Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 861. Wien, Dienstag den 22. Januar 1867 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 861. Wien, Dienstag den 22. Januar 1867 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max 22.01.1867
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Hofoperntheater. („Joseph und seine Brüder“, von Méhul.)

Ed. H. Méhul’s Oper „Joseph“ machte bekannt lich kurz nach ihrem Erscheinen in Paris (1807) die Runde über alle deutschen Bühnen und ward bei uns bald heimischer und beliebter als im eigenen Vaterlande. Der Umschlag im musikalischen Geschmack, welcher Beliebtheiten und Berühmtheiten so schnell altern macht, hat auch Méhul’s Oper nach etwa dreißigjähriger Herrschaft allmälig von den Bühnen beseitigt. Da taucht plötzlich der egyptische Joseph in jüngster Zeit an mehreren Hauptbühnen Deutschlands bei nahe gleichzeitig wieder auf und wird in München, Stutt gart, Dresden, Frankfurt, zuletzt in Berlin (mit Niemann) freudig begrüßt. Erfahrungen wie diese würden jedenfalls für den gleichen Versuch an der Wiener Oper sprechen, wenn nicht der Werth des Werkes selbst jede äußerliche Rechtfertigung über flüssig machte. Wir können der großen Ueberschätzung Méhul’s, wie sie vordem im Schwung war und in manchen Büchern noch nachklingt, nicht beistimmen; gewiß aber besitzt sein Joseph“ sehr werthvolle Eigenschaften, welche überdies durch die Gewalt des Contrastes gerade jetzt mit verdoppelter Kraft einleuchten.

Die Herrschaft Meyerbeer’s, Wagner’s und Verdi’s, dieser drei meuterischen Grazien unserer musikalischen Epoche, bietet uns seit Jahren die stärksten dramatischen Aufregungen, sie hält uns fast ununterbrochen in einer schwülen, süßgif tigen Atmosphäre fest, deren elektrische Spannung uns nach gerade zu viel zumuthet. Tritt man daraus unmittelbar in die reine Luft einer friedlichen, vielleicht auch etwas einför migen Landschaft, so fühlt man ein eigenthümlich wohlthuen des Behagen, ungefähr — wie wir gestern bei den Gesängen Joseph’s und seiner Brüder. Fragt man uns, ob dieser wohlthätige Contrast, den das Publicum mit uns fühlte, Méhul’sOper eine neue Blüthenzeit wie jene erste in Deutschland prophezeie, ob „Joseph“ nunmehr dauernd fesseln, vielleicht gar eine ästhetische Reaction hervorrufen werde, so können wir trotzdem nicht mit „Ja“ antworten. Es fehlt dieser Musik zwar alles Arge des modernsten Opernstyls, aber damit auch so viel des Reizvollen und Bestechenden, was der fortschreitende Gang der Kunst und das glänzende Talent Einzelner diesem Genre angeeignet und uns angewöhnt hat,

daß an eine nachhaltige lebendige Wirksamkeit Méhul’s kaum zu denken ist. Nur in sparsamen Reprisen und vortrefflicher Darstellung wird „Joseph“ ein ausreichendes und dankbares Publicum versammeln.

Joseph und seine Brüder“ zählt zu den sehr wenigen modernen Opern, die der biblischen Geschichte, dieser Domäne des Oratoriums, ihren Stoff entlehnen. Wir haben aus neuerer Zeit noch eine zweite: Rossini’sMoses“, abge sehen von zwei Erzeugnissen der jüngsten Tage (Gounod’s Königin von Saba“ und Auber’sVerlorner Sohn“), welche den biblischen Stoff willkürlich modernisiren. Biblische Handlungen passen schlecht für die Oper; die Ehrfurchtsdäm merung, welche sie umgibt, verträgt sich nicht mit der klaren, starren Gegenständlichkeit des Dramas, die großartige Vor stellung von den Persönlichkeiten nicht mit dem menschlichen Maß scenischer Darstellung. Nun hat zwar der Dichter des Joseph“ seinen Gegenstand auf eine einfache Familien-Ge schichte mit Wiedererkennung und Versöhnung reducirt und die Fehler des anspruchsvolleren „Mosè“ vermieden, dessen Wunderproben jedesmal die allgemeine Heiterkeit des Publi cums erregen. Er hat aber auch zugleich das lebendige Ele ment des Dramas aufgegeben: Leidenschaft, Fortschritt und Kampf der Gegensätze. Das einfachste Verhältniß legt sich er müdend durch drei Acte auseinander; der längst vorbereitete und erwartete Moment, daß Jacob endlich seinen Sohn wie der erkenne, wird mit einem sich zur Geduldprobe steigernden Phlegma hinausgeschoben. Und als dieser Hauptmoment des Ganzen endlich eintritt, vollzieht er sich in gesprochenem Dialog! Hier, wo die Musik ihr Bestes, Größtes geben konnte und sollte, ist sie von der Scene verbannt. Wie alle Familien-Schauspiele, trieft das Buch von Edelmuth und Rührung; selbst Simeon’s wilde Reue ist nur durchbrechende Tugend. Zu dieser bedenklichen Gemüthlichkeit der Auffassung und dem übergenügsamen Stillstande der Scene tritt schließlich noch der Umstand hinzu, daß dieser Operntext auf das „Salz der Erde“, die Frauen, verzichtet. Unleugbar war der Com ponist eines solchen Textbuches von vornherein in der Frei heit seiner Bewegung gehindert und verdient für das trotzdem Erreichte um so größere Bewunderung.

