, und das geschah trotz dem,daß Hausli oder Sami bei ihm waren, so machte daen keine Vorwürfe, das sei gut für ein ander Malagte er.

Jakobli hatte die Unart, welche große und kleine 312 Kinder haben, was ihm gefiel, das fand er wohlfeil,an dem sah er keine Fehler, das, meinte er, müsse er haben, und die andern Beiden ließen sich nicht selten von ihm ihre Bedenken ausreden, und entlehnten seine Augen zum Sehen. Er het's emel welle g'hebt ha,trösteten sie sich dann, er wird's scho no lehre, mi muß ihm emel albeeinist d'r Wille lah, um es par Krone ist's de notti nit g'fochte, we me se het, un es ist besser,er bruch se dä Weg, als öppe mit em Wyobervolch,oder mit Schlägereien. Es ist einem jeden etwas geordnet, und wenn er das Geld nicht dä Weg brucht,su chunt er e angere Weg drum. Es gebe einen, der auch Niemand was gönne, sich selbst keinen Schoppen,aussehen thue er wie die thenre Zeit, und wie gehe es dem? Wenn der zu einem Spiel komme, so verführe ihn der Glaube, er sei der Schlauste uf d'r Welt, e kene so, zum Mitmachen. Da mache er einen Taglohn, denkt er, noch menges Mal könne er laufen, gäb daß er aufmachen könne, was hier zu gewinnen sei, was gut Lüt einem steckten, koöͤnne man nicht rechnen. Und so oft es ihn gäbe, schlage es ihn in den Graben, u ke Mönsch wüß, was ne sy Aberwitz afe g'schadt heyg.

Wer so sich trösten kann, hat einen großen Vorsprung vor andern, und namentlich vor dem, welcher in allem Böses findet und Bitteres, es ist gerade, als wenn der Eine Honig aufs Brod striche, der Andere Galle; Brod ist Brod, und beide haben das gleiche Brod, und doch hat es eine ganz andere Kust. Mädi erfuhr das. An dem G'läuf und Handeln hatte es seinen fürchterlichen Aerger, es war was Neues, es mußten mehr Schnhe gesalbet werden, und dann hätte man Beispiele genug, wohin das führe, sagte es. Es kenne manchen alten Hudel, der es nie geworden wäre,wenn er immer daheim geblieben wäre. Am meisten Galle machten ihm die Neetzger und ihre Hunde. Es sei nicht mehr dabei zu sein, klagte es, man möge vor das Haus kommen, wann man wolle, so stehe ein Uflath davor, und sobald man öppe einist abhocke, so brüll's i dir Kuchi usse: heyt d'r nüt feißes? Und dann sei noch vor ihre verfluchte Hünge nichts sicher,kein Huhn, keine Katze, und wenn an einem Orte was zu fressen sei, so schmoöckten sie es durch sieben Zäune durch, z'Katzenkacheli sei immer leer, es möge darein thun, was es wolle. Wenn es einen mit einem rothen Gilet sehe das Feld aufschießen, so duech's mengist, es möcht d'r Tüfel sy, ume für e Viertelstung,dem und sym Hung wett' es reise, die käme nit ume.So ward auch das einförmige Leben dieses Hauses bewegt, vom Ufer war die Kette gerissen, es begann,einem Kahne gleich, sich zu schaukeln auf den Wellen des Zeitgeistes, dem Trachten nach vermehrtem Erwerb,nach besserm Rentiren, nach mehr Prozenten.

In diesem bewegtern Leben war Meyeli dem Sonnenstrahle gleich. Worüber er schwebt, darauf wirft er einen freundlichen Schein, man stößt sich nicht an ihm,er ist Niemand im Wege, aber heitrer wird es in einem selbst, ohne daß man sich dessen bewußt wird im Herzen, unwillkürlich sucht man seine Nähe, setzt sich in seine freundliche Wäärne. Als Sohnsfrau follte es,seit Anne Bäbi krank war, dessen Stellvertreterin sein,die Hausfrau. Nun ist das kein leicht Stücklein, neben so einem alten Hauskäs die Meisterschaft zu führen und noch dazu, wenn die alte Meisterin noch da ist,und jeden Tag mehr der Sache sich achtet. Da gibt es sonst Kompetenzfragen und Kompetenzstreitigkeiten jeden Fingerslang; was das eine thut, will das andere machen, aber zu einer andern Zeit, und ganz anders,und eins schießt hier aus, das andere dort aus, eins brüllet, das andere pläret, eines klagt in der Stube,das andere im Stalle, kurz, es ist ein Elend. Tröstet man, man müsse Geduld haben, und sich in die Sache schicken, so ist man selbst ein Uflath, und hat es mit den Andern, hilft man und g'schirret aus, so wird das Uebel noch ärger und handkehrum wird einem vorgeworfen, man habe kehrum alle auf der Mugge, und ja erst kürzlich mit diesem oder jenem so wüst gethan, es sei kein Wunder, daß man jetzt selbst an die Reihe 314 lomme. Wie sich eins rührt, stößt es an das andere,es ist beseelte Materie, die immer da sein will, wo andere Materie sich bewegt, die jede dieser Bewegungen nicht dulden will, sie schmerzlich fühlt, es ist das Reiben krankhafter Glieder an einander. Aber eben das ist die Natur des Sonnenstrahls, daß er nichts schmerzlich reibt, daß nichts ihm feindlich im Wege steht; wo er nicht durch kann, da umfließt er das Eine mit reichem Lichte, und wo er das nicht kann, da zürnt er wieder nicht, sondern beleuchtet freundlich und erquicklich das ihm Entgegenstehende. Das ist die wahre Geistesmacht,welche nichts zwängen will, aber das Eine verklärt,das andere durchdringt. Das ist die eigentliche christliche Macht, die nicht mit dem Schwerte drein schlägt,und doch die Welt überwindet, das ist die wahre Sonnenmacht, warum Christus das Licht der Welt genannt wird, also nicht dessetwegen, weil er uns etwas Reues sagt, fondern weil er Gewait hat und diese Gewalt im Reiche der Geister wirket, unmerklich, aber unwiderstehlich wie die Sonne, in und über der Erde.Meyeli hatte mit Mädi nie Streit, eben so wenig als mit Anne Bäbi, es kam ihnen nie in den Weg,jedes sah es gerne an seiner Seite, denn jedem wußte es etwas freundliches oder lächerliches zu sagen, und jedes meinte, Meyeli heife ihm so blos nach, wo es nicht kommen möge, und wolle bei ihm lernen, wie man es machen müsse, und Madi that dann noch einmal so emsig, und Anne Bäbi nahm sich zusammen, und sagte: nicht die hundertsti Schwiegere hatt die Geduld gehabt mit einer Schwiegertochter u sövli us ne g'macht Die es. Wo sie gekonimen, sei sie in Gottes Name ume es Schlärpli g'si, u jetz soll me se luege! Indesfen war es nicht, daß nicht beide über Meyeli klagten und branzten. Wenn der Engel Gabriel zu solchen Weibern käme, sie müßten mit ihm gekiefelt haben und um so mehr, je lieber sie ihn hätten. Madi war mit Meyeli nicht zufrieden, weil es Anne Bäbi ästimirte,und es viel zu Rathe zog. Man müsse es Babi sein,wenn man einen solchen Sturm sövpli achte und gar zu 318 ihm z'Rath wolle, b'sungerbar wenn man Jemand an der Hand habe, der es einem hundertmal besser sagen könne. Anne Bäbi klagte, man sehe wohl, daß es nur so von geringe Leute nache sei, es dörf i Gotts Name nüt befehle, u Niemere nüt säge, da lasse es Maädi sauen und karen, wie es nur wolle, darum gehe es auch so schön. Aber wohl, wenn es wieder nache möge, es well de, Mädi müsse rangirt sy, daß es wieder wüß, daß es e Meister heyg. Beide waren aber wiederum darin einig, daß Meyeli e junge Gali sei, u mit em Mannevolch d'r Narr mach, daß me si fry schäne muß. Es syg no jungs, u wüß no nit,was me so a me ne Schnürfli heyg u wie me mit ne umgah müß. Es sei Schad um ihns, aber es werd's wohl no lehre, mi müß es ume lah mache, es werd ihm scho vo felber erleide, aber manchmal spreng es einem fast d'Wäng uf mit seinem narrochtigen Wesen.Wenn Mädi es zuweilen im Schopf oder im Stall mit dem Mannevolch freundlich reden sah, so pflegte es zu sagen, das sei auch noch von denen eins, wo man mit einem Mannebein locken könne wie einen Hund mit einem Hammenbein. Wenn es aber einmal erfahren habe was es, so werde es ihm wohl gehen wie ihm, ihm gruse es ab dem Mannevolk ärger als ob gschundnige Kroten, die Möffe, was sie seien. Das kedeten sie nicht etwa im Verborgenen, daß Meyeli nichts davon merkte, oder an den Thüren oder hinter Ecken horchen mußte, wie Sühniswyber oft thun sollen,wenn sie etwas vernehmen wollen. O nein, das alles konnte Meyeli hören, wenn es wollte, man nahm sich in diesem Haufe mit dem Reden gar nicht in Acht,b. h. das Weibervolk nicht, aber Meyeli ward nicht böse darüber, die Worte fanden in ihm nichts, welches sie entzunden konnten, mit einem freundlichen Worte brach es ihnen die Spitze ab, sie verloren alles Gift,und wurden harmlose Erschütterungen der Luft, heilsame Entleerungen der Lunge.

Aber eben darum waren alle gerne um ihns, und darum sollte es auch bei allen sein, und hier rief man 316 es, dort wollte man es haben, alle forderten seine Theilnahme, legten, wie in einen großen Schrein, bei ihm alles nieder, was sie in Lieb und Leid bewegte. Alle waren mit sich beschäftigt und ihren Ideen, d. h. mit dem, was ihnen durch den Kopf ging, und was förderte, was hemmte, das bemerkten sie, darüber redeten sie, dabei war Meyeli allen nothwendig. Aber sie hatten es mit ihm, fast wie mit der Luft, welche man einathmet und zu allen Dingen braucht, man kann sie nicht entbehren, und doch denkt man nicht an sie; je nöthiger man sie hat, um so weniger wird man sich bewußt, daß die Luft alles in allem ist; so war es mit Meyeli. Sie bemerkten es, wenn es nicht da war,war's aber da, so war es ein Lebenselement, dessen man sich erfreut, ohne seiner nur sich bewußt zu werden, es war jedem nöthig, aber daß es etwas nöthig hätte, daran dachte Niemand. Es klagte nie, hätte es ein Wort gesagt, so wäre alles ihm dienstbar gewesen.Da es selbst nehmen, brauchen konnte, was es wollte,so dachte kein Mensch daran, ihm etwas anzubieten,dieses oder jenes ihm abzuwehren oder aufzudringen.Aber wenn es einmal zur Seltenheit in seinem Stubchen ruhen wollte, oder des Morgens nicht füre mochte,so war es Jedermann, als müsse er was suchen, eins ums andere frug draußen: „wo ist Meyeli?“ Dann ward es drinnen Meyeli himmelangst, und half das Fragen nicht, so kam eins nach dem andern an die Thüre und sagte: „du sollest neuis cho lose!“ oder schoß hinein wie im Vergeß und sagte: „bist du da, ha di nume welle frage, u. s. w.“ „Ich komme plötzlich“,sagte dann Meyeli. „Ney, blyb ume, hieß es dann,häb di still, mir cheus notti.“ War's aber dann in fünf Minuten nicht draußen, so schoß wieder Jemand hinein und sagte: „ih ha g'imeint, du chömist nache,nit, daß di pressire well, aber du söttist säge, wie me das mache sott, oder wo äys syg.“ Dann war es natürlich mit der Ruhe aus, und Meyelt mußte auf die Beine, es mochte mögen oder nicht, es erfuhr, was Unentbehrlichkeit nach sich zieht. Ach, wie wohl kömmts dem Menschen, daß er nicht der liebe Gott sein muß,es ihm Niemand zumuthet, ihm, dem armen Menschen in seiner Gebrechlichkeit, der Ruhe so noöthig hat, und Geschäftigkeit so viel Unruhe macht, so große Pein,daß ewige Ruhe zum höchsten Glück ihm wird. Diese ewige Ruhe ist aber nicht des Todes Ruhe, sondern die Ruhe, die mitten im Schaffen über dem Bewußtsein schwebet, daß die inwohnende Kraft Allem vollkommen genügt, nie ermattet, nie zu spät kömmt, nie zu spät fertig wird. Diese Ruhe in der Schlacht, diese Ruhe in des Lebens Kampf, ist das Zeichen des Helden,welches aber nie ein Mensch in seiner Vollständigkeit je erworben hat, und doch wie klein ist des größten Menschen Aufgabe, gegen die Aufgabe dessen, zu dem täglich so viel tausend Bitten steigen, und der noch Augen haben muß, für so viel Millarden, die nicht bitten können, nicht bitten mögen. Aber wie mancher Leib ist schon gebrochen, weil die Ansprachen die Kräfte überstiegen, das Gleichgewicht zwischen Sollen und Vermögen sich nicht fand, in fieberhaften Schwingungen die Bänder brachen, welche Leib und Seele zusammenbinden. Diese gebrochenen Leiber gehörten zumeist Müttern, Mutterherzen sind die Freistätten, in die die Treue sich geflüchtet hat aus der treulosen Welt, in welcher das Maul die Hauptrolle spielt, und die Selbstpflege die Hauptkunst ist, und der der Hauptkerl, der das Uungereimteste von sich zu geben in Stande ist.Das Gefühl, allen Alles zu sein, war Meyeli hoch und werth, erhielt ihm frohen Muth, wenn auch zuweilen die Mattigkeit wie eine dunkle Wolke seine Heiterkeit überschatten wollte. Es besaß den herrlichen Sinn, der in der Gegenwart sich immer an dem erhebt und stärkt, was unerwartet gut, besser ist, als die Vergangenheit erwarten ließ und als sie darbot, so wie es einen andern umgekehrten Sinn gibt, der kein Gedächt-niß hat für das Uebel in der Vergangenheit, und kein Gefühl für das Gute in der Gegenwaärt, sondern nur für das Drückende, welches in jedem Leben ist, welches daher in beständigem Jammer schwimmt, daß das Vergangene vergangen, das Gegenwärtige gekommen sei.Das ist ein unglücklicher Sinn, und unglückliche Jammerbuchsen sind solche Menschen. Meyeli freute sich feines sichern Dafeins, der Liebe, welche alle zu ihm trugen; wie so ganz anders war es damals, als Seppli den ganzen Tag mit ihm häßelte, ein dünnes Kitteli um seine schlanken Glieder hing, und es zweifelhaft war im Herbste, ob es neue Winterstrümpfe kriegen, oder die alten neu g'fürfüßet werden müßten?Gegen dieses Glück schien ihm, was es zu tragen hatte,nicht beachtenswerth; daruüber zu klagen, hätte es für schiecht gehalten. Mit nichts könne man sich mehr versündigen, dachte es, als mit Klagen, wo man doch cule ürsache hätte, Gott zu loben und zu preisen. Da es aber nichts klagte, so nahm man an, es hätte keine Ursache zum Klagen, denn wenn Neuere was weh thue,so seös der Brauch, daß er's säge, sagte man, und veun also einer nichts sagt, so khut ihm nichts weh,so schloß man. Man sieht, es ist schwer, die rechte Minte zu treffen, und wenn schon alle das Sprüchwort kennen; zu wenig und zu viel verhöhnt alle Spiel, so gibt es doch wenige, welche es fassen, was zu wenig,das zu viel ist, und den rechten Maßstab haben für das Ebenrecht.

Die Subjektivität zur Objektivität zu erheben, mag wohl nirgends schwerer sein, als gerade hier. Dazu kam noch, daß Meyeli, seit die Haushaltung hauptfächlich ihm oblag, mit Speise und Trank sich nicht in Acht nahm, nicht an sich dachte. Meyeli war kein verzogenes Ding gewesen, sondern war von harter Gnade d.“h. von solcher, die wenig gab, aber das wenige alle Tage aufrückte, abhängig gewesen; als es nun in andern Stand kam, überhob es sich nicht, meinte nicht, es möge nun alles erleiden, und das früher zu wenige müsse jetzt auf überschwengliche Weise gut gemacht werden. AÄnne Bäbi war gut gegen ihns,d. h. für passende Speise und Trank sorgte es jederzeit, es möchte de bppe nit, daß z'Sühniswyb es gang za v'rbrülle, sagte es. Jetzt, da Anne Bäbi der Sache sich nicht annahm, sorgte Niemand weiter für ihns, es stund alles in seiner eigenen Hand, es konnte ja nehmen, brauchen, was und wie viel es wollte, kein Mensch achtete sich dessen. Aber was eine andere nach Herzens-luft gethan hätte, das brachte es nicht übers Herz, für ihns seiis nicht dir Werth, was appartes zu machen,dachte es, es sei sich nit 'thue, es möchte nicht, daß man meine, jetzt, wo es die Sache hätte, könnte es nicht genug an die Sache thun. Es lag sehr mächtig in ihm das Gefühl vor, dem es zwar keine Worte gab,das aber mächtigen Einfluß auf sein Thun hatte, daß es nichts eingebrächt, an all den Vorräthen, dem Besitzthum nichts gesteuert hätte, daß alles was es brauche aus Jakoblis Sache gehe. Manche andere, welche nichts eingebracht, aber so reich eingesessen, hätte gemeint, die Kunst sei jetzt, so viel als möglich zu brauchen, sich recht wohl sein zu lassen, den Andern die Lust zu vertreiben, es einem etwa vorzuhalten, daß man nichts eingebracht, selbst zu sagen zum Manne: „du mußt nicht etwa meinen, weil ich nicht reich gewesen,lasse ich mich jetzt untere thun, ja wolle! Du hast gewußt, wie viel ich habe, warum hast du mich genommen, ich bin dir nicht nachgelaufen. Meinst öppe ich hätte dich wege d'r Hübschi g'no? Wenn ih nit hätt chönne denke, ih chönnt öppe myr Lebe lang gut ha, ih hätt di nit mit em agluegt, daß du's de weißt, du Lädi, was de bist!“ So redete Meyeli aber nicht; was es brauchte, nahm es immer als von einer anvertrauten Sache, und konnte einer Art Angst sich nicht erwehren, es könnte zu viel nehmen, und die Leute möchten giauben, es sei ihm nur ums Brauchen, und es hätte es auch, wie man Bettelkindern nachrede, die nichts von Husen wüßten, sondern meinten, es müsse alles eines Tages gebraucht sein, und wenn sie es des Tags nicht moöͤchten, die Nacht zu Hülfe nehmten.Freilich kam es ihns zuweilen an, Jakobli sollte ihm sagen: „nimm doch, brauch doch, mach etwas füür dich,“es wollte ihns fast dauern, daß er's nicht that, daß er ihm nicht mehr ansah, was ihm fehlte, was es hätte, 320 daß er ihm hauptsächlich von dem Lande redete, von Kaufen und Verbessern, sich kümmerte um eine Kuh,die nicht fressen wollte, nicht sattsam Milch gab, ihr abpassen konnte, und des Tages manchmal sagen, es duecht mi, es well ere bessere, si nähm z'Fresse gleytiger u d'Milch well o afe cho. Es mochte auch zuweilen nicht essen, er sagte ihm nie: „fehlt d'r, oder mach d'r öppis angers,“ das Arbeiten ging ihm oft so genug,er sagte nie: „mast nit, lah's doch sy, es ist de nit,daß de di tödte söllist.“ Der gute Jakobli dachte nicht daran, daß er eine Frau, welche alles unter den Händen hatte, heißen müsse etwas machen, und seine Mutter hatte auch oft bei Tische nicht viel gegessen, aber nach dem Grunde war nie gefragt worden. Wer wollte auch so unverschämt sein, und eine Bäurin über Tisch fragen, warum sie nicht so viel esse als die Magd, die kein Hinterstübli hat, und keine Zeit für ein Kaffe oder einen Eiertätsch zu sorgen, und keinen Kuchischaft hat,in welchem eine Platte mit Fleisch steht, und keinen Keller, wo Käs und lindes Brod ist. Und wenn die Mutter nicht werchen mochte, so hörte das ganze Haus ihre Klagen, wie z'Mannevolk je länger je wüster werde un i Bode ache ke V'orstang meh heyg, da soött me geng werche, bis me alli Vier„ vo nihm strecki, aber dene donstigs Knüdere thät's es nit zum G'falle, daß es si tödti, es well zu nihm selber sorg ha, sövli witzig sei es noch, es möcht de notti nit, daß si d'Freud hätte wenn es si z'todt wercheti. Da Mädi das getreue Echo von Anne Bäbi war, wenn es gegen das Mannevolch ging, so redete es in ähnlichen Fällen ähnlich. Was Wunder also, wenn es Jakobli nicht in Sinn kam,nachzufragen, wenn Jemand nicht aß, oder nicht aufzumerken, ob Jemand nicht werchete! Aß Jemand nicht so dachte man, er werde schon gehabt haben, oder auf Besseres warten, werchete Jemand, so dachte man, er werde arbeiten mögen, möchte er nicht, so würde er es schon sagen. Wenn einmal in einem Hause eine bestimmte, alt hergebrachte Weise ist, so ändert sich die nicht, und wenn Jemand da mitten hineinfällt, so ist's fast, als ob er auf einen andern Planeten käͤme, wo die Menschen ganz anders beschaffen sind als er, z. B.eine ganz andere Haut haben als er, und eine andere Redeweise, und sehr lange geht es ihm, bis seine Haut und seine Redeweise auch so geworden sind, wie die der andern. Nur zu oft wird die alte Art von dem Jemand, und die neue Art der Jemand von den Alten für Bosheit genommen, für absichtliche Kränkung, und das Reiben fängt an, das so oft Herz und Mark zerreibt. Zumeist jedoch bildete sich mit der Zeit die nöthige neue Haut, wenn nichts scharfes und ätzendes zwischen die Reibenden gegossen und geschmiert würde. Aber das ist eben das Böse, daß der Böse so gerne die Nase zwischen einsteckt und das Reiben immer giftiger macht,immer ätzender. Die Geriebenen rufen ihn selbst herbei, sie klagen was sie beißt, und wem sie klagen, der reibt gewöhnlich Salz und Pfeffer ein, d. h. er tröstet,d. h. er gibt dem Klagenden Recht und reiset ihn auf.Das thut ihm für den Augenblick wohl, aber es verschlimmert die Wunde, macht sie giftiger und reizt zu verstärkten Reibungen. Nun aber klagte Meyeli Niemanden, wenn's ihm schon im Herzen wehe that, es tröstete sich selbst und munterte sich auf. Alles könne man ja nicht haben auf der Welt, dachte es, und besser hätte es doch, als es je hätte erroarten können, und wenn manche arme Frau es so hätte, sie würde Gott nicht genug danken können. Jakobli mein's ja gut,aber er sinn's nit, und wenn es es sagte, wie's ihm wäre, er würde schon dazu thun, und ihm borgen mit werchen und essen. So goß es sich selbst den rechten Balsam in die Wunde, und wenn die Weiber alle,welche darüber unglücklich werden, weil die Männer nicht stark auf dem Errathen sind, und nie merken wollen, wo sie der Schuh drückt, also thäten, es wäre Manche weniger übel in der Welt, und der rechte Doktor fände sich vielleicht noch, oder sie selbst fände endlich die große Kunst, nicht nur zu schweigen, sondern auch zu reden zu rechter Zeit.Aune Bäbi. II.

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Von der Hübschi und vom Interesse.

Der Doktor hatte bedeutendes Interesse an Anne Bäbis Krankheitsfall genommen; es war ein eigener Fall in seiner Praxis, zudem war es ihm eine Standessache, zu zeigen, daß ein leiblicher Arzt zu heilen vermöge, was Lin geistlicher angerichtet. Er ging daher ofter hin, den Fortgang zu beobachten, und hatte Freude daran, wie Anne Bäbi regsamer, trotziger wurde, ihm hie und da einen Schlemperlig anhing, wie die Dokter alle nichts könnten, und fürs Sterbe keiner noch etwas erfunden. Für Niemand hätten sie noch so viel gedoktert, als für das arm Bübli selig, und kes sei ihnen noch gestorben als eben das Bübli und es fast damit,es gläube einmal, wenn sie nichts gemacht, es lebte noch. Nach allgemeiner Sitte hatten sie den Doktor das erste Mal gefragt, was sie ihm schuldig seien und gleich mit ihm abgeschafft. Sie ließen nicht gerne aufmachen, sagte Hansli, man könnr's vergessen, oder es könnte fonstee Irrtig gäh. Natürlich hießen sie ihn die ersten Male in der ersten Angst wieder kommen, und frugen jedesmal nach ihrer Schuldigkeit, und gäb wie der Doktor sagte, sie sollten doch warten, es gehe dann zusammen, es mußte bezahlt sein, was er forderte, bald fünfzehn Batzen, bald zehn, bald fünf, bald nichts, je nachdem er expreß kam, oder sonstige Besuche hatte.Nach und nach setzte Hansli ab mit der Dringlichkeit der Einladung zu wiederholten Besuchen: Es gehe gut,hieß es, weun's böser ging, man hätte es ihm sagen lassen, aber er solle nott zuche cho, wenn er öppe einist ang'fähr da dure gang. Der Doktor war lange genug auf dem Lande gewesen, um diese verblümten Redensarten zu begreifen, aber der Fall interessirte ihn zu sehr,um ihr gleich Folge zu geben, denn er lebte nicht dem Gelde, sondern seiner Kunst, wie er sagte, eigentlich eben so gut seinem Herzen, aber das sagfe er nicht, ja er gestund es sich selbsten nicht, er ging daher von Zeit zu Zeit immer noch hin, forderte aber nichts. Hansli dankte zwar und sagie, er solle es nur sagen, und sich nicht schüchen, er gebe gerne öppis, er glaube aber, es heyg's jetz, u brüch si wyter nüt meh, we me geng öppe styf lueg. Und doch kam der Doktor wieder, denn in dem Maaße, als es bei Anne Bäbi besser ging,schien es ihm mit Meyeli zu bösen, es fesselte immer mehr seine Aufmerksamkeit, denn trotz dem, daß es das Kind nicht mehr säugte, nahm es doch eher ab als zu, und sein Gang hatte so etwas mühseliges, welches dem geübten Auge nicht entgehen konnte. Nun ist es wirkiich bös für einen Doktor auf dem Lande,etwas Vorbauendes vorzukehren, anzurathen, oder Leute welche ihm nichts klagen, zu fragen: „fehlt dir nicht etwas und solltest du nicht etwas machen?“ Eigentlich hat der Arzt die Pflicht, auf alle schädlichen Einflüsse aufmerksam zu machen, und auf jegliche Störung, welche er mit kundigem Auge heranschleichen sieht, ehe Jemand anders sie wahrgenommen, und die vielleicht zu rechter Zeit leicht abzuwenden wäre. In Häusern, wo man ihn für das hält, was er sein soll, wird er diese Pflicht auch uüben, sich jedoch vor großer Aengstlichkeit und dem Wahne hüten, als sei alles zu verhüten. Dieser Wahn kann dazu führen, mit sogenannten Präservativ, Vorbauungsmitteln, die stärkste Gesundheit zu ruiniren.Auf dem Lande ist die Ausführung dieser Pflicht sehr schwer, die Menschen sind zu mißtreu, meinen gleich, es sei dem Arzt nur um die Batzen, wenn er nichts davon hätte, es wär ihm nicht halb so Angst, aber es duecht eim nüt angers a nihm, es macht e niedere was er cha, u de ist er gar grusam e arme, mus alli Brösmeli kaufe, u het nüt erwybet, u was er öppe g'ha het, het er v'rlaberiert ob em Studiere, er söll neue grebelig brucht ha. Es chaäm ihm jetz mangist kumlich er hätt's no, so urtheilt man. Es muß daher ein Doktor mit seinen Räthen sehr vorsichtig und sparsam sein, und je älter er wird, um so behutsamer wird er auch werden, manchmal nur zu gleichgültig. Einem Jungen, dem noch die Ideale das warme Herz schwellen, der meint, er müsse aus aufrichtigem Herzen der ganzen Menschheit helfen, wird Behutsamkeit schwer. 324 Was er sieht, meint er sagen zu müssen, und wo er Gefahr sieht, wird er kaum der Wahrung sich enthalten können. Unser Doktor hatte bereits einige daherige Erfahrungen gemacht, konnte etwas an sich halten,aber wo er Interesse an den Leuten nahm, da sagte er,was er in ihrem Interesse glaubte; wohl war ihm mancher Wahn entflogen, aber den Sinn hatte ihm doch die Welt noch nicht verdrecket, der die Pflicht höher als den Vortheil hält. „Und Fraueli, wie geht es euch?“ fragte er mehrere Male, bot Gelegenheit zu Klagen und Fragen. „O recht gut, mi muß ziefriede sy, apparti z'klage habe ich nicht, wenn's nur der Mutter wieder ganz bessert,“ erhielt er zur Antwort.Einmal traf es sich, daß das Mannevolk im Walde,Mädi mit zwei Gänsen z'Marit war, Anne Bädbi schlief,und Meyeli an einem alten Tschopen nähte, als der Doktor dem Hause zu kam. Meyeli, als es ihn kommen sah, ging hinaus und sagte: Müetti schlafe, es gehe ihm alle Tage besser, es achte sich immer mehr,und nehme sich der Sache an. Es freu ihn, sagte der Doktor, er möchte es aber selbst noch sehen, und wenn es nichts dawider habe, so komme er hinein, und warte,bis es erwacht sei, er hätte hrute Zeit, er sei viel gelaufen und froh, abzusitzen. Meyeli kriegte ein gar lieblich Gestchtchen, als es ihn hineinführte und fragte,ob es ihm etwas warms machen solle, oder ob er lieber es Brönz wolle, Kirschenwasser, sie hätten guts, es sei mehr als zehnjährig. Er frage ihm sonst nicht viel nach, sagte der Doktor, aber heule nehme er ein Gläschen, es sei frostig draußen, und schon lange, daß er nichts gehabt, albeeinist müsse man doch wieder Oel ins Lämpchen thun, wenn es brennen solle. Meyeli stellte die schöne weiße Flasche auf den Tisch, ein Fußgläschen dazu, zog das Brod aus der Tischdrucke,schenkte ein und machte eine Bemerkung zum Brod, daß es nicht aufgegangen, sie hätten sonst schöneres, aber der Müller werde sie aber be...... haben mit dem Mehl. Es sei nichts mehr zu machen, und je mehr Mühlen es gebe, desto mehr b'sch ..... die Müller, für Schades yz'cho. Der Doktor frug, wer knete und backe bei ihnen. Meyeli erzählte, daß es früher die Mutter gemacht, seit sie aber krank sei, habe es sich Müuhe gegeben damit, von wegen, Mädi wolle es nicht haben, und z'Mannevolk begehr's ebe nicht daß es knete.Es dunke ihn, sagte der Doktor, d'Hebi (der Sauerteig) sollte Niemand eher wirken als Mädi, es sei ja selbst eine lebendige Hebi. Doch verlor der Doktor seine Zeit nicht mit müssigen, üblichen G'spaäͤßen,wie sie dem lieblichen Franeli gegenüber manchem z'vorderist gewesen wären, er begann rraulich zu erzählen von diesem und jenem, was er heute gesehen und erfahren. So bei einem ehrbar traulichen Worte erwarmen die Herzen, und thauen auf, noch besser, als bei einer Pfeife und einem Glase Wein. Meyeli, welches nach Landessitte dem Doktor das Gläschen zu oberst hinter den Tisch gestellt, selbst aber unten auf dem Vorstuhl saß, des Tisches Länge und Breite zwischen sich und dem Doktor, redete freundlich drein, gab uüͤber diese und jene Auskunft, redete dem Vikari zBest,als der Doktor fragte, ob er nicht da gewesen, frug den Arzt, was mit ihrem Mädchen zu machen, welches neue Zähne bekäme, ehe die alten aus wollten. Der Doktor rieth, was gut wäre, fragte dann, ob ihm nichts fehle. Apparti nichts, sagte Meyeli, es hätte Ursache, dem lieben Gott zu danken, daß es es so gut hätte. Er zweifle nicht daran, sagte der Doktor, sie hätten aber auch alle Ursache, ihns gut haben zu lassen,'Sühniswyber treffe man nicht oft so an. Meyeli meinte, er solle nicht vexiren, und wenn es schon öppe seine Sache mache, so gut wie möglich, so sei sich dieses nicht zu verwundern, es sei gar ein arm Meitschi gewesen, an ein solches Glück habe es nie denken dürfen, der liebe Gott habe es viel zu gut mit ihm gemeint. Z'Geld mache nicht immer glücklich, sagte der Doktor, man habe manches Meitschü gezwungen, einen reichen Mann zu heirathen, und gemeint, wie man für ihns sorge, und dem Tod hätte man es zu gejagt, mit dem Aermsten wäre es glücklicher gewesen. So möge es gehen zuweilen, antwortete Meyeli, aber ihm sei es nicht so gegangen, sondern wie es es nie hätte denken durfen, nicht nur, weil es es gut gemacht, sondern weil es gerade den bekommen, der ihm im Sinn gelegen,es wisse noch jetzt nicht wie. Nun mußte es dem DSoktor erzählen, wie wunderbar sie zusammen gekommen,wie alles gegen sie gewesen, und sie beide junge dumme Leutchen, wie es aber so werde geordnet gewesen sein,weil Niemand etwas dagegen habe abbringen können.Der Doktor hörte mit großer Erbauung aber unglänbiger Seele der Erzählung zu; wenn Meyeli nicht so ehrliche Augen gehabt hätte, und zuweilen so lieblich roth geworden ware, er hätte kein Wort davon geglaubt.Daß“ Jemand in den Jakobli verliebt werden könne,und zwar so plötzlich, gleichsam im Vorübergehen, das faßte sein Verstand nicht, das war ihm zu wunderlich. Daß man verliebt werden könne, das begriff er,doch konnie er sich nicht enthalten, alle, welche es so recht waren, wenigstens für halb einfältig zu halten,zudem nahm er an, daß etwas besonderes denn doch da sein müsse, durch welches das Herz eines Menschen gefesselt werde. Er war nicht eitel, aber wenn ein Madchen aus Bewunderung für seine Kunst und Trefflichkeit in ihn verliebt geworden wäre, er hätte es begriffen, vielleicht eine Ausnahme in seine Ansicht gemacht und gefunden, das Mädchen zeige gute Anlagen und vielen Verstand, aber die Liebe zu dem verschnurpften Jakobli, und zwar nur so vom Ansehen, die war ihm zu kurios. Er begriff eben die Mystik der Liebe nicht,und an unerklärliche Eindrücke und Wirkungen glaubte er nicht. Indessen äußerte er seinen Unglauben nicht,er machte es, wie es in Beziehung auf den Unglauben viele machen, er hätte das Nichtsein ihrer Liebe gerne aus den Täuschungen derselben beweisen mögen. Er sagte blos, solche Liebe sei schoön und selten, schade nur set, daß sie das Leben selten ertragen möge; wenn man nach wenig Zeit hingehe, und nach dieser Liebe frage, so heiße es: „O Herr Jests, schwyget m'r dr'vo,daß me sövli e Narr sy chönnt, hätt ih Niemere glaubt.D, warum cha me doch nit hingerfür näh, o, wie angers miech mes doch!“ Selb, sagte Meyeli, würde keins von ihnen sagen, und wenn sie auch minger narrochtig syge, als vor vier Jahre, so sei doch noch keins reuig g'si, und wenn's heute noch frisch wählen könnte,unger allne wär ihm doch geng Jakobli oben an. Das sei schöͤn und rar so, sagte der Doktor, er wolle es glauben daß es so sei, aber es dünke ihn, sie sehe gar leid aus, und ganz z'weg sei sie nicht, er hätte daher geglaubt, es sei öppe e Kummer, der sie drücke, so ein Fraueli habe manchmal Etwas auf dem Herzen, und das verstör ihre Gesundheit, und zuletzt auch das Leben, wenn man es ihr nicht ab dem Herzen bringen könne. Das solle er doch recht nicht glauben, sagte Meyeli, es hätte das ungern. Wenn es eppe nicht mehr sei, wie vor einigen Jahren, so sei das nichts anderes, es werde schon wieder bessern, wenn öppe alles wieder gesund sei, und z'Sach i alte Trapp chöm,wo es öppe ein wenig mehr zu sich selbst sehen könne.

