Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 1292. Wien, Samstag den 4. April 1868 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 1292. Wien, Samstag den 4. April 1868 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 04.04.1868
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung. Alle Daten, Orte, Werke, Personen ediert. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Ein musikalisches Anliegen.

Ed. H. „Werden Sie Stifter?“ „Sind Sie Grün der?“ Mit dieser geheimnißvollen Parole hört man jetzt häufig Leute einander anrufen, die im Geruche besonderer Musikliebe stehen. Kommt vollends Herr Nikolaus Dumba mit seinem musikalischen Minister-Portefeuille unter dem Arme desselben Weges, so sieht er sich bald wie Sarastro von eingeweihten Prüfern und Sprechern umringt, die ihn nach dem neuesten Stande der „Stifter“ und „Gründer“ befragen. Die Unein geweihten aber merken aus der Erregtheit unserer musikalischen guten Gesellschaft, daß wichtige Ereignisse auf diesem Gebiete in Schwang gehen. Das ist auch wirklich der Fall. Eine schwere, fast eine Lebensfrage der Musik in Wien, seit gerau mer Zeit sachte, schrittweise herankommend, ist jetzt leibhaftig über unsere Schwelle getreten und heischt Antwort. Ein Auf ruf der neuen Direction der „Gesellschaft der Musikfreunde“ gibt hierüber ehrliche, offene Auskunft; sein Inhalt scheint uns wichtig genug, um auch die Musikfreunde außerhalb Wiens zu interessiren.

Wir wollen nicht weit zurückgreifen. Man weiß, wie die „Gesellschaft der Musikfreunde“ mit immer schwererer, aber bisher siegreicher Anstrengung sich gegen die Ungunst der Zei ten vertheidigt hat in ihrer doppelten Wirksamkeit: dem Con servatorium und den großen Concert-Aufführungen. Nicht länger jedoch war zu verhehlen, daß sie den gesteigerten Anforderungen der Gegenwart nach beiden Richtungen nur entsprechen könne durch den Bau eines neuen, eigenen Hau ses, welches passende Concertsäle und hinreichende Räumlich keiten für das Conservatorium enthielte. Dieses Bau-Unter nehmen wurde zuerst von Sr. Majestät dem Kaiser in groß artiger Weise gefördert; ein Bauplatz nächst der Handels-Aka demie ward der „Gesellschaft der Musikfreunde“ unentgeltlich eingeräumt und die Hälfte des Erträgnisses von zwei Woh thätigkeits-Lotterien dem Baufonds zugewendet. Es war eine Bedingung dieser Schenkung, dass der Bau sofort begonnen

werden mußte, und so haben denn die ersten kostspieligen Ar beiten, die Erdaushebungen und die Grundmauern, jenen Lot terie-Ertrag so gut wie verschlungen. Diese Grundmauern vor Augen und den herrlichen Plan von Meister Hansen in der Hand, steht nun die Direction gar betrübt auf dem Bauplatz und — hat kein Geld, den begonnenen Musikpalast weiterzu führen. Dies ist die Situation. Nachdem alle erdenklichen Mittel zur Abhilfe berathen waren, mußte man zu der Ueberzeugung gelangen, daß nur durch eine aus giebige, rasche Betheiligung aller Musikfreunde Wiens der Bau fortgeführt und vollendet werden kann. Der Direction widerstrebte es jedoch, schlechtweg mit der Al mosenbüchse von Haus zu Haus zu pilgern, ohne ihrerseits den Spendern eine angemessene Gegenleistung zu bieten. Sie ver fiel auf die Errichtung zweier neuer Kategorien von Mitgliedern, welche neben den einfach „unterstützenden“ ein besonderes Verdienst um die Gesellschaft und besondere Rechte an derselben erwerben sollten. Und dies sind eben die vielge nannten „Stifter“ und „Gründer“. Jeder Spender einer Ka pitals-Einlage von zweitausend Gulden zum Baufonds wird als Stifter in die Gesellschaft aufgenommen und erwirbt dadurch für sich und seine Erben für immer das Recht, einen Zögling im Conservatorium unentgeltlich ausbilden zu lassen. Dieser Stiftungsplatz wird nach dem Namen des Stif ters benannt; die Namen der Stifter werden, in Votivtafel eingegraben, im Festsaale prangen. Dem „Stifter“ erwächst ferner das erbliche Recht der Mitgliedschaft der Gesellschaft und damit ein erblich-eigener, mit seinem Namen bezeichneter Sitz zu allen Vereinsconcerten. Damit jedoch auch jene Musik freunde, die nur über eine kleinere Summe zu diesem Zwecke disponiren wollen, in bleibende Rechte treten können, wird jeder Spender von zweihundert Gulden „Gründer“ der Ge sellschaft und erwirbt das erbliche Mitgliedsrecht. Der Grün der erhält einen mit seinem Namen bezeichneten unentgeltlichen Sitz zu allen Vereinsconcerten und (so wie der „Stifter“) das Vorkaufsrecht auf diesen Sitz zu allen anderen Musik-Produ tionen von Virtuosen u. dgl. Zwei passende Nebenbestimmun gen wurden hinzugefügt: dass sowol Stifter als Gründer den