Die Musik zu „Joseph und seine Brüder“ verräth in jeder Nummer den verständnißvollen und begeisterten Schüler Gluck’s. Der Ausdruck ist überall einfach, treffend und edel, die Declamation bei aller Correctheit und Feinheit ohne jeg lichen Zwang. Der declamatorische Charakter herrscht aller

dings im Großen und Ganzen vor und gibt den betreffenden Musikstücken jenes formale, akademische Gepräge, das z. B. die erste Arie Joseph’s charakterisirt und direct an Gluck erinnert. War ja Gluck’s Musik die Fackel, woran der junge Méhul sein Ta lent entzündete und welche er zeitlebens in Verehrung festhielt. Man kennt die hübsche Anekdote aus Méhul’s Jünglingsjah ren, wie er sich zur Generalprobe von Gluck’s „Iphigenia in Aulis“ ins Theater eingeschlichen und, ganz begeistert von dem Werke, beschlossen hatte, in einer Loge versteckt bis zum näch sten Abend im Theater zu verweilen, um der ersten Vorstel lung ja gewiß zu sein. Aus diesem Gluck’schen Logenwinkel ist Méhul eigentlich nie wieder ganz herausgekommen. Obwol von Natur ein bewegliches und vielseitiges Talent, blieb er doch von Gluck’s typischer Ausdrucksweise entschiedener be herrscht, als seine ebenso Gluck-begeisterten Collegen Cheru bini und Spontini. Sie sind kühner, wärmer, leidenschaft licher. Und Mozart vollends, mit dem man allzu schmeichel haft Méhul einst gern verglich! Letzterer erinnert in man chen Wendungen an Mozart, weil er ihn studirt hatte und ihm überdies zeitlich noch nahestand — zwischen der Bega bung dieser beiden Tondichter liegt eine Welt. Und dennoch können wir eine Bemerkung hier nicht unterdrücken, welche Méhul sogar Mozart gegenüber zu statten kommt. Die ganze Rolle Joseph’s in der Méhul’schen Oper erinnert in ihrem milden, leidenschaftslosen Wohlwollen und Edelmuth auffal lend an Mozart’s Titus, und nicht zum Vortheil des Letz teren. Die Oper „Titus“ ist das Werk eines ungleich größe ren Genies, aber sie gehört einer theilweise unwahren, vor wiegend modischen Richtung (der der alten Opera seria) an, während das Genre des „Joseph“ ein durchaus edles, wahres, eminant dramatisches ist. „Joseph“ hat den „Titus“ überlebt.

Die gänzlich schmucklosen, ernsten Weisen „Joseph’s“ wirken tiefer und überzeugender auf uns, als dessen römischer Doppelgänger „Titus“ mit seinen Passagen und Rouladen und der gefälligen Süßigkeit seiner Melo dien. Wir finden diese Erscheinung in allen Kunstgebie ten wieder: Werke, die über ihr individuelles Talent hinaus gefallen, weil sie einer reinen und schönen Stylgattung ange hören. Die compacte Gruppe französischer Dramatiker aus der Revolutions- und Kaiserzeit: Méhul, Cherubini, Catel, Lesueur, Berton, Isouard, wirkt als ein so achtunggebietendes Ganzes zum großen Theil durch den künstlerischen Adel der Gattung. Diese geschlossene Phalanx verdient in der Musik geschichte alle Ehren, und Deutschland hat sich der ausgedehnten

Gastfreundschaft nicht zu schämen, die es jener französischen Schule auf allen Bühnen durch Jahrzehnte erwiesen hat. Die deutsche Opern-Production nach Mozart’s Tod mußte beschämt gegen die französische zurückstehen, sie hat von der „Zauberflötebis zum „Freischütz“ ein einziges Werk von monumentaler Bedeutung aufzuweisen: „Fidelio“, und ein einziges von ungewöhnlichem Erfolg: „Die Schweizerfamilie“.

