Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 641 Wien, Mittwoch den 13. Juni 1866 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 641 Wien, Mittwoch den 13. Juni 1866 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 13. Juni 1866
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Patriotische Concerte in Wien. (Ein geschichtliches Erinnerungsblatt.)

Ed. H. Die ersten fünfzehn Jahre unseres Jahrhun derts widerhallten von Waffenlärm. Von Bonaparteʼs erstem Eindringen in Deutschland und Italien bis zum Wiener Con greß zog sich durch alle Lebenszustände und Thätigkeiten Wiens ein blutrother Faden: der Krieg mit Frankreich. Bald stärker, bald schwächer, je nach der Nähe der unmittelbaren Gefahr oder dem Gewichte erlittenen Verlustes, durchzitterte der politische Sturm alle Kreise der Wiener Bevölkerung. Kein Wunder, daß auch Theater und öffentliche Musik-Aufführungen unter diesem Einflusse standen. Insbesondere bildeten die Wohlthä tigkeits-Concerte und „Akademien“ einen musikalischen Reso nanzboden, den alle großen Erschütterungen des Landes, leid- und freudvolle, vibriren machten. Die Concertprogramme aus solchen Zeiten höchster politischer Erregung sind interessante Documente; es ließen sich aus einer chronologisch gereihten Auswahl derselben die Geschicke Oesterreichs von der franzö sischen Revolution bis zum Sturze Napoleonʼs in ihren Hauptpunkten ablesen.

Die erste Gelegenheitsmusik politischen Inhalts finden wir im Jahre 1794, wo am 21. Januar (dem Jahrestage der Enthauptung Louisʼ XVI.) im Burgtheater eine von Fräulein Therese von Paradis (der berühmten blinden Virtuosin) componirte Trauercantate unter dem Titel: Deutsches Monument Ludwigʼs des Unglück lichen“, nebst einer „großen Trauermusik“ für die Witwen und Waisen der vor dem Feinde gebliebenen österreichischen Sol daten ausgeführt wurde. In den nächstfolgenden Jahren war es die Bildung der Freicorps in Oesterreich, was den patriot schen Enthusiasmus zumeist erregte und auch musikalischen Wider hall fand. Zahlreiche Gelegenheits-Compositionen tauchten auf. Eine Cantate von Süßmayer: „Der Retter in der Noth“, wurde 1796 zweimal im großen Redoutensaale zum Besten des neuen Freicorps gegeben. Dichtung und Composition, Gesang und Orchesterspiel, Alles wurde unentgeltlich auf dem

Altar des Vaterlandes geopfert. Der „Eipeldauer“ schreibt in seinen drolligen und für die Sittengeschichte Wiens unschätzbaren „Briefen an seinen Vetter“ dar über:„ZʼMittag um 12 Uhr hat dʼKantati angʼfangen und da sind über 3000 Menschen beisammen gʼwesen. ʼs Leggeld ist nur 1 fl. gʼwesen, aber dʼmeisten gnädige Herren und Frauʼn haben 1 fl. 8 fr.(!) zahlt, und Einige haben sogar einʼ Ducaten geben.“ Den Schlußchor sang das Publicum mit; Herren stiegen auf die Bänke und schrien: „Es lebe der Kaiser!“ und schwenkten die Hüte. „Das Rührende laßt sich nicht bʼschreiben!“ (30. Heft, 1796). Im folgen den Hefte heißt es weiter: „Dʼvorige Wochen habenʼs im Redouten saal wieder die berühmte Kantati aufgʼführt, und weilʼs dösmal was zʼEssen und zʼTrinken dabei geben hat, so istʼs noch zweimal so voll gʼwest als sonst. Dʼpatriotische Kantati hat nur a Stundʼ dauert, aberʼs Essen und Trinken ist bis in der Früh fortgangen.“ Im National-Theater gab man zum gleichen Zweck ein Gelegenheitsstück: „Die Frei willigen“, von Stephanie (Musik von Süßmayer), und „Das Dorf im Gebirge“, Singspiel von Kotzebue, mit Musik von Weigl; im Leopoldstädter Theater ein ähn liches: „Oesterreich über Alles.“ Den Schlußchor sang Alles mit. Die Tonkünstler-Societät wiederholte den Retter in der Noth“ in ihrem Weihnachtsconcerte 1796. Am 12. Februar 1797 wurde in allen Theatern zum er stenmale die Volkshymne: „Gott erhalte Franz den Kaiser(gedichtet von L. Haschka, componirt von Joseph Haydn gesungen.

