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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.
Ed. H. Gestern Mittags hat das große „
Concert“ unter Richard
einem sehr zahlreichen und beispiellos enthusiasmirten Publicum
stattgefunden. Die Production selbst brachte fast durchaus
Bekanntes, allein der Zweck derselben lenkte die allgemeine
Aufmerksamkeit auf ein nach allen Richtungen hin Neues:
auf die
einem neuen, colossalen Theater legen, das durchaus nach
seinen Angaben und eigens für sein neuestes Musikdrama
construirt wird. Er hat für diese Feierlichkeit seinen Geburts
tag, den 22. Mai, gewählt. Ein Jahr später soll auf dieser
neuen Bühne sein aus vier Theilen bestehendes Bühnenfest
spiel: „
ersten Abend „
am dritten „
oder: Die Götterdämmerung
und Arbeitslust des rastlosen Meisters erregt unsere be
wundernde Achtung. Wie er, von den verschiedensten Unter
nehmungen unterbrochen, immer wieder auf die vor zwanzig
Jahren begonnenen „
Flugschriften, Bücher, Opern schreibt, heute in
Bau anordnet, morgen in
dafür dirigirt: das Alles gewährt ein Bild von seltener
Energie und Thätigkeit. Weniger sympathisch berührt uns
der geräuschvolle Pomp und der colossale Apparat, welcher
für diese „
Ein musikalisches Kunstwerk, für das der Bau eines eigenen
Theaters mit den abenteuerlichsten Zurüstungen nothwendig
ist, hat offenbar seinen Schwerpunkt nicht mehr in der Musik.
Wo aller Nachdruck auf unerhörte Aeußerlichkeiten gelegt wird,
da kann man sich einiger Besorgniß für die Kraft und Ge
sundheit des künstlerischen Kernes kaum entschlagen. Unwill
kürlich fällt uns der Brief ein, welchen Goethe im Jahre
und worin es heißt: „Auch erlauben Sie mir zu sagen,
daß es mich immer betrübt und bekümmert, wenn ich Män
ner von Geist und Talent sehe, die auf ein Theater warten,
welches da kommen soll. Ein Jude, der auf den Messias,
ein Christ, der aufs neue
auf den
Mißbehagen. Vor jedem Brettergerüste möchte ich dem wahr
haften theatralischen Genie sagen: „Hic
Auf jedem Jahrmarkte getrau’ ich mir, auf Bohlen über Fäs
ser geschichtet, mit
gebildeten Masse das höchste Vergnügen zu machen.“ Opern
mit schöner Musik wirken auch in den kleinsten Provinzthea
tern, ja, je köstlicher die Musik, desto enger kann die Bühne,
desto einfacher die Scenerie sein. Unsere gegenwärtigen Opern
bühnen haben ohne Frage an Größe des Umfangs, an Pracht und
Mannichfaltigkeit der Decorationen, an Künstlichkeit und Kühn
heit der Maschinerie eine Vollkommenheit erreicht, welche dem
vortrefflichsten Componisten genügen dürfte. Diese Bühnen
verdanken speciell den
rung und Vervollkommnung der Bühnentechnik; umgekehrt
sollte man meinen, daß ihnen auch
dankt. Ganz im Gegentheile widmet er ihnen eine solche
Verachtung, daß er öffentlich erklärt, mit seinen „
singern
Es dünkt
mitunter auch Opern von anderen Meistern, sogar von
beer
ter, um fortan seine Gaben nur in ganz unberührten Gefä
ßen zu serviren. Zugleich gedenkt er mit seiner
Production jenes goldene Zeitalter
wo das Theater nicht eine tägliche Unterhaltung bildete, son
dern ein selten wiederkehrendes großes Volksfest, eine höchste,
religiös-künstlerische Erhebung der Nation. Ob das classische
Griechenthum, von welchem unsere Zeit durch eine unausfüll
bare Kluft getrennt ist, sich durch das
erneuern wird, mag die Zukunft lehren; Ein Unterschied wird
jetzt schon Manchem aufgefallen sein. Die
spiele waren im strengsten Sinne Volksfeste, deren Besuch Jeder
mann unentgeltlich freistand; um hingegen die „
dert Thaler lösen. Es können also nur sehr wohlhabende Musik
freunde sich auf ordentlichem Wege diesen aristokratischen Theater
genuß verschaffen. Durch den Beitritt zu einem „Wagner-Verein“
erwirbt man nur die Möglichkeit, einen solchen Patronats
schein in der Lotterie zu gewinnen. Da aber
auch andere als reiche Leute in
das ihm sonst leicht das Ansehen einer judäischen Colonie bekäme
— so ist man auf das Rettungsmittel der „Wagner-Vereine“
und „
teren ist dazu bestimmt, „Patronatsscheine für unbemittelte
Musiker und Kunstjünger anzukaufen“. Es hat etwas er
götzlich Charakteristisches, das Anhören des
„Bühnenfestspiels“ so zur förmlichen Humanitätssache erhoben
zu sehen, zu einem Wohlthätigkeitszweck, für den man Concerte
veranstaltet, wie bisher für Blinden-Institute oder für arme
Kranke. Die Unternehmer gehen von der Ansicht aus, daß
die Wallfahrt nach
heil junger Tonkünstler, und daß man darum in ganz
land
wie’s im „
Trotzdem wird es unmöglich sein, alle Musiker, welche nicht
dreihundert Thaler überflüssig haben, zu betheilen; man wird
die „Würdigsten“ heraussuchen müssen und ohne Zweifel die
Bittsteller zu diesem Behufe auf ihren musikalischen Glauben
hin ansehen. So dürften denn nur die Infallibilisten unter
ihnen Aussicht haben, gratis die Gnadenmittel von
zu empfangen. Mit Einem Worte: das angebliche
Nationalfest gehört den Reichen und jenen armen
Enthusiasten, für welche die Reichen zahlen. Das stimmt nicht
zu den erneuerten „Olympischen Spielen“ und ebensowenig zu
den demokratischen Velleitäten, mit welchen Richard
noch zur Stunde so gerne spielt. Diesen Zweck, den volks
beglückenden, hätte er in einem der bestehenden großen Theater
viel besser erreicht, wo auch der wenig Bemittelte für einige
Groschen willkommen ist.
