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O wie sinnig lacht solch ein Frühlingstag in unser Erdenleben hinein, wie thaut an einem solchen auch das Menschenherz auf; Unmuth und Sorge, die die Heiterkeit der Seele trübten, fliehen mit den Wolken über Berg und Thal, die Sonne der Freude strahlt aus Auge und Angesicht und lieblich fangen die verstummt und verstimmt gewesenen Saiten des Gemüths wieder an zu tönen; neues Leben erwacht und neue Kräfte beginnen sich zu regen als fröhlich keimende Saaten zu neuer kräftiger That. Doch nur wo der Frühlingsgruß der Natur einen Wiederhall findet im Innersten der Seele, kann solch ein Frühlingsleben erblühen, nur wo der Odem des Allmächtigen weht, der die Creaturen lockt aus der Erde hervor und Berg und Thal so wundersam bekleidet und schmückt, können die Kräfte des Lebens sich regen.
War's solch ein Frühlingsgruß, den die Glocken von Schönenwyl so hellen Klauges sandten
in die Welt hinaus?Jedenfalls erweckten sie Freude in den Bewohnern des Dorfes. Während
die jungen Bursche des Ortes sich damit vergnügten, aus dem heimeligen Dunkel schattiger
Baumgärten und hinter den grünenden Hecken hervor Knall auf Knall ihre Freudenschüsse
abzufeuern, die sie mit fröhlichem
Die Frauen und Mädchen sind und bleiben sich überall gleich, und wo es eine Brautschaft
oder gar eine Hochzeit gilt, da sind sie gewiß Alle Auge und Ohr und darin lebet und webet
ihr Herz und Sinn, und wer wollte es tadeln? Ist es doch nichts Anderes als eine bewußte
oder
Die letzten Klänge der Glocken waren verhallt, die Büchsen der Bursche waren verstummt,
die Zuschauerinnen waren wieder auseinandergegangen, Einige zur Kirche, die Andern an ihre
Arbeit, in der Stille über Liebe und Lebensglück zu sinnen, und stille war's wieder im
Thale geworden; nur aus Hecken und Büschen sangen Amseln und Finken mit voller, heller
Stimme ihre fröhlichen Weisen und aus den blauen Luften herab schmetterte die Lerche ihr
Freudenlied.In der Kirche erklang feierlich und sanft der Chorgesang und verscheuchte mit
stillem Wehen die Wolke des Unwillens, die sich auf der Stirne des alten Pfarrers hatte
lagern wollen, und in Kebenden Ernst verwandelten sich die Zuge seines Angesichts. War er
doch von jeher dem Ja
So ganz, wie sie es dachten, sollte sich indessen diese ihre Hoffnung nicht erfüllen.
Wenn auch gefaßt und ruhig,doch blasser und stiller, als sie gekommen war, gieng die Braut
an der Seite des ihr so lieben Angetrauten aus der Kirche heim und vermochte nicht in
dessen nun laut sich ergießende Fröhlichkeit einzustimmen; sinnend, ja fast träumend
folgte sie seinem muthigen Schritte, und indessen ihre fröhlichen Hochzeitsgäste hinter
ihnen her scherzten und schäkerten und manch Einer voll Freude und Lust ein hallendes
Juchhei gleichsam als Lebehoch auf Bräutigam und Braut ausbrachte, hieng sie unwillkürlich
ernsten Gedanken nach.„Ach, was bin ich so dumm und mache mir solche Grillen, und Er ist
doch so lieb und so gut und Alles ist heute so freundlich und schön“ so warf sich das
Anneli selber vor und konnte doch nicht Herr werden der Stimmung, in die es verfallen war.
So webt eben eine höhere und himmlische Macht in die glänzenden und schillernden Fäden des
irdischen Lebens und seiner vergänglichen Freude und Lust wohl auch dunkle und schwarze
hinein, an die Vergänglichkeit irdischen Glückes und den ächten Glanz einer bessern
Indessen war es im“Dorfe wieder lebendiger geworden;ja an einem Punkte hatte die Straße
sich noch mehr als vorher mit Zuschauern und Zuschauerinnen gefüllt, während die
Büchsenschüsse wieder die Ankommenden begrüßten. Es harrten unten am Kirchwege schon die
Sprengwägelchen,mit den vor Ungeduld stampfenden Gäulen, um die Festgäste aufzunehmen und
in das nächste Dorf zu fahren, wo in dem für solche Fälle wohl renommierten „Rößlein“ das
Hochzeitessen stattfinden sollte. Nicht ohne mancherlei Hinund Herreden und ländliche
Complimente kam das Einsteigen zu Stande. Die alte Bas Kätheri, die in ihrem Leben sonst
nie als auf einem Leiterwagen, wie etwa in der Heuerndte, gefahren war, wollte sich
durchaus nicht dazu bequemen, sich auf den Polstersitz zu setzen, der für sie und ihren
Mann bestimmt war, indem sie erklärte, der Sitz sei viel zu „gherrschlig“ für sie; und die
gute Gotte Anne Marei getraute sich gar nicht aufzusitzen, weil der wilde Kohle gar
fürchterlich stampfe, sie bleibe lieber daheim, sie wolle sich im Stillen mit ihnen Allen
freuen, ganz gewiß. Der Vetter Hansjörg dagegen hatte seinen Muth und seine Gewandtheit
zeigen wollen und richtig bei diesem Manöver
Alles erzählen, was an demselben verhandelt ward? Vor Allem der ganzen Familie Freud und Leid von alten Zeiten her bis auf diesen Tag bildete den Gegenstand des Gesprächs, das durch viele köstliche Anekdoten des alten Vetter Hansheiri, der eine lebendige Chronik war, gewürzt ward.Wie Manches, das dem Dunkel der Vergangenheit angehörte, glänzte nun in einem neuen und schöneren Lichte!Denn was das sehnende Herz in der Gegenwart sucht und nicht mehr findet, das dichtet es so gerne dem Vergangenen an, wo es doch ungefähr auch so war, wie es jetzt noch ist. Vergangenheit und Zukunft sind eben in den zauberhaften Duft des Entfernten gerückt, nur die Gegenwart schauen wir in ihrem wirklichen Lichte. So waren es besonders die älteren Gäste, zumal der Vetter Hansheiri und die Bas Lisebeth mit ihrem Triangel im nagelneuen Rocke,die da wetteiferten, alte Zeiten und Tage in die Erinnerung zurückzurufen und gleichsam mit Blumen das Gemälde, das sie hervorholten, neu zu umwinden.
Ehrerbietig ließen gerne die Jungen eine Zeit lang den Alten das Recht des Vorganges und hörten andächtig zu,zumal da sie mittlerweile die Bedürfnisse des Gaumens beim vortrefflichen Essen, das der Rößliwirth aufstellte, befriedigen konnten. Aber bald machte der Jugend Kraft und Lust in ungebundener Fröhlichkeit sich Luft und brachte die
122 Stimmen der Alten zum Schweigen. Besonders war Annelis Bruder und nunmehr Jakobs
Schwager, der Friedli,gut gelaunt. Es purzelten gleichsam die Witze und Scherze aus seiner
munteren Laune heraus und thaten um so vortrefflichere Wirkung, als sie im grellsten
Widerspruche standen mit der sonst so eintönigen, wortkargen und trockenen Weise des
Mannes, der im gewöhnlichen Leben Vielen wie einfältig erschien.Besonders hatte er seinen
nunmehrigen Schwager auf's Korn genommen und manches guten und schlechten Witzes
Zielscheibe mußte heute der glückliche Jakob sein, der sich auch geduldig das Alles
gefallen ließ und fröhlich mit den Lachenden mochte lachen. Als aber der Friedli sogar
sich zu einer Rede postierte und von ihrer Katze erzählte, die allemal die ihr vorgesetzte
Milch stehen ließ, aber redlich jede Nacht den süßen Rahm von allen Milchbeckelein leckte
und nicht undeutlich zu verstehen gab, daß er mit der Katze den Jakob vergleiche, dem er's
übrigens von Herzen gönnen möge, da wurde auch der Jakob lebendig und ohne seinem Schwager
Friedli etwas übel zu nehmen, erhob er sich freudig und sprach: „Ja, ja, das können
Zimmerbases Katzen,die wie Hündlein dressiert sind und's vom Friedli gelernt haben, aber
ich weiß Einen, der kann mehr als nur Rahm schlecken. Schmied heiße ich zum Geschlecht und
Schmied
Wie viel an diesem Tage noch in fröhlicher Heiterkeit geredet, wie viel gesungen, wie viel getanzt ward, das können wir hier nicht Alles beschreiben, es wurde geleistet,was man an einem Hochzeitsfeste leisten kann. Alles war heiter und fröhlich, nur das gute Anneli konnte noch immer nicht bei aller erzwungenen Heiterkeit so recht von Herzen fröhlich sein. Die Träume des Morgens verfolgten es den ganzen Tag, so daß seine Sinne nur halb waren bei Allem, was geschah und sein fröhlicher Bräutigam mehr als einmal es fragte, was ihm fehle, ob ihm nicht wohl sei. „Nicht so ganz,“ erwiederte ihm beruhigend die Braut,„es fehlt mir ein wenig im Kopfe, es wird schon besser kommen.“ Und der Jakob war wieder beruhigt.
So gieng dieses Hochzeitsfest vorüber, dem Frühlingstage gleich, an dem es gefeiert ward.
Was von den unzähligen zarten Hoffnungsblüthen, die an demselben sich
Il.Da Hochzeitsfest ist dem Erdenpilger, was dem Wanderer die Höhe eines schönen Berges mit herrlicher Aussicht. Wonnetrunken schweifen seine Blicke hinaus in das zu seinen Füßen liegende, ihm noch unbekannte und mit zartem Nebelschleier verhüllte Land, das er durchwandern will, und schon malt er im Geiste sich Alles im Einzelnen aus. Aber er kann nicht umhin, auch noch einmal rückwärts zu blicken und das ihm so wohl bekannte Gebiet zu überschauen, das er nun durchwandert hat. Einen solchen kurzen Rückblick wollen auch wir mit dem Jakob thun, ehe wir ihn weiter begleiten auf seinem ferneren Lebensgang.
Der Erstgeborene von sieben Kindern wenig bemittelter aber rechtschaffener Eltern, die
wie die meisten ihrer Landsleute von der Seidenbandweberei und vom Betrieb eines kleinen
Gütchens sich nährten, war der Jakob in seiner frühen Jugend ein zartes, aber
hoffnungsvolles Kind. In munterem Spiele mit seinen Gespielen bald am klaren Bache,bald
auf blumenreichen Wiesen, oder in allen den heimeligen Plätzchen seines väterlichen
Häuschens, flossen ihm schnell die Tage seiner Kindheit dahin. Was ihm von früher Jugend
an eigen war, das war ein Sinn, der aus Allem etwas zu machen wußte, und eine lebendige
Einbildungskraft, in der er nicht nur sich seine eigene Welt zu gestalten suchte,sondern
auch für die Zukunft schon die großartigsten Pläne entwarf. Wie oft doch baute er aus
Pfählen und Brettern und Reisig und Allem, was er zu diesem Zwecke aufzutreiben wußte,
sich ein wohnliches Häuschen und vergaß auch nicht den Keller darin, mit aufgelesenem Obst
ihn für den kommenden Winter zu füllen. Wie oft mit seinen kleinen Freunden und
Freundinnen bildete er als ihr Hauptanführer und Rathgeber alle möglichen Beschäftigungen
und Bestrebungen und Freuden und Leiden der großen Menschenkinder, soweit sie ihm bekannt
waren, ˖in seinen unschuldigen Kinderspielen ab, und heute wurde in saurer Mühe und Arbeit
mit einem Pfluge, wie die Natur ihn
Zum ersten Male aber trat der Ernst des Lebens, wie für viele tausend Andere auch, an ihm
heran, als er die Schule mußte besuchen. Doch gieng er nach und nach zerne hin und als ein
begabtes Kind lernte er leicht, und
So wenig der alte Schulmeister, der Jakobs Lehrer war, von den Grundsätzen der neuen
Methode oder, wie das Volk halb entsetzt über dieselbe sich ausdrückte, der „neuen Lehre“
verstand, weßwegen er oft mitleidig. von seinen jüngeren Collegen belächelt wurde, so
wenig war das für seine Schule ein Nachtheil. Denn Lesen, Schreiben und Rechnen konnte er
die Kinder lehren trotz einem geschulteren Jüngern. Dann aber hatte er, was so manchem auf
Seminarien dressierten Manne abgeht und durch keine Kunst zu ersetzen ist, einen stets
heiteren und lebendigen Geist und einen unverwüstlichen Humor, der beständig die Kleinen
im Zuge erhielt. Und was er buntscheckig durcheinander, wie
0 sieden aus dem Fundamente verstand.
Wenn trotz alledem Jakobli geistig nicht unbeschäftigt blieb, ja gerade bei der stillen
Arbeit in seinem Kopfe die großartigsten Pläne schmiedete und die prachtvollsten Schlösser
sich baute in die Luft, so war ihm doch dieses angebundene Leben eine rechte Last, und die
Schule, die ihm früher wie ein Gefängniß vorgekommen war, war nun für ihn der Ort der
Erholung und Lust. Oft dachte er mit stillem Grauen der schnell herannahenden Zeit, da er
derselben sollte entlassen werden, während andere Kinder auf diese Zeit sich freuten. Und
wirklich, als er mit seinem zwölften Jahre in die Repetierschule kam und wöchentlich nur
noch ein paar Stunden dieselbe durfte besuchen, wurde er nun zur strengsten Arbeit
angehalten. Ein so starker Bube (zu welchem sich Jakob aus einem zarten Knäblein
entwickelt hatte), so meinte der Vater, dürfe nicht mehr Maulaffen feil haben, sondern vom
frühen Morgen bis zum späten Abend daran zu sein, das sei einem solchen Bürschlein gesund,
und ohnedieß thäte ihnen eine solche Hülfe sehr Noth. Die Kinder jenes Hauses mußten frühe
schon lernen, woher es komme, das liebe tägliche Brot!So saß denn der Jakob bereits nicht
mehr nur am Spuhl-rad, dessen Betrieb er schon längere Zeit den jüngeren
Doch sollte plötzlich eine glückliche Wendung der Dinge für den Jakob kommen, die seinem
Geiste zu neuem Fluge verhalf. Sein Vettergötti, der alte Clausjoggi, der keine Kinder
hatte, war gar sehr für seinen Pathen eingenommen
Wie aber die Sache in's Werk gesetzt, wie so manche nicht geringe Schwierigkeit
überwunden werden sollte, das war dem alten Manne lange nicht klar; es half noch nicht
viel, wenn er etwa einmal bei Jakoblis Vater durchblicken ließ, ein paar Fünflivres für
des Knaben weitere Ausbil-dung würden ihn nicht reuen, nein, ein Schönes hätte der Götti
von ihm zu erwarten; denn der Vater rechnete die Sache anders aus, da der Knabe vielleicht
in einem Monat mehr verdiente, als der Vetter Clausjoggi überhaupt zu geben versprach; es
nützte auch nicht viel, daß er den Knaben einige Male mitnahm, wenn er nach Basel
Mehr als das Alles bewirkteé der Einfluß des Herrn B seine Herren in der Stadt
beschäftigten Arbeiter besuchte und der bei Jakobs Vater in gar hohem Ansehen stand.Schon
mehrmals hatte der Jakob die nöthigen Briefe nach Basel schreiben müssen und dieselben
hatten durch eine wirklich hübsche und ziemlich correkte Handschrift die Aufmerksamkeit
der Ladenherren auf sich gezogen. „Was ist, Meister Schmied,“ fragte darum einmal der Herr
Klingensold Jakoblis Vater bei einem seiner Besuche, „was habt Ihr für einen famosen
Schreiber engagiert?“ „He? famosen Schreiber? weiß nicht“ erwiederte fast verlegen der
Vater. „Ei ja,“ sagte der Andere und blickte dabei lächelnd den Jakob an, „der Euch
jeweilen Eure Briefe an
Das Leben in jener Schule wollen wir nicht weiter beschreiben. Jakob hatte eine Stunde
weit in dieselbe zu gehen und sein Mittagsmahl, das er in der Schulstube verzehrte,
bestand aus einem Fläschchen voll Milch und einem Stück Brod, das er täglich in seinem
Schulränzchen mit sich nahm. Er machte ordentliche Fortschritte, mußte aber einsehen, was
er noch nicht gewußt hatte, daß es auch noch
Es ist aber mit solchen Worten eine eigene Sache;wie oft bewirken sie doch gerade das
Gegentheil von dem,was sie suchen! So wähnt Mancher stolz, seines Glückes Schmied zu sein,
während er träumend vergißt zu schmieden
So übte er denn nun den Beruf seines Vaters, in welchem er sich bald eine große
Geschicklichkeit erwarb, wieder aus, und fand auch da Gelegenheit, seinen Ehrgeiz zu
befriedigen. Waren nicht seine Eltern nun so sehr mit ihm zufrieden, daß sie ihm gar viel
besondere Gunst erwiesen;durfte er nicht mit großer Selbstbefriedigung hören, wie die
Leute seine Eltern beneideten, weil der Jakob ihnen Geld verdiene wie Stein? Daneben
tröstete er sich, sobald er
Und weil nun sein nimmer rastender Geist einen Gegenstand seines Sehnens und Ringens doch mußte haben,so wendete sich bald sein ganzes Denken dem schönen und freundlichen Friedenanneli zu, das einst als Kind schon so manchmal bei ihm in seinem Häuschen gewohnt und mit ihm gehaushaltet hatte. Lange blieb es bei einem stillen Einverständniß der Liebenden, die nur etwa am Feierabend beim Brunnen, wenn der Jakob seine Kühlein zur Tranke führte und das Anneli Wasser holte, oder etwa, wenn der glückliche Zufall es wollte, am Sonntag beim Spaziergang sich sahen und sprachen und einander zu sehen und zu sprechen sich freuten. Diese glücklichen Zufälle kehrten aber immer häufiger wieder, und die jungen Leutchen hatten einander immer mehr zu sagen, so daß ihr Verhältniß den Leuten schon lange kein Geheimniß mehr war, als sie es noch immer als solches bewahrten.
An allerlei Erlebnissen, wie sie etwa einem angehenden Bräutigame zu Theil werden, fehlte
es auch unserm Jakob nicht. „Herz, wohi zieht es di? Säg mer, wo denksch du
Es war an einem schönen Abend zur Sommerszeit,die auch dem fleißigen Posamenter etwa
einmal einen stillen Feierabend gönnt. Der freundliche Abendstern mit seinem milden Glanze
hatte schon sich hinter den Bergen zur Ruhe begeben, aber fröhlich zirpten allüberall noch
die Grillen im duftenden Grase und fröhliche Stimmen der Menschen erklangen durch die
sanftkühlende Abendluft. Den Jakob zog's in die Nähe des Hauses seiner Geliebten; er
glaubte am erlenchteten Küchenfenster die holde Gestalt seines Anneli zu erblicken und
kletterte ungesäumt auf den hinter dem Hause aufgerichteten und fast bis zum Küchenfenster
hinaufreichenden Stoß von Scheitern, im Lande kurzweg „Schiterbigi“ genannt. Von da
vermochte er hineinzuschauen, vielleicht
So gab es manchen Spaß, bis es endlich zum Ernste kam, indem zumal nach solchen
Erlebnissen es kein Geheimniß mehr bleiben konnte, daß der Jakob zum Anneli gehe.Er mußte
seinen Eltern seine Neigung gestehen, und es setzte manchen Strauß ab, bis sie ihre
Einwilligung zu einer Verbindung ihres Sohnes geben wollten, die ihrer Haushaltung eine so
schöne Kraft entzog. Aber sie mußten
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Heim welch ein trautes und liebliches Wort! Süßen Frieden haucht sein Klang in die menschliche Brust. Der Vogel hat sein Haus gefunden und die Schwalbe ihr Nest so erinnert schon der heilige Sänger an die Wonne der Stätte, die unsere Heimat ist. „Heim“ lallt schon das müde Kindlein auf den Armen der Mutter und streckt seine Aermlein aus nach dem stillen Bergungsorte, wo die Liebe zuerst ihm sein weiches Lager bereitete, wo das Gefühl einer trauten Sicherheit es zuerst umfieng. Heim, heißt das freudige Losungswort des von des Tagewerks Arbeit und Last Abgelösten, heim eilen seine Schritte, wo Liebe den Schweiß ihm von der Stirne wischt, und „heim, ach heim!“seufzt am Schlusse der Wallfahrt im Lande, wo wir nur Gäste und Fremdlinge sind, des irdischen Treibens müde,der Geist, heim, wo die Hütten des ewigen Friedens sind.