Als durch die feindliche Besitznahme von Graz die Ge fahr dringender wurde, bildeten Graf Saurau und Herzog Ferdinand von Würtemberg das „Wiener Aufgebot“, zu wel chem mit einer Begeisterung ohnegleichen Freiwillige aus allen Ständen eilten und das 40.000 Mann stark, unter dem Jubel von ganz Wien, nach Steiermark ausmarschirte. Die ses „Wiener Aufgebot“ vom Jahre 1797 hat viel schlechte Compositionen auf dem Gewissen; die umfangreichste und po pulärste war eine malende Symphonie von Ferdinand Kauer, dem Componisten des „Donauweibchen“, der vor der musika lischen Schilderung auch des geringsten Details nicht zurück schreckte. Einen kleineren, jedenfalls edleren Beitrag gab Beethoven mit seinem „Kriegslied der Oester reicher vor Friedelberg“ (für eine Singstimme

mit Clavierbegleitung). Wien bei Artaria, ohne Opuszahl, 1797. — Das Jahr 1799 brachte eine von Ratschky gedichtete, von Salieri componirte Cantate: „Der Tiroler Landsturm“, welche im Burgtheater zum Besten der durch die Kriegsverheerung verunglückten Tiroler aufgeführt wurde.

Die ersten Jahre des neunzehnten Jahrhunderts verbrachte Wien äußerlich ruhig, aber in ängstlich gedrückter Stimmung. Im Jahre 1805 entbrannte der Krieg mit Frankreich neuer dings, um bekanntlich für Oesterreich sehr unheilvoll zu enden. Die französischen Sieger zogen am 13. November 1805 in Wien ein, um es — nach 62tägiger Besetzung — erst am 13. Januar 1806 wieder vollständig zu räumen. Der Einzug des Kaisers Franz (nach dem unglücklichen Frieden von Preß burg) wurde durch eine Gelegenheits-Cantate von Seyfried, Die Rückkehr des Vaters“, gefeiert, welche noch häufig zu wieder holen die späteren Jahre hinreichenden Anlaß boten. Im December feierte eine Cantate von Seyfried, „Oesterreichs Jubeltag“, den Frieden und die innige Verbindung Oesterreichs mit Baiern. Sophie Schröder sprach den declamatorischen Theil der Cantate. Nach tiefer Demüthigung raffte sich Oesterreich im Jahre 1808 neuerdings auf und begann Rüstungen gegen Frankreich vorzubereiten. Am 10. Januar 1809 fand der Ausmarsch der Wiener Landwehr statt; der patriotische Enthusiasmus, der sich theils in activer Betheiligung am Kriege, theils in großartigen Sammlungen kundgab, überstieg, den Zeugnissen der Chronisten zufolge, alles Frühere. Es er klangen (25. und 26. März 1809) die berühmten patriotischen Lieder von Collin und Weigl zum erstenmale im Burg theater. Am Ostersonntag fand im großen Redouten saale eine Wohlthätigkeits-Akademie statt (für die Wit wen und Waisen der Landwehrmänner), „wobei Col linʼsLandwehrlieder und einige andere dem Zeitgeist an gemessene Lieder“ auf dem Programm standen. Der Erfolg dieser Gesänge war abermals ungeheuer, die Refrains: „Wir schwören!“ „Doch es bleibt mein!“ und andere wurden von dem Publicum enthusiastisch mitgerufen und mitgesungen. „Ich habe nie eine größere Sensation erlebt,“ schreibt der Berliner Capellmeister J. Fr. Reichardt, der eines die ser Concerte in seinen „Vertrauten Briefen“, schildert.

