Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 360. Wien, Mittwoch den 30. August 1865 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 360. Wien, Mittwoch den 30. August 1865 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 30.08.1865
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Die Tonkünstler-Societät. (Ein Blatt aus der älteren Musikgeschichte Wiens.)

Wenn man den Hof des „Schönbrunnerhauses“ unter den Tuchlauben durchschreitet und auf der Wendeltreppe so lange hinansteigt, bis man zehnmal den Athem verliert, erreicht man, ich weiß nicht wie viel Fuß über der Meeres fläche, eine Thür, welche die Aufschrift: „Archiv und Kanzlei des Haydn “ trägt. Hier befinden sich in einem freund lichen netten Zimmer die Actenstücke, Geschäftsprotokolle, Verrechnungsbücher und Concertzettel der alten, im Jahre 1862 unter dem Namen „Haydn“ reorganisirten „Ton künstler-Societät“. Durch die dankenswerthe Sorgfalt des Archivars Herrn Lebitschnig befinden sich diese statt lichen Papierstöße in einer Ordnung, welche wir mancher berühmteren und besser dotirten Bibliothek wünschen würden. Wen ein ernstes historisches Interesse leitet, der wird einige in diesem Archiv zugebrachte Vormittage nicht bereuen. Fin den wir doch in der Geschichte des Wiener Concertwesens erst seit der Gründung der „Tonkünstler-Societät“ festen Boden. Diese Gründung fällt bekanntlich in das Jahr 1771 und ist das Werk des wackeren Hofcapellmeisters Florian Gaßmann , welcher damit für die Unterstützung der Witwen und Waisen von Wiener Musikern dauernde Vorsorge treffen wollte. Außer den jährlichen Einzahlungen der Mitglieder bildete bekanntlich der Ertrag von vier jährlichen Akademien — zwei im Advent, zwei zur Fastenzeit — allmälig das Kapital dieses Pensionsvereins. Als erstes regelmäßiges und stabiles Concert-Institut in Wien hat dieser Verein im vori gen Jahrhundert und bis in das zweite Decennium des gegen wärtigen eine musikalische Rolle gespielt, von deren Ansehen

und Bedeutung wir jüngeren Besucher der Burgtheater-Aka demien uns schwer eine Vorstellung machen können.

Die Akademien der Tonkunstler-Societät fanden ursprünglich (von 1772 bis 1783) im Kärntnerthor-Theater statt. Ihre Uebertragung in das musikalisch weit ungünstigere Burgtheater geschah auf Wunsch der Societät. „Nachdem sich,“ so heißt es in deren Sitzungsprotokoll vom 15. Februar 1783, „bei dem Kärntner thor-Theater so verschiedene unausweichliche Unbequemlichkeiten, als Rauch, Kälte, übler Geruch, für das Publicum äußern und zu be fürchten ist, daß der Concours dahin immer mehr abnehme, so wäre bei Sr. Majestät die Erlaubniß, die Societäts-Musiken im Natio nal-Theater in Hinkunft allezeit abhalten zu können, bittlich anzusuchen.“

Salieri wurde mit Ueberreichung der Bittschrift beauftragt, welche den gewünschten Erfolg hatte und leider noch immer (1865) geltend macht. Wir benützen diesen Anlaß, die Direction des „Haydnabermals auf die dringende Nothwendigkeit aufmerksam zu ma chen, das Burgtheater mit einem passenderen Local zu vertauschen. Die oberste Hoftheater-Direction dürfte gegen die Rückkehr der Socie täts-Concerte in das Kärntnerthor-Theater jetzt gewiß eben so wenig einzuwenden finden, als im Jahre 1783 gegen die Einräumung des Burgtheaters.