Hier blieb der Doktor stehen, ließ die Liebe fahren,nahm den Leib aufs Korn und erfuhr bald, daß Meyeli nicht Ruhe hatte und Speise sich nicht gönnte, weil es so einem armen Meitli sich nicht schicke, den Meisterlos zu machen, und es sich nicht möchte nachreden lassen,es sei ihm jetzt nichts mehr gut genug, und es möchte die Herrenfrau machen. Er begann nun eine Predigt,kapitelte Meyeli ab, führte ihm zu Gemüthe, wie es sich zu rechter Zeit schonen müsse, was jetzt verhütet werden könnte, das könne später vielleicht gar nicht mehr gut gemacht werden, zu sterben werde es doch nicht begehren.

Das kam Meyeli fast übers Herz. Sterben, jetzt,aus seinem Glücke weg, das wäre ihm doch hart zu Herzen gegangen. So gefährlich werde es notti nicht sein, sagte Meyeli, aber gut verstehe er zu vexiren, und einem Angst zu machen; „aber es duecht mi,d'Mutter heyg si g'rührt, ih muß doch ga luege.“ Der Doltor sollte nicht sehen, wie das Sterben ihm das Wasser in die Augen trieb. Zugleich war es ihm 328 unheimlich beim langen Besuch des Doktors, es wußte,wie bös die Leute waren, und wie leicht sie alles übel deuteten, und doch freute es ihns, daß der Doktor ihm seine Mattigkeit ansah, sich um ihns bekümmerte.Oeppe viel helfe werde es nicht, aber es duech eim mangist scho, es heyg eim g'wohlet, wenn d'Lüt es ume afe wüsse, wie mes heyg, u wie's eim syg. Wie viele schöpfen Trost aus diesem Gedanken! Als er weg ging, empfahl er Meyeli noch einmal größere Sorgfaut und wenn einmal der Sommer da sei, so müsse eiwas emacht sein, sagte er. Schade wärs für ein so hübdun Fraueli, und eine Schande, wenn sie zu Gründe ginge mitten im Ueberfluß, aus Mangel an Schonung und, bald hätte er gesagt, auch aus Mangel an Verstand und übertriebener Bescheidenheit. Es gingen aus diesen Gründen und dann noch aus Sucht, recht stark Aäbringen, daß es keine bessere, keine, die so viel leiste,gebe, mehr Frauen zu Grunde, als man glaube.

Als er ins Pfarrhaus kam, stach Meyeli ihm noch im Kopf, und, nicht gewohnt, hinterm Berge zu halten, äußerte er seine Verwunderung über diese seltsame Liebesgeschichte, wie sie ihm noch nie vorgekommen sei,im Leben nicht und besonders auf dem Lande nicht.Es sei aber auch ein Weibchen, wie man ste selten antreffe, so etwas Feines und Zartes in Geist und Gestalt hätte er lange nicht gesehen. Es habe eine recht niedliche Hand, eine lautere, fast durchsichtige Haut,und Augen, wie sie rar seien. Man achte sich derselben anfangs nicht besonders, aber wenn das Weibchen rede, etwas mehr als Ja und Nein, wenn Gefühle sich regten, so begönnen die Augen dunkler sich zu färben und immer leuchtender zu werden, das ganze Gesicht werde so lebendig, so reizend, daß man die Augen gar nicht mehr abziehen könne davon.

„Wärest du doch dort geblieben, Rudi, sagte Sophie, wenn es dir so Mühe gegeben hat, die Augen abzuziehen. Ich hätte nicht geglaubt, daß der Herr Vetter so empfänglich wäre.“ „Warum nicht, sagte der Doktor, was hübsch ist, g'fallt mir, und um so besser, je ordlicher und sanfter es noch zu der Hübschi ist. Und warum das Fraueli mich ganz besonders interessrt, ist das, weil gerade solche Naturen von der Welt und den Umständen am leichtesten erdrückt werden; so wenig als zarte Pflanzen ein rauhes Klima moögen diese Unverstand und Rohheit ertragen, sie bedürfen zarte Pflege.“ „Ich glaube, du habest gute Lust,diese Pflege zu übernehmen, und dieses Aemtchen wäre gewiß angenehmer, als deiner undankbaren Praxis, wie du sie zu nennen beliebst, nachzulaufen. Thue doch das, Rüdi, da köunte man bei dir lernen, wie man einem Kranken abwarten und wie man ihm kochen muß,daß es euch Herrn recht ist.“

„Aber Sophie, schämst du dich nicht, so zu reden?Ist das nicht schön vom Vetter, daß er so großen Ancheil an seinen Kranken nimmt. Es wäre wohl gut, es hätten es alle so, klagt man nicht oft über die Dokter,daß ihnen ganz gleich sei, ob sie einen Eichenklotz oder einen Menschen unter den Händen hätten?“ sagte die Mamma.

„Ja, Mamma, es ist gar schön vom Vetter, aber Wunder würde es mich doch nehmen, ob er gleich großes Mitleid mit dem armen Meyeli hätte, wenn es wüste Hände hätte, eine verhagelte Haut, Triefaugen,und einen Mund, wie ein alter Kuchischaft voll rußiger Pfannenstiele? Ich glaube, da wäre das Mitleid nicht halb so groß, wenn auch das Elend noch einmal so groß wäre.“

„Du bist es wüͤst's Meitschi, Sophie, so etwas dem Vetter nachzureden, ich muß mich schämen, ein Kind zu haben, das geng zWösere glaubt und fürezieht. Ih weiß auch gar nit, was du für eine Wuth hast, immer mit dem Vetter zu zanken.“ „O Tante, laßt Sophie doch machen, sagte der Doktor, ich bin dessen gewohnt,bin überhaupt gewohnt, daß man mir alles bös auslegt. Gerade solche Auslegungen sind schuld daran,daß uns das Interesse an den Menschen vergeht, und wundern soll man sich dann gar nicht, wenn zuletzt uns allerdings die Menschen nicht anders vorkommen, als dem Kesselflicker die alten Pfannen, welche er ausbessern soll.“ „Ja, so öppe mit alten Weibern ist's einem jungen Doktor bald so, aber gegen junge, mit feiner, durchsüchtiger Haut, nein Rudi, da geht es dir nicht so, da hast du ein viel zu gutes Herz.“

„Aber Papali, heiß doch das Meitschi schweigen,es wird je länger je uv'orschanter gege Vetter, sagte die Mamma, es verleidet ihm gewiß noch, zu uns zu kommeu, und gewöhnt sich ein Zanken an, was ame ne junge Möusch so übel ansteht.“

„Häb nicht Kummer, Mamma, sagte der Pfarrer,sie haben schon manches Jahr zusammengezanket, und immer wieder Friede gemacht, der Növö weiß, wie das gemeint ist, nit halb so bös als es usg'seht.“ „Aber dem gute Vetter gah zumuthe, er habe nur deßwegen Mitleid mit der jüngen Frau, weil sie hübsch sei, das ist doch wirklich uv'rschant und recht beleidigend für dä gut Vetter,“ antwortete die gute Frau recht böse. „Ja,Mammali, öppis recht het z'Sophie doch, wenn's scho besser tha hätt z'schwyge.“ „Aber Papali, was denkst doch, z'Sophie Recht, und het dem Vetter g'seit, er interessire sich für die junge Frau nur deßwegen, weil sie ihm gefalle, denk doch, wie abscheulich, wenn das wahr wär?“ „E Mamma, nit halb e so, wie du meinst, ich hab es gerade auch so wie der Növö.“

„O Papa, häb nit G'spaß mit sellige abscheuliche Sache, pfitusig, es könnte einem zuletzt ab euch gruse,wenn man nicht wüßte, daß es nur Spaß waäre.“ „Kein Spaß ist's, sagte der Pfarrer, purer, lauterer Ernst,die Sache ist ganz natürlich.“ „Ja, nur z'natürlich,sagte die Mamma. Aber Papali, red mir nicht so,der Herr Vikari könnte die Sache für Ernst nehmen,und sich darob äͤrgern, wie er auch recht hätte.“ „Das wird er nicht, sagte der Pfarrer, er wird es sicher auch haben, wie wir andern alle.“ „Herr Pfarrer, sagte der Vikari, ich bitte, mich da nicht hinein zu ziehen, ich habe meine eigenen Grundsätze und muß bekennen, daß ich in solchen Dingen nicht Spaß verstehe, es laht st nit g'spasse mit sellige Sache, und wie me redt, denkt me o.“ „So habe ich es allerdings im Brauche, sagte der Pfarrer,und was ich gesagt, meine ich auch. Aber es gibt Worte, Redensarten, über die man Zettermordio schreit,wenn Jemand sie ausspricht, und zündet man diesen Redensarten ins Gesicht, so enthalten sie klare Wahrheit, die Jedermann zugeben muß.

Herr Vikari, was würdet ihr z. B. sagen, wenn euch Jemand anwerfen würde, ihr hättet die Schönen lieber als die Wüsten?“ „Ich würde es für die gröbste Beleidigung halten,“ antwortete der Vikari. „Aber nur,antworiete der Pfarrer, weil ihr hinter diesen Worten einen zweideutigen, bösen Sinn suchen würdet, einfach für sich sind sie sicher vollständig richtig. Wenn z. B.zwei Kinder euch um ein Almosen ansprechen würden,ein niedliches, hübsches, hinter dessen Armüthigkeit hervor noch eine gewisse Reinlichkeit schimmerte, und ein wüstes, strubes, mit einer langen Sch Nase, was gilts, das erste Wort, den ersten Kreuzer, erhielte das Hubschere, oder wie man richtig zu sagen pflegt, das AÄnsprechendere? Und du, Sophie, wenn du im Simeligraben über den bösen Steg wolltest, wo du nicht alleine hinuberdarfst, und jenseits stüunden zwei Menschen, ein schmutziger Bettler, ein schmucker Offizier oder Vikari meineihalben, und beide streckten dir ihre Hände zur Hülfe, mich nähme doch Wunder, welche du wahlen würdest, die schmucken oder die schmutzigen? Der Mensch hat von Gott ein Gefühl erhalten, welches durch das Schöne angenehm berührt, durch das Häßliche verletzt wird, das ist eine Wahrheit, welche nicht abgeläugnet werden kann, und wo dieses Gefühl sich verwischt, stumpf wird, da nimmt das Thier im Menschen zu und das Höhere schwindet. Das giltet nicht nur in Beziehung auf den Menschen, sondern an Pflanzen, Thieren, allen Gebilden aus Menschenhand zieht das Ebenmäßige an, Ungestaltetes stoößt ab, bestimmte Formen werden schön genannt, andere häßlich. Warum das läugnen, warum böse werden, wenn man einem Xä aber, und da liegt ein anderer Hacken, ist der Mensch eine Doppelnatur, er hat Leib und Seele, er kann also leiblich schön und geistig schön sein, oder keins von beiden, oder das eine aber · das andere nicht.

Es gibt Leute, welche körperlich schön sind, aber häßlich an der Seele, und diese Häßlichkeit ist nicht etwa eine versteckte, lauert nicht etwa nur in einer Ecke des blinzenden Auges, wie eine Spinne hinter ihrem Netze, sondern sie breitet sich über das ganze Gesicht und alle Glieder aus, gibt in jedem Worte sich kund,und einer findet diesen Menschen doch noch schön, und schließt sich an ihn, dann kann ihm das allerdings zum schweren Vorwurf gelten. Worin besteht dieser Vorwurf? Er wirft dem Menschen das Aergste vor, welches man ihm vorwerfen kann, nämlich das, daß er ein Thier sei und kein Gefühl für sittlichen Werth und Unwerth habe. Es gibt z. B. hübsche Meitschi, glatt wie Bachfornen, aber sie legen Eitelkeit, Sinnlichkeit,Hoffahrt an den Tag, nothzüchtigen ihr Geißenhaar,daß es kraus werde, reiben das Gesicht, daß es glänzend werde, lassen zu Ader, damit es etwas schmachtend werde, was, beiläufig gesagt, Koöchinnen, welche sich zu sehr gemästet, zu thun beginnen, machen jedem Sauniggel verliebte Augen, daß man auf dem einen sitzen und das andere absägen könnte, ein Büschelimüli, als ob sie dem Mond ein Müntschi geben möchten, verhunzen ihre handliche Figur, wie man eine währschafte Kalbete verhunzen würde, wenn man sie zu einem Wespi zusammenschnüren wollte, und laufen endlich wie alte Wallfahrer auf Erbsen, weil sie an jeder Zehe zehn Aegerstenaugen sich zweg erzwängt mit engen Schuhen, und reden dazu wie leibhaftige Dreckseelen, so müßte man selbst eine Dreckseele sein, wenn man an einem solchen Mensch Wohlgefallen haben wollte, und wäre er körperlich noch so schön geförmt. Da überwältigt die Seele den Leib, gießt etwas Abstoßendes ůber denselben aus, welches alles Wohlgefallen tödtet.

Es gibt aber wiederum Menschen, welche körperlich häßlich sind, im ersten Augenblick abstoßen, aber mu jedem Male, daß man sie sieht, gewinnen, daß man zuletzt ihre Häßlichkeit vergißt, recht hübsch sie sindet,das innigste Interesse an ihnen nimmt. Es überwältigt auch hier der Geist die Form, die innere sittliche Schönheit, die Gutmüthigkeit, das Wohlwollen, die Heiterkeit die Reinheit, die Begeisterung, werfen Strahlen aus,fesseln die Herzen, binden sie, doch nur die, welche für sittliche, religiöse Schönheit empfänglich sind. Es gibt allerdings Leute, welche für diese Art von Schönheit kein Gefühl haben, man findet sie unter der gebildeten und ungebildeten Klasse, und sehr häufig unter den quasi zarten Mädchen, die aber mit Corsets und Schnüren ihr Herz unterbunden haben und nun nichts mehr sind als oben dünn und unten dick.“ „E aber, Papali,sagte die Mamma, du wirst ja recht boshaft, e, e, das hätt ich nie von dir geglaubt.“ „Was willst, lieb Fraueli, die Welt macht mich dazu, erfahre ich es doch täglich mehr, daß da, wo man am meisten vom Herz redet, die Herzlosigkeit am größten ist, und wo man nur vom inwendigen Menschen redet, die Dinge der Welt am meisten gelten. Doch, um auf unsere Sache zurück zu kommen, muß ich noch sagen, daß, wo innere und äußere Wohlgestalt und Schönheit sich gatten, ein unwillkürlich Wohlgefallen entsteht und ein Trieb, diesem Menschen wohlgefällig zu werden, und wenn er leidet,ihm zu helfen, geistig oder leiblich. Ein solcher Mensch wird, wenn er stirbt, am innigsten beweint, leuchtet noch lange im Widerschein der Liebe, wie die untergegangene Sonne im freundlichen Abendroth. Was Wunder also, wenn unser Doktor ein inniges Interesse an Jowägers Meyeli nimmt! Es ist dem Doktor nicht blos erlaübt, nein, ich hielte ihm nichts darauf, wenn es nicht so wäre, ich müßte ihn für roh oder abgestumpft halten, und leid wäre es mir, wenn sein Beruf sein Herz schon verhärtet hätte, da gliche er meinem Bruder selig wenig.“ „Ja, ja, es ist schön vom Rudi, daß er ein so weites Herz hat, daß seine Patientinnen alle Platz darin haben, ich wünsche einst seiner Frau Glück dazu, sie ist doch immer in guter Gesellschaft,“ sagte Sophie. „Ja, mein liebes Kind, einer Frau ist Glück zu wünschen, wenn ihr Mann ein Herz für andere hat,hat er keins für andere, so hat er auch keins für sie.An ihr ist's, zu trachten, daß sie immer die erste Stelle darin einnimmt, daß sie nicht wird einem abgelebten Despoten gleich, der ein Unflath ist und doch Himmel und Erde für sich in Anspruch nimmt, und zwar von Rechtswegen, den Mann z'Tüfels macht und doch will,daß er sie für seine gute Göttin hält. Sieh, ich hatte es wie der Doktor, es wird Familienanlage sein, bei was ich war, war ich nicht gleichgültig dabei, nicht kalten Herzens, sondern in lebendiger Wärme war ich bei allem, was ich that, und namentlich bei allen Menschen, die in den Bereich meines Amtes traten. Ja,und ich will dir sagen, wenn ein hübsches Bübchen oder ein hübsches Mädchen z. B. in meine Unterweisung kamen, so hatte ich allemal eine helle Freude dran, eine noch größere, als wenn mir prächtige Nelken und Rosen auüfgehen im Garten. Freilich geschah mir oft, daß die erste Freude mir häßlich verdorben wurde, wenn über die äußere Hülle der böse Geist seinen eigenthümlichen bösen Schein warf, aber sehr oft dagegen ward mir das Aeußere alle Tage schöner in dem Maße, als es mir gelang, mit der Hüülfe dessen, ohne den nichts geschieht, den bessern Menschen zu entbinden, aufzurichten die Schwachheit, und ans Ziel zu fesseln das immer heller werdende Auge. Deßwegen, Sophie, ward deine Mutter nie eifersüchtig, und bueb mir immer die liebste Blume, die Gott meinem Herzen geschenkt hatte, denn sie eroberte es durch Liebenswürdigkeit alle Tage neu,theilte meine Freuden, und war mein Trost in trüben Tagen. Ja, sie ward mir noch mehr, sie ward mein Vorbild. Werde nicht böse, Mamma, und wink mir ab, es schadet nichts, wenn die jungen Leute es hören.Sie war mein Vorbild darin, daß gerade, wo das abstoßendste Aeußere ihr entgegentrat, ihr Mitleid am meisten rege ward, sie diesen Menschen am meisten bedauerte am eifrigsten zu helfen begehrte. Gerade die Leute, sagte sie, seien am meisten zu bedauern, welche häßlich seien, und an der Seele zugleich, die habe hier Niemand lieb, und ob sie dort selig würden, liege im Zweifel, das sei doch so schrecklich, das Herrlichste, die Liebe Gottes und der Menschen, entbehren zu sollen in der Zeit und in der Ewigkeit. Dieser Leute solle man sich annehmen mit Liebe und Mitleid, gerade wie ja Gott auch der Menschen und namentlich der Juden sich angenommen, die so verstockten Wesens seien, die Liebe sei ja die Wärme, in welcher das Eis der Herzen schmelze.Wenn man solche Leute so recht christlich liebe, so wisse man nicht, ob man nicht ihre Seele retten könnte, daß sie Zutrauen faßten zu Goit und Menschen und Glauben an Möoglichkeit und Nothwendigkeit der Umkehr.So hat sie es gehalten immerdar, ist freilich oft betrogen worden und ausgelacht, wenn sie so einem unfläthigen Menschen aus der Tinte half, der nachher noch sieben Mal ärger ward und auf die Dummheit meiner Frau pochte; aber auch mehr als einmal, daß wir es erfuhren, hat ihre Liebe ein groß Werk vollbracht,ist einer armen Seele gewesen, was die Sonne der Erde ist. Da habe ich von ihr gelernt, wie es eine Liebe gibt, welche höher als die natürliche Liebe ist,die aus Wohlgefälligkeit entspringt, welche der Liebe Gottes verwandt ist, welche eben das Verlorne, das Haßliche am meisten liebt, weil es das Hülfsbedürftigste ist. Aber so weit in ihrer Ausübung brachte ich es nie, und mußte oft zusehen, wie meine Frau gutmüthig lächelte, wenn der äußere Schein mich anzog,ich mich immerdar zuerst zum Hübschern wandte, während sie es umgekehrt hatte. Aber Streit hatten wir deßhalb nie, und, Sophie, es ist nichts unglücklicheres für einen Mann, als wenn die Frau in der Ausübung seines Berufes ihn lähmt, ihn zwingen will aus Eifersucht, daß er zum schnöden Lohnknecht werde, der kein Gefühl, kein lebendiges Interesse für die Menschen, die ihr Heil, sei es nun geistiges oder leibliches, in seine Hände gegeben, mehr hat.“

Ja, sagte der Vikar, der Mensch täusche sich gar leicht über die Art des Interessens, welche er habe, und wissen könnte man nie, wie weit das führe, und da muüsse er doch der Jungfer Sophie recht geben, daß man, ehe man durch den Geist geläutert sei, sich vor jeder allzuwarmen Theilnahme an irgend einem Menschen, besonders andern Geschlechtes, zu hüten habe.Wenn nun da eine erleuchtete Frau, welche den rechten Unterschied zu machen wisse, die Schritte ihres weltlich gesinnten Mannes überwache, so habe sie vollkommen recht. „Herr Vikari, sagte der Doktor, steht nicht an einem Orte: Wer glaubt, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle, und wie weit die sogenannten erleuchteten und geläuterten Menschen ihre Theilnahme zu treiben wissen, das, Herr Vikari, kann man an den Muckern und andern mehr lernen. B'hüet ech Gott und zürnet nüt!“

Was ein Doktor ausstehen muß und wie es ihm ergehen kann.Es war ein struber, wilder Wintertag, Schnee wirbelte über die Erde, scharf pfiff der Wind über die Fläche, peitschte den Schnee, der Ruhe auf Erden gefunden zu haben meinte, wieder auf, jagte aufs neue in die Wirbel hinein, bis er sich bergen konnte hinter einer Hecke in einem Hohlweg, dort haufte er sich wie Soldaten hinter den Schanzen, wenn Kartäͤtschenhagel die Felder fegt. Oede war's im weiten, weißen Lande,nur hier und da durchschnitt in schrägem, ängstlichem Fluge eine Krähe die bewegte Luft, die Gefährtin suchend, die vielleicht strub und kupend auf einem Marchsteine sitzt. Langsam bewegt sich ein schwerer Frachtwagen durch die Ebene, die Pferde dampfen, den Kragen des Mantels schlägt der ungestͤme Sturm dem Fuhrmann um den Kopf, und wie oft er Schnee von den Rädern schlägt, immer wieder drängt er sich zwischen die Speichen, preßt sich über die Schienen, immer mühsamer drehen sich die mächtigen Raäder durch den wachsenden Schnee, oft weiß man nicht, bewegt er sich noch oder sind die bewegenden Kräfte aufgezehrt, sind sie am Erstarren, und doch schwindet er endlich aus dem Gesichtskreise, einem schweren Leben gleich, das unter schwerer Bürde oft stockte, und doch fort sich schleppte, lange, lange, bis es endlich schwindet aus den Augen der Menschen. Finstrer ward es, nichts sah man mehr über der Ebene, als wirbelnden Schnee und dieses Wirbeln auch nur zunächst um sich, der Gesichtskreis zog sich immer enger um den Menschen zusammen,jenem fürchterlichen Thürme ähnlich, der immer enger und enger wurde, bis er seine Bewohner zermalmte.Manchmal reichte das Auge nicht weiter als der Arm,und oft mußte es lange sich schließen, den wunderbaren Fälladen vorziehen, den Gott selbst uns gegeben hat.Zuweilen heiterte es wieder, das Auge konnie sich öͤffnen, weiterhin seine Runde machen.

In einem folchen Zwischenraume sah man aus dem Walde hervor einen Mann treten, langsam, sah ihn stille stehen, die Hände in die Seiten stemmen, sich setzen auf einen Abweisstein. Dort saß er lange, lange sah man ihn; wenn der Gesichtskreis zusammenschrumpfte,wieder nicht; dann reichte das Auge bösdings wieder hin, aber lange wußte man nicht, saß auf dem Abweisstein eine strube, kupende Krähe oder noch der gleiche Mensch. Man begann zu werweisen, ob man nicht hin solle, zu sehen, was mit dem Menschen sei, aber ber wirbelnde Schnee dämpfte bedenklich die ohnehin nicht sehr brennende Menschenliebe, und wenn davon die Rede war, sprach einer zu dem andern: „Vetter,geh du voran, du hast Stiefel an.“ Ein Mädchen,welches dem Spiel und Werweisen zusah, konnte sich nicht enthalten, die verglimmende Liebesgluth anzublasen:„Die wüstiste Hüng syt d'r doch de, wo d'Welt treyt,selb ist wahr. Wes wär, für eine z'prügle, oder eim öppis z'vorderbe, ihr hättet ech längst usb'sinnt, und hättet g'macht, wele eh. Jetz, wo's drum z'thüe ist,öpperem z'helfe, sott me meine, ihr hättet all papierig Scheiche, und zuckerig Gringe, ihr Stopfeni, was iher

Anne Bäbi. II. 22 338 seid, und wenn ihr nicht auf der Stelle geht, so gange mir Meitscheni.“ „So göht, das ist m'r emel glych,“antwortete ein Bürschchen, das Hochmuth hatte für drei,dabei aber nicht drei Mäß Krüüsch hoch war.

Eben als die Mädchen dazu sich anschickten, kam aus dem Walde heraus ein Wägeli, auf demselben saß ein Mann, beim Abweisstein fuhr er fast vorbei, dann hielt er plötzlich still, sprang ab, und trat zum Steine hin. Dort erhob sich der andere, man sah nun gut,daß es keine Krähe war, ging mühsam zum Wägeli,der audere half ihm hinauf, und so rasch als der sich mehrende Schnee es erlaubte, fuhr das Wägeli dahin.Wem ist ächt das g'si? frug man sich, aber Niemand fonnte es sagen oder errathen.

Das war Rudi, der Doktor, gewesen, der dort auf dem Steine gesessen. Die Rötheln regierten stark und bösartig, das Scharlachfieber zeigte sich hier und da, und beide Krankheiten werden auf dem Lande, wenn sie es schon an und für sich nicht sind, aus zwei Gründen leicht gefäͤhrlich. Wenn die Vorläufer beider Krankheiten, Kopfweh, Halsweh, Husten, Fieber, nicht so stark sind, daß sie die Menschen ins Bett werfen, sie mögen wollen oder nicht, so geschieht es leicht, daß die Kränkheit selbst am Ausbruch gehindert wüd, zurückschlägt durch Erkältung, den Einfluß ranher Lüfte; gar manches Siechthum kommt vom Zurückschlagen dessen,was ausschlagen sollte, und manches Herz ist ob solchem Schlag gebrochen. Bricht die Krankheit auch aus,so wird sie sehr oft nicht gehörig beachtet, ihr nicht abgewartet, der Kranke den Einflüssen der Luft zu früh ausgesetzt, und es entstehen ebenfalls Rückfälle und Rückschläge, böse Augen, böse Ohren, Wassersuchten u. s. w.; der Arzt hat mit predigen, kapiteln, mit bösen Folgen, weit mehr zu thun als mit der Krankheit zu Herzen, da es zumeist Kinder waren, welche davon befallen wurden, und Gefahr liefen, Zeitlebens den herrschenden Unverstand büßen zu müssen, wenn sie nämlich mit dem Leben davon kamen. Er machte es sich also zur Pflicht, so viel möglich selbst nachzusehen,versuchte, die Leute im Bett zu behalten, bis er nach eigenem Augenschein das Aufstehen ihnen erlaubte, und doch konnte er so vieles nicht verhüten und hatte auch mit lebensgefährlichen Folgen die Hände vollauf zu thunZudem war es noch einer der Jahrgänge, in welchen diele schwere Geburten statt fanden, ärztlicher Beistand sehr oft nöthig war, denn nach Behauptung vieler Aerzte herrscht in dieser Beziehung ein sehr merkwürdiger Unterschied, so wie es in gewissen Jahrgängen viele Zwillinge geben soll, so gebe es Jahre, wo die meisten Geburten leicht seien, und wieder umgekehrt. Nach schwerem ermüdendem Tagewerk hatte er Äbends zuvor schachmatt sich niedergelegt, nach Mitternacht toönte die Hausglocke.Sonst hatte er es wie ein Soldat, den der erste Trommelschlag aus dem Bette sprengt; wenn die Hausglocke anschlug, so war er schon mit den Beinen zum Bette aus. Es war eine eigene Hast in ihm, er wußte,wenn man auf dem Lande den Doktor ruft, vollends des Nachts, so ist Noth an Mann, und die Zeit kostbar und wenn man auch am Tage läutete, und er saß hungrig hinter dem besten Bissen, es stellte ihm den Appetit, er mußte aufstehen und gehen, es duldete ihn nicht ruhig. Zudem hatte er eine Magd, so ein alter Hauskäs, welche ihn schon auf den Armen getragen hatte, diese hatte ihn lieber als ihren Herrgott, er war ihr alles, aber über Niemand ward sie auch so böse,und mit Niemand zankte sie mehr, als mit ihm. Ihr Rudeli hätte daheim im Sessel sitzen und sich von ihr pflegen lassen sollen, da hätte sie recht gerne, so lange es Tag war, Leute zu ihm geführt, ihnen gerühmt,wie keiner sei, wie ihr Rudeli, schon von der ersten Stund an fei er ganz anders gewesen, als andere Kinder, wo nichts als zu plären wüßten, und alles zu netzen, was man ihnen untere mache, von der ersten Siund an hätte er sie gekannt und geng z'Gringli dräyt, wenn si g'redt heyg, oder ume i d'Stube cho syg, u gäb wie süverlig. Üsjetzt sei er e Dokter, wie's kene gaäb, so wyt d'r Himmel blau syg, er wüß, wo's de Lüte fehl, gäb si ume zum Hus zuche syge u müß da nit d'Nase i d'Brunzguttere stoße, u si no längs Stück b'sinne, wie die angere Stürmine z'ringsum, wo no mängist müsse ga d'Frau frage, was sie ächt mein.So hätte sie ihm recht gerne eine große Praxis gegönnt, aber eben nur vom Sessel aus, und wenn sie dabei sein konnte, und wenn es nicht Eß- oder Schlafzeit war. Sollte der Doktor aber fort in Wind und Wetter, da ward es auch bei ihr bös Wetter. Konnte sie bei den Leuten z'Platz kommen, so g'schirrete sie mit ihnen aus und sagte ihnen, Verstang hätten sie keinen,und wenn sie zahlen sollten, kein Geld, sie käämen nur zu ihrem Herrn, weil der der dümmste Mensch sei auf Gottes Erde, u Niemere nüt heusche könn. Wenn sie ihn zahlen müßten wie einen andern, sie wären nicht hieher gekommen. Noch vielmehr aber mußte der Herr hören, wie er nüt Sorg chönn ha, er werd's g'wüß no einist erfahre, bi selligem Wetter usz'gah, g'wüß chöm er ihm einist no todt hei, es well wette. Bald verläugnete es ihm Schuhe oder Stiefel, bald den Mantel, weil sie beim Schuhmacher oder Schneider,oder noch naß und ungeputzt seien, und meinte so den Doktor hin und daheim zu behalten. Als er aber einige Male gesagt hatte: „E nu i Gotts Name, gange muß sy,“ und gegangen war in leichten Schuhen, ohne Mantel, versuüchte es diese Kunste nicht wieder. Aber das Räsonniren und Abputzen konnte es nicht lassen, der Doktor hatte seine liebe Noth mit ihm, und die Leute fürchteten es wie den bissigsten Hund, es war gleichsam der Cerberus oder Höllenhund vor des Doktors Apotheke. Und wie man es mit einem bösen Hund halten muß, ihn immer unter Augen haben und bei der Hand sein, wenn Jemand naht „Gusch!“ sagen muß, „gang hintere, häb di still Rämi!“ so hatte es auch der Doktor mit der Magd. Er gab oft selbst Bescheid, winkte den Leuten durchs Fenster, nur herein zu kommen, und seine bekannten Kunden dressirte er ordentlich auf seine Magd hin, d. h. er sagte ihnen, erstlich sollten sie die Schuhe gut abputzen, ehe sie ins Haus kämen, und zweitens immer ein gewisses Bedauern mit ihm äußern,sagen, es sei ihnen leid, aber sie müßten einmal wieder den Doktor plagen, er werde sonst zu thun haben, daß er längs Stück nit werd wüsse, wo wehre. Wenn sie diese zwei Vorsichtsmaßregeln trafen, so konnten sie ziemlich sicher sein, ungebissen durchzukommen. Gerade wie die guten Haus- oder Bleicherhunde war sie am bösesten des Nachts, wem da der Doktor nicht alsbald zu Hülfe kam, hatte einen bösen Stand, sie sagte den Leuten wüst, verläugnete den Doktor, verschickte sie,kurz, sie that das Möglichste, dem Doktor das Aufstehen zu ersparen. Wenn die Leute nicht Utüfle wäre und kei Verstand hätte, si käme nicht noch z'Nacht, wo sie doch wüsse, daß er sich des Tags fast zĩtodt g'laufe sei, schnauzte sie, das sei nur Bosheit, öppe so g'schwing werd öppe Niemere krank, daß me nit am Tag hätt chönne cho, oder warte bis am Morge, es sei nur,weil die Hüng z'Nacht besser d'r Zyt hätte z'laufe, u Tags se d'8Syt reu. Wollte der Doktor also nicht, daß die Leute verschickt wurden, ohne daß er es am Morgen vernahm, so mußte er selbst auf wenn geläutet wurde, und nicht warten, bis Käthi seine Manövers machen konnte. Dießmal tönten die Töne der Glocke ebenfalls in seinen Schlaf hinein, weckten ihn aber nicht zu hellem Bewußtsein. Bleiern lag der Schlaf auf ihm, dumpf hörte er die Töne, es dämmerte ihm ein Traum herauf, als läute es einer Leiche zu Grabe, als sei er ein Pfarrer und solle gehen, das Leichengebet zu halten, aber er konnte nicht, gebunden waren seine Glieder, die Beine wollten sich nicht bewegen, er wollte Kleider suchen und konnte nicht sehen, wollte rufen und konnte nicht schreien, und lauter und lauter tönte die Glocke, immer höher stieg seine Angst, aber bleiern,gebunden blieben seine Glieder, keins gehorchte seinem Willen, und je mehr er angstete, desto tückischer neckte ihn der Traum in seiner Ohnmacht. Und die Glocke verstummte nicht, gäb wie Käthi den Läuter abschrecken wollte. Nach seiner Sitte war es unters Fenster gefahren, hatte den Mann unten angefahren, was er da zu läuten hätte um Mitternacht, ob der Tag nicht mehr lang genug sei für ihres Kähr und G'stürm.