Indessen lächelt
des „
sich plötzlich verfinstert und ein unartiges Gewitter mitten in
seine Musik hineinpoltert, wie das im gestrigen Concert der
Fall war, weiß
deuten und in anmuthiger Schlußrede den Zuhörern als auf
munternde Zustimmung des „
hat Glück in allen Dingen. Zuerst wüthet er gegen alle
Monarchen: ein großmüthiger
merischer Liebe entgegen und bereitet ihm eine sorgenfreie, ja
glänzende Existenz. Dann schreibt er ein
Juden: das „Judentum“ in und außerhalb der Musik
huldigt ihm nur um so eifriger durch Journalkritiken und
Ankauf von
schüre „
meister und Musikdirectoren reine Handwerker sind, denen er
„nicht ein einziges Tempo“ seiner Opern anvertrauen könne:
und siehe da, unsere Hofcapellmeister und Dirigenten gründen
Wagner-Vereine und werden Truppen für die Schlacht von
reuth
in seinen Schriften auf das grausamste hingerichtet, sie folgen,
wo er nur hinkommt, seinen Spuren und sind von seinem
Gruß beglückt. Er brandmarkt unsere Conservatorien (in
dem „
zweckwidrigsten Institute: die Schüler des
toriums bilden Spalier vor Richard
der Schule für eine „Ehrengabe“ an den Meister. Nehmen
wir noch den mauernerschütternden Jubel, die zahllosen Lorbeer
kränze und all die sonstigen Huldigungen hinzu, welche
in dem gestrigen Concert empfing — Huldigungen, wie sie
nommen niemals erlebt haben — so wird man zugestehen,
daß zum wirklichen Dalai-Lama-Cultus nur noch ein Schritt
fehlt, und daß keineswegs absoluter Mangel an Nachfrage
schuld sein dürfte, wenn dieser Schritt ungeschehen bleibt.
Kehren wir zu dem Concert zurück. Es bestand
aus zwei Abtheilungen, von denen die erste uns
ven
Compositionen enthielt. Die ursprünglich als Eröffnungsstück
angesetzte Gluck wurde in An
gewählt haben, als um zu zeigen, wie sie dirigirt werden soll,
gleichsam als demonstrative Illustration zu seiner Schrift
„
regende Winke und geistvolle Bemerkungen enthält, spricht
um an ihr seinen Lieblingssatz zu beweisen, daß unsere Capell
meister keinen Begriff vom Tempo haben und der „eigentliche
erst kennen gelernt haben, bei uns noch eine reine Chimäre“
sei. Dionys
ein Unding erklärt; „wer aber eine solche Aufführung an
gehört hatte (wie die vom
D.
man sie aber anders,“ fährt heute, trotzdem man sie auch jetzt noch
nicht anders spielt, überall mit Acclamation aufgenom
Unterschiede in der Auffassung nothwendig wurzeln. Bei ernst
haften Dirigenten von gediegener Bildung und unbestrittenem
Talente (wir sprechen nur von solchen) werden diese Unter
schiede meist nur geringe sein; es wird Keiner ein Adagio
schnell und ein Allegro langsam nehmen oder ein Forte zum
Piano machen. Ueber derlei Abweichungen innerhalb enger,
künstlerisch zweifelloser Grenzen läßt sich streiten; entscheiden
in diesem Streite könnte nur Einer: der Componist selbst.
So lange nicht
Auffassung der „
was
so lange können wir selbst dem Helden des Tages das Recht
nicht zugestehen, jeden anderen Dirigenten der „
Esel zu heißen.
