Hofoperntheater.
(Fräulein
Stehle als
Gretchen. — „
Der Prophet.“ —
Die lustigen Weiber von Windsor.)
Ed. H. Es ist etwa vier Jahre her, daß ein junges
Mädchen, welches eben seine Lehrzeit in einem Pensionat zu
Augsburg vollendet hatte, zu den Eltern heimkehren sollte. Ein
langgenährter, übermächtiger Drang zur Bühne ließ aber die
Kleine den Heimweg nicht sofort antreten. Jetzt oder nie mußte
sich ihr Herzenswunsch, Sängerin zu werden, entscheiden, ein
Wunsch, dem die Einsprache der Eltern entgegenstand. Das
Mädchen fuhr heimlich nach München und suchte den ihr
gänzlich unbekannten General-Musikdirector Lachner auf, da
mit sein Ausspruch über ihr Talent und ihre Zukunft entschei
den möge. Der vielgeplagte Mann mag sich mit einiger Re
signation ans Clavier gesetzt haben, allein mit einem Freuden
ruf stand er auf, nachdem er die Fremde gehört. Sophie
Stehle, so hieß das Mädchen, erhielt von Meister Lachner
nicht blos die Bestätigung eines ungewöhnlichen Talentes, son
dern auch sogleich einen Engagements-Antrag zum Münchener
Hofoperntheater. Die Zustimmung der Eltern ließ unter sol
chen Verhältnissen nicht auf sich warten, und das junge Mäd
chen, das nie zuvor eine Bühne betreten hatte, war Prima
donna in München. Ihr einziger Gesangslehrer war eine junge
Dame in Augsburg gewesen, die, von einem berühmten Sing
meister gebildet, selbst einer bedeutenden Theaterlaufbahn ent
gegenging, als eine unglückliche Entstellung durch Brandwun
den sie davon abschnitt. Sophie Stehle hatte bald eine Reihe
lyrischer Partien studirt und eroberte, ohne sich durch die nie
dern Weihen der „Vertrauten“ „Brautjungfern“ u. dgl. durch
arbeiten zu müssen, gleich als Pamina, Zerline, Cherubim, Emme
line, Benjamin, die Herzen der Münchner. Ihre Beliebtheit wuchs
plötzlich zur Berühmtheit, als die junge Sängerin Gounodʼs
„Margarethe“ in München auf die Bühne brachte und mit
ungemeinem Erfolge sang.
In dieser Rolle trat auch Frl. Stehle am verflossenen
Dienstag zum erstenmal vor das Wiener Publicum. Das ge
drängt volle Haus, das dem Gaste mit Spannung entgegensah,
schien gleichwol nicht gesonnen, die Ekstase des bairischen Pa
triotismus auf guten Glauben hinzunehmen. Keine Hand rührte
sich zum Willkomm, keine Hand nach der Begegnung im zwei
ten Act, selbst der „König von Thule“ fand nur ein Echo freund
lich murmelnder Zustimmung. Nun folgte die Scene mit dem
Schmuck, das Garten-Quartett, das Liebes-Duett mit Faust,
und auf diesen drei Stufen schwang sich die junge Künstlerin
in dreimaligem immer höheren Flug zu so glänzender Wir
kung auf, daß mit dem Schluß des Actes einer der großar
tigsten und echtesten Erfolge errungen war, deren eine deutsche
Sängerin sich hier rühmen kann. Und was war es, das mit
so elektrischer Schnelligkeit und Gewalt durch die Reihen zuckte?
