Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4056. Wien, Freitag, den 10. December 1875 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2025

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Nr. 4056. Wien, Freitag, den 10. December 1875 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 10.12.1875
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Concerte.

Ed. H. Der große Anschlagzettel des letzten „Gesell schafts-Concerts“ versprach Alles in Allem eine Tondichtung von Händel und drei von Mozart. Bei der Aufführung wurde eine der letzteren (Concert für Flöte und Harfe) durch ein Bach’sches Violin-Concert ersetzt, die zweite („Misericordias“) ganz weggelassen. Entscheidend wirkte wol zunächst die Erwägung, es möchte die dreifache Vertretung Mozart’s in einem Concerte von nur vier Nummern doch unverhältnißmäßig erscheinen, sodann der bei der Gene ral-Probe gewonnene Eindruck von der zu langen Dauer der Aufführung. Beide Gründe sind stichhältig, und wie wir das Gesellschafts-Concert am letzten Sonntag zu hören bekamen, war es nach Dauer und Zusammenstellung unanfechtbar. Eine vorläufige gründliche Erwägung aller Umstände empfiehlt sich allerdings besser als eine nachträgliche; im vorliegenden Falle jedoch hat Herbeck, gerade so wie jüngst Hanns Richter, mit der späteren Abänderung des Pro gramms weise gehandelt. Auf die beiden genannten Mozart- Stücke können wir uns wie auf zwei aufgesparte gute Bissen für das nächste Concert freuen. Die G-moll-Symphonie machte den Anfang. Von Mozart’s neunundvierzig Sympho nien (!) behaupten leider nur noch die drei letzten (G-moll, Es-dur, C-dur) ungeschmälert ihren festen Platz in den Con cert-Repertoires. Diese drei aber verfehlen niemals ihre Wir kung, am wenigsten die in G-moll, das populärste und zugleich genialste von Mozart’s symphonischen Werken. Die bezauberndste Lieblichkeit verbindet sich hier mit einer voll endeten Meisterschaft, und diese wieder mit einer Anspruchs losigkeit, wie sie nur dem wahren Genie eigen. Die Aufführung gelang unter Herbeck’s Leitung vorzüglich, nur das Scherzo hätten wir etwas langsamer gewünscht. In den gestochenen Partituren führt dieser Satz regelmäßig die Tempobezeich nung „Allegro“, während in Mozart’s Autograph (im Be

sitze von Brahms) „Allegretto“ steht. Mit Recht hielt sich Herbeck an diese authentische Bezeichnung gegenüber der vulgären, näherte sie jedoch bereits dem Andantino. Es folgte ein Bach’sches Violin-Concert (A-moll), das wir vor Jahren von Hellmesberger in einem Gesellschafts- Concert gehört. Diesmal spielte es eine seiner Schülerinnen, Fräulein Theresia Seydel, deren jugendliche Anmuth und bescheidene Haltung das Publicum sofort günstig zu stimmen schien. Ihre Leistung fand großen und wohlverdienten Bei fall. Glockenhelle Reinheit der Intonation — diese erste und doch selbst bei Koryphäen nicht immer vorhandene Grundbedingung schönen Violinspieles — bildet die vor nehmste Tugend dieser jungen Virtuosin. Dazu gesellt sich ein durchaus musikalischer, ruhiger, unaffectirter Vortrag und eine sehr respectable Geläufigkeit, die namentlich in den Trillern und rapiden Scalenläufen der Cadenz, auch in einigen Proben mehrstimmigen Spieles fleckenlos hervortrat. Daß Hellmesberger in der von ihm componirten Cadenz die Polyphonie sehr mäßig verwendet, hat unseren vollen Bei fall; das anhaltende Accordenspiel, zu welchem wol Bach’s Chaconne“ so Manchen verleitet, ist gegen die Natur der Geige, bleibt immer dürftig und geht selbst bei den kühnsten Virtuosen ohne Reißen und Quetschen nicht ab. Fräulein Seydel unternahm auf ihrem Instrumente nichts, was sie nicht vollkommen gut und sicher herausbrachte; das allein spricht schon für sie und ihren Meister.