Heim, das ist das stille Heiligthum, das der Gesittung
Mit süßer Wonne empfanden auch Jakob und Anneli das stille Glück die Begründer einer eigenen Heimat zu sein.Klein aber heimelig war ihre neue Wohnung, einfach und bescheiden ihr neues Hausgeräthe, aber niedlich und rein;Alles war gerade recht zum fröhlichen Bleiben sie einzuladen.Verträglich wohnten im kleinen Schranke, der hübsch bemalt war, neben des Mannes Hosen und Frack die Röcke und Jacken der Frau und in der Schachtel prangte neben Jakobs Festtagshut Annelis reinliche Haube. Friedlich hiengen an der Wand neben dem Köorbchen und anderen Zeichen des
Friedens des Mannes Waffengeräthe. Vorn am Fenster stand wohl aufgerüstet der Webstuhl und was dazu gehörte,als die Stätte der Arbeit, und hinten in stiller Ecke war das reinliche, zu stiller Ruhe nach des Tages Mühe einladende Bett. Ein blank gefegtes Tischchen, eine Kommode und ein paar Stühle machten den übrigen Hausrath aus.Gehet hin, ihr Reichen der Erde, in euere strahlenden, hellerleuchteten Salons, in euere Conzerte, in euere Theater,auf euere Bälle; den süßen stillen Frieden eines solchen Stübleins, das traulich eine Familie mit ihren Freuden und Leiden umschließt, den findet ihr dort nicht, den findet ihr je nur wieder, wenn ihr auch ein solches Heim noch besitzet.
Fleißig arbeitete jetzt der Jakob darauf los, es war ihm eine Lust, selbstständig für seine Familie sorgen zu dürfen,bestand sie einstweilen auch nur aus ihm und seiner Frau,und ein freudiger Stolz erfüllte sein Herz. Er fühlte sich erst jetzt recht als einen Mann, und es kam ihm nicht anders vor, als die ganze Welt müsse es fühlen, daß er jetzt mehr Bedeutung habe und Gewicht. Man sah das auch seinem Schritte und seiner Miene an, wenn er etwa am Sonntag zur Kirche gieng oder Nachmittags in die Gemeindeversammlung, um nun auch seine Bürgerpflicht zu thun.Daheim aber, wenn seine junge Frau arbeitend treu in zur
Seite stand und ihre Wangen im Eifer der Arbeit glühten,konnte er oft nicht anders, als einen Augenblick stille zu halten, sie freudig in seine Arme zu schließen und einen Kuß auf ihre freie Stirne zu drücken und dann sofort lustig wieder seine Arbeit zu thun. Das Anneli empfand tief die Wonne dieses Glückes mit ihm und konnte es jetzt fast nicht mehr begreifen, daß an der Hochzeit ihm so bange geworden war.
Und wo bei Genügsamkeit und Zufriedenheit solch ein redliches Ringen ist, da ist auch der stille Segen des Herrn. Die jungen Leutchen verdienten nicht nur, was zu des Lebens Nothdurft gehörte, gar manchen ersparten Thaler D mälig auch ihren Hausrath. Unvermerkt mehrte sich ihr kleines Gut und sie fühlten sich dabei überschwänglich reich;damals hätten sie gewiß mit keinem König oder Kaiser getauscht.
Damit soll freilich nicht gesagt sein, als ob sie schon Engel gewesen wären, und als ob
keine menschliche Schwachheit auch ihr Leben verunziert, kein Mißton je ihren Frieden
gestört hätte. Wer würde das auch glauben? Wo auch noch so sehr einander liebende Menschen
beisammen wohnen,wo alle sonst verborgenen Eigenheiten und Schwachheiten offenbar werden,
wo entgegengesetzte Anlagen und Neigungen sich geltend machen, sich müssen lernen
ausgleichen und in
So lebten und haushalteten sie gesund und glücklich zusammen und der Jakob war fast nur
zu sehr auf's Arbeiten und Hausen erpicht, indem er darin allmälig die Hauptaufgabe seines
Lebens zu erblicken sich gewöhnte. Seine Kameraden konnten ihn nicht mehr leicht verlocken
zu einem Glase Wein und als ihn einmal sein eigener, sonst haushälterischer Vater
ermahnte, er solle sich bisweilen doch auch ein wenig etwas gönnen, da sagte er mit gar
ernstem Ausdruck: „Jä, Vater, das hat seine Meinung, es läßt sich nachsehen, wenn man ein
Ehemann ist, besonders bei gewissen Umständen der Frau!“ Seiner Frau aber bemerkte er, da
sie ihm nicht sparsam genug schien, „ja, Fraueli,
Aber störend und wild tönten in diese Frühlingsklänge hinein die rauhen Stimmen der
menschlichen Leidenschaft.Schon seit längerer Zeit war das Volk aufgereizt worden,seine
alten Rechte von der regierenden Partei zu fordern,und je zudringlicher und
herausfordernder dieß von Seiten des Volkes geschah, um so hartnäckiger und eigensinniger
beharrten die Andern auf ihrem verjährten Rechte. Immer
In diese Zeit fiel für unsern Jakob ein Ereigniß, das unter anderen Umständen, oder auch,
wenn er einen größeren Gleichmuth gehabt hätte, als er in Wirklichkeit besaß, auch trotz
allen diesen Umständen für ihn eines der glücklichsten seines Lebens hätte sein können;
als erstes Pfand der Liebe wurde ihm ein kräftiges, holdes Knäblein geschenkt und Mutiter
und Kind waren wohl und gesund. In seliger Mutterfreude heftete das Anneli seine Blicke
auf ihn in der stillen Hoffnung, er werde jetzt Alles um ihn her vergessen und jubilieren
vor Freude. Aber der Jakob sah ganz verdüstert aus und ein stiller Seufzer war es, mit dem
er die Ankunft seines ersten Sprößlings auf dieser-Welt begrüßte.Seine Frau wischte sich
eine Thräne aus den Augen und Schwermuth wollte sich ihrer Seele bemächtigen. Sie konnte
Der gute Johannes zog ab, denn er war nicht gewohnt und geübt zu widersprechen, was zu beklagen war, da ein kräftiger Widerspruch dem Jakob heilsam gewesen wäre, während er jetzt nur um so fester auf seiner trübseligen Meinung bestand, durch die er sich selbst und Andern die schönsten und zartesten Freuden verderbte.
Und da er diesen seinen traurigen Gedanken über den Unbestand alles irdischen Glückes
sich immer mehr hingab und diese düstere Stimmung immer mehr Herr über ihn werden ließ,
kein Laut der Freude kam mehr über seine Lippen, kein heiterer Blick mehr glänzte aus
seinen Augen,er konnte auch nicht mehr in gewohnter Zärtlichkeit seiner Frau begegnen und
nicht mit der Vaterfreude, wie Jedermann von ihm erwartet hätte, sein Kindlein betrachten,
und doch war ihm noch gar nichts Arges begegnet, was ihn hätte traurig machen können,
nichts, als was er selber sich vormalte, so war er Allen ein Räthsel und viele scheuten
sich fast vor ihm. Seine junge Frau aber war durch das Alles ganz verstört und nahe daran,
an ihm irre zu werden,zumal da er nicht mochte sich über sein Inneres aussprechen; und
weil er verdüstert schwieg, so schwieg sie auch.O es giebt fast nichts Drückenderes in
einem Ehestand als ein solches Schweigen; wie ein böser, schwarzer Geist lagert es sich
trennend zwischen die Herzen, die unauflöslich
Das war ein dunkler Schatten, der auf das heitere Glück des jungen Ehepaars sich zu
lagern begann. O wie oft faltete das Anneli im Stillen seine Hände in seinem Bette und
betete inbrünstig, daß dieser unheimliche Bann doch sich läsen und von ihnen möchte
genommen werden! Wie oft, wenn es sein holdes Knäblein voll seliger Mutterfreude alles
Leides vergessend in seinen Armen hielt, durchzuckte
V.
Wies unser Gott geschaffen hat, das will er auch erhalten; darüber will er früh und spat
mit seiner Gnade walten so singt unser christliches Volk in einem seiner schönen
geistlichen Lieder. Wie finden wir diese Wahrheit so schön veranschaulichet und herrlich
bestätiget in dem von
Aber die Weisheit des Schöpfers ist unergründlich auch in diesem Theile. Was von Natur
nur ein auf die Erhaltung des Geschlechtes gerichteter Trieb scheint zu sein,muß zu jener
geheimnißvollen Triebfeder sich entfalten und gestalten, die das ganze Menschheitsleben in
die wunderbarste und mannigfaltigste Bewegung setzt, die tausend schlummernde Kräfte weckt
und zum Forschen und Ringen,zum Weben und Streben, zum Schaffen und Gestalten
allermänniglich begeistert. Mag der mächtige Ehrgeiz, mag ein edler Drang reiner und
herrlicher Begabung einen großen
Antheil haben an allem zu Tage geförderten sittlichen Gut,es ist nicht zu vergleichen mit
dem, was jenem Triebe entspringt, es fehlte auch dem herrlichsten Gedanken die denselben
ausbildende und verbreitende Hand, wenn er ihn nicht zum dienstbaren Geiste hätte. Was
spornt schon den Jüngling an, einen Lebensberuf recht zu erlernen? In viel tausend Fällen
ist's der stille Gedanke an seine künftige Bestimmung. Was begeistert den Mann in oft fast
übermenschlicher Anstrengung seiner Kräfte zu wetteifern mit Andern auf seinem
Wirkungsfeld? Es ist der Gedanke an Weib und Kind und die ermuthigende Hoffnung ein
schöneres Loos des Daseins ihnen zu bereiten. Wie schade ist es darum, daß auch dieses
Geschenk des Himmels so oft in ein Werkzeug der Hölle verwandelt wird, wo Habgier und
Ungerechtigkeit sich daran hängen, oder wo die oft getäuschte Hoffnung in Verbitterung und
Verzweiflung umschlägt.Unser Jakob hatte mit frischem Muthe die Arbeit seines Berufes
wieder aufgenommen und: „Jeder ist seines Glückes Schmied,“ so rief er sich ermunternd zu,
wenn ihm je etwa einmal der Muth ausgehen wollte. Die Tage,die Monate, die Jahre eilten
ihm wie im Fluge dahin;„ist's denn auch möglich,“ so mußte er jeden Sonntag und in
gleicher Weise bei jedem Jahresschlusse sich fragen, „ist's möglich, daß schon wieder eine
Woche, daß schon wieder
„Ist eine Mutter auch noch so arm,Giebt sie doch stets ihren Kindern warm.“So hatte denn
der Jakob Anlaß und Aufforderung genug, seinem Stolze, welchen er zu Anfang des Ehestandes
in's Herz gefaßt hatte, daß er nun ein Mann sei, der mit eigener Kraft wisse einen
Hausstand sich zu gründen und eine Familie zu erhalten, Genüge zu thun. Er hatte aber auch
wahrlich sich genug zu wehren, denn er mußte das Sprüchlein auch erfahren: „Viele Kinder,
viele Stücklein Brot.“ Es wollte auch bei gutem Verdienste fast nicht mehr angehen, einen
Sparpfennig auf die Seite zu legen, denn nur die Auslagen für Milch und Brot machten ein
hübsches Sümmchen im Jahre aus. Da wollte den strebsamen Mann oft wieder der leidige
Mißmuth beschleichen, und es gab Tage, wo er ganz' verstimmt außer dem Allernothwendigsten
kein Wort mochte reden. „Was hast du auch wieder?“ fragte ihn eines Abends nach einem
solchen Tage beim Schlafengehen seine Frau. „Ach, ich mag nicht reden,laß' mich gehen,“
erwiederte ihr kleinlaut der Mann. „Ich möchte es aber doch wissen,“ gab ihm die Frau
zurück;„wer hat denn etwas mit dir gehabt, daß du so böse bist?“
Solche in Herzenseinfalt aus der Wahrheit gesprochene Worte sind Stimmen dessen, der auch aus dem Munde der Unmündigen sich ein Lob bereitet, aber sie werden gar oft überhört oder doch gar bald wieder vergessen, zumal wenn neue Versuchungen sich nahen. Der Jakob ließ sich zwar damals begütigen, er schwieg wenigstens stille und gabtillschweigend seiner Frau Recht; aber schon am folgenden Tage gab es wieder einen Anlaß, da es anfieng zu kochen in seinem Herzen und es kochte dießmal lange.
Er hatte eine alte Base, in der ganzen Familie nur die Zimmerbase genannt, weil ihr Vater
ein Zimmermann ge
Waren das Demüthigungen für unsern stolzen Jakob,die ihm recht das Leben verbitterten und nicht wenig beitrugen zu seiner zeitweiligen Mißstimmung! Und doch wußte er nicht, wie er diesem Uebel entrinnen sollte, er mußte im Gegentheile noch gegen die Base freundlich sein aus guten wohlzuberechnenden Gründen.
Zu dieser Base mußte er am Tage nach den zwischen ihm und seiner Frau geschehenen
Herzensergüssen gehen.Sie hatte ihm vor einiger Zeit zwanzig Franken vorgestreckt, die er
ihr auf diesen Tag wieder zu bringen versprochen hatte, weil sie sie nothwendig an
demselben brauchte;er hatte sie aber noch nicht, denn er war mit seiner bestellten
Rechnung nicht so schnell fertig geworden, als er gehofft hatte. Auf das Andringen seiner
Frau gieng er dennoch hin, sich zu entschuldigen und für ein paar Tage noch um Geduld zu
bitten. Es wäre dieselbe ihm wohl auch gerne gewährt worden, denn ihre guten Sesten und
Jetzt, als er kam und verlegen seine Entschuldigung anbrachte und etwas stotterte von der bösen Zeit und vom geringen Verdienste bei der schlechten Waare und dem geringen Lohn und von Allem, was man in eine Haushaltung brauche, da lief er recht in das Wetter. „So,“ fuhr sie ihn barsch an, „du singst wieder dein altes Lied. Bist doch ein rechter Lazarus und hast einen so schönen Verdienst. Wenn du deine Familie nicht erhalten kannst und immer klagen mußt, warum hast du denn geheirathet, hast Kinder und weißt sie nicht zu erziehen? Da ist mir der Brücklehans ein anderer Mann, der weiß seine Sache anzuschicken, daß es eine Art und eine Gattung hat. Geh',und bringe mir die zwanzig Franken, wenn du kannst.“Damit gieng sie raschen Schrittes wieder in die Küche und ließ ihn stehen, er aber strich sich zum Hause hinaus.
Das war's, was der Jakob noch brauchte! Jedes in unbesonnener Leidenschaft gesprochene Wort der Base drang wie ein giftiger Pfeil in sein Herz und er hatte nicht so viel Ueberlegung zu bedenken, daß, wie er die Base doch wohl hätte kennen können, die wirklich ungerechten und lieblosen Vorwürfe, die sie ihm gemacht hatte, im Grunde doch nicht so ernst gemeint gewesen seien und darum auch nicht so viel zu bedeuten hätten; nein, sie wurmten ihn und wurmten ihn immer mehr, je mehr er sich dagegen vorhielt, daß er sie wahrlich nicht verdiente. Er war nicht nur böse über die alte Jungfer, sondern er verbitterte sich im Stillen auch gegen seine Frau, die mit der Base immer unter einer Decke spiele, obgleich sie wohl wisse, wie sie es ihm mache und wie er ihr Pudel müsse sein.
In solcher Stimmung trat er den Heimweg an. Zugleich erhob sich nun aber auch sein
beleidigter Stolz:„Die sollen mir nicht mehr so kommen,“ sagte er halblaut zu sich selbst,
“ ‚dem Ding will ich jetzt einen andern Bogen geben, so gewiß ich der Jakob Schmied bin.“
Das erste, was er gleich that, war, daß er die zwanzig Franken bei einem Freunde
entlehnte, sie in ein Papierlein wickelte und sie durch sein Büblein, den Jakobli, der
Zimmerbase schickte, alles ohne Wissen seiner Frau. Das aber reizte nur um so mehr den
Zorn der Base, der bereits
So gieng er an einem Sonntagnachmittag mit einem Freunde aus der Nachbargemeinde, der ihn besucht hatte,zur Seltenheit einmal in das Wirthshaus um ein Schöpplein zu trinken; und wie es Einem geht, wenn man selten in's Wirthshaus kommt, weil man's nicht hat wie andere Leute, er war ein wenig schüchtern, so wenig das sonst seine Art war. Saß nicht da auch der Müllerklaushans,ein reicher, geldstolzer, großmauliger Bauer, der mit unzart genug angedeuteter Verachtung auf die kleinen Leute der Geißbauern und Tauner herabsah? Dem Jakob war es nicht recht, daß der da war, der seinen Reichthum nur dazu benützte, die geringeren Leute zu drücken und einen oft unvernünftigen Zwang in der Gemeinde auszuüben;aber er ließ es nicht merken, grüßte freundlich den Müllerklaushans und trank mit seinem Freunde eine Flasche.
Sie sprachen über allerlei, wie denn beim wenig gewohnten Genuße des Getränkes, das des
Menschen Herz
Die herausfordernde Rede desselben hatte das Gespräch Jakobs mit seinem Freunde, als er
ihn eine Strecke weit heim begleitete, auf einen besonderen Gegenstand gelenkt.„Hast du
gesehen,“ so sagte der Freund Bastian, der aber nur der Bascheli hieß, „wie dergleichen
Bursche unserer Gattung Leute ansehen? Rechnen sie es uns nicht zur Schande an, daß wir
Kinder haben, die uns so lieb sind und uns saure Mühe und Arbeit genug kosten, sie mit
Gott und Ehren zu erhalten und zu erzieh'n? Weißt du,ich kenne den Müllerklaushans schon,
aber wir haben auch solche Leute, unser Steinheinrich ist noch verdrehter und schlimmer
als er. Aber weißt du, was ich dir sagen will? Dem Ding können wir ein Ende machen, der
Klaushans hat es selbst gesagt: „Wer nichts wagt, gewinnt nichts.“ Es hat Jeder von uns
etwa ein Stücklein Feld und kann noch mehr sich anschaffen; kann nicht Jeder von uns ein
Kühlein halten oder auch zwei; dann braucht man nicht mehr um den Gotteswillen um die
Milch anzuhalten,die man doch theuer genug bezahlen muß. Und, weißt du, noch mehr! Dann
lehrt man die Kühe ziehen, das geht wie Schnupftabak, wenn sie es einmal los haben, und
dankt die Roßbauern ab, die Einem bisher das Feld be
So sprach der Bascheli in einer Begeisterung, und wie seine Worte vom Herzen kamen, so giengen sie zum Herzen,dem Jakob war das gerade, was er gesucht und was er gewollt. Und wie das ohnedieß schon sein Grundsatz war:„Jeder ist seines Glückes Schmied,“ so meinte er nun auch nach den Andeutungen seines Freundes den Stein der Weisen gefunden zu haben. Ein Kuhbauer und demnach schon auf der mittleren Stufe der Dorfbewohnerschaft stehend war zwar schon sein Vater gewesen und war es noch, aber den ganzen und den wesentlichsten Nutzen daraus,wie sein Freund ihn hier auseinandergesetzt, hatte er noch nicht gezogen. Die frühere Zeit war noch nicht aufgeklärt genug gewesen dazu. Jakob aber hoffte zuversichtlich, es in Zukunft noch ein wenig weiter zu bringen, als es sein Vater gebracht.