Die in jedem Hörer mit fehlloser Sicherheit aufsteigende Em
pfindung, hier keine gedrillte Opernpuppe vor sich zu haben,
sondern ein Talent von Gottes Gnaden, „eine Natur“, wie
Goethe gesagt hätte. Man sah die junge Sängerin von
ihrer Aufgabe erfüllt und begeistert und in dem dargestellten
Charakter vollständig aufgehen. Kein Ton, kein Wort, das
nicht aus tiefem Herzensgrund emporquoll, keine Bewegung,
die nicht — im Geist und im Gemüth der Künstlerin ausge
reift — mit der überzeugenden Kraft des Erlebnisses hervor
brach. Eine große Gesangskünstlerin wird kaum Jemand in
Frl. Stehle erblickt haben, obwol die nach so kurzer und we
sentlich autodidaktischer Thätigkeit von ihr erreichte Stufe die
Wahrscheinlichkeit eines weiteren, raschen Fortschreitens anneh
men läßt. Mit der letzten Ausbildung der Gesangstechnik hat
es bei unsern Landsmänninnen überhaupt ein zweifelhaft Be
wenden. Von deutschen Sängerinnen haben vielleicht nur Ger
trud Schmehling (Mara) im vorigen und Henriette Sonn
tag in diesem Jahrhundert an die Höhe großer italienischer
Künstlerinnen gereicht. Mein persönliches Erleben reicht nicht
so weit hinauf, daß ich mich einer deutschen Sängerin von der
ausgebildeten Gesangstechnik einer Viardot, Artôt, Alboni, Tre
belli, Patti etc. entsinnen könnte. Hatte doch selbst das moderne
Ideal einer deutschen Sängerin, die Schröder-Devrient,
keineswegs über eine vollkommene Gesangstechnik zu verfügen.
Es ist hier nicht der Ort, abzuwägen, wie viel die physiologi
schen Grundlagen, wie viel der Charakter unserer Sprache und
Musik, wie viel endlich unser zerfahrener, unsicher experimen
tirender Gesangsunterricht an dieser Erscheinung Schuld trägt.
Wenn wir einen allgemeinen nationalen Charakterzug deutscher
Sänger darin erblicken, mehr durch tiefe Empfindung und dra
matische Charakteristik, als durch vollendete Stimmbildung und
Virtuosität zu wirken, so seien damit keineswegs diese Schwä
chen an Frl. Stehle beschönigt, die ja ihre namhaftesten deut
schen Colleginnen in der Gesangskunst noch nicht erreicht —
nur unberechtigte Maßstabe wünschten wir damit zu beseitigen.
Frl. Stehleʼs Gesang bewegt sich in zierlichen, colorirten
Gängen etwas schwer und ungleich (was allerdings nicht von
dem sehr hübschen Triller gilt, ihre Cantilene ist nicht frei
von dem Hinüberziehen oder Schleifen der Töne.
Noch dringender möchten wir Fräulein Stehle auf ein
Drittes aufmerksam machen, auf die geringe Schattirung und
Modulation ihrer Stimme. Der Tonstrom fließt bei ihr fast
ununterbrochen in gleicher Fülle und Farbe: eine kräftig schöne
Fülle und Farbe, aber doch eine und dieselbe. Durch mannig
faltigere Schattirung des Klangs, durch häufigere Verwendung
des Mezza-voce und Pianissimo würde die sinnliche Schön
heit und die Ausdrucksfähigkeit dieses köstlichen Materials noch
um Eins so mächtig wirken.
Die Stimme Fräulein Stehleʼs ist ein weicher, vol
ler, jugendlich kräftiger Sopran, dessen dunkler, an manche
Altstimmen erinnernde Timbre etwas eigenthümlich Gewinnen
des, Ueberzeugendes hat. Bis ins hohe a etwa ist die Stimme
gleichmäßig, leicht ansprechend und entwickelt, höher hinauf er
heischt sie einige Anstrengung. Doch weiß Fräulein Stehle
auch da vollständig durchzudringen, wenn es noththut, wie
die mit voller Kraft gesungene Kerkerscene im 5. Act bewies.
Von unschätzbarem Werth ist Fräulein Stehleʼs correcte, in
jeder Silbe deutliche Aussprache, ein Vorzug, den wir in sol
cher Ausbildung kaum bei einer anderen deutschen Sängerin
antrafen. Die eigentliche Seele ihrer Kunst, den tiefempfun
denen, warmen Vortrag Fräulein Stehleʼs, haben wir bereits
eingangs nach Gebühr hervorgehoben. Hand in Hand mit
dieser siegreichen Beredsamkeit ihres musikalischen Vortrags
geht eine schauspielerische Begabung und Entwicklung, wie sie
bei Opernsängern nur äußerst selten vorkommt. Man kann
nicht behaupten, daß Fräulein Stehle durch ihre Gesichtszüge
gerade für dramatische Wirkungen begünstigt sei, eher findet
sie an der starken Musculatur der Wangen einigen Widerstand.