Das Maännli sagte: sie hätten gewartet, so lange sie gekonnt, und gemeint, sie wollen den Doktor nicht plagen, aber es hätte müssen sein, es soll dem Doktor sagen, er müsse zu einer Kindbetterin aufs Schneehubeli. Er sei e uverschante Ma, z'meine, d'r Dokter solle in einer solchen schwarzen Nacht in der Welt herumlaufen, es weck ihn nicht, am Morgen wolle es ihm's sagen, und somit schlug Käthi das Fenster zu.Mein Mannli aber nicht faul, läutete herzhaft wieder,daß Käthi wie ein Sturmbock wieder unters Fenster fuhr und schrie: „wottsch höre oder nit, du Uflath,was de bist, d'r Dokter ist nit daheim, un was nützt es d'r, wed scho die ganzi Nachbarschaft weckst mit dym v'rfluchte G'lüt?“ „Der Dokter ist daheim, und bis er füre ist lüte ih, zell druf, sagte der Mann, ih weiß was du fuüͤr es Bürzi bist,“ und läutete wieder, und stärker. „Willst dich fortmachen, du Pflegel du, du dolders Bur, was de bist, oder ih b'schütte di!“ rief Käthi. „B'schütt, su bängle ih,“ antwortete das Maunnli und läutete, als ob die Glocke hinunter müßte.Nun ward es Käthi Angst, nicht wegen der Glocke,sondern wegem Doktor, der war sonst alsbald da, wenn die Schelle ging, jetzt läutete der Sturm, als ob das Dorf brenne und kein Doktor regte sich. Da ward es eben Käthi Angst, der müsse gestorben sein, sonst wäre er da, es stürzte in die Stube. Dort stöhnte der DToktor, brummte etwas von Siegrist, Betbuch, Kirche,daß es Käthi himmelangst wurde in der Meinung, der Doktor sei verirret. Es faßte ihn beim Arm, rüͤttelte ihn und sagte: „Herr Jeses, was fehlt ech! Die d Lüt chönne ech doch nie ruhig lassen, ich habe schon lange gesagt, es komme so, setzt heyt d'r's, jetz chönnet er selber luege, mira! Herr Jeses, Herr Jeses,“und draußen läutete es immer härter. „Ganget ume,Siegrist, sagte der Doktor, läutet noch, ich komme gleich.“ „Herr Jesis, Herr, ih bi Käthi, nit d'r Siegrist,draußen läutet es Burekalb, und wott nit höre, dä 345 Pflegel, das Veh.“ Da fuhr der Doktor auf, als ären plötzlch Ketten und Banden gesprungen. „Bist du's, Käthis? sagte er, g'hörst, es läutet draußen Jemand. Warum lässest du ihn nicht ein, du bist doch smmer das Gleiche.“ „Das wird der Dank dafür sein,daß ich so Sorg zu euch habe, sagte Käthi. Der kann noch lange läͤuien, dem Lümmel mache ich nicht auf.“Auf der Stelle geh, Kathi, thue auf, führe ihn in die Apotheke, ich komme gleich.“ „Steht doch nicht auf,Herr, sagte Käthi, es nützt doch nüt, dä Kerli wott jä ke Zug, und deretwege heyt doch nit Müey.“ „Was will er denn?“ fragte der Doktor. „Er het neuis vo ne re Kindbetti g'stürmt, aber ih glaub, er syg volle,er wurd sust nit' so lüte, u wär gange, wone brichtet ha, u wes wär, su wird die wohl warte bis am Morge,was het die Täsche daã Weg brucht z'weg z'cho.“ Unterdessen war der Doktor aufgestanden, hatte zum Fenster aus dem Manne gesagt, er werde gleich kommen,Licht gemacht, sich dürftig angezogen, und ging hinunter irotz allem Kifel von Käthi, er soll doch nur im Bett bleiben, und ihm befehlen, was es dem Stürmi sagen oder geben solle, es wolle es gewiß Punktum verrichten, aber auf solle er nicht, und dann vor use gar nicht, selb solle er ihm nicht z'Herrgetts sy, i re sellige Nacht, zu selbem wett's de o no öppis säge. So belfernd zog Käthi hinter ihm drein die Treppe ab, wie ein Spißhundchen, dem seine Dame zu unrechter Zeit will, oder eine Katze auf dem Arme trägt und iebkost.

Als der Doktor den Mann einließ und derselbe an Kathi vorbeiging, fehlte nicht viel, daß sie einander in die Gesichter geschossen wären; aus Respekt vor dem Dokter gränneten sie sich hinter dessen Rücken blos an,das daun aber auch meisierhaft. Käthi ging nicht in die Apotheke, es schlirpete im Gang herum und schmetterte einige Thüren zu, so gleichsam Bezeugungen seines Mißfallens über den Bericht des Mannes. Der Doksor läutete, rief nach Mantel und Stiefeln. „Da wollte ich doch ein Narr sein, und die ihm bringen, 344 brummte Käthi, so expreß sich ga zitödte, selb thue ih nit, m'r wey doch de luege wer Meister ist.“ Es wehrte sich handlich, wollte erst von den Stiefeln nichts wissen,den Mantel beim Schneider haben, mußte indessen am Ende den Doktor doch gehen sehen, er blieb Meister,aber mit Mühe und in großem Aerger. Er mußte alles gleichsam erobern, langsam, Schritt um Schritt,und pressirte der Fall doch so, und war des Doktors Natur ohnehin fast wie Feuer und Büchsenpulver. Es mußte Käthi sein, seine alte Magd, um dieses ungeprügelt wagen zu koönnen, indessen ward er doch voll Galle;innerlich fluchte er mörderlich und dachte, so koönne das doch nicht fürder gehen, ärger könnte es ihm eine Frau,und wäre sie das boöseste Räf unter der Sonne, nicht machen, und dann wäre sie doch die Frau, und nicht blos so eine alte Brummelsuppe von Magd.

Es war allerdings eine unlustige Nacht, um fast zwei Stunden weit zu gehen, denn von Fahren in stockfinsterer Nacht auf dem zu machenden Wege, war da keine Rede, und ehe der Knecht geweckt, das Fuhrwerk zweg gewesen, konnte der VBoktor halb Wegs kommen. Es war, wie es am schauerlichsten ist, weun man aus dem warmen Bette kömmt. Ein naßkalter Nebel lag über der Erde, frostiger Schneeluft strich übers Land, Schnee und Koth durcheinander füllten den Weg, der halbvoll Löcher und halbvoll Steine war, so daß, wenn man die Löcher mied, über die Steine stolperte, und in die Löcher gerieth, wenn man die Steine mied.

Das ist etwas, in schauriger Nacht, müde und schläferig, durch Dick und Dünn Stundenweit zu gehen, seinem Berufe, seiner Pflicht nach, ohne Lohn vielleicht, ohne Ruhm jedenfalls, denn so was ist Schuldigkeit, kömmt in keine Zeitung, bringt in keinen grünen Sessel, bringt keinen Ehrenbecher, und doch ist das was anderes, als bengelhafte Ärtikel schreiben in warmer Stube, oder noch bengelhaftere Audienzen geben in gläͤnzenden Salons, und doch ist solch ein Liebesdienst in naßkalter Nacht eine größere Heldenthat, als 348 'Maul aufreißen in einem Kaffehaus oder dummes Zeug schwatzen in einem Rathhaus; und einer armen Frau zu helfen, die einem nicht einmal ein warmes Kaffe zu geben vermag, weil sie keine Milch dazu hat,ist verdienstlicher, als gegenseitig sich zu verläumden und anzulügen, und sich groß zu machen. Freilich, wenn man auf einem Dreckhaufen oder auf einem Galgen steht, sieht man größer aus, aber ob deßhalb ehrenwerther, ist die Frage.

Und wenn nun so ein Doktor, ein sogenannter Landarzt, in tiefer Mitternacht solche Wege geht, feuchter Nebel sein Gesicht benetzt, schaurig der Wind durch den Mantel dringt, Koth und Schnee über die Stiefel schlagen und es kommen ihm Gedanken über den Lohn der Welt und die Ungerechtigkeit der Welt, wer will sie ihm übelnehmen? Er setzt sein Leben ein uud was bringt er davon, einen frühen Tod, einen siechen Leib,um seine Bezahlung maärtet man, und wenn er unter die gewixten Herren kömmt, so lächelt man; so ein wohlgelecktes Schreiberchen, das seine Füße im Trocknen hat, sieht ihn über die Achsel an, und führt er eine Beschwerde, so rümpft man die Nase, schreibt darauf: selber Schuld! legt sie ad acta, d. h. dahin, wo Alles liegt, was unbequem ist, nicht in den Kram dient. Jetzt wandert er den beschwerlichsten Weg auf Kosten seines Lebens, andere sitzen an glänzendem Souper auf Staatskosten, prunken mit Epauletten und Schnäuzen, vertrinken jährlich Tausende in Rheinwein und Champagner (vide Rechnungen), kommen dafür in die Zeitungen, jedes Wort das ihnen vom Leibe geht,wird in Noten gesetzt und ausposaunt, und nächstens ist von Gehaltserhöhung, Gratifikation, Taggeldern die Rede, und für einen armen Landarzt, der dem Staate seine Bürger erhält und zubringt, ist nirgend ein Kreuzer, kein freundlich Wort, kein rechtlicher Schutz und wenn er bezahlt sein will für gekaufte Mittel, kann er von Pontius zu Pilatus laufen, wird zu Herodes goschickkt und wer weiß, ob man nicht auch noch das Geiseln gut findet für ihn. Wenn er solche Gedanken 346 im Herzen wälzet, der arme Doktor in Nächten, wo kein Stern ihm am Himmel glänzt und schwarz wie die Nacht sein Beruf ihm scheint, wenn schwarze Quellen in seinem Herzen aufspringen und bittere Ströme über seine Seele fluthen, wer will es ihm wehren und wird es ihm wohl der zur Sünde rechnen, der die Gedanken schauet im Herzen der Menschen? Das wissen wir nicht, aber wenn der da oben den armen Doktor liebt, so läͤßt er ihm freundliche Sterne aufgehen am Horizonte seiner Seele und freundliches Licht sie werfen in däs Dunkel hinein, welches zu herrschen meinte in derselben. Freundliche Kinderaugen läßt er blicken ins Dunkel hinein, Kinderaugen, denen er der Sonne Licht erschlossen, des Lebens Licht erhalten, des Lebens Freuden ihuen zuruück gegeben und Alles mit weicher Hand und freundliichem Munde, beides treue Diener der inwohnenden Liebe. Sinnige Blicke läßt er strahlen ins Dunkel hinein aus flammenden Jünglingsaugen, aus tiefglühenden Mädchenaugen, sie danken ihm stumm und innig für der Eltern Leben, für die eigene Pflege, für der Geschwister Gesundheit, sie graben mit glühender Schrift Zeugnisse in sein Herz, daß sie ihn nie vergessen, daß er ihnen eine freudige Erscheinung sein werde, wo sie ihn treffen werden im Leben oder nach dem Tode. Es gehen ihm als Sterne am Horizonte seiner Seele Gatten Augen auf, strömenden Dankes voll für die Rettung des Theuersten, sie haben keine Worte, in ihnen klingt keine Münze, aber sie sind heiliger Verheißungen völl, daß einer sei, der ächte Treue nie vergesse, der in wahren Treuen ausrichten werde,was seine Kinder nur mit stummem Danke zu vergelten vermochten. Mit freundlichem Glanze sieht er über sich aus weißen Haaren Augen blicken, ste freuen sich feines Thun, daß er das Wahre ergriffen, sie lächeln ihm die Gewißheit zu, daß, wer ausharre bis ans Ende, selig werde. Und hinter diesen freundlichen Augen strahlt es hell und heiter in unergründlichem Glanze über den ganzen Himmelsbogen, der wunderbaren Milchstraße gleich, es ist der Segen Got 347 tes, der wunderbar und unerforschlich über dem Getreuen ruht, von Anfang bis zum Ende sein Thun durchfließt,der wie mit Mutierarmen alles umschließet, die der Getreue im Herzen trägt und Sein sie nennt. Wo es so hell und herrlich aufgeht in eines armen Doktors Herzen, auf seinen strüben Wegen in tiefer Mitternacht,hat er da wohl noch zu beneiden hohle Köpfe mit Schnäuzen, blonden und braunen, hohle Herzen, in die kein Schein fällt von oben, höchstens ein Schimmer von Epaulettes, silbernen oder goldenen, hohle Seelen,in denen nichts wieder tönt, als Münz und gnädige Worte, in denen nichts weht, als Neid und Angst, in denen nie ein Stern am Himmel aufgehen wird, nichts,gar nichts, als höchstens einmal ein Titel oder ein Ehrenbecher oder eine Gratifikation.

Doch, wenn wir aufrichtig sein wollen, so flammte es dießmal nicht auf solche Weise in des Doktors Inwendigem, sondern ganz anders. Der arme Mann,der mit der Laterne vor ihm her ging, so rasch, daß der Doktor ihm fast nicht folgen konnte, war vom Doktor über die Umstände der Frau befragt worden, und das gab ihm Anlaß, über seine Umstände im Allgemeinen zu reden, das Herz zu leeren, das voll war bis oben aus. Er war ärm, hatte viele Kinder, war oft von Krankheiten heimgesucht und Unfällen aller Art,bald ging eine Geiß ihm dahin, bald nur das Gitzi.Aber auch so ein Gitzi ist für ein arm Mannli ein Kapital, ein Rittergut, für ein arm Mannli, dessen ganzer Reichthum eine verfallende Hütte ist, und zehn Kreuzer Taglohn. Doch sei alles noch gegangen, denn seine Frau fei grusam fleißig, wisse alles zu Ehren zu ziehen, und hätte auch die Kinder dazu. Den Zins,den sie nöthig hätten, hätten sie gewöhnlich mit dem Flachs gemacht, der noch wohl gerathe auf ihrem Stückli Land, von wegen, eine Sau zu mästen möge es nicht abtragen bei ihrer Speis, wo man für d'King nicht genug Milch und Mehl habe, v'rschwyge de für e Sau.Der Flachs sei im vergangenen Sommer gut gerathen und d'Rösti sei b'sungerbar gut gewesen, sie hätten Flachs erhalten, nie so, so schön und so gut. Seine Frau und d'Meitscheni hätten gesponnen Tag und Nacht,es heyg es Garn gäh, z'Herz im Lyb heyg eym fry g'lachet und sie hätten ausgerechnet, es gebe nicht blos den Zins, sondern noch eine Steuer für ein neu Bett für die größern Kinder, die bisher nur auf Spreuern geschlafen. Am zwanzigsten Tag Marit sei er auf Bern gegangen mit dem Garn, habe es gut verkauft, einem ältlichen Manne, der habe ihm gesagt, er solle da warten, er wolle das Garn in seinen Keller tragen und sein Geld holen, welches er dort gelassen, gleich komme er wieder. Er habe gewartet, gewartet, der Mann sei nicht wiedergekommen, habe ihm nachgefragt, Niemand habe ihn gekannt, ihn gesucht, ihn nirgends gefunden.Es könne Niemand denken, wie ihm gewesen, sagte er,und aufs neue uüͤbermannte ihn Jammer und Zorn, daß er längs Stück zu keinem ordentlichen Worte kommen konnte. Lange habe er nicht gewußt, was machen, ob heim gehen oder in die Aare springen, und noch als er über die Brücke gegangen, sei er lange stille gestanden,und heftig hätte es in ihm gwerweiset, will ich oder will ich nicht? Vor dem Heimkommen hätte es ihm gruset, er könne nicht sagen wie, Frau und Kinge, wo sich so auf sein Heimkommen gefreut, zu sagen: „ich habe nichts, alles verleichtsinniget, alles ist fort, pflanze und spinne, alles ist nüt!“ das hätte er fast nicht übers Herz bracht, es heyg ne duecht, wenns nur brechen thät von ihm selber. Brech doch so mengi Bähre,wenn me z'viel ufladi, warum de nit o nes Herz. Aber es heyg's emel nit welle gäh und selber es abenangere mache, heyg er doch o nit welle, er heyg a Frau und King denkt und a d'Schang und nit welle us eim Leid zweu mache. Und i Gotts Name bi nih hei gange, aber wie, weiß ih weiß Gott nit, und wie's du gange ist,cha nih keym Mönsche säge. Aber es isch si o nit zverwundere, sövli Flachs, sövli Freud, sövli Flyß, u z'letzt vo allem nut meh, nüt meh, als Klag u Jammer u Zeise, u nit wüsse, wo se näh. My Frau ist no gut gege m'r g'si, het mih's nit lah etgelte, het mängist g'seit, es hätt ihre so gut chönne g'scheh wie mir; daß es so schlecht Lüt gäh chönnt, hätt st o nit glaubt, u das ist no my Tröst g'st. Aber vo selber Stung a ist my Frau nie recht g'sung g'si, es het ere geng g'fehlt, so mengs King si o g'ha het, so ist ere nie g'si. Da ist erst d'r Kummer recht agange, und es het ihs duecht, wenn ume d'Mutter wieder z'weg wär, d'r Flachs chönnt sy,wo ner wett, u jetz chunnt das no d'rzu, un ih förcht,si g'stangs nit us, u de erst wär z'Unglück recht da,un ih wüßt mys Lebes nüt meh az'fah. „E, wir wollen das Bessere hoffen, sagte der Doktor. Aber habt ihr nie vernehmen können, wer das gewesen sei, der euch so schändlich betrogen, habt ihr ihn nicht der Polizei angezeigt?“ „Azeigt, nei, das nit, mit d'r Polizei redt üsereim nit oder er muß, so armi Mannleni werde ume desume g'schoße u abrüllet, u sy geng am lätze Ort, sotte gar niene sy. Ander chönne mache was sie wey, und so ne Kellermagd brucht ume nebe ume ziluege, so het sie d'r ganz Rügge voll Hilf u Landjäger, üsereim trauet nit, wenn me im Rege g'si ist,laht me si nit gern no unter d'Traufi. U v'rnäh ha nih nüt chönne, d'r Red a hets mi duecht, es sött e Emmethaler sy, aber wüsse ha nih nüt chönne. Wenn ih's vermöge hätt, a all Märite hätt ih welle, atreffe hätt ne müsse, u sys Schelmeg'sicht ha nih no z'gut im Sinn. Aber üsereim ist z'ringgum geng am Hag,uscha nüt mache, wenn er scho d'r Sinn hätt d'rzu.U wenn ih ne scho atroffe hätt, was hätt es g'nützt,er hätts doch g'laugnet, u siebe Eide ufenandere uüfe tha (Cer het es G'sicht d'rnah g'ha), er syg's nit, u wenn me scho z'Garn by nihm funge hätt, so hätt er doch e Usred g'wüßt, für nit e Schelm z'sy, u daß ih z'Garn nit ume überchöm. Aber er mag sy wo ner will, so fingt ne Gott der Herr, un wes dem gut abging, so weit ih nüt meh g'seit ha, u wenn dä wüßt,was m'r usg'stange hätte, es duecht eim, er sött ke rühigi Stung meh choönne ha, un es sott ihm sy, als verbrönnti ihm üse Flachs uf syr Seel.“ So erzählte der arme Mann, und der Doktor dachte, wie fürchterlich 330 so ein Mensch sich versündigen könne, er wisse nicht einmal wie. Garn habe der gestohlen, füͤr dreißig Fran ken vielleicht, dazu aber unendlichen unnennbaren Jammer gebracht, das Leben einer Mutter, vielleicht mehrerer Kinder, gefährdet, das Dasein einer ganzen Familie zerstört. Und jetzt müsse er, Doktor, seine eigene Gefundheit aufs Spiel setzen, müsse halbtodt sich laufen,nicht nur das Schwerste umsonst thun, sondern vielleicht auch mit sauer erworbenem Verdienst gut machen, was jener verschuldet. Und das alles wisse jener alte Sünder nicht einmal, frage nichts darnach, sei vielleicht noch reich, vielleicht daheim im Ansehen, vielleicht gar Chorrichter oder G'richtsäß, denn es geschehe oft, daß die größten Zystigschweinigel daheim für ehrbare Männer gölten, daß er vielleicht stolze Söhne, hoffährtige Töchler habe, die breit thäten allenthalben, es hoch her gehen ließen, und von der armen, elenden Familie wüßten ste nichts, deren Noth brenne nicht auf ihren Seelen.Es dunkte den Doktor, wenn er nur des alten Diebes Namen wüßte, damit er ihm bekannt machen könnte die Folgen feiner Schelmenthat, ihm sagen könnte: „sieh her, du Hund, das ist deiner Hände Werk!“ Es wußte der Doktor wohl, daß der Alte dieses einmal wohl erfahren werde, aber es ging ihm, wie es noch manchem geht, es ging ihm zu lange, noch heute, schien es ihm, sollte der es wissen und erfahren, sein Name DDDD Wirthshause. Die Menschen haben keinen Begriff von der Langmuth Gottes, wohl uns! Wenn einmal ein Mensch an Gottes Stelle wäre, er hätte fort und fort beide Hände voll Hagel, und lauter Blitz und Donner im Münde. Wir sind halt Eintagsfliegen, und müüssen alsobald thun was wir vermögen, vor Gott aber sind tausend Jahre wie ein Tag, er kann zuwarten, ihm entrinnet dennoch keiner, darum aber muthet er uns auch seine Werke nicht zu, wohl uns, wenn wir das begreifen, und derselben uns nicht vermessen! Der alte Garnschelm wird ihm nicht entronnen sein, und seine Buben werden ihm nicht entrinnen, wenn er nämlich welche hat und sie dem Alten gleichen.In Schweiß gebadet, erschöpft, kam der Doktor droben an, fand die Noth groß, größer als er sie erwartet hatte, an allem fehlte es, und um das einsame Hauschen standen keine reichen Häuser, in denen gute Frauen wohnten, wo man das Fehlende allfällig holen könnte. So ist's boös dabei sein, wo es an Allem fehlt,wo man nach nichts fragen darf, weil es immer heißt:„Herr Jesis, das hey m'r nit, u das o nit,“ wo um den Tisch die Kinder wimmern, und alle Augenblicke eines frägt: „o Müetti, gäll du lebst no, u stirbst nicht ?“

Indessen, als der Tag dämmerte am östlichen Himmel, war die arme Frau gerettet. Der Doktor schickte sich zum Heimweg an, und hieß ein Kind mitkommen,etwas zu holen für die Mutter. „Dankeygit Tokter,sagte die Frau, der Vater im Himmel well echs vergelte. Es wär nit e Jedere cho, sövli wyt bi selligem Weg u Wetter, u b'sungerbar zu so arme Lüte, aber es heißt nit vergebe, es syg e kene wie ihr, so wyt me wuüß. Aber Dokter, was bi nih schuldi? Es heißt,es syg süst e Dublone, un ihr hättet zwo verdient, aber weiß Gott, gäscha nih se jetz nit, aber wenn d'r Giduld ha weyt, so müßt d'r se ha, u soött ih z'Strau ab em Tach v'rkaufe un z'Hemmli ab em Lyb. Es macht jetz alles nüut meh, wenn ume d'Mutter d'rvo chunnt.“ „Deretwege, sagte der Doktor, habt keinen Kummer, sorget jetz für die Frau, was ihr könnt, das ist die Hauptsache und was man für sie thun kann, soll geschehen.“ „Aber Herr Dokter, säget recht, was eui Sach ist, wenn ih's afe weiß, su will ih de luege, wie ihs mache bi längem, öppe grad nit, viellicht chan ich scho us de Ybünge vo de G'vatterlüte öppis dra mache.“„Habt ihr's gehört, sagte der Doktor, ich will nichts,brauchet eure Sache für die Frau, das ist nöthiger.Das wäre lustig, einen Menschen zu retten, und ihn dann um des Lohnes willen, den man fordert, langsam verrebeln zu lassen.“ „Aber Herr Jesis, Herr Dokter,wenn ich das gewußt, hätte nicht kommen dürfen,nein wäger, das ist z'yiel, emel z'halbe will ih luege 382 'mache, g'lebt müsset ihr o ha.“ „Habt nicht Kummer für mich, sagte der Doktor, ich fordere dann bei einer reichen Frau desto mehr. Macht mir wieder Bescheid, sobald irgend etwas nicht recht gehen sollte.Adie.“ Und somit machte der Doktor sich fort, wartete den Dank nicht ab, der in Strömen ihm nachfloß,er fühlte es aber, daß sein Schatz im Himmel über Nacht ihm gewachsen war.

Es ist ein kaltes Heimgehen, nüchtern, nach durchwachter Nacht, in pfeifendem Winde, der Schnee verkündend in den Bäumen saust und über die Felder fährt. Ein warmes Bett und ein Tag voll Schlaf waäͤren dem armen Doktor zu gönnen gewesen, aber so ut ward es ihm nicht. Daheim warteten seiner viele delee mit denen Käthi sich herumschnautzte, denn sie wollten ihm nicht glauben, daß der Doktor nicht daheim sei. Sie kennten ihns wohl, sagten sie, und wüßten, daß es Niemere nüt gönne, nicht einmal fürs Geld, und deretwegen den Doktor immer verlangne.Die Leute pressirten alle schrecklich, hatten schon so und so lange gewartet, daheim die Leute grusam übel! Der Doktor nahm sich nicht Zeit zu ändern, wollte nur die Weitesten, die Nöthlichsten fergen und weil immer einer nöthlicher that als der andere, ein abgehender durch zwei neue ersetzt wurde, jeder sagte: „nur mich noch,Dokter, dann ist's mir gleich, geht und ändert euch,“so verrann manche Viertelstunde, ehe der Doktor einen Augenblick gewann für sich. Naß und starr waren seine Füße, und maäͤchtig fröstelte es ihn den Rücken auf.Wärme Strümpfe ünd warmer Kaffe würden das schon vertreiben, dachte der Doktor, und allerdings besserte es ihm darauf. Dem Kinde, das er mitgebracht, lud er manches auf für die Mutter und nicht blos Arznei,aber bestmöglichst verbarg er es vor Käthi immer so sorgfältig, als er es vör einer Frau hätte verbergen können. Darum gab er lieber sein bestes Hemde weg als ein minderes, welches weit besser am Platze gewesen wäre, das er aber aus Käthis Händen hätte fordern müssen. Erst jetzt gind sein eigentlich Tagewerk, 3833 der Besuch seiner Kranken, an, so viele warteten sein,so spät war es schon. Scharf mußte sein Fuchs laufen, ‚und in weiterm Halbkreise machte er seine Runde in möglichster Eile. Bös war der Weg, und Schneegestöber machte ihn noch böser, es wär ein unlustig,unheimlich Fahren.

Mittag war längst vorbei, als er heim kam, heiß dampfte der Fuchs und Leute warteten wieder auf Arznei, und Käthi fuhr wie ein Kobold im Hause herum,weil man nie mehr essen könne wenn andere Menschen und öppe auch mit Manier, d'r Herr müß es abeschlah,ke Hung thät's so. Allerdings mußte es der Doktor heute wieder so machen, die Leute hatten ihn aufgehalten und Besuche machen mußte er noch, seiner Meinung nach, und zwar über eine Stunde weit. Der Fuchs bebe nicht recht fressen wollen, sagte der Knecht, kein nderes Pferd war zu haben, auch meinte der Doktor,in dem immer dichter werdenden Schneesturm zu Fuß besser fortzukommen als in der Chaise und so mächte er sich auf den Weg, und zwar in der gleichen Hast, in welcher er den ganzen Tag gewesen wär. Er war aber noch nicht weit gegangen, so fühlte er seine Unbesonnenheit, aber Umkehren war nicht seine Sache. Er fühlte sich sehr matt, und in sich ein Nagen und Drehen, das immer heftiger war, es gab einzelne Stüpfe,welche ihm den Schweiß auf die Stirne trieben. Er kürzte Wege und Besuche ab, so sehr möglich, aber immer peinlicher ward ihm zu Muthe, immer schwerer das Gehen, eine unaussprechliche Sehnsucht haite er nach Heim, er hätte Jahre seines Lebens, AÄlles, Alles,darum gegeben, daheim im Bette zu sein, aber die dazwischen liegende Stunde schien ihm eine Weltenbahn,eine Unmöglichkeit, sie zu gehen. Er zählte seine Schrilte,aber auch dazu ward er bald zu mait, er stund stille nach jedem Schritte, aber einen neuen zu thun ward ihm immer unmöglicher, nicht allein der Mattigkeit wegen, sondern der Schmerz im Innern ward immer schneidender, er wußte, es war Kolik, und zwar ein Anfall von solcher Stärke, daß er dessen Ausgang nicht

Anne Bäbi. L. 23 384 berechnen konnte, namentlich hier, verlassen im Schneesturmi, nicht. Er konnte nicht weiter, er setzte sich auf den Abweisstein, und erwartete gefaßt, aber in fürchterlichen Schmerzen, was Gott über ihn verfüge.

Er füͤhrte ihm Jakobli herbei, der Schweine fortgeführt haite und heim pressirte. Der wußte lange nicht,sollte er seinen Augen trauen, war der auf dem Stein halb eingeschneite Mensch, dessen Stöhnen so gut vernehmbar war, der Doktor oder nicht? War's nun der Doktor oder nicht der Doktor, da mußte geholsen werden, nicht blos im Vorbeifahren gesagt: Gott helf d'r!Jakobli stieg ab und fand richtig den Doktor in seinen Schmerzen, lud ihn auf, packte ihn ein, gab ihm den warmen Krug, den Meyeli ihm aufgedrungen, auf den Schooß, und trieb das Roß so hart er mochte. Er hatte große Angst und doch fühlte er eine große Freude in sich; jetzt einmal hatte er was bedeutendes gethaneinem Menschen einen hohen Dienst erwiesen, wozu es ihm noch nie gekommen, jetzt konnte er sagen: „wäre ich nicht gewesen, wäre ich nicht gerade dazu gekommen,su wer weiß, wie es gegangen wäre!“

So etwas ist ein Lichtpunkt im Leben, etwas derlei wird sich im Leben der meisten Menschen finden, und dieser Punkt wird meist zur Achse, um welchen des Menschen Gedanken sich drehen und, wenn er sich nicht in Acht nimmt, auch seine Reden. Es ist aber auch kein Wunder, denn in diesen Augenblicken spielte der Mensch eine Hauptrolle, wenn er nicht gewesen wäre! Er ward ein Rüstzeug der Vorsehung, er ward ein Engel Gottes, Jemand zur Rettung oder zur Vollführung eines Ereignisses gesandt. Wenn das Selbstbewußtsein sich auch nicht klar gestaltet, so erhebt doch immerhin ein solches Ereigniß den Menschen, ist ihm ein Zeugniß, daß er nicht ein Ungefähr sei, ein Nichts im Zusammenhang der Dinge. Äber sehr merkwürdig ist es, daß Gott zu solchen Dingen selten die wählt,welche bereit dazu sind, welche mit der hochsten Sehnsucht den Ruf zu etwas Bedeutendem erwarten, die Tag und Nacht gegürget sind zum Heldenthum, sondern die, welche nicht daran denken, nicht einmal von solchen Dingen geträumt haben.

Jakobli fragte, wohin er ihn führen solle? Das Beste wäre, er führe mit ihm nach Gutmüthigen, es würde seine Leute freuen, und sie wollten gewiß das Möͤglichste thun, oder er könnte, wenn er seye nichts schätze, ins Pfarrhaus. Wenn er aber wolle, so führe er ihn nach seiner Heimath, das komme ihm nicht darauf ab, er solle es nur sagen. Dem Doktor hatte die ADDVauf, deßwegen wählte er auch die Heimkehr. Wenn Jakobli ihn zum nächsten Orte führen wolle, so finde er dort einen Freund, der eine Chaise habe, in welcher er rasch nach Hause komme. Nach Hause müsse er aber,wenn es schon weiter sei, und er wohl wüßte, daß er bei ihnen wohl aufgenommen würde, und er gute Ab8 hätte. Allein bei ihnen hätte er keine Mittel, die x sicher noch brauchen werde, denn der Anfall werde sich wiederholen, zudem werde er einige Tage an der Wärme bleiben müssen. Daheim könnte er doch Audienz geben und Mittel verschreiben, seiner Pflicht obliegen,an einem fremden Orte würde ihn die Angst fast versprengen, und die Leute wüßten gar nicht, was es aus ihm gegeben hätte. Jakobli hätte ihn sehr gerne nach seinem Hause gebracht oder ins Pfarrhaus. Was die iuegen würden, wenn er mit dem Doktor daher käme,in diesem Wetter, und was sie erst sagen, wenn sie vernehmen würden, wie er ihn gefunden, sie vergäßten das ihr Lebtag nicht. Indessen ergab er sich doch dem Willen des Doktors, der allerdings seinen guten Grund hatte, und fuhr so rasch als möglich dem bezeichneten Orte zu. Das Schneien hatte aufgehört, dunkle Wolken zogen über den Himmel, im Westen zerriß die dunkle Wolkenwand, aus der Spalte blickte die Sonne noch einmal über die Erde, ehe sie zur Ruhe ging.

„Hört Jowäger, sagte der Doktor, sich zusammennehmend, etwas muß ich euch noch sagen, wenn wir etwa nicht mehr zusammenkommen sollten.“ „E Herr Jesis, Herr Dokter, das wey m'r öppe nit denke,antwortete Jakobli. „Dießmal glaub ich auch nicht, daß es noch so weit sei, sagte der Doktor, aber man kann nie wissen, und am wöhlsten ist man, es mag gehen,was will, wenn man alles abgethan hat. Darum loset:Eues Fraueli ist nit z'weg, es manglet dazu luegen,sonst könnt's fehle.“ „E aber nein, Herr Dokter, was ihr nicht saget, du mein Gott, wott mys Meyeli sterbe?E aber nei“, jammerte Jakobli und hörte längs Stück nicht was der Doktor sagte, er that, als ob er schon zum Tischmacher müßte von wegen dem Todtenbaum. „Schwyget und loset, sagte der Doktor, so gefahrlich ist es nicht,wenn ihr dazu seht, aber es ist Zeit.“ „O Herr Dokter,machet was möglich, gebt was gut ist, kost's was well.“„Da kann ich nicht viel machen, antwortete der Doktor, ihr müßt selbst der Doktor sein, Ruh und Speis sind die Hauptsache.“ „Mein Gott, sagte Jakobli, von beiden hat es so viel es will und was es will,heißt Niemand es etwas machen, alles ist unter seinen Händen, und kei Mönsch fragt, was es bruch oder was es nit brucht. Nei wäger, Herr Dokter, öppe wüst sy mir gege Meyeli nit, es heys ja alli lieb, u ke Moönsch laht ihm's etgelte, wie me öppe schier glaube möcht, daß es es arm's Meytschi g'si ist.“ „Ich weiß es, sagte der Doktor, aber Es vergißt es nicht, und das ist das Schönste an ihm. Eben deßwegen thut es mehr als gut ist und braucht nicht, was es sollte, und an allen Orten sollte es sein, weil man es an allen Orten gern sieht, wo man bei bösen Grännen froh ist, wenn sie ab Seits liegen, und es Niemand in Sinn kommen wird, sie zu wecken oder zu rufen. Seht Jowäger, es gibt Rosse, die man hintere binden, andere, welche man jagen muß, mit den Weibern ist's fast/ eben so, und darum sollte der Mann immer den Verstand haben, zu sehen, wo das eine oder das andere nöthig ist.“ Es brauchte die ganze Kraft des Doktors, seine Rede den Schmerzen abzugewinnen, und in recht elendem Zustande lieferte Jakobli ihn bei dem Hause deß Freundes ab,erbot sich aber, ihn vollends heimzufsihren, er wolle gerne bei ihm bleiben bis er wuüßte, daß es gebessert, und er es daheim sagen könnte. Das wurde nun nicht angenommen, starker Kamillenthee, Hofmannstropfen darein, milderten die Schmerzen, daß er das Fahren wieder ertragen mochte, und bäld befand er sich in dem AKathi. Diese alte Hauskatze war nicht ohne Verstand,und seit Jahren in einem Doktorhaus, es hatte es daher fast wie eine Doktorsfrau auf dem Lande. So eine Frau Doktere, wenn sie nicht ganz aus der Art schlägt, wird nicht nur mit dem Maune eins, sondern auch mit dem Doktor, d. h., sie wird ebenfalls ein Doktor, wenigstens ein halber. So eine Frau ist redselig von Eva her, welche, wie bekanntlich es ebenfalls war, ja, als der Mann nicht Zeit hatte, oder sein Mittagsschläfchen hielt, selbst mit einer Schlange zu plaudern begann, weil sonst Niemand vernünftiges im Paradiese war. Kömmt der Mann heim, so muß er b'richten, wo er gewesen, wie er es angetroffen, was er von dem Zustand der Patienten halte Der Mann,dem allerdings seine Frau die beste Gesellschafterin sein soll, gibt anfänglich schlechten Bericht und meint, so was interessire eine Frau nicht, aber es ändert sich, er tritt immer mehr ein, sagt auch, welche Mittel ihm gefehlt, und was er Neues probiren wolle. Am folgenden Abend ist dann die Frau g'wunderig, wie das neue Mittel angeschlagen, mag fast nicht warten bis er heim kömmt, und kaum hat sie ihm was vorgesetzt zu essen oder zu trinken, so fragt sie: Und, wie hest se göfunde?Am Moorgen sitzt sie, wenn sie die Haushaltung gemacht hat, zuweilen in der Apotheke, sieht, mit welchen Guttern und Schachteln der Mann handthiert, hört, wie er die Leute fragt, was er für Schlüsse zieht, muß oft etwas kochen oder stoßen, oder stoßen lassen, ihm Brechpulver rüsten, wenn er es selbst nicht erleiden mag,und wenn er fortgeht, so sagt er manchmal: „Sich Fraueli, wenn die und die kommen, so gibst ihnen aus der Guttere dreißig Tropfen, aus der fuünfzig, und thust aus dem Hafen so ang'fähr vier von diesen Loöͤfflene.Aber nicht g'hufet, g'hoörst, d'rzu schüttisch gut u heuschist 333 de A/, Batze.“ „Aber säg los, sagt die ersten Male die Frau, wolltest du es nicht noch selbst rüsten, es macht m'r grusam Angst, ih chönnt mi v'erschieße.“Abah, sagte der Mann, das wäar öppe g'spähig, wenn bu das vergessen solltest. Lue, rüste kann ich das nicht,wenn die nicht kommen, und eh weder nicht sy die dolder G'nürzine wieder zu me ne angere, u de cha nih das Niemere gäh, u meh as zwe oder drei Tag blybt's nit gut, u de wäre o wieder vier Batze dim Vaterland zu, un üst Praxis mah das nit erlyde. Später macht die Frau natürlich keine Komplimente mehr, z'Konträri sie sagt dem Manne: du, säg m'r doch ang'fähr, was ih öppe gäh soll wenn Lüt chöme, es ist gar es g'nietigs (langweiliges) Dabeisein, wenn sie so lange warten müssen. Venn es ist die Frau Doktorin, die in Abwesenheit ihres Mannes Bescheid abnehmen, mit den Leuten reden muß. Nun müßte sie wirklich ein Stock oder um es höflich zu sagen, ein Stöcklein sein, was aber bekanntlich Frau Doktorinnen nie sind, wenn sie aus den traulichen, täglichen Vorlesungen ihres Mannes nicht so viel profttiren würde, um die Leute vernünftig abfragen zu können, was und wo es ihnen fehle, nicht zu wissen, was jeden Augenblick die herrschende Krankheitsrichtung sei und aus welchen Guttern der Mann die heilenden Stoffe nehme, und ang'fähr wie viel. Weiß sie das einmal, so versucht sie hie und da einen schrecklich Pressirenden, oder einen gar langweiligen, oder einen, der eben gekommen, wenn sie was Appärtes auf dem Feuer hat, zu spediren, das geräth ihr Tüfels gut, und der Soktor in ihr ist fertig!Ja, sie versucht einmal aus Tüfelsüchtigi einen Zahn auszuziehen, der geht wie Ketzer, die Frau kriegt Couragi wie ein preußischer Husar, sie nimmt sie fortan Dutzendweise wie Schnupf, und alle Welt sagt, sie könne es hundertmal besser als ihre Ma, der müsse neue so schnupe, daß es eim fry Angst mach.

