Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4146. Wien, Samstag, den 11. März 1876 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2025

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Nr. 4146. Wien, Samstag, den 11. März 1876 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 11.03.1876
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Musik. (Die italienische Oper. „Faust. “„Il Trovatore.“ — Production der Opern schule des Conservatoriums.)

Ed. H. Die beiden ersten italienischen Abende im Hof operntheater sind vorüber. Sie lassen jetzt schon den Erfolg der Gesellschaft constatiren und ohneweiters dessen voraus sichtliches Anwachsen prophezeien. Gounod’s „Faust“ mit Fräulein Heilbron hat das Publicum eben nur be friedigt, der zweite Abend („II Trovatore“) mit der Lucca entzückte es, und daß Adelina Patti’s unfehlbarer Triumph in der „Traviata“ heute Abend nicht versagen wird, steht wol fest. Fräulein Heilbron als Gretchen mit der Er öffnung der Saison zu betrauen, schien jedenfalls etwas ge wagt. Es haben hier so viele vortreffliche Künstlerinnen dieser Rolle ihren Stempel aufgeprägt, daß wir darin nur mehr sehen möchten, was vollendet und obendrein in irgend einem Punkte eigenartig ist. Durchaus fein und correct, hatte die Leistung Fräulein Heilbron’s viel Anziehendes, aber nichts Elektrisirendes. Ihre wohlausgeglichene Stimme und ihr wohlausgeglichenes Temperament, sie werfen beide kein Feuer aus. Manches hat uns trotzdem sehr angenehm berührt. Gleich beim Auftreten die edle Anmuth der Er scheinung, die sogar das eigene schwarze Haar nicht ver leugnete. Sie folgte dem Beispiele Pauline Lucca’s, welche zuerst in einer italienischen Operngesellschaft die Ketzerei ge lehrt hat, es liege das „deutsche Gemüth“ Gretchens nicht in der hellblonden Perrücke. Wohlthuend berührte uns der schöne Ernst, mit dem Fräulein Heilbron die Rolle auf faßte und ohne jegliche Affectation oder Uebertreibung durch führte. Oft sind es gerade die nüchternsten Sängerinnen, welche über ihre Leerheit durch ein unblässig rotirendes Spiel zu täuschen suchen und damit doch nur die Luft bewegen. Wie viel schöner und wahrer, wenn Fräulein Heilbron in dem Andante des Liebesduetts regungslos, das große dunkle Auge auf Faust geheftet, seinen Betheuerungen horcht. Nun muß es aber Steigerungen geben und leidenschaftliche Höhepunkte.

Gleich der folgende Monolog am Fenster, wo Gretchens Liebesseligkeit in heißen Wogen überquillt, ist ein solcher, ihr verzweiflungsvolles Ringen vor dem Madonnenbild ein zweiter. Hier fehlte der Sängerin der Ausdruck überwälti genden Gefühls, an dem Sterbelager Valentin’s beinahe die nöthige Theilnahme. Als Sängerin besitzt Fräulein Heilbron schätzenswerthe Vorzüge: sie singt rein, im besten Geschmack, ohne eine der modernen Unarten, die uns so oft die schönste Stimme verleiden. Einer anderen neuen Erscheinung begeg neten wir in der amerikanischen Miss Cary, deren kleiner, weicher, ausgeglichener Mezzosopran sich fälschlich für einen „Contra-Alto“ ausgibt. Das stört nicht in dem Part des Siebel, welchen sie — rein musikalisch betrachtet — recht gut sang. Trotzdem mißfiel uns die Leistung durch ihre Ge ziertheit. Daß alle Sängerinnen auf das Geschlecht Siebel’s vergessen, der ein junger Bursch, aber doch ein Bursch ist, und ein muthiger obendrein, sind wir schon gewohnt — aber gar so ballet-frauenzimmerlich, so neckisch gelächelt und gehüpft wollen wir ihn doch nicht dargestellt sehen. Der Tenorist Capoul stand uns von der Patti-Saison her, namentlich aus der „Traviata“, in angenehmer Erinnerung. Sie hätte sich gewiß aufs günstigste erneuert, wäre Capoul in dieser ihm so homogenen Rolle aufgetreten. Aber daß er den Faust vorstelle (der auch in der Gounod’schen Verdünnung doch immer noch Faust bleiben muß), das möge er Niemandem einreden. Wer, wie Capoul, den Faust im ersten Act als achtzigjährigen, humpelnden Greis mit langem weißen Barte spielt, hat keinen Begriff vom Faust. Wer ihn im zweiten und dritten als einen charmanten, süßen Stutzer darstellt, genau so lächelnd und schmachtend wie Alfredo in der Traviata“, der hat abermals keinen Begriff vom Faust. Für Rollen, welche ernste Männlichkeit erfordern, ist das Glück, ein schöner Tenorist zu sein, ein wahres Unglück. Ein schöner Mann, wie Capoul, trennt sich um keinen Preis von seiner modern über der Stirne verschnittenen Frisur und von seiner Garnitur verschiedenartig zugespitzter Bärtchen; er muß auch stets bedacht sein, durch breites Lächeln und süßen Augenaufschlag die Glanzpartien seines Gesichtes ins Licht zu setzen. Kurz, wir sahen diesen Faust keinen Augenblick