genannten Kapitalsbeitrag in Raten einzahlen können, sodann daß die Nachbarsitze nach Möglichkeit für die Familienglieder der Gründer und Stifter reservirt werden, falls diese als temporäre Mitglieder oder nur als Concert-Abonnenten ein treten. Die Beträge von zweitausend Gulden und von zwei hundert Gulden, für welche man Stifter oder Gründer wird, sind nicht willkürlich angesetzt. Die Summe von zweitausend Gulden ist die Kapitalisirung des Schulgeldes für einen Zögling und des Beitrags als Mitglied. Die von den „Gründern“ zu erlegende Summe von zweihundert Gulden repräsentirt die (sechspercentige) Kapitalisirung des jährlichen Mitgliederbeitrages von zwölf Gulden. Die Stifter und Gründer sind durch jenen einmaligen Erlag für alle Zeiten der Mühe überhoben, sich zu Anfang jeder Saison um ihre Concertsitze zu kümmern. Die diesjährigen „Gesellschafts-Concerte“, zu denen Späterkommende einen Sitz selbst für Liebhaberpreise nicht zu erlangen vermochten, bewie sen, daß jener Vortheil nicht ganz unerheblich ist. Mit der künstlerischen Vollkommenheit dieser Productionen ist auch die Schwierigkeit gewachsen, Plätze dafür zu erhalten. Wir nähern uns damit den Pariser Verhältnissen: ein Sitz zu den Con servatoire-Concerten ist dort Gegenstand langjähriger Vormer kung, wird in der Familie vererbt, an Fremde veräußert und übertragen. Er repräsentirt einen förmlichen Kapitalswerth, wie die zu eigen erworbenen Logen in den Theatern Italiens. Die rasch zunehmende künstlerische und sociale Entwicklung Wiens wird ohne Zweifel ähnliche Verhältnisse für die großen „Ge sellschafts-Concerte“ herbeiführen. Nichtsdestoweniger sind wir überzeugt, daß nicht diese Vortheile den stärksten oder einzigen Magnet für die eintretenden Stifter und Gründer bilden, daß diese vielmehr ihren besten Lohn in dem Bewußtsein fin den, ihr Scherflein für eine große künstlerische Angelegenheit beigetragen zu haben.