Kurz, das geht gar kurios mit dieser Sache. So anfangs, wenn so ein ufg'setzts und ufg'süferets Meitschi einen Doktor (auf dem Lände versteht sich, in der Stadt hat jedes Ding eine andere Nase) heirathet, so machts ein Grännimüli, und sagt, mit dem Ding wolle es nichts zu thun haben, mit der Sache solle man es rühig lassen. Nun aber ist keine rechte Frau auf Erden,welche mit dem Ding und der Sache, welcher der Mann obliegt und von welcher her ihm Geld, Name,und, wenn ihr wollt, Seligkeit kommen sollen, in die Länge nichts zu thun wird haben wollen, sie muß Interesse daran nehmen, davon angezogen werden, sie mag wolien oder nicht, sei nun ihr Mann was er wolle,Doktor oder Färber, Pfarrer oder Bauer. Sie wird Interesse daran nehmen, und Freude haben, wenn sie dem Mann helfen kann, und sich geehrt fühlen, wenn er mit ihr von seiner Sache redet, etwas davon, sei es viel oder wenig, ihr anvertraut. Wohlverstanden, ich rede hier von rechten Frauen, und nicht von Schlärplene, welche für nichts Sinn haben, als für das, was zum Mund ein und aus geht und für nichts Verstand,als für das was sie um den Leib legen und in die Haare thun und allfällig noch für ein Fahri, eine Schlitteten,ein Musikfest oder einen Schießet. So geht es auch den Frau Doktorinnen, sie gewinnen allmahlig Interesse an der Sache, sie vernehmen nebenbei noch Mancherlei, was der Doktor nicht vernimmt, und nicht blos so Sachen für die bloße G'wundernase, sondern Sachen, die dem Doktor komod und wichtig sind. „Säg los, hat schon manche Frau Doktorin zu ihrem Manne gesagt, nimm dich dann in Acht, und glaube denen nicht alles, es könnte ganz was anderes sein, daämpf se emel nit, es chonnt sust fehle!“ Wenn sie das rechte Maaß im Einmischen halten und der Mann der rechte ist, Hand ob zu halten, so werden sie nicht nur des Mannes beste Gehülfinnen, sondern seine nothwendigen Gehülsinnen bei starker Praxis, namentlich im Bergland. Appart einen Gehülfen zu bezahlen vermag er nicht, dazu ist der Landarzt zu karg bezahlt, muß er aber alles selbst besorgen, und zwar treulich, so tödtet er sich. Thut er es nicht treulich, so tödtet er andere, oder jagt sie den Pfuschern in die Hände, die zehnmal gefährlicher 360 sind als eine vernünftige Doktersfrau unter des Mannes Augen und in den täglich kontrolirten Schranken. Thut der Staat etwas für diesen Stand, und nicht blos für Schreiber und Militär, so ließe sich die Sache anders machen, sonst aber sind die rechten Doktorsfrauen nicht blos nothwendige Uebel, sondern wirklich Dienerinnen der Menschheit, und oft noch sehr liebenswürdige, versteht sich, die nicht, welche dem Mann alles vertrinken und seine Abwesenheiten zu allen möglichen Seitensprüngen benützen.

Nun war Käthi freilich keine Doktorsfrau, hatte aber doch in seiner dreißigjährigen Praxis vieles los gekriegt, und was der Doktor wollte, konnte es ihm holen, und welche Abwart er nöthig hatte, das wußte es. Es wäärmte, feuerte, kochte, daß Funken aus dem Kamin fuhren, wie in einer Schmiede. Dazu aber heulte es, wie kein Schloßhund es im Stande wäre,und zwischen das Heulen hinein, gleichsam Hagelsteine in einem Platzregen, schmiß es seine Vorwürfe. Es hätte es läängst gewußt daß es so kommen müßte, wenn man keinen Verstand brauchen wolle. Hundertmal habe es es gesagt, aber so einer Magd glaube man nicht,so eine koöͤnne lange reden, und hätte doch manchmal mehr Verstand am kleinen Finger, als ein Doklor am ganzen Gring. Einem Kind hätte es z'Sinn müsse cho, daß es töde gang, we me Tag u Nacht im Dreck ume stampf, i de nasse Schuhe blyb, u nüt Warms i Lyb nähm. U de, für wen? Für Lüt, für Lümmle,für grobs Pack, wo meine, e Dokter u ne Hung syge G'schwisterti, wo nit emal dankeigist säge, wo mängist hundert nit ufe ne Krützer gange. U de e sellige Herr,so ne gute u so ne g'lehrte, wie's uf d'r Welt kene meh gäb, weder daß er ke V'rstang hey, wo's so gut chönnt ha, wo d'Lüt ihm z'Hus u z'Heim kämte, gang de, u tödt si wege selligem Züg, wo ke Hahne drnah krähte, wo ume alles froh wär, wenn einist e Luft über ihs chäm, wie der Winter über d'Fleuge. So gebe es keine meh uf d'r Welt, wenn dä sterb! Siebe Jahr lang heyg es ne im Wägeli zoge, u kes Brösmeli heyg er welle esse, wenn es ihm's nit gaäͤh heyg, u jetz mach er ihm's so, gäb was es säg. Aber er erfahre es jetzi und jetzt wisse er es, selber tha selber ha, un es g'schächt ihm recht, wes ihm ume nicht so weh thät, und er öppe gar d'ra sterb. So begehrte es ununterbrochen auf,waährend treulicher Abwart Tag und Nacht, und wirklich unter Heulen und Zähneklappern. Doch gnädig waren alle diese Worte noch gegen die, welche diejenigen hörten, die zum Doktor wollten, oder nach seinem Befinden fragten. Wir wollen sie nicht wiederholen, es braucht kein Käthi, ein Exempel daran zu nehmen, wie man den Leuten aus dem ff wüst sagen kann. Und doch verjagte es damit die Leute nicht, die Nachricht,daß der Doktor so übel erkranket sei, daß man ihn halb todt heimgebracht, erregte allgemeine Theilnahme, und je wüster Käthi that, dest ängster ward den Leuten,dest dringlicher frugen sie nach dessen Befinden.

Wie Jakobli wichtig wird und Meyeli gerührt.Aengstlich hatten sie zu Gutmüthigen Jakoblis geharrt. Schon als es zu schneien begann, munkeite eins hier, eins dort, wenn er nur dessen sich acht, bald g'fergget sei, zeitlich sich auf den Weg mache, sonst gebe das eine strube Fuhr, und es wuß kei Mönsch,wenn er hei chöm, und ob er d'r Weg fing. Wenn's so schney, su werd alles wyß u d'r Abgofymtist wůß nimme, wo d'r Weg dure gang. Schon früͤh stand Hansli hinten beim Brunnen, Sami drehte mit dem Miste, Meyeli putzte den leeren Säustali aus, und Mädi sagte, ste könnten lange luegen, der käme noch nicht, und es wisse kein Mensch, wie es ihm gehe. Es hätte gehört, wenn es so schney, so gäb's Wölf, u die fresse es ganzes Fuhrwerk, mit allem was druf u dra syg, un es gäbt ne minger z'thün as ame King e Lebkuche. Aber es geschehe ihnen recht, a dem Jüdle u Händele u Rütere hätten sie Fgroße Freud g'ha, es heyg's nadisch geng daäicht, es gihey ne neuis uf d'Nase,wpes ume nit das uschuldig Bübli breychti, de Angere möchts es ume gönne.

Der Schnee häufte sich, die Sonne hatte nur einen Augenblick geschienen, zu zeigen, wie schwarz und wild dasß Gewolle sei, der Sturm begann von Neuem, trieb den Schnee um's ganze Haus herum, in alle Gemächer hinein, hinter doppelten Fenstern flackerte das Licht.Es war ein ängstlich Warten, Sami versuchte, den Brunnenstock zu einer Art Leuchtthurm zu machen und hing die Laterne daran, aber erst füllte sie der Wind mit Schnee, dann warf er sie so herum, daß Sami sie retten mußte. Selbst Anne Bäbi nahm größern Theil an der Sache als bisher, und meinte, wenn der nicht wieder komme, so nehme es ihn doch Wunder, ob es ihn auch solle getödtet haben. Endlich, endlich, hörte man ein Glöcklein, einen Geiselknall, in der weißen Maße erschien ein dunkler Punkt, „es ist ne,“ sagte Sami. Es ist ein heikles Ding um das Wort, mit welchem man einen spät kommenden empfängt. Sagt mau nichts, so ist's gefehlt, und gäb wie leicht etwas,so ist's wieder gefehlt. „Du bist spät, scho lang hey m'r blanget, mör hey jetz de i d's Bett welle, hes der öppis gäh, m'r hey afe Kummer g'ha,“ und noch viele andere Redensarien dieser Art können in Stimmungen darnach empfindliche Stiche sein, oder gar brennende Lunten in ein Pulverfaß. „E du arme Hudi, chum g'schwing, g'schwing a d'Wärmi, gäll Sami, du luegst zum Roß ü de chum de, m'r wey de esse. Wart, gib d'r Kaput u der Hut, ih will di e wenig abstäͤube, wie de doch dry g'sehst, es rechts Schneemannli. Aber Gottlob, daß de da bist, m'r hey afe Kummer g'ha,bi selligem Wetter wär's ke Kunst si z'v'rirre, oder sust unglücklich z'werde,“ so empfing Meyeli seinen Jakobli.„Es weiß auch kein Mensch wie es mir ergangen ware,erzählte Jakobli, wenn d'Mähre nit meh V'rstang g'ha hätt als ih. Scho lang ha nih ke Weg meh gwüßt,u hell nit g'wüßt, wo nih bi, u ke Mönsch choönne atreffe,für xfrage. U d'Mähre ist geng ihre Weg furtgange unb'sinnet, und wenn's mi scho duecht het, ih sott a re reise, hüst oder hott, si het si desse weni g'achtet u het ihre Weg furtgmacht. Da, wo's du gut gange ist, i ke Grabe un über kes Port us, ha nih denkt, ih well se lah mache, a nes Ort werde m'r wohl cho, eh m'r us dor Weit use syge un si het's breycht. Aber z'mitts i üsem Dorf sy mör g'st, ih ha no geng nit chönne wüsse, wo m'r sy, u lang nit chönne glaube, daß m'r daheym seye.“ Das duecht mi nüt angers, sagte Mädi,es hätte scho lang g'büßt, daß so ne Mähre meh Verstang heyg als mänge, wo mein, was er syg, ja, es gäb mange G'meinrath, wo me nit soövli Vorstang fing als i ihrer Mähre Gring. „Wo ih no zbifehle g'ha ha u du mi no z'förchte g'ha hest, wärist sövli spät nit hey cho, sagte Anne Bäbi, aber so nes jung's Fraueli wo geng alles mit d'r Liebi mache will, ästimirt mesi Gotts Name nüt, es wird ihm o no angers cho vor em letzte Burdlefmärit.“ „Mutter, sagte Jakobli, balget nit, aber es wär m'r albetz gange wie hüt, wenn m'r z'glyche bigegnet wär, denket auch!“ Nun erzählte er, wie er den Doktor angetroffen, wie er mit ihm gefahren, wo er ihn abgestellt, und in welchem Zustand er gewesen sei. Das beelendete alle sehr, selbst Änne Bäbi sagte, um den wäre es schade, wenn's scho ne Herr syg, u no e Dokter. Der hätt's g'reut, es wüßt eine, um den wäre es ihm gleich gewesen, aber sellig breych's nie, geng die, wo's am meiste schad syg drum. Das syg ihm aäfe e Ornig! Aber daß es sich grad so het müsse breyche, daß du dazu gekommen bist ü ke angere, das duecht mi afe! Das war doch der Grundtert jeder Rede und jedes Gedankenganges, das war etwas für das ganze Haus, Etwas das auf Kind und Kindeskinder übergehen mußte, der Großätti heyg einist im Schnee e Dokter funge, und wenn er nit g'st waär, er wär g'wüß v'orlore gange, er syg scho ganz ygschneyt gisi, ume wenig vo me ne Schuh heyg me noch g'seh, u d'r Großätti heyg's doch g'seh, wenn er scho ume eys Aug g'ha heyg.Und es war Niemand im Hanse, der sich nicht an dem Gedanken erlabte, wenn er das nächste Mal z'Kilche oder z'Märit gehe, so würden die Leute einander müpfen und sagen: „Juegit, luegit, das ist o eys vo dene, wo d'r Dokter usem Schnee zoge hey, ihre Bub nämlig,und wenn dä nit g'si wär, so waäͤr er nimme;“ und de werde me müße Bricht gäh, Punktum, wie Alles gange syg. Was der Dokter ihm wegen Meyhyeli gesagt, das mischte er nicht in die allgemeine Erzählung, er hatte unterwegs gedacht, die Mutter und Mädi koönnten das an Meyeli zürnen und meinen, es hätte ihnen den Lärm gemacht, sie seien wüst gegen ihns, und wenn sie einmal etwas in den Köpfen hätten, so sei es drinn, und alles versprechen helfe nichts mehr. Auch sei es nicht nöthig, daß sie es wüßten, wenn Meyeli besser zu sich sehe, so hätten sie ja sicher nichts darwider. „Aber denk ume auch“, hatte er schon am Abend, als er aus Dankbarkeit der Maähre noch ein Stück Brod brachte, das sie grusam gern nahm, im Stall dem Sami gesagt,„denk ume o, wie d'r Dokter eine ist! Wo er am übliste z'weg g'si ist, u si g'ha het, daß es m'r übel Angst worde ist, un amene Angere d'Gidanke v'rgange wäre,het er no a üs g'sinnet und m'r öppis g'seit, er het fast nit chöne rede u geng müße absetze, aber nit tausend Pfd. nähm ih, daß er's nit g'seit hät, Herr Jeses,wie übel häts chönne gah. Denk, er het g'seit, Meyeli syg übel z'weg u syg d'r Uszehrig zuche ah u we me nit lueg, su sygs fertig.“ „Das wär m'r, sagte Sami,de wäre m'r wieder schön z'weg, da muß g'luegt sy enangere nah. Aber lätz ist's und blybts geng, daß,wenn doch öppere sterbe muß useme Hus, me nüt d'rzu z'säge het, u nit cha dar gäh, wem ein am mingste reuti. Aber üͤse Herrgott het d'G'walt u brucht se;u wer anäah cha, nimmt nie z'schlechtiste, sondern z'Cunträri. Het er o g'seit, was me mache soll?“ „Nüt apparti, weder Sorg ha u borge mit Spys u Schaffe,u Ruh ha, so viel mügli, so werd's scho gut cho.“„Wes ume das ist, sagte Sami, su wey m'r scho luege,u Mädi, die Täsche, nache chlepfe. Das hets grad,wie die nütnutzige fule Rost, su bald das merkt, daß öpper anger zieht, so lyt es hingere u laht si wohl sy,u hät Freud si z'mäste. Es meint, je feister es werd,dest hübscher sygs u hät Muth dy Frau use z'steche;es düderlet scho jetzt albeeinisch, so wege d'r Hübschi heyg ihm de im Hus bal Niemere nüt meh für z'ha.Aber selb ist wahr, dää muß sy Sach gut i de Gidanke ha, un a de Lüte muß ihm o öppis g'lege sy, nit ume am Geld und öppe amene gute Schoppe. Drum hey d'Lüt o d'r Glaube a neh, u we si all so wäre, su chönt me se o dest meh ästimire.“

Sobald Jakobli mit Meyeli alleine war, berührte er das gleiche Thema, aber er begann es mit einem andern Ton. Er ward wehmüthig und sagte: „ich hätte doch geglaubt, ich wäre dir lieber als so, und du hättest größeres Zutrauen zu mir?“ „E aber Mannli, was chunt dir z'Sinn, sagte Meyeli, und was hest für e Floh hinterm Ohr. Weißt du denn nicht, daß du mir alle Tage lieber bist und 'smi alli Tag meh g'lustet di zifresse vor luter Liebi? Was ist, was hest, wer het d'r öppis dumms g'stürmt?“ „D'r Dokter,“ sagte Jakobli.Da ward Meyeli roth. Es hatte es so ungern gehabt,daß der Doktor jüngst so lange alleine bei ihm war,es wußte wie die Leute sind, und meinte, Jakobli hätte etwas vernommen und sei eifersüchtig, und antwortete:„D'r Dokter wird öppe wenig g'ha ha über mi z'säge,u wenn er scho da g'si ist, su hey m'ͤr öppe nüt bös mit e nangere g'redt, un öppis wird er d'r o nit g'loge ha, sövli übel z'weg als er g'st ist.“ „Ich wollte, er hätte gelogen, sagte Jakobli, es het mi öppe g'müht genug, und doch gebte ich nicht tausend Pfund, daß ers nicht gesagt, so weiß man doch, waran man mit dir ist, du wüsti Frau.“ „Hör, sagte Meyeli, red use,u martere mi nit. Oeppis schlechts ha nih nit g'macht un öppis schlechts het d'r Dokter nit vo m'r g'seit.“„Nein, schlechts nicht, sagte Jakobli, aber ist's nut wüst von dir, soövli lieb, daß wir dich haben, und wo du ja Meister bist über Alles, daß du thust, als gönne man dir nichts, daß du mehr arbeitest als du magst und 366 nicht issest was dir gut ist, wo du doch über alles chast u ke Mönsch dir nah gugget.“ „Wer sagt das, ha nih ame Möoönsche g'klagt, ha nih mit eme ne Wöortli euch vorbrüllet, das wär ja schlechts vo mir.“ „Nein, sagte Jakobli, klagt apparti hest Niemere, aber eben das ist wüst von dir. Hättischs g'seit, wie's d'r wär, ume e Düt tha, su hätt me zu d'r g'luegt, wie zu me ne klyne King, wed m'r sturbist, ih hät ke fröhligi Stung meh,u wie's m'r wär, weiß Gott, u d'r Aetti g'stiengs o nit us, es wär ja, wie we ke Sunne meh wurd schyne,u das chast du doch wohl g'seh, u de geyst ihs das ga mache!“ „Aber wer geyt dir selligs go säge, wo nih mit kem Mönsch öppis dä Wäg g'redt ha?“ „Hest nit g'hört, d'r Dokter het mr's g'seit.“ „Was het er d'r gefeit, b'richt m'r's recht.“ Jakobli sagte, „Meyeli,wir wollen nicht hͤhn werden. Wenn man höhn wird,man kann einander nichts auslegen, so wenig als eine verhürschete Strange abwinden.“ Nun erzählte Jakobli treulich, was der Doktor in seinen Schmerzen gesagt,und wie er ihn widerlegt, und wie der Doktor es ausgelegt, wie das komme und wie er es doch fast nicht habe glauben können, weil es ja alles in Händen habe und es jedem ansehen könne, wie lieb man es habe und ihm alles gonne, je mehr dest lieber. Ganz verblüfft hörte Meyeli dem Bericht zu und als am Ende Jaktobli fragte: „oder ist's nit so?“ so wußte es nichts zu sagen, als: „Aber, aber, woher weiß er denn das,o keim Mönsch ha nih das g'seit, nit emal am liebe Gott. Ja, ih has nit emal selber recht denkt, es ist m'r nume mengist e so g'st, mi sött m'r das oder Aeys ag'seh, das oder Aeys mi heiße, es sött Neuere z'Sinn cho; aber es ist m'r numme so g'si, däycht ha nihs nit emal, es ist plötzlig verby g'st, aber g'seit ha nihs Niemere, woher weiß er de das?“ „Ja, sagte Jakobli,so ne Dokter chunt wyt ume nangere u gar mengs, u maängi Hushaltig chunt ihm vor d'Auge und vo eyre cha ner öppis vo de angere abnäh, u wenn er ja am Uswendige soll die inwendige Krankheite abnäh, kann er nit o grad öppis vo de Gidanke merke, wo bir Krankheit sy, das ist mängisch fast ganz z'glyche. Aber fäg du m'r jetz, hest du üs nüt lieb, daß du ihs selligs wüt gah ane mache? Däich doch o, das war ja no viel grüsliger, als was es d'r Mutter fast gar gäh hatt. Verzyh mr's, sagte Meyeli, ih ha nit däicht,daß es sövli bös chönt use cho, u sövli g'fährlig ist's notti doch o nit, ih müßts doch o g'spüre, u dir haättet mr's doch de o müße ag'seh und hättet doch de wohl öppe es Wörtli g'seit, ü de wär ja de scho alles gut g'si.“ Nun erhöb sich ein sehr bedeutsames Gespräch uüber das Ansehen und Selbstsagen, über das Heißen und Selbstnehmen, in wiefern man das Eine könne,das Andere thun müsse, und sie handelten dieses Kapitel grundlich ab. Es ist aber auch eins der Bedeutsamsten in einer Haushaltung, in einer Ehe besonders,denn dieses Ansehen und Selbstsagen ist selten im Gleichgewicht und recht vermittelt, nur zu oft wird gerade dieser Punkt zum Barometer der Liebe oder der Macht gemacht, Peinigungen aller Art entstehen, ein Gram,ein Groll wächst auf, der so schwer zu vertilgen ist,als ein schwammicht Gefäß, das seine Wurzeln im ganzen Hautgeflecht verzweigt hat. Verstocktes Nichtsagen, übertriebene Anforderungen des Ansehens, und wiederum rohe Rücksichtlosigkeit, ein starres Blindsein gegen die Zustände anderer, zerstören Leben und Glück so oft als die gräulichsten Laster. Da das Papier uns zu fehlen anfängt, so können wir nicht die ganze Erörterung hersetzen; wir wollen blos das Resultat derselben zu Nutz und Frommen Vieler notiren. Dieses Resultat war, daß keine Regel festzusetzen sei, daß da Liebe und Klugheit vermitteln müssen. Es gibt Augen,denen die Wahrnehmungsgabe fehlt, denen ist nichts zuzumuthen, es gibt Umstände im Leben, Berufs und andere Ängelegenheiten, die alle Aufmerksamkeit an sich ziehen, da kann man oft nicht sehen, was zunächst vor Augen liegt, es ist einem auch nicht zuzumuthen. Was jedem fehlt, das fühlt er selbst zuerst und am besten,warum es nicht sagen, nur kein Mißtrauen gehabt, nur nicht alle Tage neue Liebesproben erdacht, jedenfalls soll immer der Grundsatz gelten, daß was einer für sich fordert, er auch dem andern zu leisten willig und bereit sein soll, denn da ist weder der Mann vornehmer noch die Frau, noch hat das eine oder das andere größere Pflichten in dieser Beziehung. Da mußte Jakobli im Fehler sich erkennen, daß er gewohnt sei, sich am Gesichte alles absehen zu lassen und andern nichts ansehe, während Meyeli das Hinterste errathe. Es fei ein Unglück, sagte Jakobli, so hätte man ihn gewöhnt von Jugend auf. Sie hätten noch beifügen können,aber eben Ursache hatten sie nicht, daß wenn Mann und Frau in diesem Punkte sich auch verständigt hätten und begriffen, gar oft Kinder weichmuthige Töchter das Leben schwer machen, ja manchmal vierschrötige Koöchinnen, denen man alles ansehen soll acht Taße vorher, wenn sie einen nicht verbrüllen sollen, bei denen aber man denn doch immer fehlt; frägt man sie nach ihrer Gesundheit, so fehlt man, man treibt nur das Gespött mit ihnen, begreift ihre zarte Organisation nicht;frägt man nicht, so fehlt man, man' meint sie seien nur so gleichsam eichene Brunnenstöcke und ihrer Gattig Leute hätten weder Nerven noch sonst was Zartes im Leibe. Sami war eine kerngesunde Natur, die nicht wußte was Vapeurs waren und Mädi hatte andern Stoff zu kifeln und war so in die Hausübung eingumpet, daß, wenn zur Seltene ihm etwas fehlte, es keine Umstände machte.

Nachdem Jakobli und Meyeli in freundlichen Gesprächen die Sache erörteten, doch in ganz andern Formeln als oben die Resultate ausgedrückt sind, kamen sie beide zur Verwunderung zurück über den Doktor, der in solchem Zustande zwischen Leben und Tod, wie Jalobli sagte, Sinn gehabt und Gedanken für andere Menschen und ihre Umstände schärfer bezeichnet, als sie ihnen selbst bewußt waren. An solchen sollte man Exempel nehmen, sagte Jakobli, da kann man sehen, wenn einer so recht mit dem Herz bei seiner Sache ist, so ist sie ihm immer z'vorderise, un er vergißt alles andere darob, u nit ume öppe d'Flause, sondere sy eige Lyb u Lebe. Meyeli sagte nicht viel dazu, aber eigen bewegte es der Gedanke, daß der Doktor seine innersten Gedanken errathen, daß er in solchen Umständen an ihns gesinnet, sein Fürsprech und Mittler geworden.Es möchte ihn doch noch einmal sehen, und ihm danken, sagte es, wenn es schon schier nicht dürfe. Wenn er sterben sollte, ohne daß es ihn sehe, es konnte sich nicht trösten, er müß doch o wüsse, daß me selligs epfingi, und daß me nit öppe ganz hert ums Herz syg,wil mese Kittel a heyg. Die ganze Nacht träumte es schwer, sah den Jakobli im Schuce und den Doktor auf dem Stein, bald sollte es das Wägelein ziehen und vermochte es nicht, bald starb der Boktor, bald Jakobli,bald lag es selbst im Bette, und der Doktor kam und sagte: „Fraueli, schone müßt ihr euch, es wär schad um ech, Ruh ha u mit der Spys nachehelfe, u warum nit, es gönnt ech's ja alles, un ist alle zirechte.“ Dann ward der Doktor schneeweiß, er krümmte sich zusammen und laut auf schrie Meyeli, daß Jakobli frug: „Herr Jemer, was hest?“ Am Morgen war das Ersie die Frage, wie es wohl dem Doklor gehe. Sie wurden räthig, es solle Jemand ins Pfarrhaus gehen. Hätte es ihm böset, so werde man dorthin wohl Bescheid gemacht haben, und sei das nicht, so seien sie doch sicher froh, zu vernehmen, was es gegeben, um nachfragen lassen zu können. Darüber ward'man bald einig, aber wer gehen sollte, das stellte lange den Rath. Es kamen alle in Vorschlag, und jegliches hatte gute Gründe nicht zu gehen. Am wüstesten that Mädi. Wenn's öppe z'Märit gang oder süst öppis usz'ryte syg, da sinn Niemere a Mädi, aber wenn de e Dreck üsz'trappe syg, i z'Herrehus z'gah oder süst nenis Uflath, da soöͤtt de Mädi vora, da wär's de gut g'nue. Es könne nicht reden, daß man es dort verstehe, und si lah usz'lache, begehr es nit, u z'Pfarrers Tochter syg ihm de zu ne usführischi (satyrische, spottfertige). Meyeli machte die meisten Stimmen und wehrte sich am wenigsten hert; es mußte sich z'weg und auf den Weg machen.Anne Bäbi. ILI.

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Vom Rumor in einem Pfarrhause und wie ein Mädchen einem Vikar predigt.Der Sturm war vorüber, die Sonne schien wieder,der Schnee lag hoch und fest, und mit gewaltigen weißen Perücken waren die Bäume bedeckt, die weiße Wintersappe hatten sie sich über die Ohren gezogen, und bis kief in die Augen hinein. Noch war nicht allenthalben Bahn, hier und da sah man nur einzelne Tritte, die Menschen hoben daher die Füße, wie der Storch es chut, wenn er auf dem großen Moos spazirt, oder ein Rathsherr, wenn er zum ersten Male aufs Rathhaus geht. Meyeli konnte nicht den Fußweg ab, dort war doch Niemand gegangen, es mußte durchs Dorf, und als die Leute es gegen das Pfarrhaus gehen sahen, ohne Säackli, ohne Körbli, worin eine Züpfe oder Metzgete verborgen sein konnte, nahm es sie grusam Wunder,was es wolle. So zur Unzeit, für nüt und wieder nüt werd es g'wüß nicht scho am Morge so zytlig da sein,und mehr als eine Frau scheute den Schnee nicht zwischen ihtem Haus und dem Nachbarhaus, tunkte kühn ihren Untertheil hinein wie eine Kastanie in gestoßene Ridel und drückte sich zur Nachbarin hin und sagte: du,was hets acht gäh bi 'Jowägers? denk, die Jungi ist scho zum Herr, u dä ist chum uf, u d'r Vikari wird no liege.“ Die Gelehrten waren von verschiedener Meinung, die Einen meinten, es hätte wieder etwas mit Anne Bäbi gegeben, man werde den Herrn rufen wollen, die Anderü meinten, die Junge werde Streit gehabt haben, und jetzt dem Herrn klagen wollen. Ihre (ihr Mann) sei gestern spät heim gekommen, und vielleicht trunkne, u da werd's gegangen sein wie etwa an andern Orten auch. Aber wenn man allemal gehen und es dem Herrn klagen wollte, so hätte der kaum Ohrens genug. Aber so gehe es, wenn man mit dem Herrn zu bekannt werde, da meine man, wenn einen eine Laus gebissen, so müsse man hurtig springe und's gah kläfele cwiedersagen). Glücklicher Weise traf dicht vor dem

Pfarrhause eine Frau auf Meyeli und fragte: „was bringt dich so früh daher?“ Ganz ehrlich sagte es dieser den Grund, und wie diese weiterging, stand hier eine, dort eine, und frug: „Du, was het's g'seit,warum geyt's?“ Als die Leute hörten warum, da sagten die Meisten: Es wär lätz wenn dä dahinger blieb,er könnt mi grusam reue, er ist wohlfel g'st u het d'Sach doch verstange, u de ist's ihm grusam d'ra g'lege g'si.Und er het nit bigehrt, wie's mange angere thut, dLüt des ume zieh, für se um Geld z'bringe; wenn er Rustig g'ha het, wo n'r g'wüßt het, daß si hilft, su het er se neh o gönnt. Einige, und darunter namentlich Scherrer Joggis Sohn, der einige alte Guttern mit Träychern von seinem Vater geerbt hatte und daraus noch dokterte „dem Tüfel ebe,“ sagten, es geschehe ihm recht, warum er heyg welle besser sy as die angere.Aber sie hätten ihn wohl gemerkt, das sei der schlimmst Schelm vo alle g'st. Der hätte gethan wie ein Narr,daß die Lente gemeint, er gebe ihnen nicht nur die Sache vergeben, sondern noch Geld dazu, und sei nache g'fahre,uärger als e hungerigi Katz a mene Schnäfeli Fleisch,oder d'r Tüͤfel a nere arme Seel, daß man hätte meinen sollen, wie es ihm daran gelegen sei, ja, als ob er seinem Vater oder seiner Mutter nachfahre, die sich gehängt hätten im nächsten Tannenwald. Wenn er aber die Leute einmal gehabt hätte, u d'r Ruhm, er syg d'r best, su hätt me de chönne luege, was das für e Uflath worde wär, der wüstist Hung vo alle. Es soött allne e so gah, wo afangs nit g'nue chönne a d'Sach thue u wo meine, si welle besser schyne als die angere. D'r Aetti selig, sagte Scherrer Joggis Sohn,hätte albetz g'seit, un er syg e g'studirte Ma g'st, wie's se öppe nimme dick gäb, wenn d'Heustüffel scho im Heuet gumpe (springe), su gäb's e schlechte Emdet un e frühe Winter, un wenn so ne Junge g'rad wott d'r Däche sy obe a, u thut, as wenn's no keyne so gäh hätt, su zell me ume druf, dä duret nit lang, entweder geyt er Wper er wird z'letscht e so uwerth, daß ne ke Hung meh a . 372 Ins Pfarrhaus brachte Meyeli's Nachricht, welche es mit aller Sorgfalt vorbrachte und nicht etwa fragte:„Erschrecket nit, aber ih ha welle cho frage, ob d'r nüt vorno heyget, ob d'r Dokter g'storbe syg oder nit?“große Aufregung. Der Pfarrer sagte: „Richtig, es geht ihm wie dem Bruder selig, sein Beruf tödtet ihn,sch habe das schon lange gesagt, für so heiße Herzen ist er nicht.“ Sophie wurde blaß, drehte stumm sich ab,erst zum Fenster, und, als es das Weh nicht lautlos verwerchen konnte, zur Thüre hinaus. Der Mamma liefen die Thränen bachweise übers runde Gesicht, aber sie verlor keinen Augenblick ihre ruhige Klarheit. „Papa,sagte sie, wir wollen sogleich hin, es wird wohl irgendwo ein Roß zu haben sein, wenn schon viel Schnee ist, so kann man den Schlitten nehmen, d'r Luft het g'hört,und mir chönne ihs gut ymache. Aber gah luege muß ih, und du kannst ihm de o öppis säge, viellicht lost er d'r jetz und bigryft wie d's meinst. Dää gut Vetter,Käthi wird scho zu ihm luege, es weiß, was me öppe macht, aber us d'r Hut wird es ne sust sprenge mit sym Klage, und wie es mit de Lüte umgeyt. Viellicht wär's gut, wenn ih es Paar Tag dert blieb, ih chas mit em Käthi gut, und wenn es öpper by nihm laht su bi nihs. Uf all Fäll will ih es Päckli mit näh, öppis Nachtzug und öppis durrs Züg. Mir hey gar vortreffli b'schnittni dürri Birrli, dr Sokter, dä arm Rudi,het se geng so vortreffli g'funde, u mengist g'seit, öppis bessers fur Krankni als die, wüßt er nit.“ „Und z'Sophie?“ fragte der Pfarrer. „Das, sagte die Mamma,lassen wir daheim. Lue, m'r wüsse nit, wie m'r's atreffe, und du kennst z'Sophie, es muß geng zeige,wie's ihm ist, es cha nit anders, und du weißt, wie d'Lüt sy, und b'sunders i dem Nest wo er ist. Ih bigryfe gar nit, wie er geng dert sy ma. De ist no das,z'Käthi hasset z'Sophie, und si zanggete g'wüß um Rudis Bett, wie si mängist e Tüfel und e Engel um e ne armi Seel zangge solle. Nit, daß ih d'rmit säge well,Peinte oder z'andere syg e Tüfel oder syg e Eugel.“

So lauteten der Mamma alsbaldige Gedanken, welche auch sogleich in Ausführung gebracht wurden.Es wurde nach einem Pferde geschickt, und je nachdem man eins haben konnte, wollte man alsbald verreisen oder früher zu Mittag essen, und dann gleich nachher.Papa ging, Sachen auf die Post zu rüsten. Meyeli rühmte noch den Doktor, wie gut er gegen sie gewesen sei, und wie er sich afe hätt möge g'mühye, aber von dessen letzten Reden zu Jakobli sagte es nichts. Nachdem es noch den Gruß aufgetragen, und gefragt, ob sie wohl dürften fragen lassen, wie es gehe, es nehme sie grusam Wunger, nahm es sittigen Abschied. Es wolle die Frau Pfarrerin nicht aufhalten am Z'wegmachen, aber wenn sie oöppe kein Roß haben könnten,so stehe ihre Mähre zu Diensten, sie sei öppe nit die Gleitigist meh, aber dest frömmer. Auf dem Heimweg stand manche Frau ihm z'weg, um nähern Bericht zů vernehmen vo wegem Dokter. Es hatte sich schon mehr als eine Erzählungsweise gebildet. Die einen wollten haben, Jakobli habe ihn erfroren gefunden und auf dem Wägeli sei er ihm wieder z'weg gekommen, während die andern das Gegentheil behaupteten, er hätte ihn lebendig gefunden und erst auf dem Wägeli sei er gestorben.Daß der Doktor noch gelebt, als Jakobli ihn verließ,und wööhler als er ihn gefunden, war allen recht, aber Meyelis einfache Erzählung glaubten ste nicht recht.Daß so ein Herr Bauchweh kriege, daß er nicht mehr fürers möge, das hätten sie nie gehört, sie wüßten auch nicht, wie so einer, der Spys heyg wie er ume well,es auflesen wollte. Das müß öppis angers g'si sy,aber er werd's nit ha welle säge, oder heyg's am Jakobli verbote z'äge, so ne Herr syg gar schlimm u wüß geng e Usred, aber es müsse nüt pmache sy, oder si welle ihm drüber cho.

