Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 204. Wien, Dienstag den 21. März 1865 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 204. Wien, Dienstag den 21. März 1865 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 21.03.1865
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Theater und Concerte. ( Schubert-Concert der Philharmoniker. — Gesellschaftsconcert. Orchesterverein und Liedertafel. — „ Paqueretta .“ — Offenbach’sSchöne Helena.“)

Ed. H. Was in Wien für die Errichtung eines Schu bert-Monumentes bisher geschah, ist zum allergrößten Theil das Verdienst des Männergesang-Vereins, der nicht blos die erste Anregung dazu gab, sondern auch die reichlichsten Bei träge erzielte. Das Orchester des Hofoperntheaters hat nun gleichfalls den Entschluß gefaßt und am 19. d. M. ausgeführt, ein „philharmonisches Concert“ zum Vortheil des Schubert- Monument-Fonds zu geben. Wer die Mühen der Vorbereitung eines solchen Concerts und die Verhältnisse der in der Regel vielgeplagten Orchester-Mitglieder kennt, der weiß das Opfer zu würdigen, welches Capellmeister Dessoff , Concertmeister Hellmesberger und die Herren vom Opernorchester hier unaufgefordert einem patriotischen und künstlerischen Zweck dar brachten. Drei von den Orchesterstücken (das Programm be stand ausschließlich aus Schubert’schen Compositionen) waren den Hörern so gut wie neu: zwei Zwischenact-Musiken zu Rosamunde“ und die Ouverture zur Oper „Alfons und Estrella.“ Rosamunde war ein vieractiges Drama der Frau Helmine v. Chezy , in welchem viehhütende Prinzessinnen, kühne Prinzen, gräßliche Tyrannen, Räuber, vergiftete Briefe etc. vom Zufall weislich durcheinandergesetzt, einen romantischen Unsinn vollführen, den heutzutage wol kaum Jemand verdauen würde. Und was veranlaßte Franz Schubert zur Compo sition der Chöre, Tänze und Zwischenact-Musiken zu diesem Schauerdrama? Ein äußerer zufälliger Anlaß, dieselbe „Göttin Gelegenheit“, die ihm zeitlebens die kostbarsten Schätze entlockte, um damit nur zu oft hölzerne Puppen zu schmücken. „Rosa

munde“ war für das Theater an der Wien, und zwar zum Benefice der Demoiselle M. Neumann (später verehelichten Lukas ) bestimmt. Für die hübsche Beneficiantin interessire sich, wie Kreißle berichtet, gar zärtlich Herr Kuppelwie ser , Schubert’s Freund. Er vermittelte, daß Schubert die muskalische Ausstattung der „Rosamunde“ übernahm und in seiner wunderbar raschen Productivität binnen fünf Tagen vollendete. Bei der Anführung im Wiedener Theater (am 20. De cember 1823) gefiel die Musik sehr, ohne jedoch dem langweiligen Schauspiel aufhelfen zu können. „Rosamunde“ wurde nach zwei Vorstellungen für immer zurückgelegt. Auch um die Musik kümmerte man sich nicht weiter, bis sie jetzt, also nach 42 Jah ren, durch Capellmeister Dessoff wieder ans Licht gezogen wurde. Die Entreacts zur „Rosamunde“ gehören zu den inter essantesten und liebenswürdigsten Bekanntschaften, die wir seit langer Zeit im Concertsaal gemacht haben. Nicht der (mitunter mißbrauchten) Pietät für Schubert’s großen Namen bedarf es zum Preise dieser Tonstücke, sie strömen über von der rei zenden Melodienfülle, dem feurigen und doch so lieblichen Er guß seines Gemüthslebens. Namentlich der erste Entreact ist ein echter Schubert und, wie uns dünkt, der werthvollsten einer. Ein marschähnlicher Satz übergeht in einen freien, dramatisch schildernden Mittelsatz, der von dem tremolirenden Fis-moll- Accord an alle Reize der Schubert ’schen Romantik enthüllt. Die Anlehnung an einen bestimmten Moment des Dramas ist augenscheinlich, ohne daß sie jedoch den mit dem Schauspiel unbekannten Hörer in seinem musikalischen Genuß verkürzt.

