Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 606. Wien, Dienstag den 8. Mai 1866 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
Georg-Coch-Platz 2 1010 Wien Österreich Wien
Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Stoxreiter, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

Sie dürfen: Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten

Bearbeiten — das Material remixen, verändern und darauf aufbauen und zwar für beliebige Zwecke, sogar kommerziell.

Der Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten. Unter folgenden Bedingungen:

Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Diese Angaben dürfen in jeder angemessenen Art und Weise gemacht werden, allerdings nicht so, dass der Eindruck entsteht, der Lizenzgeber unterstütze gerade Sie oder Ihre Nutzung besonders.

Keine weiteren Einschränkungen — Sie dürfen keine zusätzlichen Klauseln oder technische Verfahren einsetzen, die anderen rechtlich irgendetwas untersagen, was die Lizenz erlaubt.

Hinweise:

Sie müssen sich nicht an diese Lizenz halten hinsichtlich solcher Teile des Materials, die gemeinfrei sind, oder soweit Ihre Nutzungshandlungen durch Ausnahmen und Schranken des Urheberrechts gedeckt sind.

Es werden keine Garantien gegeben und auch keine Gewähr geleistet. Die Lizenz verschafft Ihnen möglicherweise nicht alle Erlaubnisse, die Sie für die jeweilige Nutzung brauchen. Es können beispielsweise andere Rechte wie Persönlichkeits- undDatenschutzrechte zu beachten sein, die Ihre Nutzung des Materials entsprechend beschränken.

Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 606. Wien, Dienstag den 8. Mai 1866 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 08.05.1866
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Zeilenumbrüche, ref in rs ausfüllen space einfügen Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Singspiel, Oper und Ballet.

Ed. H. Vor Kurzem brachten diese Blätter eine flüch tige Parallele zwischen italienischen und deutschen Bühnen sängern, die nicht ganz zum Vortheil der Letzteren ausfiel. Weit schlimmer noch kämen unsere Landsleute davon, wollte man ihre neuesten komischen Opern, Zauberpossen und Sing spiele mit jenen der Franzosen vergleichen. Zwei musikalische Novitäten, die jetzt im Carltheater und jenem an der Wien floriren, böten reichlichen Stoff dazu: „Das Donauweib chen“, von Julius Hopp, und „Die Hexe von Boisy“, von Zaytz. Nach ihrer musikalischen Bedeutung sind beide kaum beachtenswerth, wol aber sind sie es als Prototype einer jetzt einreißenden, unglückseligen Methode, Singspiele zu com poniren. Wir meinen den Mißbrauch aller dem großen Opern styl eigenthümlichen Mittel und Ausdrucksweisen für das kleine, leichte Genre. Wenn heute Jemand zu den heiteren Musentempeln an der Wien und in der Jägerzeile pilgert, um sich an graziöser, anspruchsloser Musik von der Wucht Meyerbeer’scher und Verdi’scher Tragödien zu erholen, so dürfte er sich arg getäuscht sehen. Daß er auch bezüglich der Dichtung auf eine ergötzliche, gesunde Komik verzichten muß, wollen wir hier gar nicht berühren, obwol es traurig genug ist, einen ganzen Abend in unseren specifisch „lustigen“ Thea tern zu sitzen, ohne ein einzigmal herzlich lachen zu können. Was vermag selbst das Spiel einer Grobecker und Gei stinger, eines Treumann, Knaack und Albin Swo boda gegen so lahme, witzlose Stücke wie die genannten? Nun erst die Musik! Da kommt schon die Ouverture „mit Macht“ angeblasen, wie der Stier von Uri, oder mit einem chromatischen Gewinsel nach Art der Liebesschmerzen Tristan’s und Isoldens; dann bekommen wir Duette à la „Hugenot ten“, Arien à la „Traviata“, Finale à la „Tannhäuser“ zu hören. Im Singspiel — so dürfen wir der Kürze halber alle musikalischen Lustspiele unserer zweiten Theater im Gegensatz zur großen Oper nennen — berührt uns ein solches carri kirtes Aufthürmen sämmtlicher Kraft-Effecte verletzender als die dürftigste Einfachheit. Jedes Genre hat seinen Styl, und wenn wir selbst auf alle positiven Eigenschaften eines Sing spiels verzichten, so verzichten wir wenigstens nicht auf die Eine, daß es maßvoll und einfach sei. Nun höre man aber die Arien und Duette in Hopp’s „Donauweibchen“, und vol

