Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 545. Wien, Mittwoch den 7. März 1866 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Stoxreiter, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 545. Wien, Mittwoch den 7. März 1866 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 07.03.1866
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Concerte.

Ed. H. „Wassermusik“, „Feuermusik“ — seltsame Titel zweier ehemals gefeierter Compositionen von Händel! Er warte ja Niemand irgend eine symbolische oder poetische Be ziehung dieser Elemente zu dem Inhalt der Compositionen, die überhaupt wenig Elementarisches an sich haben. Zwei Hoffestlichkeiten: eine Wasserfahrt auf der Themse (1716) und ein solennes Feuerwerk aus Anlaß des Aachener Friedens, waren die Gelegenheitsmacher und Taufpathen dieser Musik stücke. Nach dem Vorgang auswärtiger Concert-Institute führten uns die „Philharmoniker“ am vorigen Sonntag einen großen Theil der Händel’schen „Wassermusik“ vor. Das Original besteht aus etwa zwanzig kurzen, nach Suiten-Art aneinandergereihten Stücken. Herr Capellmeister Dessoff hat mit richtigem Tacte die besten und wirksamsten Stücke (Ouverture, Adagio, Bourrée, Andante, Menuett, Allegro) aus dieser obsoleten Masse herausgesucht. Bei Anhörung der selben beschränkte sich unser bescheidenes Vergnügen auf das historische Interesse und einige angenehme Nebengedanken mo dernster Art, nämlich über den unermeßlichen Fortschritt an Leib und Seele, welchen die Instrumental-Musik seit jener gloriosen Wasserfahrt gemacht hat. Den Genius Händel’s, des Meisters im Oratorium, lernt man aus seinen Instru mental-Compositionen überhaupt nicht kennen; sie verrathen die ganze Starrheit und Schwerfälligkeit einer eben erst sich entwickelnden Kunst, ohne die gewaltige Eigenthümlichkeit Seb. Bach’s auf diesem Gebiet zu erreichen. Weit eher noch können wir uns an den Händel’schen Clavier-Suiten er freuen, als an dieser „Celebrated Water-Music“, deren grö ßere Hälfte geradezu ungenießbar ist. Ohne sich durch den großen Namen Händel im mindesten beirren zu lassen, nahm das Publicum die „Wassermusik“ bis zur vorletzten Nummer (Menuett in G-moll) mit lautlosem Schweigen hin; hier erst, wo der dürre Staketenzaun einige Blüthen ansetzt, wurde die Versammlung warm und verlangte den Menuett sogar da capo. Diese Ehre möchten wir dennoch zum größeren Theil der Aufführung zuschreiben, die durch äußerste Zartheit und glückliche Schattirungen der Tonstärke das Stück zu indivi dualisiren und zu beleben verstand. Dem ganzen Werke sieht man seine Zeit an, nicht aber den Genius eines der Größ ten dieser Zeit. Die gesunde Kraft, welche die besseren In strumentalstücke jener Epoche zu charakterisiren pflegt, erscheint uns in der „Wassermusik“ und Aehnlichem überwiegend als

monotone Starrheit, Gebundenheit und Schwere. Die 33 Jahre später componirte Feuermusik („Music for the royal fireworks“) bewegt sich etwas lebendiger und freier — wir wollen sie darum den „Philharmonischen Concerten“ noch keineswegs zur Aufführung empfohlen haben. Aus der grauen Allgemeinheit dieses Wasserspiegels erhob sich, wie die mär chenhafte Wunderstadt Vineta, mit zauberischem Reiz Schu bert’s Musik zu „Rosamunde“. Die beiden Entreactes, be reits durch die Philharmonischen Concerte bekannt, wur den auch diesmal mit Vollendung wiedergegeben, mit Be geisterung aufgenommen. Stimmprächtig und ausdrucksvoll sang Herr Dr. SchmidStradella’s bekannte Arie: „O del mio dolce ardor“ — eine echt italienische Schönheit.

Den Schluß bildete Schumann’sB-dur-Symphonie, die, bereits ein Lieblingsstück unseres Publicums, mit jeder Wiederholung noch lebhafter und tiefer zu wirken scheint. Wäre das Largo ein wenig langsamer genommen worden, so könnten wir die im Uebrigen treffliche Aufführung unbe dingt loben.