Einen würdigen Abschluß machte Händel’sCäcilien- Ode“, die wir zuerst (unter Herbeck) im Jahre 1863 und seither nicht wieder gehört. Der Dichter Dryden schildert darin den Einfluß der Musik auf das Gemüth des Men schen, ein Stoff, den bekanntlich auch Händel’s „Timotheusbehandelt. Ein Lieblingsthema früherer Musik-Epochen, ist jetzt die directe Verherrlichung der Musik durch die Musik selbst dem modernen Kunstgeschmacke entfremdet. Den Com ponisten unserer Zeit muß ein solches Unterfangen theils kindlich, theils vermessen erscheinen. Wir überlassen es lieber den an deren Künsten, einen Orpheus, Arion, eine heilige Cäcilia zu

illustriren, als daß wir deren mythische Zauberwirkungen durch Compositionen versinnlichen, welchen ein ebenbürtiger Effect vielleicht ausbleibt. Einer naiver zugreifenden Zeit blieben solche ästhetische Bedenken fremd — glücklicherweise, müssen wir beifügen, indem wir an Händel und Gluck denken. Händel knüpft in der Cäcilien-Ode die verschiedenen Arten der durch Musik erregten Gemüthszustände an bestimmte charakteristische Instrumente. Bei den Klängen der Laute „hebt und senkt sich der Seele Flug“, die helle Geige tönt „Eifersucht und Verzweiflung“ u. s. w. Ueber alle Instrumente, die Orgel mit inbegriffen, siegt jedoch die menschliche Stimme „durch heiliger Lieder Macht“. Indem Händel jede dieser Schilderungen mit unvergleichlicher Charakteristik von dem betref fenden Solo-Instrument begleiten läßt, liefert er gleichsam eine ideale Abhandlung über Instrumentirung. Die Cäcilien-Ode gehört, von einigen schwächeren, ihrer Zeit stark tributpflich tigen Momenten abgesehen, zu den frischesten und farbenreichsten Schöpfungen des Meisters. Zuhöchst möchten wir die „Schlacht- Arie“ setzen, deren rhythmische Kraft und wie aus Stein gehauene Melodik hinreißend wirken. Durch Zartheit der Empfindung bezaubert die erste Sopran-Arie mit Cello begleitung. (Im Original ist das Accompagnement wirklich der Laute — „Liuto“ — zugewiesen, welches außer Gebrauch gekommene Instrument jetzt recht wirksam durch das Violon cell ersetzt ist.) Der zweiten Sopran-Arie, welche den „Jam mer hoffnungsloser Liebe“ schildert, gibt Händel eine Flöten begleitung; war doch im classischen Alterthum, wie bei den meisten vorhellenischen Culturvölkern, die Flöte vorzugsweise das Instrument der Trauer und Klage. Die Verzweiflungs- Arie des Tenors mit Violinsolo erscheint uns heute kalt und formalistisch, mitunter sogar verzweifelt lustig — für der „Sehnsucht tiefste Qual“ fehlten dem Meister die entsprechen den Töne. Ebenso klingt uns die Sopran-Arie: „Orpheus bezwang die wilde Brut“, mit ihren Rococoschnörkeln con ventionell und äußerlich. Aber Händel läßt uns keine Zeit zur Ernüchterung: die Orgel erbraust in mächtigen Accorden, der ganze Chor, einer Vorsängerin folgend, fällt kraftvoll