lends das zweite Finale mit seinem Posaunen- und Pauken lärm, seinen herausgeschrienen hohen b und c! Die Situa tion ist, daß auf einem Ballfest der Flußgötter „die Donaueines blonden Ritters wegen eifersüchtig auf „die Theißwird! Diese Albernheit wird vom Componisten mit bitterem Ernst und einer wahrhaft brutalen Grandiosität ausgeführt, und das Publicum soll sich tief erschüttert fühlen. So geht es fort, mit einer einzigen Ausnahme (dem Terzett von den Fischen), wo der Componist einen Anlauf nimmt, auch einmal leicht und munter zu schreiben. Der Leser kennt uns gewiß nicht als einen Laudator temporis acti, und wir werden keinem modernen Componisten zumuthen, so knapp und einfach zu schreiben, wie weiland Kauer, Süß mayer oder Wenzel Müller. Wir halten Kauer’s altes Donauweibchen“, das von unseren Großeltern vergöttert und nicht selten neben Mozart’s „Zauberflöte“ genannt wurde, für eine ärmliche, geistlose Musik. Aber sie zeigt als Ganzes noch immer mehr künstlerischen Instinct für das Richtige und mehr Einheit des Styls, als ihre pompöse Enkelin im Wie dener Theater, welcher das alte „Donauweibchen“ überdies als Dichtung weit überlegen ist. Die Lieder der unzähligemal verkleideten Hulda und des Knappen Kasperle haben, or dinär wie sie sind, doch in Text und Musik ein entschieden volksthümliches, österreichisches Element, das leider unseren neuen Vorstadt-Opern gänzlich abhanden gekommen ist.

Herrn Hopp’s Arbeit ist im schlimmen Sinn echt deutsch; sie repräsentirt unsere deutschen Capellmeister zweiten und dritten Ranges, die in einer harmlosen Zauberposse Alles zum Ausbruch bringen wollen, was an verhaltenem Wag ner und Meyerbeer in ihnen steckt. In dem kleinsten Singspiel suchen sie uns zu zeigen, daß sie eigentlich für die große Oper, also für etwas ganz Anderes, geschaffen sind. Herr Zaytz, der Componist der „Hexe von Boisy“, nimmt die Sache nicht so blutig-ernsthaft; er war lange genug Re giments-Capellmeister und Componist in Italien, um zu wis sen, daß das Publicum von Zeit zu Zeit neben sentimentalen auch derb-lustige Melodien wünscht. Leider hat er sich dort italienischen Ungeschmack insofern angeeignet, als er selbst seine besten Motive so schnell als möglich abbricht, um rasch etwas Anderes folgen zu lassen; sogar in einer kurzen Zwi schenactmusik (vor dem zweiten Aufzug) wechseln ein halb Dutzend Themen, Ton- und Tactarten. In der Partitur des Herrn Zaytz ist mehr populäres, munteres Element, als in jener des (an musikalischer Bildung ihm überlegenen) Capell

meisters Hopp; schade nur, daß gerade diese gefälligeren Melodien fast ebenso viele Plagiate aus Offenbach sind.

