Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 1818. Wien, Sonntag, den 19. September 1869 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 1818. Wien, Sonntag, den 19. September 1869 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 19.09.1869
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Hofoperntheater. (Die „Zauberflöte“. — „Don Juan.“ — Erinnerung an Otto Jahn.)

Ed. H. Im neuen Opernhause behauptet sich als stärkster Magnet noch immer die „Zauberflöte“. Die musikalische Ausführung der Oper ist so zufriedenstellend, daß wir kaum mehr als das allzu rasche Tempo der Ouvertüre zu rügen wüßten. Unter den Sängern in der „Zauberflöte“ steht Herr Walter obenan. Ein geschätzter Dresdener Kritiker schloß jüngst eine Reihe treffender Bemerkungen über unseren schnell berühmten und goldbeladenen Tenoristen mit dem Wehruf, Deutschland besitze ein Dutzend „berühmter“ Tenoristen und keinen, der den Tamino singen kann oder den Florestan singen mag“. Walter’sTamino beweist, daß wir in Wien eine ehrenvolle Ausnahme von jener allerdings stark verbrei teten Tenoristengattung besitzen. Auch die übrigen Rollen sind in besten Händen. Papagena, die es anfangs nicht war, ge langte zum Vortheil des Ganzen wieder an Fräulein Tell heim, und das Auftreten Fräulein Lauterbach’s als Pa mina dürfen wir wol als eine vorübergehende Neckerei an sehen. Zu welchem Zweck Fräulein Lauterbach ihr nicht ungrausames Spiel vom alten Opernhause nunmehr ins neue überträgt, ist schwer zu errathen. Fiel schon an ihrer Alice der Mangel an Grazie und warmer Empfindung auf, das rein Aeußerliche und Manierirte ihres Vortrages, so mußten diese Flecken noch störender an Pamina hervortreten, einer Rolle, welche, nicht leicht noch dankbar, nur durch echte Eigenschaften zu wirken vermag. Auch eine kräftige Stimme, wie Fräulein Lauterbach sie besitzt, betrachten wir als ein Danaergeschenk, wenn ihr die reine Intonation fehlt. Mehr noch als die musikalische Ausführung der „Zauberflöte“ ist es die decorative, welche gegenwärtig das Publicum ins neue Opernhaus lockt. Sie gehört zum Eigenthümlichsten und Be deutendsten, was man in dieser Kunst sehen kann. Der Maler Joseph Hoffmann feierte damit ein glänzendes Debüt, das den allgemeinen Wunsch nach seiner bleibenden Anstellung voll auf rechtfertigt. Wir beglückwünschen aufrichtig sein Talent und seinen Erfolg, wenn wir gleich darin keine Nöthigung sehen, die zahlreichen gelungenen Leistungen seiner Collegen, namentlich Brioschi’s, nunmehr geringschätzig beiseite zu werfen. Wichtig erscheint uns vor Allem das hier zum ersten

mal consequent durchgeführte Princip: die gesammte Aus stattung einer Oper vollständig in die Hand Eines Künstlers zu legen. Hoffmann hat nicht nur sämmtliche Decora tionen, dreizehn an der Zahl, sondern auch alle Costüme zur Zauberflöte“ gemalt. Dadurch ist eine seltene Harmonie aller Theile gewonnen: die künstlerische Einheit erstens der leitenden Ideen, sodann speciell der Farben und Gestalten in jeder einzelnen Scene. Bisher galt (mit wenigen der jüngsten Zeit angehörigen Ausnahmen) die Uebung, die Deco rationen für eine Oper an mehrere Maler zu vertheilen. Selten traten diese Künstler in ein näheres Einvernehmen, weder unter sich, noch weniger mit dem Zeichner der Costüme, welche dann in Schnitt und Farbe gar häufig zu dem Grundtone der Decorationen dissonirten. Die Anfertigung eigener, ausschließlich für eine bestimmte Oper erdachter Deco rationen ist keine neue Erfindung, aber doch eine nur sehr all mälig sich verbreitende. Vor einem Decennium noch herrschten die „Hausdecorationen“, d. h. solche, welche als „Prunksaal“, „Bauernstube“, „Felsengegend“ u. s. w. die gebräuchlichsten Gattungen generalisirend, in den verschiedenen Opern beliebige Verwendung fanden. Dieses System, billig und bequem, ist kleineren Bühnen geradezu unentbehrlich. Wer längere Zeit in irgend einer Provinzhauptstadt gelebt, weiß, daß man dort jede Deco ration als einen guten (meist auch schäbigen) alten Freund be grüßt, ja in Wien selbst findet Aehnliches noch heute im Burg theater statt. In neuester Zeit vollzieht sich hierin ein großer Fortschritt. Ja es scheint fast, als ob man von der früheren Dürftigkeit der überallhin passenden Hausdecorationen in das Extrem einer luxurirenden, die Dichtung erdrückenden und von ihr abziehenden Decorirung gerathen wollte. Hoffmann’s Ausstattung der „Zauberflöte“ steht hart an dieser Grenze, nicht nur durch ihre malerische Pracht, sondern noch mehr durch ihre scrupulöse Treue. Das individuelle Verdienst dieses Malers, sich zugleich als gelehrten Egyptologen gezeigt zu haben, wollen wir nicht schmälern; Hoffmann hat seine Kennt niß Egyptens in Flora und Beleuchtung, Monumenten und Trachten bis ins kleinste hieroglyphische Detail verwerthet. Nur gegen die principielle Forderung, daß Theater-Decoratio nen solche gelehrte Richtigkeit besitzen müssen, hegen wir Be denken. Das macht das Nebenwerk zur Hauptsache. In der That geht man jetzt ins neue Opernhaus nicht, um die „Zau berflöte“ zu hören und würdig ausgestattet zu sehen, sondern um Egypten zu studiren, ethnographisch, botanisch und philo