ein und bringt das Werk feierlich, in begeistertem Schwung zum Abschlusse. Die Cantate machte große Wirkung, die paar befremdend altmodischen Stellen verschwanden in der genialen Kraft des Ganzen. Wesentliches Verdienst an diesem Erfolg hat die von Director Herbeck mit Energie und eingehend stem Verständniß geleitete Aufführung. Wie jubelten die fri schen Stimmen des „Singvereins“ in diesen markigen, so unübertrefflich stimm- und chorgemäß gesetzten Chören! Die Solopartien sangen Frau Wilt und Herr Walter. Letz terer fand keine seiner Individualität angemessene Aufgabe vor, war auch nicht bei Stimme. Schnorr v. Carolsfeld wußte, 1863, mit der „Trompeten-Arie“ ganz anders drein zuschmettern. Dafür schlug Frau Wilt nicht nur ihre Vor gängerin von damals, sondern alle nur denkbaren Riva linnen. Wirklich erinnern wir uns keiner Leistung im Ora torienfache, welche an imposanter Wirkung mit jener der Frau Wilt in der Cäcilien-Ode zu vergleichen wäre. Nebst einer ungewöhnlichen Kraft und Ausdehnung der Stimme fordert diese Partie vollkommene Meisterschaft auf zwei selten vereinigten Gebieten: im breit aushallenden, getragenen Ge sang und in virtuoser Coloratur. Beide Ansprüche erfüllte Frau Wilt in eminenter Weise. Geradezu hinreißend war der Glanz und die Kraft ihrer Stimme in dem letzten, mit Chor und Orgel wetteifernden Solo. Als sie die Stelle sang: „Doch wess’ Stimme gleicht, o welche Kunst erreicht der Orgel Klang?“ da drängte sich Manchem die improvisirte Antwort auf die Lippen: Die Ihre, Frau Wilt, die Ihre! —

Die Sängerin Frau Martha Prochazka aus Prag gab — von ihrem Gatten auf dem Piano begleitet — ein äußerst beifällig aufgenommenes Concert. Ihr Organ und Vortrag, die jüngst im großen Musikvereinssaale nicht recht ausreichen wollten für die heroische Aufgabe der „Ocean“- Arie, machten sich in kleinerem Raum und einem durchwegs aus Liedern zusammengesetzten Programm sehr vortheilhaft geltend. Herr Anton Door, dem wir schon so manche inter essante Bekanntschaft verdanken, spielte (mit seiner Schülerin Fräulein Gröber) eine Novität: „Variationen zu vier

Händen“, op. 10, von Robert Fuchs. Das anmuthige und solide Talent des jungen Componisten erreicht in diesem Werke abermals eine höhere Stufe künstlerischer Entfaltung. Seine Variationen bewegen sich klar und ungezwungen in einem durchaus musikalischen, vornehmen Ideenkreise. Der Virtuosität bieten sie keine Aufgaben, sie sind leicht zu spie len und deßhalb recht eigentlich Hausmusik bester Art.

Hellmesberger’s zweite Quartett-Soirée begann mit dem bereits bekannten A-moll-Quintett von Gold mark; der Componist der „Königin von Saba“ hatte an diesem Abende die schwere Wahl, sich entweder im Opern hause oder im Concertsaale applaudiren zu hören. Die bei den anderen Nummern waren Beethoven’sG-dur- Quartett (aus op. 18) und ein neues Clavier-Quartett (B-dur, op. 41) von Saint-Saëns. Lebhaft und geist reich, eine Composition von feinem Geschmack und vollendeter Geschicklichkeit, fand dieses Clavier-Quartett allgemeinen Bei fall und hatte ihn verdient, woher und von wem immer es stammen mochte. Als das Werk eines Franzosen ist es uns aber doppelt interessant. Die Kammermusik war bis heute Monopol der deutschen Tonkunst geblieben. Seit Cherubini ausnahmsweise einige Streichquartette geschrieben, folgte in dieser Gattung kein Italiener nach. Unter den Franzosen ist Camille Saint-Saëns der Einzige, der seinen daheim gefeierten, in Deutschland bereits geachteten Namen aus schließlich der Kammermusik verdankt. Seine Compositionen lassen uns schauen, wie sich der Geist deutscher Meister in dem Kopfe eines talentvollen Franzosen spiegelt. Pariser von Geburt und in seinem ganzen Wesen, steht doch Saint-Saëns unter dem directen Einflusse deutscher Musik. Beethoven und Mendelssohn, Schumann und Brahms, sogar Bach und Händel (wie das einen Choral contrapunktirende Adagio seines Quartetts beweist) klingen in seinen Werken an, nicht nachgeahmt, son dern ausgesogen von dem selbstständig producirenden Talente einer beweglicheren Nation und eines südlicheren Himmels striches. Als wesentlichster Vorzug ist ihm nachzurühmen, daß seine Themen von Haus aus instrumental gedacht und quar