Es kann ebensowenig meine Absicht sein, hier die Ge schichte der Tonkünstler-Societät zu skizziren, als überhaupt in einem Feuilleton das Ergebniß historischer Forschungen ausführlich und zusammenhängend mitzutheilen. Dies soll an geeigneterem Ort und in anderer Form versucht werden. Einzelne Wahrnehmungen und Thatsachen jedoch scheinen mir interessant genug, um auch einen größeren musikfreundlichen Leserkreis anzuziehen, umsomehr, als sie auf actenmäßiger Grundlage hier zum erstenmale mitgetheilt werden.

Die „Tonkünstler-Societät“ ist diejenige Gestaltung in unserem öffentlichen Musikleben, von welcher noch einige Fäden zum Mittelalter zurückführen. Fürs erste durch ihre directe Unterordnung und Verbindung mit dem uralten

Spiel- und Musikgrafenamt — der Protector und erste Präses der Tonkünstler-Societät war stets der jeweilige Hofmusikgraf — sodann durch einen gewissen Zusammenhang mit der mittelalterlichen Institution der „geistlichen Bru derschaften“.

Unter den vielen frommen Verbindungen, welche als „Bruderschaften“ und „Erzbruderschaften“ auch die Andacht zunftmäßig betrieben, befanden sich in Wien zwei musi kalische: „Die Bruderschaft der Musiker unter dem Schutz des heiligen Niclas “ in der St. Michaels-Pfarrkirche und die „Bruderschaft der Tonkünstler unter dem Schutz der heiligen Cäcilia “ bei St. Stephan. Die erstgenannte repräsentirt geradezu die musikalische Zunft, das mittelalter liche „Privilegium“. Die Musikanten von Wien hatten sie im Jahre 1288 errichtet; um in Noth und Drängniß auch einen weltlichen Schutzherrn zu haben, wählten sie 1354 den Ritter v. Eberstorff , obersten Erbkämmerer von Nieder österreich, zu ihrem Vogt, welcher in dieser Eigenschaft das „Oberste Spielgrafenamt über die Musikanten“ errichtet hat. Alle Musiker des Erzherzogthums, welche ihre Kunst für Geld betrieben, mußten sich in die Zeche und Bruderschaft des hei ligen Niclas einkaufen und einschreiben lassen und standen unter dem Spielgrafenamt zu Wien.

Die „ Cäcilien-Bruderschaft“ der Musiker, 1725 errichtet, war die modernere und vornehmere Congregation. Sie bietet in ihrer Zusammensetzung und Verwaltung einige auffallende Analogien mit der „Tonkünstler-Societät“. Die Mitglieder der „Cäcilien Congregation“ wählten sich zu ihrem „Oberhaupt“ den Prinzen Ludwig Pius von Savoyen , als damaligen „Vorsteher der kaiserlichen Musikund „verhofften sich, daß alle seine Nachfolger die Last dieser Vorstehung auf sich zu nehmen nicht entgegen sein werden“. Die Statuten der Congregation enthalten ferner „die Be

dingnis, daß die Officianten allezeit von dem corpo der Kaiserlichen Musik als die Fundamental-Personen der Congregation genommen werden“. An der Spitze dieser Offi cianten finden wir demnach als immerwährende Decane den Hofcapellmeister Johann Joseph Fux und den Vice-Hof capellmeister Antonio Caldara . Also genau das Verhältniß wie bei der „Tonkünstler-Societät“, deren Protector gleich falls der jedesmalige Vorsteher der kaiserlichen Musik (Hof musikgraf) und deren Präses oder Vice-Präses der erste Hof capellmeister war. Neben diesen „beständigen Officianten“ hatte die Bruderschaft solche, die alle zwei Jahre neu zu wählen waren; diese Functionäre entsprechen ungefähr den „Assessoren“ der „Tonkünstler-Societät“, und wir begegnen unter jenen, genau wie später unter diesen, den vornehmsten Namen der Hofcapelle: Francesco Conti , Joseph Porsile , P. Cassati , Gottlieb Muffat u. s. w. Die verhältniß mäßig große Zahl italienischer Namen, sowie der Um stand, daß die Statuten gleichzeitig in deutscher und italie nischer Sprache erschienen, ist bezeichnend für die höhere vornehme Schicht des Musikerthums, auf welche die cilia-Congregation berechnet war; sie gilt der eigentlichen Kunstmusik, Hochmusik, während die Niclas-Bruderschaft das große demokratische Heer der eigentlichen „Musikantenvereinigte.