ruhig, ernst und aufrecht dastehen; anfangs zappelte er vor Alter, dann vor lauter Jugend und Schönheit. Von diesem Vergreifen des Charakters abgesehen, erfreute Capoul durch Eleganz des Vortrages, durch schmelzende (oft nur allzu ver zuckerte) Empfindung, endlich durch die Geschicklichkeit, mit welcher er seiner etwas schadhaft gewordenen Stimme die größtmöglichen Effecte abgewinnt. Zwei hier völlig unbekannte Namen, Strozzi und Jamet, haben sich in der „Faust“- Vorstellung rasch zu entschiedener Anerkennung emporgeschwun gen. Signor Strozzi, eine männlich-schöne Erscheinung, dabei ernsthaft und ruhig, sang den Valentin mit weicher, volltönender Baritonstimme und schlichter Empfindung. Er ist von der ganzen Gesellschaft der echteste Italiener, um nicht zu sagen der einzige. Die Stimme des Bassisten Jamet wirkt nicht sowol durch Schmelz als durch charakteristische Schärfe und Energie des Tones. Sein Mephisto bewährte den musikalisch festen, geschulten Sänger, noch mehr den sehr talentvollen, gewandten Schauspieler. Zum erstenmale sahen wir diese wichtige Rolle, die von unseren deutschen Sängern meistens nur geschlafen wird, gespielt, und sehr charakteristisch gespielt. Die vortrefflich gewählte Maske war fortwährend belebt durch das blitzende Auge und bewegliche Mienenspiel des Sängers. Es lohnte sich, zu beobachten, wie dieser Mephisto kam und ging, wie er sich setzte, wie er jetzt frech verhöhnte, jetzt schadenfroh lauerte. Vielleicht gerieth Manches zu grell und beweglich für deutsche Auffassung; jedenfalls gab uns Jamet eine einheitliche, bis ins kleinste Detail charakteristisch aus gemalte Figur. Wir freuen uns auf die weiteren Rollen dieses Sängers, der, nebenbei bemerkt, für den besten italie nischen Darsteller des Caspar im „Freischütz“ gilt. — Ein Gewinn, nicht blos an Zeit, war an diesem Abend die Weg lassung des großen Ballets im fünften Acte, welches Gounod nachträglich für die „Faust“-Aufführungen in der Pariser Großen Oper einfügen mußte. Der in die scenischen Vor gänge des zweiten Actes so meisterhaft verwebte Kirmestanz gehört zu den besten Ballet-Compositionen unserer Opern- Literatur, das Ballet im fünften Acte zu den überflüssigsten und insipidesten. Aber der Kirmeswalzer war eben nur ein Tanz, nicht ein stylmäßiges Ballet mit langweiligen Soli u. dgl.

und da mußte den Gewohnheiten der Großen Oper das gebührende Opfer dargebracht werden. Diese nachträglichen Concessionen bringen selten Gutes; zwei gesungene hörten wir zum erstenmale von den Italienern: eine Cavatine des Valentin im zweiten Act (aus dem melodiösen F-dur-Motiv der Ouvertüre gebildet, das ursprünglich gewiß keine Be ziehung zu Valentin hatte), sodann zwei farblose Strophen Siebel’s im dritten Act, welche, ohne musikalischen Gewinn, die nach Entwicklung drängende Handlung aufhalten.

