Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 1099. Wien, Sonntag den 22. September 1867 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 1099. Wien, Sonntag den 22. September 1867 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 22.09.1867
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Musik. („Doctor und Apotheker.“ — „Die Großherzogin von Gerolstein“.)

Ed. H. Ein süßer Trost war mir geblieben: daß ich durch meine fünfmonatliche Abwesenheit von Wien keine No vität im Hofoperntheater versäumen würde. In der That habe ich dort das Repertoire in derselben fleckenlosen Unbe rührtheit wiedergefunden, in der ich es Ende März zurückge lassen. Dafür lockten von den Anschlagzetteln des Wiedener und des Carltheaters zwei neue Errungenschaften: Ditters dorf’s nach 50 Jahren wieder aufgenommenes Singspiel Doctor und Apotheker In der Original-Ausgabe (Wien, 1787) lautet der Titel: Der Apotheker und Doctor. Eine deutsche komische Opera.“ und Offenbach’s nagelneue Großherzogin von Gerolstein“. Welcher Abstand zwischen diesen beiden Opern; ja, welche Verschiedenheit schon in der äußeren Physiognomie der Vorstellung! Das Publicum im Doctor und Apotheker“ fand bequem auf vier Sperrsitzreihen Platz, die flaue, theilnahmslose Stimmung desselben ließ den Zu schauerraum noch öder erscheinen. Hingegen die „Großherzogin“! Kein Plätzchen im ganzen Hause unbesetzt, kein Winkel, aus dem nicht das dankbare Echo lauten Applauses und Gelächters hervorbrach. Die Schauspieler: hier sämmtlich mit voller Lust und Siegesgewißheit — dort (bei gleicher Sorgfalt) sichtlich gedrückt und sich zum Spasse zwingend. So haben wir die Dittersdorf’sche Oper im Carltheater wiederge sehen — wir können die Direction nur loben und das Publi cum nicht tadeln. Herr Ascher verdient aufrichtigen Dank für die Vorführung eines Werkes, das einst einen Vorzugs platz auf den Bühnen und in den Herzen unserer Großeltern errungen und der Geschichte der deutschen Oper eine bemer kenswerthe Spur eingedrückt hat. Wer immer sich für die musikalische und culturgeschichtliche Entwicklung der Oper ernst

lich interessirt, fühlt sich hocherfreut, wenn ihm einmal die leibhaftige Bekanntschaft einer solchen ehrwürdigen Bühnen gestalt vergönnt ist. Wären wir egoistisch, wir würden die Direction zu weiteren Ausgrabungen ermuntern und ihr eine Reihe ganz interessanter Opern von Dittersdorf, Adam Hiller, Zumsteg, Winter, Weigl, Reichardt und Gyrowetz anempfehlen, die einst beliebt und berühmt waren. Die Theater-Directoren würden freilich diese antiquarische Gourmandise von zwanzig oder dreißig Kunstfreunden theuer bezahlen müssen. Nimmermehr könnten wir den Glau ben vorschützen, das Publicum werde sich an diesen Opern wieder erquicken, denn wir sind vom Gegen theil überzeugt — wollen wir doch selbst für unsern Theil nicht als bewundernden Enthusiasmus ausgeben, was vorwie gend nur kunstgeschichtliches Interesse ist. Wenn man sich von deutschen Musik-Lexikons und Handbüchern (siehe das neueste von Schletterer) leiten läßt, oder von frommer Tradition, dann sind freilich unsere alten Singspiele durchaus Werke von „unverwelklicher Frische“ und „ewiger Jugend“, ein Jung brunnen, den man nur zu öffnen braucht, um die dürstende Jetztzeit zu erquicken und zu stärken. Man beseitigt den Schutt, sprengt die verrosteten Riegel, und was zeigt sich in den meisten Fällen statt des gehofften Jungbrunnens? — „ein längst versiegter Strom, der keines Kindes Mund mehr letzt.“ Alles Menschenwerk ist vergänglich, und das vergänglichste der Menschenwerke eine komische Oper. Zunächst hängt ihre Wirkung gar wesentlich vom Textbuche ab; wir können mit bestem Willen uns nicht mehr an Lustspielen ergötzen, deren Handlung Null ist und deren ganze Komik in kindischen Ver kleidungen, sehr viel Prügeln und Ehrentiteln, wie „du Esel! du Vieh!“ u. dergl. besteht. Findet sich zu solch kindischem Stoff eine wahrhaft geniale Musik, so trägt sie denselben wie ein Schwimmgürtel über die Fluthen der Zeit; Pergo lese’sServa padrona“, Mozart’sEntführung“ und Mädchentreue“ entzücken uns noch heute. Aber Ditters

