Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse No. 1804. Wien, Sonntag, den 5. September 1869 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

No. 1804. Wien, Sonntag, den 5. September 1869 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 05.09.1869
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Das Rheingold“ von Richard Wagner.

Ed. H. Den neuesten Zeitungsberichten zufolge ist die Aufführung der Oper „Rheingold“ in München definitiv auf gegeben. Damit verschwindet selbst für das zarteste Gewissen jede Furcht vor der Indiscretion einer dem allgemeinen Urtheil voraneilenden Kritik. Die Münchener Generalprobe am 27. August, die in Costüm und vollständiger Scenirung ohne die geringste Unterbrechung vor sich ging, muß jedem mit dem Werke vorher Vertrauten eine so klare und lebhafte Vor stellung davon eingeprägt haben, wie eine öffentliche erste Auf führung. Darum darf ich mir wol erlauben, dem durch zahl lose „Rheingold“-Nachrichten bereits schwer bedrängten Leser zu guterletzt Einiges über das Werk selbst mitzutheilen.

Wagner nennt sein „Rheingold“ ein Vorspiel. Die eigentliche, damit einzuleitende Action bildet eine an drei auf einanderfolgenden Abenden aufzuführende Trilogie: „Die Walkyre“, „Sigfried“ und „Die Götterdämmerung“. Die Handlung des ganzen „Bühnen-Festspiels“ ist dem alt deutschen Sagenkreise mit hauptsächlicher Benützung der Edda und des Nibelungen-Liedes entnommen und gestaltet sich im Rheingold“ folgenderweise: Die erste Scene stellt den Grund des Rheins dar; aus der Tiefe ragen schroffe Felsenriffe, die Höhe ist von rastlos hin- und herwogendem Gewässer erfüllt. Die Töchter des Rheins, Woglinde, Wellgunde und Floßhilde, hüten den ihnen anvertrauten Schatz, das Rhein gold, indem sie sinnend und schwimmend den mittleren, höch sten Fels umkreisen. Der häßliche Zwerg Alberich beginnt eine lüsterne wilde Jagd nach den drei Nixen, welche ihn necken und verspotten. Da trifft der lichte Schein des Rhein golds sein Auge, er bemächtigt sich des Schatzes und stürzt damit hastig nach der Tiefe. Schwarzes Gewölk lagert sich nun über die Scene, die sich nach und nach wieder erhellt

und uns in eine freie Gegend mit der Aussicht auf die glän zende Götterburg Walhall führt. Die Sage erzählt, daß ein Baumeister den Göttern versprochen hatte, die Burg in drei Halbjahren zu erbauen, zum Schutz und Schirm der Götter wider die Bergriesen. Zum Lohne hatte er sich die Göttin Freya ausbedungen, dazu Sonne und Mond. Durch eine List des Halbgottes Loki wurde er verhindert, zu rechter Zeit mit dem Bau fertig zu werden; Thor erschlug ihn hierauf mit dem Hammer. In Wagner’s Dichtung sind es die beiden Riesen Fafner und Fasolt, welche den Bau der Götterburg vollendet haben und nun Freya als den bedungenen Lohn verlangen. Letztere kommt, von den Riesen verfolgt, hilfesuchend zu Wotan und dessen Gemalin Fricka (Frigg) herangeeilt, welche eben einen zärtlichen Ehe standsdialog beendet haben. Wotan will Freya nicht ausfolgen, der arglistige Loge (Loki) soll Rath schaffen, wie die Riesen um ihren Lohn zu prellen wären. Loge erzählt von dem Rheingold, das wunderthätige Macht verleihe und nunmehr im Besitz des Nibelungen Alberich sei. Dieses Rheingold wird den beiden Riesen als Lösegeld für die verpfändete Freya ver sprochen, und Wotan macht sich mit Loge auf den Weg, es dem Alberich zu rauben. Schwefeldampf verbreitet sich über die Bühne, die Wolken verwandeln sich in finsteres Steingeklüft, das immer tiefer sinkt, bis wir eine unterirdische Kluft, von fernem Feuerschein geröthet, vor Augen haben. Es ist Nibel heim, die unterirdische Wohnung der Nibelungen. Alberich zerrt den kreischenden Mime, seinen Bruder, an den Ohren aus einer Seitenschlucht herbei. Mime, ein kunstreicher Schmied, hat für Alberich aus dem Rheingold kostbares Ge schmeide gefertigt, will aber für sich selbst die unsichtbar ma chende Tarnkappe zurückbehalten. Während er dafür von Alberich weidlich geprügelt wird, treten Wotan und Loge ein und verlangen die Wunder des Tarnhelms zu sehen. Alberich verwandelt sich auf ihren Wunsch zuerst in eine Riesenschlange, dann in eine Kröte, auf welche sofort Wotan den Fuß setzt,