Einstweilen zwar verstieg er sich noch nicht hoch, seine Kasse war auch, um etwas
anzufangen, noch gar zu klein.Darum verbarg er auch seine hochgehenden Pläne selbst vor
V.
Wie ist doch die Welt so groß und so weit und wie wird auch der Sinn und das Herz des
Menschen so weit, wenn er aus den beengenden vier Wänden seines Zimmers und aus den
einschränkenden Sorgen des häuslichen Lebens hinaus kommt in die weite Welt und in das
bunte Treiben der Menschen! Da sieht sich Alles anders an, da geht Einem erst das
Verständniß auf und öffnet und erweitert sich der Blick für Vieles, was man bisher noch
gar nicht oder nur halb gewußt; da kommt ein rechter Muth und Unternehmungsgeist auch in
die sonst zaghafte Seele. Freilich,
Das war nun auch unserm Jakob klar geworden schon an jenem Sonntag im Wirthshaus und hatte sich immer mehr als seine Ueberzeugung befestigt, je mehr er im Stillen nachsann und sich Alles überlegte, daß er bisher viel zu wenig in die Welt hinausgekommen sei und unter die Leute und daß es in diesem Punkte anders werden müsse, wenn er es dazu bringen wolle, einmal ein gemachter Mann zu sein. Vor der Hand that er zwar aus wohlberechneter Sparsamkeit nicht mehr, als daß er jeden Sonntag das Wirthshaus besuchte; die paar Batzen, hielt er seiner Frau vor, die ihn darüber tadeln wollte, welche er dort verthue, seien nicht der Rede werth gegen den Gewinn, was man dort Alles lernen könne und erfahren, und zudem, wenn sie einem Manne, der die ganze Woche für seine Familie fleißig schaffe,diese nöthige Erholung nicht gönnen möge, so nehme er es eben jetzt sich selbst heraus zu thun, was er für gut finde.
Er fand sogar auch Gelegenheit, seine Frau von dem erwähnten Gewinne und Vortheil einige
Male zu überzeugen.So waren sie einmal im Handel wegen einer Ziege, welche
Es hat mir heute nur sieben Franken eingetragen.“ Und solche Freude seine Frau eines Besseren belehren zu können,wurde ihm noch einige Male zu Theil; das Glück aber, das er bei diesen kleinen Unternehmungen hatte, machte ihm einen rechten Muth, immer Größeres zu wagen und jedenfalls auch das Wirthshaus, weil es ihm so viel eintrug,nicht weniger, sondern eher mehr zu besuchen.
Es war an einem wunderschönen Herbsttage, da war im DDDem Jakob war zwar damals die freie Zeit sehr karg zugemessen, denn er hatte sehr pressante Arbeit, dennoch ließ er es sich nicht nehmen, dießmal den Markt zu besuchen.Das Anneli konnte es nicht begreifen, weil das sonst nicht Jakobs Art war, aber es mußte sich darein ergeben, wenn es nicht Unfrieden haben wollte im Hause. Schon am frühen Morgen machte sich ihr Mann auf die Beine und sah überaus lustig aus. Das Wetter war auch darnach. Milder Sonnenschein beleuchtete die in den freundlichen Farben des Herbstes prangenden Fluren und Wälder, goldene Früchte lachten Einen von jedem Apfel- und Birnbaume an, und die Menschen, die den Segen des Herbstes einheimsten,waren alle so fröhlich und lachten und jauchzten, daß es tönte durch Feld und Wald. Dem Jakob schwoll recht ordentlich seine Freude und sein Muth.
Anders sah es daheim beim Anneli aus, wo fun der Webstuhl stille stand, der hätte gehen sollen Tag und Nacht und wo die stille Einsamkeit zum traurigen Brüten verlockte. Es sann über die Veränderung nach, die es in seines Mannes Wesen bemerkte; es konnte ihm zwar nichts vorwerfen, er war im Ganzen noch immer der fleißige und vorsorgende Jakob, und doch konnte es sich's nicht verhehlen,daß in seinem Innern etwas Wichtiges vorgieng und es schwante ihm, es sei das gewiß nichts Gutes, besonders da der Jakob schon längere Zeit so verschlossen war und gar nicht mehr so offen wie einst. Da kam ihm in den Sinn,daß der Mann letzthin einen Brief erhalten und ihm von seinem Inhalte nichts gesagt habe. Die neugierige Frau wollte im Kästlein, wo neben der Geldschachtel auch die wenigen Briefschaften aufbewahrt wurden, nachsehen, aber wie erschrak sie, als sie wie durch Zufall auch das Geldtruckli in die Hand bekam und es ganz leicht und leer fand!
Wirklich auch nicht mehr ein Rappen war darin. Sollte das Geld gestohlen worden sein?
Aber das war ja nicht möglich, es war seit gestern Abend Niemand außer dem Hause gewesen
und damals hatte das Geld sich noch vorgefunden, ihr Mann mußte es also genommen haben,
aber warum das, warum die ganze Summe? Sie machte sich die wunderlichsten Gedanken. Hatte
er es etwa nur ver
Während sie sich solche Gedanken machte, trieb der Jakob sich vergnügt auf dem Sebacher
Markt herum und er däuchte sich ein gewichtiger Mann zu sein. Besonders zog ihn der
Viehmarkt an und mit der Miene eines Kenners musterte er die dort ausgestellte Waare und
betastete auch da und dort ein Häuptlein, das ihm zu gefallen schien. Das hatten die Juden
gleich gemerkt, deren dort eine große Zahl war und bald umstanden ihn ein halbes Dutzend
der Söhne Israels. ‚Wollt ihr einen guten Schick machen, ich habe etwas, das ist ganz für
Euch,“ redete der Eine ihn an, und der Andere fiel alsbald demselben in's Wort und zog den
Jakob am Arme, „kommt,“ sagte er, „das Kühlein, das ich da habe, müßt ihr beschauen.“ Der
Jakob machte eine verneinende Bewegung, er hatte auch wirklich nicht große Lust
anzubinden, da er schon öfter gehört hatte, daß mit den Juden nicht gut zu handeln sei und
man in den meisten
Fällen angeführt werde. „Na, das Beschauen kostet ja nichts,“ sagte fast höhnend der Jude und so gieng denn der Jakob hin, das Kühlein zu beschauen, hatte aber gar mancherlei auszusetzen daran, wodurch er bald verrieth, daß er nicht ein so großer Kenner sei, wie er sich zuerst den Anschein gegeben, indem er nur durch Argwohn und nicht durch Gründe die Behauptungen des Verkäufers widerlegte.Ein Dritter, der ein Schlaukopf war, half dem Jakob und sagte ihm, wohl merkend, daß der kauflustige Mann den Juden nicht traue: „nein, kaufet das nicht, aber' ich kann Euch etwas zeigen, wo Ihr nicht angeführt seid, es gehört nicht mir, ich ließe es auch gar nicht, wenn es mein wäre,“ und damit führte er den Jakob zu einem ehrlich aussehenden Christenmanne, der eine hübsch anzusehende Kuh mit großem Euter feil hatte. Der Jakob glaubte wirklich gefunden zu haben, was er gesucht, und nach vielem Markten und Feilschen kaufte er die Kuh für fast all sein baares Geld, das er heimlich am Morgen mit sich genommen hatte. Mit großem Behagen und indem er auf dem Wege weit ausreichende Pläne für die Zukunft sich machte, führte er seine erhandelte Kuh nach Hause, wo er mit Sehnsucht von den Seinigen erwartet wurde. Unterwegs trank er aus Freude über sein gutes Geschick auch noch ein Schöpplein
über den Durst, es sei das jetzt schon zu verantworten, dachte er, wenn man solche Fortschritte mache, wie er. Daheim aber führte er die Kuh nicht ganz bis nach Hause, sondern band sie bei seines Nachbars Stall an, um seine Leute deflo mehr zu überraschen. Lustig trat er in seine kleine Stube,„Frau, was meinst du, was habe ich dir für einen Marktkram?“. fragte er nach kurzer Begrüßung. „Was ich nicht wüßte,“ sagte sie, ein wenig kleinlaut und kurz angebunden, weil sie theils wegen des weggekommenen Geldes ein wenig böse, theils ob Jakobs Rede erschrocken war. „Nun,so komm und sieh,“ fuhr er fort und sie mußte gehen und sehen, was er gekramt. „Um Gotteswillen,“ redete sie betroffen ihn an, „was hast du gemacht! Ein so köstliches Thier gekauft. und hast weder Stall noch Futter?“ „Ja,“sagte aber der Jakob, „rede mir nicht so, ich weiß wohl,was ich thue, bin ich nicht Manns genug, für dich und die Kinder zu sorgen, unsere Sache muß in Zukunft anders gehen und einen Anfang muß man einmal machen, gelt Zingel!“ und wandte sich mit diesen Worten zu seiner Kuh und streichelte sie als Einer, der wohl weiß, wie man umgehen inuß mit dem lieben Vieh. *
Unterdessen kamen auch sein Vater und Annelis Vater,die etwas vernommen hatten, hinzu. Sie stimmten zuerst in Annelis Tadel ein, bemühten sich dann aber sofort
Jakobs Schick zu besichtigen. Ihr Erfundbericht war nicht der günstigste. „Was hast du da für ein Heuhäuslein gekauft? nimmt mich Wunder, wo du das Futter für dasselbe hernehmen willst, das ist nichts für dich, du hättest etwas Kleines kaufen sollen, du hättest dann auch nicht so viel Geld darin stecken,“ meinte sein Schwäher. „Eben drum,“ erwiederte aber der Jakob, „hat große Waare auch wieder größeren Werth, wenn man sie einmal verkaufen muß, fraget den Metzgersepp!“ „Die Kuh ist zähmelkig,“ bemerkte Jakobs Vater, „und am Ende ist sie noch heimtückisch, sie sieht mir darnach aus und was hat sie gekostet?“ Zweihundert und fünfzig Franken, das ist kein Geld,“ antwortete der Gefragte, es war aber nicht wahr, denn er hatte runde dreihundert bezahlt. „Theuer genug,“ erhielt er zur Antwort, „und wenn sie schlecht ausfällt, viel zu theuer!Hättest wenigstens uns etwas sagen und Einen von uns mitnehmen können, es ist das beim Handeln immer gut,Zwei wissen und sehen doch immer mehr als Einer allein.“
So wurde hin und her geredet und zum Schlusse der Kuh ein Aufenthalt gewährt im Stalle
von Jakobs Vater,bis er eine Gelegenheit fand, in der Nähe seiner Wohnung sie zu
beherbergen. Den Jakob hatten zwar die gefallenen Worte wenig erbaut, aber sie hatten ihn
auch nicht irre gemacht. „Das kann sie jetzt ärgern,“ sagte er sich selbst,
Indessen wurde er im Stillen von den verständigen Bauern belächelt, denn das Futter war
theuer und er hatte wirklich ein Heuhäuslein von einer Kuh gekauft, die doppelt so viel
fraß als eine andere und doch dabei nicht fetter wurde und auch keinen verhältnißmäßig
größeren Nutzen abwarf. Immerhin, rechnete Jakob sich aus, zahle die Kuh mehr, als das
Futter ihn koste und man müsse einmal probieren, probieren gehe über studieren. Er
miethete sich so bald wie möglich einen Stall und einen Autheil der dazu dehörenden
Scheune und war nun ein Kuhbauer geworden in der Hoffnung, in nicht zu ferner Zeit noch
größere Sprünge zu machen.Denn zu einer Kuh gehört auch Land, das sah der Jakob wohl ein,
und hatte er das Eine gewagt, so wagte er nun kühn auch das Andere. Es bot sich bald eine
Gelegenheit dar, da Land versteigert wurde; es war zwar damals in Schönenwyl das Land
ziemlich im Preise, aber der Jakob wagte es doch und kaufte sich eine hübsche Wiese um
tausend Franken und einen Acker um die Hälfte dieses Preises. Das Anneli weinte, als es
die Nachricht von diesem Kaufe er
Indessen wie Mancher hat schon so im Kleinen angefangen und bei Umsicht, Thätigkeit und
sparsamem Sinne es immer weiter gebracht. Auch der Jakob war auf dem Wege dazu. Zwar hatte
er seinen schönen Zingel, wie ihm voraus gesagt worden war, mit Schaden wieder verkaufen
müssen, weil die Kuh noch andere Fehler hatte, als daß sie nur ein Heuhäuslein war; aber
das Kühern war einmal angefangen und eine neue nun wirklich bessere Kuh wurde eingestellt.
Das Anneli konnte manchen schönen Batzen aus der verkauften Milch lösen, sie hatten fast
immer ihre eigene Milch und die Zimmerbase hatte auch keine Ursache mehr über den leeren
Ankenhafen zu schimpfen. Anneli lebte
1
Ho gieng es mehrere Jahre, und es gieng gut, zumal da die Kinder allmälig heranwuchsen
und in mancher Arbeit schon behülflich sein konnten. Aber unsers Jakobs Sinn strebte höher
und manchmal sagte er sich im Stillen: „Das ist doch Alles noch nichts; da kann man Jahre
lang knausern und sich abmühen vorwärts zu kommen und bleibt doch fast immer nur auf dem
gleichen Fleck. Das Ding muß mir anders gehen, muß sehen, wie es sich macht.“ So kam es,
daß er, der nun zu haben schien, was er gewollt,wieder in's Nachsinnen verfiel und wieder
unzufrieden und innerlich unglücklich wurde; und wenn er an seinem Webstuhle stand, so
sann er immer hin und her und seine Hauptarbeit, die ihm bisher das tägliche Brod
verschafft hatte,wurde ihm immer unlieber und saurer. Das Anneli merkte es wohl und
betrübte sich, aber es schwieg meistentheils stille,weil der Jakob sich nicht gerne mehr
etwas sagen ließ.Besonders hatte er darüber zu klagen, daß sie immer noch nur zur Miethe
mußten sein und ihr Vieh in einem fremden Stalle sei. Ueber das erstere sagte er zwar
offen noch nichts,aber das letztere brachte er alle Tage auf's Tapet. Die Kühe in einem
fremden Stalle, das sei nichts. Was
So schlug er auf die Stauden und zuerst leiser, dann lauter und immer lauter schwatzte er drum herum, es könne so nicht mehr gehen, er müsse etwas Eigenes suchen, dann wisse man erst, was man habe. Ein Scheuerchen und ein Ställchen dazu werde nicht aller Welt kosten. Das Anneli wehrte ab und suchte diese Gedanken ihm aus dem Sinne zu bringen. Zuletzt schwieg er und schien es wirklich vergessen zu haben, zumal da sein Vater und sein Schwäher alle Beredtsamkeit angewandt hatten, ihn zu ermahnen, daß er sich doch nicht zu tief einlassen solle.
Aber stille Wasser gründen tief, hieß es jetzt auch beim
Das Schlimmste aber war, daß im ganzen Dorfe kein passender Bauplatz zu finden war, denn die leeren Plätze zwischen den Häusern, theils Gärten, theils Baumgärten,waren den Besitzern um kein Geld feil, wie der Jakob durch den Maurerhansli, der auskundschaften mußte, erfuhr. Das machte ihn mankhmal fast wild und er hatte fast Lust dem Rathe seines Architekten zu folgen und draußen auf dem
Felde sich ein Nebenhöflein zu bauen. Das stimmte dann aber doch wieder nicht mit gewissen Plänen, die er jetzt schon an ein zu besitzendes eigenes Haus knüpfte, weßhalb auch der Gedanke, daß er sein väterliches Haus möglicherweise einst an sich bringen könnte, ihn nicht in seinen Bauplänen störte.
So mußte er denn ziemlich lange warten und seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Indessen war das dabei sein Trost, daß er mittlerweile doch Zeit habe, nur um so besser Alles auszudenken und auszutifteln, denn er sei keiner von jenen Bauunternehmern, die erst, wenn fertig gebaut sei, wissen, wie sie es hätten machen sollen.
Es war eines Abends im Winter. Ein kalter Novembersturm brauste draußen durch die
entlaubten Bäume und heulte durch die Oeffnungen und Ritzen der Wohnungen,große
Schneeflocken wirbelten wild in der vom matten Mondscheine wenig erhellten Nacht. Das
Anneli lag im Bette und die Zimmerbase führte in Jakobs Hause wieder ihr strenges
Regiment; so eben hatte sie mit Jakob wieder einen Strauß gehabt und er hatte seinen
Rüffel“ eingesteckt. Da rief ihn, als er eben die Milch aus dem Stalle in die Küche
hineingebracht hatte, der Maurerhansli, der im Gange stand,heraus und gieng mit ihm die
Treppe hinab, weil er ihm etwas Wichtiges zu sagen habe, die Zimmerbase schlug
zor
„Höre,“ sagte ihm der Hansli, „ich bringe dir einen guten Bericht, da kannst du dich
einmal freuen, einen Schoppen ist er, denke ich, wohl werth.“ „Warum nicht, und zwei,wenn
es etwas Rechtes ist,“ entgegnete Jakob. „Allewege ist es etwas Rechtes,“ fuhr jener fort,
„aber du darffst dich nicht zweimal besinnen.“ „Ja und was denn?“fragte der Jakob. „Ja
schau, wer hätte es gedacht? hat nicht der Bauernmatthans dem Kilbimatthis sein
Brünneleinmättlein im Stillen verkauft und es sollte heute Nacht auch im Stillen
gefertiget werden, denn der Bauernmatthans steckt in bösen Schuhen. Jetzt geht aber der
Kilbimatthis und wird wieder reukäufig, weil seine Leute gar wüst thun und sollte jetzt
vergeblicherweise die Kosten bezahlen, da könntest du für ihn eintreten. Eine bessere
Gelegenheit giebt's nicht, denke dir das Brünneleinmättlein, mitten im Dorf und eine Lage,
wie es keine schönere giebt und der Preis, nun, du bist ein Mann, der ihn kann zahlen.“
Dem Jakob wässerte ordentlich der Mund, dann aber sprach er nach einigem Besinnen: „Wenn
nur meine Frau nicht in den und den Umständen wäre! daß auch die Sache gerade jetzt kowmen
muß.“ „Ja, mach, wie du willst,“bemerkte ihm der Hansli, „ich habe dir's gesagt, aber wenn
Es war ihm ganz leid, wenn er einmal mußte stille halten,um einen zerbrochenen Seidenfaden wieder anzuknüpfen oder ein Spülchen einzusetzen. Nach dem Nachtessen aber,das er hastig verzehrte, zog er seine Jacke an und setzte sein Hütlein auf, er müsse zum Präsidenten, gab er vor, um ihn etwas zu fragen, er komme bald wieder, und eilte zum Haufe hinaus.