Der bald darauf (1811) erfolgte Tod des patriotischen Dichters H. v. Collin wurde öffentlich betrauert. Trauer vorstellungen (wozu Graf Moriz Dietrichstein und Mosel Musikstücke componirten) fanden im Burgtheater und in der Aula statt; der Ertrag derselben wurde für das Denkmal Collinʼs in der Karlskirche bestimmt. Der Dichter war durch die wenigen patriotischen Lieder der Nation bekann ter und theurer geworden, als durch seine großen Tragödien aus der römischen und griechischen Geschichte.

Man überbot sich nun in „Akademien“ für die Landwehr und konnte die patriotischen Chöre von Weigl und Gyro wetz nicht oft genug hören. Die Freude sollte nicht lange dauern. Die Franzosen drangen am 10. Mai 1809 in Schön brunn und der Mariahilfer Vorstadt ein und nahmen, nach vorhergegangenen Bombardement, am 13. Mai Besitz von Wien. Französische Officiere hatten vier Jahre zuvor als Herren der Stadt der ersten Vorstellung von Beethovenʼs Fidelio“ im Theater an der Wien beigewohnt; französische Officiere gaben nun, abermals als Herren der Stadt, der Leiche Haydnʼs das letzte ehrende Geleite. — Wien blieb bis zum 20. November 1809 in Händen der Franzosen: eine lange Saison, während welcher die besten Wiener Künstler gar häufig vor Kaiser Napoleon in Schönbrunn singen und spielen mußten. Wir übergehen die Vermälung Napoleonʼs mit der österreichischen Erzherzogin Maria Louise (11. März 1810) und die Fest-Redoute im großen Redoutensaale, dessen Wände nun ebenso viel französische Tricoloren als österrei chische Fahnen schmückten. Es war derselbe Saal, welchen kurz vorher Collinʼs franzosenfeindliche Lieder jubelnd erschüttert hatten und in dem jetzt die beglückende französische Hochzeit zum Ueberfluß auch noch durch eine Cantate: „Sieg der Eintracht“, von Castelli und Weigl, (matt genug) gefeiert wurde.

Wir eilen zu den Befreiungskriegen. Die Zahl der Gelegenheits-Compositionen und der „politischen“ Theater- und Concert-Aufführungen in den Jahren 1813, 1814, 1815 ist kaum zu übersehen. Charakteristisch ist, daß diesmal selbst Tondichter ersten Ranges mit umfangreichen Compositionen sich an der Politik betheiligten. BeethovenʼsSchlacht bei

Vittoria“ war jedenfalls das gefeiertste dieser Stück. Die erste Aufführung dieser Schlacht-Symphonie fand am 8. De cember 1813 im großen Universitätssaale statt und war vom Mechanicus Mälzel (der dabei auch seinen „mechanischen Trompeter“ producirte) zum Besten der in der Schlacht bei Hanau verwundeten Oesterreicher und Baiern veranstaltet. Beethoven dirigirte selbst diese denkwürdige Aufführung, bei welcher alle vorzüglichen Kräfte Wiens, unter Anderen Spohr und Mayseder bei der Violine, Hummel bei der großen Trommel, Salieri als Dirigent der Lärmsignale mitwirkten.