während Loge ihr den Tarnhelm entreißt. Die beiden Götter überwältigen Alberich und führen ihn geknebelt an die Ober fläche der Erde, wo er ihnen den ganzen Nibelungenschatz aus folgen und zuletzt auch den wunderthätigen Ring opfern muß. Der Nebeldunst des Vordergrundes löst sich allmälig auf, wir befinden uns wieder in der Rheingegend mit der Götterburg im Hintergrunde. Die beiden Riesen liefern Freya gegen das Rheingold aus, das nun massenhaft herbeigeschleppt wird; zu letzt streiten sie sich um den Ring, Fafner erschlägt den Fasolt mit einem Pfahl und macht sich mit dem Schatz auf und davon. Donner und Blitz, hierauf ein immenser Regenbogen, über dessen Wölbung die Götter nach Walhall einziehen, wäh rend aus der Tiefe der Gesang der Rheinnixen ertönt.

Der scenische Aufbau der Handlung ist sehr geschickt, diese selbst unserem Interesse fernstehend. Man muß leiden schaftlicher Germanist sein, um sich für den ganzen Hofstaat der altnordischen Mythologie zu erwärmen; wir wollen auf der Bühne Menschen sehen, mit menschlichen Leidenschaften und Schicksalen. Die tiefe Symbolik, welche die Sage in ihre Götter-Gestalten legt, kommt in Wagner’s „Rheingoldnirgends zu Tage, eine gelehrte Kenntniß derselben kann man wol nur von einem verschwindend kleinen Theil des Publicums erwarten. So agiren denn die blutlosen Schemen, die uns Wagner als Wotan, Loge, Fricka, Donner, Froh u. s. w. vorführt, wie ausgestopfte Puppen, eine dem andern ähnlich. Einen Versuch zu genauerer Charakteristik, aber einen mißglückten, macht Wagner mit seinem „Loge“. Loge (Loki) erscheint nach Uhland’s Ausdruck als das leise Verderben, das rastlos unter den Göttern einherschleicht, listig, verrätherisch, dabei gewaltig durch die elementare Macht, die seinem Wesen als Feuergott zu Grunde liegt. Wagner macht aus ihm einen halbkomischen Diplomaten, der sich eines abgeschmackten, lä chelnden Conversations-Tones befleißt und dem Niemand seine Abkunft von den Riesen, dieser ältesten Götterdynastie, glaubt. Götter, Riesen und Zwerge als handelnde Person auf die

Bühne zu bringen, ist ein unmögliches Unternehmen: es spie len sie doch immer Menschen von gewöhnlichem Mittelmaß. Selbst die besten Dramatisirungen des Nibelungenstoffes muß ten das Mißliche dieses Widerspruches erfahren und büßen: des Widerspruchs zwischen unserer Vorstellung von übermensch lichen Heldengestalten und deren dürftiger Verkörperung auf der Bühne. Wenn Wagner auf die Volksthümlichkeit jenes Sagenkreises zählt, wie aus dem ganzen Unternehmen her vorgeht, so hat er sich verrechnet, wie seinerzeit Klopstock mit seiner künstlichen Wiederaufnahme der altdeutschen Mytho logie. Gerade jene Klopstock’schen Oden, welche von Thor, Freya, Walhall etc. wimmeln, sind am wenigsten verstanden und am frühesten vergessen worden. Die Figuren und Si tuationen in „Tannhäuser“, „Holländer“, den „Meistersin gern“ expliciren sich selbst; um den vollen Sinn des „Rhein gold“ zu verstehen, müßte der Zuschauer beim Eintritt ins Parterre nebst dem Theaterzettel auch ein Handbuch der alt germanischen Mythologie und womöglich ein kleines Wörter buch in die Hand bekommen. Denn in seiner alterthümelnden Passion gebraucht Wagner mit Vorliebe Wörter, die — zu unserem größten Bedauern — heutzutage kein Mensch mehr versteht. Stellen wie: „Mein Friedel sei, du frauliches Kind,“ „Bin glatt und glau,“ „Glühender Glanz entgleißt weihlich im Wag’!“ trifft man auf jeder Seite. Wie in diesen eben herausgegriffenen Beispielen, so herrscht in der ganzen Dich tung, sprachverderbend und sinnverrückend, die Alliteration. Und nicht der Gedanke ruft bei Wagner die passende Allite ration hervor, sondern umgekehrt. Diese unausgesetzte läp pische Buchstaben- und Lautspielerei umschwirrt uns wie ein lästiger Schwarm von Wespen. Etwas Abgeschmackteres als die Diction von Wagner’s „Rheingold“ von der ersten Zeile bis zur letzten kommt schwerlich irgendwo zum Vorschein. Man schaukelt bei der Lectüre dieses poetischen Ungethüms seekrank zwischen Aerger und Lachen. Ein wahres Glück, daß man bei der Aufführung selbst fast nichts von den Textwor

ten versteht, die gefährlichen Symptome „allgemeiner Heiter keit“ würden nicht ausbleiben.

