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Ed. H. Ein Urtheil über die Große Oper habe ich mir
für den Abschied verspart; ich wollte abwarten, bis ich von
ihrer Pracht etwas weniger geblendet, von ihren Aufführun
gen etwas mehr erbaut sein würde. Zu sehr häufigem Be
such fand ich trotzdem wenig Anreiz. Man konnte ja volle
fünf Monate in
Abenden das ganze Repertoire des neuen Opernhauses erle
digt. Seit seiner Eröffnung am 5. Januar
Jahrestag des Bombardements von
Mai nur fünf Opern zur Aufführung gebracht: „
„
„
gibt man nicht mehr, nur
ihrer kurzen Dauer zwei Acte eines älteren Ballets („
Source
die
Merkmal wie eine Priesterweihe an sich trägt, wird jetzt durch
die Mühen eines neuen scenischen Betriebes noch vermehrt.
Unser
seines Bestandes dreimal so viel Opern gebracht, als das
wechselnd im alten und im neuen Hause) beschäftigt war. Die
von drei im Abonnement. Daß man sich nicht mindestens zu
einer fünften entschließt, nimmt Wunder, da der Andrang
zu den Vorstellungen ein außerordentlicher und das Haus
meistens schon acht Tage vorher ausverkauft ist. Diese Vor
merkungen garantiren dem Logen- oder Fauteuil-Bewerber
nur einen bestimmten Abend, nicht eine bestimmte Oper. Es
ist eben das neue Haus selbst und nicht die Opernvorstel
lung, worauf jetzt alle Neugierde sich concentrirt. Herr
beleuchtete Zwischenact-Musik, und sein Theater füllt sich bis
an die Decke. Das sind goldene Tage für einen Director.
Eine tägliche Einnahme von 19,000 Francs, bei aufgehobe
nem Abonnement 21- bis 22.000, dazu eine jährliche Staats
subvention von nahezu einer Million Francs! Doch hat die
weise Maßregel eingeführt, diese Subvention einer beweg
lichen Scala zu unterwerfen; der Staatsbeitrag nimmt ab,
sobald die Einnahmen des Directors eine gewisse Summe
überschreiten.
Die Architektur des neuen Opernhauses und dessen
innere Ausschmückung durch Fresken, Statuen, Mosaiken ist
oft und ausführlich beschrieben. Hier kann diese Schilderung
um so leichter wegbleiben, als ich über diese Fächer kein
maßgebendes Urtheil abzugeben und nur ganz allgemein
einen individuellen Eindruck mitzutheilen vermag. Das neue
Theater ist ein Prachtbau, dessen sich die Pariser mit be
rechtigtem Stolze freuen dürfen. Vierzehn Jahre währte der
Bau, also doppelt so lange als der des
Der Glanz der inneren Einrichtung übertrifft die Wirkung
des Gebäudes selbst, dessen Hauptfaçade etwas gedrückt und
gedrängt erscheint, jedoch bei wiederholter Betrachtung uns
immer schönere Details enthüllt. Gestört haben mich nur
die beiden riesigen goldenen Genien auf der Attica, welche
einen Arm und beide Flügel senkrecht gegen Himmel auf
spreizen und mit ihren unruhigen Linien, weithin sichtbar,
das Auge überallhin verfolgen. Beim Eintritt in das Thea
ter fällt uns gleich einer seiner Hauptvorzüge ins Auge:
der große Raum aller den Saal umgebenden Localitäten;
zunächst die weite Eintrittshalle (grande vestibule) mit den
sitzenden Statuen berühmter Tondichter, der imposante,
säulengetragene Wartesaal, der Zugang zum Controls-
Bureau, dessen mit breiter Amtskette geschmückte Beamte
mit der Würde eines Gerichtshofes zu Rath sitzen über
Aus- und Eingehende. Wie bei uns, so bildet auch in
das herrliche Stiegenhaus mit den breiten Logentreppen den
Glanzpunkt des ganzen Baues: dem zunächst das Foyer.
