Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 517. Wien, Mittwoch den 7. Februar 1866 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Stoxreiter, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 517. Wien, Mittwoch den 7. Februar 1866 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 7. Februar 1866
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Hofoperntheater.

Ed. H. Wir haben selten Gelegenheit, vom Hofopern theater zu sprechen. Es ist gar zu schwer, diesem abgelebten Repertoire noch einen Stoff abzuringen, und gar zu geschmack los, sich allwöchentlich mit oder ohne Witz über Herrn Salvi herzumachen, der sich niemals wehrt und wahrscheinlich auch nicht mehr ändert. Ueberdies hat er mehr Glück als — man cher seiner strebsamsten Collegen. Alle Jahre etwa greift ihm eine durchschlagende Novität unter die Arme — sehr wenig in der That — mit welcher man sich denn geduldig bis zur folgenden fristet. Vor sechs Wochen lebte die Oper noch von dem letzten Nachglanz der „Dinorah“, jetzt lebt sie bereits von dem Vorgeschmack der „Afrikanerin“. Auf diesen braunen Bissen kann sich Niemand mehr freuen, als wir, und wäre es nur, damit endlich dieses vorbereitende Geschwätz und Ge tümmel zu Ende komme. Es ist, als wollte man dem Publi cum die ganze Sache durch lauter spannende Notizen und Bulletins vorzeitig verleiden. Der betäubende Manilabaum der „Afrikanerin“ scheint jetzt schon sämmtliche Gehirne meyerbeerisirt zu haben; ein traumhafter Zustand, in welchem man der Direction das ganz kleine Versehen kaum imputiren kann: Mozartʼs Geburtstag vergessen zu haben. An diesem Tage (27. Januar) spielte man im Hofoperntheater Verdiʼs Trovatore“. Zuerst hatte das Repertoire für diesen Abend Die Stumme von Portici“ angesetzt, dann entschied man sich für „Die lustigen Weiber“, der „Trovatore“ paßte aber doch noch besser. Es dürften außer Wien alle bedeutenderen Büh nen Deutschlands den Geburtsatg des großen österreichischen Meisters gefeiert haben. Der bescheidene Musentempel zu Frankfurt am Main brachte an dem Festabend sogar eine bisher noch unbekannte Oper Mozartʼs: die „Zaïde“ (aus dem Jahre 1780), zur Aufführung, überdies an den vorher gegangenen Tagen des Januar nicht weniger als fünfMo zartʼsche Opern („Così fan tutte“, „Idomeneo“ „Don Juan“, Figaroʼs Hochzeit“, „Zauberflöte“), endlich in Concertform noch den „König Thamos.“ Das Alles hatte man sich hier offen bar unter dem „Trovatore“ gedacht. Wir sind weit entfernt, ein im Grunde äußerliches Zusammentreffen als großes Un glück für die Kunst auszurufen, ein peinliches Symptom jedoch ist es ohne Frage, daß man in WienMozartʼs Ge burtstag nicht mehr weiß.

Nach der „Dinorah“ huschte allerdings noch eine Novi tät über die Bretter. Versunken und vergessen, das ist „Des Sängers Fluch“ — von Langert. Seither treibt sich unsere Oper in dem engen Kreis von „Hugenotten“, „Robert“, „Trova tore“, „Rigoletto“, „Lucia“ und „Martha“ herum. Auf diesem trostlos abgeweideten Boden machten sich in jüngster Zeit allenfalls zwei Reprisen bemerkbar, die mit Hilfe eines ga stirenden Sängers, Herrn Gunz, aufgekeimt sind: „Die Nachtwandlerin“ und „Die Entführung aus dem Serail“. Ob die „Sonnambula“ wirklich ein dringendes Bedürfniß für unsere deutsche Oper war, möchten wir bezweifeln; erscheint sie doch „mit jedem jungen Jahr“ als Italienerin bei uns, diese Musik für fromme Hirten. Gegen Belliniʼs „Nacht wandlerin“ fühlen wir uns bis zur Ungerechtigkeit eingenom men und haben deßhalb kaum eine vollgiltige Stimme dar über. Musikalisch abgehärtet und geduldig, wie es alten Käm pen ziemt, erschrecken wir doch tödtlich, so oft eine neue Be setzung der „Nachtwandlerin“ uns auf den richterlichen Sperr sitz ruft. Es ist ein wahres Bacchanal der Langweile, wobei statt des Weines eine musikalische Bettelsuppe von Wasser, Milch und gekochtem Vergißmeinnicht servirt wird. Ein An dante nach dem andern, alle auf demselben arpeggirten Drei klang, alle auf der Terz anhebend, alle im zweiten Theil nach der nächstverwandten Molltonart modulirend. Kommt einmal doch ein Allegro, so klingt es so trivial, lacht so albern in seinen Zwischensätzen von Flöten und Clarinetten, daß man sich wieder nach Andantes sehnt. Sie kommen nur zu bald, und wie mit geöffneten Adern verschmachtet man in diesem warmen Bad von Terzen und Sexten. So armselige, lächer liche Chöre endlich findet man kaum in irgend einer andern namhaften Oper.