Mag man ihn nur stärker oder schwächer finden, sicht bar scheint mir der historische Faden jedenfalls zu sein, der sich aus jenen musikalischen Congregationen zu unserer ehr würdigen „Tonkünstler-Societät“ herüberzieht. Niemandem wird es beifallen, ein Institut wie die Tonkünstler-Societät mit jenen Bruderschaften in Eine Kategorie zu werfen oder ein unmittelbares Hervorgehen der ersteren aus den letzteren zu behaupten. Allein so viel darf man, ohne der Geschichte Ge walt anzuthun, wol aussprechen, daß in der Tonkünstler-

Societät Reminiscenzen an eine und die andere Seite jener Corporation anfingen. Die musikalische Wirksamkeit der beiden „Bruderschaften“ trat jedenfalls nicht in den Vorder grund, sie stand unter dem frommen Zweck. Aber bemerkens werth erscheint in beiden Bruderschaften die corporative Vereinigung der Musiker als Stand; bei St. Niclas in Zunftzwang und Handwerks-Disciplin, bei St. Cäcilia in freiem Zusammentreten der Wiener Tonkünstler zu gottge fällig musikalischen und nebenbei humanen Zwecken. Die „Tonkünstler-Societät“ ist beiden dadurch verwandt, daß auch in ihr die Musiker Wiens als Corporation auftreten und in der Organisation derselben sich an das Vorbild der frommen Congregation halten.

Die „Tonkünstler-Societät“ ist übrigens nicht blos in diesem allgemein culturhistorischen, sie ist auch thatsächlich im civilrechtlichen Sinn Erbe der alten Musiker-Congregation geworden. Als nämlich unter Kaiser Joseph (30. Juni 1783) die in Wien an verschiedenen Kirchen bestandenen Bruder schaften und Erz-Brüderschaften aufgehoben und verboten wurden, richtete die „Tonkünstler-Societät“ ein Gesuch an den Kaiser um Ueberlassung des Fonds der „Cäcilien-Congre gation“ bei St. Stephan, der ihr auch wirklich (im Betrage von 7450 fl.) eingeantwortet wurde.

So sehen wir die Tonkünstler-Societät gleichsam noch im letzten Nachglanze des älteren Zunft- und Privilegien wesens stehend. In der That fühlte sie sich gern als Corpo ration und hatte in ihrer ersten Zeit ein zunftmäßiges Ge schmäckchen. Bei der Würdigung von Componisten pflegte sie offen oder stillschweigend zu unterscheiden, ob dieselben Mitglieder der Societät seien oder nicht, und nahm gegen Außerhalbstehende oder um Aufnahme Ansuchende häufig eine gönnerhafte exclusive Miene an. Patrotische Ereignisse oder große musikalische Erscheinungen, die nicht unmittelbar mit

den Societäts-Interessen zusammenhingen, kümmerten sie nichts. Die im Archiv dieser Gesellschaft aufbewahrten Sitzungsprotokolle (das älteste noch vorfindliche ist vom Jahre 1781) wissen manch charakteristisches Geschichtchen davon zu erzählen.