Originalität und schöpferische Kraft haben wir somit an den neuen Operetten der Herren Zaytz und Hopp nicht wahrgenommen, obgleich wir aus anderen Compositionen wis sen, daß Beide nicht ohne Talent sind. Es ist zwar keine übertriebene Forderung, daß Jemand, der drei Stunden lang zum Publicum spricht, auch etwas Erhebliches zu sagen habe; wir wollen aber absichtlich das Maß der natürlichen Bega bung hier gar nicht berühren. Niemand ist verpflichtet, ge niale Ideen zu haben; es gibt eben Jeder was er hat. Aber für dasjenige, was der Componist im bestimmten Falle nicht geben, was er vermeiden soll und kann, darf man wol auch ein mittleres Talent verantwortlich machen. Ist es doch gerade kleinen Talenten vergönnt, durch maßvolle Form und natürliche Einfachheit sich in ihrer Sphäre „liebenswür dig“ zu erweisen.

Und dies ist der Punkt, worin die Franzosen unseren Landsleuten so sehr überlegen sind. Wenn die Herren Hopp, Zaytz, Barbieri, Suppé etc. etc. die Partituren der französi schen Opéra comique studiren wollten, welche sie als „deutsche Componisten“ vielleicht stark über die Achsel ansehen, sie wür den erkennen, wie da selbst das Unbedeutende und Oberfläch liche leicht und elegant behandelt ist. Man nehme beispiels weise „Das Glöckchen des Eremiten“, die vor wenig Tagen hier gegebene (und wie uns dünkt allzu streng behandelte) komische Oper von Maillard. Sie gehört nicht zum Besten, höchstens zum Mittelgut der französischen Opéra comique und ist sehr arm an bedeutenden musikalischen Ideen — aber wie hoch steht sie an Haltung, an Leichtigkeit des Gesanges, an Feinheit und Bescheidenheit der Instrumentirung über ähnli chen Werken unserer deutschen Zeitgenossen! Die Arien der Rose Friquet erinnern weder an Meyerbeer’s Prinzessinnen noch an die Heldinnen Verdi’s, das Liebesduett hat nichts gemein mit Raoul und Valentine, die Dragoner singen nicht wie die Wiedertäufer im „Propheten“. Die deutsche Kritik schlug ein Kreuz vor dem „oberflächlichen Zeug“ — immer hin! — sie wird uns aber gewiß keine Nummer in irgend einer seit zwanzig Jahren in Deutschland erschienenen komi schen Oper nennen, welche sich mit dem Duett „Moi, jolie?“ oder mit dem darauffolgenden Glöckchenterzett vergleichen ließe. An den kleinsten komischen Operetten von Auber, Adam, Thomas, Offenbach können unsere Deutschen lernen, und wäre es nur, wie man dem Publicum mit Grazie sagen

kann, daß man in dem Moment eben nichts zu sagen habe. Verkünden uns aber unsere Wiener Componisten, daß ihnen nichts einfällt, so fällt das Haus ein. Kurz, unter so gewaltsamer Behandlung geht das Singspiel kläglich zu Grunde; wenn jedes Gänseblümchen mit Blech beschlagen wird, dann danken wir für den ganzen Frühling.