Bleiben somit zwei bis drei wahrhaft schöne empfin dungsvolle Melodien, die ihren Ruhm verdienen und auch uns entzücken würden, stünden sie allein oder wo anders. Norma“, vor der wir den Hut ziehen, steht wie eine clas sische Riesenstatue daneben.

Die Musik zur „Norma“ war ein fast unbegreiflich ho her Flug dieses zarten, von der Kunst nur wenig gestützten Talentes, ein Flug, von dem es mit gebrochenen Schwingen zurückkehrte.

Das Libretto der „Nachtwandlerin“ ist bei aller Ein fachheit gar nicht zu verachten. Es hat eine sehr verständige Anlage und Steigerung; die Hauptmomente sind wirksam, und jeder einzelne Vers empfängt den Componisten mit offe

nen Armen. Der Höhenpunkt der Handlung (II. Finale) ruht, seltsam genug, auf demselben psychologischen und dra matischen Motiv, welches den tragischen Conflict in Weberʼs Euryanthe“ herbeiführt. Hier wie dort eine des Treubruchs scheinbar überwiesene Braut, die mit dem reinsten Bewußtsein ihrer Unschuld dennoch der Anklage wehrlos gegenübersteht. In der „Nachtwandlerin“ ist diese tragische Wendung ungleich besser behandelt; sowol die pathologische Unzurechnungsfähig keit Aminaʼs, als der geringe Bildungsgrad ihrer naiven Um gebung lassen den Eindruck des Unvernünftigen und sittlich Verletzenden nicht aufkommen, den wir bei der empörenden Verurtheilung Euryantheʼs empfinden. Erwähnen wir noch, daß der Stoff zur „Nachtwandlerin“ von Scribe herrührt, der ihn interessant genug für eine zweimalige Bearbeitung fand (als Vaudeville und als großes Ballet, nach welchem letzteren Romani sein italienisches Libretto bildete), so wird kaum mehr zweifelhaft erscheinen, wenn die Hauptschuld an der großartigen Langweiligkeit der „Sonnambula“ trifft. Bel lini hat fast alle Gelegenheiten zum Auftragen kräftigerer Schatten und wechselnder Beleuchtung unbenützt gelassen. Hätte Bellini zu seiner gefühlvollen Weichheit die leichtblüti gere Grazie Donizettiʼs und die Energie Verdiʼs besessen, seine „Sonnambula“ wäre selbst für unseren bösen Geschmack eine der anziehendsten italienischen Opern geworden.

Ueber die Aufführung, insbesondere über die sehr beifäl lig aufgenommenen Leistungen Fräulein Murskaʼs und des Herrn Gunz, haben wir bereits in Kürze berichtet. Wir haben noch ein wohlverdientes Lob Fräulein Dillner nach zutragen, welche die junge Wirthin zu allgemeiner Zufrieden heit sang und spielte. Wir freuen uns, daß zu der rühmlichen Sorgfalt, welche diese fleißige Sängerin seit jeher auf ihre Rollen verwendet hat, nun auch das vollständige Gelingen hinzutritt. Als Graf Rudolph hatte Herr v. Bignio Gele genheit, seine klangvolle Stimme und weiche Vortragsweise günstig zu verwerthen. Weniger ist sein Spiel zu loben, das in der großen Schlußscene des dritten Actes sogar zum indif ferentesten Nichtspiel wurde und (von Herrn Gunz treulich unterstützt) im Publicum die Ueberzeugung hervorrief, es kümmere sich eigentlich Niemand um das ganze Nachtwandeln der Amina.