tettmäßig durchgeführt sind, während ähnliche Versuche von Franzosen und Italienern nur zu oft wie arrangirter Ge sang oder Claviersatz klingen. Mit dem ganzen Rüstzeuge harmonischer und contrapunktischer Kenntnisse ausgestattet, producirt Saint-Saëns dieselben doch niemals auf Kosten der Anmuth und des Geschmackes. Die alte französische Sprachregel: „Was nicht klar ist, ist nicht gut französisch,“ leitet ihn auch in seiner Musik. Er fliegt nicht (um ein Schumann’sches Gleichniß zu brauchen) so hoch in den Aether, daß uns der Athem ausgeht, noch steigt er in Tiefen hinab, wo jedes Grubenlicht verlischt. Ist aber Saint-Saëns’ Cla vier-Quartett auch nicht erfüllt von starker und tiefer Leiden schaft, so reicht es doch weit hinaus über das blos Gefällige und gewährt eine durchaus ernsthafte, geistreich anregende Beschäftigung. Die drei ersten Sätze sind theoretisch glücklich erfunden und in ihrem ausgeprägten Charakter consequent festgehalten. Das Finale spinnt ein nicht bedeutendes Thema allzu redselig aus und ist eben auf dem Punkt, den Hörer durch imitatorische Nothhelfer zu ermüden, als der Componist es durch einen glücklichen Einfall rettet. Er leitet unvermuthet das Thema des ersten Satzes wie einen frischen Quell auf die etwas ausgetrocknete Wiese und benützt hierauf die früheren Motive zu einem artigen Kunststück. Das zweite Thema des ersten Satzes und der Choral aus dem Adagio (verkleinert, alla breve) vereinigen sich nämlich zu einer freien Doppelfuge, welche, weder aufdringlich noch ausgedehnt, das Stück als geistreiches Aperçu beschließt. Das Quartett wurde vortrefflich gespielt und namentlich in seinem schwierigen Clavierpart von Herrn Door frisch und energisch aus geführt.

Wenn die Schneeverwehungen der letzten Tage einen Concertgeber, Herrn Jean Becker, von seinen Hörern ab sperren konnten, warum sollte nicht auch das Umgekehrte sich ereignen? In der That hat die „Force majeure“ hoher Schneebarricaden den freiwilligen wie den obligatorischen Besuch eines Abendconcertes von Herrn J. H. Bonawitz in bedauerlicher Weise verringert. Aus schuldiger Rücksicht

für den vielgereisten Concertgeber wendete ich mich um Auskunft an einen Collegen, der nebst dem unerbittlichsten Pflichtgefühl auch die stärksten Juchtenstiefel besitzt, und er fuhr glücklich, daß Herr Bonawitz als virtuoser Pianist und gediegener Compositeur, ferner seine Frau als feingebildete Sängerin lebhafte Anerkennung gefunden haben.