Dies eigenthümliche, tief leidenschaftliche Stück sagt uns, welch bedeutende dramatische Wirkungen Schubert’s Musik er reicht hätte, wäre ihr jemals eine halbwegs ebenbürtige Dich tung entgegengekommen. Poetische Klötze, wie „Rosamunde“, „die Zauberharfe“, „Alfonso“ und „Fierrabras“ mußten mit

ihrem Centnergewicht selbst Schubert’s Musik rettungslos zu Boden ziehen. Der Strom der Zeit ging darüber hinweg. In unseren Tagen wagen sich rüstige Taucher hinab, lösen den funkelnden musikalischen Schmuck von den versunkenen Klötzen und retten ihn zur allgemeinen Freude wieder ans Tageslicht.

Minder energisch und bedeutend, dafür von einschmeicheln der Zärtlichkeit ist der zweite Entreact, ein liedmäßiger Satz mit zwei Trios, deren eines den reizendsten Wechselgesang zwischen Clarinette und Oboe bildet. Das Thema scheint Schu bert besonders lieb gewesen zu sein, er hat es in das Andante seines A-moll-Quartetts herübergerettet. Beide Stücke wurden überaus schön vorgetragen; das Publicum wünschte offenbar deren Wiederholung, — das nächste Jahr wird sie hoffentlich bringen. Während Schubert in dem ersten Entreact sich vollkommen frei gehen läßt, sich in der Fülle einer reichbewegten Gedankenwelt nicht an die Grenzen einer Zwischenactmusik bindend, hält er sich in der Ouverture zu „Alfonso und Estrellastreng in den knappen Formen der damaligen Ouverturen. Nicht von hervorragender Eigenthümlichkeit oder Größe, mit andern Schubert’schen Instrumental-Werken verglichen, macht doch ihr klarer, lebhafter Melodienfluß, mit dem effectvoll und glänzend aufstürmenden Schluß, einen ganz gewinnenden Ein druck und eignet sich das Stück ganz besonders zur Einlei tungsmusik.

Die große C-dur-Symphonie, an Reichthum und Genia lität der Erfindung die erste seit Beethoven der Zeit wie dem Range nach, beschloß würdig das Concert. Die bedeutenden Längen dieses Werkes sind allerdings nicht wegzuleugnen, die vorherrschende Homophonie und die Gleichförmigkeit des Rhyth mus macht sie ungleich fühlbarer als Aehnliches bei Beethoven. Wir haben die jedesmal und überall constatirte Thatsache auch

bei dieser Aufführung wieder beobachtet, daß das Publicum, welches zu Anfang jedes der vier Sätze sich mit Entzücken dem Melodienzauber hingibt, gegen Ende jedes Satzes und der gan zen Symphonie sichtlich ermüdet. Wir glauben, daß ein häu figeres Vorführen des Werkes auch diese Ermüdung allmälig verringern würde, und empfehlen deshalb das Mittel im all seitigen Interesse. Die übrigen Theile des Programms erlit ten einige unvorhergesehene Lücken: Frau Dustmann hatte zwei Tage vor dem Concert, Herr Walter sogar erst zwei Stunden vor demselben wegen Unpäßlichkeit absagen lassen. Fräulein Bettelheim bewährte, wie so oft schon, ihre rüh menswerthe Bereitwilligkeit, indem sie außer ihren angekündig ten zwei Liedern („Memnon“, „Gruppe aus dem Tartarus“) noch zwei andere („An Anselmo’s Grab“ und „Geheimes“) vortrug. Die beiden letztgenannten gelangen ihr ganz vorzüg lich und riefen stürmischen Beifall hervor. Capellmeister Des soff, der zwischen den anstrengenden Orchesternummern oben drein alle Lieder auf dem Piano begleitete, wurde sammt dem trefflichen Orchester nach jedem Stücke lebhaft ausgezeichnet.