Die „Schlacht bei Vittoria“ wurde am 12. December wiederholt und im Laufe der nächsten Jahre sehr häufig ge geben. Ihr kräftiger, höchst populärer Realismus sicherte ihr, so lange die Nachwirkung des Freiheitskampfes selbst noch frisch war, unfehlbare Wirkung. Von ernsteren Richtern freilich fiel manch strenges Wort über diese Composition, die zu Beethovenʼs größten Erfolgen zählt, aber in seinem Lorbeer kranz nur ein unansehnliches Blättchen bildet. „Nun wissen die Weiber auf ein Haar, wie es in einer Schlacht hergeht, wenn auch schon lange Niemand mehr begreift, was Musik ist,“ schrieb Zelter an Goethe.

In Prag wurde die „Schlacht bei Vittoria“ zweimal gegeben und hat, wie C. M. Weber an Rochlitz schreibt, beinahʼ mißfallen“. „Wahrscheinlich,“ fügt er bei, „weil die Erwartung zu hoch gespannt war und es mit dem Die-wirkliche-Schlacht-darstellen-wollen immer eine mißliche, ja unwürdige Sache ist.“

Beethoven hat sich mit noch zwei Gelegenheits-Com positionen an der Feier des Befreiungskrieges betheiligt. Die erste war eine Musik zu dem patriotischen Drama von Dunker: „Leonore Prochaska“ (Kriegerchor, Romanze und Melodram; ungedruckt). Auch instrumentirte er den Trauer marsch aus der As-dur-Sonate op. 26 zum Gebrauche bei der Aufführung dieses Dramas. Die andere, größere Arbeit Beethovenʼs war die Cantate: „Der glorreiche Augen blick“, von dem Salzburger Professor A. Weißenbach. Dies Gelegenheitstück, welches (erst nach Beethovenʼs Tode

gedruckt) auf dem Original-Manuscript „Der heilige Augen blick“ heißt, kam in Beethovenʼs Akademie am 29. November 1814 Mittags vor allʼ den Souveränen, großen Herren und Damen des Wiener Congresses zur Aufführung und wurde am 2. December wiederholt. Wenn Castelli in seinen Memoiren“ den kaiserlichen Rath und Professor der Chirur gie, Dr. Weißenbach, einen „ausgezeichneten Dichter“ und dessen patriotische Dichtungen „echte Perlen“ nennt, so ist dies mehr als freundschaftlich geurtheilt. Indeß war es nicht der Text allein, was an BeethovenʼsCantate sterblich war. Fr. Rochlitz hat der Musik einen anderen, besseren Text, „Der erste Ton“, unterlegt, ohne dadurch die Compo sition dauernd retten zu können. Endlich lieferte Beethoven zwei kleinere musikalische Beiträge zu den Festspielen: „Gute Nachricht“ (1814) und „Die Ehrenpforte“ (1815). Wenige Tage nach Beethovenʼs „Schlacht bei Vittoria“ erschien eine Cantate: „Die Schlacht bei Leipzig“, von Paul Ma schek, in dem Weihnachtsconcerte der Tonkünstler-Societät, „ein Ungeheuer von schlechter Declamation, Lärm und Tri vialität“, wie C. M. Weber sie bezeichnet.

Eine andere musikalische „Schlacht bei Leipzig“ führte der Regiments-Capellmeister Friedrich Starke zweimal im großen Redoutensaale auf (1816), und zwar mit 5 Regi mentsbanden, 30 Trompeten, 30 Trommeln, Schnarren, Ka nonenschlägen etc. etc.

Nach der Schlacht bei Leipzig gab es Festspiele und Cantaten ins Unabsehbare. Caroline Pichler lieferte für Spohr den Text zu einer Cantate: „Die Befreiung Deutschlands“. Die Composition war im März 1814 be endet, konnte aber nicht aufgeführt werden, da man den gro ßen Redoutensaal dafür nicht bewilligte und ein zweites gro ßes Concertlocale seit der Zerstörung des Apollosaales in Wien nicht existirte. Erst 1815 hörte Spohr seine Cantate beim Musikfeste in Frankenhausen; in Wien wurde sie im Jahre 1819 aufgeführt.

