Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 385. Wien, Sonntag den 24. September 1865 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 385. Wien, Sonntag den 24. September 1865 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 24.09.1865
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Der österreichische Adel und die Musik. I.

Ed. H. In der älteren Musikgeschichte Oesterreichs bil den die Privatcapellen der reichen Aristokraten einen ungemein wichtigen, bisher kaum nach Gebühr gewürdigten Factor. Obwol die aristokratischen Musik-Productionen ihrer Natur nach die Oeffentlichkeit ausschlossen, wirkten sie dennoch mit telbar auf das Allgemeine, weil sie gewissermaßen das noch fehlende öffentliche Concertleben vertraten und das sich ent wickelnde stark beeinflußten.

Die reichsten, angesehensten Cavaliere Oesterreichs, die Schwarzenberg, Lichtenstein, Thun, Lobkowitz, Kinsky, Gras salkowitz, Eszterhazy u. s. w., hielten ehedem Privatkapellen, d. h. Musiker, die vollständig in ihren Diensten standen,

fürstliche Angestellte oder Hausbeamten waren. Den Winter meist in Wien, den Sommer auf ihren Gütern verbringend, waren diese Edelleute hier wie dort von ihren Musikkapellen gefolgt.

Der Besitz einer vorzüglichen Privatcapelle war ein Ge genstand aristokratischen Ehrgeizes, und jedenfalls nicht der schlechteste. Wer sich desselben rühmen konnte, producirte ihn gern in Wien zum Vergnügen der geladenen vornehmen Ge sellschaft. Es waren Privat-Aufführungen, Genüsse der Privilegirten, trotzdem drang ihr Ruhm mitunter weit ins Land.

Eine der berühmtesten Privatcapellen war die des Feldmar schalls Joseph Friedrich Prinz von Sachsen-Hildburghau sen (geb. 1702, † 1787). Dieser leidenschaftliche Musikfreund, ein Liebling Maria Theresia’s, gab in seinem Palais (dem jetzt Fürst Auersperg’schen am Josephstädter Glacis) dem hohen Adel allwöchentlich Akademien. Hofcapellmeister Bonno war gegen einen jährlichen Ehrensold mit der Leitung dieser großen, den ganzen Winter hindurch an Freitag-Abenden statt findenden Concerte engagirt. Als Gluck 1751 aus Italien zurückkam, wurde er gleichfalls dafür gewonnen und dirigirte meist bei der ersten Violine. Am Abend vor dem Concert wurde jedesmal Probe gehalten und die Capelle durch eine Anzahl der besten Orchesterspieler Wiens (sie hatten an Frei tagen kein Theater) verstärkt. An der Spitze dieser Capelle stand Dittersdorf (damals noch unadeliger „ Ditters “) als Primgeiger. Kam ein ausgezeichneter Virtuose nach Wien, so mußte Bonno zuvor wegen des Honorars mit ihm unterhandeln und ihn dann zur Mitwirkung einladen. Als der Prinz im Jahre 1759 Wien verließ, übernahm das kaiserliche Hof theater Dittersdorf und die vorzüglichsten Mitglieder der Capelle.

Die Vorzüglichkeit der Fürst Eszterhazy ’schen Capelle in Eisenstadt und ihre musikgeschichtliche Bedeutung ist be kannt, im Winter folgte sie dem Fürsten nach Wien. Für sie hat Haydn seine meisten Instrumentalwerke, ja sogar Opern