Es gibt hagere Gesichter und hagere Stimmen, die, ohne
schön zu sein, dem dramatischen Ausdruck durch ihre Beweg
lichkeit ungemein entgegenkommen, jeden inneren Vorgang wie
durch einen dünnen Schleier durchschimmern, jede Empfindung
sofort an die Oberfläche treten lassen.
Fräulein Stehle, deren ganze Erscheinung allerdings
im Thau der Jugend schimmert, ist in ihren physiognomischen
Wirkungen fast ausschließlich auf ein lebhaft sprechendes Auge
und einen freundlichen kleinen Mund angewiesen. Und dennoch
fesselt sie durch Spiel und Mimik nicht weniger als durch
ihren Gesang. Wir haben es hier nicht blos mit schönen Ein
zelheiten zu thun: der ganze Charakter Gretchenʼs war aus
Einem Guß, die etwas realistische, mitunter genrehafte Auf
fassung vollkommen am Platz und von lebensfrischer Wahrheit.
Am hervorragendsten dünkten uns, wenn wir die Einzel
heiten doch nennen sollen, die Scenen im Garten und im
Kerker. Vor Valentinʼs Leiche schien uns Fräulein Stehle et
was zu viel zu spielen, eine Gefahr, vor welcher wir die
geistreiche Darstellerin beizeiten warnen möchten. Wenn einer
unserer kritischen Collegen die erste Begegnung minder gelun
gen fand und ihm überhaupt kein „Gretchen“ hierin noch
ganz genügen konnte, so darf man wol nur unter Hervorhe
bung des mehr als „mildernden“ Umstandes zustimmen, wel
cher in der eigentlichen Schwierigkeit dieser Scene liegt. Wäh
rend im recitirenden Drama Faustʼs Ansprache und Gretchenʼs
Erwiderung einander Schlag auf Schlag folgen, muß in der
Oper Gretchen durch volle zehn Tacte Andante stille stehen,
ehe sie ihre gleichfalls sehr zögernde Antwort beginnen kann.
Gerade diesen Moment in so langer musikalischer Dehnung
vollkommen passend und im Geiste der Goetheʼschen Scene
auszufüllen, dünkt uns eine Aufgabe, die der größten Schau
spielerin zu schaffen gäbe.
Ueberblicken wir schließlich Fräulein Stehleʼs Leistung
in ihrem Totaleindruck, so sehen wir die Schöpfung eines be
deutenden ursprünglichen Talents vor uns, in welchem jugend
liche Begeisterung mit durchdringender Reflexion, reiche, wenn
gleich nicht völlig ausgebildete Naturmittel mit Geist und
Empfindung sich zu unmittelbar ergreifender Wirkung ver
einigen. Wie diese einzelne Leistung sich zu Fräulein Stehleʼs
ganzer Kunstsphäre verhalte, können wir natürlich noch nicht
wissen, und mehr als vorschnell wäre es, über die Bedeutung
dieser Künstlerin ein letztes Wort aussprechen zu wollen, nach
dem uns kaum das erste Wort vergönnt ist. Wir haben des
halb, in steter Erwartung einer zweiten Rolle Fräulein
Stehleʼs, diesen Bericht so lange hinausgeschoben. Es scheint
aber leider in dem Räderwerk unseres Opernmechanismus
wieder stark zu stocken, sonst hätten nach dem glänzenden Er
folg ihres ersten Auftretens unmöglich volle vier Tage bis zu
dem zweiten und gar zehn Tage zwischen der ersten und der
zweiten Rolle Fräulein Stehleʼs verfließen können.