Acht Tage zuvor brachte das vierte Gesellschafts- Concert viel Schönes. Catel’s Ouverture zur „ Semi ramis“, so ziemlich das Einzige, was sich von diesem Com ponisten erhalten hat, verdient ihr bescheidenes Asyl in den Concertsälen. Von unverkennbar französischem (also theatra lischem) Pathos, erinnert sie durch ihren ernsten Ausdruck an Gluck, durch die volle Instrumentirung und manchen Effect an Catel’s Zeit- und Gesinnungsgenossen Cherubini und Spontini. Der „Singverein“ trug Mendelssohn’s 43. Psalm („Richte mich, Gott“) und Schumann’s reizen des Chorlied „Schön Rothtraut“ so ausgezeichnet vor, daß die Hörer, nicht geneigt, sich davon zu trennen, beide Stücke zur Wiederholung verlangten. Bis hieher dirigirte mit ge wohnter Auszeichnung Herr Vice-Hofcapellmeister Herbeck; für die Schlußnummer des Concertes übergab er den Tact stock einem gefeierten Gast, dem General-Musikdirector Franz Lachner aus München. Zum drittenmal und mit einer dritten „Suite“ erschien der jugendlich frische Veteran in Wien, um sein der „Gesellschaft der Musikfreunde“ gewid metes neuestes Werk selbst vorzuführen. Das Publicum be grüßte ihn bei seinem Erscheinen und nach jedem Satze der Composition mit anhaltendem Applaus. Die neue Suite in Es-dur (die vierte in der Reihe; eine dritte in F-dur ist hier noch unaufgeführt) theilt die glänzenden technischen und formellen Vorzüge ihrer in Wien so beifällig aufgenommenen Vorgängerinnen in D-moll und E-dur. In der Kunst stren ger und doch wohlklingender Polyphonie, reicher Figuration

und Contrapunktik, endlich in der Meisterschaft der Instru mentirung steht die neue Lachner’sche Suite jenen beiden nicht nach. An Frische und Eigenart der Ideen bleibt sie hingegen zurück. Die „Arbeit“ herrscht in manchen Partien (besonders dem ersten und vierten Satz) allzu merklich vor und streift dann an Trockenheit; ruft der Componist hierauf als wirksame Gegenkraft die Popularität auf den Kampfplatz, so verfällt er mitunter dem Alltäglichen und Banalen. Schöne Einzelheiten — gleichen Werthes vielleicht, wenn auch nicht gleicher Zahl — hat das neue Werk auch gegen seine beiden älteren Schwestern aufzuweisen, der lebensvoll dahinströ mende Fluß derselben erscheint aber diesmal doch etwas stockend und ungleich. So beginnt der erste Satz (Es-dur 4/4) sehr hübsch mit einem marschartig einherschreitenden Motiv voll anmuthiger Würde; nach 48 Tacten macht dieses auf Nim merwiedersehen einem blechgerüsteten Fanfarenthema Platz, das an das Gloria einer Landmesse erinnert. Nur kurz von einem gefälligen Gegenmotiv in B unterbrochen und schließlich kunstvoll damit vereinigt, verläßt uns diese pomphafte Alltäglich keit nicht wieder; allerdings legt sie nacheinander die reichsten Gewänder an, welche die Fuge und der doppelte Contrapunkt, Augmentation und Engführung nur herbeischaffen können. Das trauermarschähnliche Thema des Andante (As-dur 2/4) ist nicht von bedeutender Erfindung, wird aber in freier Varia tionenform mit großem Geschick verändert und verwendet; ein idyllisches Andantino in 6/8-Tact läßt den Satz anmuthig, wenngleich etwas weichlich ausklingen. Der dritte Satz („Sa rabande“, C-moll 3/4) wirkt, obgleich nicht von hervorragen der Eigenthümlichkeit, durch anmuthig melodiösen Fluß und überaus zierliche Instrumentirung. Das Thema der „Sara bande“, sowie das vorangehende Andantino am Schluß des zweiten Satzes erinnern stark an Spohr. Der letzte Satz (Es-dur 9/8) ist „Gigue“ überschrieben, obwol er mit dem Charakter dieser alten Tanzform wenig gemein hat. Das Thema hat etwas reckenhaft Gewaltiges; von den Contrabässen angestimmt und als vierstimmige Fuge pompös eingeführt, macht es bald freieren melodischen Gestaltungen Platz (ein Wechsel, der zu den schönsten Kunstfortschritten unserer Zeit gehört), stürzt sich abermals in den brausenden Wirbel der Contrapunktik, um endlich in kräftigem und beschleunigtem Aufschwung zu schlie ßen. Eine contrapunktische Meisterarbeit voll anziehender De tails, wirkt diese „Gigue“ schließlich doch etwas ermüdend. Der lärmende Beifall am Schluß der Suite dürfte, so weit wir das Publicum beobachten konnten, noch mehr der ver ehrten Persönlichkeit des Componisten, als dem Werke selbst gegolten haben — daß die zwei ersten Suiten ungleich auf

richtiger gefielen, ist zweifellos und unseres Erachtens wohl begründet.