Dieses ist viel größer und glänzender als das
hoch, daß man sich vergeblich den Hals verrenkt, um in den
Deckengemälden von
durch- und übereinanderpurzelnden Figuren zu finden. Man
meint zu erblinden zwischen diesen goldstrahlenden Wänden,
hundertflammigen Lustern und riesigen Spiegeln, welche all
den Glanz und das Gewimmel ins Unabsehbare fortsetzen.
Uebersättigt von dieser glitzernden Pracht, lenken wir aus
dem großen Foyer in das „Avant-Foyer“. Mytholo
gische Wandgemälde, in kostbarer Mosaik ausgeführt,
schmücken dasselbe; es ist, als hätte ein Stück von der
Mosaik ist die specielle Schwärmerei Garnier’s, des
Deckengemälden: „Die Harmonie und die Melodie“, „
lo
logische Figuren! Es wäre ihnen noch Raum genug ge
blieben, wenn man wenigstens Einen Saal, Ein Foyer den
großen bedeutungsvollen Personen und Ereignissen gewid
met hätte, mit welchen die Geschichte der
reicher als jede andere verknüpft ist. Schwere, goldstarrende
Pracht charakterisirt auch den Zuschauerraum, zumeist den
die Bühne einrahmenden Theil mit den Prosceniums-Logen.
Alle diese massiven goldenen Reliefs, goldenen Lyren, gol
denen tubablasenden Genien u. s. w. wirken zugleich nieder
drückend und zerstreuend. Die Zeit dürfte daran Manches
mildern, einmal durch die Macht der Gewohnheit in den
Zuschauern, sodann durch das allmälige Verblassen des
Glanzes selbst.
Der Saal läßt an Bequemlichkeit kaum etwas zu wün
schen übrig. Die Fauteuils sind breit, die Bankreihen weit
genug von einander abstehend, der Zugang bequem. Ein großer
Teppich bedeckt den ganzen Boden, macht die Tritte der
rastlos Kommenden und Gehenden unhörbar und gibt dem
Parquet das elegante Aussehen eines Salons. Die Ventila
tion hält keinen Vergleich aus mit der unschätzbaren Ein
richtung im
forts und Luxus bleiben zwei Uebelstände der
unbegreiflich: die Garderobe und das Buffet. Das Ideal
einer Garderobe für die Theaterbesucher ist noch nicht ver
wirklicht. Gedränge, Zugluft und Unordnung scheinen die
Pathengeschenke jedes solchen Institutes zu sein, sogar in
dem theuersten Theater der Welt, der
wol überhaupt gibt, besitzt das
bis vier kleinen Verschlägen, vor deren Barrière nur
immer drei Herren zugleich stehen und bedient werden kön
nen. Noch schauerhafter, ja durch den Contrast mit dem
anstoßenden glänzenden Foyer fast gespenstisch ist das Buffet,
ein trauriger, schlecht beleuchteter Gang mit grauen, nackten
Wänden und so gut wie keiner Einrichtung. Die Vermuthung,
daß diese einer alten Kaserne oder Strafanstalt würdige
Credenz eine provisorische sei, drängt sich von selbst auf; in
der That fehlt nur das Gold, um das ursprünglich projec
tirte elegante Buffet herzustellen. Man gibt jedoch wenig
Hoffnung, daß diese Barake vor Jahr und Tag beseitigt
werde, die man gerade hier um keinen Preis auch nur eine
Woche lang hätte dulden sollen.