Das Neue in
steht, kurz ausgedrückt, in einer häufigen „Modification des
Tempos“ desselben Satzes. Mit diesem Schlagworte und dem
zweiten: „richtige Erfassung des Melos“, welche eben den
Schlüssel für das richtige Tempo liefern soll, bezeichnet
in der Aufführung
wo in der That die
Monotonie“ ohne Nachtheil belebt und unterbrochen werden
kann. Ein solcher ist das Finale der „
bildung wesentlich auf erweiterter Variationen-Form beruht,
somit für jede Variation des Themas eine charakteristische
„Tempo-Modification“ ohne Zweifel zuläßt. Eine Variationen-
Reihe in gleichem Tempo abgespielt, erstarrt leicht zu geist
losem Formalismus;
daher gerade in diesem Satze reizende Wirkungen. An anderen
Stellen scheint uns
weit zu gehen; so zum Beispiele, wenn er nach sehr raschem
Anfange des ersten Satzes gleich das zweite Motiv (dolce,
fünfundvierzigster Tact) auffallend langsamer nimmt, wodurch
der Hörer in der kaum festgestellten Grundstimmung beirrt
und der „heroische“ Charakter der Symphonie ins Sentimen
tale abgelenkt wird. Das Scherzo nimmt
lich schnell, geradezu presto — ein Wagstück, das selbst einem
Virtuosen-Orchester gefährlich werden kann. Wunderschön klang
der Trauermarsch, namentlich das allmälige Absterben des
Hauptthemas. Die ganze Aufführung war, wie gesagt, von
höchstem Interesse, voll anregender feiner Züge und geist
reicher Effecte; demungeachtet bezweifelt kaum Jemand, daß
diese „Modificationen“ mehr
Abstammung sind.
Einer eigenthümlichen und geistvollen Persönlichkeit wird
manche kühne Abweichung vom Gesetze mit so überzeugendem
Scheine glücken, daß nur philiströse Engherzigkeit daran
Aergerniß nehmen mag. Allein nichts Gefährlicheres gibt es,
als ein geistreiches Aperçu zu generalisiren und rein indivi
duelles Empfinden zur alleingiltigen Regel erweitern zu
wollen. Würden
allgemein adoptirt, so wäre mit dem Principe des Tempo
wechsels einer unerträglichen Willkür Thor und Thür
geöffnet, wir bekämen bald nicht mehr Symphonien von
jeder Stadt, unter jedem Dirigenten ein anderes Gesicht
hätten.
Das leidige Tempo rubato, diese musikalische See
krankheit, welche uns die Vorträge so vieler Sänger und
Virtuosen verleidet, und gegen die bisher nur unsere
Orchester-Aufführungen ein ausreichendes Gegen- und
Kräftigungsmittel darboten, es würde sofort auch von diesen
Besitz ergreifen, und um den letzten gesunden Kern unseres
öffentlichen Musiklebens wäre es geschehen.
mit dem Dirigiren wie mit dem Componiren: was seiner
individuellen Eigenthümlichkeit zusagt und seinem ganz
exceptionellen Talent gelingt, soll allgemeines Kunstgesetz, soll
das einzig Wahre und Berechtigte sein. Aus seiner höchst
persönlichen poetisch-malerisch-musikalischen Begabung abstra
hirt er sich eine neue Theorie der Oper, die ihn zu eigen
thümlichen, glänzenden Leistungen führte, zu Compositionen,
welche in ihrer geistvollen Subjectivität ihren Rechtstitel
tragen und wirksam sind, weil sie
begnügt sich jedoch
Opernstyl als „colossalen Irrthum“, nicht merkend, daß
gerade sein Opernstyl in den Händen jedes Andern zur
Caricatur wird. Sobald sämmtliche Operncomponisten im
Styl von „
Zuhörer unfehlbar alle ins Tollhaus, und kommt in unseren
Orchestern
ter Herrschaft, so werden Capellmeister, Geiger und Bläser
uns bald dahin nachfolgen.
Die zweite Abtheilung des Concertes brachte das Vor
spiel zu „
„
ponirte) Einleitung zum „
nannten Musikstücke sind aus
hier bekannt, das dritte ist wenigstens theilweise neu. Es ist
nämlich anfangs identisch mit der ersten Hälfte der bekannten
und Allegro, nur leitet letzteres unmittelbar in das zu großen
Dimensionen erweiterte Venusberg-Bacchanale auf der Bühne,
während die ältere Ouvertüre bekanntlich zu dem Pilgermarsch, in
reicherer Figurirung, zurückkehrt. Das neue Vorspiel offenbart
auf das interessanteste die ungemeinen Fortschritte, welche der
Componist seit dem „
in der äußersten Benützung und Ausnützung der kleinsten
Motive gemacht hat; das ganze große neu angefügte Stück ist
vollständig aus den alten Motiven gewebt. Die
Lust ist darin zur vollständigen Tobsucht gesteigert, zu einer
wahren Walpurgisnacht der Instrumentirung, wie sie an be
täubendem Lärm selbst in
findet. Im Theater charakteristisch interpretirt von einem
üppigen Ballet und einer blendenden Scenerie, muß die Wir
kung dieser Musik eine ungleich bessere sein, als im Concert;
jedenfalls ziehen wir dieses neue, unmittelbar und sehr glücklich
in die Oper einmündende „Vorspiel“ der alten
Ouvertüre
ohrenpeinigende Uebertragung
lungen“ auf das Orchester ist.
Nach Richard Wagner selbst haben die Mitglieder des