gesetzt, nachdem er früher im Dienste des böhmischen Grafen Morzin , also ebenfalls für eine Privatcapelle, seine erste Symphonie geschrieben hatte. Capellen wie die Hildburg hausen’s, Eszterhazy’s, Lobkowitz’, Schwarzen berg’s wurden zu den integrirenden Bestandtheilen des Wiener Musiklebens gezählt; die Stadt war stolz darauf, wenn sie auch wenig oder nichts davon genoß. Als letztes Glied dieser musikalischen Kette kann man das berühmte Rasumowski’sche Quartett“ betrachten, das für Beetho ven und durch Beethoven so große Bedeutung erlangte. Es ist der Schlußring, kleiner, aber kaum weniger werthvoll als die übrigen. Ein letzter, spätester Nachhall endlich war das treffliche Streichquartett des Fürsten Czartoryski , das — mit Mayse der als Primgeiger — allerdings nicht „in fürstlichen Diensten“ stand, aber einmal wöchentlich viele Jahre hindurch sich in der Woh nung des greisen Fürsten versammelte und für ihn und die wahr haft Musikliebenden seiner Bekanntschaft sich producirte.

Die Blüthezeit dieser fürstlichen Capellen breitete sich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus, gegen Ende dessel ben verstummten sie allmälig. Das „Jahrbuch der Tonkunstvom Jahre 1795 gibt an, daß in Wien „außer der fürstlich Schwarzenberg’schen Capelle fast keine mehr existirt“. Fürst Grassalkowitz hatte seine Capelle auf Harmoniemusik reducirt, außerdem hielt Baron Braun eine Harmonie als Tafel musik. In Prag bestand zur selben Zeit (1795) außer der gräflich Pachta ’schen Harmoniemusik keine Capelle mehr. Und doch war die Zahl derselben zweifellos am größten eben in Böhmen gewesen, wo das musikalische Talent der Nation und die bis in die letzte Volksschichte verbreitete Geschicklich keit auf einem oder dem andern Instrument die Sitte der Privatcapellen so ungemein unterstützte. Die böhmischen Ca valiere brauchten nicht theure Musiker blos der Musik halber zu engagiren, sie forderten einfach von ihren Beamten und Bedienten musikalische Kenntnisse. Die Büchsenspanner in adeligen Häusern durften nicht eher die Livree anziehen, als

bis sie das Waldhorn vollkommen blasen konnten. Ein böhmischer Cavalier, Graf Spork , brachte zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die ersten Waldhornisten aus Frankreich nach Böhmen — von ihnen erlernten die Böhmen dies Instrument, auf dem sie es so häufig zur Virtuosität bringen. Gyro wetz erzählt in seiner Selbstbiographie, wie er beim Grafen Fünfkirchen in Chlumetz Symphonien und Serenaden zu com poniren anfing, „weil damals die ganze Dienerschaft, alle Beamten und auch die geistlichen Herren sämmtlich musikalisch sein mußten“. Solche Privat capellen zogen verborgene Talente aus dem Dunkel und mach ten die Ausgebildeten — bei Gelegenheit von Tafelmusiken, Serenaden, Concerten — schnell bekannt. Die Rolle, welche Böhmen, als musikalischer Werbbezirk von ganz Deutschland, zur Zeit der fürstlichen Privatcapellen spielte, war bedeutend. Zur Zeit des größten Glanzes der italienischen Capelle und Oper in Dresden zog man eine große Anzahl böhmischer Künstler dahin. Viele warteten diesen Ruf gar nicht ab, denn da sie von ihrer Herrschaft häufig nur als Bediente behandelt und bezahlt wurden, entwischten die Geschickterern bei günstiger Gelegenheit und zogen, ihr Instrument unter dem Arm, in die weite Welt.

In der Sitte der Privatcapelle lag ein musikalisches Culturmoment von großer Tragweite. Wer ein solches Haus orchester besaß, wünschte natürlich auch möglichst viel neue und effectvolle Compositionen für dasselbe. Sie muß ten von dem Componisten geliefert werden, der als solcher „in Diensten“ stand, oder wurden bei einem anderen be liebten Tonsetzer bestellt. Die Folge war eine große Anre gung zum musikalischen Schaffen. Dem sich immer erneuern den Verbrauch und Begehr entsprach eine sich immer er neuernde Production. Ein Haydn , Gyrowetz , Dit tersdorf entbehrten nie der künstlerischen Anregung, sie brauchten für ein Orchester, für ein Publicum, für einen Verleger nicht zu sorgen. Indem diese Tondichter Instru

mental- und Gesangskräfte, die sie genau kannten, jeden Mo ment zur Verfügung hatten, gewannen sie spielend die Tech nik ihrer Kunst, sie lernten praktisch setzen und mit kleinen Mitteln effectuiren.