Manchmal blieb er unterwegs stille stehen, manchmal wandte er sich um und wollte wieder
zurück, dann aber ermannte er sich: „Narr, der du bist,“ sprach er halblaut zu sich
selbst, „Jeder ist seines Glückes Schmied und frisch gewagt ist halb gewonnen, entweder
heute oder nie!“ So kam er in des Präsidenten Wohnung, wo bereits der Gemeinderath
versammelt war und des Kilbimatthis, der auch zugegen war, reukäufige Erklärung angehört
hatte. „Was willst du 7“ fragte der Präsident den Eingetretenen, „ist's etwa wegen der
Sache, die vor einer Viertelstunde der Hansli mir mitgetheilt hat? Wenn's das ist, so
kannst du jetzt anbeißen.“ „Meinetwegen,“ sagte der Jakob, „ich habe eigentlich nur sehen
wollen, wie es steht.“ „Wie es steht?“ war die Antwort, „wenn ich sage, du kannst anbeißen
und wenn zwölfhundert Franken dich nicht reuen, nicht wahr,Hans?“ „Jä, was? wie? wo?“
fragte da der Bauernmatthans, indem er sich die Hand hinter das Ohr hielt,
Dem Jakob wurde doch fast schwindlig ob solchen Erzffnungen, denn er hatte höchstens achthundert Franken gerechnet, und er fieng nun mit dem Hans an zu handeln und sagte oder vielmehr schrie ihm in's Ohr: „Ich will es nehmen, ich gebe Euch achthundert Franken dafür, Ihr sollt es morgen schon haben, ist's gehandelt?“ „Jä ja,jä so, aha achthundert Franken? jä so aha,“ entgegnete der Hans und schüttelte lächelnd den Kopf, „achthundert Franken, ja so, aha, da kann mir Einer gestohlen werden.“ „Was fordert Ihr denn zum Mindesten?“fragte unruhig der Jakob. „Was ich fordere? aha,zwölfhundert Franken, 's ist aus und vorbei, ja ja!“
Es war nichts Anderes zu machen, entweder mußte der Jakob es fahren lassen oder das
Plätzlein Land kaufen um zwölfhundert Franken, was für einen Bauplatz in seinem Dörflein
damals eine sehr hohe Summe war- Aber er war einmal im Eifer und sagte endlich dem Hans:
„es
Er kam nicht auf der Stelle wieder, wie er versprochen hatte heim, und das Anneli wartete mit traurigen Gedanken auf ihn, zumal da die Zimmerbase, weil es ihr zu spät geworden, nach Hause gegangen war, was übrigens unter obwaltenden Umständen dem Jakob nicht leid war.Aber es war ihm doch seltsam zu Muthe, da er seiner leidenden Frau den Grund seines Weggehens und Ausbleibens noch nicht zu offenbaren wagte und zu einer Lüge seine Zuflucht nehmen mußte, während ihm selbst, nachdem er nun den kühnen Schritt gethan, vor demselben und vor seinen Folgen grauen wollte. Fast die ganze Nacht that er kein Auge zu, hin und her sinnend und Alles überlegend: Die dunkle einsame Nacht, der Gedanke an seine leidende Frau, die Betrachtung seiner Vermögensverhältnisse, die Frage, was sein Vater und sein Schwäher würden zu seinem Schritte sagen, das Alles drückte ihn nieder und verdüsterte sein Gemüth. Dann aber war es ihm wieder, als würde es helle und licht in seinem dunklen Gemache, er sah das Brünneleinmätteli im Sonnenscheine
9 glänzen, Bauholz lag darauf umher, Mauern mit schönen Kreuzstöcken erhoben sich stolz, ein solides Dach schwang sich zum Schutze darüber, und innen, wie war es nicht so wohnlich und so nett? Da eine heimelige Wohnstube,heiter und warm, ein Nebenzimmer, eine Küche mit aller Bequemlichkeit eines neueingerichteten Feuerheerdes, ein Hinterstüblein dazu; das Alles oben und unten, und eine herrliche Laube dazu, wo zur Sommerszeit im kühlen Schatten man konnte weilen, wo auch beim Unwetter die Kinder fröhlich sich konnten verthun. Und er sah noch mehr, sah in dem neuen Hause sein Geschäft sich erweitern, sah in Erfüllung gehn, einen nach dem andern, die holden Träume seiner Jugend, die er, wie er osft schon sich's gesagt hatte,nicht umsonst sich geträumt.
So verbrachte er schlaflos jene Nacht, und wie sehr er sich auch Mühe gab, mäuschenstille zu bleiben und sich kaum zu regen, dennoch konnte dem Anneli, das aus anderen Gründen auch wach blieb und ebenso wie er sich auch anhielt, die Bewegung seines Innern nicht verborgen bleiben. Aber als eine duldende Seele duldete und schwieg es dazu.
Dem Jakob wurde übrigens die Mühe erspart, selber den Seinigen die Anzeige seines Kaufes
zu machen. In derselben Nacht schon war es im ganzen Dorfe bekannt,
Es kamen schwere Zeiten für unsern Jakob, Zeiten, wie er sie noch nicht erlebt. Ein hitziges Fieber überfiel sein
Anneli und viele Tage schwebte es in Todesgefahr. Und wenn er etwa dann zerknirscht und weinend ihrem Bette sich nahte, wenn er ihre heiße Hand in der seinigen hielt und ihre glühenden Wangen suchte zu kühlen, wer stand neben ihm mit feurigen Blicken? wer sagte ihm nicht nur mit drohenden Mienen und Geberden, sondern auch mit abgebrochenen bitteren Worten, gestichelt und angedeutet nur und doch nur zu verständlich: „Du bist der Mörder deiner Frau; gelt, du bist froh, wenn sie fort ist, du kannst dann machen, was du willst?“ es war niemand anders als sein guter böser Geist, Zimmerbase genannt. O wie da in ihm Alles durcheinander wogte und kämpfte, wie da Empfindungen auf Empfindungen sich drängten und er endlich keine Rechenschaft mehr sich zu geben wußte, was er sollte denken und thun, es läßt sich das mit Worten nicht geben. Wahrlich, solche unüberlegte Ausdrücke, welche die Folgen eines vielleicht unbedachten Schrittes, an denen der Angegriffene nicht einmal allein Schuld ist, für ihn zu einem todeswürdigen Verbrecher stempeln, sind geeignet, auch an und für sich edle Seelen an den Abgrund der Verzweiflung zu führen. Warum müssen oft gerade die, die liebreich bewahrende Engel könnten sein, zu solchen Furien werden?
Denn wie stolz auch der Jakob war, so verzagt konnte er mitunter werden; in dieser Zeit
weinte er oft, er wußte
Doch das waren vorübergehende Stimmungen und sein Muth und seine Entschlossenheit kehrten ihm jeweilen wieder zurück. „Laß sie thun und wüthen wie die Löwen,“ so ermunterte er sich, „und folge du deinem Kopfe, sie verstehen's eben auch nicht besser, sie haben noch nie in die Welt geschaut. Die verstehen so wenig vom Spekulieren und Rechnen, als eine Kuh Spanisch versteht. Ich brauche am Ende auch sie gar nicht mehr, das wäre ohnedieß das beste, selbst ist der Mann, es wird sich noch zeigen.“
Indessen war es leichter so zu reden als zu handeln, wie er gerne gehandelt hätte. Denn
die achthundert Franken,mit denen er vor dem Präsidenten groß gethan hatte, als ob er sie
sofort baar bezahlen wollte, sagen einstweilen
An ihm fand nun auch der Jakob einen guten Freund,als er zu ihm kam um sich von ihm über
seine Angelegen
VII.
Ein eigener Heerd ist Goldes werth, dieses Sprüchlein selber ist auch ein goldenes. Es
ist gesprochen aus einer Zeit und aus einer Gesinnung heraus, die einen wahrhaften soliden
Wohlstand begründete, da jedes Haus noch seinen eigen ehrenwerthen Namen hatte und jedes
Handwerk einen goldnen Boden. Einen eigenen Reiz mag zwar für Viele auch das Nomadenwesen
der unstäten heutigen Zeit an sich haben;sustig mag es sein, wie das Vöglein in den
Zweigen sich
bald auf diesen bald auf jenen Sedel zu setzen, je nachdem man an dem einen Orte nicht mehr sicher ist oder an dem andern es Einem besser gefällt; ist's doch zugleich auch ein treues Abbild unserer Wanderschaft durch die Welt und mag es den Vortheil haben, daß man dabei die Wechselfälle des Lebens mit leichterem Sinne ertragen lernt. Aber jener Reiz ist nicht zu vergleichen mit dem bleibenden stillen Glücke des behaglichen Friedens, das der ungestörte Besitz eines eigenen wohnlichen Heimwesens gewährt, und jene leichte Beweglichkeit über die Wandelbarkeit des Lebens sich hinwegzusetzen,reicht an den Werth eines ehrenfesten, häuslichen Sinnes nicht hinan. Diesem danken tausend Familien nicht nur ihre äußere Wohlfahrt, auf der der Wohlstand ganzer Staaten ruht, nein, er hält auch die zerfahrenden Sinne,vor Ausschreitungen und Verirrungen sie behütend, in den Schranken, er ist allermeist auch ein treuer Hüter der Ehrbarkeit und ein Pfleger der Gesittung und Tugend.
Wer wollte daher einen jungen, strebsamen Familienvater tadeln, dem der Gedanke an die
Gründung einer eigenen Wohnung sein liebster Gedanke ist, der mit Anstrengung aller seiner
Kräfte ihn auch zu verwirklichen und mit eigener Hand den Seinen ein Heim, welches sie
immer das ihrige nennen dürfen, zu bereiten strebt? Istꝰ nicht ein edler Trieb, der dazu
ihn begeistert? Nur Schade, daß an
Was hatte der Jakob nicht Alles zu sinnen, zu laufen und zu thun in den folgenden Zeiten! Wer Agesagt hat,der muß auch B sagen, und das wollte er redlich thun.Die Pläne seines nun zu erbauenden Hauses wurden vollendet, und nicht nur, wie anfänglich sein Häuschen ihm vor der Seele gestanden, sollte es jetzt ausgeführt werden,sondern weit ansehnlicher, schöner und größer sollte es sein.Das hatte der Maurerhansli ihm einzureden gewußt; etwas größer und schöner, wenn man doch einmal anfange zu bauen, als man sich zuerst vorgenommen habe und als man meine zu bedürfen, sei allemal besser und gehe ohnedieß in Einem zu. So wurde studiert und planiert, hin und her geredet und gerechnet und nebenbei wohl dem Jakob, der Alles verstehen wollte, Manches eingeredet, das er nicht verstand und dem er doch seinen Beifall und seine Zustimmung ertheilte.
So stand nun Alles wohl schön auf dem Papier und so hatte er die freilch noch sehr unzureichende Rechnung im
Kopfe, die deßhalb zweifelhaft war, weil um das gewünschte Resultat zu erzielen, für Alles der niedrigste Anschlag war genommen und alle scheinbaren Kleinigkeiten nicht in die Rechnung waren gebracht worden. Aber die Ausführung traf noch auf manche unerwartete Schwierigkeit und zwar auf solche Schwierigkeiten, die dem guten Jakob oft recht die Freude an seinem Unternehmen vergällten.
Wie schön hatte er sich's Alles zurecht gelegt, daß er das für den Anfang nöthige Geld
leicht werde erhalten, wenn sein Vater ein Stücklein seines meist freien Landes und wenn
es nöthig sei, auch zwei, als Unterpfand für die darauf aufzunehmende Summe hergeben
wollte, und daß nach Vollendung des Baues er dann schon werde sich wissen zu helfen,weil
für das, was sie koste, die Sache dann da sei. Zwar war die Weise, mit der sein Vater die
Kunde von dem Kaufe seines Bauplatzes aufgenommen hatte, wenig geeignet gewesen, ihn in
seinen Hoffnungen zu bestärken; er hatte ihm gerathen, einstweilen noch nicht an das Bauen
zu denken, es habe schon Mancher, der mehr sei und verstehe als er, sich zu Tode gebaut;
und doch hatte damals Jakob nur vom Bau einer Scheune und eines Stalles gesprochen und
noch gar nicht das, was er wirklich vorhatte, berührt.Dennoch wagte er es, den Alten um
eine Hülfeleistung an
Der Alte aber hatte eine ganz andere Ansicht. „Zu einer Sache, die, wie ich fürchte, dein
Untergang ist und uns mit dir in's Unglück bringen könnte, biete ich nicht die Hand,das
ist aus und vorbei. Laß du das Ding liegen, bis du es besser vermagst und hast, dann habe
ich nichts dawider und dann läßt sich wieder ein Wörtlein darüber reden, aber jetzt ist's
nicht an der Zeit. Wenn du es recht überlegst,bist du schon tief genug hineingewatet und
hast einstweilen mehr als genug; willst du dir noch mehr aufladen, bis du nicht mehr
schnaufen kannst? Du hast mich schon hintergangen und zuerst nur von einem einfältigen
Scheuerlein gesprochen, jetzt redest du von einem Häuschen und wer weiß, was da wieder
dahinter steckt? Ich sage dir's, nimm dich in Acht, wer zu hoch fliegen will, fällt gar
tief hinunter. Bleibe einstweilen, wie du bist, bis die Kinder größer sind und bis ihr es
besser könnet machen; was Gott bescheert, bleibt unverwehrt, wenn man nur sich gedulden
kann; gut Glück will Weile haben,aber schnelles Glück hat schnelle Fahrten; jedenfalls,
wie schon gesagt, biete ich zu dem, was du übereilen möchtest,keine Hand!“ So sprach mit
besonnenem Ernste der Vater seinem Sohne
Mit diesen Worten gieng der Jakob fort, Bitterkeit und Zorn in seinem Herzen, und hörte nicht, was ihm der Vater noch antworten wollte. Für sich selber aber setzte er im Stillen und halblaut vor sich hin die Unterredung fort.„Es ist doch nur der Geiz und die Mißgunst, warum man es mir also macht,“ sagte er, „und zudem war ich den Meinigen immer ein Dorn im Auge, sie hatten immer etwas an mir auszusetzen und ich stand ihnen nirgends recht.
Und wie er hat können fromm thun und mit schönen Sprüchlein mich abspeisen und trösten!
Das ist mir die rechte Art! „Was Gott bescheert, bleibt unverwehrt,“ hat er gesagt, das
ist ungefähr, wie wenn ich zu einem Bettler sage: „Helf dir Gott!“ dann hat er gegessen
davon! Helf dir Gott! ja wohl nein, selber muß man sich helfen und sollten Einem die
helfen, die es können, wenn sie wollten. Was Gott bescheert, bleibt unverwehrt, ja
wohl,Alter, und wenn ich ein armer Teufel bleiben und immer mehr werden muß, dann bleibts
auch unverwehrt, und die schönen Zusprüche und frommen, bissigen Redensarten, wenn es dann
fehlt, bekomme ich von Euch und Andern noch obendrein in den Kauf. Man reibt mir den
Kümmel ohnedies genug unter die Nase, besonders wenn ich an die Zimmerbase denke,die
gleiches Schlages ist wie Ihr, ich sei nichts und verstehe nicht meine Familie zu
erhalten. Man will eben nicht, daß ich etwas werden und zu etwas kommen soll, man legt
mir,wo man kann, nur Steine in den Weg! Gut, Jakob,du weißt jetzt, woran du bist, und wenn
es muß gefrömmelt sein, so kannst du auch sagen: „Hilf dir selber, so hilft dir Gott!“So
redete der Jakob mit sich selber und redete sich immer mehr in einen gewaltigen Eifer
hinein. Alles, was Andere, was besonders seine Eltern ihm vorhielten, schien
Jetzt hatte er Geld, und: „Geld regiert die Welt,“ so heißt es und dachte auch der Jakob
in seinem Sinne. Seiner Frau sagte er von dem Allem nichts, er verbarg ihr's auf das
Sorgfältigste. Denn auch zwischen ihr und ihm, die einst ein Herz und eine Seele gewesen
waren, war eine Spannung eingetreten, weil er meinte, sie sei auch im Bunde mit seinen
Leuten und stehe, indem sie ihn nicht
Nur um so mehr drückte es die arme Frau, daß ihr Mann, der schon längere Zeit verstört
und einsylbig gewesen war, nun fast unnatürlich aufgeweckt und triumphierend übermüthig
war. Sie sah die Veranderung, aber sie konnte sich keine Rechenschaft darüber geben, sie
sollte jedoch bald etwas Genaueres darüber erfahren. Denn der Jakob hatte keine Ruhe mehr
am Stuhle, auf dem er wieder so pressante Arbeit hatte, er mußte bald da bald dorthin
gehn. Es währte auch nicht lange, so begannen, es war zu Anfang der schöͤnen Sommerszeit,
auf dem Brünneleinmättlein die Bauarbeiten. Da wurde ausgesteckt, Keller und Fundament
wurden gegraben, Steine wurden zugefahren, Bauholz wurde aufgeschichtet, Kalk wurde
gelöscht, Maurer- und Zimmerleute begannen fröhlich ihr Werk. Und unter ihnen war alle
Augenblicke der Jakob zu sehen und hatte bald
„Um Gotteswillen,“ sagte ihm oft das Anneli, „sag',was hast du auch vor, was muß das auch
werden, hat dich Jemand angestellt??“ Denn daß es für sie sein sollte,konnte es nicht
glauben; wo sollte der Jakob auch die Mittel nehmen dazu? Aber der Jakob lächelte nur
schlimm:„Laß du mich nur machen,“ sagte er, „du verstehst doch nichts davon und ich selber
muß dazu schauen.“ Nicht weniger aber verwunderten sich auch die Leute, die von Jakobs Bau
hörten und es sahen. Wie der es nur machen kann, wo der Glücksschmied immer das Geld dazu
hernehmen mag, so urtheilten sie; denn die Handwerksleute rühmten, daß er immer sie baar
bezahle, Respekt müsse man vor ihm haben, das Holz zum Exempel habe er auch alles baar
bezahlt. Nur einige Superkluge meinten:entweder könne der Jakob mit dem Hexen umgehen und
werde am Ende noch ein steinreicher Mann, oder es nehme seine Sache ein Ende mit
Schrecken, das letztere aber sagten sie schüchtern nur stille, und der Jakob, wenn er so
etwas hörte, mochte vergnügt sich die Hände reiben und lachen dazu. Rasch wuchs aus dem
Fundamente der Bau hervor, groß,weit und schön, wie kein schöneres Gebäude im Dorfe zu
Alles gieng ganz vortrefflich von Statten, wenn man nicht in Anschlag brachte, daß der
Maurerhansli und der Zimmerfried im Stillen von Jakob immer wieder neue Vorschüsse
verlangten, und wenn sie dieselben nicht sogleich erhielten, ihre Arbeit wieder für ein
paar Tage stille stand;denn sie lebten von der Hand in den Mund und brauchten Beide
obendrein noch Manches für ihren Durst. „Es ist wohl eine schöne Sache, das Bauen,“ sagte
etwa gelegentlich
Endlich konnte aufgerichtet werden im Spätsommer und es gab einen fröhlichen Tag, der
aber den Jakob manche Maaß Wein kostete und manches schöne Stücklein Geld.Aber was achtete
er das gegen das stolze Bewußtsein, nun ein eigenes Haus zu haben und zwar, wenn es
vollends ausgebaut war, das schönste und wohnlichste im Dorfe!Zwar mit dem Ausbauen gieng
es nicht so schnell und nicht so leicht, als er sich gedacht hatte; denn da kamen nun die
vielen kleinen Sächlein, an die man beim Hauptaecorde entweder gar nicht gedacht oder die
man absichtlich als kleine Nebensachen übergangen hatte, und jetzt erst gieng etwelche
Noth an; diese Kleinigkeiten zusammen wuchsen zu einer Summe an, die weit über Jakobs
Büdget hinausgieng.Manchen kleinen Disput und manchen größeren Strauß setzte das zwischen
ihm und seinen beiden Architekten, dem Maurerhansli und dem Zimmerfried ab; war dem Jakob
ihr Plan nicht recht klar und alle die Namen, die sie jedem Dinge gaben, so kamen sie aus
seiner Rechnung nicht heraus und zankten oft lange sich darum herum. Der Jakob mußte
meistentheils ihnen nachgeben, die Folge aber war, daß er doch anfieng zu sparen und daß
sein Haus nicht wie es
Gleichwohl ließ er es sich nicht nehmen, eine glänzende „Hausräuke“ zu halten. „Jetzt ist das Haus im Brünnelimätteli dein,“ so sagte er eines Abends gar vergnügt zu seiner Frau, „und die andere Woche ziehen wir aus und dort ein, schau, das ist es, was ich gemacht habe, du kannst dich freuen. Es hat mir Niemand helfen wollen, jetzt habe ich es selber gemacht. Am Sonntag wollen wir es besichtigen, du wirst deine Augen nicht übel aufsperren, wenn du siehst, wie Alles eingerichtet ist; und was noch fehlt, macht man später.“ Das Anneli erschrak nicht wenig ob diesen Eröffnungen seines Mannes;denn immer noch hatte es im Stillen gehofft, es könnten die Dinge sich noch so wenden, daß die Last, die seines Mannes Unternehmungsgeist ihm aufgebürdet hatte, ihnen wieder abgenommen würde; jetzt war denn auch diese seine schwache Hoffnung zu Schanden geworden. Es mußte eben folgen dem Manne, mit dessen Leben seine Schicksale verkettet waren für immer.