Wer von Méhul’s Werken nur den „Joseph“ kennt, wird diesen ohne Zweifel für eine nur aus innerem Drang entstandene naive Schöpfung eines Talentes halten, das von Haus aus auf das Einfache und Kunstlose angelegt war. Und doch belehrt uns die Geschichte eines Anderen. Méhul hat in seinen früheren Opern fortwährend experimentirt, nach Neuem und Ueberraschendem gesucht. Seine Tendenz zum Raf finirten, sein häufiges Umformen des Styls, sein ehrgeiziges Rivalisiren mit bestimmten gefeierten Werken und Compo nisten weist auf eine krankhafte Unruhe des Schaffens und auf ein vorwiegend reflectirtes Talent. In seinem „Uthalverbannt Méhul die ganze Oper hindurch die Violinen, um durch die isolirte Klangfarbe der Violoncells und Bratschen ein Ossian’sches Halbdunkel über die Stimmung zu breiten. Im „Ariondant“ macht er das wunderliche Experiment, den Uebergang vom Gesang zur gesprochenen Prosa dadurch zu vermitteln, daß er die Musikstücke mit enharmonischen Rückun gen und harten Uebergängen schließt, welche das Ohr irre führen und die ursprüngliche Tonart sollten vergessen lassen. Die Oper: „L’Irato“ schreibt er absichtlich im italienischen Styl und läßt sie als das Werk eines italienischen Maestro aufführen, um gleichzeitig seine Ueberlegenheit und die Kritik losigkeit des französischen Publicums zu beleuchten. Erst nach dem eine Reihe von theatralischen Niederlagen ihn von der Erfolglosigkeit einer neuerungssüchtigen, effecthaschenden Musik überzeugt hatte, schlug er plötzlich in seinem „Joseph“ den Ton schlichtester Einfachheit an. Musikalisch frischer und ori gineller scheint uns der Componist trotzdem in seinen besten komischen Opern, namentlich der in Deutschland einst hochbeliebten „Une folie“ (die beiden Füchse). Die Romanze: „Je suis encore dans mon printemps“ hat einen melo diösen Reiz und eine innere Bewegtheit, wie wir sie kaum in einem Stücke des „Joseph“ wiederfinden. Der Werth von Joseph und seine Brüder“ ruht weniger in musikalischen Einzelheiten, als in der streng einheitlichen stylvollen Be handlung des Ganzen. Ueberall finden wir den Geist der Worte und der Situation in den einfachsten, treffendsten Ausdruck

gefaßt; wir begegnen nicht dem kleinsten Zierrath, keiner applaus- süchtigen Trivialität, keinem frivolen Effect. Ein milder Hauch von Weisheit und Frömmigkeit schwebt über dem ganzen Bilde. Dies ist der „einfache, biblische Geist“, den C. M. Weber so sehr an Méhul’s „Joseph“ bewunderte. Daß diese keusche Enthaltsamkeit der Musik im Verlauf der Oper zur Einför migkeit führt und der Hörer mehr Farbe und Bewegung wünscht, ist natürlich. Gewisse musikalische Gewohnheiten Méhul’s, z. B. seine Vorliebe für „Rosalien“, das ermüdende Wiederholen desselben Motivs auf allen erdenklichen Tonstu fen Am auffallendsten geschieht dies wol mit dem Motiv: „Par donnez-nous“ in dem D-dur-Allegro des großen Ensembles im drit ten Act. , das allzulange Festhalten desselben Rhythmus u. dgl. unterstützen nur zu sehr, was im „Joseph“ ohnehin zur Mono tonie verleitet. An dramatischer Kraft und Bewegung steht die meisterhafte Scene Simeon’s im ersten Act obenan; die Ge sänge Joseph’s, Jacob’s und Benjamin’s sind voll Haltung und edlem, oft rührendem Ausdruck, doch nicht ohne Neigung zur Weichlichkeit. Man darf wol behaupten, daß Méhul den günstigsten Vorzug des Buches, die Abstufung der Charaktere, nicht im vollen Maß benützt hat. Vom kindlichen Benjamin bis zu der Hoheit Jacob’s haben alle seine Charaktere, selbst Simeon, einen Familienzug von Sentimentalität, auf welchen erst der Darsteller das Persönliche, Bezeichnende aussetzen muß.