Am 8. d. M. gab die „Wiener Sing-Akademieim kleinen Musikvereinssaale ihr erstes Concert. Herr Direc tor Weinwurm, dessen eifrige und erfolgreiche Bemühung um diesen alljährlich sich erneuernden Chor wir wiederholt hervorgehoben, hatte auch diesmal ein anziehendes Programm zusammengestellt. Wir hörten zuerst einen aus fünf Sätzen bestehenden Chor von Giovanni Clari (geboren 1669): De profundis“, welcher sich aus dem conventionellen Kirchen styl des früheren achtzehnten Jahrhunderts einigemal zu indi viduellerem Ausdruck erhebt. Sodann ein wohlgesetztes „Salve Regina“ von G. Nottebohm, dessen überaus einfache Erfindung dem Auditorium wenig Eindruck, aber wahrschein lich auch dem Componisten keine Kopfschmerzen gemacht hat. Auf einen unbedeutenden Vocalchor von Fr. Lachner („Um Mitternacht“) folgten zwei schottische Volkslieder, von Weinwurm für gemischten Chor gesetzt, deren zweites Der Pfeifer von Dundee“, durch seine volksthümliche Frische außerordentlich gefiel und zur Wiederholung verlangt wurde. Zwei größere Chornummern: Händel’sO preist den Herrn“ und F. Hiller’sO weint um sie“, bewährten abermals ihren erprobten Effect. Zwischen diesen Gesang stücken producirte sich die Pianistin Fräulein Monica Terminsky (die Russinnen nehmen stark überhand), die wol demnächst ihr eigenes Concert geben wird und von der wir vorläufig blos melden wollen, daß sie einen schönen, kräftigen Anschlag besitzt. Beethoven’s Es-dur-Sonate (aus der Salieri gewidmeten Trias op. 12), welche Fräulein Terminsky mit Herrn Hell mesberger vortrug, ist heute keine passende Wahl mehr für den Concertvortrag; sie gehört durch ihre Einfachheit und Leichtigkeit längst der häuslichen Erbauung. Die be deutendste Novität, deren Bekanntschaft wir Herrn Wein

wurm verdanken, war die neue Folge der „Liebes lieder“ für vier Solostimmen mit vierhändiger Clavier begleitung von Johannes Brahms (op. 65). Sie zählen mit zu dem Schönsten, was wir von Brahms kennen. Welche Fülle von wechselnden Stimmungen, Bildern, Scenen, welche Mannichfaltigkeit musikalischen Ausdrucks hat er in diesen engen Rahmen gebannt! Die Liebe kann nicht zarter singen, als in dem Sopransolo „Rosen“, nicht ungestümer, als in dem Quartett „Vom Gebirge“, nicht sinnlich verlangender, als in dem Frauen-Duo „Flammenauge, dunkles Haar!Als Ganzes ist dieser Cyklus das würdigste Nach- und Seitenstück zu Schumann’s in gleicher Form gefaßtem Spanischen Liederspiel“. Jedes dieser kleinen, anscheinend so leicht skizzirten Bildchen verräth den großen Meister. Ihr feines Geäder durchschaut man freilich nicht auf den ersten Blick, so genußreich dieser auch sei. Darum wäre die Wiederholung der „Neuen Liebeslieder“ in einer nächsten Production der Sing-Akademie sehr zu empfehlen; auch die Ausführung würde dann noch besser gelingen. Sie entbehrte diesmal des echt quartettmäßigen Charakters, so redliche Mühe sich auch die Solosänger einzeln gaben. Es waren die Fräu lein Marie Leeder und Anna Riegel, die Herren Deckner und Buchholz; die beiden jungen Damen (Schülerinnen der Frau Marchesi) mußten ihr Duett wiederholen. Von Brahms existirt eine Anzahl schöner und dankbarer Chor-Compositionen früheren Datums, welche, hier noch unaufgeführt, den Singvereinen auf das wärmste zu empfehlen wären. Vor Allem „der dreiundzwanzigste Psalmmit Orchester (op. 27), ein „Ave Maria“ für Frauenstimmen a capella (op. 12), Gesänge für Frauenchor mit Begleitung von Harfe und Waldhorn (op. 17), Romanzen für Frauen chor mit Clavierbegleitung (op. 44). Wir hatten jüngst Gelegenheit, uns von der Wirkung dieser Tondichtungen zu überzeugen — freilich nicht im Concertsaal, aber in einer un vergleichlichen musikalischen Hausandacht, zu welcher die besten Künstler und Kunstfreunde pilgern und die schon mit manchem kleinen Wunder unserer officiellen Hierarchie zuvorge kommen ist.