Die Nachricht vom Einzug der Alliirten in Paris (4. April 1814) kam am 11. April nach Wien und setzte Alles in freudige Aufregung, Fr. Treitschke hatte für dies frohe

Ereigniß ein einactiges Singspiel: „Gute Nachricht“, geschrie ben und schon früher einstudiren lassen. Mit diesem Gelegen heitsstück, dem gelungensten, das in dieser merkwürdigen Epoche erschien, wurde das Publicum des Kärntnerthor-Thea ters an dem Tage überrascht, der die Nachricht der Einnahme von Paris brachte. Die Musikstücke dazu (theils adaptirt, theils eigens dafür componirt) waren von Mozart, Beet hoven, Weigl, Hummel, Gyrowetz und Kanne. Die Rückkehr des Kaisers nach Wien wurde durch allerlei Gelegenheitsstücke gefeiert. Im Kärntnerthor-Theater gab man (18. Juni 1814): „Die Weihe der Zukunft“ (Dichtung von Sonnleithner, Musik von Weigl), im Theater an der Wien: „Die Rückfahrt des Kaisers“, Singspiel von Dr. Emanuel Veith (dem nachmals berühmten Kanzelred ner), mit Musik von Hummel. Das letztgenannte Theater war auch äußerst rührig mit Akademien „für die Angehörigen des Regiments Deutschmeister“, „für die bei Kulm Verwun deten“ etc. etc. Patriotische Declamationsstücke und Lieder von Emanuel Veith, Castelli, Weißenbach, Caroline Pich ler, mit Musik von Weigl, Salieri, Gyrowetz u. A., auch „Patriotische Tableaux“ mit erklärenden Sonetten von Fr. Treitschke („Louise Prochaska“, natürlich als wesent licher Bestandtheil) waren an der Tagesordnung.

Die Feste des Wiener Congresses hielten mehr die Virtuosen als die Componisten in Athem, die Zahl der neuen Gelegenheits-Compositionen war gering, man behalf sich mit den bewährten früheren. Ein patriotisches Singspiel von Fr. Treitschke: „Die Ehrenpforte“, aufgeführt im Kärntner thor-Theater am 15., 16. und 23. Juli 1815, dann mit „an gemessenen Veränderungen“ am 3. und 4. October zum Na menstag des Kaisers, war mit Musikstücken von Hummel, B. A. Weber, Seyfried, Weigl und Beethoven aus gestattet. (Von Letzterem war der Schlußgesang.)

Das einzige namhafte Musikwerk, das direct die An wesenheit der Monarchen feierte, war BeethovenʼsGlor reicher Augenblick“, welcher in dem demokratischen Lebenslauf des Schöpfers der „Eroica“ einen wunderlichen „Augenblick“ bildet. Eine bedeutende Zeitcomposition, C. M. Weberʼs

Cantate „Kampf und Sieg“, auf welche der Componist selbst besonderen Werth legte, kam in Wien unseres Wissens nicht zur Aufführung, mit großem Erfolge hingegen im Jahre 1816 in Prag. Ein Jahr vorher veröffentlichte Weber im Intel ligenzblatt der Leipziger Allgemeinen Musikzeitung folgende Anzeige: „Auf Veranlassung der Schlacht bei Belle-Alliance habe ich die Composition einer Cantate unter dem Titel Kampf und Sieg“ zur Feier der Vernichtung des Fein des im Jahre 1815 unternommen, — welches ich, um unan genehmes Zusammentreffen zu verhindern, hiemit anzuzeigen für nöthig erachte.“

Er hatte demnach seine Collegen ob ihrer patriotischen Fruchtbarkeit stark im Verdacht, und das mit Grund. Denn endlos war die Reihe der damals erschienenen musikalischen Schilderungen. Steibelt schrieb eine große Clavier-Phan tasie, „Die Zerstörung von Moskwa“, worin das Marlbo rough-Lied, „God save the king“ und allerlei National märsche vorkommen, die Flucht des Heeres geschildert wird etc. Gläser publicirte eine „Schlacht bei Belle-Alliance“ (Text von Pustkuchen) für Gesang und Clavierbegleitung, Hey denreich ein Orchestergemälde, betitelt: „Die Schlacht bei Aspern“ etc.