Ein zweites theatralisches Ereigniß der verflossenen Woche
war Fräulein Bettelheimʼs Auftreten als „Fides“ im
„Propheten“. Fräulein Bettelheim, eines der glänzendsten
Talente unseres Operntheaters, zugleich dessen kräftigste,
frischeste Frauenstimme, hat sich in wenigen Jahren von den
ersten Anfängen zur anerkannten Künstlerin, zu einem der
ersten und unentbehrlichsten Mitglieder des Instituts aufge
schwungen. Bisher in das enge Repertoire reiner Alt-Partien
eingedämmt, fand Fräulein Bettelheim im „Propheten“ zum
erstenmal Gelegenheit, eine dramatische Partie von größter
Ausdehnung und Bedeutung zu singen. Die jugendliche Künst
lerin ist den hohen dramatischen und musikalischen Anfor
derungen der „Fides“ in überraschender Weise gerecht worden.
Meyerbeer setzte die Rolle bekanntlich für eine Stimme so
ungewöhnlichen Umfangs, daß man meistens nur die Wahl
hat, sie mit einer kräftigen Höhe und matter, verblasener
Tiefe zu hören, oder umgekehrt — unten rund und oben spitz.
Bei Fräulein Bettelheim klangen die tiefen und mittleren
Chorden schöner, als wir sie je gehört, die in die hohe Sopran
lage hinaufreichenden Töne wurden zwar mit einiger An
spannung und nicht mit der unvergleichlichen Resonanz der
tiefern Töne, dennoch aber mit Kraft und Sicherheit ange
schlagen. Fräulein Bettelheim sang die Partie ohne irgend
welche Abänderung, bewies somit vollauf, daß ihre Stimme
sich auch weit über die eigentliche Alt-Region aufzuschwingen
und die Anstrengung größter Rollen auszuhalten vermöge.
Die Frage, ob ein solches Heraustreten aus der Stimmlage
nicht mit der Zeit schädlichen Einfluß gewinnen könne, hat
mit dem Verdienst der jüngsten Leistung Fräulein Bettelheimʼs nichts
zu schaffen. Ganz unerwähnt kann diese Gefahr nicht lassen, wer
aufrichtigen Antheil an Frl. Bettelheimʼs Zukunft nimmt.
Die Natur übt in ihrem musikalischen Haushalt eine unerbitt
liche Oekonomie, was sie an einem Ende sich abtrotzen läßt,
das raubt sie dafür an dem andern. Altstimmen, die sich zu
Sopranen, Bassisten, die sich zu hohen Baritons hinauftreiben,
verlieren die Kraft und Schönheit ihrer tiefen, mitunter auch
der ganzen Stimme. Wir erinnern an die Stimme Francilla
Pixisʼ, Johanna Wagnerʼs, Staudiglʼs und „die unzäh
ligen Andern, die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden.“
Wir können sogar die Meinung nicht verhehlen, daß, seit unser
trefflicher Bassist Schmid mit Leichtigkeit das hohe Fis (in
den „Hugenotten“ sogar das G) anschlägt, seine tiefen Töne
nicht mehr ganz in jenem wunderbaren, ehernen Metall er
dröhnen, das ihnen früher eigen war. Was Frl. Bettelheim
betrifft, so weiß sie dies Alles ebenso gut wie wir, und wird
gewiß keinen andern als den zweckmäßigsten und vernünftigsten
Weg einschlagen.
In dieser Zuversicht können wir uns daher des großen
und verdienten Erfolges als „Fides“ unbeirrt erfreuen. In
der letzten Vorstellung des „Propheten“ waren noch zwei Rol
len neu besetzt. Herr Rokitansky gab den Grafen Ober
thal in Spiel und Gesang ganz vortrefflich; in dem Terzett
des dritten Actes kam sein guter Triller ihm vortheilhaft zu
statten. Weniger erbaut waren wir von Herrn Dalfyʼs
„Jonas.“ Herr Campe der frühere Darsteller dieses inter
essanten Schlingels, durchschnitt mit dem Zinkenton seiner schar
fen Tenorstimme die Ensembles (und nur in Ensemblestücken
hat Jonas mitzuwirken) weit kräftiger und wußte über
haupt die ganze Figur charakteristischer hinzustellen. Das zahl
reich versammelte Publicum nahm die Vorstellung — so viel
von derselben bei der überlauten Conversation in den Logen der
linken Seite zu hören war — mit großer Befriedigung auf.