Eine sehr genußreiche Production, die nicht durch Novi täten, aber durch vortreffliche Ausführung bekannter gediegener Werke glänzte, war das dritte „Gesellschafts-Concert“ im großen Redoutensaale. Unter Herbeck’s vorzüglicher Lei tung wurde Haydn’sSymphonie mit dem Paukenschlag,“ Schumann’sSchifflein“ und „Im Walde“ (Vocalchöre), endlich Mendelssohn’sWalpurgisnacht“ aufgeführt. In letztgenannter Composition (neben dem „Sommernachtstraumgewiß die lebensfrischeste und eigenthümlichste des Meisters) sangen die Herren Walter , Bignio und Panzer , dann eine talentvolle, stimmbegabte Schülerin des Conservatoriums, Fräulein Ritter, die Soli mit Liebe und Verständniß. Die wohlgeschulten, herrlichen Stimmen des „Singvereins“ be währten den vortheilhaften Ruf dieser Gesellschaft. Wenige

Tage nach dieser ernsten Production wurde Herrn Herbeck’s Talent von seiner komischen Seite gefeiert: in einer sehr be suchten Liedertafel des Männergesang-Vereins, welcher Herbeck’s „Musikalische Preisausschreibung“ und andere Scherze vom letzten „Narrenabend“ zur allgemeinen Befriedigung wiederholte.

Es wird wol keine allzu starke Indiscretion sein, wenn wir auch einmal von dem „Orchesterverein“ sprechen, der unter den Flügeln „der Gesellschaft der Musikfreunde“ und speciell unter der umsichtigen Leitung des Musikdirectors Heiß ler eine geräuschlose, aber um so vernünftigere und ersprieß lichere Existenz führt. Die Productionen dieses aus Dilettanten zusammengesetzten Vereins bewahren einen familienhaft abge schlossenen Charakter, — er hat nichts von jenem krankhaften Drängen in die Oeffentlichkeit, das der Ruin so vieler „Lieb haber-Concerte“ geworden ist. Einige der letzten Productionen des „Orchestervereins“, insbesondere die gelungenen Aufführun gen Haydn ’scher und Mozart ’scher Symphonien, dann der vollständigen „Egmont-Musik“ von Beethoven (unter aus gezeichneter gastlicher Mitwirkung von Frau Dustmann ) fan den so einhelligen und verdienten Anklang, daß wol auch die Kritik von dem Aufblühen des „Orchestervereins“ und der er folgreichen Thätigkeit Herrn Heißler’s Kenntniß nehmen darf.

Im Kärntnerthor-Theater scheint man nach der Dinorah“ die Verpflichtung gefühlt zu haben, auch das Ballet repertoire mit einer Novität zu bereichern. Man brachte daher ein altes Ballet, „Paqueretta“, zur Aufführung, das vor 12 Jahren hier sehr gefallen haben soll. Nach den officiösen Mit theilungen, welche als wohlmeinende Möven dieser Aufführung voranflogen, waren wir nahe daran, zu glauben, die letzten 12 Jahre seien eigentlich nur ein ununterbrochenes Sehnen und Schmachten nach diesem alten Ballet gewesen. „Paquerettaheißt es und sehr langweilig ist es. Gleich der erste Art ge

währt einen beängstigenden Ausblick auf die absolute Hand lungslosigkeit des Ganzen. Man feiert ein „ländliches Fest“ von unendlicher Länge; voran hüpfen die Tänzerinnen mit Strohbündeln herum, im Hintergrund stehen auf einem roth gedeckten Tisch vier Damen (wahrscheinlich die Jahreszeiten) und über ihnen ein alter Capuziner. Unergründlich, aber wahr. Es folgt eine Recrutirung, bei welcher Paqueretta’s Geliebter Handgeld nimmt, um einem verschuldeten Bauer aufzuhelfen. Paqueretta dringt in Männerkleidung in die Kaserne und hilft ihrem ritterlichen Bräutigam zur Flucht. Auf dieser noblen Unternehmung begriffen, findet er Gelegenheit, die Frau seines Obersten aus Räuberhänden zu retten, und erhält dafür Par don und Heiratsbewilligung. Abermals ländliches Fest, bis zum letzten Herabfallen des Vorhangs während. Die schäbige Ländlichkeit und Häuslichkeit, welche dies ganze Ballet ununter brochen beherrscht, erinnert uns an den Wahlspruch des Freiherrn Gaudy : „Häuslich — scheußlich, Ländlich — schändlich.“