Der Aufruf der Direction wendet sich natürlich zunächst an den reichen Adel, die großen Grundbesitzer, die hohen geist lichen Würdenträger — sie erscheinen recht eigentlich als die prädestinirten „Stifter“. Die Namen der hervorragendsten Adelsgeschlechter sind mit der Geschichte der Musik in Oester

reich eng verwachsen. Niemand kann der österreichischen Aristo kratie die rühmlichen Verdienste streitig machen, welche sie in früherer Zeit um Tonkunst und Tonkünstler sich gesammelt. Allein mit jeder neuen Generation, seit 40 bis 50 Jahren, ist dieser Ruhm blasser geworden, hat sich dieser musikalische Eifer des österreichischen Adels verringert. Schon die Gründung der „Gesellschaft der Musikfreunde“ (1813) und des Wiener Con servatoriums (18171821) trägt einen eminent bürgerlichen Charakter: es war der gebildete Mittelstand, die musicirende Dilettantenschaft, welche dies Institut ins Leben riefen und (von wenigen Adeligen unterstützt) erhielten. Im Gegensatze hiezu ist das Prager Conservatorium ganz und gar eine Schöpfung des böhmischen Adels. Im Jahre 1808 die erschließen die Grafen Wrtby, Stern berg, Johann und Friedrich Nostitz, Pachta, Clam-Gallas, Firmian und Klebelsberg den Aufruf zur Gründung eines Conservatoriums in Prag und verbanden sich zur Zahlung von jähr lich 2700 fl. Sie luden alle Liebhaber der Tonkunst zur Subscription ein, als deren kleinster Betrag 100 fl. bestimmt war. Zweiundzwanzig böhmische Adelige subscribierten sofort mit einer jährlichen Summe von 6600 fl. Die Gründer widmeten in aufopfernder Weise und un mittelbar eingreifend ihre Thätigkeit dem Institut. Es präsidierten ab wechselnd Fürst Lobkowitz und Graf Nostitz, technischer Referent war Graf Klebelsberg, Wirthschafts-Chef Fürst Kinsky, Cassier Graf Wrtby, Assessoren die Grafen Clam, Defours und Pachta.

Was der österreichische hohe Adel gegenwärtig für die Pflege der Musik thut, ist äußerst geringfügig. Ueberhaupt müssen wir die noch vielfach waltende Illusion zerstören, dass die wohlhabenden Musikfreunde Wiens das Conservatorium namhaft unterstützen. Der letzte Jahresbericht weist an Unter stützungsbeiträgen für das Conservatorium (außer dem sehr mäßigen Staatsbeitrage von 3000 fl. und dem Gemeindebei trage von 1000 fl.) nur folgende aus: Die Sparkasse 105 fl.; Erzbischof Cardinal Rauscher 26 fl.; Fürst Liech tenstein 40 fl.; Fürst Schwarzenberg 10 fl.: Fürst Clary 15 fl.; Stift Schotten 15 fl.; Ritter v. André 10 fl. Dies ist die ganze Unterstützung, welche der ersten und

wichtigsten Musikanstalt des Kaiserstaates zu Theil wird. Glück licherweise können wir jetzt schon mit großer Befriedigung mel den, daß in Folge des neuesten Aufrufes sich bereits zahlreiche Musikfreunde und Gönner gefunden haben, welche, dem Wahl spruche: „Noblesse oblige“ folgend, sich sofort an die Spitze der „Stifter“ stellten. Als Stifter der „Gesellschaft der Musikfreunde“ sind bis jetzt eingetreten: Ihre kaiserlichen Hoheiten die Herren Erzherzoge Franz Karl, Karl Ludwig, Ludwig Victor, Albrecht und Wilhelm; Herzog August von Coburg, der Abt des Stiftes Schotten, die Niederösterreichische Sparkasse, die Fürsten Czartoryski, Batthyanyi, Karl Liechtenstein, Johannes Liechtenstein, Kinsky, Schwarzenberg, Hohenlohe; Graf Czernin; die Frei herren v. Rothschild, Sina, Wodianer, Prandau; die Herren v. Schey, Schwarz v. Mohrenstern, v. Friedland, Drasche und Cünzer. Außerdem haben zwölf bis fünfzehn hervorragende Kunst freunde ihren Beitritt als Stifter in nächste Aussicht gestellt. Die Zahl der Günder (Dr. Eduard Schön figurirt als der erste der selben) wird natürlich noch viel bedeuter sein. Nur Unkenntniß oder Undank ver möchte hier den Namen des Mannes zu übergehen, dessen auf opfernder Thätigkeit diese ersten schönen Erfolge zu danken sind, den Namen Nikolaus Dumbaʼs.