Was sollen wir den Auszug aus der alten gemietheten in die eigene neue Wohnung
beschreiben? War Jakobs Fahrhabe auch nicht bedeutend, so gab es doch der Umstände
Die „Hausräuke“ am Abend gieng herrlich und in Freuden vor sich. Der neue Feuerheerd in der Küche war eingeweiht worden und köstlich duftete der darin bereitete Braten auf dem Tische; auch am Wein ließ der gastfreundliche Jakob es diesmal nicht fehlen. Alle Nachbaren,Verwandte und Bekannte, nebst den verschiedenen Handwerks-leuten waren eingeladen worden zu dem Feste; doch hatten Einige abgelehnt, unter denen auch Jakobs Vater und Schwäher sich befanden, was ihn sehr ärgerte und betrübte.Die erschienenen Gäste aber ließen es sich vortrefflich schmecken,die Gläser erklangen und bald löste der Wein alle Zungen.Wie wurde da das neue Haus gerühmt und sein Erbauer von allen Seiten gelobt!
So „usdenkt“ und auf das Vortrefflichste eingerichtet finde man nicht bald ein Haus weit und breit, und der Jakob sei eben ein Fino, wie es wenige gebe, der wisse,wo der Bartli den Most hole; darum sei er eben der Glücksschmied. So wurde dem Jakob geschmeichelt und auf sein und seines Hauses Glück ein um das andere Mal angestoßen. Der Jakob aber war seelenvergnügt und seine Augen blinzten in schelmischer Freude und sein Angesicht strahlte, als trüge er einen Lorbeerkranz.
Bis tief in die Nacht oder vielmehr bis an den frühen Morgen dauerte die Festlichkeit. Der Zimmierfried fand,
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VIII.
Wauch ein Schauplatz der wechselndsten Erscheinungen ist doch diese Gotteswelt, die wir
bewohnen; welch ein lehrreiches Sinnbild der Wandelung im Großen und im Kleinen und ein
treues Abbild eines ganzen Lebens wird oft ein einzelner Tag! Wir denken etwa an einen
Sommertag. Aus Nacht und den ersten Strahlen des Lichtes gewoben steigt
Aber wird der Tag wohl so bleiben, werden an ihn noch viele solcher glücklichen Tage sich reihen, bis, was in Hoffnung hervorsprießen durfte, gewachsen, bis die Erndte vollkommen gereift sein wird? Der göttlichen Liebe und Obhut muß es anbefohlen sein. Vielleicht ja will es das Glück, vielleicht sieh! dreht sich auf einmal der Wind,es erscheint ein verdächtiges Wölklein, es wird zur dunklen Wolke, die schon die Sonne verdeckt; und Wolke auf Wolke und schwärzer und immer schwärzer thürmen sie sich auf.Es rollet der Donner, es fährt durch die Lüfte der Blitz, es kommt immer näher und wer weiß es? mit Einem Male ist die Hoffnung des ganzen Jahres zernichtet. So kann es geschehen in der Natur, so kann im Menschenleben es gehen, nur mit dem Unterschiede, daß, was dort oon Oben allein uns geschickt wird, hier das Ergebniß ist göttlicher Fgung und menschlicher Verirrung und Schuld.
In den ersten Tagen nach dem Einzug hatten der Jakob und das Anneli mehr als genug zu
thun, in dem neuen Hause sich einzurichten und jeder Sache den Ort zu bestimmen, wo in
Zukunft sie bleiben sollte. Es gab auch in dem Hause und um dasselbe noch genug
aufzuräumen und wegzuschaffen, bis es nur einigermaßen eine wohnliche Hei
„O bhüet is Gott vor thürer Zit,Vor Murer- und vor Zimmerlüt Und vor im dreckige Hafner!“
Der Jakob aber hatte noch Anderes im Grunde weniger Angenehmes wegzuräumen als nur
dieses. Er sollte es bald erfahren, daß es keine Rosen giebt ohne Dornen.Hatte er nicht
seinem Freunde, dem Bascheli, der auch an der Hausräuke gewesen war, gesagt: „ein schön
Heimweselein ist es, aber hat mich das ein Geld gekostet! Bei meiner Treu, da läßt sich's
nachsehen, wenn man nicht die Finger verbrennen will; sie thäten Einen gerne über den
Löffel balbieren, aber weißt du-, so gescheidt ist der Jakob Schmied auch, daß er sich
nicht trompieren läßt!“ Trotzdem kamen ihm schon nach ein paar Tagen der Maurerhansli und
der Zimmerfried mit Nachtragsrechnungen und wollten bezahlt sein, und es beliefen sich
dieselben auf eine hohe Summe.Zwar sagte ihnen der Jakob: „Da kämet ihr mir eben recht, ja
wohl! Haben wir nicht einen Akkord gemacht und ich habe euch nach dem Akkorde bezahlt und
bin coulant gegen euch gewesen, nur zu coulant; wollt ihr jetzt die
Das war schon eine dunkle Wolke in den Sonnenschein von Jakobs Glück hinein, aus der er
jedoch so viel sich nicht machte, indem er glaubte, seiner Sache sicher zu sein,weil er
Alles schriftlich habe. Aber auch bis die anderen Geldverhältnisse geordnet waren, hatte
er große Noth, die er nicht einmal seinem Anneli zeigen durfte. Das Haus stand nun da,
wenn auch noch nicht vollkommen ausgebaut. Jetzt ließ er es schätzen, um auf diese
Schatzung hin das Geld darauf aufnehmen und Alles in's Reine bringen zu können.Es wurde
viel niedriger, als er gehofft hatte, taxirt, hatte es ihn selbst doch viel mehr gekostet,
und der Spruch über des Maurerhanslis und Zimmerfrieds nachträgliche große Forderungen war
noch nicht ergangen. Seine schönen Hoff
Endlich verhalf ihm auch da wieder sein Rathgeber und guter Freund, der Präsident, zu
einer Auskunft, indem er ihm versprach, wenn er zwei solide Bürgen finde, die als
Mitschuldner in dem zu errichtenden Instrumente sich unterzeichnen wollten, ihm Alles, was
er noch bedürfe, zu verschaffen, wobei natürlich das, was er bisher dem Jakob vorgestreckt
hatte, nicht mit inbegriffen war, sondern abgezogen und zuerst ihm zurückbezahlt werden
sollte. So gieng also der Jakob jetzt auf Bürgen aus und hatte genug zu sinnen und zu
thun, indem er an manchem Orte vergeblich anklopfte, denn die Hofbescheide sind auf dem
Lande so wohlfeil, wie in den Residenzen und Städten. Der Schreinermichel, an den er
zuerst sich wandte, betheuerte ihm feierlich: „Herzlich gerne wollte ich dir den Gefallen
thun,aber meine Frau giebt das nie und nimmer mehr zu, seitdem ich durch Bürgschaft einmal
etwas verloren habe; zürne mir ja nicht, gewiß, es ist mir leid.“ Der Holdenpeter,bei dem
er zum zweiten anklopfte, erklärte nach vielem Schwanken und Bedenken sich bereit unter
der Bedingung,
Der Jakob ließ sich jedoch nicht gerne mehr etwas vorschreiben, er hatte sich zu sehr
daran gewöhnt zu thun, was er für gut fand und schon lange jene heilige Pflicht
verletzt,die Ehegatten einander schuldig sind, daß Eines nichts gegen
Es währte auch nicht lange, so langte wirklich doch der zweite Stuhl, von dem er seiner
Frau gesprochen und den er von seinen Herren in Basel zu erhalten gewußt hatte, im Hause
an, die Stube war geräumig und hell genug, zwei,und, wenn es sein mußte, drei Stühle zu
fassen. Und weil nun der Stuhl da war und bereits auch schon die Sendung einer Lieferung
Arbeit auf denselben von den Herren angezeigt war, so mußte auch trotz Anneli's
Einwendungen die Magd herzu, die er im Stillen bereits schon gewonnen hatte. Schon Tags
darauf, nachdem am Abend vorher der Stuhl angelangt war, stellte sich das Bäbeli ein. Es
führte das indessen zu ernstlicheren Zerwürfnissen zwischen den Ehe
„Siehst du, Frau,“ sagte der Jakob, als das Bäbeli eintrat, „das ist jetzt unsere Magd, die den neuen Stuhl treiben und uns dienen will, nicht wahr, Bäbeli?“ und erwartete, daß seine Frau sich doch fügen und die Angekommene bewillkommnen würde. Aber das Anneli sprach kein Wort, gab auch dem Bäbeli keine Hand, es nahm vom Tische, wo es eben Aepfel für das Mittagessen geschnitzt hatte, die Schüssel und gieng damit fest auftretend zur Thüre hinaus in die Küche, wo es blieb. Das Bäbeli schaute den Jakob, seinen neuen Meister, mit großen fragenden Augen an. „Ich glaube, es ist nicht, wie Ihr mir gesagt habt, ich bin da ein unwillkommener Gast; so war es nicht gemeint, Meister Schmied, ich bleibe nicht,wenn ich allenfalls Eurer Frau ein Dorn im Auge bin;“ so warf es dem Meister vor. Der Jakob war in ziemlicher Verlegenheit; er wisse nicht, was seine Frau habe,jedenfalls habe sie nichts wider das Bäbeli; es solle doch nur zufrieden sein und ganz getrost bleiben, es und seine Frau werden noch ganz prächtig mit einander auskommen,da könne er die Hand darauf geben. Er hieß es sich setzen,setzte ihm etwas Speise und Trank vor, redete mit ihm
über seine künftigen Obliegenheiten und besprach sich mit ihm über den Lohn. Und als es gegessen und getrunken und seinen Bündel in eine Ecke gestellt hatte, gab er ihm für einstweilen etwas am Seidenrade zu schaffen.
Darauf gieng er in die Küche, wo seine Frau bei seinem Eintreten am Heerde sich niederbückte und mit schon glühenden Wangen das Feuer, das lustig brannte, zu noch hellerer Flamme anblies. Er wollte es zuerst mit lauten und bitteren Vorwürfen versuchen seiner Frau den Meister zu zeigen;als sie beharrlich schwieg und er auf diese Weise nichts ausrichtete, versuchte er es mit gütlichen Vorstellungen.„Du wirst doch nicht wollen so sein?“ sagte er in milderem Tone, „thu mir jetzt den Gefallen und laß dich herbei,sonst ist ja Alles verstört. Das Mädchen ist jetzt da und ist recht, du kannst ihm nachfragen, und man kann es nicht wieder schicken. Was meinst du, wir weisen ihm, denke ich wohl, das hintere Stüblein an, wo es seine Sache hinthun kann und machen ihm dort ein Gelieger zurecht?“Aber die einzige Antwort, die er von seiner Frau in einem an ihr sonst nicht gewohnten gereizten Tone erhielt, war:„Mach, was du willst!“ damit ließ sie ihn stehen und wieder gehen.
Soweit mußte nun freilich die Frau doch nachgeben, daß sie bald darauf auch für die Magd
den Tisch deckte und
Jetzt war denn das neue Haus bewohnt und belebt und der Jakob fieng an aus seinem Unternehmen den gehofften Nutzen zu ziehen. Die Arbeit gieng ordentlich und das Bäbeli ließ sich nicht übel an; lustig klapperten die beiden Stühle zusammen, froh lebte der Jakob auf. Und er hätte noch froher können sein, wenn er nicht den fatalen Prozeß gehabt hätte,der ihn viele Mühe, Geld und Verdruß kostete und den er am Ende nun doch verlieren zu müssen die schönste Aussicht hatte. Der Maurerhansli, wenn er ihm je begegnete,machte ein höhnisch Gesicht. Der Jakob wurde wirklich schließlich zur Entrichtung der an ihn gestellten Forderungen und zum Bezahlen der Kosten verfällt.
Solches und Anderes bewirkte, daß er doch nicht recht
Es war an einem schönen Julitage, daß er seine Bänder nach Basel trug. Er hatte ein
hübsches Sümmchen Lohn in Empfang genommen und kehrte zum Schlusse im Sternen ein, um sich
noch ein wenig gütlich zu thun. Saß da nicht auch zu seiner Freude ein alter Bekannter,
der Grubenmann von Beinlingen, den er schon so lange nicht mehr gesehen,sonst waren sie im
Militärdienste die besten Kameraden gewesen. „Es ist, glaube ich, meiner Treu, der
Grubenmann,“ so redete ihn der Jakob an, „grüße dich Gott!“ „Ei, der Schmied! Da schau man
einmal, dich habe
Waaren beziehe, was er Alles halte, und was noch dergleichen Fragen mehr waren. Sein Freund gab ihm willig über Alles Bescheid, denn er hatte keinen Concurrenten zu fürchten und der Jakob schlürfte in gierigen Zügen die neue Weisheit ein.
Sie mußten sich bald trennen und der Jakob trat seinen Heimweg an. So kurzweilig kam er
noch nie nach Hause als diesmal. Ein Sturm von Gedanken und Vorsätzen wogte in seinem
Kopfe, und das Kramlädelein, das Kramlädelein stand immer vor ihm. Mit einem Male war ihm
ein neues Licht aufgegangen. War er nicht der Mann,so gut als sein Freund Grubenmann, auch
so etwas einzurichten? War nicht sein Haus wie dazu gemacht, schön,einladend, geräumig und
mitten im Dorfe? Das mußte ihm Kundsame bringen. So betrachtete er sich die Sache von
allen Seiten, und wie einst der Vorsatz ein eigenes Haus zu bauen, so setzte jetzt die
Idee sich fest in seinem Kopf, zum Handelsmann sei er geboren. Es war ihm gar nicht recht,
als sich vom letzten Dorfe weg zufälligerweise des Hansjoggijakobs Hans Jakob, sein Bürge,
zu ihm gesellte und in seinen Betrachtungen ihn störte. Derselbe trug sich, wie sich bald
zeigte, mit anderen Plänen,indem er nach einigen Erörterungen und Umschweifen den Jakob
anfragte, ob er ihm nicht wollte Bürge sein; er be
Er kam heim und war aufgeregt von Allem, was ihm durch den Kopf gegangen und war nicht so
redselig wie sonst, wenn er jeweilen von Basel kam, denn er hatte gar viel zu denken, und
das gieng ihm auch nachher noch nach. Er stand wieder an seinem Stuhl, er webte und
haspelte Tag für Tag sein Tagewerk ab, aber das Kramlädelein steckte ihm immer im Kopfe;
und wie er dann nicht anders konnte, nach und nach ließ er auch etwas von dem tönen,was er
innerlich bewegte. Es sei eigentlich doch nichts mit den Hausleuten, so fieng er fast jede
Nacht im Bette an,wenn er mit seiner Frau über allerlei noch redete, es sei eigentlich
nichts mit den Hausleuten; da habe man das Unmuß im Hause, die Sachen werden Einem
verderbt und am Ende vom Liede kriege man keinen Rappen Zins. Man könne noch froh sein,
wenn man nicht danz ʒu Schaden
Das Anneli, das seinen Mann wohl kannte und wohl merkte, wo solche Reden hinaus wollten, hielt es für seine Pflicht, den Jakob zur Zufriedenheit zu ermahnen. Es sei ihm auch nie wohl bei seiner Sache, er sei nie zufrieden,wenn es wieder gehe; sofort strebe sein Sinn wieder weiter hinaus und wolle er etwas Neues beginnen, das sei nicht gut, bemerkte es ihn. Eben das sei gut, meinte aber der Jakob, so müsse ein strebsamer Mann sein; wenn alle Leute mit dem Bestehenden wollten sich zufrieden geben, so gäbe es keine Fortschritte in der Welt und wir hätten noch Kleider von Feigenblättern und wohnten unter irgend einem
Gebüsche wie weiland Adam und Eva. Man müsse sich aber regen in der Welt und Jeder sei selber seines Glückes Schmied, wie er ihm schon oft gesagt. Daß man rührig und thätig sei und vorwärts zu kommen strebe, so weit es Einem beschieden sei, entgegnete das Anneli, damit sei es ja einverstanden; aber unzufrieden zu sein und zu murren,wenn es nicht gehe, wie man gerne wollte, das sei doch gewiß eine Sünde, und es fürchte, er komme wieder in einen solchen Mißmuth hinein, wie es auch schon geschehen sei. „In einen Mißmuth, ja, wenn Einem Alles wider die Hand ist, was man beginnen will und wenn du noch selber dazu hilfst. Eben um den Mißmuth zu verscheuchen,muß jetzt etwas Rechtes angefangen sein, daß es läuft, und du darfst mich nicht daran hindern. Wir stellen die Stühle in die obere Stube und ziehen hinauf und richten unten einen Kramladen ein; das muß gehen und ist ein Goldgrüblein, und der andere Verdienst geht gleichwohl daneben in Einem fort. Es ist mir das Alles klar geworden, als ich im Sternen meinen Freund Grubenmann angetroffen habe, der auch solch ein Lädelein hält und nun schon ein reicher Mann geworden ist.“
So packte endlich der Jakob aus und das Anneli hörte erstaunt ihn an. Es wollte allerlei Einwendungen dagegen machen, es hielt ihm vor, daß man nicht gut könne zwei
Herren dienen, daß es gewagt sei, etwas anzufangen, das man nicht verstehe, daß gut sei verkaufen, aber schwer sich bezahlt zu machen, und was es sonst noch vorzubringen wußte; aber es schlug nicht durch, der Jakob blieb fest auf A Miethleute mußten das Haus räumen, die untere Stube wurde zu einem Kramladen mit Schränken und Fächern eingerichtet,Waaren wurden eingekauft, und bald prangten an Jakobs Fenstern, das Publikum einladend, ein schöner, weißer Schnupftabaktopf und Rauchtabakpäckchen, Schwefelschnitten,Ellenwaaren und andere Herrlichkeiten mehr, und unser Jakob war nun auf einmal auch ein glücklicher Handelsmann.
IX.