Hingegen führte das Verhältniß auch manche Nachtheile mit sich. Fürs erste das Schnell- und Vielschreiben der Componisten. Sie mußten einem enormen Hör- und Spiel bedürfnisse begegnen, das mehr auf angenehme Abwechslung und unterhaltende Beschäftigung, als auf Tiefe und Größe des Gebotenen ausging. Die Componisten folgten in der Regel nicht ihrer Inspiration, sondern dem Befehle des eige nen, der Bestellung des fremden „Herrn“. Da sie nicht für ein großes, selbstständiges Publicum, sondern stets nur für einige kleine Kreise schrieben, so durften sie sich’s leicht machen, sich ungestraft wiederholen. Man schrieb und be stellte immer gleich sechs Symphonien, zwölf Trios, zwölf Quartette u. s. w. Diese massenhafte Production hin derte die Vertiefung des einzelnen Werkes und ist schuld, daß zahllose Instrumental-Compositionen Haydn’s und Mozart’s — von Dittersdorf und Gyrowetz nicht zu reden — vom Strome der Zeit rasch und rettungslos weggespült worden sind. Beethoven , der keinem Herrn diente und keine Privatcapelle zu versorgen hatte, war der erste Instru mental-Componist, der nicht, wie seine Vorgänger, massenhaft componirt hat.

Die persönliche Stellung des Componisten oder Kammer musicus zu seinem hochgeborenen Herrn hatte ferner etwas nach unsern Begriffen Unangemessenes, mitunter Unwürdiges. Das „Patriarchalische“ hat stets zwei Seiten: die gemüthliche einer väterlichen Fürsorge und die unwürdige einer hoch müthigen Bevormundung. Ohne Zweifel lag in jenem sub ordinirten Verhältniß der Künstler zu ihrem Dienstherrn und Beschützer manches gemüthliche Element, ganz so wie auch die Regierung Friedrich’s des Großen oder des Herzogs Karl von Würtemberg nicht ohne patriarchalischen Reiz war. Die künst lerischen, insbesondere die musikalischen Zustände des 18. Jahr

hunderts bis in den Anfang des 19. waren dicht verflochten mit den politischen und socialen Lebensformen jener Zeit; wir vermögen für unser Theil weder das Eine noch das Andere zurückzuwünschen. Der fürstliche Herr pflegte nicht blos die Kunst, sondern auch die Person des Künstlers zu bevormunden. Mozart mußte die Erlaubnis seines Erz bischofs haben, wenn er in einer öffentlichen oder Privat- Akademie spielen wollte, und klagte oft bitter über deren bös willige Verweigerung, die ihn an seiner künstlerischen Repu tation wie an seinem Einkommen empfindlich schmälerte. Hingegen wurde Mozart vom Erzbischof auch in fremde ade lige Häuser, heute hierhin, morgen dorthin zum Musikmachen „befohlen“. Ja mitunter übten nicht souveräne große Herren ungenirt eine ganz selbstständige Strafgerichtsbarkeit über ihre Kammer-Virtuosen, wie denn Prinz Hildburghausen den flüch tig gewordenen Dittersdorf nicht nur in Prag aufheben und nach Wien zurückbringen ließ, sondern ihm hier aus eigener Macht vierzehn Tage Arrest, jeder vierte Tag bei Wasser und Brot, dictirte. Die bedientenhafte Abhängig keit von einem hochmüthigen Magnaten erzeugt nur zu leicht unwürdige Demuth. Als Dittersdorf Capellmeister und Kammercomponist des Bischofs von Großwardein wurde, war seine erste Bitte, der Bischof möge ihn „du“ nennen. Er war es von seinen früheren Herren nicht anders gewohnt. Man weiß, wie viel Mozart sich mußte gefallen lassen und gefallen ließ, ehe er den „patriarchalischen“ Käfig endlich durchbrach.