Die theatralische Form des „Rheingold“ ist insofern völlig neu, als die ganze Oper ununterbrochen in Einem Zug, ohne irgend einen Actschluß sich abspielt. Die vier Bilder oder Scenen entwickeln sich aus einander bei offener Scene, nach Art von Dissolving views aus Dämpfen, während gleicher weise die Musik unten atemlos fortdampft. Zwischen den einzelnen Scenen tritt nicht einmal ein kurzer Ruhepunkt ein, wie nach den Sätzen einer Symphonie. Die Oper spielt buch stäblich von Anfang bis zu Ende, also gegen drei Stunden lang ohne Pause fort. Bei der monotonen Unruhe, welche diese Musik charakterisirt, und bei dem Uebermaß von Schau gepränge auf der Bühne ist das kein Spaß. Im „Rhein gold“ behaupten die Künste des Decorationen-, Costüm- und Maschinenwesens eine ungebührliche und unerhörte Wichtigkeit. Das Auge wird fortwährend durch zauberhaften Decorations- Wechsel, durch Feerien, Flugmaschinen, Lichteffecte und farbige Dämpfe beschäftigt und geblendet. Es gibt keine zweite Oper, in welcher ein Componist sich so vollständig zum dienstfertigen Begleiter des Maschinisten und Decorations-Malers degradirt hätte, wie im „Rheingold“. Wer mit uns in München sein Brot mit Thränen aß, wird bezeugen, daß in allen „Rhein gold“-Gesprächen (und es gab keine anderen) fast ausschließ lich von den schwimmenden Nixen, den farbigen Dämpfen, der Götterburg und dem Regenbogen die Rede war, nur sel ten von der Musik. Ist nicht Meyerbeer, der von Wagner mit so tugendhafter Entrüstung Geschmähte, ein unschuldig Kind gegen den auf die raffinirteste Schaulust speculirenden Componisten dieses Kosmoramas? Was bleibt von „Rhein gold“, wenn man das scenische Blendwerk abzieht? Nichts als ein langweilig nüchternes Psalmodiren der Sänger über einer gestaltlos wogenden, im besten Falle realistisch malenden Begleitung.

Der musikalische Styl des „Rheingold“ ist der zuerst im

Tristan“ streng durchgeführte: die reiz- und melodienlose Decla mation der Singstimmen, dazu die in ewigen Trugschlüssen sich aufreibende „unendliche Melodie“ im Orchester. Die Consequenz, mit welcher Wagner diese widermusikalische Methode festhält, erregt eine Art gruselnder Bewunderung. Keine symmetrische Form, kein selbstständig melodiöses, rhythmisch gegliedertes Thema, kein Ensemblesatz. Wir sehen die ganze Götter- und Riesengesellschaft, 8—10 Personen stark, den halben Abend hindurch neben einander auf der Bühne stehen, und niemals singen ihrer Zwei zugleich. Langsam und pathetisch recitirt Einer nach dem Anderen, während die Uebrigen stumm und gelangweilt zusehen. Ein drei Stunden langer musikalischer Gänsemarsch! Wenn das ein Fortschritt heißen soll, von dem unschätzbaren Kunstgewinn des mehrstimmigen Gesanges zu dem einstimmigen Kindheitslallen der ersten Opernversuche zu rückzukehren, so danken wir für den Fortschritt. Würde etwa ein moderner Maler auf jene vor-Dürer’sche Periode zurück gehen dürfen, welche, das Gesetz der Perspective noch nicht kennend, die Menschen einander auf den Köpfen gehend dar stellte? Auch keine dramatische Nöthigung spricht für sol chen Puritanismus (ganz abgesehen davon, daß wir das musi kalische Schönheitsprincip auch in der Oper gewahrt wissen wollen), denn die Handlung des „Rheingold“ bringt mehr als Eine Situation, welche ein Zusammensingen geradezu dramatisch erheischt. So zum Beispiel, wenn die von den Riesen bedrängte Freya die versammelten Götter um Hilfe anruft, wenn später die zurückbleibenden Götter dem gen Nibelheim ziehenden Wotan ihr „Glück auf“ und „Fahr’ wohl“ zurufen. Wäre ein Chor der goldschleppenden Nibe lungen oder der schließlich triumphirend in Walhall einziehen den Götter undramatisch? Wir finden das Gegentheil, finden Wagner’s Partitur undramatisch. Nur einmal labt den homophon gemaßregelten Hörer ein musikalischer Sonnenblick: die drei Rheinnixen geruhen am Schlusse der Oper ein kurzes dreistimmiges Sätzchen zu singen, und das verschmachtend

Ohr lebt förmlich auf. Wer die Wirkung dieses langentbehr ten Zusammenklanges auf die Hörerschaft beobachtet hat und unter dem Eindrucke dieses Contrastes noch nicht im Klaren ist über die Verkehrtheit des Wagner’schen Hintereinander-Styls, dem ist nicht zu helfen.