logisch. Wie einst das Textbuch, so studiren die Zuhörer gegen wärtig die von Hoffmann publicirte Erläuterung seiner Deco rationen, sich die Namen der egyptischen Götter, Tempel und Pflanzen einprägend. Hoffmann betont die Mühe, die er sich mit dem „Studium der Ruinen und Denkmäler, der gelehrten Schriften über Natur und Kunst Alt-Egyptens“ gegeben, um durch seine Decorationen Ort und Zeit der Handlung so getreu wiederzugeben, wie es das Libretto der „Zauberflöte„fordert“. Unseres Erachtens war für Mozart und Schikane der die „Zauberflöte“ ein romantisches Märchenspiel und keine egyptische Historie, überhaupt keine nach „Ort und Zeit“ ge wissenhaft präcisirte Begebenheit. Die Ideenverbindung mit dem gleichfalls an die egyptischen Mysterien anspielenden Frei maurerthume legt natürlich das egyptische Costüm am nächsten. Eine künstlerische Nothwendigkeit vom Standpunkte der „Zau berflöte“ können wir in der philologischen Treue dieser egypti schen Kunstausstellung nicht sehen, eher eine zu mißverständ lichen Forderungen führende Gefahr. Von dieser abgesehen, ist Hoffmann’s „Zauberflöte“ ein Unicum von entzückender Wir kung. Wie malerisch und charaktervoll sind die Costüme der Königin der Nacht und ihrer Damen, wie lebendig der Ein zug Sarastro’s, wie imposant die architektonischen und wie lieblich die landschaftlichen Bilder! Nur in Einer Scene ist der Decorations-Maler eigenmächtig über die Dichtung hinausgegangen, hat ohne Noth und Glück hinzucomponirt: wir meinen die „dissolving views“, welche im zweiten Act Tamino auf seinem Prüfungsgang theils aneifern, theils ab mahnen sollen. Dies ist eine Ueberladung der Idee wie des Bildes selbst, welche wir gerne hinwegwünschten. Die schön sten der Hoffmann’schen Decorationen (insbesondere Pamina’s reizendes Gemach mit dem transparenten Plafond und der mondbeglänzte Garten) würden zu noch reinerer Wirkung ge bracht durch die bescheidene Intervention eines Zwischenvor hanges. Bietet man dem Zuschauer solche Augenweide, so gebe man sie gleich als fertiges Bild, nicht als eine sich stück weise zusammenschiebende Maschine. Hier hilft nur der Zwi schenvorhang, der obendrein in der „Zauberflöte“ mit ihrer unpraktischen Eintheilung in nur zwei Acte doppelt gerecht fertigt erscheint. Die ganze Aufführung der „Zauberflöteim neuen Opernhause ist eine Merkwürdigkeit, die nirgends ihresgleichen hat. Nur Ein Wunsch, längst allgemein em pfunden und in diesen Blättern wiederholt ausgesprochen, blieb auch diesmal unerfüllt: daß man die größten der styli