Sollten die Herren uns vielleicht Idealisten schelten, weil wir die Grenzen zwischen den Kunstgattungen und einen Unterschied zwischen Operetten und Verdi’schen Opern beach tet wissen wollen? Wohl denn, so gehen wir an die rein praktische Seite. Wo finden unsere Componisten auf deutschen Theatern zweiten Ranges die Kräfte für ihre aufreibenden Singspiele? Die überwiegende Mehrzahl der Offenbach’schen Operetten kann man auf der kleinsten Bühne mit vier Per sonen und einem Miniatur-Orchester geben, und Jedermann singt ihre Melodien nach. Wer aber Tenor- und Sopran- partien, wie die in Hopp’sDonauweibchen“ und der „Hexe von Boisy“ vollkommen zu singen vermag, der ist nicht klug, wenn er auch nur einen Tag beim Singspiel bleibt und nicht sogleich zum Hofoperntheater übertritt. Das sind große Opern partien, die von den besten Vaudeville-Sängern nur mit An strengung und Unsicherheit bewältigt werden können. Ein wahres Mitleid erfaßte uns, eine ausgezeichnete Kraft wie Fräulein Geistinger sich an dem „Donauweibchen“ mar tern und immerfort gegen Klippen geführt zu sehen, an denen ihre (sonst so wohlklingende) Stimme scheitern muß. Wie kämpft Fräulein Meyer’s nettes, kleines Stimmchen mit der hohen Lage der „Hexe von Boisy“, sich selbst zum Nachtheil und Niemandem zur Lust. Und doch wurden diese beiden Rollen ausdrücklich für Fräulein Geistinger und Fräulein Meyer geschrieben, d. h. für den stimmlichen Ruin dieser beiden Sängerinnen. Glänzende Talente wie die Gei stinger und Albin Swoboda, welche im Fach der leichten Operette unvergleichlich sind und darin jahrelang ungeschwächt wirken könnten, werden durch solche Schrei- und Bravour partien in eine falsche Stellung gedrängt und frühzeitig ruinirt. Und das soll praktisch sein? Fürwahr, noch weit we niger, als es künstlerisch ist. Die neue Sängerin des Carl theaters, Frau Friedrich-Materna, deren volle, kräftige Stimme wir mit großem Vergnügen hörten, hält derlei Auf gaben jetzt noch trefflich aus, in ihrem Interesse läge es aber mehr, ihr schönes Organ allmälig auszubilden, als es rasch zu vernutzen. So viel wir beobachten konnten, beschränkte sich der Antheil des Publicums in beiden Operetten zunächst auf die Ausstattung, die besonders im Carltheater vor

züglich ist: sodann auf die Leistungen von zwei oder drei beliebten Mitgliedern, wozu Herr KarlSwoboda, der von den Musen gänzlich enterbte jüngere Bruder unseres Albin Swoboda, nicht gehört. Die Musik nahm man geduldig mit in den Kauf. Den Directoren Treumann und Stram pfer soll die Anerkennung nicht vorenthalten bleiben, daß sie die Thätigkeit einheimischer Componisten aneifern und durch luxuriöse Aufführungen unterstützen — wir wünschen nur, die Componisten selbst möchten ihr Genre richtiger erkennen und jene Unterstützung durch die That rechtfertigen.

Im Hofoperntheater sehen wir die italienischen Vorstellungen erfolgreich fortgesetzt, bei stets gleicher Vor züglichkeit der Gesangsleistungen und gleicher Monotonie des Repertoirs. So lange nicht der regelmäßige Wechsel zwischen Barbiere“ und „Cenerentola“, „Regimentstochter“ und „Liebes trank“ durch etwas Neues unterbrochen wird, können wir mit bestem Willen von der italienischen Oper auch nichts Neues sagen.

Das Ballet brachte nach dem mit mäßigem Beifall aufgenommenen Gastspiel der Tänzerin Stefanska jenes der Signora Pocchini. Fräulein Stefanska hat mehr Temperament und eine viel ausgebildetere Mimik; es fehlt ihr zur gefeierten Tänzerin vielleicht nur das Eine entschei dende Talent: schön zu sein. Madame Pocchini, die ge schultere, ruhigere Tänzerin, trat in dem hier bereits bekann ten Borri’schen Ballet „Die Gauklerin“ auf, welches jetzt aus schwer begreiflichen Gründen zur „Gazella“ umgetauft worden ist. Die seit Aufführung der „Gauklerin“ verflossenen zehn Jahre scheinen weniger das Ballet selbst, als die Dar stellerin der Titelrolle umgeformt zu haben. Die kleine Ge stalt der Pocchini hat eine entschiedene Tendenz nach der Breite genommen und ihr ganzes Wesen einen Ausdruck fa milienhafter Behäbigkeit. Bekanntlich glänzte diese Tänzerin vor zehn Jahren durch eine gewisse muthwillig-capriciöse Kindlichkeit, sie war eine Art tanzende Goßmann — eine Specialität, für welche Jugend und Schlankheit unschätzbare Hilfsmittel sind. Der reichliche und wohlverdiente Beifall, den Signora Pocchini auch jetzt noch erntete, spricht laut für die Vorzüge ihrer Tanzkunst. Ihre Technik hat sich offenbar noch vervollkommt und erhebt sich in vielen Einzelheiten zur Vir tuosität. So sind z. B. ihre Fußspitzen erstaunlich geschulte Werkzeuge einer ungewöhnlichen Muskelkraft, mag nun die Tänzerin in raschem, gleichem Tempo über die ganze Länge der Bühne trillern oder, mit weitvorgebeugtem Körper, auf einer Fußspitze sich langsam selbst umschweben. Die Virtuo