Sobald Meyeli fort war, suchte die gute Mutter ihre Tochter und fand sie in ihrem Stübchen, den Kopf ans Bett gedrückt und bitterlich weinend. „Sophie, sagte die Mamma, nimm dich zusammen, die Sache ist nicht so bös, wäre es schlimmer geworden, so hätten wir sicher schon Bericht erhalten, glaub's.“ „Wenns besser 374 worde wär, so haätte er es uns sagen lassen, damit wir nicht erschrecken, denn er hat doch wohl denken können,daß wir vernehmen würden, wie der Jowäger ihn gefunden, und weil er nichts hat sagen lassen, so kann er es nicht, ist vielleicht schon todt, glaub's,“ so sagte Sophie. „Sieh Kind, das legt jeder aus nach seiner Angst oder seinem Glauben, und ich glaube nicht, daß so ein Kolikanfall gleich tödte, d'r Vetter hat sonst eine starke Natur, und ist dem nicht unterworfe. Aber nimm dich zusammen und los, was ich dir zu sagen habe,wenn ich vielleicht diese Nacht nicht heimkomme. Vielleicht ist's em Vetter eine Erliechterung, wenn ich bei ihm bleibe, und wenn Käthi öpper duldet, so duldet's mi.“ „Aber Mamma, ich bleibe nicht daheim, ich will mit, ich stehe es hier nicht aus und Niemand hält mich zurück, ih will gah, ih muß.“ Mit großer Mühe gelang es der Mutter, die Tochter eines bessern zu berichten/ ohne ein Machtwort des Vaters nöthig zu haben,denn Sophie nannte Pflicht, wozu das Herz ihns trieb,und wo das Herz im Trieb ist, da hat die Mutter schweren Stand, die Tochter auf die Pflichten des Anstandes und der Klugheit zurückzuführen, ihr begreiflich zu machen, daß es Umstände gebe und Krankheiten,wo eben solche Erscheinungen, wie es beabsichtige, peinlich seien und gefährlich werden könnten. Sie sprach Sophie Muth ein, sagte ihm, so solle man bei einer bloßen Gefahr nicht machen, man könne sich versündigen, wie es sich denn gebehrden wollte, wenn das Unglücklich wirklich eintreten sollte. Dann gab sie ihm ihre Aufträge, z'Mittag sei rangirt, sagte sie, und für zNacht solle es ein Sillery Koöchli rüsten, der Papa hätte ihn gar gern, den Nachtrock solle es ihm auf den Ofen legen und d'Pantoffle vor seinen Fauteuil stellen,und wenn sie nicht heimkomme, so solle es dem Papa das Nachtzeng rüsten, das Nastuch unter das Hauptkissen thun, dieses wohl hinaufziehen, ein Ohrenkissen aus dem Bette thun, das andere schön glatt auf das Hauptkissen legen und die Federn im Volet hinunterschütteln zu der Fussete. Dann solle es den Papa fragen,ob es kommen solle, ihm das Licht zu löschen, und in Acht solle es sich nehmen, ob er seine Tabatiere auf das Nachttischli gelegt, und wenn sie nicht dort sei, er vergesse sie manchmal, so solle es sie aus dem Rocke nehmen und hinlegen. Jetzt aber solle es hinaufgehen auf den Estrig, und ein Körbchen beschnittene Gelbbixli aus dem Schnitztrog nehmen, von den letztjährigen, sie seien besser, linker Hand im dritten Unterg'schlacht, es wisse wohl. Vorirre söll es si nit, nebezuche syge Lederbire, die wäre öppe nit am beste.

Da die Nachricht kam, daß man in einer halben Stunde das Roß haben könne, so entstand ein lange nie erlebter Auflauf und Aufruhr im ruhigen Hause.Mamali mußte dem Papali Kleider füre thue, und beorderte Sophie ans gleiche Geschäft für fich. Beim Papa ging das geschliffen zu, ob die Auswahl nicht groß war, öder der Sinn einig, bleibt dahin gestellt, item,was Mamali füre that, zog Papali an sonder Bemerkung, geschweige Widerrede. Bei der Mamma ging's schon anders. „Diesen Rock willst du doch nicht anziehen, Mamma, sagte Sophie, immer noch die Augen abwischend, die ganz roth waren. Ich habe ihn hervorgelegt, weil du es befohlen hast, aber es ist es rechts UÜflchhüi, abg'schosse u ganz us dir Mode, leg doch dä a, wo d'r d'er Papa vorfern oder no länger zum Neujahr gäh het.“ „Aber was denkst, Sophie, wenn ih es par Tag dert blybe sött, su müßt ih de no eine mit näh, da reuti mih de für ali Tag, denk doch, häb v V'erstand.“ „Mamma, wenn d'r Papa euch einen neuen Rock schenkt, so sollte er euch gleich einen zweiten schenken, damit ihr den ersten sparen könnt, und doFrag wär no, ob ihr nicht noch einen dritten kauftet, üm den zweiten zu sparen.“ „Aber Herr Jeses,Sophie, was bringst du mir da für eine Haube, die schönsti wo nih ha, wo de m'r zum Namestag g'macht hest! Nei, Sophie, die lege ih nit a, denk doch, unlere Hut, u no so nes Ding d'rüber, ih v'rgisse geng,wie me ne seit, es wurd die schöne Band ganz verdrücke. Nei, bring m'r die mit de gäle Laätsche, wo 376 nih fern a dor Visttatz ag'ha ha, du weißt wohl, die,wo zPapali g'seit het, ih g'fall ihm so wohl drinn.Aber gang lue g'schwind, ob de am Papali nit chönnist d'Getere ythue, es dunkt mi, ih g'hör ne berze.A fertig, so kam schon der Bericht, das Pferd sei z'weg,Sophie tribelirte, Mammali zappelte, Papali klagte,das sei ihm doch afange es G'jast, und er haß nüt meh als das, und auf eine Viertelstunde komme es jetzt nicht an, d'r Christe chͤnn ja em Roß no e weneli Ryterkorn gäh, wenn key Haber meh syg. Endlich war man fertig.Mäntel, Schlüpf, Bettflasche, Roßhaarfinke, kurz, alles,alles, bei der Hand, Christe spannete an, da sagte die Frau Pfarrerin: „Sophie, reich doch g'schwind das Hammli, wo wir letzthin gekocht haben, es ist noch fast ganz, und z'Käthi ißt für sys Lebe gern Hamme.“„Mamma, worein soll ich es thun?“ „Wickle du es in einen von den groben Kuchilümpen, dert rechter Hand im Schaft, du weißt.“ Sophie that wie geheißen, es war angespannt, da, als Sophie mit dem Hammli kam, sagte die Mamma: „es chunnt m'r no z'Sinn, z'Käthi wird nüt z'Mittag ha für ihs, und z'Papali wartet nit gern laänger als bis am Zwölft. Was meinst Sophie, wenn m'r no die kalte Cottelettes mit nähmte, die wäre doch bald g'wärmt, und mir lebte viel besser d'ra, als so a mene Bitzli v'rraxetem Bratis, wo Käthi ihs viellicht ließ reiche.“ „Aber Mamma, und de mir, fragte Sophie, mir hey ja das sölle zMittag ha?“ „Mach de oppis, mach was d'witt, es ist no es Rüppeli i d'r Beizi, nimm das, und Kalbfleisch im Fliegehus, du chönntist einist zur Abwechslung Kalbervogel machen.“„Aber Mamma, wory soöͤll ih se thue?“ fragte Sophie.„Thue se in es Druckli, da werde si am wenigste v'rdrückt,lue, dert ist Papier, und es Druckli find'st uf d'r Laube, aber nimm eys, wo's nüt schad ist, du weißt,Käthi git nüt ume.“ Sophie ging. „Sophie, Sophie,rief die Mutter nach, es chunnt m'r z'Siun, mi chönnt z'Hammli o g'rad d'rzu thue, und d'r Kuchilumpe hie b'halte, er ist vo me ne ganze Dotze. Nimm es größers

Druckli, nimm das, wo m'r im Herbst Trüübel drinn übercho hey, es ist nüt schad drum, es ist ganz vorhudlet, und thue z'Hammli unte dry, u d'Cottelettes obe druf, u deck de schön mit Papier, lue, es sy dert Zitunge, es ist nüt schad drum.“ Sophie machte das alles ohne Widerrede, und schlug keine einzige Thüre deßwegen dest härter zu. Endlich hatte es sie im Schlitten eingepackt, hatte drunglich angehalten, mit Thränen in den Augen, Papa solle früh heimkomnen es verzapple sonst. Christen hatte Hu gesagt, und ein struber Mönch war mit dem ungewohnten Schlitten einige Dutzend Schritte in die Kreuz und in die Quer gelaufen, da hieß es: „Christe häb still!“ Christen hielt still, dann hieß es wieder: „ih ha my Tabatiere vergesse und die sött ih doch ha.“ Christen sagte: „söll se gah reiche?“ „Nei, sagte die Mamma, Jäb z'Roß recht, ih will gah.“ Sophie, welches stehen geblieben war, und ihnen nachgesehen hatte, kam dahergesprungen.„My Tabatiere sött ih no ha, si wird im andere Kleid bliebe sy, sagte der Pfarrer. So geyt's, wenn me so jastet, dest länger chunnt me de nit ab Fleck.“ Sophie sprang fort. Wie üblich fuhr der alte Herr fort zu suchen, er heyg doch g'meint, sagte er, er hätte ste zu sich gesteckt, und wie er das sagte, fand er sie richtig im Giletsack. „Wenn's ume jetz z'Sophie wußt, sagte die Mamma, das arm Meitschi sucht si sust no z'todt.“„Soll ih's d'r Jumpfere gah säge?“ fragte Christen.„Lue, lue, ruft die Frau Pfarrerin, er geyt hinter z'st,häb, häb.“ Christen zwickte das Roß, das Roß schnellte vorwärts, da riß Christen wieder rückwärts, und nicht mehr richtig ward das Ding. Gäab wie der Pfarrer sagte: „gang ab Christen, und häb z'Roß,“ Christen blieb sitzen, wollte zeigen, daß er fahren könne, so ne ketzers strube Buremünch müsse nicht meinen, daß er Meister sei, z'wickte, und wenn der Münch vorwärts wollte, so riß Christen dest stärker am Leitseil.

„Häb still Christen, häb still“, schrie die Frau Pfarrerin, aber je mehr sie schrie, dest stärker schriß Christen und dest strenger ging es dem Dorfbach zu, und wer weiß, wie weit oder wie tief es gegangen, wenn nicht der Siegrist zu Hülfe gekommen wäre. Der brachte das Roß zur Vernunft und sagte zu Christen: „zwicke und schryße geyt neue nit zäme, däych dra.“ „Es ist aber auch ein Roß darnach, da macht e jedere was ne gut duecht,“ sagte Christen. „Ja, ja, du hest recht,sagte der Siegrist, a d'r nächste Wahlv'rsammlig gibe ih d'r d'Stimm für Rathsherr, du hest die rechte Grundsätz, u d'Usrede grad d'rzu, wenn menge scho z'einte het, su fehlt ihm doch z'angere.“ Der Siegrist war nämlich ein Schalk, so redete er vor dem Pfarrer und besonders vor der Frau, kam er aber zum Statthalter oder gar ins Pinteng'schenk, da redete er ganz anders.Unterdessen hätte man Sophie und Tabatiere fast vergessen, wenn nicht sie selbst gekommen wäre mit mehreren alten Tabatieren und einem großen bleiernen Hafen.„Papa, sagte sie, leset selber aus welche ihr wollt, die rechte, welche ihr sonst braucht, habe ich nicht finden können, ich habe euch alte gebracht und der Hafe zum Fülle, weli ihr am liebste heyt.“ „Dankeigist, sagte der Papa, ih ha se g'funde.“ „Exgüsi Jumpfere, sagte der Siegrist, ist's erlaubt?“ und längte mit g'stabeligen Fingern in den Hafen. „Hü, du,“ sagte Christen und verschluckte aus Respekt den Rest. „Leb wohl, Kind,sagte die Mamma, häb gut sorg, und wenn d'Kalbervögel machst su hau se emel numme dünn.“ADD leicht sich bloß gab, seine Gefühle in sich zu verwerchen wußte, mit seinen Grundsätzen aber nicht hinter dem Berge hielt; wäre es ein Mann geworden, es hätte was Mannhaftes vorgestellt, jetzt war es das Licht seiner Eltern in ihren alten Tagen, und das ist das Höchste was ein Kind sein kann. Was Sophie machte zwischen der Abreise der Eltern und dem Mittagessen, das wissen wir nicht, allweg keine Kalbervögel.Als um zwölf Uhr aufs Läuten der Vikari hinunter kam, war Sophie gefaßt und seine Augen nicht mehr roth. Ganz verwundert sah der Vikari sich mit Sophis alleine, von der Abreise des pfarramtlichen Paares 379 wußte er nichts. Er hatte wohl anfäͤnglich außergewöhnlich viel Thüre gehen hören, später eine ungewöhnliche Stille, aber was das zu bedeuten hätte, hatte ihm Niemand gesagt, und darnach zu fragen, hielt er unter seiner Wurde. Man glaubt es gar nicht, wie g'stabelig und gemessen das in einem Pfarrhause zugehen kann, wenn Vikari und Familie sich gegenseitig aufs hohe Roß gesetzt haben, wie wenig Worte da gewechselt werden, wie wenig man von einander Notiz zu nehmen scheint, während man sich jeder Miene achtet, jedes Räusperens, jedes ungewohnten Schrittes,ihn zum Gegenstand ernsthafter Betrachtungen macht,die recht peinlich werden, weil man nie fragen darf,ob man mit seinen Schlüssen und Erklärungen das Rechte getroffen. Nun geht es im Menschen wie im Wetter, das trocken geworden ist. Es gibt eine Zeit,wo die Trockenheit steiget und gäb wie es Wolken gibt für Guggers Gewalt kein Regen fallen will; uünd wiederum eine andere Zeit, wo es noch trocken ist unten, in höhern Luftschichten der Regen sich bereitet und husch da ist, ehe man es sich versieht, ja meint, erst jetzt wolle es recht trocken werden. Gerade so ist's in sogenannten gespannten Verhältnissen. Während der Spannungsstoff im Herzen aufgehäuft ist, wächst die Spannung, man wird alle Tage trockener, redet alle Tage ein Wort weniger, nimmt eine Notiz weniger,und wenn Jemand ein Bein brechen sollte, so bestimmt man sich, ob man nach dem Falle fragen oder kaltblütig abwarten wolle, ob man ihn erzäͤhle. Aber wie der Zahn der Zeit nichts Zeitliches verschont, so beißt er sich auch in diesen Stoff, verzehrt ihn allmählig,und bei kleinem Anlasse löst sich die Spannung, es gibt einen herzhaften, nahrhaften Streit, auf den gut Wetter folgt oder einen sanften Regen und noch besseres Wetter darauf. Zuweilen aber erzeugt sich der Spannstoff neu in ungeheurer Masse und hält dann lange vor. Vor einem halben Jahre hätte der Herr Vikar an den Tisch sich setzen können, siebenmal mit Sophie alleine, er hätte nicht gefragt, warum? und 380 Sophie hätte ungefragt ihm die Ursache noch siebenmal weniger angegeben. Nun stand es aber anders als vör einem halben Jahre; die Erklärung, daß Sophie und der Doktor wahrscheinlich zusammen kommen würden,die Gewißheit, daß man ihm Sophie nicht aufdrängen wolle, hatten ihn milder gestimmt, an Gift und Arg-wohn ihm gezehrt, und ein recht aufrichtiges Bedauren mit Sophie hatte sich in sein Herz geschlichen; mit dem frivolen rohen Doktor, der für nichts Höheres Sinn hatte, mußte sie stein unglücklich werden, dachte er, mit einem Menschen ohne Religion! Und schade sei es doch um sie, vortreffliche Anlagen hätte sie, dachte er. Was sie lese, scheine site zu verstehen, ohne Empfindung sei sie nicht, und manchmal komme ihr wirklich etwas in Sinn, das einem noch zu denken gebe,es sei recht kurios. Freilich habe sie ein boöses Maul und sei im hohen Grade spöttisch. Er glaube aber nicht, daß das aus bösem Herzen komme und von wirklich boshafter Richtung, der leidige Doktor werde daran schuld sein, der habe eine satanische Zunge, die ihm der Böse selbst ins Maul gesteckt zu haben scheine.Es sei aber auch kein Wunder, bei den Grundsätzen welche der Doktor habe, wundere es ihn nur, daß es nicht ärger sei. Wäre einmal das böse Beispiel nicht mehr da, der fatale Doktor überhaupt beseitigt, Jungfer Sophies natürliche Gutmüthigkeit würde sich sicher wieder Bahn brechen, und mit ihrer Seele wäre wohl etwas zu machen, sie wäre zu retten, meinte er. Schade,daß kein Vermogen da sei, daß die Leute gelebt hätten wie im Himmel, geholfen allem Lumpenpack und sonst gelebt, als wären sie reich, und nicht gedacht, daß man sparen müsse, weil man nie wisse wie man es brauchen könne. Wäre Vermögen da, so wäre Sophie eine so üble Partie nicht; mit der Haushaltung wisse ste umzugehen, Alles gehe ihr flink von der Hand, auch sei sie so übel nicht, alles gefund und frisch, das sei nicht zu verachten, aber zW'rmöge, zW'rmoöge, das fehle,und so heyg eigetlich alles g'fehlt, das syg z'letzt doch dꝰ Hauptsache.

So stund der Thermometer, als er die leeren Plätze erblickte und sich mit Sophie alleine. Warum Herr und Frau fehlen, frug der Vikari. Wo sie hin seien und warum, berichtete Sophie. Sophie war weich im Herzen, hatte Mühe an sich zu halten, die innige Angst zu verbergen. Tas gab ihr etwas Weiches, Mildes,an welches der Vikari nicht gewohnt war; ihm war hauptsächlich die schnippische, spöttische Seite zugekehrt gewesen. Nun gab ein Wort das andere, Sophie erzählte, wie der Doktor sich opfere, Jugend, Gesundheit der Treue in seinem Berufe, und wie ihm nicht zuzusprechen sei, wie er selbst seinem Eifer nicht abbrechen könne, wenn er sich es auch vorgenommen, auch das,was er opfere, in keinem Verhältnisse stehe zu dem,um deßwillen er es einsetze. Mache man ihm darüber Vorwürfe, so antworte er, an ihm sei es nicht, zu berechnen, was er thue; den Werth von dem zu ermessen, um weßwillen er es thue, dafür habe Gott allein die Waage. Ja, ja, sagte der Vikari, er hätte nichts darwider, so was man sage, sei der Doktor ein vortrefflicher Mann, desto mehr sei es Schade, daß er nicht christlicher sei, sondern ein so frivoles Wesen hätte und so verderbliche Grundsätze und Ansichten. Sophie ward roth und der Geist des Zorns regte seine Flügel.Ja, sagte sie, das sei wahr; Herr, Herr, sagen, thue er nicht viel, auch nicht an die Brust schlagen und beten vor den Leuten; aber den Willen des Vaters thue er, und dem wandle er nach, der für andere gestorben sei. Die Leute möchten das Nervenfieber oder die Rötheln haben, und Weg und Wetter sein, wie sie wollen,er frage nie, könnte ich es auch bekommen, könnte es mir schaden? Da war am Vikari der Kehr roth zu werden. „Jungfer Sophie, sagte er, ich weiß wohl was ihr meint, ihr hauet mir wieder eins nach altem Brauch, aber ihr thut mir unrecht. Es ist wahr, ich bin zu Niemand gegangen, welche die Rethle oder das Nervenfieber hatten, aber es verlangte mich Niemand,und denket! wie leicht ich die Röthle hätte auflesen können, denn ich habe sie noch nicht gehabt, denket! 382 „Und dann, sagte Sophie, was wäre das gewesen, es hat schon mancher Mensch sie gehabt, und wenn es anfangs schon rothe Punkte im Gesichte gibt, die vergehen bald, sagt man, und man sei nachher nicht weniger hübsch als vorher.“ „Um das ist's mir nicht,Juümpfer Sophie, sagte der Vikari, ich bin kein so eitles Ding, wie deren so viele herumlaufen; aber meine Mutter hat mir gesagt: „„Ludi schon di, d'Röthle hest no nit g'ha, d'Scharlachfieber nit. Ueberhaupt vor alle asteckete Krankheite hüt di, i üser Familie möge mir se nit erlyde, mir hey gar es lebigs Blut.““ Ha nih mi jetz, so für nut und wieder nüt, sölle ga ussetze, wo mi ja Niemer begehrt het?“ „Herr Vikari, sagte Sophie, was meint ihr, wenn die alti Jowäger z'Scharlachfieber gehabt hätte, wäret ihr auch gegangen, ihre Seele zu retten? dorthin seid ihr ja auch ungerufen gegangen.“„Jumpfer Sophie, sagte der Vikari, solche Fragen muß ich mir verbeten, ihr seid nicht mein Visitator, und es ist besser, wir kommen nicht wieder in diesen Ton. Indessen, setzte er nach einigem Besinnen hinzu, da die Milde in ihm vorherrschend war, ich schäme mich nicht es zu sagen, ich habe meine Schwächen, so gut als andere Menschen, und eine davon ist die, daß ich mich vor Krankheiten fürchte. Es ist mir schrecklich nur zu denken, wie ich krank werden könnte, geschweige denn krank zu sein. Meine Mutter selig hat mir von Jugend auf gesagt: Ludeli, Ludeli, häb sorg, du chöntest krank werde, und krank sy ist e schröcklichi Sach, du glaubst nit. Das ist mir nachgegangen, ich kann nicht helfen, und das wird mir der Herr wohl verzeihen.Aber solche Ansichten zu haben wie der Doktor, keinen Glauben zu haben wie er, das ist schröcklich, glaubet mir das Jumpfer Sophie. Ich meine es gewiß gut,aber wenn ich so einen Menschen ohne Glauben ansehe,es kömmt mich alle Mal ein Schauer an und besonders wenn ich mir dabei denke, wie ein solcher Mensch Frau und Kinder unglücklich machen muß, ja im Stand ist, sie um ihr Seelenheil zu bringen.“ „Herr Vikari,sagte Sophie, ich weiß nicht, soll ich böse werden oder soll ich lachen; aber wie g'späßig ihr m'r vorchömet,cha ih ech nit sͤge.“ „Was ist denn da g'späßigs, ih möcht ech g'fragt ha“, sagte der Vikari. „Werdet nit höhn, sagte Sophie. Da ihr es gut meinen wöget, so will ich es auch nicht werden, obgleich ich alle Ursache dazu hätte, aber meine Meinung erlaubt mir zu sagen,ihr habt mir die eure gesagt, ich denke an mir sei jetzt auch d'r Kehr. Wenn ich euch ansehe, so geht es mir mit euch, wie euch mit dem Doktor, ihr dauert mich;aber auch er dauert mich, ihr dauert mich alle beide.Ihr dauert mich, und warum? ihr seid ein Meisterlösli von Jugend auf, euere Person ist euch Alles und die ganze Welt werthet ihr nach dem Maßstabe, welchen die Meisterlosigkeit verfertigt, und euer ganzes Thun hängt wieder von der Meisterlosigkeit ab oder mit andern Worten, reine Selbstsucht, oder mit euch zu reden, der alte Mensch regiert euch noch vollständig, hat sich aber hinter schöne Ansichten verkrochen,mit Dogmatik verschanzt, und wehrt sich gewaltig mit Bibelsprüchen, so daß, wenn man nicht durch die Spalten sieht, es rund um euch wie wahres Christenthum aussieht. Aber es ist es doch nicht, ihr wollt die Welt bekehren, aber an euch selbst erprobet ihr euer Christenthum nicht, seine Kraft habt ihr nicht erfahren. Bedenkt doch, wie empfindlich ihr seid, wie mißtrauisch,wie eifersüchtig auf meinen guten Papa, wie besorgt um eure Person, wie ängstlich, fast als ob ihr von keiner Vorsehung etwas wüßtet, wie gebunden an ein gut Plättlein, das wir euch übrigens von Herzen gönnen, wie so ganz ohne alle Freudigkeit. Seht und eben deßwegen bedaure ich euch, denn auf dem Wege werdet ihr nichts werden als ein grämlicher Greis, der den Himmel nie blau sieht, werdet in düsterem Sinn verkümmern, werdet am Ende auch um alle euere schönen Redensarten kommen und nichts als Seufzer und Klagen haben über die Menschen nicht nur, sondern auch über die Fuhrungen Gottes. Was aus euern Ansichten werden wird, weiß ich nicht, aber Ansichten, die nicht eins geworden sind mit dem Thun, wie die Seele mit 3834 dem Leibe, scheinen mir nur Nebel, und die gestalten sich bekanntlich alle Augenblicke anders. Ob ihr mit diesem grämlichen Sinn eine Familie glücklich machen werdet, weiß ich nicht; aber ich glaube es nicht, ihr werdet den Fehler nie an euch suchen wollen, und in all euern Wunderlichkeiten nicht den Ausdruck des vermeisterlösleten Kindes erkennen wollen, sondern nichts als euere natürlichste Natur, die ihr schonen müßtet und somit werdet ihr euere Leute unglücklich machen oder werdet von ihnen zum Besten gehalten, verachtet werden, und ihr werdet jedenfalls nicht die heitern Tage haben, wie unser gute Papa sie hat.„Aber auch den armen Doktor bedaure ich, dem sein Leben in seinem Berufe aufgeht, der nie das Seine sucht, Geld verschmäht, das Hemd weggibt, sich selbst in jede Gefahr stürzt um einen Bettlerknaben zu retten.Der hat nie Zeit an sich zu denken, sein Sinnen geht auf Andere, er kennt keine Bequemlichkeiten, hat keine Rücksichten für sich und fordert keine. Er ist heftig,wild, aber nicht für sich, für andere; wenn man ihn verfolgt in seinem Thun, so kömmt er einem fast wie ein Engel vor, und doch bedaure ich ihn, möchte manchmal bitter weinen für ihn. Seine Treue, seine Liebe,sprudeln aus seiner edeln Natur, sind aber eben ungeregelte Triebe, sie reißen ihn fort zu ungemessenem Fluge bis er zu nahe der Sonne kommt und zurücksinken muß in tiefe Nacht. Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll, ich ungelehrtes Mädchen, daß ihr mich nicht unrecht versteht, nicht boöse werdet. Ihr habet einen Glauben; ob er der rechte ist, weiß ich nicht, aber euer Thun entsteht nicht aus euerm Glauben, sondern aus euerer Natur; eben daher kommen auch des Doktors Werke, aber wie gut sie auch sind, seine Natur ist doch die rechte nicht, ist eine sündhafte, treibet zur Sünde, treibt ihn zur höchsten Sünde, sein eigener Gott sein zu wollen, seines Schicksals Schmied, wie man sagt. Das thut aber ein Mensch nie ungestraft,und das Gefühl seiner Ohnmacht, der eigenen Unzu0 38383 Gewalt über ihn, wie Papa sagt, macht ihn zum Menschenhasser, oder führt ihn zu der Lasterhaftigkeit,die aus innerer Zerstörung kömmt, oder zu Schwermuth oder Wahnsinn. Denn, sagt der Papa, es bedarf der Demuth, der Anerkennung unserer Ohnmacht,der Allgewalt Gottes, es bedarf das Bewußtsein unserer Sündhaftigkeit und der Erlösung und Genugthuung in Jesu, der Nothwendigkeit, daß der Geist des Herrn unserer Schwachheit aufhelfe, um weder ein Narr noch ein Vieh zu werden; so wie aber alle diese Worte, sie möchten ausgesprochen werden wie sie wollten, nichts hůlfen, wenn sie nicht zur aufopfernden Liebe und Treue,zur Tödtung unserer Selbstsucht uns brächten. Und das ist, was dem Soktor fehlet, früher oder später wird er an den Menschen oder an sich verzweifeln, weil er den freundlichen Vater im Himmel nicht kennt, der denen die ihn lieben, alles zur Seligkeit wendet, und den Tyreuen lohnet, der bis ans Ende ausharret, und wohin das ihn führen wird, weiß Gott. Doch er ist so gemüthlich, so herzinnig gut im Grunde, daß Gott ihm vielleicht sein Thun mit seinem Glaubeu auf sanfte Weise vermittelt, auf welche Weise, weiß ich nicht,aber er verdient es.“ Wahrend Sophie sprach, hatte ihr ganzes Wesen sich erhoben, die Wangen waren blendender geworden, die Augen schwammen in eigenem Glanze. Verstummt war der Vikari gegenüber gesessen,kein Auge hatte er von Sophie gewendet, und als sie schwieg fragte er endlich: „alfo ihr glaubet der Doktor sei besser als ich?“ Fast wehmüthig klang sein Ton.„Euern beidseitigen Werth abzuwägen, habe ich keine Waage, und UÜrtheil sprach ich noch keins aus,aber daß ihr mir beide einen Mangel zu haben scheint,das habe ich ausgesprochen. Euch fehlt die Frucht des Glaubens, ihm das Fundament ju feinem Thun, euch die Kraft in euern Ansichten, ihm die Verklärung seiner Werke; wem mehr fehlt, weiß ich nicht, fraget Gott.“„Aber ich bin doch ein Christ, und er ist keiner,“ antwortete der Vikari. „Wer hat euch das Eine oder das Andere gesagt? antwortete Sophie. Vergesset nicht:Anne Babi. II. 25 Mit welchem Maaße ihr messet, mit dem wird euch wieder gemessen werden.“ „Spricht hier nicht die Bibel?“fragte der Vikari. „Die Bibel spricht gerade wie ein Spiegel, antwortete Sophie, wen das eigene Licht blendeir, sieht sich immer im Licht, andere im Schatten,und wen geistige Verblendung plagt, wird weder auf sich noch andere getreu die Bibel anzuwenden wissen.“ Da sagie der Vikari: „ihr kommt mir da sehr streng, Jungfer Sophie, ich will nicht hoffen, daß ihr mit mir das Gespott ireiben wollt. Aber über eins muß ich mich wundern, daruüber naäͤmlich, daß ihr so ziemlich gewandt äber geistliche Sachen zu reden wisset/ und euch recht ordenllich ausdrücken könnet, ohne doch Uebung zu haben in solchen Gesprächen und ohne eben mit der Sache euch zu beschäftigen ? Woher wißt ihr, daß ich keine Uebung habe in geistigen Reden und daß die wichtigste Angelegenheit der RMenschen mich nicht beschäftigt?“ „Ihr habt ja noch gar nie mit mir daruber geredet, und wenn ich von solchen Dingen anfangen will, so brecht ihr ab oder lauft fort, antwortete der Vikari, während ihr Stundenlang mit dem Doktor euch herumstreiten könnt über Sachen, von denen mich dunkt, sie sollten eine Tochter wenig interessiren.“ „Vielleicht aber interessirt mich der Dokier dest mehr,“ antwortete Sophie, mit einem Gesicht, in welchem ein ganzer Kratten Lachen sprühte. Doch, da blutroth der Vikar wurde, ward Asbald Sophie wieder ernsthaft und sagte; „Verzeiht,es ist mir weiß Gott nicht ums Lachen;, aber ihr treibet einem dazu mit euerm Katechisiren. Mit meinen Eltern, mit meinen Lieben, rede ich viel von geistlichen Dingen, ich erbaue mich gerne daran, aber ich zanke nie darüber. Ich habe es mit ihnen, wie Mädchen es mit ihrer Liebe haben sollen, mit Vertrauten rede ich gerne darüber, aber nicht mit Fremden. Wenn ich mit dem Doktor viel rede und über Unbedeutendes, so habt ihr vergessen, daß wir mit einander aufgewachsen sind,und vieles uns bedeutend scheinen mag, was andere nicht fassen.“ „Das wird eben die Liebe machen,“ antwortele der Vikari rasch und eifrig. „Und wenn es es wäre, Herr Vikari, so wäre ich doch daruber keine Antwort schuldig,“ antwortete Sophie, stund rasch auf,und sagte: „es wird Zeit sein abzuräumen.“ Der Vikari ward kaput, er war wieder an den Rand eines Feldes gekommen, auf dem er sich für sein Leben gerne tummelte, auch hätte er da noch manche lehrreiche Redensart anzubringen gewußt, er fragte daher: „ihr seid doch nicht höhn? ich habe es nicht bös gemeint, das ist mir so entronnen, ich weiß nicht wie.“ „Habt nicht Kummer, Herr Vikari, höhn bin ich nicht, aber wenn ich schon nur ein Landmeitschi bin, so weiß ich doch,daß es Schranken im Gespräche gibt, die man nicht überschreiten soll, es sei einem dann erlaubt worden;zudem dachte ich, während wir hier von ihm redeten,wie von einer todten Sache, ringe der arme Doktor wirklich mit dem Tode oder sei schon todt.“ Die zurückgedrängten Gefühle sprudelten aufs neue auf, Sophie ging hinaus.