stischen Albernheiten des Textbuches beseitige oder mildere. Haben wir doch einen gefeierten Poeten zum Director! In der am Théâtre Lyrique gebräuchlichen Uebersetzung sind die abgeschmackten Worte: „Mann und Weib, Weib und Mann — Reihen an die Gottheit an“, mit: „Les dieux mêmes seraient jaloux — De l’amour de deux epoux!“ wiedergegeben. Statt der trivialen Worte: „Ein Weib thut wenig, plaudert viel — Du Jüng ling glaubst dem Zungenspiel“, sagt in der Pariser Bearbeitung der Priester zu Tamino: „Quand l’amour a troublé notre âme, — La raison même est sans pouvoir.“ Es ist recht schade, daß wir von den Franzosen lernen müssen. Er scheint aber selbst gegen freundschaftliche Kritik schwerhörig zu sein, sonst müßten wir nicht auch abermals auf den erst durch Dingelstedt wieder sanctionirten Unfug hinweisen, daß die applaudirten Künstler bei offener Scene, also zum Hohne jeder dramatischen Illusion, aus den Coulissen hervortreten, um beliebig oft und lang ihre Knixe und Bücklinge zu ma chen. Wen stört es nicht, wenn Herr Hoffmann bei jedem mit Beifallsgemurmel aufgenommenen Decorationswechsel so fort in schwarzem Frack complimentirend unter die egypti schen Pyramiden und Götzenbilder tritt, zehn- bis zwölfmal im Verlauf der Vorstellung! Wie bringt es nur ein Künst ler über sich, seine Person so zum Schaden seines eigenen Kunstwerkes einzumischen? Raum für Alles hat — der Zwi schenact.

Nebst der „Zauberflöte“ füllt Mozart’s „Don Juanbei jeder Wiederholung die prachtvollen Räume des Opern hauses. In der letzten Vorstellung (sie folgte unmittelbar auf die „Zauberflöte“) glänzten Beck als Don Juan und die Dustmann als Donna Anna. Beck, in den Liebes- und Verführungsscenen etwas zu viel lächelnd und schlän gelnd, wächst im Finale des zweiten Actes zur Riesengröße. Wir sahen in dieser Scene keinen gewaltigeren Künstler als Beck, und ihn selbst niemals so gewaltig als am letzten Abend. Frau Dustmann erinnerte als Donna Anna nicht blos an ihre „beste Zeit“, für ihre dramatische Meisterschaft scheint diese beste Zeit thatsächlich jetzt erst eingetreten. Die ganze Leistung war zu vollendeter Form herausgearbeitet und von glühendem Leben erfüllt. Neu war der Masetto des Herrn Neumann, welcher durch ein recht gewandtes, frisches Spiel zu ersetzen trachtete, was seine Stimmittel schuldig blieben. In der gut studirten und glänzend ausgestatteten Oper fiel uns vom musikalischen Standpunkte dreierlei unangenehm auf: das Falschgreifen der Bässe in der Begleitung der Secco-Re citative, der ganz unpassende lange Triller Zerlinens in ihrer

zweiten Arie, endlich die Art der Violinbegleitung zu Don Juan’s Ständchen. Wird die von Mozart vorgeschriebene, jetzt außer Gebrauch gekommene Mandoline durch eine Geige ersetzt, so muß diese offenbar den süßen kurzen Ton jenes guitarreartigen Instrumentes nachzuahmen suchen. Der Vio linspieler wird deßhalb die Begleitung pizzicato oder doch wenigstens so zart als möglich mit springendem Bogen vor tragen, niemals aber sie fest herunterstreichen (obendrein mit einem derben Extrariß auf der Schlußnote), wie es leider in Wien und nur in Wien geschieht.