sität der Füße führt in Madame Pocchini’s Tanz fast allein das Wort, ihre Arme sind stumm und die Mienen sagen nichts. Ein so ausdruckslos stereotypes Lächeln, eigentlich ein versteinertes Lachen die ganze Breite des Mundes ent lang, ist uns selten vorgekommen. Kaum daß es in den tra gischesten Scenen für Secunden verschwindet. Als zu Anfang des dritten Actes „Gazella“ bewußtlos hereingetragen und auf einen Divan gelegt wird, änderte Madame Pocchini ihre Lage und nahm — Alles in der Ohnmacht — eine ma lerische Pose an, wie sie seit Erschaffung der Welt niemals ein Ohnmächtiger producirt hat. Als Darstellerin erhebt sich Madame Pocchini nirgends über das Gewöhnliche, sie exce lirt nur in den Bravour-Arien; die „Recitative im Ballet“ (wie Heinrich v. Collin die dramatischen Scenen treffend bezeichnet) umschreibt sie blos mit den allgemeinsten conven tionellen Linien.

Das Borri’sche Ballet selbst zählen wir, trotz seiner ärmlichen und abgenützten Handlung, zu den unterhaltenderen. Es enthält eine Anzahl großer Ensembletänze (Danse napo litaine, Bacchanale, Valse, Finale), die an sinnreicher Com bination, an malerischen Gruppen- und Farben-Effecten, end lich an hinreißender, durch nationale Charakteristik gehobener Lebendigkeit mit dem Besten dieser Art wetteifern können.

Von dem Tänzer Herrn Baratti aus Neapel vermö gen wir auch diesmal nur zu wiederholen, daß er viel Applaus erhielt und von Kennern gelobt wird. Wir haben kein Ur theil über seine Kunst. Von ballettanzenden Männern inter essirten uns immer nur die komischen; wir danken Frap part und Price vergnügte Momente, die vergnügtesten mit unter in manchem langen Ballet. Für die ernsthaften Tän zer, die lyrischen Tenore des Ballets, besitzen wir leider kein Verständniß; in unserer Unwissenheit halten wir sie Alle für den Nämlichen, und Alles was sie ausführen, für das Näm liche. Zürnend erscheint vor uns der Geist des alten Stroh lendorf, jenes allbekannten, feierlich verwitterten Chevaliers, der durch 50 bis 60 Jahre keine Balletvorstellung ausließ. Das war ein Kenner — nicht wir! In der Tanzkunst ver ehrte er die höchste Blüthe menschlichen Geistes; jede Dre hung war ihm ein Argument, jedes Entrechat ein Gedicht. Allzeit in Frack und weißer Cravate, Schuhen und Strüm pfen, glich er dem Geist, den er begriff. Eines Tages be wunderte er in der Schönbrunner Menagerie die Sprünge eines großen Affen, über welche Castelli an seiner Seite sich zu Tode lachen wollte. „Lachen Sie nicht,“ verwies ihn Strohlendorf sehr ernsthaft, „das ist schwer.“