Das geschmacklos eitle Costüm Herrn Bignioʼs fand einstimmigen Tadel, und mit Recht. Graf Rudolph hat für seine Tracht einen ziemlich freien Spielraum; es liegt wenig daran, ob er in modernem oder älterem Schnitt, im Civil-

oder Militärkleid erscheint. Einmal für dies oder jenes ent schieden, muß er aber im Style einer bestimmten Tracht blei ben und darf nicht, wie Herr Bignio, bis zum Knie deutscher Bürger aus der Zeit der Freiheitskriege, bis zum Hals fran zösischer Marquis von 1770 und hoch oben endlich ein Ele gant vom Pester „Jungherren-Ball“ mit wohlgepflegtem Voll bart, langem Haar und einer Hahnenfeder auf der Mütze sein.

Die allgemeine Meinung scheint von den zwei neuen Rollen Frln. Murskaʼs die „Amina“ entschieden zu bevor zugen, uns hat ihre „Constanze“ weit mehr befriedigt. Bel liniʼs „Amina“ verlangt neben der vollendeten Coloratur einen durchaus seelenvollen getragenen Gesang, eine durch Wahrheit und Einfachheit rührende Darstellung. Der ersten virtuosen Anforderung genügte Frln. Murska vollkommen, höchstens daß einige Geschmacklosigkeiten, wie die überladene Ausschmü ckung des Schlußrondos, störten. Hingegen fehlte ihrem Vor trag der überzeugende Ausdruck des Gefühls, dem Spiel und Gesang die letzte veredelnde Grazie, der ganzen Erscheinung endlich der frühlingsduftige Hauch der Natur. In dem lan gen Andante des letzten Finales fand übrigens Frln. Murska unter glücklicher Anwendung der mezza-voce Töne zarter Empfindung, die uns überraschten. Es wäre ungerecht, Frln. Murska geradezu Kälte vorzuwerfen. Sie besitzt eine gewisse elementarische Wärme und Lebhaftigkeit, welche sie, eine vorzüg lich musikalische Natur, aus dem musikalischen Elemente schöpft, und die meist in einzelnen flüchtigen Blitzen aus Accen tuirung und Phrasirung unwidersprechlich hervorleuchten.

Aus den dramatischen Elementen der Rolle jedoch überspringt nicht ein Funke in die Sängerin, Situation und Charakter stehen gleichsam äußerlich wie Decorationsstücke neben ihrem Gesang. Wir haben in jüngster Zeit, namentlich seit der „Dinorah“, einen günstigeren Eindruck von Fräulein Murska empfangen, als nach ihren ersten Gastrollen. Nicht als ob die Weihe seelenvollen Ausdrucks oder dramatischer Gestaltungskraft sich seither eingestellt hätte, wol aber, wie uns dünkt, ein häufigeres Hervortreten jener „elementarischen“ Wärme, welche, sei sie auch nur ein Product musikalischen Empfindens oder rein subjectiver Erregung, doch mittelbar das ganze Bild belebt und uns näher rückt. Die „Constanzein Mozartʼs „Entführung“, eine schwindelerregende, nur von wenigen Sängerinnen vollständig bewältigte Partie, hob gerade Fräulein Murskaʼs Vorzüge, ihre leichtansprechende, ein schmeichelnde Höhe und ihre bedeutende Coloratur in das hellste Licht. „Constanze“ ist nichts weiter, als ein virtuoses,

dramatisch lebloses Gesangs-Präparat. Dabei ist die Form dieser Coloratur so veraltet, die Cantilene so steif pathetisch, daß eine moderne Sängerin nur mit einiger Selbstverleug nung an das Studium dieser mehr mühevollen als lohnenden Aufgabe gehen mag. Von Fräulein Murska haben wir zum erstenmal diese halsbrecherischen Passagen nicht blos correct, sondern leicht und mühelos singen gehört, und ver danken es ihr, daß wir wenigstens den lebensvollen ersten Act (in dem uns immer nur Constanzeʼs B-dur-Arie aus der Stimmung warf) diesmal mit ungetrübtem Behagen genossen. Die große Bravour-Arie im zweiten Act („Martern aller Arten“ für die Sängerin und sehr mäßiges Vergnügen für den Hörer) machte trotz Fräulein Murskaʼs Bemühung nur geringe Wirkung; hier wie in dem Quartett ist von „Con stanze“ nebst der äußersten Höhe auch eine ausgiebig klang volle Tiefe verlangt.