Aber auch noch viel später sehen wir die Künstler frei willig die Livree ihrer Herrschaft vor dem großen Publicum tragen. Sie ließen als reisende Virtuosen, auf öffentlichen Anschlagzetteln den Titel: „Kammermusicus des Herrn Grafen N. N.“ oder „in Diensten Sr. bischöflichen Gnaden X. Y.“ um keinen Preis weg. Durch dieses vornehme Halsband fühlten sie sich hoch über ihre frei einhergehenden Collegen erhoben. Noch in den Zwanziger-Jahren schrieben sich Schuppanzigh , Linke und Weiß stets „in Diensten Sr.

Excellenz des Herrn Grafen v. Rasumowski“, Moscheles concertirte als „fürstlich Eszterhazy’scher Kammer-Virtuos“, ja selbst der Componist Tomaschek in Prag legte, nachdem er seit Decennien außer jeglichem Dienstverhältniß stand, auf den bloßen Titel: „Compositeur des Herrn Grafen Bouquoihinlänglichen Werth, um ihn seinem Namen auf jedem Noten blatt beizusetzen.

Die Sitte der Großen des vorigen Jahrhunderts, be rühmte Componisten oder Virtuosen in ihren Diensten zu haben, trug am meisten dazu bei, die unterthänige Stellung des Künstlers auch noch länger hinaus festzuhalten. Noch Spohr wurde es 1805 zugemuthet, sich am Stuttgarter Hofe hören zu lassen, während die hohe Gesellschaft Karten spielte. Man kann sagen, daß Beethoven zuerst diesen Bann der Unterthänigkeit gebrochen und dem Musiker die volle, freie Manneswürde zurückgegeben habe. Obwol durch vielfache Bande an die höchste Aristokratie gefesselt, ihr be freundet und verpflichtet, bewahrte Beethoven doch sein stolzes Künstlerbewußtsein, benahm sich als ihresgleichen und ließ in seinen Handlungen sich so wenig von ihr beeinflussen, als in seinen musikalischen Ideen. Wir ersehen aus manchen Beispielen, wie die Willkür, das Unredlich-Patriarchalische dieses musikalischen ancien régime sich auch in dem Leicht sinn und der laxen Moral äußerte, womit hochgeborne Musik freunde die verschiedensten Aemter und Anstellungen verliehen, blos um die musikalischen Talente des Angestellten sich nutz bar zu machen. Der Fürstbischof von Breslau , welchem Dittersdorf als Componist und Violinspieler unentbehr lich geworden war, den er aber doch nicht in dieser Eigen schaft theuer bezahlen wollte, gab ihm erst die Stelle eines Forstmeisters, dann die eines Amtshauptmannes und Regie rungsrathes in Freiwaldau, wo er „Politica, Publica et Judi cialia“ zu amtiren hatte. Dittersdorf hielt sich beständig bei seinem Herrn in Johannisberg auf, und ein „Verweser“ be sorgte seine Amtsgeschäfte in Freiwaldau. Da überdies die ses Amt stets an Adelige verliehen worden war, verschaffte

der Fürstbischof dem melodienreichen Amtshauptmann auch den Adel. Als man Gyrowetz , der des musikalischen Umherzigeunerns müde war, in Wien nicht gleich einen Capell meisterposten geben konnte, machte man ihn zum k. k. Hof concipisten und verwendete ihn bei der Hauptarmee, wo er mitunter die wichtigsten Courierdienste verrichtete. Mit Depeschen aus dem Hauptquartier nach Wien geschickt, erhielt Gyrowetz von Baron Braun den Antrag, Capellmeister am Hofoperntheater zu werden, was natürlich ebenso schnell an genommen wurde. Von C. M. Weber’s Thätigkeit als Secretär des Herzogs von Würtemberg weiß die von seinem Sohn verfaßte Biographie merkwürdige Dinge zu berichten. Wir glauben, wenn Mozart (im Jahre 1781) seine Rück kehr zum erzbischöflichen Hof davon abhängig gemacht hätte, beim Consistorium in Salzburg angestellt zu werden, man wäre vielleicht auch darauf eingegangen.