Neben den Stiftern und Gründern bleibt die Kategorie der „unterstützenden Mitglieder der Gesellschaftbestehen. Aus welchem Grunde sie bisher diesen schmeichelhaften Namen führten, ist schwer einzusehen. Indem sie für einen Jahresbetrag von nur 6 fl. einen Sperrsitz zu vier großen Concerten erhielten, außerdem das Stimmrecht in den General- Versammlungen, die Benützung der Bibliothek und des Archives, haben sie in der That Niemanden unterstützt als sich selbst. Da die großen Gesellschafts-Concerte regelmäßig mehr kosten als eintragen (das letzte mit der neunten Symphonie verursachte der Gesellschaft eine Auslage von circa 1600 fl. trotz des überfüllten Saales), nehmen sie fast den Charakter eines Geschenkes an, wel ches die Direction ihren „unterstützenden“ Mitgliedern macht. Der Rechnungsabschluß des letzten Verwaltungsjahres bezif fert die Concert-Einnahmen mit 4379 fl., die Concert-Aus gaben mit 8623 fl. Concerte haben somit noch einmal so viel gekostet als eingetragen.

Der geringe Abonnementspreis für die Gesellschafts-Con certe ist längst als eine Anomalie erkannt worden, er steht außer Verhältniß zu dem Kunstwerth und der Kostspieligkeit dieser Productionen, sowie zu den Preisen anderer Concerte. Nun ist aber das „unterstützende Mitglied“ nicht bloßer Con cert-Abonnent, mit seinen sechs Gulden soll auch noch das Conservatorium bedacht werden. Die letzte General-Versamm lung hat demnach mit vollem Rechte beschlossen, den Jahres beitrag der unterstützenden Mitglieder auf zwölf Gulden zu erhöhen, wovon sechs Gulden für die Concerte und sechs Gul den für das Conservatorium gedacht sind. Wir sind über zeugt, daß diese Beitragserhöhung die Zahl der Mitglieder nicht vermindern wird. Jeder echte Musikfreund, so meinen wir, wird angesichts der gegenwärtigen Bedrängniß der „Gesell schaft“ es als eine moralische Verpflichtung empfinden, das erste Conservatorium und die bedeutendste Concert-Unterneh mung der Monarchie durch jenen kleinen Mehrbetrag wirklich zu „unterstützen“ und zu der Vollendung eines Baues beizu tragen, welcher ein würdiges Asyl der Musik und eine der schönsten Zierden der Stadt bilden soll. Wem der ganze Ernst dieser Angelegenheit aus unseren Zeilen nicht klar ge worden sein sollte, der wird ihn aus den Schlußworten des Rund schreibens der Direction herausfühlen. Diese lauten: „Sollte dieser Aufruf nicht mit ausreichendem Erfolge gekrönt wer den, so wird die Gesellschaft der Musikfreunde genöthigt sein, das schöne und gemeinnützige Werk aufzugeben, und die Di rection müßte das ganze Unternehmen, wenn auch mit gro ßem Bedauern, so doch mit dem Bewußtsein fallen lassen, daß sie das Gute gewollt habe, jedoch dasselbe wegen Mangels an Theilnahme, ohne ihr Verschulden, nicht vollführen konnte.“ Dahin, wir sind dessen gewiß, wird es und kann es in einer Stadt nicht kommen, welche, eine Metropole der Musik von altersher, ein so großes und patriotisches Elitecorps von Kunstfreunden ihr eigen nennt. Mit vollem Vertrauen dür fen wir auf die werkthätige Theilnahme dieser Männer zählen. und ihnen zurufen: Werdet Stifter, werdet Gründer!