Da neu errichtete Geschäft gieng auch gar nicht übel;schon die Neugierde zog dem Jakob
viele Kunden zu und er hatte sich's auch zum Grundsatze gemacht, an seinen Waaren nicht zu
viel Profit zu nehmen und lieber viele Kunden zu gewinnen und zu erhalten, denn „viele
Tröpflein
Die Sache recht besehen, hätte freilich sein Geschäft noch mancher besseren Ordnung und
Einrichtung bedurft. Der Jakob zahlte zuerst richtig baar alle eingekaufteu Waaren,und das
war gut und verschaffte ihm bei den Großhändlern Credit. Als sie ihm aber in der Folge
wirklich Credit schenkten, machte er auch Gebrauch davon und ließ die Rechnungen höher
auflaufen als manchmal nöthig war. Daheim verkauften bald er, bald die Frau, bald sogar
eines der älteren Kinder, wie man gerade Zeit fand, und das erlöste Geld wurde getrost in
die Schieblade gewischt, aus welcher,wenn man des Geldes bedürftig war, je und je auch die
Hauskasse gespeist wurde. Ein genaues Buch wurde nicht geführt, man nahm sich dazu keine
Zeit und der Jakob hielt es auch nicht für so nöthig; ob man's aufschreibe oder nicht,
Aber während er so sicher und getrost einhergieng und den Himmel voll Baßgeigen meinte
hangen zu sehen, zogen drohende, schwere Wetter sich über seinem Haupte zusammen.Traf ihn
nicht an einem schönen Morgen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, die Nachricht, des
Hansjoggijakobs Hansjakob, woran kein Mensch gedacht hatte, habe sich als zahlungsunfähig
erklärt? „Das kann nicht sein und das ist nicht möglich,“ sagte sich der Jakob, weil man
gerne sich ausredet, was man nicht gerne glaubt; denn er war ja dem Hansjakob Bürge und
der Hansjakob ihm auch. Es war aber nur zu wahr. Als jener Freund die Handschrift machen
ließ, wobei er den Jakob zum Bürgen wußte zu gewinnen,pfiff er schon aus dem letzten Loche
und der Jakob hatte die Unklugheit begangen, sich nicht. vorerst über dessen Stand genauer
zu erkundigen; jetzt konnte er die sechshundert Franken, wofür er gut gestanden hatte, aus
seinem eigenen Sacke bezahlen. O, wie ihn das wurmte, wie er nun wieder verdüstert wurde
in seinem Gemüthe! „Muß denn das Wetter mir auch in Alles einschlagen, muß denn mit Gewalt
mir auch Alles zum Kukuk gehn! Es ist eine ver
Er hatte genug zu thun, bis er die sechshundert Franken beisammen hatte, und wer die Verwünschungen gehört hätte,die daran klebten, der hätte sich ihres Besitzes nie gefreut.Aber es war an dem für unsern armen Jakob noch nicht genug. Der Hansjakob war auch ihm Bürge gewesen, wie wir wissen, und konnte als solcher nun nicht mehr gelten,weil an ihm nun nichts mehr zu suchen war. „Jakob,“sagte darum der Präasident, fein Creditor, zu ihm, als sie nach der amtlichen Versteigerung von Hansjakobs Liegenschaften noch in „der Sonne“ beisammen saßen und ein Schöpplein tranken, „es ist mir leid, du dauerst mich, daß es dir so ergangen ist, aber ich muß dir doch sagen: du mußt dich nach einem andern und recht soliden Bürgen umsehen,sonst könnte ich nicht anders, ich müßte dir das Kapital künden; weißt du nicht, wen du finden könntest, wäre dein Schwäher nicht bereit? Der wäre mir schon gut, aber weißt du, mit so Einem, wie du da gehabt hast, ist mir nicht gedient, das wirst du begreifen. Ich meine dich ja gut und will dich nicht drängen, aber zu meiner Sache muß ich doch auch sehen. Mache, daß es vorwärts geht!“
Der Präsident hatte das Alles theils aus Schonung für den Jakob, theils im eigenen
Interesse nur leise gesprochen,
„Der Lali isch mer schuldig Und ig im Lali au;
Der Lali sett mi zahle Und i der Lali au.“
Hatte der schwere Schlag, den er erlitten, und die Mittheilung des Präsidenten dazu den Jakob recht hinabgestimmt, so reizte der Hohn, der in diesen Worten des stolzen Bauers lag, ihn fast zur Wuth, zumal da auch der Präsident auf den Stockzähnen lächelnd bemerkte: „So geht es, wer den Schaden hat, braucht nicht für die Schande zu sorgen.“ Er trank hastig seinen Wein und entfernte sich, weil er nicht dafür hätte gutstehen können, daß nicht bei längerem Verweilen es noch tüchtig Händel abgesetzt hätte. Auf dem Heimwege aber machte er laut seiner Stimmung Luft.„Muß denn mir das Wetter auch Alles zerschlagen, muß denn mit des Teufels Gewalt mir Alles zu Grunde gehen?Und du, Präsidentli, konntest mir immer reden wie ein Engel, und es steckt am Ende doch auch dir der Böse im Leib.“ So sprach er vor sich hin, und er war recht im Zuge nicht nur die ganze Welt anzuklagen, sondern auch zu hadern mit Gott, der ihm nichts wolle lassen gelingen.
Das Anneli und die Kinder hatten um ihn einen bösen Stand, er war so verstört und so unleidlich, daß sie nicht wußten, wie sie sollten thun und ihnen das Leben recht sauer wurde. So laßt Mancher arme Unschuldige es entgelten, was ein Anderer oder was vielleicht er selber verschuldet hat und macht das Uebel und seine Schuld dadurch nur um so größer. Freilich war es für den Jakob bei dem
Stande seiner Sachen kein Leichtes, sich von dem doppelten Schlage zu erholen und besonders wußte er lange nicht den Bürgen zu finden, den er bald stellen mußte, wenn ihm nicht sein Kapital gekündet werden sollte. Und dann, als ob der Wind die Kunde von seinen Mißgeschicken weitergetragen hätte, erhielt er auch bald von seinen Lieferanten Briefe,die ihn freundlich zur Bezahlung seiner Rechnungen mahnten.Er kam fast nicht zu sich selber, so hatte er zu sinnen und zu rathen, wie er dem Allem begegnen sollte, und er versuchte manche Kunst, die er in seinem bisherigen Geschäftsleben noch wenig geübt hatte. So wurde es z. B. nun sein Brauch, daß er an einem Orte eine Schuld abtrug, um dort den Credit zu behalten und dafür an einem andern Orte, um jene bezahlen zu können, eine neue und zwar immer ein wenig größere contrahierte. Er wußte sich zwar wieder zu helfen und zu halten, aber die Leute munkelten,es müsse beim Glücksschmied doch nicht Alles richtig sein,er fange an, seine Sache von einem Nägelein an das andere zu hängen, das sei die rechte Art.
Nach und nach wuchs aber dem Jakob trotz dem Allem wieder der Muth; er sann auf neue
Mittel sein Geschäft auszudehnen und sein Einkommen zu mehren, damit er desto schneller
sich von seinen Schlappen erhole und zum gewünschten Ziele gelange, und er setzte jetzt
in's Werk,
Das Anneli, dem er diese Gedanken mittheilte und das er mit aller Kunst seiner Beredtsamkeit zu überzeugen und zu gewinnen suchte, wollte zwar nichts davon wissen. Dazu gebe es nie und nimmer seine Zustimmung, erklärte es fest,und eher laufe es daraus, als daß es das leiden wollte.Er solle nur bedenken, wie viel Unruhe man habe in einer Wirthschaft, wo man einem einzigen Gaste oft bis gegen
Mitternacht abwarten müsse, und was die Kinder da Gutes würden lernen, und es wollte ihm
noch etwas vorhalten, unterdrückte es aber wieder. Aber der Jakob war eben der Jakob; wenn
er etwas im Kopfe hatte, so reizte ihn jeder Widerspruch und jeder auch noch so
wohlgemeinte Widerstand. Er war oft recht unartig und kränkte beständig seine Frau mit
giftigen Bemerkungen, bis sie endlich maßleidig ihm sagte: „He, so mache doch, was du
willst!“ Und der Jakob machte, was er wollte. Der Zimmerfried, mit dem er sich wieder
ausgesöhnt hatte, verfertigte ihm eilends ein paar Tische und Banke nebst einem einfachen
Büffet, auf welchem um einen Schwenkkessel herum das Glasgeschirr prangen sollte, und der
Weinhändler Schwank versorgte seinen Keller mit Wein; das Patent wurde gelössst und alles
Uebrige in's Reine gebracht. In die stille kalte Winternacht hinaus tönten vom Kirchthurme
herab die Schläge der letzten Stunde des Jahres und von Neuem begann ihren Kreislauf die
wandelbare Zeit. Todtenstille lag auf den schneebedeckten Wiesen und Feldern und auf dem
dunklen Wald, aber im Dorfe schimmerte da und dort durch ein Fenster noch ein Licht, und
auf der Gasse ward hie und da eine Stimme laut. Es feierten die Menschen in verschiedener
Weise den Uebergang aus dem alten in das neue Jahr. Im stillen Kämmerlein
Wie ein Pfeil wird abgeschossen,So vergehet unsre Zeit,“aber auch, als hätten sie schon sie gefunden, die ewig bleibende Ruhestatt, wandelte es sie an, wenn sie lasen: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge geworden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ In der trauten warmen Wohnstube war etwa auch eine friedliche Familie bei bescheidenem Mahle um den Tisch versammelt und ließ in vertraulichem Gespräche die Vergangenheit mit ihren Freuden und mit ihren Leiden an der Erinnerung vorüberziehen. Aber bei Wein und Brandiwein saßen an anderen Orten in später Stunde noch alte Spießgesellen,im wilden Rausche der Lust die ernsten Mahnungen der Ewigkeit zu überhören und zu betäuben ihres Innern bitteres Weh.
Jakobs Wohnstube, nun zur Wirthsstube eingerichtet, war helle erleuchtet; mit dem letzten
Schlage der Glocke öffnete
So war nun der Jakob auch ein Pintenwirth und mochte vergnügt über gute Losung rühmen.
Nicht so vergnügt sah seine Frau dieser Wendung der Dinge zu, da ohnedieß ihr das Wirthen
ein Aergerniß war. Es konnte sie auch nur mit Besorgniß erfüllen, wenn sie sah, wie der
Jakob oft mehr drunten war bei den Gästen, als oben an seinem Stuhl und wie er gar oft
auch ein Schöppchen sich holte,um einem Gaste Gesellschaft zu leisten und ihm eins
Bescheid zu thun. Man müsse das machen, uicine er, sonst
Doch, in den ungestörten Gang des Lebens brechen oft unerwartete Ereignisse herein und
halten die muthigen Schritte auf. Als feindliche Mächte verwünschen sie die Einen, die
Anderen, aber wie Wenige oft, nehmen sie als warnende und mahnende Boten des Friedens auf.
Eine Zeitlang gieng dem Jakob Alles nach Wunsch, und mit Wohlgefallen blickte er oft auf
seine Kinder mit dem stolzen Gefühle, daß er es sei, der mit seiner Mühe und Arbeit ihnen
eine glückliche Zukunft erringe, und mit der stillen Hoffnung, daß nun bald sie selber
auch könnten mitbauen helfen an seinem zeitlichen Glücke. Die Gedanken, daß weit mehr als
der betrügerische und vergängliche Reichthum, den er ihnen einst hinterlassen wollte, für
die Seinen werth seien die bleibenden und gesegneten Eindrücke einer frommen Erziehung,
die er bei seinem Jagen nach irdischem Gute
Da wurde sein Erstgeborener, der Jakobli, krank, er bekam die Blattern, welche Krankheit damals sehr bösartig auftrat im Dorfe. Der Knabe war immer des Vaters Augapfel gewesen und auch mit besonderer Liebe stets an ihm gehangen. Der Alte brauchte nur mit den Augen zu winken, so verstand ihn das Söhnlein schon und lief in einem Feuer zu thun, was jener wollte. Er konnte wirklich schon mancherlei helfen und that es mit Lust. „Das ist ein Tausendskerl,“ rühmte der Jakob oft mit stolzem Bewußtsein; „der versteht's, wenn man nur winkt, und weiß Alles schon anzuschicken, das hat er eben von mir.“
Er war auch zuerst ganz unbesorgt, als der Knabe erkrankte. Wenn das Anneli ängstlich war und im Stillen weinte ob dem Gedanken, es könnte möglicherweise das Kind verlieren, so konnte er sagen: „Ach, was kannst du dich auch aufhalten und thun, als wäre Alles verloren!
Es haben viele Tausende die Blattern schon gehabt und leben noch, und der Knabe ist stark und gesund um's Herz,der überhaut es schon.“ Aber nach wenigen Tagen schon wurde seine Zuversicht gewaltig erschüttert, denn die Krankheit erreichte den höchsten Grad, der Knabe lag beständig im Fieber und der Arzt zuckte bedenklich die Achseln, wenn man ihn fragte, was er meine. Da giengeun dem Jakob erst die Augen auf und die Angst ergriff auch sein Herz.O, wie oft stand er am Bette und rief seinem holden Knaben: „Jakobli, lieber Jakobli, kennst du mich denn nicht mehr, willst du zu deinem Vater nichts sagen?“ Aber das Kind gab ihm keine klare Antwort; nur etwa: „Siehst du die bösen Mannen? o, wie thun sie so wüst! jetzt nehmen sie unsern Wein halte sie! sie tragen Alles fort die Mannen, die Mannen!“ so sprach es etwa in seinen Fieberträumen, in denen sich Manches abspiegelte, was es in der letzten Zeit gesehen. Und dann konnte der Knabe etwa wieder rufen: „Ich will heim, o, laßt mich doch, ich will heim, heim!“
„O, er will heim,“ seufzte das Anneli dann, „a heim,wo keine bosen Mannen mehr sind; ach, Gott und Herr,wir müssen das Kind verlieren!“ Und was es als Befürchtung aussprach, geschah; wie ein loderndes Feuer verzehrte die Krankheit auch die letzte Kraft des sonst so starken
Knaben, wie ein Lichtlein löschte er aus und hingewelkt, eine blaße, kalte Leiche, lag fie da, dieser Eltern erste Freude und die schönste Hoffnung ihres Lebens, auf die sie so viel gebaut.“
Das Anneli trug das herbe Leid mit stillem Schmerz,es hatte, mehr als der Jakob ahnte,
dulden gelernt; aber der Jakob kannte sich nicht.“ Wie ein plötzlich losbrechender wilder
Sturm über eine Gegend fährt und alles Bewegliche mit sich fortreißt, daß grausig
durcheinander in den Lüften es wirbelt, und wie er auch an dem Festesten rüttelt, als
sollte Alles aus den Fugen gehoben sein, so wühlte das,was er jetzt erleben mußte, Jakobs
Innerstes auf und es war ihm nicht möglich, sich selbst zu beherrschen. Jetzt machte er
sich die bittersten Vorwürfe, daß er nur an Geld und Gut gedacht und das schönste Gut, das
ihm Gott geschenkt, seine Kinder, und vor Allem den Jakobli nicht lieb genug gehabt und um
des Erwerbes willen so oft ihn versäumt habe; und wie die Stimme eines guten Geistes klang
es in ihm: „Nun, so wende jetzt deine Liebe, deine Sorgfalt und Treue deinem Weib und den
andern Kindern zu!Laß willig fahren, was Gott von dir fordert, und freue dich in Glauben
und Hoffnung eines freudigen Wiedersehns droben bei dem Herrn.“ Aber wie schwarze Geister
aus dem Abgrunde tauchten dann wieder arge Gedanken in ihm
Sein Vater kam, seine Verwandten kamen, aller Feindschaft vergessend, den Jakob in seinem Leide zu trösten, aber er wollte sich nicht trösten lassen, es beherrschte ihn ein wahrer Eigensinn, gegen alle Trostgründe beharrlich sein Herz zu verschließen. „Und der Jakobli ist hin, meine einzige Freude und Hoffnung, die ich noch hatte; er ist hin und ich habe an nichts mehr Freude und zu nichts mehr Lust. Warum mußte er sterben? Wenn es einen gerechten Gott giebt, warum ließ er das geschehen? Ich kann bald an nichts mehr glauben, nein!“ So äußerte sich Jakob in seinem verzweifelten Schmerze! „Aber Jakob, Jakob“ antwortete ihm der Vater und erhob warnend den Finger, „Jakob, Jakob, wie bist du? Redest du auch wie ein vernünftiger Mann und warst doch einst so fest und so stolz? Jakob, nimm dich in Acht, ich bitte dich,versündige dich nicht!“ Finster und verschlossen hörte der
Jakob schweigend ihn an und schloß verblendet und verfinstert sein Herz den Stimmen der Wahrheit zu. 5
X.
Vrufungen nennen wir die Mißgeschicke, Leiden und Trübsale, die in unserem Pilgerlaufe
uns treffen, und gäbe es wohl für dieselben ein bezeichnenderes Wort als dieses?Ja wohl,
Prüfungen sind sie, die wie sonst nichts an das Licht hervorbringen, was im tiefsten
Grunde des Herzens verborgen war, Prüfungen, die unerbittlich alle Spreu des Dünkels und
eitlen Wahnes scheiden von dem Golde einer reinen Gesinnung und eines aufrichtigen Wandels
vor Gott.Sie sind darum jederzeit auch Entscheidungen, die oft mit gewaltigem Anstoße den
Lebensschicksalen eine neue Wendung und dem ganzen Lebenslauf eine andere Richtung geben.
Da kommt es darauf an, ob Glaube, Hoffnung und Liebe dem Anläufen Stand zu halten vermögen
oder nicht; ob aus dem Dunkel, das sie umfängt, die Seele gottergeben und gottvertrauend
sich wieder hindurchringt zum
Licht, oder ob sie glaubens- und hoffnungslos hinabsinkt in immer tiefere Nacht.Der Jakob schien auf dem letzteren schlimmeren Wege zu sein, ohne es an sich selber zu merken. Der Schmerz über den Verlust seines Kindes bohrte sich inmer tiefer in sein Herz hinein, ohne daß er dagegen sich männlich wehrte; seine Wehmuth verwandelte sich oft in bittern Hohn. So, als sein Vater ihn noch einmal trösten wollte, als er ihm von den Zeiten der Erquickung sprach, die auf die Leidensstunden etwa wieder folgen, da entgegnete ihm bitter der Sohn: „Ja wohl, schöne Erquickungszeiten, Ihr habt lange gut reden;bei mir geht's immer, je länger, je schlimmer, ich lasse am Ende Alles gehen, wie es geht. Erquickungszeiten? pa;wenn man abgeschunden, abgehärmt, zusammengeschrumpft und verdumpft ist, dann wollen sie vielleicht kommen, aber nicht, wenn man sie nöthig hätte in dieser verkehrten Welt.Laßt mich gehen und verschont mich mit derartigen Vorstellungen; sie nützen mir nichts.“
Ein so großer an Verzweiflung grenzender Mißmuth hatte sich der Seele Jakobs bemächtigt, und doch hätte gerade jetzt er sollen gegen neue Gefahren gewappnet und gerüstet sein. Denn ein Unglück kommt ja gewöhnlich nie allein;als wären alle feindlichen Mächte miteinander im Bunde,so greifen Unglück und Mißgeschick oft von allen Seiten
Die mancherlei ökonomischen Verlegenheiten, in denen der Jakob sich öfters befand, hatte
er immer wieder zu verkleistern gewußt, zu heilen hatte er sie freilich noch nicht
vermocht, obgleich er schon mehrmals, was wir bisher noch nicht erwähnt haben, zu
freiwilligen Versteigerungen, bald von Liegenschaften, bald von beweglichem Gute seine
Zuflucht genommen hatte, was ihm ein bewährtes Mittel zu sein schien. Da wurde ihm aber
nicht lange nach dem Tode seines Knaben in Folge eines Todesfalles das Kapital gekündet,
das er auf sein bestes Land aufgenommen hatte.Er hoffte mit leichter Mühe an einem andern
Orte das Geld wieder bekommen zu können; aber weder der Herr Silberbringer noch der Herr
Präsident waren dieses Mal geneigt, sich herbeizulassen; unter allerlei Vorwänden und
Entschuldigungen schlugen sie es ihm ab. Nicht besser ergieng es ihm an mehreren anderen
Orten, wohin er sich auch gewendet hatte. Das Land nämlich, das er seiner Zeit sehr theuer
gekauft hatte, war bisher, wie überhaupt alles Land in Schönenwyl, im Werthe sehr
gesunken, was freilich auch kein gutes Zeichen für die Gemeinde selber war, und es
Endlich ließ sich doch der Herr Silberbringer herbei, wenn Jakobs Frau als
Mitschuldnerinn in dem Sinne sich unterzeichne, daß sie in dem zu errichtenden Titel zu
Gunsten des Creditors, falls es nöthig sein sollte, auf ihr zu erwartendes Erbtheil
verzichte, so wolle er dem Jakob entsprechen,wiewohl, er thue es nicht gerne. Dem Jakob
war das zwar eine harte Nuß, zumal da er hatte reich werden wollen
0 ohne Hülfe seiner Frau, aber Noth bricht Eisen und er nahm sich vor, auch diese harte Nuß, weil es sein mußte,zu knacken.