Wie Esser’s jüngst gehörte Suite (wir ziehen sie der neuen Lachner’schen vor), ist auch diese auf die Zahl von vier Sätzen herabgegangen, nachdem früher beide Componisten ihre Suiten fünf- und sechssätzig schrieben. Wie die Zahl der Sätze, so ist auch deren ursprünglicher Tanzcharakter bei Lachner und Esser auf ein Minimum reducirt. Endlich erscheint auch das dritte Gesetz der alten Suitenform, die Einheit der Ton art in sämmtlichen Sätzen, definitiv beseitigt. Wir sehen hierin ein sehr beachtenswerthes Zeichen, daß die modernen Versuche zur Wiedererweckung der alten „Suite“ ihren archaïstischen Ausgangspunkt bereits vollständig verlassen und unter Beibe haltung des alten Namens sich der Symphonie wieder auf kleinste Distanz genähert haben. Die großen, classischen Schöpfungen in der Symphonie und die daraus quellenden hohen Ansprüche haben in neuester Zeit zwei Umgestaltungs versuche dieser Form hervorgerufen: Liszt’s „Symphonische Dichtung“, welche den Inhalt der Symphonie in Einen Satz zusammendrängt, und die symphonische „Suite“, die ihn in eine größere Zahl von Sätzen auseinanderbreitet. Beide Versuche scheinen eine eingreifende, allgemeine Wirkung nicht zu üben, sie bleiben fast ohne Nachkommenschaft. Die indirecte gute Folge dürften sie aber haben, daß die Symphonie sich nun mehr eine größere Freiheit in der Reihung und Gestaltung der Sätze erlauben wird, die schwer zu definierende, aber den noch unentbehrliche Einheit des Gesammtbildes stets voraus gesetzt. Es ist nicht einzusehen, warum Künstler wie Lach ner und Esser sich unter solchen Bedingungen nicht zur Symphonie bekennen sollten — ihre letzten Orchester-Suiten gehören der alten „Suite“ gar nicht und der „Symphonie“ jedenfalls mehr an, als irgend einer andern Kunstform.

Frau Clara Schumann hat, unter gleichem Andrang und Beifall, ihr sechstes und letztes Concert gegeben. Sie hat uns diesmal noch vollständiger befriedigt, als in früheren Jahren. Möglich, daß etwas von dem fröhlichen Sonnenglanz, den die Jugend über Alles breitet, ihrem Spiel abgestreift sei (wir haben es nicht bemerkt), aber daß es an Wärme und Tiefe des Ausdrucks noch gewonnen hat, scheint uns zweifellos. Man kann das kurze Andante aus Beethoven’s Es-dur-Sonate, op. 27 (es ist unter Anderm auch als „Kyrie“ arrangirt), nicht inniger und stylvoller vortragen. Der phantastische Flug der „Kreisleriana“, das leichte Ge flatter des Henselt’schen „Vögleins“, Hiller’s verliebte Conversation „zur Guitarre“, die klare Grazie des Men delssohn’schen Capriccio — Alles gab Frau Schumann mit gleicher Wahrheit und Schönheit wieder. Daß es der ver

ehrten Künstlerin, schon ihrem Geschlechte gemäß, mitunter an der letzten Energie, sowie an kühnem, freiem Humor fehlt, kann Niemanden befremden, immerhin weiß sie auch dem Gro ßen, Starken, der bewegten Leidenschaft zu genügen und die größten Formen mit sicherer Ueberschau und zusammenhal tender Kraft zu bewältigen. Besonderen Dank zollen wir Frau Schumann für die Vorführung dreier „Albumblät ter“ von der Composition des hier wenig bekannten Theodor Kirchner, eines der sinnigsten und gemüthvollsten Ton dichter der Schumann’schen Schule. Haupt- und Prachtstücke der beiden letzten Concerte waren das Quartett und Quintett (beide für Clavier und Streich-Instrumente) von Schumann, zwei Werke, welche mit dessen Streichquartetten und dem Clavierconcert zu dem classischen Schatz unserer Instrumental- Musik zählen. Die „Phantasiestücke“, op. 80, welche Frau Schumann mit den Herren Hellmesberger und Röver vortrug, stachen dagegen betrübend ab. Dürftig in den Themen, ge quält und widerwillig in der Ausführung, gleichen diese Stücke weggeworfenen Skizzen, die der Meister in späteren Jahren faute de mieux wieder aus dem Papierkorb genommen, um krank und mißmuthig ihnen die früher versagte Form zu ge ben. Der Gattin des theuren Mannes darf man es freilich nicht verübeln, wenn sie jedes seiner Werke gern zur Aner kennung brächte, ja wenn ihr vielleicht alle „gleich liebe Kin der“ sind. Trotzdem halten wir im Interesse Schumann’s eine sorgsame Wahl gegenwärtig noch für sehr wichtig. Das große Publicum ist mit diesem Tondichter noch lange nicht so vertraut und im Reinen, daß, ohne Nachtheil für diesen, seine Sachen wahllos von Virtuosen und Sängern öffentlich pro ducirt werden dürften. Dem entspricht die Pflicht des Kriti kers, die mitunter sehr ungleichen Werthe der Schumann’schen Thätigkeit jederzeit rückhaltlos zu constatiren, eine Pflicht, die desto größer wird, je zweifelloser die Verehrung oder Vorliebe des Kritikers gerade für Schumann. Daß die zahlreichen kleineren Compositionen (Clavierstücke, Lieder) aus Schumann’s dritter Periode mit geringen Ausnahmen tief unter seinen früheren stehen, ist nur zu gewiß, und deßhalb reiche man dem Publicum nicht bröckelnde Reliquien, ehe es den lebendigen, schönen Leib vollständig kennt.