Fragen wir nun, welches Maß von Glück und Erfindung dem Componisten gerade im „Rheingold“ zu statten kam, so sinkt dies Werk vollends tief unter Wagner’s frühere Inspira tionen. In jeder seiner übrigen Opern hat Wagner mehr Wärme des Ausdrucks, mehr Kraft der Erfindung bewährt. Die „Meistersinger“, welche nach langen trostlosen Strecken doch wieder reizvolle Oasen enthalten — Proben von der Vollkraft des Wagner’schen Talentes — schwellen gegen Rheingold“ zu einem zweiten „Fidelio“ oder „Don Juanempor. Die wärmsten Verehrer des Componisten müssen die Inferiorität seiner „Rheingold“-Musik zugeben, sie ist als Ganzes geradezu arm, kalt und mittelmäßig. Die raffinirte sten Orchester-Combinationen können nicht darüber täuschen, wie nüchtern und seelenlos aller Gesang im „Rheingold“ ist. Dies graue declamatorische Einerlei fällt uns wie ein schwerer Nebel auf die Brust. Scenen, deren eigenthümlichem Cha rakter diese Art Musik noch allenfalls entspricht (wie die Erscheinung der warnenden „Erda“) und welche von einer contrastirenden Umgebung sich effectvoll abheben würden, ver sagen hier, weil eben Alles in denselben Farben gemalt ist. Da alle Personen im „Rheingold“ pathetische Declamatoren sind, so krystallisirt sich keine einzige zur lebendigen Indivi dualität, selbst in den charakteristischesten Momenten nicht. Ein solcher Moment ist z. B. der Fluch, den der beraubte, racheschnaubende Alberich gegen Gold und Götter schleudert. Wir erwarten hier ein Musikstück von leidenschaftlicher rhyth mischer Kraft und Gedrungenheit. Statt dessen entledigt sich Alberich seiner Rede mit dem salbungsvollen Pathos eines verdrießlichen Nachmittagspredigers.

Den vortheilhaftesten Eindruck macht jedenfalls das erste Bild: die Nixen im Rheine. Da ist der Hörer noch unab

gestumpft und kann sich dem eigenthümlich anregenden, ganz ungewohnten Schauspiel mit Interesse hingeben. Daß dieser Reiz weit mehr ein malerischer und poetischer als ein musikali scher sei, darüber legt man sich unter dem Eindruck des Total-Effects keine Rechenschaft, auch paßt dazu Wagner’s descriptive, das Bild gleichsam nur elementarisch umfluthende Musik noch am besten. Je weiter, desto schwerfälliger, ein töniger, blutloser wird die Musik. Nur momentan unterbricht irgend ein geistreicher Klang-Effect das wachsende Unbehagen des Hörers. Mit rein reflectirendem Interesse bemerkt dieser allenfalls noch, wie Einzelnes musikalisch zum Sprechen ge troffen sei: das plumpe Auftreten der beiden Riesen, der rothe Feuerschein in der (durch achtzehn abgestimmte Amboße colorirten) Schmiedescene u. dgl. Bald jedoch übersättigt und belästigt ihn solch kalte Verstandesmusik, die kein anderes Ziel kennt, als dem Ohre etwas vorzumalen. Er sehnt den Schluß herbei und verläßt das Theater in einer an physisches Unwohlsein grenzenden Nervenabspannung.

An der nun vereitelten Aufführung des „Rheingoldverliert Deutschland eine interessante Curiosität, aber nimmer mehr ein lebensfähiges Bühnenstück. Wenn der sich selbst als Wagner-Enthusiast“, bekennende Musikreferent des Nürn berger „Correspondenten“ dem „Rheingold“ „im günstigsten Fall kaum einen Succès d’estime“ prophezeite, so hat er die Ueberzeugung aller unbefangenen Besucher der General probe ausgesprochen. Kaum wird eine zweite Bühne sich zur Aufführung dieses bis zur Thorheit kostspieligen und mühe vollen Werkes entschließen, dessen musikalischer Dürre keine normal organisirte Hörerschaft Stand halten kann. Was wir zumeist bedauern, ist, daß Direction und Künstler des Mün chener Theaters den Lohn ihrer sechsmonatlichen Anstrengungen nicht ernten sollen. Die Hälfte der Kosten und Mühsal, welche für das nunmehr stumm versinkende „Rheingold“ aufgewendet wurden, hätte ausgereicht, München ein Jahr lang mit Mu steraufführungen der besten classischen Opern zu versehen.