Einen strengen Nachmittag hatte der Vikari zu verwerchen, bald dachte er daran, was er Sophie noch alles hätte sagen sollen, und wie er sie hätte abfertigen können, daß sie das Gärnäst hintere gehabt, und bald sinnete er Sophie nach, wie es doch ein nettes Meitschi wäre, wenn es recht geleitet würde, und wie es ein verdienstlich Werk wäre, wenn man es auf den rechten Weg leitete, das Mädchen hätte Grütz im Kopf, und aus dem wäre was zu machen. Es sei wirklich schade,daß so wenig Vermögen da sei, und die Eltern so wenig für ihre Tochter gesorget und gemeint, sie müßten gute Leute sein, und immer geben, wo man etwas von ihnen wolle; dä Weg komme man nicht durch die Welt,V noch machen könnte, so müßten es am Ende noch die Kinder entgelten. Sein Studiren von dem einen zum andern brachten ihn in ein rechtes Fieber, er mochte das z'Abe gar nicht erwarten, und paßte aufs Läuten wie ein Sekretär aufs Zwölfeläuten (die Ersten haben Dispensen). Es fehlte nicht viel, er hätte Alles aufs Papier geworfen, was er thun und sagen wollte, eine 338 Analyse gemacht. Endlich läutete es. Im Satz war er bei der Thüre, dort besann er sich, blätterte noch in einem Buche, brachte sich in eine kaltblütige Disposition, ungefähr wie ein Offizier, wenn er das Haäftli am Kragen einmacht und Handschuhe anzieht, und stieg die Treppe hinunter. Aber gäb wie er ansetzte um in Stimmung und Gespräch zu kommen wie am Mittag,es gelang nicht. Sophie war kalt im Aeußern, unruhig im Innern, winkte jedem längern Gespräche kurz ab, der Vikari hatte seine zwei Tassen getrunken, er wußte nicht wie, und als Sophie ihm die dritte offerirt hatte und er sie abgeschlagen, sagte sie: „Exkuse Herr Vikari, aber ih muß in den Keller, die Aepfel faulen stark, und morgen wollen wir backen.“ „Es ist doch e Bock, sage man was man wolle, man sieht ihm von weitem an, daß es nicht in Bern in der Töchternschule gewesen ist,“ dachte der Vikari, und kam lange zu keinem freundlichen Gesichte.

Wie Sophie werchet in ihrer Seele und wie es beim Doktor innerlich spukt.Sophie hatte die Offenheit über Mittag leid gethan,„wenn er nur jetzt nicht meint, ich wolle ihn zu meinem Vertrauten machen und die Herzensergießungen fortsetzen,“ dachte es. Zudem wollte es lieber alleine sein, wenn die Eltern heimkamen, mochten sie Nachricht bringen welche sie wollten, so brauchte es sich nicht zu geniren.

Es mußte lange darauf warten und stand, es weiß kein Wgeläute hörte. Der Papa kam alleine und brachte gute Nachricht. Der Doktor war noch schwach, aber die Anfälle waren nicht wiederkommen und Käthi selbst hatte die Mamma gebeten da zu bleiben, nit um ihm abzuwarten, sondern nur, damit er minder Längizyti habe und nit immer a die donstigs Zwilchkutte denke, wo öppe krank sein könnten. Er syg e Grüsel, es wüß ke Mönsch, was es mit ihm heyg, aber mach er ume so u fahr furt, so werde man sehen, wie es gehe, aber schuld daran wolle es dann nicht sein, seine Sache habe es gethan wie öppe nit Mängs se tha hätt, wenn ihm scho ke Mönsch d'rfür dank, ünd es bi allene d'r wůst Hung sy müß.

Sophie ließ der Doktor herzlich grüßen und ihm sagen, es solle doch ziJowägers Bericht machen, daß es ihm besser gehe, und sie auch von ihm grüßen, besonders die Jungen. D'r Jung hätte ihm einen großen Dienst geleistet und er sei verständiger als man es ihm ansehe.

Dieser Auftrag wurmte Sophie, es wußte nicht warum, es ärgerte ihns, daß man es ihnen appart sollie sagen lassen, daß er besser sei, vernehmen würden sie es ja ohnehin. Die Leute würden doch denken, was da für ein appart Glläuf und G'schick fei. So in einem Meitschiherz regt sich gar manches, es begreift es felbst nicht; wo die Herzen aber gut, stark und treu sind, da wird dasselbe über Nacht verwerchet und verwunden;wenn am Morgen die Sonne aufgeht, spiegelt sie sich in einem wieder lauter gewordenen Herzen.

Als am folgenden Morgen der Pfarrer fragte: „Hast du es z'Jowagers sagen lassen ?“ antwortete Sophie:„Nein,“ aber es gedenke gleich nach dem Frühstück felbst zu gehen, mit Schrecken hätte es gesehen, daß sie mit den Eiern fast aus seien, vielleicht, daß sie ihm geben könnten oder sagen, wer hätte.

Es war ein kalter Morgen, wie schwerer Rauch schien des Mundes Hauch, es knarrte der Schnee unter den Füßen, glitzerte und funkelte wie ein Diamantenfeld, eng ward die Nase und kalt, und zwischen einem zarten Jungfernnäschen und einer alten Branntweinnase war fast kein Unterschied mehr. Gäb wie Sophie in sein braunes, etwas fadenschyniges Mäntelchen sich hüllte, gäb wie g'schwind es trippelte, ein erfrornes Näschen brachte es doch zu Jowägers hinauf, wo man mit Freude und Verwundern zHerre Söphi baher kommen sah. Es werd welle cho säge, wie's am Dokler 3390 gang, und es werd nit sövli bös sy, sust chäm es nit selber, und brav sey's von ihm, daß es sich selbst g'mühe moög, u syg no so chalt. Freundlich ward Sophie von Meyeli unter der Thüre schon empfangen, und brauchte nicht lange zu hoschen und zu warten. „Herr Jemer,chömet ihr, Jumpfere, i der Kälti, nei aber, g'schwing chomit yche. Chomit i d'Hingerstube, si ist o warmi,un i d'r vordere hey m'r ooSchnyder, u da wüsset d'r wohl wie das usg'seht, wenn die a mene Ort sy.“Wie üublich sagte Sophie, es wolle sich nicht aufhalten, es wolle nur ausrichten, was der Vetter Rudi befohlen, dem Jakobli noch zu danken und ihnen sagen zu lassen, es gehe recht ordentlich, er hoffe, bald wieder Yweg zu sein. In der freundlichen Stube, in welcher die Morgensonne schien, mußte Sophie absitzen um sich zu wärmen, wie Meyeli sagte. Es wolle geschwind den Mann rufen, es werd ne freue, z'g'höre, daß es em Dokter gut gang, er heyg ihm seither geng es G'wüsse drus g'macht, daß er nit mit ihm bis hey syg. Meyeli benutzie die Gelegenheit, ein Brod zu holen und eine Flasche mit süßem, angemachtem Brönz, wie in den meisten Häusern zu finden ist, und Sophie mußte, es mochte sich wehren wie es wollte, davon einige Schlückchen kosten, mußte es rühmen und fragen, wie sie es ansetzten. Dazu kam Jatobli, erzählte die ganze Geschichte noch einmal und erzählte auch, um zHerre Söphi Freud zu machen, er wollte wetten, unter Tausenden seien nicht zwei wie d'ir Doktor. Während es ihn zusammengezogen, fast wie eine Weidenruthe, habe er noch an seine Frau gesinnet, er werde denkt ha, wenn er sterben söte, so koöͤnnte Niemand mehr sagen, was er gesehen. Er habe ihm gesagt, sie sei bös z'weg und ausgelegt warum, und kein Mensch habe ihm etwas davon gesagt, es hätte gar Niemere daran gesinnet, und doch sei es Punkium so gewesen, wie er gesagt. Meyeli wollte immer ablenken, pressirte z'Herre Söphi mit Brönz, konnte aber doch nicht sich enthalten, zu sagen,das werde es dem Herr Doktor nie vergessen, daß er noch an ihns gesinnet, e sellige Herr und äs es eyfalts Burefraueli, es müß geng und geng dra sinne.Es wurde z'Herre Sophi ganz kalt wieder, trotz der warmen Stube, und an der Nase biß es es ärger als früher draußen, im Halse ward es geschnuürt, daß kaum der Athem herauf mochte, und das Herz that ihm so weh, so herzinniglich weh, daß es mit der Hand darnach fuhr, es hielt und drückte. Also Rudi hatte nicht an ihns gedacht, sondern an die da; einer jungen,hübschen Frau strebten seine letzten Gedanken zu, der da, die ihm gegenüber saß! Sophie hielt an sich, wie ein starkes Mädchen, weder bittere Worte noch bittere Thränen entfielen ihm, wohl aber die frühere Freundlichkeit; es fühlte, lange hielt es es hier nicht aus. Es brach mutz ab, vergaß die Eier, und auf die Frage,warum es plötzlich so pressire, es sei ja nicht einmal erwarmet, sagte es, es werde ihm fast wunderlich, es müsse an die Luft, und eingefallen sei ihm plötzlich,daß es der Köchin nicht gesagt, was sie zu Mittag kochen solle, so müsse es heim. Mit einer Hast machte es sich los, und eilte fort, daß es dem Meyeli schwer auffiel. „Ha nih mih ächt öppis v'rfehlt, fragte Meyeli,aber ih wüßt doch schier nit mit was, aber si ist plötzlig so wunderligi worde, und het es Pressir g'ha, daß ih nit wüsse cha, wäs das bidüte soöll.“ „G'muühy di nit, sagte Jakobli, es wird sy wie si g'seit het, si wird z'ag'macht Broönz nit möge erlyde, ih ha's früher o so un ih ha scho vo meh Lüte g'hört, die's o so eyge.“

Oft stand Sophie still das Feld ab, drückte die Hand auf die Brust, die auf einmal so enge ward, zog den Athem mühsam hinauf, wehrte den hervorquellenden Thränen, dem andringenden Schluchzen, und in der Gedanken wirbelndem Gewirre stand groß und schwarz:also damals dachte er nicht an dich, sondern an eine andere. Wer es weiß was es ist, wenn man sieht,daß der letzte Blick eines Sterbenden einen sucht, der letzte Händedruck einem wird, das letzte Wort einem giltet, der letzte Gedanken einen mitnimmt in die andere Welt hinüber, und wie dem Geliebtesten das Letzte giltet, der letzte Gedanke es hinüber nimmt, ja, wie die Sage sagt, der scheidenden Seele das Recht gibt,dem abwefenden Geliebten den letzten Gruß selbst zu bringen und das Zeugniß, daß sie ihn im Tode nicht vergessen, der mag Sophiens Weh ermessen, als es vernahm, wo Rudis Gedanken weilten, als er an des Grabes Pforten sich wähnte. Ein flüchtiger Kuß, ein muthwillig Augenspiel, neckische Worte, wie brennen die das Feuer der Eifersucht nicht an in liebenden, erregbaren Herzen, aber wie wenig haben sie meist zu bedeuten, hinterlassen keinen Eindruck, und mit Strömen von Liebe löscht der Geliebte der Geliebten Eifersucht. Aber nach dem letzten Blick gibt es keinen Blick mehr, und nach dem letzten Gedanken kömmt kein neuer Gedanke mehr, und krägt' die verlassene Geliebte hinüber ins ewige Gedenken; was mit dem letzten Gedanken gegangen ist, das bleibt dem Geliebten in Ewigkeit. So ist diese Untreue, die Vielen so unbedeutend scheint, die größte, die bleibendste, sie zeuget von des Herzens wahrer Meinung und sie bleibet in Ewigkeit. Und Sophie war nicht das Bild, das er mit hinüber getragen hätte,bei Sophie war seine Seele nicht, als er zu scheiden meinte! Das war's, was so weh dem armen Mädchen machte, das Herz ihm abdrücken wollte. Aus dem Weh erzeugt sich zumeist der Zorn gegen die, von denen das Weh kömmt, auch er quoll bei z'Herre Söphi auf, warum sollten wir es verhehlen, war es doch ein Menschenkind, wie ein anderes. Zorn über Rudi. „So hatte ich ihn nicht geglaubt, dachte Sophie, habe ihn immer für besser als die andern gehalten, aber er ist wie alle. Ich hätte es nicht geglauubt, daß er auch so wüst ware, aber was weiß man, zu trauen ist keinem,und so ne Doktor, wie viel Anlaß hat er nicht! Aber schlecht ist's allweg von ihm, und noch dazu eine Frau,die Mann und Kind hat.“ „Aber sie wird ihm Anlaß gegeben haben, sprach der sich wendende Zorn, ich weiß wohl, wie viele Weiber sind, sie müssen Alle löcken und die scheint auch der Art zu sein, macht sie doch immer ein so koketies Mineli, und wenn sie sich nicht darauf verstüunde, ihr Mann wäre nicht so an ihr g'hanget, gleich vom ersten Mal, die Täsche was si ist, und thut so fromm d'rzu und so unschuldig. Und will dem Doktor nichts gesagt, er soll alles gemerkt haben, die Täsche,ja wolle!“ So brannte lichterloh die Flamme der Eifersucht in Sophie, bis sie in den Strahlen eines höhern Lichtes erloschen. Es kam über Sophie das Gefühl der Ungerechtigkeit, seiner menschlichen Schwäche, der überspannten Forderung, daß es meine, es sollte auf Erden einer Seele ihr Höchstes, Alles in Allem sein. Hatte es nicht dem Vikar von des Doktors Treue geredet und wie in seinem Beruf sein Leben aufgehe, hatte ihn deßwegen so hoch gestellt, und daß er zuletzt an Meyeli dachte, war das eine Untreue an Sophie, war es nicht vielmehr die Treue bis in den Tod an seinem Beruf,waren es nicht vielmehr Meyelis Zustände, bei denen seine Seele war, als Meyelis Wesen und Holdseligkeit?Meyelis Hülfsbedürftigkeit, machte sie es nicht zu des Doktors Nächsten, dem er in diesem Augenblick noch Hülfe konnte werden lassen? Und über diese Treue,ob der er Alles vergaß, sich selbst, Leib und Seele,sollte es zürnen, sollte sie brechen wollen durch Forderungen, die nirgends Grund hätten, als in altem, angestammten Wahn, und in der eigenen Eitelkeit und Selbstsucht, sollte ihn lähmen, ihn anders wollen, blos um seinetwillen, sollte sein Goöͤtze werden wollen, am Platze eines andern Götzen?

Was Sophie vom Doktor wollte und wünschte, war es nicht etwas viel höheres, als dieser Wechsel eines Götzen mit einem andern, war es uicht die Demüthigung vor Gott, die Anerkennung, daß derselbe alleine unser Eins und Alles sei, wir nichts ohne ihn, und all unser Thun nur dessen Verherrlichung. Sollte es ihm zürnen, daß er noch immer der Gleiche war wie von Anbeginn, war es eine Täuschung, wenn er auch jetzt gewesen, wie es ihn von je gekannt, sollte es nicht eben jetzt, wo er sich so getreu geblieben, so weit es ein Mensch im Leben kann, um so inniger in Liebe zu ihm stehen, mit treuer Liebe, die eben nicht das Ihre will,zu verklären suchen sein Wesen, zu üͤberwinden seinen 394

Wahn, zu öffnen suchen die Augen der Wahrheit, daß das Heil in der Anbetung liege, und nicht in der Selbstvergötterung?

Dieses Alles ging aber nicht auf dem Heimweg blos an Sophie vorüber, lief in einer schnell verlaufenen Stunde in dessen Seele ab, es war ein Wogen und Kämpfen, welches Tage dauerte. Es war einer der Momente in sein Leben getreten, und hatte einen Eindruck in seiner Seele hinterlassen, welcher entscheidend wird fürs ganze Leben. Ein solcher Eindruck wird den einen Seelen zum finstern Sack, aus welchem Finsterniß um Finsterniß strömt, bis es dunkle Nacht geworden ist in der Seele, in andern gestaltet er sich zu einem glänzenden Punkte, welcher immer strahlender wird, alles finstere verzehrt, die Seele läutert und Tag werden läßt in ihr, wie es auch das Licht ist, welches die Nebel verzehrt, und es klar werden läßt zu Berg und Thal. Dieses innere Werden sah man äußerlich Sophie wenig an, blos hörte es zuweilen nicht, was man zu ihm sagte, vergaß etwas, welches es sonst nie vergessen und spitzige, spöttische Worte hörte man keine von ihm. Der Pfarrer betrachtete es mit stillem Ernste,der Vikari aber meinte, jetzt, da sie ihm den Kropf geleert, meine sie, fertig zu sein, aber einmal müsse sie doch noch vernehmen, was er von ihr halte. Je mehr er darüber dachte, was er ihr alles sagen wollte, desto mehr drängte sich ihm Sophiens Bild auf, immer mehr mußte er an sie denken, denken, wenn die eine gute Erziehung genossen hätte, so hätte etwas aus ihr werden konnen, Naturanlagen hätte sie. Jetzt sei sie doch gar zu ungebildet, und von allem, was eine gute Erziehung bezeichne sei keine Spur, keine Musik, nicht einmal öppis auf einer Guittare, kein Zeichnen, und schöne Arbeiten habe er sie auch noch keine machen sehen, keine Idee von Geographie, sie wisse ja nicht einmal, welches die größten Flüsse in China seien. Alles was sie wisse,habe sie vom Papa gelernt, darum rede sie manchmal,daß man meine, man höre einen alten Pfarrer, und Takt genug hätte sie nicht, zu begreifen, daß so etwas für ein junges Mädchen sich nicht schicke, so theologisches Zeug! Ja, wenn es wahres Christenthum wäre,dann wäre es ein anderes! Wenn es noch jetzt ein halbes Jahr das Glück der Töchternschule genießen könnte,noch jetzt könnte was aus ihm werden, die Anlagen wären da.

Als das erste Mal der Doktor wieder hinaus kam,empfing ihn Sophie mit weichmüthiger Freude. „Was hättest g'seit, fragte er, wenn ich gestorben wäre?“„Briegget hätt ih, Rudi,“ sagte Sophie, und ging hinaus. „So hätte doch Jemand um mich briegget, sagte der Doktor, das ist mehr als ich geglaubt habe.“ „Aber Növö, wie redst de doch, sagte die Frau Pfarrerin, es ist eine allgemeine Angst um dich gewesen, du glaubst nicht, wie viele Leute gekommen sind, zu fragen, wie es dir gehe.“ „Ja, es wird ihnen Angst gewesen sein,es gebe ihnen dann Niemand mehr die Mittel umsonst,wenn sie denken könnten, es mache es ein anderer auch,so frügen sie mir wenig nach.“ „E aber Növö, so mußt du nicht reden, es ist nicht recht, es ist weit und breit Niemand so beliebt wie du, es dunkt ein fast,wenn ein Paar beieinander seien, so redeten sie von dir.“„Und stürbe ich heute, sagte der Doktor, so wäre ich morgen vergessen.“

Diese düstere Stimmung trat immer mehr hervor bei ihm. Es war ein gewisses Sattsein des Lebens,eine eigenthümliche Muthlosigkeit, welche seiner sich bemächtigte, ein Verzweifeln an sich, an seiner Kunst, an den Menschen. Alles sei eitel und nichts, sagte er, und lohne der Mühe sich nicht; das Höhere, das dem, welches an sich allerdings eitel und nichts ist, Weihe und Werth gibt, das fand er nicht. Körperliche Schwäche mochte eine Ursache dieser Mißstimmung sein. Früher hatte er seinen Körper nicht gefühlt, darum auch nicht geschont, derselbe war ihm gehorsam, versagte ihm keinen Dienst, wohin sein Eifer ihn riß, dahin trug willfährig der Körper die Seele. Nun war es anders,leicht ward er müde, den verstärkten Anforderungen vermochte er nicht nachzukommen, je eifriger der Geist ward,desto schwächer ward das Fleisch. Dieses Gefühl riß ihn zu der größten Ungeduld hin, obgleich er ais Doktor am besten wissen sollte, daß Geduld und Schonung alleine die Kräfte nach und nach wieder ersetzen können.„O, was ist der Mensch für eine elende Kreatur, rief er oft aus, das Thier ist besser daran, lieber sterben als so mühselig da ume krebse und schnagge.“

Dazu noch ein anderes. Seine Krankheit hatte ihm so recht fühlbar gemacht, wie nöthig ihm eine Frau wäre, und nicht nur für sein Haus, sondern auch für sein Herz. Käthi zeigte seine Liebe in Branzen und Schelten, gleichsam unter Blitz und Donner, und das ist nicht die Liebe, welche man auf dem Krankenbett gerne hat. Dort muß die Liebe walten, welche still und freundlich ist, mit Blicken zu reden weiß, alles zu errathen weiß, auch wann ein freundlich Wort an seiner Stelle ist. Sophiens immer klarer zu Tage tretende milde Innigkeit, welche alle Späße, alles Zänkeln, ausschloß, that seinem wunden Herzen so wohi, er erkannte es alle Tage deutlicher, daß er bei Sophie alles finde um so recht glücklich zu sein, und dieses Glück glaubte er sich versagen zu müssen. Wie sollte er eine Frau ernähren, da er kaum sich selbst durchzubringen vermochte? Mehrere Jahre hatte er mit großem Erfolg gedoktert, und was erobert? Wenn er einen Rock wollte machen lassen, so mußte er lange mit sich zu Rathe gehen, ob es es erleiden möge, und wenn die Droquerierechnungen einliefen, so waren die Mittel wohl gebraucht,aber das Geld dafür nicht da. In diesem Äugenblick war er so ernüchtert in seinen Finanzen, daß ein Paar Stiefel zu bezahlen ihn in Versegenheit gebracht hatte,woher nun die Hochzeitkosten nehmen, woher die Kosten eines vermehrten Haushaltes? Seine Praxis konnte er nicht ausdehnen, seine Kräfte genügten der gegenwärtigen nicht. Sollte er auf einmal aufschlagen, hart werden, Geid fordern, wo er sonst noch wasches geschenkt, sollte es von ihm heißen: „wie doch d'r Dökter e Wüste wird, e uv'rschante Hung! Jetz g'seht me, warum er z'erst fast nüt g'heusche het, es ist ume

XDX jetz wird er d'r uv'rschantist vo alle, u het z'Messer zuche, daß es fry ke Art het. Aber ohä, dä ist lätz dra, dem sy m'r schlimm g'nue, dä erwüͤtscht ihs nit.“So, wußte der Doktor, würden die Leute reden, nicht nur wäre von Dankbarkeit, billiger Einsicht, keine Rede,sondern sein ganzer früherer Ruhm wäre dahin, und damit auch ein großer Theil seiner Praxis. Sollte er nun Sophie hineinziehen in seine Dürftigkeit, es aussetzen einem kümmerlichen Dasein, aus Selbstsucht es seiner freundlichen Lage entreißen, auf die Gefahr hin,dasselbe bald zur Wistwe zu machen, denn, wenn der Anfall noch einmal kam, so überstund er ihn nicht, das wußte er. Aber war das nun nicht fürchterlich, mit Wissen und Kunst es nicht einmal so weit gebracht zu haben, wie ein munterer Bauernknecht, dem mehr als Fünfe zählen ein Hexenwerk ist, der getrost ein Weib nimmt und getrost alle Jahre ein Kind zur Taufe trägt,und in den Fehljahren zwei? Muß es nicht zu maaßloser Maaßleidigkeit führen, wenn man der Welt alles opfert im edelsten Sinne, und die Welt gibt einem nichts dafür, als höchstens einen leeren Dank, so lange man kein Geld fordert? Nirgends bringt man es hin;während man allen hilft, könnte man verhungern, und Niemand würde fragen: „bist öppe hungerig?“ Weibern und Kindern kann man das Leben retten, und hat nicht einmal Brod für ein eigenes Weib und eigene Kinder? So ein Knubel von Käusi, der von Nichts weiß, als von Kühen und Stieren, vom Schweiße armer Kinder sich mästet, sich lieber ein Stück aus dem Hintern beißen ließe, als eine wohlthätige Handlung begehen, so einen Knubelkäust konnte er doktern in Lebensnoth, und wenn er zehn Batzen forderte, so vergrännte derselbe sein Maul bis an die Ohren, und während er mit Berzen in den schlechtesten Walliserbätzlein die zehn Batzen herzählte, sagte er: „Ih hoffe jetz, es heygs,ih v'rmöcht nit, viel chrank z'sy, vo wege, doktere ist e thüri Sach.“ Und wenn er fortgeht, deukt der Knubelkäust bei sich: „sie sind bim Hagel all Fötzle, es bringt 398 kene nüt d'rvo, wenn ih hundert Bube hatt, Dokter müßt mor kene lehre, z'Geld lieber a Zeys thue, hür aber viertusig Pfung!“ und somit hebt er die Beine einige Zoll höͤher, ünd wenn er das nächste Mal den Doktor sieht, so macht er ihm ein noch einmal so hochmüthiges Gesicht: „Ja, lue mi ume a, steht darauf geschrieben, ih bi notti e nangere als so ne Fötzel wie du!“ Diese G'schrift kann der Doktor alle Tage lesen auf Gesichtern, wo die Hände, welche dazu gehören,nicht schreiben köͤnnen, kann lesen: „hest ke Geld, u we m'r di nit erhaltete, su v'rrebeltist,“ und dagegen hat er nichts zu setzen, er kann ja nicht heirathen, vermag die Hochzeitkleider kaum, geschweige dann eine eigene Kuh. Da soll man sich trösten mit dem innern Bewußtsein, mit dem Bewußtsein seines höhern Werthes, seiner geistigen Ueberlegenheit! Ja, das ist ganz recht,ganz schön, das gehi so lange als man hat, was man willf oder was man bedarf, so lang als man nicht leiblich und peinlich den Mangel an Materie zu fühlen beginnt, so lange ist's herrlich zu reden von dem Bewußtsein, von geistigem Gefühl, von höherer Auffassung und innerem Genügen. Am warmen Kamin z. B., bei einer Pfeife Tabak und einem guten Glase kann man es ertragen, wenn man gegenüber sitzenden Gesichtern es eben ansteht: „red ume, bist doch e Lappi, schwätz ume, s'ist gut daß de nüt z'bifehle hest, v'rsteyst doch hell nüt, u öppe no nie het me g'hört, daß de öppe Geld usg'leue, oder öppis g'kauft, oder öppis g'erbt heygist.“ Aber in der Lage des Doktors, bei seiner körperlichen Schwäche und seinem vermeintlichen Unvermögen zu heirathen, bei dem Verhaltniß der Arbeit zur Erndte (Burepraxis: es steinigs Acherli), dem Gefühl, daß in Zukunft das Thun sich nicht mehren, die Erndte abnehmen müßte, in dieser Lage mußte dieses alles lähmend auf dem Doktor lasten, und, wie gesagt, eine Maßleidigkeit erzeugen, wo man lieber heüte als morgen sterben möchte, derjenigen gleich, die einen überfällt, wenn man müde ist zum Tode, man lieber sterben möchte, als noch einen Schritt thun. Ja, es ist schön, wenn man sagt, der Mensch solle Gott gleich sein, solle seine Pflicht thun, nach Lohn nicht fragen, solle sich innerlich erheben über die äußere Welt, am eigenen Bewußtsein sich satt fressen, daß man alle Glückseligkeitslehre verdammt,der Mensch müsse nach Grundsätzen handeln, unbekümmert darum, fahre er damit Gott oder dem Teufel zu,das ist gar schön, auf dem Papier nämlich.

Ganz anders ist die menschliche Natur, die ist nicht stark an und durch sich selbst, ihrer Schwachheit muß zu Hülfe gekommen sein, in ihrem Elende muß sie getröstet werden, am Stabe höherer Hoffnungen aufgerichtet. Das hat Gott in seiner Gnade gethan, hat uns die Erde gezeigt als eine Insel im Weltenmeere, als ein St. Helena, wo wir in dem Fluthen der Materie anlegen, uns erholen, neue Kräfte, Speise und Trank,sammeln sollen zur fernern Reise ins neue, ins verheißene Land, hat uns den Trost gegeben, daß unserm Sehnen nach reiner Seligkeit ein freudiges Ziel gesetzt sei, daß das geistige Erheben kein trostloses sei, sondern ein Steigen auf der Leiter, die zum Himmel führt, daß das Entbehren der Materie keine Strafe sei, sondern eine Fügung Gottes, das Ertragen einer Last eine Uebung der Kräfte sei, nicht eine Ungerechtigkeit, denn auf dem Wege unseres Heilandes gleiche alles droben, jenseits, sich aus, jedes Räthsel werde gelöst, und jeder finde was er verdient bei Leibesleben. Diese Lehre ist freilich eine Krücke, aber so lange wir schwache Menschen theilweise Sklaven der Materie sind, beduürfen wir dieser Krücke, und die Edelsten, Höchsten, bedürfen ihrer am meisten, das Thier, der Knubelkäusi, der im Bewußtsein seiner Stiere und Kühe, seiner paar tausend Pfund,lebt, bedarf ihrer am wenigsten, denn wir sind und bleiben halt Menschen, so lange wir hier weilen, und zu etwas anderem wird uns keine Theorie machen, weder eine rousseau'sche, noch eine hegel'sche, noch irgend eine Allerneuste. Ein sehr merkwürdiges Beispiel dieser Wahrheit ist eben der Kommunismus unserer Zeit, er ist ein Kind der Verwerfung der sogenannten Glückseligkeitslehre, man solle nicht ans Jenseits denken, 400 sondern seine Pflicht thun, eben weil sie Pflicht sei, man solle geistig sich emanzipiren, ohne zu fragen warum,es sei an sich selbsten schöͤn. So hat man ällmälig das Jenseits wegstibitzt, die Fortdauer nach dem Tode wegdisputirt, was aber geblieben ist, das ist: erstens, die menschliche Natur, welche was haben will, deren Gott die Materie ist, und zweitens, die Lehre, daß Bildung Geist, Kultur, Aufklärung, geistige Emanzipation, und wie das Zeug mehr heißt, erst den Menschen zum Menschen mache, und so ein Gebildeter, Gegeisteter, Kultureter, Aufgeklärter, Emanzipirter, unendlich mehr sei,als so ein dummes Menschenkind, das weder in einer Sekundarschule gewesen sei, noch in einer Töchternschule,besonders einer burgerlichen, weder im Weltschland, noch auf einem Kaffehaus oder gar auf Reisen.

Nun sind so viele Kulturete geworden und Emanzipirte, geben lateinische und griechische Letzgen, oder wursten die Sprachlehre, oder können Bücher schreiben und sollten eigentlich schneidern, sind gegeistet über alle und haben Nichts, haben nichts dießeits und haben kein Jenseits, sie haben es selbst über Bord geworfen, es beschwerte ihr Schifflein zu stark, sie wollen doch etwas,denn sie haben trotz der Kultur die menschliche Natur die was will, so gut, wie der gemeinste Schweinsjunge.Trotz allem ihrem Bewußtsein, ihrem Innern, ihrem erhabenen Standpunkte, wollen sie doch was haben, und zwar in der wunderbarsten Ironie, nicht etwas für den Geist in unserm geistigen Jahrhundert, wo man angeblich um des Geistes willen das Christenthum für veraltet erklärt hat, sendern sie wollen was haben für ihre Zähne, für ihren Bauch. Es ist eine furchtbare Ironie, welche mit Allgewalt diese Allgegeistigsten zu ihren schweinischen Gelüsten zwingt, es soll der Welt den Werth dieses geistigen Bubenthums handgreiflich gezeigt werden. Gäb was die um sich bögeln, aufbegehren, bäumelen: „gib her, Bauer, Aristokrat, verfluchter Hund!“ will ihnen den sogenaunten geistigen Hunger Niemand stillen mit Mädchen, Weibern, Bratwürsten und Bauernhöfen, man läßt sie brüllen und aufbegehren. 404 Und nun, was macht dieses geistige Hallunkenthum?Es kehrt die Bildung um, wie man einen Spieß umdreht; wie man sonst mit der Bildung ein wirkliches geistiges Wachsthum bezweckte, eine Emanzipation des Geistes von der Materie, eine Annäherung an Gott,ein Wachsthum zur neuen Wohnung beabsichtigte, fo scheint das neue Hallunkenthum die Bildung als ein Mittel zu betrachten, der Materie sich zu bemächtigen (nicht über ste sich zu erheben), sie unter die Zähne und von da in den Bauch zu führen, zu betrachten als eine Art von Mäusenfalle, in welcher man aber statt Mäuse Weibervolk und Braten fängt und Rheinwein,sammt Zeug zu wahrschaften Hosensäcken. Sie stellte erst ganz sachte die Fallen auf: Staatsgüter für alle Staatsbürger, Rechtfsamene für alle, die nichts hatten,Maaßguttere für durstige Offiziere, Haberkasten für dicke Schimmel, welche man von der Eidgenossenschaft bezahlt haben wollte, Pfarrereinkommen für magere Schulmeister, Burgergüͤter für schlechte Burger und noch schlechtere Hintersäßen, große Einkommen für weite Mäuler, und in diese Falle lockte man mit dem feinsten Gifte, das Niemand merkte, das aussah, als käme es vom Himmel her, mit Theorten, die klangen wie Sphärenmusik, wie Schulmeistergesaug,wie das herrliche Klingen am Zürchersängerfeste, oder wie mit Speck die Mäuse, mit Ehrenbechern, Lorbeerkronen, moralischen Ehrentiteln, und hyperboräischen Lobpreisungen in allen Zeitungen mit 6xegi monumentum aere perennius, d. h. mit einem schlechten Artikel auf schlechtem Papier, der länger nicht währt als einen Tag. Die Fallen stellten sie auf, aber das Ding geht zu langsam, Schmeißfliegen vermögen nicht Erfolge länger als einen Tag zu erwarten, von wegen,morgen sind sie schabab, und haben von all dem Bing nichts. Darum mußten sie Treiben und Hetzen anstel-len, wußten sie zu placiren auf alle Bühnen der ganzen Welt, ja, sie brachten es dahin, daß ehrbare Großräthe sich solche Treibjäger selbsten vor die Nase stellten und wahrlich, in unmenschlicher Dummheit und in göttlichem Anne Bäabi. II. 26

Selbstbekenntniß, in dem sie mit sehenden Augen die kommunistischen Projekte nicht sehen, sie für aristokratische Nebel halten, daß sie nicht wüßten, warum es zu thun sei, und was die Glocke geschlagen.