So anziehend, effectvoll und charakteristisch einzelne Tanz scenen in der Oper wirken — das selbstständige große Ballet bleibt im Grunde doch immer eine Schmarotzerpflanze. Als solche kann es eine relative Berechtigung doch nur in der Ent faltung großer, geschmackvoller Pracht finden: in glänzenden Costüms und Decorationen, überraschender Maschinerie, im posanten Massen, bei stets reicher, wechselvoller Handlung und schönem, künstlerisch ausgebildeten Material. Für so lang weilige Genügsamkeiten, wie diese „Paqueretta“, ist die Zeit vorüber. Weder Handlung noch Ausstattung, weder poetische noch komische Wirkung, jeder Schritt, jede Gruppe tausendmal gesehen, und zu alledem das Geleier einer trivialen, zopfigen Musik — „in Mozart ’schem Styl“, wie die Ballettänzer sagen. Das Publicum langweilte sich bis tief in den vierten Act hinein, wo Fräulein Couqui und Herr Frappart ein un garisches Pas de deux ebenso charakteristisch als graciös

tanzten. Wie erquickend frisch und realistisch wirkte das na tionale Element inmitten der grauen Allgemeinheit eines sol chen „idealen“ Ballets! Noch ein hübsches Stück bemerkten wir: den militärischen Tanz der Marketenderin, zu welchem unter Trommelschlag die Soldaten (wie das Orchester bei einem Concertstück) die Begleitung und Tutti-Ritornells tan zen. Dabei muß allerdings die Tänzerin durch charakteri stische Mimik, durch kräftige Anmuth und Schönheit glänzen, nicht blos durch Magerkeit rühren. Wir dachten unwillkürlich an Kathinka Friedberg , die freilich auf ihrem Grafenschloß in Westfalen jetzt andere Dinge zu thun hat. Fräulein Cou qui und Herr Frappart sind Künstler ersten Ranges, aber sie allein können nicht hindern, daß eine aufgewärmte Albern heit wie „Paqueretta“ spurlos vorübergehe.

Noch haben wir mit einigen Worten des theatralischen Ereignisses an der Wien zu gedenken, der „schönen Helenavon Offenbach . Nachdem wir in einer kurzen Notiz bereits bemerkten, daß das Stück mit all’ seiner Frivolität und seiner grotesken Possenhaftigkeit zu den geschicktest angelegten und im Detail ergötzlichsten Arbeiten dieses Genre’s gehört, und daß wir die Musik zu den gelungensten Erzeugnissen Offenbach’s zählen, so bleibt uns eigentlich nichts Wesentliches mehr zu sagen übrig. Der charakteristische Typus der Offenbach’schen Musik ist den Wienern längst bekannt; ein Publicum, das den Orpheus“ nach unzähligen Wiederholungen noch stets mit Vergnügen hört und erst kürzlich die „schönen Georgierinnenmit Enthusiasmus aufgenommen hat, muß sich bei der „ He lena “ nothwendig aufs beste amüsiren. Die Musik zum „Or pheus“ überragt die zur „Helena“ an Frische und ausgelasse ner Lustigkeit, obendrein wirkte jene durch den vollen Reiz einer Neuheit, die bei so fabelhaft fruchtbaren Componisten wie Offenbach unmöglich Jahre hindurch unverringert Stand halten kann. Die „Georgierinnen“ hingegen können sich,