Für deutsche Sänger neuester Aera, für unsere „Afri kanerinnen“ und „Holländer“ bietet die Méhul’sche Oper eigen thümliche Schwierigkeiten: durch die Einfachheit der Musik und die gesteigerten schauspielerischen Anforderungen. Nicht allein nimmt das gesprochene Wort einen ganz unverhältniß mäßigen Raum ein: die Sänger, die schon mit dem Spre chen meist auf gespanntem Fuße stehen, haben auch im Spiele sehr schwierige Momente zu bewältigen. Joseph, der, seit dem Erkennen seiner Brüder und seines Vaters fortwährend in heftigster Gemüthsbewegung, sich dennoch zurückhalten und verstellen muß, ist eine schwierige dramatische Aufgabe: Si meon erfordert geradezu einen ausgezeichneten Schauspieler. Benjamin freilich scheint das Einfachste von der Welt; wie wenigen Sängerinnen ist aber das Einfachste auch natürlich? Kurz, mehr oder minder hatten alle Mitwirkenden mit unge wohnten Schwierigkeiten zu kämpfen, die man gerechterweise in Anschlag bringen muß. Wir hatten, offen gestanden, in Betreff des Spieles nicht so Gutes erwartet, als thatsächlich in der ersten Vorstellung des „Joseph“ geboten wurde. Ins

besondere hat Herr Walter die erfreulichsten Fortschritte im Sprechen und Spielen bewiesen; daß er im Gesang die Em pfindung und Wärme, welche die Rolle verlangt, vollständig erreichen werde, war zu vermuthen. Joseph gehört zu Herrn Walter’s schönsten Leistungen. Vortrefflich sang Herr Schmid den Jacob. Er verfiel nicht in weiche Empfin delei, diesen Hauptfehler der meisten Darsteller, welche alles Gewicht auf den Kummer des Vaters und fast gar kei nes auf die Würde des Patriarchen legen. Indem Herr Schmid den Jacob kräftiger, heldenmäßiger faßte, hat er manchen schwachen Punkt des Gedichts und der Musik vor theilhaft gestützt. Fräulein Bettelheim’sBenjamin war ein prächtiger Charakterkopf; nie haben junges Blut und Altes Testament schöner zusammengewirkt. Vortrefflich in der Dar stellung, schien uns Fräulein Bettelheim für den Gesang Benjamin’s nicht ganz die wünschenswerthe Einfachheit und Empfindung mitzubringen. Von Natur mehr auf den reflec tirten Ausdruck angelegt, der sich leichter zur Gluth der Lei denschaft erhitzen, als zur sanften Innigkeit erwärmen läßt, ist Fräulein Bettelheim obendrein durch Aufgaben wie Se lica, Fides u. s. w. in jene hochgespannte dramatische Vortragsweise gedrängt, welche zu grellen Farben und schar fen Accenten fortwährend Zuflucht nehmen muß. Diese Me thode spielte, wenn auch nur leise und unbewußt, dennoch in ihren Benjamin hinüber, wie z. B. das getrennte Betonen und Anschwellen jeder Note in dem Thema der ersten Romanze zeigte, welches Ein sanft verbundenes Portamento bilden soll.

Daß trotz dieses Bedenkens die Leistung Fräulein Bet telheim’s den reichlich empfangenen Beifall vollauf verdiente, bedarf nicht erst der Versicherung. Herrn Hrabanek’sSi meon hat uns überrascht. Bedenkt man, daß diesem Sänger die schwierigste Aufgabe in einem Genre zufiel, für welches er keine besondere Eignung und Vorbildung mitbringen konnte, so verdient seine Leistung die aufrichtigste und aufmunterndste Anerkennung. Die Oper war unter Herrn Esser’s trefflicher Leitung mit großer Pietät einstudirt und wurde auf das bei fälligste aufgenommen. Das Publicum nahm, wie man bei solchen Anlässen immer sollte, das überwiegend Gute der Vor stellung freudig und mit Auszeichnung auf, ohne sich an kleine Schwächen zu stoßen. So ganz ungewöhnlich gewor dene Vorstellungen wie Méhul’s „Joseph“ bekommen leicht nach der einen oder anderen Seite hin etwas Schielendes. Man betrachte sie im Profil.