dorf und die übrigen einst beliebten Singspiel-Componisten Deutschlands sind keine Pergoleses, keine Mozarts. Sie sind po puläre Tages-Componisten von soliderer Schulung und gefälli gem, aber wenig intensivem oder originellem Talente. Eine ganze Generation zu befriedigen und zu ergötzen, ist kein klei nes Verdienst; sie haben das gethan und ihren Lohn dahin. Die ganze dichte Gruppe deutscher Singspiel-Componisten ne ben und unmittelbar nach Mozart imponirt durch ihr com pactes Auftreten, ihre populäre Wirkung, endlich durch ihre historische wie nationale Bedeutung gegenüber der absterbenden italienischen Oper in Deutschland. Aber in der hohen Schätzung ihrer Begabung und des substantiellen Werthes ihrer Musik thut man ihnen, meines Erachtens, zu viel Ehre an. Ich kann unmöglich finden, daß in Dittersdorf’s Opern ein reiche res und selbstständigeres Talent stecke, als z. B. in den Of fenbach’schen, und wenn es eine musikalische Gerechtigkeit gibt, wird in achtzig Jahren Offenbach ebenso respectirt und ebenso vergessen sein, wie heute Dittersdorf.

Doctor und Apotheker“, Dittersdorf’s hervorragendste Oper, hat unstreitig tüchtige und gefällige Momente, die im Carltheater nicht wirkungslos an uns vorübergingen. An spruchslose Solidität, Routine der musikalischen Technik, Laune und derbe Jovialität herrschen fast durchwegs. Eine und die andere komische Nummer, deren Salz noch nicht verwittert ist, findet sich wol in jeder besseren Oper Dittersdorf’s: die Arie des Handelsjuden im „Rothkäppchen“, die Tonmalerei des tauben „Hieronymus Knicker“, das überaus drastische Duett zwischen dem Doctor und dem Apotheker. Auch einige lied mäßige Sätze, wie der Zwiegesang der beiden Mädchen, lä cheln gefällig hervor. Für den Total-Eindruck bleibt aber der plumpe, hausbackene Ton des Ganzen mit seinem Mangel an individuellem Ausdrucke und an feiner, geistreicher Charakteri stik entscheidend. Wir sind durch die erstaunliche Entwicklung, welche die Opernmusik seit Dittersdorf durchlaufen hat, zu sehr verwöhnt, als daß wir einen Abend hindurch diesen ärm

lichen, auf zwei oder drei Accorden festsitzenden Melodien, die sen monotonen Rhythmen und schablonenhaften, knappen For men mit Befriedigung lauschen könnten. Text und Musik stecken mit all ihren Mängeln und Vorzügen in dem Zeitge schmacke einer längst abgelebten Periode. Kann man es unse rer Zeit verdenken, wenn sie nicht nach dem Commando der Pietäts-Historiker, sondern mit eigenem Ohre hören, mit eige nen Sinnen empfinden will?

Zwei Tugenden sind es vorzüglich, die man an Ditters dorf laut und zur besonderen Beschämung unserer modernen Componisten zu preisen liebt: die künstlerische Mäßigung und der specifisch deutsche Charakter seiner Musik. Beides läßt sich nur mit einigen einschränkenden Randglossen unterschreiben. Die Einfachheit der Melodie und Harmonie, das Gleichmaß des Rhythmus, die Durchsichtigkeit des Orchesters bei Ditters dorf erscheint uns heutzutage allerdings als Muster von Mäßi gung, theils wohlthuend im Ausruhen nach modernem Lärm, theils auch ermüdend durch ihre reizlos gewordene, Verstand und Sinne nirgends überraschende, nirgends neckende Gleich förmigkeit. Als eine eminent künstlerische Tugend könnten wir Dittersdorf diese Einfachheit aber nur dann anrechnen, wenn seine übrigen Collegen raffinirt und lärmend gewesen wären. Dies war aber nicht der Fall. Dittersdorf zeichnete und colo rirte so modern und effectvoll, wie nur irgend einer seiner namhaften Rivalen. Die Zeitgenossen rühmten an Dittersdorf’s Opern nicht die Mäßigung, sondern den Glanz, die Lebens fülle, die packende Kraft. In der Wirkung auf uns bleibt sich die Sache gleich, aber für die Kritik sind Styl der Zeit und individuelles Verdienst doch nicht dasselbe. Was den „echt deut schen“ Charakter der Dittersdorf’schen Opern betrifft, so kann man gerne einräumen, daß er als grün knospendes Laub den Stamm französischer Sujets und das Gezweige italienischen Gesangstyls umgibt. Als das deutsche Singspiel sich an der Seite und im Gegensatze zu der in Deutschland herrschenden