wenn man etwa von dem Pascha-Terzett absicht, mit der Helena“ nicht messen, weder dramatisch, noch weniger musika lisch. Man wird in der „schönen Helena“ vieles ganz Unbe deutende und Triviale finden, auch manche Reminiscenzen an frühere Melodien Offenbach’s, was bei einem Componisten, der binnen zehn Jahren gegen achtzig Singspiele componirt hat, nur zu begreiflich ist. Hingegen hat „Helena“ auch wie der Musikstücke aufzuweisen, die an graciöser Leichtigkeit, an derber, melodiöser Frische und an komischem Effect Offenbach’s besten Einfällen nicht nachstehen. Wir erinnern an die anmu thige Erzählung des Paris im 1. Act, an die hochkomischen Couplets mit Chor-Refrain, womit die griechischen Könige auf treten und sich einzeln vorstellen, an die pikanten Couplets der Helena im 2. Act, an einzelne sehr gelungene Stellen des be denklichen Traumduetts und des zweiten Finales. Im 3. Act begegnen wir zwei Nummern von echt komischer Wirkung: dem „patriotischen Terzett“ und dem Auftreten des falschen Oberpriesters von Cythere.

In dem Terzett reden Kalchas und Agamemnon dem König Menelaus scharf zu Gemüthe, er möge seine Privatgefühle dem Wohl des Landes opfern. Die schlagende Aehnlichkeit der Situation mit jener im dritten Act des „Wil helm Tell“ hebt Offenbach witzig hervor, indem er sein Trio mit den Anfangstacten des Rossini’schen Terzetts beginnen läßt. Im Verlaufe, als Agamemnon die zunehmende Sitten losigkeit Griechenlands schildert, die sich bis auf den Tanz er streckt, erklingt (schnell und discret vorübergehend) als Citat der Galopp-Cancan aus „Orpheus“. Von ergötzlichster Wir kung ist hierauf das Erscheinen des Paris (als falscher Ober priester), der den feierlichen Hymnus der Bewohner von Nauplia mit einem ins hohe cis hinaufjodelnden „Schnaderhüpfel“ beant wortet, das sofort magisch auf die Mienen und die Füße des versammelten Volkes wirkt.

Was die Wirkung der Novität am ersten Abende empfind lich beeinträchtigte, war die allzugroße Länge derselben. Nach dem der erste Act vollständig reussirt und auch noch der zweite gefallen hatte, war das Publicum zu ermüdet, um noch an dem dritten Vergnügen zu finden. Wir kommen mit unserm Rath, das Stück um drei Viertelstunden zu kürzen, schon zu spät, wie wir mit Vergnügen vernehmen; hoffentlich hat das kritische Messer zunächst die lästig ausgesponnene Räthsel scene und das alberne „Gänsespiel“ getroffen, viele Längen im Dialog jedes der drei Acte, einige ganz werthlose Chorcouplets und die äußerst unangenehme Ouverture. Die „schöne Helena“ soll in den letzten bereits sehr abgekürzten Vorstellungen weit ent schiedener als das erstemal gefallen haben. Die glänzende Ausstattung, treffliche Scenirung und die gute Besetzung der Hauptrollen dürfen sich einen großen Theil dieses Erfolges zuschreiben. Fräulein Geistinger sang die „Helena“ sehr hübsch und spielte mit vollendeter Noblesse. Ihre Stimme, in der Höhe etwas angegriffen, ist in den mittleren, noch mehr in den tiefen Tönen voll und schön, noch wohltönender klingt ihr Organ im Sprechen. Herr Swoboda gab den Paris in ebenso ergötzlicher als liebenswürdiger Weise. Die nicht geringen Schwierigkeiten seiner anstrengenden Gesangspartie überwindet er überaus gewandt; hoffentlich ist auch die in Folge der vielen Proben eingetretene Ermüdung seines Organs seit der ersten Vorstellung behoben. Die Herren Rott , Blasel und Friese , für den Gesang nicht ganz ausreichend, spielten mit unwiderstehlicher Komik. Um die kleineren Rollen machten sich besonders Fräulein Klang , Frau Blasel , die Herren Stein und Kaschke (das classische Ajax-Paar) ver dient; um die Uebersetzung ins Deutsche die Herren Zell und J. Hopp . Herr Offenbach , der die drei ersten Vor stellungen selbst dirigirte, wurde mit Applaus empfangen und wiederholt gerufen.