Gluck war gestorben. Salieri , sein begeisterter Schüler, damals Präses der Societät, beeilte sich, nur mit Beiziehung des „Ausschusses“ dem großen Manne ein Requiem auf Kosten der Societät zu veranstalten. Obwol er sich noch ausdrücklich auf eine mündliche Aeußerung des Kaisers berief, welcher aus Anlaß dieses Sterbefalles zu Salieri bemerkte: „Da wird sich wol die Tonkünstler-Societät auszeichnen,“ wurde diese musikalische Huldigung dennoch „von vernünf tigen Mitgliedern sehr gerügt, indem Gluck nie etwas für die Societät gethan, nicht einmal Mitglied ge wesen war.“ Das feierliche Requiem für Gluck fand am 8. April 1788 in der Pfarrkirche „am Hof“ statt; es wurde unter Salieriʼs Leitung Gluckʼs „De profundis“ und ein Requiem von Jomelli aufgeführt.

Als im selben Jahre (1788) der Hofcapellmeister Bonno starb, welcher durch vierzehn Jahre Präses der So cietät gewesen, beantragte sein Amtsnachfolger Salieri gleich falls, das Andenken dieses wackern Künstlers durch ein feier liches Requiem zu ehren. Der Vorschlag wurde „der Conse quenzen wegen“ abgelehnt.

Nicht blos die verstorbenen, auch die lebenden Meister mußten mitunter den zünftigen Hochmuth der Societät erfah ren. Joseph Haydn hatte bald nach Errichtung der Societät um die Aufnahme angesucht, d. h. er wollte gegen den statu tenmäßigen Geldbetrag, wie jedes andere Mitglied, für die Zukunft seiner Frau sorgen. Ueberdies hatte er die Cantate Il ritorno di Tobia“ geschrieben und — gleichsam als

künstlerisches Einkaufsgeld — der Societät für ihre Akade mien angetragen. Die Gesellschaft knüpfte aber die Aufnahme Haydnʼs außerdem an die ebenso willkürliche als unbescheidene Forderung, Haydn müßte sich verpflichten, auf jedesmaliges Verlangen für die Akademien der Gesellschaft Cantaten und Symphonien zu componiren. Auf den Wunsch des hierüber aufgebrachten Fürsten Eszterhazy zog Haydn sein Gesuch zu rück. Im Jahre 1781 wünschte die Societät, Haydnʼs Ora torium: „Il ritorno di Tobia“ aufzuführen, und ersuchte den Componisten, Aenderungen und Kürzungen in der Par titur vorzunehmen. Haydn erwiderte, „daß, wenn ihm die Societät Benefice-Billeten oder eine andere Bonification für seine Mühe und Spesen versichern würde, er sowol die Sym phonien als Chori abzukürzen und auch die Proben und Pro ductionen selbst zu dirigiren übernehmen wollte, indem er sich schmeichelt, daß die Societät seiner großen Bekanntschaften und allgemeinen guten Rufes wegen schon um 100 Ducaten mehr einnehmen könnte.“

Anstatt sich durch diesen Antrag geehrt zu fühlen, beschloß die Societät in ihrer Sitzung vom 25. October 1781, „die sen Prätensionen wegen künftiger Folgen durch die Auswahl eines anderen Oratorii auszu weichen.“

Wirklich lehnte man Haydnʼs Anerbieten ab und gab anstatt des projectirten „Tobia“ das Oratorium „Elenavon Hasse.

Es verging ein Decennium. Die Societät machte mit den Symphonien und Cantanten Haydnʼs die besten Geschäfte, Haydnʼs Musik herrschte in jedem Hause, in jedem Concert saal, endlich kam der Meister selbst ruhmgekrönt von seinem englischen Triumphzuge zurück, in den Augen seiner Lands leute um noch einmal so groß. Er dirigirte bereitwillig seine Londoner Symphonien in der Societäts-Akademie zu Weih

nachten 1793. Da empfand es denn endlich auch die Ton künstler-Societät als eine sich selbst angethane schwere Züch tigung, daß sie Haydn so respectlos begegnet war, und wünschte diesen Makel nach Möglichkeit und in demonstrativer Form zu tilgen.