Noch seltsamer wird mitunter in der Auswahl Schu mann’scher Lieder für den Concertgebrauch vorgegangen. So oft sie kam“ ist ein poetischer Hauch, aber kein Lied, Lehn deine Wang’ an meine Wang’“ ein leidenschaftlicher Aufschrei, aber kein Lied. Für den Concertvortrag paßt kein Lied, welches aufgehört hat, nachdem es kaum anfing. Auch jene subjectiv grübelnden Stimmungs- oder Verstimmungs lieber, die mit einer Dissonanz anheben und schließen, taugen

schlecht vor die Oeffentlichkeit. Eine gewisse Plastik und klare Uebersichtlichkeit, eine gewisse unumgängliche Ausdehnung muß ein Gesangstück haben, das auf eine größere Versammlung wirken soll. „Mein Herz ist schwer“ (von Fräulein Bettel heim gesungen) spannt bei aller subjectiven Wahrheit gleichsam jede Faser der Empfindung einzeln auf die Folter; die (von Frau Dustmann gewählten) „Waldlieder“, op. 119, und Jugendlieder“, op. 79, zeigen ein viel freundlicheres, aber desto unbedeutenderes Gesicht. Und dennoch liegen rechts und links davon im Schumann’schen Liederkatalog die köstlichen Perlen, die noch keine Hand berührte! Wir jubelten, als das letzte Concertprogramm den „Nußbaum“ ankündigte, eines der wunderbarsten Lieder Schumann’s, das seit Jenny Lind Niemand hier gesungen hat. Leider war Herr Walter durch seine angestrengten Seefahrten an der Küste von Afrika ver hindert, seine Zusage zu halten. In dem vorhergehenden Concert hatte dieser Sänger (den wir überdies nie auf einer unpassenden Wahl betroffen haben) mehrere Lieder von Schu mann und Schubert unvergleichlich schön gesungen.

Noch bleibt das Abend-Concert zu erwähnen, welches im Musikvereins-Saale für den neu errichteten Pensionsfonds der Professoren des Conservatoriums stattfand. Es begann mit Beethoven’s G-dur-Quartett, op. 18 (etwas minder Abge spieltes hätte man für diesen Anlaß wol spendiren können), und schloß mit Paganini’sMoto perpetuo“, von zwölf Schülern Hellmesberger’s in kräftigem, tadellosem Unisono vorgetragen. Der kleinste Geiger mit der klein sten Geige war Hellmesberger’sSöhnchen, dem es hoffentlich beschieden ist, die Ehre seines Familien namens auch in der dritten Generation zu repräsentiren. Fräu lein Bettelheim und der treffliche Declamator Herr Le winsky — Beide leuchtende Muster von Gefälligkeit in dieser Concertsaison — wurden nach Verdienst ausgezeichnet. Die größten Ehren empfing natürlich Frau Schumann, deren Mitwirkung den Abend zierte. Möge die Erinnerung an ihre diesjährigen Erfolge die verehrte Künstlerin bald wie der nach Wien führen. Sie darf sich und uns nachrühmen, daß ihre ernste, wahre, künstlerische Kunst hier nicht blos an erkannt, sondern geradezu Mode war. Durch frivole Gegen bilder von unverdienten Erfolgen, wie sie ja nie und nirgends fehlen, muß man sich nicht beirren lassen. Paßt es doch vor Allem auf die Kunstzustände einer großen Stadt, wenn der jüngstverstorbene unserer großen Dichter uns zuruft: „Das ist zu viel von der Welt begehrt, Daß ihr das Gute allein sei werth; Sie hat dem Guten ihr Recht gethan, Wenn sie’s nimmt zugleich mit dem Schlechten an.“