Im Ganzen verdient die Leistung Fräulein Murskaʼs alle Anerkennung. Dinorah und Constanze haben als absolute Coloratur-Partien recht eigentlich das Terrain aufgewiesen, auf welchem Fräulein Murska eine Rivalin auf unserer Bühne weder hat, noch seit längerer Zeit gehabt hat. Weder Fräu lein Wildauer noch Fräulein Liebhart konnten sich als Gesangskünstlerinnen mit Fräulein Murska messen, und kamen in der letzten Zeit ihres Wirkens ihr auch an Stimme nicht gleich. Für das heitere Genre besaß Fräulein Wildauer ein ausgebildetes, glänzendes Talent, Fräulein Liebhart ein recht artiges Geschick; in der ernsten Oper wird man rührende oder hinreißende Töne der Leidenschaft von ihnen ebensowenig ver nommen haben, als jetzt von Fräulein Murska. Um eine Welt überlegen waren aber diese beiden Vorgängerinnen dem Fräulein Murska in der Kunst des Costüms. In diesem gewiß nicht unwichtigen Punkte scheint Fräulein Murska völlig rath- und hilflos. Hier hätte eine gebildete Regie wol das Recht, künstlerisch zu interveniren und zu verhindern, daß z. B. die „arme Waise Amina“ in schwerer Seide erscheine, sich mit abscheulich hochgestelzten Stiefletten ins Bett lege und bei ihrer nächtlichen Dachpromenade eine lange Schleppe hinter sich herziehe, die sie mit gar nicht somnambüler Bewe gung hoch aufnehmen muß, um nur zur Noth über den Steg herabzukommen. In der „Entführung“ sahen wir Fräulein Murska zum erstenmal gut costümirt; freilich ist die Harems tracht nicht zu vergreifen und verträgt eine grellere Instru mentirung.

Nebst Fräulein Murska ist vorzüglich Herrn Gunz

vom königlich hannover’schen Theater die Wiederaufnahme der Entführung“ und der gute Erfolg dieser heutzutage schwer besetzbaren Oper zu danken. In keiner anderen Rolle hat uns Herr Gunz so gleichmäßig befriedigt, wie als Belmonte. Seine coloraturgewandte, in hoher Lage sich leicht bewegende Stimme eignet sich ebenso vortrefflich dafür, als sein Vor trag, der im Ausdruck zärtlicher, leicht bewegter Empfindung am glücklichsten ist. Er forcirte sein Organ nicht (ein Fehler, vor dem Niemand dringender zu warnen ist, als gerade Herr Gunz) und sang die beiden ersten Arien in wahrhaft muster giltiger Weise. Daß er die vierte Arie (Es-dur Nr. 17) wegließ, kann mit Rücksicht auf die übergroße Zahl der Arien in dieser Oper nur gebilligt werden. Herrn Rokitansky dachten wir uns, nach Stimme, Figur und Vortrag, als prädestinirt für die Rolle des Osmin. Im ersten Acte (dem vorzüglichsten der Partitur, wie der hiesigen Vorstellung) war Herr Rokitansky auch ganz trefflich — nur die zugefügten langen Triller, die gar zu sehr an die Spinnrad-Koketterie der „Martha“ erinnern, hätten wir gerne geschenkt. In den folgenden Acten sank die Leistung um ein Bedeutendes; der Triumph-Arie fehlte die groteske Leidenschaftlichkeit, dem Trinkduett aller Humor. Daß Herrn Rokitansky die besten Wirkungen der Komik entgehen, liegt zum großen Theile in der starren Unbewegtheit seiner Gesichtszüge und der trägen Behäbigkeit der Action. Wir glauben, daß einiger energischer Wille und Eifer hier viel nachhelfen und Herrn Rokitansky rasch auf jene Stufe heben könnten, zu welcher ihn Talent und natürliche Mittel befähigen.

Das älteste Mitglied des Hofoperntheaters, Herr Erl, ist noch immer ein guter Pedrillo, das jüngste, Fräulein Pappenheim, noch lange kein gutes Blondchen. Mit Ver gnügen erfüllte uns die Aufmerksamkeit und Theilnahme, womit das Publicum der ganzen Oper folgte, unbekümmert darum, daß Text und Musik in manchen Theilen der Gegen wart schon sehr ferngerückt sind. In der „Entführung“ stehen die Elemente der abgestorbenen italienischen Opera seria und jene des neu aufblühenden deutschen Singspiels fast unver mittelt neben einander, gerade so wie die frischesten, genialsten Ideen Mozartʼs neben den verbrauchtesten Redensarten seiner flüchtigen Feder. Wer indessen offenen Sinn und Verständ niß für die unverwelklichen Schönheiten dieser Oper besitzt, dem wird auch jenes nothwendige Maß von Pietät und musik historischem Interesse kaum fehlen, das uns den mitunter scheinbar bedrohten vollen Genuß des Werkes rettet.