Ueber Antrag des Secretärs Paul Wranizky beschloß die Societät die unentgeltliche Aufnahme Haydnʼs, um einestheils (wie das Protokoll sagt) „die Insolenzen, die ihm früher von der Instituts-Verwaltung angethan wurden, wieder gutzumachen, anderseits ihm für die durch seine Compositionen der Societät erwiesenen Wohlthaten zu danken“. Es wurde am 11. December 1797 eine feierliche Sitzung veranstaltet, welcher ausnahmsweise der Protector Graf Kuef stein selbst als Vorsitzender und Graf Eszterhazy als Gast beiwohnte. Haydn wurde in den Sessionssaal geführt, mit Vivatrufen begrüßt und nach einer vom Secretär gehaltenen Anrede unter freudiger Acclamation zum „Assessor seniorder Gesellschaft ausgerufen.

Wie großartig Haydn, dessen größte Thaten, „Schöpfungund „Jahreszeiten“, noch bevorstanden, der Societät diese Assessorwürde lohnte, ist männiglich bekannt.

Leider war der kastenmäßige Dünkel der Societät damit noch keineswegs erloschen. Wir wollen nicht bei der Eng herzigkeit verweilen, mit welcher die Societät im Jahre 1813 inmitten des allgemeinsten patriotischen Enthusiasmus den Antrag, eine Akademie zum Besten der verwundeten öster reichischen Krieger zu geben, verwarf. Vielleicht konnte sie nicht vergessen, daß ihr erster und einziger Versuch einer poli tischen Aeußerung, nämlich die beabsichtigte Aufführung einer Friedenssymphonie “ von Wranizky, durch a. h. Ent schließung des Kaisers vom 20. December 1797 verboten worden war.

Aber zwei Facta aus neuerer Zeit müssen wir mit tie

fer Beschämung noch mittheilen. In der Sitzung vom 27. Mai 1830 wird dem Joseph Lanner die Aufnahme die Societät versagt, „weil er bei der Tanzmusik ist“! Während man die obscursten Orchester-Mitglieder mit Vergnügen in die Societät aufnahm, wies man einem Com ponisten von dem glänzenden Talent und der beneidenswerthen Popularität Lannerʼs die Thür. Der echte Zunftgeist und Corporations-Dünkel! Die zweite Geschichte ist nicht minder schmerzlich. Felix Mendelssohn hatte zugesagt, die erste Aufführung seines „ Paulus “ in Wien am 7. und 10. No vember 1839 selbst zu dirigiren. Er erbot sich bei diesem Anlaß (durch die Gesellschaft der Musikfreunde, am 14. No vember ein Concert zum Besten der Tonkünstler Societät zu geben, worin er einige neue Compositionen zur Aufführung bringen und selbst als Clavier-Virtuose auf treten wollte. Die Societät sollte das Concert besorgen und den ganzen Reinertrag erhalten. Dieses ebenso großmüthige als schmeichelhafte Anerbieten wurde „aus verschiedenen Grün den“ abgelehnt! Man traut seinen Augen nicht, wenn man dies Sitzungsprotokoll vom 11. September 1839 liest! Die ehrwürdige Tonkünstler-Societät schien eben nur bares Geld annehmen zu wollen, wie z. B. die 1200 fl., welche Thal berg ihr im October 1845 (als Ertrag eines Concertes) schenkte. Daß aber ein Concert von Mendelssohn so gut sei wie bares Geld und sein Name so wohlingend als der Thalbergʼs, davon hatten die Herren Hof- und Vice- Hofcapellmeister offenbar keine Ahnung. Aus allen diesen Thatsachen spricht äußerst charakteristisch ein Nachhall ererbten Zunft- und Privilegien-Geistes. Da er in dem gegenwärtigen Institut des „Haydn“, wie allgemein bekannt, seit lange voll ständig verschwunden ist, so waltete kein Bedenken ob, jene historischen Charakterzüge aus vergangener Zeit hier mitzu theilen. Dr. Eduard Hanslick .