In den Genuß der beiden Meisterwerke Mozart’s mischte sich diesmal eine tiefschmerzliche Empfindung. Gewiß war ich nicht der Einzige, der an diesen Abenden immer und immer wieder an Otto Jahn denken mußte, den uns so plötzlich entrissenen unvergleichlichen Kenner und Erklärer Mozart’s! Mit Jahn, der im rüstigsten Mannesalter starb, verliert die musikalische Forschung und Geschichtschreibung eine unersetz liche Kraft. Er hat in seiner Mozart-Biographie zuerst den ganzen reichen Erwerb gelehrter Bildung und philologischer Methode auf eine musikhistorische Aufgabe gewendet und da mit eine neue Epoche in der Behandlung solcher Stoffe be gründet. Keine Nation besitzt im gleichen Fache eine Arbeit wie Jahn’s „Mozart“, ein Werk von solcher Fülle des Wis sens, solcher Weite des Horizonts, solch reiner Liebe für den Gegenstand. Nicht nur finden wir darin über die kleinste Composition Mozart’s, über Alles, was und mit wem er es erlebt, die zuverlässigste Auskunft — dieser Reichthum von Einzelheiten ruht auf einer festen, großartigen Gesammt-Anschau ung, die uns jedes Werk Mozart’s als ein organisches Glied seiner Kunstentwicklung und ihn selbst als einen leuchtenden Ring in der Kette der Culturgeschichte seiner Zeit darstellt. Die zweite Auflage seines „Mozart“ und eine Sammlung zerstreut erschienener Journal-Artikel waren die letzten musik literarischen Arbeiten Jahn’s. In letzterem Buche stechen die vernichtend scharfen Kritiken über Richard Wagner und zwei gelehrte Abhandlungen über Beethoven besonders hervor. Letztere begrüßte man als verheißungsvolle Vorboten seiner lange erwarteten Beethoven-Biographie, die nun leider unvollendet bleibt. Das Leben Beethoven’s zu schreiben, war Jahn’s Vorsatz und Lieblingsidee, ehe er die Mozart-Biogra phie begann. Er sah jedoch ein, „daß es unmöglich sein würde, das, was Beethoven Neues und Großes geschaffen, voll kommen begreiflich zu machen, ohne die Leistungen Mozart’s klar zu übersehen, der die vorausgehende Periode der Musik

abgeschlossen hat und dessen Erbschaft Beethoven antreten mußte, um seine eigenthümliche Stellung in der Geschichte der Musik zu gewinnen“. Ich erinnere mich, wie Jahn, der im Jahre 1852 für einen mehrwöchentlichen Aufenthalt nach Wien kam, es als gute Vorbedeutung ansah, daß seine Freunde ihm eine Wohnung in der (frei lich sehr entlegenen) „Beethovengasse“ gemiethet hatten. Seine Studien über Mozart und Beethoven hielten Jahn seit her in steter Verbindung mit Wien, namentlich in lebhaftem Briefwechsel mit Karajan und Sonnleithner (zuletzt auch mit F. Pohl), die ihn mit ihrem reichen Wissen unter stützten und denen er sich bezüglich seiner Mozart-Forschungen tief verpflichtet bekannte. Seit einem Jahre ungefähr, wie mir kürzlich in München ein College des Verstorbenen von der Bonner Universität erzählte, war an Jahn eine plötzliche Ab nahme der Kräfte wahrzunehmen, ein erschreckend rasches Altern, das seine Freunde mit Besorgniß erfüllte. Es war, als ob die schweren Schicksale, die Jahn in früheren Jahren trotzen den Hauptes so männlich getragen, ihre lang unterdrückte Zer störungskraft nachträglich rächend zur Geltung brächten. Seine politischen Kämpfe aus vormärzlicher Zeit sind bekannt, seine Maßregelung durch die sächsische Regierung und Verweisung von der Leipziger Universität. Er theilte sie mit seinen gleichgesinnten Collegen Mommsen und Haupt. Ein härtestes Schicksal aber, das Jahn allein zu tragen hatte, war die unheilbare Gei steskrankheit seiner geliebten Frau. Der Schmerz, den Lebensfaden eines theuren Wesens von der Parze durchschnitten zu sehen, ist ein Kinderspiel gegen den zehnfachen Tod, welchen das Ab reißen des geistigen Fadens, dies grauenhafte Lebendigbegraben, dem Zurückbleibenden zufügt. Das sind die „schweren Leiden“, deren Jahn im Vorwort seiner Mozart-Biographie erwähnt und die ihm „jahrelang alle Musik unmöglich machten, bis durch Mozart wieder Muth und Kraft zur Theilnahme an der selben wach wurden“. Da erfuhr der schwergeprüfte, treffliche Mann an sich selbst den Segen der Mozart’schen Musik und sprach das schöne Wort, mit dem diese Zeilen der Erinnerung ihren Schluß finden mögen: „daß, wer herangereift zu der Fähigkeit, die Kunst als solche aufzufassen und zu empfinden, sich Mozart hingibt, dauernd von ihm gefesselt werden müsse, aber mit der Freiheit, Alles, was sonst schön und groß ist, mit Wärme und Liebe zu umfassen; denn auch von Mozart gilt, was Aristophanes so schön von Sophokles sagte, daß er wie imn Leben so nach dem Tode liebenswürdig gern gewähren lasse.“