Die drei wuchtigen Schläge auf den Holzblock er
schallen, das Signal zum Aufziehen des Vorhanges; im
Grunde ein antediluvianisches Surrogat für das Glocken
zeichen, aber seiner ehrwürdigen Tradition halber festgehalten
in ganz
Ziffern über der Bühne prangende Jahreszahl 1669
— abgesehen von einigen Tondichter-Büsten — das Ein
zige, was an den zweihundertjährigen Bestand der „Aca
démie nationale de Musique“ erinnert. Der Vorhang (ein
„Vorhang“ im strengen Sinne, Purpur mit weißer Spitzen
bordure, ohne Figuren) geht in die Höhe. Man gibt die
„
Fiedelbogen der Geiger uns nirgends die Aussicht auf die
Bühne durchkreuzen und daß die Instrumente den Gesang
nicht decken: das Orchester liegt tiefer als bei uns; mit
Recht. Die Akustik ist gut, wenngleich nicht so vortrefflich,
wie in dem abgebrannten Opernhause der
in welchem die Holzconstruction vorwaltete. Dem Gesang er
weist sie sich günstiger als dem Orchester, von welchem man
mehr Kraft und Glanz erwartet. Die Schuld liegt nicht in
der tieferen Lage des Orchesters, sondern in seiner für so
großen Raum ungenügenden Besetzung. Zehn bis vierzehn
Geigen mehr, und der Uebelstand dürfte verschwinden. Und
nun zur Aufführung selbst. Es darf ungescheut ausgesprochen
werden, daß die musikalischen Leistungen der Pariser Oper
in keinem Verhältniß stehen zu der Pracht und Großartig
keit des neuen Baues. Diese Singvögel sind eines solchen
Gold- und Juwelenkäfigs nicht werth. Auf der Bühne fand
ich vortrefflich und bedeutend fast nur alles Aeußerliche; die
Decorationen, Costüme, Ballette, Aufzüge. Die einzelnen
Sänger können bis auf einen oder zwei nicht den Anspruch
erheben, Künstler ersten Ranges zu heißen und würdig der
Großen Oper von
besten berechtigt und verpflichtet wäre. Zwei Aeußerungen,
die ohne jede Reserve gegen mich gemacht wurden, bezeugen
nachdrücklicher, als es meine Schilderung vermöchte, den
musikalischen Rückgang des berühmten Instituts:
will seinen „ Verdi seine „
heit, mit der sie das Miolan-Carvalho, eine Dame zwischen vierzig und
Ein anderes Personal hörte ich in der „ Mauduit als
stimmungsvoll ist nicht die Schneelandschaft mit der Terrasse
im ersten Act des „
von
seiner monumentalen Treppe, auf welcher ein Bataillon von
Pagen, Hofdamen und Hellebardieren sich malerisch auf
staffelt! Wie reizend und grandios zugleich der freie Wiesen
plan, auf welchem das Turnier im dritten Act der „
stattfindet, mit dem Ritterschloß und dem kräftigen Gebirgs
zug im Hintergrunde! Dieser Decorationskunst entsprechen
die reichen, malerischen, historisch treuen Costüme und das
effectvolle Arrangement der Aufzüge und Gruppen. Der
Einzug des
dritten Act der „
Scenerien dieser Art. Ein Bild von ungemein idyllischem
Reiz eröffnet den vierten Act von „
Tanz, welchen die volksthümlichen Lieder
muthig durchflechten. Die Ballette entwickeln geschmackvolle
Pracht und große Präcision der Bewegungen. Einen Reich
thum an weiblichen Schönheiten konnte ich darin nicht ent
decken, obgleich (oder weil?) ich in der Prosceniums-Loge des
Directors, die sich auf der Bühne selbst befindet, die Damen
dicht vor Augen hatte. Ich sah sie noch näher in dem be
rühmten „Foyer de la dans“, dem eleganten Saale, in
welchem die Tänzerinnen in vollem Balletcostüm sich ver
sammeln und die Huldigungen der Jeunesse (und Vieillesse)
dorée entgegennehmen. Das ist ein Herrenrecht, das sich die
Abonnenten der Oper um keinen Preis nehmen lassen und
das nur im schwarzen Frack und weißer Cravate ausgeübt
werden kann. Ein Juwel des neuen Opernhauses und viel
leicht die werthvollste Reform desselben befindet sich — von
den Theaterbesuchern ungekannt und ungewürdigt — im
fünften Stockwerk des Hauses. Es ist die Bibliothek und
das Archiv der Großen Oper, in den herrlichsten Räumlich
keiten und in der musterhaftesten Ordnung aufgestellt. Hierin
ist die neue
Welt, und ich werde den Leser gelegentlich bitten, mit mir
diesen fünften Stock zu erklimmen.