Eine sehr eigene Wahrnehmung mag hier wohl eine nicht ungeeignete Stelle finden. Eine alte Schwachheit der Menschheit ist es, den hoöͤhern sich anzuschließen,in ihrer Herablassung sich geehrt zu fühlen, und in gieriger Hast ihre Moden und Meinungen sich anzueignen,diese Schwachheit ist im Grunde nichts als der höchste,aber vom Teufel zur Schwachheit verdrehte Trieb im Menschen, der Trieb nach oben. Aber dieses Oben ist eben weit Oben über den Sternen und nicht in einem irdisch hochgestellten Haupte, und wäre es auch ein gekröntes, zu suchen. Nun kam allgemach und langsam, wie die östreichische Landwehr, die Menschheit an die Marchen, wo sie die christliche Lehre, wenn nicht begriff, so doch zur Geltung kommen ließ, daß die Seele mehr sei als der Leib. Das ward nun dem Teufel gefährlich; aber, nicht immer dumm, stellte er sich ploötzlich selbst auf die March, und rief auf weltsch:pen avant, concitoyens, en avant, mes frères!« von wegen, so was versieht man auf weltsch besser als auf deutsch. Aber er kommandirte nun nicht, daß jeder aus geistiger Niedrigkeit sich emporarbeiten solle, sondern daß man alle, welche um leiblicher Güter willen höher als die andern seien, entweder einen Kopf kürzer mache oder die Güter ihnen nehme, damit alle gleich würden. Er reiset also die Menschen wieder ans Leibliche hin, verrückte das Ziel aus ihren Augen, und das gleiche Manöver treibt er fort und fort bis auf den heutigen Tag und immer unter des Geistes Feldgeschrei, nur brüllt man es zu Zeiten wieder lauter. Dahin nun hat man es allerdings gebracht, daß Aufklärung, Bildung, Theorie Stichwörter, Trumpfe, geworden sind, mit denen man alles stechen zu können meint, was diese Wörter alles in sich fassen, nicht Geist absolut, sondern wieder in merkwürdiger Ironie Zeitgeist, will aber für diesen Zeitgeist die gleiche Stellung zum Menschen in Anspruch nehmen, die man ehedem dem heiligen Geist eiugeraäumt hatte. Die Apostel dieses Geistes haben sich ein großes Ansehen zu geben gewußt, gelten als vornehm, und die,zu welchen sie sich herablassen, die fühlen sich hoch geehrt, und sperren z'Maul auf wie dürre Meienstöcke,wenn es regnet. Sie lassen sich nämlich hauptsächlich zu denen herab, welche die Geister nicht prüfen können,welche gerne von jeglichem neuen Winde sich hin und her wehen lassen, und namentlich wenn er ihr Fleisch kitzelt, die sehr zum blinden Glauben geneigt sind, wenn dieser Glaube mit ihren Lüsten Brüderschaft zu machen weiß. Sie bemächtigen sich Kinder und Jünglingen,füllen sie mit Eitelkeit und lästern das Alter, sie bemächtigen sich der Räthe, die wenig wissen und viel vorstellen mochten, der Kapazitäten, die keine sind, aber große Gelüsten haben, der Magnaten, die dick sind,aber mager im Geldseckel, die alle füllen sie mit Zeitgeist, wie Luftballons mit Gas, blasen hinten was sie mögen, und zeigen vornen einen Zauberspiegel, in welchem der Zeitgeist alles niederhaut, was im Wege steht,und wären es Berge, unserer Jungfrau gleich; sie steigen aber auch nieder zu den Handwerkern, und zeigen,was für Schlösser die Geldkisten der Reichen haben, zu den Armen, und lassen merken, daß die Bauernhöfe theilbar seien, und daß es kehrum gehe in der Welt.In Schrift und Wort predigen sie Ällen, daß Pfaffen und Aristokraten fort müßten und sie ans Brett, und seien sie am Brett, so könne jeder glauben und thun,was er wolle, und das sei die höchste Kultur und Aufklärung. Soll in unserer Zeit das Alte wieder neu werden, der Engel des Lichts, vom Hochmuth verführt,Gott vom Throne stoßen, Gott sich gleich machen wollen, fehlspringen, in die tiefste Tiefe fallen, zum Teufel werden? Denn was ist all diese Lehre anders, als die Lehre, daß, wen es gelüste, eine Sau sein zu wollen, nur eine sein solle, bessers könne Niemand thun,als das, was ihn gelüste, besseres hätte Niemand zu erwarten, und wer es nicht thue, der hätte es verpaßt.Es ist die Lehre von der Emanzipation des Fleisches, 404 jetzt in der Zeit des Geistes, die Lehre, daß das Fleisch in vollem Rechte sei, der Geist nur dafür zu sorgen hatte, daß das Fleisch habe, was ihns gelüste, es aber auch so genieße, daß es ihm selbst, dem Fleische, nicht weh thue; es ist nichts als die Lehre, daß der Haase weiden könne im nächsten Klee, nachlaufen könne jeder Häsin, die ihm entgegenläuft, fressen oder laufen lassen seine Jungen nach Belieben, aber das alles nicht mehr aus Instinkt, sondern aus Theorie, alles nach dem Zeitgeist, so daß der Mensch und das Thier das gleiche shun, und alle Aufklärung und Bildung und Kultur den Menschen in tausendjährigem Kreislauf zu der Theorie zurückgeführt, daß er am besten thue, wenn er thüue wie ein Vieh. Das ist die zeitgeistige Reaktion gegen das Christenthum, und merkwürdig ist es, daß sie hauptsächlich von Juden ausgeht; diese Juden sind Vollblutjnden, halbblütige und viertelsblütige, und weil ste Palästina zu trocken und steinicht finden, möchten sie aus der ganzen Christenheit ein Palästina machen.Und merkwürdig bleibt, wie unsere neue Welt junge Leute und junge Ansprüchlinge durch die Herablassung der neuen Apostel sich geehrt finden, und Rathsherren und Handwerksbursche aus Leibeskraäften ihr ein Horn blasen, welches aber bei den verschiedenen Mäulern, die blasen, auch verschiedene Töne gibt. Merkwürdig ist's wie Rathsherren, Agenten, Gumene, Handwerksbursche,Straßenarbeiter und sechskreuzerige Drescher das Herz im Busen schwellen, brennen fühlen, wenn so ein Apostel unter sie fährt, wie ein Gergesener unter die Schweine, wie sie horchen, wie sie ihm lauschen, und wie sie dann in Rathssälen und Kneipen wieder ausposaunen, was sie in vertraulichen Stunden eingesogen,und wie sie sich meinen damit, und brüsten, und verächtlich von Höchsten reden, aber mit Respekt von ihrem eigenen Saugeist, und wie sie sich brüsten und stolziren von wegen ihrer Freundschaft mit jenen Fleischpredigern,und dem Geiste, den sie im Leibe haben, haben's wie Knaben, sehen die papiernen Zöpfe nicht, die ihre eigenen Kameraden ihnen an den Rücken gehängt, und sehen nicht, wie sie, sie mögen thun wie sie wollen, nichts schreiben können als: Mene, Mene, thekel, upharsin.

Manche alte Sage, welche man als Mährlein verachtet hatte, hat die neue Naturforschung zur Wahrheit gemacht, ist es vielleicht ebenfalls der Geschichte vorbehalten, die Wahrheit zu konstattiren, daß, wer auf das Fleisch säe, vom Fleisch das Verderben erndte?Die Sache wäre deutlicher auszudrücken gewesen, hätte aber anzüglich scheinen können.

Zu dieser Schule gehörte jedoch unser Doktor nicht,von diesem Umbiegen der Kultur ins Thierthum hatte er noch keinen Begriff, er stand blos auf der Höhe der Männer des Alterthums, die, wenn sie zur Erkenntniß kanen, die Welt genüge ihnen nicht, oder sie seien von der Welt überwältigt, das Schwert sich in die Brust spießen, und nie daran gedachten, die Ordnung, an der sie gearbeitet, in Unordnung zu verkehren, um sich zu retten. Der Weichheit, welche im Christenthum liegt,der liebenden Hingebung hatte er, in seinem Jahrhundert stehend, sich nicht erwehren können, aber, ihr fehlte das Ziel, das Warum, die Weise. Als die Welt ihm nun nichts gab, als seine Kraft schwankte, als seine Kunst ihm nicht einmal ein liebend Weib ernährte,als ihm, der Tausenden geholfen, Niemand helfen wollte,den Stachel in seinem Herzen Niemand zu sehen schien,da ward er muthlos, die Schwäche der Menschen kam über ihn. Wenn er ging, so dünkte ihn, er gehe knietief in der Erde, wenn er denken wollte, so war gleich eine Büterkeit oder eine Wehmuth da, welche ihm entweder das Wort erstickten oder demselben eine Schärfe,eine Betonung gaben, die Niemand begriff als Sophie.Sophie ging bei solchen Reden oft hinaus und weinte,Sophie fühlte, hier lag etwas zu Grunde, an das es nicht zu kommen vermochte, denn was der Stimmung zu Grunde lag, das zur Sprache zu bringen, das war nicht an Sophie, und je mehr es den Doktor drückte,desto hartnäckiger verbarg es der Doktor.

Was ein alter Pfarrer thut und was ein Vikari meint.Der Frühling war aufgebrochen aus der Erde Schoos,der Sonne Kuß hatte ihn in seiner weißen Winterwiege getroffen, und zu frischem Leben ihn entzündet. Der Hirt trieb mit neuer Sorgfalt die Heerde zur Weide,mit frischer Kraft der Landmann den Pflug durch erhärtetes Land, streute nenen Samen muthig aus mit neuer Sorgfalt und in altem Vertrauen. Weide meine Lämmer, hatte zwischen Ostern und Pfingsten Jesu zu Petrus gesagt, ihn zum Hirten gesetzet über die zu sammelnde Heerde; zu gleicher Zeit hat er seine Jünger alle ausgesandt, die Völker zu taufen, zu lehren,zu sammeln zum Himmelreich. Es ist diese Zeit der Berufung, die Zeit der Prüfung des geistlichen Hirtenamtes. Es muß in dieser Zeit jedem geistlichen Hirten sein, als nehme er neu den Stab zur Hand, zu weiden die Heerde des Herrn, in der Zeit der Zerstreuung, in des Sommers arbeitsvollen, weltlichen Tagen. Da ist's auch billig, daß die Heerde sage, ob die vergangene Hut eine getreue gewesen, durch des Hirten Schuld kein Schaf verloren gegangen, oder ob sie eine neue Weise des Weidens begehren und größere Treue.

Schon lange hatte es sich zu Gutmüthigen geistig gereget, aber nicht zu des Vikars Gunsten. Ihr alter Herr war ihnen lieb und werth, seine Glaubensweise war auch die ihre, die Mehrzahl der Gemeinde hatte er getauft und unterwiesen, in alle Lebensverhältnisse einen scharfen Blick, für Alle einen guten Rath, und was er schrieb, das war geschrieben. Er stund in großer Achtung rundum. Die geistige Verschiedenheit zwischen ihrem alten und jungen Herrn hatte die Gemeinde längst erkannt, und vom Jungen war sie absichtlich nicht verhehlt worden; der Vorfall bei Jowägers war bekannt,und in der Gemeinde mehr beredet worden, als man im Pfarrhaus ahnete. Den meisten Menschen war das Thun des Vikari gar fürchterlich vorgekommen, so einen, der die Leute däã Weg verkehr, duldeten sie nicht, sagten sie, der müsse sie denn notti nicht dem Teufel zu treiben mit seiner Geistlichkeit. Bald vierzig Jahre sei der alte Herr da, und öppe bi Mängem g'si, aber no keine hätte er wirbelsinnig gemacht. Dem wollten sie es aber reisen, es werde dem Alte o z'Rechte sy. Sie wollten ihrem alten Vater auch einmal etwas z'Lieb und z'Ehr thun, aber etwas das nichts kostete. Sie ratheten ab, an der Visitatz den Vikar zu verklagen wegen allerlei Dingen, wie er z. B. zu lange predige, zu lange unterweise u. f. w., aber dann vorzüglich gestuüͤtzt auf den gedachten Fall seine Versetzung zu begehren. Sie hätten ihn afe lang genug gehabt, es nehme sie Wunder, wie auch ein anderer sei. Der Statthalter, der gewöhnliche Wortführer, sollte das styf z'Fade schlah,u de vorbringe, daß es öppe e Nase heyg, einstweilen brauche man öppe nicht viel davon zu reden.

Es war nicht lange vor der Visitatz, so kam der Statthalter zum Pfarrer, auch einer, den er unterwiesen hatte, eben kein Hexenmeister im Setzen. Schreiben könne er noch gut genug, pflegte er zu sagen, aber mit dem Dolders Setzen könne er nichts machen; der Pfarrer war meist sein Kummerz'hülf, er that es gerne und umsonst, dazu gab ein traulich Wort das andere. Und wenn Präsident und Sekretär des Sittengerichte s schon zuweilen ein traulich Wort miteinander reden, so schadet es wahrlich der Gemeinde selten viel.

„Aberbo (apropos), sagte der Statthalter, wußt ers?“ „Was?“ fragte der Pfarrer. „E, ihr werdet's wohl v'rno ha, un es wird ech recht sy?“ „Ich habe nichts vernommen, sagte der Pfarrer, und so weiß ich nicht, wie es mir ist, was ist's, was gibts,?“ „He,daß mör d'r Vikari wey v'rklage a d'r Visitatz, u daß m'r e angere wey.“ „Aber um Gotteswillen, fragte der Pfarrer, was kömmt euch an, was hat es gegeben?“ Nun erzählte der Statthalter, wie eigentlich Niemere viel uf em Junge hätte, und was sie ihrem Alte z'Lieb und z'Ehr thün wollten. Der Pfarrer erschrak ordentlich, als er das hörte, und hatte seine liebe

Noth, dem Statthalter begreiflich zu machen, daß, wenn sie ihm etwas z'Lieb und z'Ehr thun wollten, sie den Vikar nicht verklagen dürfen. Nit sagte er, daß er es ihm in allen Dingen recht mache, und er immer sei wie er sein sollte, aber er sei noch jung, und wenn er einmal die rechte Erfahrung hätte, so werde es sicher schon mit ihm gehen, guten Willen hätte er, und geschickt sei er auch, wie nicht leicht einer. Das möge sein, sagte der Statthalter, aber ströfli dumm zytewys. Letzken Herbst sei er z'Schnäflige übers Feld gegangen und hätte die Leute gefragt: „Syt er am Korn setze?“ Seither hielte man ihnen das allenthalben vor. Sobald man an einem Markt oder in einem Wirthshause vernehme, daß einer von Gutmüthigen sei, so frage man ihn: „wottsch gah Korn setzen?“ Sie hätten es afe ungern und wette, daß d'r Vikari mit seinem Kornsetze es weiß ke Mönsch wo wäre. Sie sollten ihm das nicht so übel nehmen, antwortete der Pfarrer, das lehre man sie halt nicht, daß man das Korn säe, nicht setze,und daß man mit solchen Irrthümern so grob fehlen könnte, das begriffe man in der Stadt nicht, dort werde man je länger je gebildeter, aber vor lauter Bäumen sehe man den Wald nicht mehr, so wie man ja auch vor lauter Gesetzen bald kein Recht mehr finde, und keinem Handel ein Ende. So junge Menschen könnten einen recht erbarmen, und man müsse Geduld mit ihnen haben, zuletzt gebe es doch noch was rechtes aus ihnen. Wenn sie ihn verklagten, so meine er sicher, er,3 habe sie dazu aufgestiefelt, und das wäre ihm ehr leid und allerdings, wenn der Vikar das meinte, so hätte er das Recht zu klagen, er, Pfarrer, sei nicht christlich gegen ihn, am allerwenigsten amtsbrüderlich. Denn wirklich sei nichts unchristlicher, als wenn Geistliche die Gemeinde einer gegen den andern setzen, und am allerunchristlichsten wäre es an einem Alten, der ein Vorbild der Jugend sein soll, und wissen solle, was Jugend sei, denn er sei jung gewesen, der Junge aber noch nie alt; der wissen solle, wie nöthig gegenseitige Geduld AV wohl fühle, wie er selbst sie alle Tage nöthiger hätte, der am besten wissen solle, wie Friede nähre, Unfriede zerstöre, und nicht nur eine Gemeinde, sondern auch das Reich Gottes auf Erden; es begreifen solle, wie eine Jugend nachwachsen, allmählig an des Alters Platz treten muüͤsse,wenn das Alter nicht trostlos sein solle, eine Erde ohne Sonne. „Nein, lieber Statthalter, das thut mir nicht,verklagt ihn nicht. Seht, ich bin in der Sache vielleicht zuerst im Fehler, ich hätte ihn warnen, vor vielem ihm sein können, wenn ich nicht empfindlich geworden, die Geduld verloren hätte. Aber er war anfangs schon so mißtreuisch, betrachtete mich gleichsam als nicht von den rechten einen, man hatte ihm wahrscheinlich gesagt, ich gehöre zu den Weltgläubigen oder Verstandesmenschen,oder wie man ihnen heut zu Tage sagt, ich weiß es nicht, und da war er wunderlich gegen mich, und nahm Lehren von mir mit dem gleichen Lächeln in den Maulecken auf wie Lättlochsameli. Am Lättlochsameli konnte ich sie ertragen, am Vikari nicht, ich ward empfindlich,schwieg, das war nicht recht von mir, mich koönntet ihr deßwegen verklagen, aber mir z'Lieb und Ehr verklagt den Vikari nicht.“

Der Pfarrer hatte ernstlich Mühe, mit seiner Bitte durchzudringen, und auch vor dem Sittengerichte mußte er sie sehr ernstlich geltend machen: vielleicht hätte er weniger Mühe gehabt, wenn nicht die Täubi über das Kornsetzen sich sehr tief gefressen hätte. Noch am Morgen der Visitatz war der Pfarrer seiner Sache nicht sicher, mußte den Visitator nebenaus nehmen, ihn bitten,daß er allem aufbieten möchte, eine Klage gegen den Vikar zu verhindern, er selbst habe bereits sein möglichstes gethan, allein wenn seine Leute was im Kopfe hätten,hätten sie es nicht in den Füßen. Der Visitator war ein angesehener, verständiger Mann, mittlern Alters, der klar ins Leben sah und offen in der Menschen Gesichter.Er ward ordentlich gerührt von des Pfarrers dringlichen Bitten und sagte: „an mir, Herr, soll es nicht fehlen, ach, wenn sie alle so wären! Nirgends wird wird schärfer und strafender das Wort des Herrn, daß jedes Reich, welches in sich selbst uneins ist, zerfalle,als an uns, und Niemanden ist böser predigen, als uns selbst, da jeder meint, er könne es selbst am besten. Wie Noth thäte es uns, daß der Herr unter uns erscheinen, sich gürten, und das Fußwaschen sichtlich unter uns vornehmen möchte! Ach, manchmal kömmt man ordentlich in Versuchung, auch uns ein sichtbar geistlich Oberhaupt zu wünschen, da unser gegenwärtiges Oberhaupt zu weltlich geworden ist. Man möchte alle Tage beten: Vater, vergib ihm, es weiß nicht was es thut, denn während es den Katholizismus zu verfolgen scheint, führt es, so viel an ihm, die Leute auf die Wege, welche direkt nach Rom führen. Da thäͤte dieses brüderliche Wesen so Noth, dem Feuer der Jugend die reife Weisheit des Alters, und da steht so gerne die Welt dazwischen, mit der Jugend Ueberhebung und des Alters Grämlichkeit, und was der eine baut,zerstört der andere wieder in unseliger Verblendung.Seid sicher, was ich vermag, soll geschehen, und ohne Segen soll dieser Tag nicht sein.“

Es predigte der Vikar über den Text: „selig seid ihr,wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Böses wider euch, so sie daran liegen. Freuet euch, und hupfet vor Freuden,dann es wird euer Lohn groß sein im Himmel. Dann also haben sie die Propheten verfolget, die vor euch gewesen sind.“ Es war eine etwas anfechtige Predigt,worin gezeigt war, wie noch heut zu Tage die verachtet seien, die sich wieder dem reinen Evangelium zuwendeten. Nach der Predigt trat der Vikar ab, die Visitatz begann, die üblichen Fragen liefen alle mit dem üblichen Ja ab, wobei jedoch bei jedem Anlaß, den sie darboten dem alten Herrn und seiner Familie ein warmes Lob gespendet ward. Der Visitator, das Ding nicht rührend,lobte auch die Gemeinde, daß ihr ein gutes Zeugniß von ihrem Hirten gegeben worden, und freute sich der schönen Eintracht zwischen Hirt und Heerde, welche sein müsse, wenn das Reich Gottes gedeihen solle. Der Meinung, sagte der Statthalter, sei er auch, aber eben deßwegen möchte er noch ein Wort reden, wenn es erlaubt wäre, er begehre nicht, daß es aufgeschrieben würde, aber der Herr Visitator solle daraus nehmen,was er für gut finde. Nun erzählte er, was wir schon wissen, wie sie den Vikar hätten verklagen wollen, der alte Herr aber abgewehrt. Sie hätten es ihm zu Gefallen gethan, weil er es sei, einem andern hätten sie es nicht gethan, von wegen, die Sache hätte sie z'taub gemacht. Aber lieb wäre es ihnen doch, wenn er den Vikar nebe us nehme und ihm einen braven Zuspruch geben würde, daß er dere Züg müßig gang, es heyg ihm neue Niemere nüt druf. Er söll uf ihre alte Herr luege, u dem's styf nah mache, dä heyg ne's breicht,und wenn er's mach wie dä, su gäb's no öppis us ihm, aber dä Weg heyg Niemere nüt uf ihm. Und säge soll er ihm's ume, daß, wenn d'r alt Herr nit g'st wär, si angers mit ihm g'redt hätte. Sie hätten es schon manchmal zusammen gesagt, man sei doch g'fellig,wenn man so einen alten Herrn habe, der fest i d'ir Sach syg, als so ne Junge, wo selber nit wüß, wo dure,u lang geng d'Fäister bi d'r Thüre hinger such.„Das freut mich einmal, sagte der Visitator, daß er das Alter rühmen hoöͤre, das sei gegenwärtig eine seltene Sache, alles schreie nach Jungen, die nache möchten, die vorwärts wollten, die wüßten, was die Glocke geschlagen, die Zeit, die nur Galopp fahren wolle,schätze das bedächtige Alter nichts, das meine, man müsse albeeinst verschnaufen und nichts verkarren. So seien an vielen Orten alte Lehrer, alte Pfarrer, alte Leute überhaupt übel dran und unwerth, und die Lehre der Bibel, daß man vor einem grauen Haupte Ehrfurcht haben und aufstehen solle, ganz verkehrt. Ja freilich komme man mit einem jungen Knechte weiter,aber sicherer sei, Haus und Hof einem alten anzuvertrauen, und wenn schon ein alter langsamer werde, so werde er desto sorgsamer, und was er gemacht, sei gemacht, und was er geredet, sei geredet, das sei nicht heute so und morgen anders. Doch klagen solle man nicht daruber, denn diese Zeit habe Gott gemacht, wie jede andere Zeit, aufmerksam machen wolle er nur auf der Zeiten Eigenthümlichkeit. Es habe nicht blos jedes Jahr seine Jahreszeiten, sondern diese Jahreszeiten seien auch merkbar im großen Weltenlauf. Da gebe es Zeiten, wo nichts zu wachsen, alles Leben erstarret scheine, dann komme plötzlich der Frühling, und es sei, als wenn alles, alles, neu werden müßte, und da meine man, müßte man lauter junge Gärtner haben, die alle Tage was nenues brächten. Aber wie schön der Frühling auch sei, mit ihm wäre den Menschen nicht geholfen, und lauter Neues alle Tage sei wohl kurzweilig, aber nicht nützlich; übel daran wäre der Mensch, wenn alle Tage neue Blumen kämen,aber nie die Frucht. Darum muß das neue auch bleiben, alt werden, wachsen, reifen, Früchte tragen, was Zeit braucht und treue, sorgsame Gärtner, die in Geduld das alt gewordene zu pflegen wissen zur Zeitigung.So eine junge Zeit haben wir, drum sind auch die ungen Leute so werth, und thorrechte Knaben, junge Lehrer und junge Rathsherren meinen, es müsse immer so bleiben, es seien halt Kinder, würden es aber auch nicht immer bleiben, wären einmal froh, wenn man auch auf dem Alter was hielte. Und das müsse wieder kommen, und kömmt es nicht, so kann man daraus abnehmen, daß Gott im Sinne hat, die Welt zu zerstören,darum ließe er die Menschen kindisch werden, daß sie die Blumen zerrupften, statt sie zur Reife zu bringen,Sie aber hier stünden nicht mehr im Frühling, in der neuen Zeit, vor vielen Jahren schon hätte der alte Herr,damals jung, ihnen einen jungen Frühling gebracht,mit vielem Guten und Schönen, das sei ihnen lieb und werth geworden und der Gärtner, der es gebracht, auch und beide, Pflanze und Gärtner, hegten und pflegten sie jetzt in Liebe und Ehr, ihr Gefühl sage ihnen, daß beide zusammen gehörten, die Frucht dest süßer werde,ije mehr sie zeitige, der Gärtner dest treuer, je mehr er alte. Es wäre manchem Jungen gut, wenn er käme und hier ein Beispiel nähme, wie man im hohen Alter auch in Lieb und Ehr bleiben könne, und mancher Gemeinde würde es frommen, wenn sie hier ein Beispiel nehmen würde, wie das Neue Alt werden müsse, wenn es zu Heil und Frommen dienen solle. Und eben im wahren Christenthum liege die Kraft, immer das Alte zu bleiben, und doch immer Neu zu werden und jeder funge Gärtner in Gottes Reiche könne nichts Neues bringen, aber das Alte verjüngen in neue Kraft, zu neuen Früchten, die aber wiederum nur die alten seien.Jetzt aber müßte er abbrechen, sagte der Visitator, sonst könnten sie im Pfarrhause meinen, wie sie uneins seien,oder was alles geklagt werde. Aber er rede gerne ein vertraulich Wort zu seinen lieben Mitchristen, neben Lob und Klage hinein. So eine Visitation sei eine wichtige, aber christliche Verhandlung, kein oberamtliches Verhör, darum, glaube er, solle auch ein freundlich christlich Wort, zu dem man so selten unter einander komme, seine gute Stätte finden. Herzlich habe es ihn gefreut, wieder einmal eine solche Gemeinde zu finden,und wenn Gott sie gesund erhalte, so werde er sich das ganze Jahr herzlich darauf freuen, nächstes Frühjahr wieder zu ihnen zu kommen.

Im Pfarrhaus war man allerdings sehr gespannt über die lange Verhandlung. Die Pfarrersleute hatten Angst, es möchte etwas Unangenehmes geben, neue Störung in ihren Frieden kommen, und der alte Herr sagte mehr als einmal: „sie hätten es mir wohl zu Gefallen thun können, ich weiß nicht, was das ist,sonst hätten sie es mir gethan.“ Die gute Mamma jammerte, so etwas hätte sie noch nie erlebt, das werde ihr den ganzen Tag verderben, so mißvergnügte Gesichter könnten sie viel unglücklicher machen, als eine angebräntete Suppe, und wie man auch anwende, es dünke einen, Niemand lebe wohl an Essen und Trinken,und es sei gerade, als ob die Leute, es wisse kein Mensch was, im Munde hätten.

Gereizt ging dagegen der junge Herr sein Zimmer auf und ab, das werde wohl eine Anzettlete gegen ihn sein, aber er fürchte sich nicht, eine eigene Eingebung 414 müsse es gewesen sein, daß er diesen Text erwählet.Ei nun denn, er wolle gewärtigen, was komme, der Herr werde auch da ihn nicht verlassen, aber von wem es komme, das wisse er wohl. Endlich kam der Visitator. Er sah nicht verlegen, gespannt aus, wie gewöhnlich die Visitatoren, wenn sie Klagen in der Tasche haben, ernst, aber hell, war sein Auge, und freundlich sein Gruß. Der alte Herr ging ungeduldig ihm entgegen und fragte: „hey si's doch nit könne lah biybe?“ „Wohl, wohl, antwortete der Visitator, es ist alles gut gange, heyt key Kummer.“ „He nu, Gottlob, antwortete der Pfarrer. Ih hätt ne welle!“ „Mag er denn nicht warten, bis er es vernimmt, dachte der da sieht man doch jetzt gleich, wie er es meint. He nu, so ist man doch nicht im Irrthum, und weiß gleich,von wem es kömmt.“

Als der Visitator droben in der Stube beim Vikar war, um die Pfarrbücher nachzusehen, und dieser ihm sie vorlegte, sagte der Erstere: „erlaubet, Herr Vikari,ehe ich anfange, no nes Wörtli. Ihr habt eine fatale Geschichte gehabt, und die Leute sie sehr übel genommen,hütet euch vor solchen Dingen, und seid vorsichtiger. Die besondere Seelsorge ist wie ein zweischneidend Schwert, und großer Erfahrung und Besonnenheit bedarf es, wenn man damit nicht mehr schaden als nützen roill, und wenn eine Seele zu schaden kömmt, wo hat die Welt etwas, den Schaden wieder zu heilen?“

„Also geklagt haben sie über mich?“ fragte der Vikar. „Geklagt nicht, aber mich ersucht, Ihnen eine freundliche Mahnung zu geben für die Zukunft.“ „Es ist doch auch nicht recht, sagte der Vikar, gleichsam vor sich hin, so die Leute gegen mich aufzureisen. Ich bin immerhin ein Amtsbrüder, aber ich weiß wohl, so einen Vikar sieht man nicht dafür an, und behandelt ihn ärger als einen Juden.“ „Was meint ihr damit,fragte der Visitator, wer soll aufgereiset haben und wer behandelt euch ärger, als ob ihr ein Jude wäret?“„Die ganze Sache hat mir der Herr Pfarrer angerichtet,den Leuten wäre das nicht in Sinn gekommen, antwortete der Vikar, er kann mich halt nicht leiden, und wirkt mir entgegen, wo er kann und mag, aber daß er mich gar verklagen ließe, hätte ich doch nicht von ihm geglaubt.“Da stand der Visttator auf, legte die Hand auf des Vikars Achsel und sagte: „Herr Vikar, ihr versündigt euch schwer. Der Herr Pfarrer ist's, der ein schwer Wetter von eurem Kopfe gewendet hat. Die Gemeinde wollte euch verklagen, ihm zu Lieb und Ehr unterließ sie es. Er ist's, der die Liebe in sich trägt, an denen Jesus seine Jünger einst erkennen will, und ohne diese Liebe ist jeder Glaube eitel, und diese Liebe ist die,welche dem Samariter half, den der Priester um des Glaubens willen hilflos gelassen. Junger Mann, trachtet nach dieser Liebe, sie ist es, welche euch einen neuen Glauben schaffen, den Glauben, daß in euern Mitmenschen nicht blos der Teufel wohnt, sondern auch Gott, der euch in euerm Pfarrer, den ihr für einen Feind gehalten, einen Vater verehren lassen wird.“

Den Vikar schlug diese Rede mit fast betäubender Gewalt, sie kam so unerwartet, war so fest, so hoch,beugte ihn, der sich bald zum Märtyrer erhoben glaubte,hinunter zum fast knabenhaften Sünder. Während er das Herz voll Groll trug, und meinte, von Verfolgen und Vergeben reden zu können, trugen andere das Herz voll Liebe, hatten im Stillen für ihn gewirket, hatten wirklich feurige Kohlen auf sein Haupt gesammelt. Die Thränen standen ihm zuvorderst, der böse Geist flüsterte ihm böse Worte ein, von Spiegelfechterei, sich nicht täuschen lassen, und wenn man jetzt schon zum Schweigen gemahnt, habe man doch zuerst die Sache angebahnt. Aber diese Worte sprach er nicht aus, er schämte sich ihrer vor dem Visitator, der so hoch und ernst vor ihm stand, den er früher so oft geistlich bedauert hatte, weil er nicht von den Rechten sei, dessen überlegene Kraft er jetzt so mächtig fühlte, daß er die Augen nicht zu ihm empor zu heben vermochte. Es lag in diesem Augenblick eine Demüthigung, die ein Leben nicht 416 verwischt, eine Bußzucht, so gewaltig, als je eine, die erdacht und angeordnet worden.

Die beiden alten Leute machten gerne die Visitatz zu einem heitern Tage, und daß allen Gästen so recht von Herzen wohl bei ihnen sei, das war beider Augenmerk, wie es ihnen war, sollte es allen werden. So lange war der Pfarrer im Amte gestanden, daß man hätte glauben sollen, eine Visitatz sei ihm zur Gewohnheit geworden, des Verlaufes desselben seier sicher; so war es aber nicht. Tief im Herzen, man sah es ihm freilich nicht an, stand immer der Spruch geschrieben:Wirket die Seligkeit mit Furcht und Zittern! Er ward sich immer bewüßt der Schwachheit, die nie vergeht,Jüngling wachen und beten müssen, wenn sie nicht in Anfechtung fallen sollen. Wem es so ist, der freut sich immer, wenn er am Ende eines Jahres noch aufrecht steht in Ehren vor Gott und Menschen; so viel des Weges hat er glücklich wieder hinter sich, um so näher ist ihm die Herberge, um so sicherer ist ihm der selige Eingang. Des Pfharrers geisiliches Neujahr ist seine Visitatz, und wird er aufs neue in Ehre und Treue,freilich von Menschen nur, erfunden, so muß es ihm leichter ums Herz werden, einen neuen Absatz zum Himmel hat er erstiegen, und in dem Maße, als je höher man steigt, die Luft lebendiger, reiner, frischer, wird,in dem Maße wird's auch dem geistigen Steiger klarer, heller, freudiger, ums Herz, je näher er der Höhe kömmt, dem Berge der Verklärung. Darum war der Pfarrer alle Male so hell und froh an der Visttatz, sie war ihm wirklich ein Fest, und seine Freude theilte er gerne mit Vielen. Aber eben so glücklich war fein Mamali, die Freude ihres Herren wär doppelt in ihr, feine Freude war ihre Freude, dann pries sie sich glücklich,ihn zum Gatten zu haben, ein so schönes Loos mit ihm theilen zu können. Und zu dieser Doppelfreude gesellte sich noch die Nebenfreude der Hausfrau, die auch uicht klein war, in Ehre und Freude speisen und tränken zu können an ihrem Tische frohe Gäste, die gerne kamen und ungern wieder gingen.Auch der Doktor war da, sonst so lebendig, lustig,wenn auch immer etwas sprützig und anfechtig/ dießmal aber still und grämlich. Die Pfarrer erzählten, wie die Leute um ihn gejammert, als er krank gewesen, wie man nur ein Urtheil vernommen, daß in der ganzen Gegend Niemand sterben könnte, wo es so übel ginge,als wenn er sterben sollte, wie die Leute nicht genug zu rühmen wüßten von ihm. Zu dem sagte der Doktor wenig, schmerzlich, fast höhnisch, zog er die Lippen in die Höhe und gab, so oft er konnte, dem Gespräch eine andere Wendung. Die gute Mamma sah das bald,meinte immer, das werde bessern, da die Herren immer auf diesen Gegenstand zurückkamen, so daß man wieklich sah, diese Reden waren nicht nur Komplimente,sondern gingen von Herzen, als aber immer das gleiche Lächeln in den Mundwinkeln zuckte, sagte sie: „Növö,heute hat nicht nur mein Herr Visitatz, sondern auch du, und zwar eine schöne. Jetzt glauöst du hoffentlich doch, was ich dir alle Tage sage, wie lieb und werth du bist, wie übel es gegangen, wenn du gestorben, und wie du dich schonen soultest. Es ist doch eine Freude,wenn die Leute so erkenntlich sind für das, was man an ihnen thut.“ Da der Doktor nicht darauf antwortete, sagte sie: „Hörst Növd, mir z'Gfalle mach ein fröhlich Gesicht, und glaub, wie lieb du allen bist.Sieh, wie mein alter Herr so ein heiteres macht. Aber ich glaube gewiß, es sei den jungen Leuten heut zu Tage angethan, daß sie gar nicht mehr lustig sein können, ich verstehe mich nicht mehr darauf. Wir Alten machen Gesichter, wie wir sie ehedem gemacht haben, wenn n Ball angehen sollte, und unsere jungen Leute sehen drein,wie wenn man ihnen kehrum auf die Fuße trappete.“„Tante, sagte der Doktor, der diese Wendung abschneiden wollte, wenn alle Menschen waäͤren wie ihr, dann wäre gut Doktor, dann wäre überhaupt gut in der Welt sein. Dann, Tante, wollte ich ein Gesicht machen, wie das Morgenroth.“ „Du bist ein Lecker,Növö, sagte die Tante, und willfi mich foppen. Aber nein, gewiß, ich weiß nicht, wie die jungen Leute heut

Anue Bäbi. II. 27 zu Tage sind, es ist gerade, als ob ein eigenes Unglück in die Welt gekommen wäre, welches wir Alten nicht merken, sondern nur die Jungen, so ein Gespenst, welches die wenigsten sehen, sondern nur die Frohnfastenkinder, und so ein appartig Frohnfastenkind wird wahrscheinlich jetzt jeder junge Mensch sein. Sie wissen viel mehr als unser einer, b'hütis, si sy am klyne Finger g'schickter als wir an der ganzen Hand, und wenn ein Meitschi zwölf Jahr alt ist, so könnte es der Mutter ihre Lehrgotte werden, und macht schon ein Gesicht dazu, daß man zu unsern Zeiten Angst bekommen und gefragt hätte: „Ach liebes Kind, g'schwind, g'schwind,was fehlt dir, hast Kopfweh, oder wottsch öppe d'Blattere übercho?“ Und wenn ich in meiner Einfalt so zu einem laufe und frage, so sagt man mir, ich verstehe das nicht, aber man möge mächen was man wolle, so habe man heut zu Tage keine Anerkennung. Du mein Gott, von dem Zůüg het me albetz nüt g'wüßt. E jedere het g'macht was er möge het, und ist froh g'si, wenn ne Gott g'sund g'lah het, und jetzt sy d'sytunge, mi ma d'Nafe ha, i welli me will, voll Lob, Prys und Ehr, und de chlagt me de, es syg kei Annerkennung!Und de a nere Visitatz ißt mir ume kei Mönsch vo mym Griespuddäng, u ha nih doch so ag'wendet.“ „Tante,ihr seid ein Schalk, sagte der Doktor, das hätte ich nicht hinter euch gesucht.“ „Nein, sagte das Mammali,das bin ich auch nicht, aber höhn bin ich, daß ihr Jungen da mir nicht esset und trinket und lustig seid, das ist zu unsern Zeiten anders gewesen. So ein Doktor hätte angefangen zu singen, und d'Vikarene het me nit dörfe z'fast pressiren, es hätt sust chönne fehle, und doch het es brav Lüt gäh, gället Herr Visitator?“ „Aber,Frau Pfarrere, sagte der Visitator lachend, soll das ghaue oder g'stoche sy? Ich hätte gar nicht geglaubt,daß ihr euch auf das Trümpfen so gut verstündet, kein Mensch würde es euch ansehen. Ja, damals ging's lustig zu, manchmal nur zu lustig, aber die ganze Welt ist lustiger g'st als jetzt, und Niemand hat Aergerniß daran genommen.“ Als einmal das Gesprääch auf diesem

Bödeli war, kam eine lustige Geschichte nach der andern zum Vorschein, die alten Herren wurden recht jung,und konnten so herzlich lachen, wie man es ihren ernsthaften Gesichtern gar nicht angesehen hätte. Aber weder den Vikar noch den Dokor steckten sie damit an,beide verließen frühe die Gesellschaft, der eine ging Patienten nach, der andere seinen Gedanken, waren aber vielleicht auch Patienten, diese Gedanken.