italienischen Oper zu entwickeln begann und durch Kaiser Jo seph zum erstenmale eine eigene Stätte erhielt, da waren es in der Regel französische Textbücher, welche von den deut schen Componisten bearbeitet wurden. Man übersetzte (mitunter localisirend) die Librettos von Grétry, Monsigny, Phili dor und Dalayrac, und hatte gar kein Hehl, daß man auch in der musikalischen Gestaltung diesen französischen Mustern nacheifere. Die besten deutschen Componisten dieser ursprünglich französi schen Singspiele steckten aber durch ihren ganzen Bildungsgang so fest in dem Styl der damaligen italienischen Oper, daß sie auch für das neue Genre sich unmöglich daraus ganz be freien konnten. Dittersdorf’s Partituren gehören zur guten Hälfte dem italienischen Style an, wie dies von dem Schüler Bonno’s und Trani’s, von dem Liebling wälscher und ver wälschter Höfe, dem Componisten so vieler italienischer Opern und Oratorien, gar nicht anders zu erwarten war. Adam Hiller, der Vater des deutschen Singspiels (dessen Texte gleichfalls meist französischen Ursprungs waren), brachte eigent lich nur Comödien, ausgeschmückt mit einigen Strophenlie der und kleinen Duettchen, die, an das deutsche Volkslied anlehnend, jede Opern-Prätension ausschlossen. Dittersdorf, welcher den Rahmen der Hiller’schen Singspiele erweiterte und der eigentlichen Oper näherte, ist schon weit weniger deutsch. Fast alle seine ernsten, nicht strophenmäßig behandelten Nummern sind italienisch in Form und Charakter; die reich colorirten Arien seiner ersten Sopran- und Tenorpartien, die größeren Duette u. dgl. könnten jeden Augenblick in einer Opera seria von Piccini oder Paesiello stehen. Hätte man im Carltheater nicht neun bis zehn solcher Nummern aus Doctor und Apotheker“ weggestrichen, so würde die starke Vertretung des italienischen Opernstyles selbst dem Laien auf gefallen sein. Wo immer das Singspiel, seine Form erweiternd, zur komischen Oper sich auswächst, wird es Situationen und Musikformen aufnehmen, die dem

Style der gleichzeitigen großen Oper sich nähern. In solchen Scenen lehnt sich Dittersdorf ebenso stark oder noch mehr an die wälsche Opera seria seinerzeit, als Offen bach heutzutage an Meyerbeer und Auber. Die stereotype Bezeichnung Dittersdorf’s als „Deutschlands Grétry“ mag man mit Beziehung auf die gleiche Richtung und die gleiche Fruchtbarkeit beider Componisten gelten lassen; an Ursprüng lichkeit und Feinheit des Talentes war der Franzose dem Deutschen jedenfalls überlegen, wenn auch keineswegs an musi kalischer Schulung. Viel Aehnlichkeit finden wir zwischen Dittersdorf und Kotzebue, dessen komisches Talent und großes Bühnengeschick dem des deutschen Componisten gewiß nicht nachstand und der, um so viel jünger, dennoch auch schon veraltet ist. Dittersdorf hat große Verdienste um seine Zeit, die ihn auch mit Beifall reichlich lohnte. Er war eine Art musikalischer „Fritz“, den ein Fürstbischof von „Gerol stein“ auf dem Fleck zum Forstmeister, Amtshauptmann und Edelmann machte. Es ist ein Irrthum, wenn einer unserer Collegen die Anerkennung Dittersdorf’s erst von dessen Tode datirt; sie hat während seines Lebens aufs üppigste geblüht, aber leider nicht einmal bis zu seinem Tode (1799) vorgehalten. Mit dem Componisten war auch seine Musik so gut wie verblichen, nicht etwa zeitweilig, sondern für immer. Schon im Jahre 1819 klagt die Allgem. Musikalische Zei tung: „Wie kommt es, daß Dittersdorf’s Opern gar nicht mehr auf die Bühnen kommen, und während man immer vom „Chaperon rouge“ eines französischen Componisten hört, des „Rothkäppchen“ von Dittersdorf gar keine Erwähnung geschieht?“ Es will wol genug sagen, daß im Leopoldstädter Theater Doctor und Apotheker“ seit dem Jahre 1796 nicht wieder gegeben wurde. In Dresden versuchte man vor zwei Jahren Dittersdorf’sHieronymus Knicker“, ohne ihn über die dritte Vorstellung zu bringen; in Berlin hatte die Wieder erweckung des „Rothkäppchen“ keinen viel besseren Erfolg.