Die berühmteste und nachhaltigste Gabe der Tonkunst an den Volksgeist jener Zeit waren C. M. Weberʼs Com positionen von Th. KörnerʼsLeier und Schwert“ (1814 componirt). Das war keine gemachte Begeisterung, sondern quellendes, sprühendes Feuer, das überall erwärmte, überall zündete. Diese Lieder waren eine köstliche musikalische Blüthe zugleich und eine politische Macht; sie sind eigentlich das Ein zige, was sich von den Gelegenheits-Musiken jener Zeit bis auf den heutigen Tag erhalten hat. In Wien ward „Leier und Schwert“ verhältnißmäßig spät bekannt; öffentlich wurde unseres Wissens erst in den Zwanziger-Jahren Einiges daraus vorgeführt, was um so auffallender erscheint, als der Dichter, Th. Körner, in Wien persönlich so sehr gekannt und geliebt war. Für Körner selbst trat die Kunst nur mit einer sehr bescheidenen Erinnerungsfeier ein, nämlich einer „declamatorischen Unterhaltung als Trauerfeierlichkeit für

Th. Körner“, welche sein Freund Th. v. Sydow am 14. März 1814 im Saale „zum römischen Kaiser“ gab.

Bemerkenswerth ist, daß das bedeutendste Musik-Institut der Monarchie, die „Gesellschaft der Musikfreunde“, auch unter der Einwirkung jener patriotischen Tendenzen des Jahres 1812 entstanden und ganz eigentlich unter den Sonnenstrah len des Wiener Congresses ihr officielles Lebenslicht gewann. Allerdings hatte die Entwicklung des musikalischen Dilettan tismus in Wien naturgemäß auf eine Organisirung und Vereinigung dieser Kräfte hingearbeitet und würde diesen Zweck (vielleicht etwas später) auch ohne die Befreiungskriege erreicht haben. Aber thatsächlich war die entscheidende äußere Anregung doch eine patriotsch-politische, die musikalischen Dilettanten Wiens wollten zum Besten der durch den Krieg am härtesten betroffenen Bewohner des Marchfeldes eine großartige Production veranstalten; es war dies die berühmte Aufführung des „Timotheus“ von Händel in der (zum er stenmal für musikalische Zwecke eingeräumten) „k. k. Win ter-Reitschule“, am 29. November 1812. Die Einnahme betrug 19- bis 20,000 fl. W. W., wozu der Kaiser noch 1000 fl. gab. Am 3. December wurde die Aufführung wiederholt und trug 14,000 fl. ein. Während der Congreßzeit erhielt der Verein die Sanction des Kaisers Franz — wenige Tage nachdem er vor den versammelten Monarchen HändelʼsSamsonaufgeführt hatte. Caroline Pichler, welche bei dieser Production im Chor mitwirkte, erzählt davon in ihren „Denk würdigkeiten“, daß alle Mitwirkenden festlich gekleidet erschei nen mußten, die Damen weiß, mit Schmuck, die Herren in schwarzem Frack und Claquehüten. Diese Etikette und die dem Publicum auferlegte Enthaltung von jedem Applaus verbreitete leider eine „erkältende Atmosphäre über die Künstler“.

Ein Nachklang dieser politischen Ereignisse war noch die Cantate von F. W. Berner: „Feier des allgemeinen Frie dens“, welche 1818 im Burgtheater gegeben wurde, und die spätete Aufführung von SpohrʼsBefreitem Deutsch land“ im Jahre 1819. Von da ab schweigen die politischen Klänge gänzlich bis zum März 1848.