Er wußte zwar nicht recht, wie er das Geschäft einleiten sollte; lange gieng er um die Sache herum wie die Katze um den heißen Brei, und rückte nur allmälig mit seiner Angelegenheit heraus. Das Anneli, wiewohl es von den Künsten seines Mannes wenig verstand und sich auch jetzt blaue Dünste mußte vormachen lassen: die Sache habe eigentlich nichts auf sich, es sei bloß der Form wegen, weil der Herr Silberbringer es nun einmal so wolle, merkte doch,daß es sich um etwas Wichtiges handle und bat sich Bedenkzeit aus. In dieser Zeit aber berieth es heimlich seine Eltern und theilte ihnen mit, so viel es von der Sache wußte und verstand. „Daß du aber das nie und nimmer thust und gehe es jetzt, wie es wolle,“ so verdeutete ihm sein Vater. „Weißt du, was das bedeuten soll? Daß du dein Sächlein auch noch hergeben solltest, nachdem dein Mann euer Sächlein den Klauen geldgieriger Wucherer überliefert hat. Das und nichts anderes hat dieß zu bedeuten. Unterstehe dich nicht und mache einen solchen dummen Streich,oder du brauchst nachher, wenn du im Elend bist, dich nicht mehr bei uns zu melden.“
O welch eine Zeit der Noth und der Drangsal gieng jetzt
Als Alles nichts half und doch die Angelegenheit drängte und keinen Verzug mehr erlitt,
da verwandelte sich, wie das schon oftmals geschehen, das Bitten in Fordern und die Demuth
in Trotz. Der Jakob wurde zudringlicher,und als das Bitten nichts nützte, fieng er barsch
an von seiner Frau zu verlangen, was er begehrte; er sei ihr Mann und sie habe ihm und
nicht ihren Leuten zu folgen, so sagte er ihr eines Abends, als es sich wieder um das
Unterschreiben handelte. Da regte sich aber auch im Anneli, das DD„Und ich will sehen, ob
du mich zwingen kannst und mit mir machen, was du willst,“ so gab es ihm zurück. Und ein
Wort gab das andere, und es kam zu einem Ehestreit,wie Jakobs Haus bisher noch keinen
gesehen. Sprang nicht der Jakob auf und hielt wüthend seiner Frau die Faust vor das
Gesicht. „Ja, schlage mich nur, schlage nur zu,das fehlte noch!“ rief sie ihn an, und die
Kinder, schüchtern und verstört in eine Ecke sich duckend, fiengen laut an zu weinen. „Und
du unterschreibst nicht?“ rief er zornentvrannt. „Nein, ich unterschreibe nicht, nein,“
war die Antwort. Da kannte der Jakob sich nicht mehr; zwar zog er die schon erhobene Hand
zurück und schlug nicht, aber heftig faßte
Je inniger, zarter und heiliger die Bande sind, die Menschen mit Menschen verknüpfen, desto schlimmer, desto schwerer zu heilen ist jeglicher Riß, der in dieselben gemacht wird;und je längere Zeit vergeht, ehe sich das Getrennte wieder nähert, desto weniger fügt es sich mehr recht zusammen.Liegt darin nicht eine wesentliche Ursache so manches unheilvoll aufgelössten Ehebunds?
Dem Anneli zersprengte es fast das Herz. Weinend und schluchzend schlich es in die obere
Stube, wo die zwei Kleinsten schon schliefen, während der Jakob fortgieng, an einem
anderen Orte auf seinen Zorn eins zu trinken. Es empfahl die zwei älteren Kinder, das
Bethli und den Friedli, der Obhut der Magd, die mit ihm weinte, hüllte die Kleineren in
ihr Bett und zog wie eine Verstoßene zu den Seinigen,den Schutz bei ihnen zu suchen, den
es im eigenen Hause nicht fand. „Wo ist sie, die Alte?“ fragte der Jakob beim
Nachhausekommen die Magd, und als er den Bescheid erhielt, sie sei heimgegangen, sagte er
höhnisch, „o,
Im Grunde war es ihm doch nicht so sehr Ernst, wie er den Schein haben wollte, es wäre ihm lieber gewesen,es wäre so weit nicht gekommen; aber sein Stolz litt es nicht, daß er zu seiner Frau gieng und Abbitte that und,wenn sie kommen wollte, sie liebreich wieder heimholte in sein Haus. Das Anneli seinerseits konnte es auch fast nicht ausstehen, so von seinen Kindern getrennt zu sein; hatte es doch kaum mit seinen Kleineren im väterlichen Hause Platz und mußte ohnedies sein Bett auf dem Boden sich zurecht machen; aber, so, wie es war zum Hause hinausgestoßen worden, wollte. es nicht wieder zurückkehren, bevor sein Mann es wieder heiße kommen; das Bethli und der Friedli kamen jeweilen während des Tages nach der Schule zu ihm und konnten ihm etwa auch berichten, was daheim vorgieng und wie es stand.
Der Jakob wußte nun zwar, wir wissen nicht wie?endlich auch ohne Annelis Unterschrift
sich wieder zu helfen und rühmte es gewissen Leuten, so daß es seiner Frau zu Ohren kommen
mußte; aber in seinem Hause sah es kraus aus und überall fehlte die liebevoll ordnende
Hand der Frau.Das verbitterte aber den Jakob nur um so mehr und er faßte einen wahren
Groll in sein Herz gegen die, die ihn
Und besser verstande das Niemand als das:„Busiliese,“eine junge Wittwe von angenehmem Aeußeren, und ein listiges, schlimmes Weib. Als sie eines Abends kam, um Kaffee und Anderes einzukaufen, erkundigte sien sich mit der gewinnendsten Freundlichkeit über Jakobs Befinden? und ob seine Frau jetzt wieder bei ihm sei. Der Jakob klagte ihr seine Noth und klagte; wie seine Frau es ihm mache. „Aber nein,“ sagte die Liese mit erheuchelter Entrüstung, „aber nein, das hätte ich vom Anneli nicht gedacht; ist das auch eine Axt von einer Frau, einen so ordentlichen und braven Mann so zu behandeln, wie Ihr Einer seid, nein, das hätte ich nicht gedacht, Ihr dauert mich in der Seele!“
Das war dem Jakob Wasser auf seine Mühle, er faßte ein ganzes Vertrauen zu der Liese und
hieß sie, als ste heims gehen wollte, noch eins Bescheid mite ihm thun (denn er hatte sich
gerade wieder ein Schöpplein geholt) wasfie nach einigem Sträuben auch that und wobeier
ihr noch weiter sein Herz ausschüttete und vonder Liese so Agetröstet ward, daß es ihm
war, noch kein Mensch. habe es je so gut mit ihm gemeint. Er-hieß die Frau wieder etwa
einmal zusprechen und sie versprach es ihm auch. Sie hatte auch wirklich fast jeden Abend
etwas zu holen, bald eine Kerze, bald Oel, bald Seife, bald Faden oder wieder Kaffee,und
es gab noch mehr Gelegenheit Riteinandene zu! reden
Dem Anneli ward es in seiner Abgeschiedenheit und bei seiner Trennung von Mann und
Kindern je länger, je bänger. Es wußte nicht warum, aber es kam ihm vor,als zöge eine
unsichtbare Macht an allen Haaren es heim in sein Haus, zu seinem Manne und den
zurückgebliebenen Kindern und als müßte es eilen, ein großes Unglück zu oerhüten. Es hielt
es nicht mehr aus und hatte fest sich entschlossen, auch unaufgefordert und ungeholt heim
zu gehen.Da mußte es hören, daß die Leute allerlei munkelten und geheimnißvoll Dinge
ausstreuten über seinen Mann, an die es nie und nimmer glauben konnte. Doch wurde dadurch
seine Rückkehr um etwas verzögert. Am Abend aber schlich es bei eingebrochener Nacht, es
konnte nicht anders, zu seinem Hause und wollte zunächst nur durch die Lücken der
Jalusieläden hineinblicken, um zu sehen, wie es auch gehe.Und was mußte es sehen? Am
Wirthstische saß bei seiner Flasche der Jakob allein, doch nein, er saß nicht allein;neben
ihm saß die Liese. Das Anneli sah, wie sie mit einander redeten und tranken, wie sie
gegeneinander liebüugelten und wie sein Mann- märrisch that und o es
Den Jakob und die Liese hatte der durchdringende Schrei aus dem Taumel aufgeschreckt. Sie
horchten und hörten nichts weiter; sie traten vor die Thüre, die Liese um heimzugehen, der
Jakob, um nachzusehen, was das möchte gewesen sein. Er fand nichts. Rabenschwarze Nacht
lag auf der Erde, unheimlich heulte in den Zweigen der Bäume der Wind, und wie schwarze
Gespenster schwankten die nahestehenden Pappeln in der Nacht. Sah es wohl anders aus in
Jakobs verstörtem Gemüthez“Pp Wenn vom hohen Gebirge das Felsgestein, das von der Urzeit
her dort oben fest angewachsen war, endlich sich löst,siehe, so beschleuniget es, je
tiefer hinab es kommt, um so mehr seine Flucht, bis es jählings stürzt zu Thal. Geht es
anders den Schicksalen der Menschen, wenn se ven den ewig
Noch war dem Jakob bisher, ohne daß er es wollte erkennen, ein schützender Engel zur Seite gestanden; aber nun war es, als hätte ihn Alles verlassen, als müßte ohne Rettung nun Alles verloren gehen. Schon am andern Tage nach der erwähnten Nacht kam mit ernster Miene sein Schwager Friedli zu ihm, der es immer noch gut mit ihm gemeint hatte, derfelbe, der an der Hochzeit ihm einst Glück gewünscht hatte. Er erklärte ihm fest, das Anneli, seine Schwester und Jakobs Frau, sei fest entschlossen gewesen, zu ihm zurückzukehren, wie wüst er es ihr auch gemacht und wie wenig er sich herbeigelassen habe, eine Versöhnung wieder anzubahnen. Aber nach dem, was sie gestern Abend gesehen,könne sie nicht wieder kommen. Sie verlange nun, daß er ihr ihr Bett, ihren Kasten und ihre Kleider zurückgebe, weiter wolle sie nichts von ihm, als freilich noch das, daß auch der Friedli und das Bethli zu ihr kommen und bei ihr bleiben sollen; der liebe Gott werde auch wissen für sie zu sorgen.
Der Jakob stand verblüfft da, er wollte allerlei Einwendungen machen, er fieng an zu
klagen über seine Lage und über seine Frau; das Alles könne Einen treiben, daß man komme,
man wisse nicht, wohin. Aber das half Alles
Von dieser Zeit an gieng es schnell, ja zum Erstaunen schnell mit Jakobs Herrlichkeit bergab. Er schaltete allein in seinem Hause mit seiner Magd. Zwar war er, der ohnedies umgängliche Mann, jetzt fast aufgeweckter und lustiger als je, was ihm nicht nur am Sonntage, sondern sogar am Werktage viele Gäste zuzog; und es gab nicht wenig Leute,die daraus schließen wollten, er sei beim Anneli unglücklich gewesen, es habe ihn nicht verstanden und nicht zu behandeln gewußt, es sei Schade für den Mann. Aber diese äußerliche dustigkeit war ein trauriger Ersatz für die Leere seines Innern und für die Verödung seines Gemüths. Wer in sein Herz hätte schauen können, hätte ihn nicht so glücklich gepriesen, wie Mancher that. ee
Auch die Liese ließ es nicht daran fehlen, ihn zu besuchen und ihn in ihrer Art treulich zu trösten, wie sie denn auch in mancher Verlegenheit, die ihn traf, als eine vortreffliche Rathgeberinn, die listiger noch als er Alles zu schlichten wußte, sich erwies. Der Jakob scheute sich nicht mehr, wie er zuerst doch noch gethan hatte, öffentlich vertraulich mit ihr zu sein. „Ah pah, was scheren mich die Leute“, so beschwichtigte er etwa sich selbst, „was scheren mich die Leute,hin ist hin und meine Frau ist fort!“
Aber das Alles half nichts seinen Ruin aufzuhalten. Merkwürdigerweise wollten jetzt auf einmal alle seine Gläubiger bezahlt sein, und die vielen zum Theil kleinen Rechnungen aller derer, die ihm für sein Krämergeschäft Credit geschenkt hatten, machten zusammen eine unerwartet große Summe aus. Er trug ab, er bezahlte, was er konnte; er stellte Diesen zufrieden, er suchte Jenen mit gewissen Zusicherungen zu trösten, er war alle Tage auf den Beinen; und bald in der Stadt, bald am Bezirksorte, bald in dem, bald in jenem Dorfe war er zu finden. Er hatte beim Herrn Silberbringer zu thun, er hatte mit dem Herrn Präsidenten ein Wort zu reden, er hatte dieses und jenes Geschäft zu besorgen und unterdessen mußte seine Magd posamenten, krämern und wirthen. Jetzt kam der Gerichtsweibel, er kam alle Tage. Der
Jakob verbarg sich, er ließ vorgeben, er sei nicht zu Hause,er wußte ihn aufzuhalten Wochen lang; aber der Gerichtsweibel kam und kam nicht mehr vom Flecke. Der Jakob gieng aus und lief und kam wieder heim und gieng wieder, bis endlich im Amtsblatte Jedermann lesen konnte,schwarz auf weiß, daß der Jakob Schmied amtlich ausgekündet sei. Schon vorher, als das Wetter bereits im Anzuge war,und besonders jetzt, ermahnte ihn die Liese: „Jetzt, Schmied,machet auf die Seite, daß Ihr noch was habet, Ihr werdet doch nicht wollen so einfältig sein? Sehet, bei mir hat noch Manches Platz, man muß es nur anzuschicken wissen;und Vertrauen schenken werdet Ihr mir ja wohl, es geht ja“ und dabei blinzte ste ihn mit schelmisch liebäugelnden Augen an „es geht ja, denke ich, zuletzt doch in einen Sack.“ In Jakob regte sich zwar noch ein Gefühl der Ehrlichkeit, in der er wirklich anfänglich sein Glück zu schaffen gesucht hatte, aber verwirrt und gefangen gegeben in die Netze dieses Weibes und bethört von der Vorstellung,daß er nur thue, was eigentlich Brauch sei und was jeder Andere in seiner Lage auch thue, gab er seine Zustimmung dazu und half er am Ende selber noch mit. *
Die Gerichtsbehörden kamen, Jakobs Sachen wurden aufgeschrieben, der Kramladen wurde
zugeschlossen, seine Fässer
Der Tag der amtlichen Steigerung kam heran. Noch Tages zuvor, es war mitten im Sommer und glühend heiß,begab sich der Jakob an den Bezirksort zu den Behörden,an denen seine Sache lag. Er hatte nämlich noch eine schwache Hoffnung, sein Vermögen, seine Ehre und Alles retten zu können und er wollte nicht versäumen noch sein Letztes zu thun. Aber es war nichts mehrzzu machen, seine ohnedies schwachen Hoffnungen waren umsonst.
Er kehrte auf einem einsamen Feldwege, der näher aber beschwerlicher als die Straße war, in seine Heimat zurück.Durch Felder und Wälder, über Hügel und höhere Berge führte der Pfad und war recht dazu angelegt, einen Wanderer zu stillem Sinnen zu locken. Was gieng nicht auf diesem Heimwege Alles durch Jakobs Seele! Wie von der Höhe aus,die er bald erstiegen hatte, er die ganze blühende Landschaft überschaute, so lag auch sein ganzes bisheriges Leben vor den
Augen seines Geistes; er sah in der Ferne seine wonnigen Träume der Jugend, er sah sein Ringen und sein inniges Glück; er sah seine Verirrungen, er sah die seine Hoffnungen niederschmetternden Schläge, er sah, was er gewesen und nicht mehr war. Eine unnennbare Wehmuth ergriff sein Herz. „Alles, Alles, o auch nur Alles ist dahin! Mein Hoffen und mein Sehnen, mein Wollen und mein Ringen,mein Stolz und meine Freude nein, nein, nicht nur das:mein häusliches Glück, meine Unschuld, meine rüstige Kraft,meine Lebenslust und Freude ist dahin auf immer; Alles,Alles ist dahin!“ So seufzte er oft auf dem Wege. O, wer ihn gesehen hätte und hätte ihn hören können in seinem laut werdenden Gram und Schmerz, er hätte das innigste Erbarmen mit ihm haben müssen! Aber kein Mensch erkannte seinen Schmerz, auch der Himmel schien sich nicht seiner zu erbarmen.Er wollte beten, wie er es in der Kindheit oft so gerne, von frommem Munde geleitet, gethan hatte, er wollte beten um Licht und Gnade und Trost, aber auch Gottes Herz schien ihm verschlossen zu sein. Nein, kein Licht wollte in die Seele ihm leuchten, nur schwarze, dunkle Wolken thürmten am westlichen Himmel sich auf. Sie kamen näher und näher und verdunkelten bald der Sonne hellen Scheiiein.