Der Tod erscheint.Zum ganzen Sommer überhaupt machten die beiden jungen Herren trübe Gesichter, gäb wie die andern sich Mühe gaben, dieselben anders zu machen, beide trugen schwer in sich, und je mehr die Bürde wuchs,desto sorgfältiger suchten sie selbige zu verbergen. Der Herbst kam, und mit ihm viele Krankheiten, Ruhr,Nervenfieber, Entzuündungen. Es war, als ob der Doktor neues Leben erhielte, fast einem matten Pferde gleich, das die Trompete hört, welche zur Schlacht ruft. Die alte Kraft und Thätigkeit schien neu aufzuflammen, unermüdlich, Tag und Nacht, war er auf den Beinen, schien sich zu vervielfältigen, kaum war er hier gewesen, sah man ihn schon auf entgegengesetzter Seite. Je mehr der Doktor bethätigt war,dest trüber schlich der Vikar umher, es fiel allen auf,und die gute Frau Pfarrerin sagte ihm oft: „Herr Vikari, seid ihr nicht wohl, ih bitte nech, sägeßs doch,mir wey ech ja gern gäh und helfe, was wir können.“Aber er sagte immer, ihm fehle nichts; er konnte nicht sagen, wie innig es ihn betrübte, daß Niemand ihn zu einem Kranken rief, daß er Sophie nicht zeigen konnte,er fürchte die Ansteckung so wenig mehr, als der Doktor, daß er der Gemeinde nicht zeigen konnte, er wäre jetzt auch im Stande, mit Kranken zu reden, ohne daß sie verrückt würden. Und wie hart ist's nicht, so inner-lich zu etwas Besserm gerüstet zu sein, Niemand gibt uns Gelegenheit, es zu zeigen, alle trauen uns die alten Schwachheiten zu, und eine tiefe, tiefe Beschämung bindet unsere Zunge, wir dürfen nicht um Gelegenheit zur Bewährung bitten, dürfen sie nicht suchen, müssen in Geduld sie von Gott erwarten, müssen sehen, wie ein anderer sich bewährt, uns Niemand ruft es ist eine strenge Buße, es ist mehr, als ein Kleid von Kameelhaaren auf der bloßen Haut, es ist ein Stachelgürtel ums blutende Herz.

Wechselnd ward das Wetter, heiß bald, kalt wieder,Schneegeflotsch und eisige Winde, es war ungesundes Wetter. Nie wöͤhler sei ihm gewesen, sagte der Doktor, wenn ihm die Tante zusprach, er solle sich doch schonen, es dünke ihn manchmal, er hätte Fecken, und möchte fliegen über Bäume und Berge. Sophie sagte nichts, aber wenn es ihn mit feuchten Augen betrachtete, und der Doktor sah es, so ward's ihm zu eng im Hause, wenn er nur konnte, ging er weiter.

Jowäagers Meyeli hatte ein Kind erhalten, einen munteren Buben, der Doktor das Säugen verboten, und Meyeli blühte allmälig auf wie ein weißes Röschen,das sich wieder in ein rothes verwandeln möchte. Jakobli hatte gesagt: „wenn ih wüßt, er hätt's nit ungern, ih naähmt d'r Tokter zum Goöͤtti, sovli gut als er's mit ihs meint, meint's doch Nirmere.“ Meyeli hatte darauf der Wand sich zugekehrt, aber nichts gefagt. Am folgenden Morgen sagte es und ganz leise,aber wunderlieblich blühte das rothe Roschen auf seinen Backen auf: „du, ih ha denkt: und wenn m'r z'Herre Söphie nehmte? Oeppe sust ist's nit d'r Bruch, aber d'r Herr het o viel a nihs tha, und es wird ne doch hüraihe. Ih ha hinecht d'r Sach nahg'sinnet, wo d'r Bub so handlige g'si ist und so hets mi duecht, dörfte m'r's viellicht wohl probiere, oder was meinst?“

Es wär ihm schon recht, sagte Jakobli, der seinem Meyeli immer recht gab; aber is Pfarrhus z'gah,z'Gevatter bitte, schüch er st; hingegen d'r Doktor,hät er däicht, miechs dem Meyeli nüt selber z'frage,er syg geng so fründlich mit ihm, daß das ihm nüt miech; er schüch sie neue geng im Pfarrhus un es syg ihm nüt uf d'r Welt so z'wider, scho anihm selber als z'Gevatter bete. „Was, sagte Meyeli, ih hätt soölle F Gevattere bete u no d'r Doktor. Nit um alles i d'r Welt, g'hörst, thät ihs, viel lieber wett ih z'Herre Sööphi dörfe frage, wenn's mi scho mängist so kurios aluegt, daß ih nit wüßt, wie's gemeint wär, wes nit nache dest fründliger wär. Aber du weist, er het m'r v'rbote no z'Chilche z'gah, u so mußt du's wäger selber mache.“

Als Jakobli unter Zittern und Zagen mit seiner Bitte herausruckte, hatte z'Herre Söphi wiederum ganz kuriose Augen gemacht, war ganz roth geworden, dann gleich wieder b'sunderbar freundlich und hatte seither seinen kleinen Götti so lieb gehabt, daß ein eigen Kind ihm nicht lieber hätte sein köͤnnen und Meyeli manchmal sagte, es werd fast schalus. Wenn d'Gotte choöm,so düech es eim, er merk se vo wytem, dä Lecker.

Im Spätherbst aber, als es so strub ward und flotschig, kam Sophie weniger hinauf, die Mama hatte es ungern, wenn es so durch struben Weg und Wetter ging. Aber wenn es im November so trüb und finster ist, die Luft geschwängert von nassem Nebel, das Licht verdrängt durch schweres, niederhangendes Gewölke,Felder und Wiesen gelb wie ein verdorret Gesicht und schwarz die Wälder, ungeheuern Todtenbäumen gleich,da wird einem so gerne dumpfig im Gemüthe, schwarz als ob man bereits im Todtenbaume läge. Wie es einem geht am Rande von Wasserfällen, daß es einem wird, als zögen die Wasser einen nieder, als locke süß und wild des Stromes Nymphe, als müsse man sich stürzen an ihren schäumenden Busen; so wird es einem in den schwarzen kurzen Nebeltagen, als müsse man sich legen in die schwarzen Todtenbäume, als müsse man das Leben wegwerfen, das eigene Gesicht gleich machen den Gesichtern der Felder und Wiesen. Ganz so ward es freilich Sophie nicht, aber doch bang und düster im Gemüthe, es war ihm, als hange ein unendlich Unglück über ihns hinein, als sinke 422 dasselbe langsam näͤher und immer näher, als presse es eng seine Brust bereits zusammen, wenn es gleich seine Augen noch nicht erblickten. Es war ihm, als muůßte es im Freien seine Brust lüften und wäre es auch bei nassem Nebel. Als eines Tages sie vom Mittagessen aufgestanden waren, sagte Sophie der Mama: Wenn es die Stube in die Ordnung gebracht, so gelüste es ihns zu Jowägers hinauf zu gehen, es sei lange nicht dort gewesen. „Und Weg und Wetter, was denkst,Sophie?“ sagte die Mama.

Ich glaübe, sagte Sophie, der Nebel werde heute etwas aufgehen, und der Weg sei gut, hat die Frau gesagt, welche Eier gebracht, es sei ein wenig gefroren. He nu, i Gottsname, sagte die Mama, aber zum z'Abe bist wieder da, ih denke d'r Növö könnte heute sommen, er ist lange nicht da gewesen.“ „Allweg, sagte Sophie, heyt nit Kummer.“

Es war Freude bei Jowägers als Sophie kam, der Götti war gewachsen, hatte gemuntert, konnte schon allerlei Künste, war ein Kind wie sie keines noch gesehen, so ein listiges, es werde der Gotte nachschlagen u, s. w.

Am'“besten dran waren sie mit Reden und Spaßen als Meyeli sagte: „Lugit doch, wer chunt dert so cho ʒ'laufe?“ Sie sahen alle durchs Fenster hin. „Herr Jeses, das ist üses Grit, sagte Sophie, was hets äch gaäh“, somit lief es zur Thüre aus, Grit vors Haus entgegen, die andern dlieben, damit es nicht den Schein habe, als wollten sie hören, was sie vielleicht nichts ängehe, in der Stube zurück. Aber Sophie kam nicht wieder, sie sahen es, Grit weit voraus, dem Dorfe zu springen. Was es gegeben, wußten sie nicht, ein großes ünglück mußte es sein. Sami, der auf der Bühne Heu rüstete, hatte etwas vom sterben und Herr Jeses,Herr Jeses gehört. Sie konnten nichts anders glauben, als der alte Herr oder die Frau hätten einen Schlagfluß bekommen, so alten Leuten gebe es öppis ung'sinnet, aber sei es das eine oder das andere, so fei'es ihnen grusam leid, öppe besser alt Lut gebe es nicht, und wenn's d'r Herr syg, so gange es viel z'übel, es gäb de e neue Pfarrer, und was für eine,wüß me nit, si syge o bi wytem nit all glych, und a dä hätte si si g'wanet g'ha, und sövlie aständige werde si bppe mimme übercho. Nie e Mönsch heyge si öppe für öppis plaget, und dagege syge si gut gege all Lüt g'st, und wenn sie amene Mönsch heyge chöne behülflich sy, so sygs nie nei g'si.“

So sprachen sie hin und her mit betrübtem Herzen,immer peinlicher wurde ihnen die Ungewißheit, bis sie räͤthig wurden: Oepper müsse gah Salz reiche zwische Tag und Nacht, und de chön de das grad d'r Jumpfere ihren Shwal mitnehmen, den sie hier vergessen,de werd mes scho v'rnäh, was es gah heyg.

Etwas, an das sie nicht gedacht, hatte es gegeben.Ins Pfarrhaus war der Bericht gekommen, wenn sie den Toktor noch lebendig sehen wollten, so sollten sie auf der Stelle kommen, er habe sein Bauchweh wieder und Aufkommen sei keins. Dießmal begleitete Sophie die Eltern; wenn's ans Sterben geht, hören die Rücksichten auf. Sie fanden den Doktor matt zum Tode,doch in einer ruhigen Pause, sich vollkommen bewußt seines Zustandes. Sie nahmen sich alle gewaltig zusammen und wenn Sophie auch die Thränen stromweise die Backen abschossen, sie jammerte nicht, und wenn es ihm auch zum Ersticken war, es schluchzte doch nicht, die eine Hand lag auf des Doktors Stirne weich und leise, die andere drückte es stark, krampfhaft ans pochende Herz. Sie kannten einander, hatten nicht nöthig viel zu reden um sich zu verständigen, nur während Mama mit Käthi für Leinzeug sorgte, Papa Boten fertigte nach befreundeten Aerzten, sagte der Doktor leise zu Sophie: „Leb wohl, dankeigist daß de cho bist, wenn ih di g'seh ha, su ist's m'r geng g'st,als ob sie fründligi schoöni Wahrheit vor mi histellti.Brieg nit, es geyt d'r gut, daß ih stirbe, es heiters Lebe wartet d'r jetzt, wie d'eys verdienst.“ „O Rudi,Rudi!“ sagte Sophie. „Sophie, es ist mir Ernst, ich hätte dich unglücklich gemacht. Wie es in mir aussah,weißt du nicht, und wenn mir jetzt mein Leben auch vorkömmt wie ein großer Irrthum, drum so trüb und stürmisch, wer weiß, ob dieser Irrthum nicht hineinragen würde in mein ganzes Leben, wie ein schwarzer Schatten, und jetzt ist's so hell vor mir, nur noch ein schwarzer Streif, so ist's überstanden, d'r Irrthum,d'Schmerze, z'Lebe, und was Gott ist, weiß ich jetzt.“„O Rudi, sagte Sophie, meinst, ich habe es nicht gewußt? O wie ein herrlich Leben hätten wir führen wollen,wo's taget het i d'r.“ Leise schüttelte Rudi das Haupt,und schmerzliches Zucken riß wieder durch seine Züge,er nahm das Gespräch nicht mehr auf, aber zuweilen sah er Sophie zärtlich, innig, an, fast als ob er in dessen Gesicht lesen wollte, ob sie wohl zusammen den freudigen Trost gefunden hätten, der das Leben bald erkläri, bald verklärt. Und Sophie verstund ihn wohl,aber was sollte es sagen, jetzt, wo das Leben ohne Hoffnung am Verrinnen war?

Aerztliche Kunst verlängerte des Doktors Leben, aber auch seine Leiden, zu retten vermochte sie es nicht, er wußte es, er bat, daß man von vergeblichen Versuchen ablassen, lieber seinen Tod beschleunigen, als seine Schmerzen verlängern möchte. Er wußte, daß er umsonft bat, seine Freunde wußten, daß sie umsonst dokterten, sie konnten seine Bitten nicht erhören, sie konnten ihre Kunst nicht steigern, konnten weder die Schranken ihrer Pflicht erweitern, noch die ihrer Kräfte. Sie standen an den Schranken, welche dem Menschen gesetzt sind,an den Schranken, die glühende Ketten wären, fürchterlicher als Sklavenketten, wenn es nicht die Schranken wären, welche Vaterhand dem schwachen Kinde gezogen hätte. Umfangen hielt ste ihre Ohnmacht, die ein glühender Fluch wäre, wenn die Wahrheit sie nicht verklärte,daß der Vater es also will, die Ohnmacht uns zur Demuth bringt, die Demuth zur Gnade in der Erkenntniß, daß der Vater auf dem schwersten Wege seine liebsten Kinder führt, und oft im Tode noch, wenn am Ende der Bahn sie stehen, ihnen das Verständniß gibt und das Sehnen des Kindes nach dem Vater.Er litt schwer, und Sophie über alle Worte. Wenn er mit bittenden Augen in den tiefsten Schmerzen das Mädchen ansah, in den Augen das Bekenntniß grenzenloser Ohnmacht lag, das innigste Sehnen nach Erlösung,dann war es Sophie so voll und weh ums Herz, Leben,so viele es auch besessen, hätte es weggeworfen, den Retter so vieler Leben zu retten, aber für dieses eine Leben besaß es kein Opfer, hatte nichts, als das leise Auflegen der weichen Hand auf die naßkalte Stirne,als einen innigen Blick der Verständniß, als ein leises Dr nach Oben, wo die Kraft zu jeglicher Erlbung ist.

Endlich löste die Hand, in welcher jegliche Macht liegt, die Bande, und aus dem gemarterten Leibe ward die matte Seele erloöset, todt und feucht lag die Hüülle da, welcher eine edle Seele entflohen. Sophiens Spannung löste sich, seine Kräfte brachen, faft bewußtlos fuhr es der Vater nach Hause. Der ehrwürdige Mann weinte auf dem Heimwege rücksichtslos, es war ihm,als sei sein Bruder erst jetzt gestorben, es zuckte in ihm mit Gott zu hadern, daß er nicht sein altes Leben genommen, das junge den Menschen gelassen, oder, wenn's doch ein junges habe sein müssen, warum nicht das seines Vikars statt das seines Neffen? Aber wie gesagt,das zuckte nur so in ihm, als Zeichen, daß der alte Mensch nicht gestorben sei, daß in schweren Fällen auch ein alter Pfarrer, der seinen Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten weiß, durch frevle Fragen erschüttert wird.

Die Kunde von des Doktors Tode lief wie ein Lauffeuer rund herum, wirkte fast allenthalben wie ein elektrischer Schlag, ging jedoch nicht so schnell vorüber.Nur einige Taugenichtse, welche es allenthalben gibt,freuten sich seines Todes, die einen verblümt, die andern unverblümt. Die einen seufzten andächtig und sagten: ja, ja, Gott sei immer Gott, und wenn man am wenigsten daran denke, so thue er ein Zeichen. Es jung,wie geschickt er gewesen, wüßten sie so gut als irgend wer. Aber daß er keinen Glauben gehabt, wisse jeder 426 mann, nun werde er es wohl erfahren haben, ob ein Gott sei oder nicht. Andere dagegen sagten: He nu,eine meh oder eine minger, darauf chöm's nit a. Wenn's eine heyg sölle gäh, so sei es ihnen recht, daß es den getroffen. Nit, als Doktor reu er si, aber wenn' einer wolle besser sein als die andern, und thue fast wie ein Engel vom Himmel, so geschehe ihm Recht, wenn ihm was auf die Nase werd, er wüßte dann, daß er sie untern haben sollte, und jetzt sei sie ihm untern, daß er sie nicht so bald mehr heben werde. Es sollte allen so gehen, die was anders wollten als andere Leute.Doch so redeten Wenige, jetzt, da der Doktor todt war, regte sich fast allenthalben das herzlichste Bedauern. So gäbe es keinen mehr, sagten Alt und Jung,und wenige Haushaltungen waren weit und breit, in denen nicht eins sagen konnte: wenn däan nit g'st wär,e nangere no vorb'halte, es wär läͤngst ungerem Herd.Allenthalben war die Rede davon, ob man es nicht zeigen könnte, wie werth er gewesen, und wie viele noch daran sinneten. Von Denkmälern wußte man nichts,und möglich wär's gewesen, daß, wenn gleich er in so vielen Herzen wohnte, doch nicht viele Kreuzer dafür zusammen gebracht worden wären. Herz und Kreuzer sind halt nicht im gleichen Sack, und die verschiedenen Säcke haben verschiedene Münze, das Herz zahlt mit Thränen, der Kreuzersack mit Kreuzern, mit Rappen noch lieber. Ihm z'Leicht zu gegen, begann man allenthalben zu wünschen, damit von Kind zu Kindeskind noch erzählt werde, eine Leiche wie die vom Dokter Rudi hätte man nie erlebt, so weit man hintern sinnen möge.Am tiefsten vielleicht hatte die traurige Nachricht in Jowägers Hause eingeschlagen. Jakobli war es gewesen, der Salz geholt, die Nachricht im Pfarrhause vernommen hatte, er trug so schwer daran heim, wie er noch nie getragen hatte, und als er heimkam und sie ablud, da fiel sie allen schwer aufs Herz, selbst Anne Bäbi sagte: das werd öppe nit sy, däa reuti's.Nur Mädi sagte: es sei doch dir Werthee so zmache,es werd öppe e Mönsch sy wie ne angere, und wegem

Dokter sei's e so, wie mit de Pinte, wo eine eingehe,gebe es zwei neue, da wäre es sich doch nit d'r Werth so z'pläre. Meyeli war b'sonderbar tief ergriffen, sagen konnte es nicht viel, aber weinen that es desto mehr,ünd wie Jakobli tröstete, es wollte nicht bessern. Er solle doch recht nicht zürnen, sagte Meyeli zu ihrem Manne, aber es könne wäger nit anders. In seiner Jugend hätte sich seiner Niemand geachtet, und es häätte möge gruchze u berze wie's welle hätt, es hätts ume ke Mönsch g'merkt, und wenn mes scho g'merkt hätt,su hätt ume Niemere nebe ume g'luegt, und wenn's g'storbe wär, su hätt ke Mönsch pläret, mi hätt öppe g'seit: he nu so de, es ist ihm wohl gange, u ging no mängem wohl, wenn es o so sterbe chönnt. Das hätt ihm o manchmal so weh gethan, es könne es nicht sagen, und manchmal sei ihm das Wasser in die Augen geschossen, es hätte fast selbst nicht gewußt für was.Und daß jetzt so ein Herr sich seiner geachtet und au ihns gesinnet, wo es dä weg z'weg g'st syg, das heyg's duecht, es chönn nit säge wie, und das heyg es ihm nit chönne v'ergesse, und wenn es ne ag'lugt heyg, su heyg's geng duecht, das syg nit e Mönsch wie ne angere, und heyg neue ganz angeri Gedanke als anger Lüt, es hätt's mengist fast duecht, es sött's mache wie mes z'Solothurn mach, vor dene Bildere i d'ir Chile,es sött d'Häng z'säme ha u bete. Und mängisch heyg es däycht, daschönn g'wüß nit lang lebe u de heyg es ihm z'Herz fast welle versprenge. Und jetz, wo es gekommen, wie es es manchmal gedacht, könne es sich doch fast nit dry schicke, und es wüß nit, wie das dann gehen sollte, es hätte ihm neue ke Krankheit meh Angst g'macht, wenn es scho dra g'sinnet heyg, es chönnt das oder äys gäh, es heyg de däycht: he nu i Gotts Name, wenn's öppis z'mache ist, su wird d'r Dokter scho helfe. Wenn es ihn nur noch einmal gesehen hätte,in der letzten Zeit, es duech ihns, es könnte sich viel besser troösten. Wenn es ihm nur z'Leicht könnte, daß es wuüßte, wo man ihn begrabe, und daß es sein Lebtag daran sinnen könnte, es sei auch dabei gewesen und 423 hätte gesehen, wie man ihn ins kühle Grab gethan. He das sei ihm recht, sagte Jakobli, es haätte ihn auch hart und wenn me ume wüßt, ob sie's gern oder ungern hätte, wenn man so weit ihm z'Leicht komme, er hätte gehört, es gingen noch viele Leute, das werde wohl zu vernehmen sein.

Meyeli den Gefallen zu erweisen und sichern Bericht einzuziehen, ob man gehen könne oder nicht, bot Jakobli Allem auf. Er ging ins Dorf, dort war gleiches Gerede, aber Niemand wußte Näheres. Am besten wär's, es ginge Jemand gerade ins Pfarrhaus und früge, ward man räthig, der Pfarrer sei bestimmt daheim und d'Jumpfere wahrscheinlich auch. Gesehen habe fie zwar noch Niemand, aber gestern Abend sei Licht in ihrem Stübli gewesen. Zu gleicher Zeit koöͤnnte man vernehmen, wann die Begräbniß sei. Der Siegrist bot sich an das zu erfahren, er wüßte nicht, sagte er,warum man nicht gehen und Selligs fragen düürfe, es sei ja nichts schlechtes, und mit neh sygs de öppe no z'rede. Und im Gefühl seiner Courage ging er dem Pfarrhause zu und klopfte mit Doppelschlag herzhaft an die Thüre. Gret kam alsbald und hielt wie üblich ehe es der Anfrage Folge gab, erst eine lange Privatunterredung mit dem Siegrist vor der Thüre, worin Gret eröffnete: d'Jumpfere sei nicht herunter gekommen und habe heute noch nichts gegessen, es heyg se grusam hert, es sei aber auch nicht z'v'rwundern, er hät se im Sinn g'ha z'hürathe, wie si heyg möge g'merke,und e sellige überchäm si nit grad wieder, vo wege, si syge nit dick. Si chönt de Vikari o ha, wie si heyg möge g'merke, aber dä möcht Gret selber nit, wes ne schö chönt ha, nei bim Schinder nicht, was man auch mit einem anfangen solle, der meine, man setze das Korn und nit wüsse, daß man es säͤe. Wenn eine Selligs nit wüß, so wüß ke Hung was er Alles nit wüß und was me für e Müh müßt ha, bis me ne über alles recht b'richtet hät. D'Jumpfere dörf es nit wohl gah frage, es wells bim Herr probire, es wüß zwar nit wie's dert achöm, daä schryb, es glaube emel,er mach e Predig. Aber es wolle doch gehen und ihn fragen, oöͤppe sövli werd's nit mache, öppe e Hässige Stube, wenn es merki, daß er a d'r Predig syg; es syg einist gange, amene Samste am Morge, u heyg neue welle Flecke ufrybe, er heygs bim Hung aglueget un ag'schnauzt, d'r böst Burehung chönts nit so. Der alte Herr ließ den Siegrist hinaufkommen, weil er aus Grets Reden nicht recht klug werden konnte, was die Leute wollten. Als er die eigentliche Absicht vernahm,verklärte sich des Herrn Gesicht. Sag nur den Leuten,antwortete er, ich wüßte nicht wer was dagegen haben wollte, im Gegentheil, es freut mich sehr, und würde den Gestorbenen auch freuen, wenn er es noch sehen könnte. Hätte er das früher gewußt, es hätte ihm manche trübe Stunde erspart und wer weiß .“ Der Pfarrer sprach den Satz nicht aus, er entließ den Sigrist; mit dem Strome der Gedanken, der in ihm wogte,wollte er alleine sein.

Der Begräbnißtag war ein trüber finsterer Nebeltag, so recht ein Tag, wo der Nebel alles Licht verschluckt und es einem wird, als sei die Sonne selbst am Sterben, als gehe man ihr selbsten z'Gräbt und dann sei es wieder öd und leer, wie ehedem. Der Boden war gefroren, darum wollte Meyeli sich nicht führen lassen, es sei gut zu gehen, sagte es, und dabei könne es sich erwärmen. Viele Leute wanderten auf den in dieser Jahreszeit sonst einsamen Wegen. Trotz den Vielen wäre dem, der ihnen begegnet wäre, ein Weib aufgefallen, schlank, fast groß, schwarz angezogen, aber ohne Seide bis ans Halstuch, welches das weiße Hemd bedeckte, mit feinen Zügen, dunkelblauen Augen im blassen Gesichte. Das schnell Kräftige fehlte seinem Gang, aber schwerfällig war es auch nicht, es wanderte unter den andern geräuschlos, man hörte den Tritt nicht, es weinte nicht, redete aber auch nichts,es wanderte unter den andern fast wie ein Wesen, das vom Schmutz der Erde noch nicht berührt worden, das eigends gekommen, die Masse der Menschen zu verklä ren, die einmal von reinem Gefühle getrieben die Wege wanderte, wo man sonst nur wandert, von thierischen Trieben getrieben, dem Brote nach oder der Lust. Es wanderte wie ein Engel unter den Menschen, der niedergestiegen zur Sühne der sündigen Wege, aufzuschreiben die Gespräche der Menschen, entquollen reinen,dankbaren Gefühlen, da sonst die Wege Märit- und Chilchenleuten zumeist unnütze Worte entlocken, Lasterreden und Afterreden. Das Weib hörte es, wie rundum der Verblichene gepriesen ward, nicht ein einzig Wörtlein seinen Schatten entweihte. Sie waren verwundert, die Gutmüthiger, als ihr Zug bei jedem zusammenlaufenden Wege sich mehrte, daß nicht ihnen alleine das Ehrenbegleit des Todten im Sinn gekommen, sie hatten noch nicht erfahren, daß, wie einer Quelle die gleichen Wasser entquellen, einer Liebe die gleichen Gedanken entsteigen. Als sie an den Ort der Begräbniß kamen, war es bereits angefüllt mit Solchen, welche der gleiche Sinn gebracht, die Jüngern stunden auf der Straße, die Aeltern saßen auf den Kellergewölben, den Treppentritten, den Abweissteinen:Allüberall war vom Doktor die Rede und allen hatte er das Theuerste gerettet, bald sie selbst, bald andere.Und was hat er mir gefordert, sagte der eine: ein Bettlergeld; mir nichts, sagte der andere; und mir hat er diese Hose gegeben, und das Hemd, das ich trage,war auch sein, und mir hat er Speise gegeben und Wein, und jeder wußte ein neues Lob und manch alten Aetti sah man auf einem Steine sitzen, den langen Dornstock zwischen den Knieen, mit seinem rothen Nastüchlein fuhr er von Zeit zu Zeit über die Augen und leise bewegten sich seine Lippen; ob er betete, ob er leise sagte, was er dem Doktor selbst noch hätte sagen mögen, errieth man nicht. Es war der ganze Ort ein lebendig Zeugniß, daß edle Hingebung noch immerdar 8 Stätte findet, einen Boden, auf welchem sie undertfältige Früchte trägt.

Endlich begannen die Glocken ihren Ruf, es gehorchten ihm die Menschen, langsam bewegte das Leichen geleite, den Sarg voran, sich die Straße herauf. An innerer oder äußerer Bewegung, an Thränen, an blassen Gesichtern, waren die Verwandten nicht zu erkennen,alle waren dem Gestorbenen gleich verwandt in Liebe und Trauer, eine so allgemeine Bewegung ward selten noch gesehen unter so Vielen. Die Menge floß ohne Geheiß zu einer Gasse auseinander und wie der Sarg vorüber war, floß sie wieder zusammen, ward zum Geleite, das der Kirchhof nicht faßte. Aber als die harte gefrorne Erde rasselte weit hörbar auf den versenkten Sarg, da ertönte wie aus einem Munde ein lautes Schluchzen in der Glocken Klang hinein, es war die Todtenklage um den geliebten Doktor, der innigste Todtengesang.

Die Menge füllte die Kirche, ein Greis mit freundlichem Gesicht, von weißen Haaren beschattet, stand auf der Kanzel, schwer ward ihm die Rede, die innere Bewegung wollte ihm emporwachsen, wollte überschatten seine Rede. Aber er ward seiner mächtig und sprach mit kräftiger Stimme, wie er nicht geglaubt den heutigen Tag zu erleben, er, der alte Mann, seines kräftigen Neffen Todestag. Als er seinen Bruder begraben,da sei in Trauer sein Herz fast gebrochen, er habe gezweifelt, des Bruders Auftrag, das zarte Kind zu erziehen, erfüllen zu können, er habe geglaubt, bald dem Bruder nachfolgen zu müssen, ja, in sündigem Weh hätte er fast gewünscht, ihm bald nachfolgen zu können.Nun habe Gott es anders gewendet, in vollem Mannesalter sei der Tod des Kindes erfolgt und er habe ihn erlebt. Ob er das Kind als Vater erzogen, den Auftrag seines Bruders treu erfüllt, das werde Gott ermessen, das werde ihm bald sein Bruder selbsten sagen.Er wolle es aufrichtig bekennen, er hoffe ein gutes Lob,so wie sein Neffe sei wohl selten ein Mensch begraben worden, so viele hätten selten in Thränen eiuem Menschen nachgesehen, so viele herzliche Worte seien selten Jemand ins Grab gefolgt. Wenn auch er nicht den Ruhm sich beimesse, die Ehre dem gebühre, der seinen Segen zu jedem Gedeihen geben müsse, so solle man ihm die Freude des Gärtners erlauben, unter dessen Sorge eine Blume erwachsen sei, welche vor andern in voller Pracht erglänze, mit ihrem Wohlgeruche Viele erquicke. Als er seinen Bruder begraben, habe er das Wehen des Todes in eigenem Herzen zu spüren vermeint, heute fühle er es nicht, und doch werde der Tag nahe sein, wo auf seinen Sarg die schwarze kalte Erde präßle. Sein Tag werde kein solcher Ehrentag sein,wie dieser für das Andenken seines Neffen sei, er verdiene ihn auch nicht, er habe sein Gutes im Leben genossen, solche Opfer und Entbehrungen habe ihm Gott nicht auferlegt, solche Gelegenheiten zu augenscheinlichem Wirken ihm nicht gegeben, habe ihn nicht zum Opfer seines Berufes werden lassen. Daß sie dieses Opfer so innig anerkennen, das freue ihn hoch, es stärke seinen Glauben an die Menschen, aber ein freundlich, ernst Wort möchte er ihnen sagen, in wahren Treuen, sie sollten des Doktors Thun und Treue auch im Leben lohnen und anerkennen, nicht in dessen Tode erst. Tausend Aerzte seien Opfer ihres Berufes geworden, aber im Leben sei ihnen das verdiente Loos nicht geworden,Bosheit und Unverstand hätten es ihnen verkümmert,sie hätten nicht blos den Stachel der Mißkennung, den Glauben, daß die Menschen sie nicht würdigten, ins Grab getragen, sondern dieser Stachel, und die Pein,mit Leben und Beruf so mühselig ringen zu müüssen,sei Schuld an ihrem Tod gewesen, und wenn sie gestorben, wer hätte den größten Verlust gemacht, nicht die, welche gestorben, die werde der Herr als die Getreuen über vieles setzen, sondern ste, welche den Getreuen verloren, welche nun für immer dessen Fleiß und Kunst entbehren müßten. Bei Leben sollten sie dieselben in Ehren erhalten, damit sie ihnen am Leben blieben.Sie sollten es ihm glauben, er rede ja nicht aus Eigennutz, er habe ja keinen Bruder mehr, der Doktor sei keinen Neffen mehr, keinen Sohn, dem diese Rede fruchten könnte, sie seien hingegangen, wohin er bald selbst hingehen werde. Darum sollten sie seiner Worte gedenken, sie seien an des Grabes Rand gesprochen, und der letzten Worte eines Menschen pflege man zu gedenken, und dieses werde wohl auch sein letztes Wort an eine versammelte Gemeinde sein. Und sei er einmal heimgegegangen, so wolle er den Vater bitten, daß er ihnen allen den Geist der Wahrheit gebe, den rechten Tröster, der sie in alle Wahrheit leite, sie scheiden lehre Wahrheit und Trug, sie unterscheiden lehre wohlberedte Betrüger von treuen Wohlthätern, und daß er diese aufrecht erhalten mͤge, wenn Menschen sie vergessen,ihr Beruf sie erdrücken wolle.

So sprach der alte Mann und je länger er sprach,um so mehr erhob er sich über die eigenen Gefühle, um so klarer tönte seine Rede.

Als er geschlossen, strönte die Menge zu der geöffneten Thüre fort, verlor sich in Wirthshäuser, oder zu wohlthätigen Menschen, wo ein Tropf Suppe ohne Batzen zu haben war.

Am noch halb geöffneten Grabe aber stund ein junges Weib und weinte schmerzlich. Als der Sarg versenkt ward, war es am äußersten Rande des Ringes gestanden, hatte das Grab nicht gesehen, blos das Rasseln der Erde gehört Als es am Grabe gestanden war in stillem Weinen, entfernte es sich, hielt nirgends sich auf, verließ den Ort. Es war Meyeli gewesen.In trübem Nebel, trüben Sinnen, wanderte es der Heimat zu. Es war ihm nicht, als ob ein Mensch ihm gestorben, sondern als ob ein Licht ihm untergegangen und als ob es jetzt mit Jakobli und Kindern in dunkeln Aengsten wandern müßte seinen Lebensweg. So ging es lange fort, achtete sich nicht Steg noch Weg,und Niemand störte es in seinem Sinnen, es war, als wanderte es in einer ausgestorbenen Welt. Da war es ihm, als hörte es etwas über sich, rasche, ängstliche Töne. Es sah auf. Vor ihm stand das Pfarrhaus zu Gutmüthigen und poch einmal erklangen die Köne.Da sah es am trüben Fenster Sophie stehen, sah Sophie winken mit dem Finger. Meyeli erschrak fast,wandte sich aber sogleich der Thüre zu. Sophie öffnete sie, Meyeli bot die Hand, laut schluchzten beide, Meyeli

Anne Bäbi. ll. 28 434 trat ein, hinter ihm schloß sich die Thüre. Als es Abend ward, die Lichter angezündet wurden, viele Leute heimgekehrt waren, kam Jakobli ins Dorf und fragte Hteyeli nach. Heimgekehrt war es nicht und Niemand wollte es gesehen haben.VITe 7Annebö