Auch im Carltheater dürften die Tage von „Doctor und Apo theker“ gezählt sein. Kann man ehrlicherweise die Directionen aneifern, auf diesem Wege ihr Heil zu suchen? Wär’ ich ein reicher Fürst, ich wüßte kein größeres Vergnügen, als die Er richtung eines kleinen musikalischen Theaters, das mir die besten und merkwürdigsten Opern alter Zeit vorspielte. Welche Quelle des Genusses und der Belehrung, die in der Musikgeschichte nebelhaft verschwimmenden Schatten der alten Meister in Blut und Leben verwandelt vor sich handeln zu sehen! Aber einer von der Theilnahme des Publicums abhängigen Privatbühne kann man nicht die Mission eines Museums zumuthen. Sie spricht zu den Lebenden und muß sich daher an das halten, was — neuen oder alten Datums — wirklich lebenskräftig ist.

Zu Offenbach’sGroßherzogin von Gerolstein“, welche in diesen Blättern von befreundeter und competenter Hand be reits kritisirt wurde, erlaube ich mir blos die nachträgliche Bemerkung, daß ihre Aufführung im Theater an der Wien an Pracht der Scenirung und an musikalischer Tüchtigkeit die Pariser Vorstellung weit übertrifft. Gleich beim ersten Aufzie hen des Vorhanges ist man überrascht von der malerischen Wirkung, welche die unvergleichliche Tiefe des Bühnenraumes hier gestattet. Von den glänzenden militärischen Evolutionen, der Regimentsmusik auf der Bühne, dem Tanz im Lager kann auf der kleinen Scene des Théâtre des Variétés ohnehin keine Rede sein.

In Paris trägt das Stück mehr den Charakter eines musikalischen Conversationsstückes oder Vaudevilles, während es an der Wien geradezu an den Glanz der großen Oper streift. Ob man in diesem Punkte hier nicht etwas zu weit geht, in dem man z. B. statt 6 oder 8 Hofdamen, welche einander ihre Liebesbriefe vorlesen, deren 30 bis 40 versammelt, ist eine andere Frage. Es ist bekannt, wie überaus nachsichtig die Franzosen sich gegen ungenügende musikalische Leistungen verhalten, wenn nur das Dramatische fein und effectvoll herausgearbeitet ist — die Offenbach’schen Operetten

in Paris liefern den besten Beleg dafür. Ich sah dort eine Aufführung der „Schönen Helena“, wo alle Mitwirkenden, von der alt und trivial gewordenen Tautin angefangen bis herab zum zweiten Ajax, so abscheu lich stimmlos waren und falsch sangen, daß sie in Wien nach den ersten acht Tacten ausgelacht worden wären. Weit besser war allerdings die „Großherzogin“ besetzt, allein auch hier ge nügten Sänger und Orchester doch nur in bescheidenen Ansprü chen. Madame Schneider, eine graziöse Schauspielerin von scharfem, etwas cancanisirtem Esprit, weiß mit ihrem kleinen Stimmchen sehr nett vorzutragen; die effectvollsten Stellen der Rolle kommen aber doch erst durch die volltönende Stimme der Geistinger zur Geltung. Dupuy, der Darsteller des Fritz, mit Swoboda als Sänger nicht zu vergleichen, erhebt sich überhaupt nur sporadisch zu einer Art Gesang. Eine Fi gur à la Knaack und unwiderstehlicher Gesichterschneider wie dieser, ist Dupuy von hinreißend drolliger Wirkung und läßt das Publicum nicht aus dem Lachen kommen. Herr Swo boda gibt die von Dupuy ins Groteske gezogene Rolle fei ner und mäßiger; was sie an komischer Kraft einbüßt, gewinnt sie an Wahrscheinlichkeit, denn die Schwär merei einer Großherzogin (sei es auch einer von „Gerolstein“) für einen so unmenschlichen Tölpel, wie dieser Fritz-Dupuy, liegt außer den Grenzen des Möglichen oder doch des Appetitlichen. Das zärtliche Tête-à-tête im zweiten Acte erinnert in Paris unwillkürlich an Titania, die den Esel liebkost. Das treffliche Wiener Verschwörungs-Kleeblatt (Bla sel, Rott und Friese) gibt der Pariser Besetzung nichts nach, welche schließlich auch keine so augenweidende Personifica tion der Wanda und des Groy herzustellen vermag, wie das Theater an der Wien. Und so dürfte die „Großherzogin von Gerolstein“, der es an drastisch-komischen Momenten und anmuthigen Melodien bekanntlich nicht fehlt, sich in ihrer pracht vollen Wiener Ausstattung noch lange auf dem Repertoire erhalten.