Noch mehr als über die Person des Kammermusicus übten jene fürstlichen Beschützer auf die Werke desselben gerne ein anmaßendes Privilegium aus. Wer zum Gebrauch seiner Capelle für sein Geld Compositionen bestellt hatte, wollte sie in der Regel auch für sich allein besitzen. Die Ton kunst, die frei wie Luft und Wasser alle Menschen erquicken sollte, wurde gräfliches oder fürstliches Privateigenthum. Es bedurfte einer besonderen Großherzigkeit oder Gleichgiltigkeit des hohen Bestellers, oder eines günstigen Zufalls, damit die von ihm erworbenen Tondichtungen auch der ganzen Welt zu statten kommen durften. Die Geschichte der Musik hat uns viele merkwürdige Verhältnisse dieser Art aufgezeichnet, und die meisten ohne Zweifel hat sie nicht aufgezeichnet. So war einer der größten Verehrer Gaßmann ’scher Musik Graf Dietrichstein, der dem Componisten für sechs Symphonien oder Quartette immer hundert Ducaten zahlte, wofür er aber verlangte, daß Niemand außer ihm sie erhalten sollte. Gaß mann erfüllte den Vertrag so genau, daß er diese Compo sitionen nicht einmal dem Kaiser (Joseph II.) gab, der sie wiederholt zu hören verlangte. Nach Gaßmann’s Tode

wünschte der Kaiser, Dietrichstein möchte die Sachen stechen lassen, dieser that es aber durchaus nicht. Eine Menge Com positionen von Haydn , Mozart u. A. wurden nie gedruckt, nie bekannt, blos weil sie von ihren Bestellern als Privat eigenthum gehütet wurden. Ja dies Verhältniß, das uns heutzutage so fremdartig berührt, reicht noch in einzelnen Beispielen bis in die neueste Zeit. So stand Spohr wäh rend seines Wiener Aufenthaltes in den Jahren 1812 und 1813 in einem drückenden Abhängigkeits-Verhältniß zu einem reichen Fabrikanten, Namens Tost . Dieser eitle Musikfreund zahlte Spohr ein angemessenes Honorar dafür, daß ihm das Eigenthum aller Compositionen, die Spohr noch schreiben würde — also ein Glückskauf — auf drei Jahre gehöre. Während dieser drei Jahre durften keine dieser Compositionen veröffentlicht oder ohne ausdrückliche Bewilligung und anders als in Gegenwart Tost’s in irgend einer Gesellschaft gespielt werden. Es liegt etwas überaus Engherziges, Eigennütziges in solchem privilegirten Besitz, etwas, das mitunter an die Figur des Geizhalses Don Gregorio in Hebbel’sTrauerspiel in Sicilien“ erinnert, welcher ausruft: „Hei, wenn es mir gefällt, die ganze Ernte Im Halm zu kaufen und sie steh’n zu lassen, Für’s Wild und für die Vögel: Kümmert’s wen? Ich glaube nicht, wenn ich nur zahlen kann! — — — — — — — Wär’ ich blind, So kauft’ ich mir die besten Bilder auf Und hinge sie in einem Saal herum, Den außer mit kein Mensch betreten dürfte; Und wär’ ich taub, so setzt’ ich die Capelle Aus allen großen Virtuosen mir Zusammen, die mir täglich spielen müßte, Mir ganz allein und keinem Andern mehr; Dann hätte Rafael nur für mich gemalt Und Palestrina nur für mich gesetzt. — — — — — — — — — — — Und wenn ich all’ das Zeug verbrennen ließe, Die heiligen Familien und Messen, So wär’s vorbei mit der Unsterblichkeit!“