So wandelte der Jakob weiter, und was in der Natur vorgieng, war so recht ein Abbild des
Zustandes, in dem
Der Jakob wußte zwar wohl, daß es gefährlich sei, während eines Wetters unter einem
großen Baume zu stehen. Gleichwohl nahm er seine Zuflucht unter einem dichtbelaubten
Nußbaume, dem ein eben so gewaltiger Kirschbaum gegenüber stand. Der Regen floß in
Strömen, die Blitze fuhren hin und wieder, ein furchtbarer Blitzschlag folgte dem
andern.Der Jakob stand fast wie stumpffinnig da und lehnte sich an den Stamm und schaute
in das Werk der wüthenden Elemente hinaus. „Und wenn auch,“ sagte er dumpf, „und wenn auch
der Blitz mich erschlüge, mich schlüge in den Boden hinein, was hätte es auf sich, was
gienge verloren, wer würde mir nachweinen? Es ist' ja Alles gleich, es ist doch Alles hin;
meine schönsten Hoffnungen sind dahin, mein Lebensglück, mein Hab und Gut, meine Unschuld
und mein Friede, Alles, Alles ist hin!“ Was thue ich weiter auf der Welt?“ Da! ein
blendendes Meer des Lichts, und mit einem Male ein furchtbarer Schlag und Krach; und den
Athem angehalten und alle Sinne verwirrt,so sinkt unser Jakob auf den Boden. Hat ihn der
Blitz wohl erschlagen? Doch nein; das ewige Erbarmen dessen, der
Der Abend war bereits angebrochen, als er seinem Dorfe sich nahte, der Regen hatte
aufgehört, lichte Wolken glänzten wieder am fernen Abendhimmel. Lange blieb der Jakob auf
der Anhöhe, von der der Weg hinabführte, stehen, sein kummerschweres Haupt auf seinen
Stock gestützt und in tiefes Nachdenken versunken. Und es war nicht nur ein Nachdenken,
nein, er kämpfte in seiner Seele einen furchtbaren Kampf, und wer ihn beobachtet hätte,
der hätte können ihn weinen sehen wie ein Kind. Endlich raffte er sich auf und
Traurig kehrte der Jakob in sein Haus zurück, das nur noch heute sein Haus sein sollte,
setzte sich müde auf einen Stuhl und fieng wieder an zu sinnen. Nach einer Weile BD
Lächeln empfieng. Aber der Jakob mochte jetzt nicht lächeln und nicht scherzen. „Die
Sachen, die aus meinem Hause hier sind, müssen heute Nacht noch alle zurück in mein
Haus,“so sagte er ernst. „Es wird doch nicht sein?“ fragte die Liese, die immer noch im
Wahne stand, sein Ernst sei nur verstellter Scherz; „oder habt Ihr's etwa wieder
rückgängig machen können?“ „Nein,“ sagte der Jakob, „nichts rückgängig, aber die Sachen
müssen zurück!“ Die Liese sah ihn mit großen Augen und langem Gesichte an: „Ihr werdet
doch nicht so dumm sein wollen und unterlassen, was alle Anderen zu ihrem Vortheile auch
thun?“ bemerkte sie ihm. „Und die Sachen müssen zurück bis zum letzten Rappen und bis zum
letzten Stäublein Mehl, sage ich,“ war wieder seine kurze und feste Antwort. „Ihr seid,
glaube ich,ein Narr,“ sagte die Liese, die allmälig eiferig wurde. „Narr hin, Narr her,“
erklärte aber der Jakob, „die Sachen müssen herausgegeben werden; auch nicht das Mindeste
darf unterschlagen sein oder ich gehe und mache selber die Anzeige,
44 wo sie sind, das ist jetzt meine Meinung und mein Entschluß.“ Mit Spott und Hohn überschüttete ihn nun die Liese, mit Poltern und Schelten gab sie das Verborgene heraus, und der Jakob trug es in selber Nacht in sein Haus zurück 5Wie viel er in jener Nacht mag geschlafen haben, das können wir uns denken. Schon am frühen Morgen war er auf den Beinen und war sonntäglich angezogen, seine gewöhnlichen Werktagskleider hatte er in ein: Schnupftuch gebunden. Er weckte die Magd und seine beiden älteren Kinder, die noch bei ihm waren, indem er die Letzteren mit einer Zärtlichkeit küßte, die ihnen auffiel. Dann hieß er die Magd mit ihm in die Stube hinabgehen. „Bäbeli,“sagte er dort, als sie allein waren, „es ist mir schlimm gegangen und ich bin in das Unglück gekommen, aber ich will nicht, daß du zu Schaden kommen sollest, du hast uns treu gedient. Siehe, da hast du deinen Lohn! Diese Freiheit RRDDD was ich habe, außer dem, was ich auf dem Leibe trage.Ich muß dich nun aus dem Dienste entlassen, du hast ja,so viel ich weiß, schon einen Platz, Lebe wohl!“ Das Bäbeli war zu Thränen gerührt und gab dem Meister zum Abschiede die Hand. „Geh, und packe nun deine Sachen zusammen, ehe die Leute kommen und etwa auch noch dein
Eigenthum angreifen möchten,“ fuhr er fort, „und mache dich zum Fortgehen bereit, ich muß diesen Morgen auch noch ausgehen, da möchte ich gerne das Haus schließen und den Schlüssel dem Präsidenten schicken, damit sie sehen, daß Alles in Ordnung gehe, du könntest ihn nachher zum Prasidenten tragen ····
Während die Magd seinem Befehle folgte, kleidete der Jakob die Kinder festtäglich an und band ihnen die Werktagskleider in ein Tüchlein; dann reichte er ihnen und der unterdessen auch reisefertig gewordenen Magd das Frühstück,das er selber während des Ankleidens der Kinder bereitet hatte, und sagte dann zu den Kleinen, indem er ihnen die Bündelchen in die Hände gab: „Gehet jetzt zur Mutter, ihr dürfet heute bei ihr bleiben, denn es werden gar viele Leute in unser Haus kommen und ihr wäret nur im Wege. Saget auch der Mutter, ich lasse sie und Großvaters viel tausendmal grüßen und die anderen Großeltern und die Vettern und Basen auch, und euere Geschwisterchen.“ Die Kleinen sahen ihn verwundert an, folgten aber seinem Worte, und nachdem er beide schluchzend an seine Brust gedrückt und sie geküßt hatte, entließ er sie mit einem wiederholten: „Lebet wohl, o lebet wohl!!/
Der Präsident war nicht wenig erstaunt, als am frühen Morgen schon Jakobs Magd zu ihm kam
mit dem Bemerken,
Was sollen wir den traurigen Akt der amtlichen Steigerung beschreiben? Nur so viel sei bemerkt, daß Jakobs und Annelis Verwandte zusammenhielten, vom Hausrathe so viel als möglich den nun Verarmten zurückzukaufen und daß die Leute mitleidig wenig oder nichts boten, damit sie es um so billiger erhielten. Sie hätten gerne selbst auch das Haus und das Land wieder an sich gebracht, aber der Herr Silberbringer und der Präsident, die sich bezahlt machen wollten, trieben mit ihren Angeboten den Preis so Hoch hinauf, daß Jene von ihrem Vorhaben abstehen mußten
L
Den Jakob selber vermißte man nicht gerade, man fand es bei seinem Charakter begreiflich, daß er bei diesem Anlaße nicht habe daheim bleiben und zusehen können. Als er aber am Abend nicht zurückkehrte, am andern und an den folgenden Tagen auch nicht, da gab es ein großes Gerede und alle möglichen Gerüchte wurden in Umlauf gesetzt.Die Einen meinten, der Mann habe sich ein Leids angethan, man werde es sehen, sein Stolz habe es ihm nicht zugegeben, diesen Schlag zu überleben; man habe ihn nach dem Walde gehen sehen, man werde wohl bald etwas Neues hören. Die Anderen aber wollten wissen: o nein, davon sei keine Rede, da sei etwas Anderes im Spiel; der schlaue Mann habe sich eine hübsche Summe zusammengelegt und mit derselben sich nun aus dem Staube gemacht. Der Vogel sei am Ende jetzt schon auf dem Meere und segle nach Amerika, wahrscheinlich werde man eines schönen Morgens hören, daß die Liese auch auf und davon gegangen und ihm nachgezogen sei.
Wahrscheinlich hatten weder die Einen noch die Anderen Recht. Aber so viel war gewiß, daß
der Jakob auch nach Wochen und Monaten nicht zurückkehrte und keine Spur von ihm zu finden
war; und ebenso gewiß war es, daß
Jahre vergiengen und man hörte nichts mehr vom Jakob,nur in den Herzen der Seinigen lebte
er in treuem Andenken fort, wie Einer, der gestorben ist, und an dessen Verirrungen und
Sünden man nicht mehr denkt, 8 guten
So kam einmal ein großes Paket unter Anneli's Adresse an; es enthielt eine Balle Tuch,
aber keinen Brief, nichts als ein von unbekannter Hand geschriebenes Zeddelchen mit den
Worten: „der Frau und den Kindern des unglücklichen Jakob Schmied in Schönenwyl.“ Später
einmal brachte der Pfarrer dem Anneli einen Brief, wieder von einer unbekannten Hand
geschrieben, in welchem er ersucht wurde,den Inhalt, es war ein Wechsel von zweihundert
Franken,der Frau Anna Schmied zuzustellen, der Versender hätte gerne mehr geschickt, wenn
er mehr vermocht hätte. Da der Pfarrer herausfand, daß der Brief in Mülhausen auf die Post
gethan worden sei, da auch einmal ein Weinhändler,der im Elsaß Wein geholt hatte, hatte
verlauten lassen, er habe in Mülhausen den Glücksschmied gesehen, er wolle Hunderte gegen
Eines wetten, er sei es gewesen; beim Ausgraben eines Kellers habe er mitgeholfen und
seinen Karren gestoßen, der habe aber abgenommen, man kenne ihn fast nicht mehr, das „den
Herrn spielen“ sei ihm vergangen, so
XII.
Es war ein wunderlieblicher Sonntag um die heilige Osterzeit. Die Erde im Schmucke des
anbrechenden Frühlings hatte gleichsam auch das Festgewand angezogen und alle Geschöpfe
hatten sich aufgemacht, um tausendstimmig mit den Menschen den zu loben, der durch Tod und
Grab hindurchgedrungen ist und das Leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht
hat. Feierlich schallten wieder die
Der Geistliche bestieg langsamen Trittes die Kanzel, die Gemeinde erhob sich und er las
das Gebet mit der Salbung und Würde, wie es der Sache angemessen war, er las nicht nur,
sondern was er las, war Gebet. Dann schlug er die Bibel auf, und was er aus derselben der
Gemeinde
Nachdem er mit einfachen und schlichten Worten daran erinnert hatte, weßen die
Christenheit allezeit, besonders aber in dieser alljährlich wiederkehrenden Festzeit,
eingedenk zu sein habe und mit welchem Sinne sie die Verkündigung vom Leiden und Tod und
der Auferstehung unsers Herrn aufnehmen solle, legte er kurz und bündig die Grundgedanken
des vorgelesenen Textes auseinander, denen seine Betrachtung folgen sollte. Und dann hob
er feierlicher an und schilderte in beredter Sprache, an was der Apostel anknüpfe,welchen
Meinungen, Gefühlen und Gedanken er entgegentrete,wenn er behaupte: Gott habe uns nicht
gesetzet zum Zorn.Lebendig und anschaulich schilderte er das Menschenleben mit seinen
wechselvollen Schicksalen, mit seinen Drangsalen und Nöthen, mit seinem tausendfältigen
Jammer und Weh,nicht ohne die Schilderung so einzurichten, daß mehr als Einer der Zuhörer
meinen konnte, er wolle ihm sagen, wie es bei ihm in seinem Leben, seinem Hause und Herzen
stehe.Er zeigte, wie das Menschenherz ein trotziges und verzagtes Ding ist und wie wir
Menschen, so übermüthig im flüch
Dann aber fest und feierlich betheuerte er, „Nein, nein! Gott hat uns nicht gesetzet zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christum.“ Und begeisterungsvoll und mit beredtem Munde pries er die Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die nicht nur von Anfang an durch den Mund heiliger Männer und Propheten die verirrte und dem Verderben zuwandelnde Menschheit je und je habe mahnen und zur Umkehr rufen lassen, und immer noch also heilsam mahne und rufe, sondern in der auch Gott, da die Zeit erfüllet war,gesandt habe seinen Sohn, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut. Er schilderte, was dieser für uns gethan',, gelitten und erstritten hat, und zeigte den Einen,denen das Leben noch helle und freundlich lache, denen ihre ãußere Wohlfahrt und ihr inneres Glück noch nicht ganz zerfressen sei von dem ewig nagenden Wurm, wie sie durch Christum allein das Heil bewahren; und den Anderen,denen hienieden wohl kein Glück mehr erblühen, denen kein Heil und kein Friede mehr widerfahren zu können scheine,wie sie jetzt schon für ihr Herz und für die Ewigkeit gewiß es finden können in ihm, der unsere Sünden getilget und uns versöhnt hat mit Gott. Er schloß mit einer herzlichen,den ganzen Inhalt der Predigt zusammenfassenden und die
Herzen für die verkündigte Wahrheit zu gewinnen suchenden Ansprache an Alle.
Der Gottesdienst war beendigt, die Leute kehrten heim,Einige vielleicht die gesprochenen
Worte beherzigend, die Anderen wieder an Anderes sinnend, wie es geht. Unter den Ersteren
war der Doktor Frank, der hie und da sich auch herbeiließ, den Gottesdienst zu besuchen,
weil er eine Achtung vor dem hatte, was auch sonst der Pfarrer, besonders in
gemeinnütziger Hinsicht, wirkte und that. Jetzt war er aber von der Predigt gar nicht
erbaut und keineswegs befriediget. Er konnte seinen Unwillen dem jungen Schullehrer, mit
dem er den Kirchweg hinabgieng, nicht verbergen.D fragte er; aber ohne die Antwort
abzuwarten, worüber der Schulmann eigentlich froh war, fuhr er fort: „es ist doch eine
eigene Sache; wie Einer den Kirchenrock einmal anhat, ist er ein anderer Mann. Ich meinte,
wir hätten einen aufgeklärten Pfarrer, und er ist sonst auch wirklich ein scharmanter
Mann, ich kann ihm nicht ungünstig sein, aber ein Pietistlist er nun doch auch,so dick wie
nur Einer. Was hat er wieder heute für eine Predigt gehalten? Fließen thut's ihm, das muß
man ihm lassen, er hat Manches gut angebracht und der Mann hätte Geist. Aber eben darum
ist es zu bedauern, daß er auch in das fatale Fahrwasser kommt. Wenigstens heute ist er
Aber wie kann das eine und dasselbe Wort doch verschiedene Wirkung thun! Auf einen andern
Zuhörer hatte die Predigt einen ganz andern Eindruck gemacht. Auf der Emporkirche, in der
Ecke der hintersten Bank, saß ein altes fremdes Männchen, das Niemand kannte. Scheu hatte
er um sich geblickt, als er sich niedersetzte und dann, als gehörte er nicht zu der
Versammlung, sich niedergeduckt und also der Predigt zugehört. Er schien noch nicht so alt
zu sein, als er darnach aussah, aber seine anscheinend einst
Denn der Alte, die Leser haben es vielleicht schon errathen,war Niemand anders als Jakob,
der Glücksschmied. Nach langer Irrfahrt im fremden Lande, wohin er vor der Schande der
Welt und vor der Erbitterung seiner eigenen Leute einst geflohen war, hatte ein
unwiderstehliches Ver
Er gieng in das Hauptwirthshaus, weil er bei seinen
Leuten nicht so zu sagen mit der Thüre in's Haus fallen wollte und doch sein geschwächter
und durch die Anstrengungen des Morgens sehr exmüdeter Leib ihm es zur Pflicht
machte,sobald wie möglich etwas zu sich zu nehmen. Er bestellte ein halbes Schöppchen Wein
und ein warmes Süppchen mit ein wenig Fleisch. Von der Tochter des Hauses, die ihn
bediente, ward er nicht erkannt. Als er sich aber während seines frugalen Mahles nach der
Familie des Jakob Schmied erkundigte, nach seinen Geschwistern, nach seiner Frau und
seinen Kindern und unterdessen auch die alte Frau Wirthinn hereingetreten war, so schaute
dieselbe lange unverwandt ihn an, sie schien in seinen Zugen etwas lesen zu wollen und
doch nicht ihrer Sache gewiß zu sein. Endlich redete sie den Jakob an: „Es ist mir, ich
sollte den Mann kennen,“ sagte sie, „ich habe Euch schon irgendwo gesehen.“ „Es ist wohl
möglich,“ antwortete ihr der Jakob mit wehmüthigem Lächeln, „ich bin auch schon hier
gewesen, aber es ist schon etwas lange her,“ und dabei blickte er ihr scharf in die Augen.
Da fuhr sie auf und: „um Gotteswillen,“ sagte sie, „Ihr seid der Jakob! man sagte Euch
sonst nur: der Glücksschmied, nun ja denn auch, Ihr seid's!Gottwillkommen zu uns, nun ja
denn!“ „Ja,“ entgegnete er bewegt, „der bin ich. Es hat mich nicht mehr gelitten in der
Fremde, ich hielt es nicht mehr aus, ich mußte
Aber für den guten Jakob war das Alles, was heute schon sein Herz bewegt hatte und was
bei diesen Andeutungen der Wirthinn wieder Alles durch seine Seele gieng,zu viel; der
großen, inneren Aufregung, der gewaltigen Bewegung seines Herzens erlag sein sehr
geschwächter Leib.Er stand auf und wollte seine Leute besuchen; aber da ward es ihm auf
einmal schwarz vor den Augen, seine Sinne verwirrten sich, er schwankte, sank und fiel in
eine schwere Ohnmacht. Mit einem Schrei der Bestürzung eilte die Wirthinn auf ihn zu und
wollte ihn aufrichten, aber sie vermochte es nicht; ihre auf ihren Ruf herbeigeeilten
Leute trugen ihn hinauf auf ein Bett und suchten mit den gewöhnlichen bekannten Mitteln,
die man in diesen Fällen anwendet, ihn aus seiner Ohnmacht zu wecken, es wollten aber
Was war das für ein Wiedersehen! Abgezehrt und bleich lag der Jakob da, fast wie eine
Leiche, fast unkenntlich, wenn man ihn in der Erinnerung hatte, wie er ausgesehen hatte in
den Tagen seiner Jugend und seiner vollen Manneskraft.Aber schnell fand Annelis Liebe auch
in dem entstellten Antlitze die bekannten geliebten Züge wieder, und hingerissen von der
Gewalt dieses Augenblickes, warf es sich weinend über den so lange verloren gewesenen Mann
und küßte ihn und netzte sein Haupt mit seinen Thränen: „O, Jakob,lieber, lieber Jakob;
müssen wir so uns eesabene
Mittlerweile waren auch Jakobs Kinder wieder gekommen.Er schaute sie zuerst verwundert an, denn sie waren groß geworden und hatten sich verändert. Aber bald erkannte er Jedes, nannte sie leise mit Namen und erhob seine Hand,als wollte er sie segnen, aber er mußte sie wieder sinken lassen vor Schwachheit, nur leise konnte er stammeln: „Der liebe Gott segne und behüte euch!“ Dann sank er wieder in einen scheinbar tiefen Schlummer.
Der Arzt, der bald wiederkam und ihn untersuchte, zuckte
Annelis und seiner Kinder Wehklage in diesem erschütternden Augenblicke wollen wir nicht weiter beschreiben. Es kennt ja Solches ohnedieß nur recht, wer es selbst schon erfahren hat. Die ganze Gemeinde nahm Antheil an seinem Unglücke und an Jakobs Schicksal, und ein größeres Leichenbegängniß ward in Schönenwyl nicht bald gesehen,als das war, da Jakob, der Glücksschmied, zur Erde bestattet ward. „Wie wunderbar! Er hat wieder heimkommen müssen, um hier zu sterben;“ sagten die Leute, und ahnten etwas von der Allgewalt Gottes, der die Herzen der Menschen lenket wie Wasserbäche. Der Pfarrer predigte über das Wort des neununddreißigsten Psalms: „Höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien und schweige nicht
über meinen Thränen; denn ich bin beides, dein Pilgrim und dein Bürger, wie alle meine Väter,“ und wandte es auf Jakobs Lebensgang, seine inneren Kämpfe und seine Führungen an.
Das Grab hat sich auch über diesem Leben geschlossen.Kein Stein bezeichnet den Ort, wo
Jakobs müde Gebeine ruhen, aber ein wilder Rosenstrauch wuchert üppig auf demselben, als
wollte er Zeugniß geben von dem Trieb und Drang, der einst dieses Leben bewegt hat. Der
Strom der Zeit fährt dahin und bringt neue Erscheinungen und fessest mit neuen Dingen die
Gedanken und Sinne der Menschen und nimmt das Andenken an das Vergangene mit sich fort.
Auch der Jakob ist bei Vielen bald wieder vergessen. Aber allsonntäglich wandelt ein altes
Mütterchen nach dem Gottesdienste zu seinem Grabe hin und bleibt dort lange stehen und
weiht ihm stille Thränen der Erinnerung und der Sehnsucht, bis es in einem besseren Leben
ihn darf wiedersehen. Es ist das Anneli, das ihn geliebt, das ihn verloren und, freilich
nicht mehr für diese Zeit, wiedergefunden hat.