Die Wiederaufnahme von Nicolaiʼs komischer Oper:
„Die lustigen Weiber von Windsor“, mit theilweise neuer Be
setzung, schien dem Publicum viel Vergnügen zu machen. In
der That sollte man dies, trotz allʼ seiner Schwächen liebens
würdige Werk niemals völlig vom Repertoire verschwinden
lassen. Der Dichter des Stückes, Mosenthal, hat hier auf
dem unverwüstlichen Grund der Shakespeareʼschen Fabel ein
Textbuch geliefert, das in der Literatur der deutschen komischen
Oper äußerst wenige Rivalen hat. Der Componist, Otto
Nicolai, gab seinerseits diesem letzten Werk den eigen
thümlichsten und freiesten Aufschwung, dessen sein feines, aber
unselbstständiges Talent überhaupt fähig war. Die Ouverture,
das erste Frauenduett, das Duett zwischen Falstaff und Herrn
„Bach“, die Elfenmusik im letzten Finale sind allerliebste
Musikstücke, vieler geistreicher, anmuthiger Einzelheiten gar
nicht zu gedenken. Wir hören die Oper niemals ohne Ver
gnügen, und doch auch niemals ohne Bedauern. Letzteres gilt
der unseligen Zersplitterung und Zerfahrenheit von Nico
laiʼs Talent, das bei einiger Concentration so Erfreuliches,
ja seiner Sphäre Bedeutendes hätte leisten können. Da aber
Nicolai seine Erfolge in ehrgeiziger Hast auf den verschieden
artigsten Wegen suchte, heute Kirchen- und morgen Theater
musik schrieb, heute italienische Opern, morgen deutsche, heute
Tragisches, morgen Komisches, konnte er in allen diesen Fächern
es nur zu glücklichen Anfängen und Einzelheiten, in keinem
zu etwas Ganzem und Vollkommenem bringen. In den „lusti
gen Weibern“, herrscht ein Durcheinander aller Style und
Geschmacksrichtungen, eine Ungleichheit in dem Werth der ein
zelnen Nummern und der Art der Ausarbeitungen, die höch
stens bei dem (weit trivialeren) Flotow ein Seitenstück fin
det. Manche Nummern der „lustigen Weiber“ beginnen in
echt deutscher, mitunter ganz Mozartʼscher Weise, um alsbald
einem wälschen Opernsatz, einer französischen Romanze, oder
auch einer Polka Platz zu machen. Die Stimmen Spohrʼs
und Verdiʼs, Weberʼs und Auberʼs, Lortzingʼs und Donizettiʼs
ertönen bunt durcheinander.
Wie konnte derselbe Mann, der in der Ouverture eine
so feine Instrumentirungskunst entwickelt, in der Oper selbst
jeden Augenblick den rohesten Lärm begehen, mit Posaunen
und großer Trommel die Stimmen decken und den eigent
lichen Lustspielton vernichten? Wie vermochte der Componist
des trefflichen ersten Frauenduetts unmittelbar darauf die
matte, triviale Arie der Frau Fluth folgen zu lassen? Einige
mal sinkt Nicolai aus feiger Gefallsucht so tief (z. B. in dem
Liebesduett mit obligatem Violinconcert), daß sein unberufe
ner Mitarbeiter, Herr Proch, ihn förmlich mit der Hand
erreicht.
Frau Dustmann sang die „Frau Fluth“ äußerst sorg
fältig und spielte mit einer frischen Laune, die bei einer stets
in ernsten Partien beschäftigten Künstlerin auf das ange
nehmste überraschte. Der lebhafte Beifall, den Frau Dust
mann fand, war um so ehrenvoller, als „Frau Fluth“ be
kanntlich zu den beliebtesten Rollen der Wildauer gehörte.
Wir sind nach diesem glücklichen Versuch überzeugt, daß mehr
als Eine Rolle aus Fräulein Wildauerʼs Repertoire in Frau
Dustmann eine sehr gute Repräsentantin finden würde. Fräu
lein Tellheim gab zum erstenmale die kleine, überdies noch
zusammengestrichene Rolle der „süßen Anna“; wir können
nicht viel mehr von ihr melden, als daß sie sehr hübsch aus
sah. Die vorzüglichen Leistungen der Herren Schmid und
Mayerhofer, dann Fräulein Bettelheimʼs sind bekannt.