Der zweite Abend der italienischen Oper brachte Verdi’s Trovatore“. Ungleich mehr als die „Faust“-Vorstellung hat er das Publicum erwärmt, ja theilweise enthusiasmirt. Letztere Wirkung ging von Frau Pauline Lucca aus, deren Leonore dramatisch wie musikalisch den Glanz- und Mittelpunkt des Abends bildete. Die reichen Blumenspenden und rauschenden Ovationen, welche die Künstlerin bei ihrem Auftreten als Ver trauensvotum empfing, legalisirte sie durch ihre meisterhafte Leistung als redlich verdient. Einer Charakteristik der Lucca bedarf es nicht mehr in diesen Blättern, welche im vorigen Jahre so oft und gerne von ihr gesprochen. Genug, daß sie an diesem Abend ausnehmend gut disponirt, ja, noch kräftiger und leichter bei Stimme war, als bei ihrem letzten Gast spiel. Selbst in den anstrengendsten Scenen konnte man weder Gewaltsamkeit noch Ermüdung an ihr wahrnehmen — ein Vorzug, an welchen sich der noch größere reihte: daß sie bei aller Leidenschaft doch nie die Linie künstlerischer Mäßi gung überschritt. Selbst da, wo sie die Zuhörer am stärksten packte, blieb ihr Spiel wie ihr Gesang unbe rührt von derber Effecthascherei und Uebertreibung. Zwei Stücke von bedenklicher Trivialität (die Allegrosätze der beiden Arien mit dem verschwiegenen Motto: „Heiter auch in ernster Zeit!“) wußte die Lucca durch Noblesse des Vortrages, ins besondere durch ein geschicktes Pianissimo zu mildern; die be deutendste Scene der Oper (Mi erore) erfüllte sie mit hin reißendem Leben. Die schöne Wirkung des F-moll-Adagio (Anfangs dieser Scene) beeinträchtigte ein wenig der auf die Fermate folgende grelle Uebergang nach G-dur statt nach As-dur; die Arie wäre zweckmäßiger ganz vom Anfang als erst von der Mitte an zu transponiren. Neben dieser Leonore

erschien die Azucena der Miss Cary in blassen Farben, wenn auch in richtigen und reinen Contouren. Diese Rolle verlangt eine entschiedene Altstimme von kräftiger Tiefe und sehr energischem Ausdruck. Beides vermißte man und behan delte darum die Azucena weniger freundlich als jüngst den Siebel, welcher doch künstlerisch ohne Frage tiefer stand. Ge wiß gab Miss Cary zu wenig, aber nach den vielen Zigeuner müttern, die alle zu viel geben, die wie Löwinnen singen und wie wilde Katzen spielen, hat uns diese maßvollere Ausfüh rung mitunter recht wohlgethan. Besonders im Abstich zu Signor Nicolini, dessen nur durch rohe Effectmittel wir kender Manrico vom Publicum über Verdienst ausgezeichnet wurde. Gegenüber der mir wohlbekannten Berühmtheit dieses Sängers kann ich, wie im vorigen Jahre, nur mein Unver mögen eingestehen, seinen gänzlich undramatischen, geistlosen, in greller Abwechslung von Lispeln und Schreien bestehenden Vortrag schön zu finden. An dem elementaren Wohl laut seiner kräftigen (wenngleich nicht mehr ganz unbeschädigten) Stimme könnte man sich erquicken, wäre sie nicht durch das häßliche Tremoliren ent stellt, in welchem Nicolini seither noch Fortschritte gemacht hat — Fortschritte bis nahe an die wälschen Drehorgeln mit ihrem kläglichen Tremolo-Register. Gleich die ersten Töne Manrico’s zitterten so unschön aus der Coulisse heraus, daß Luna’s Ausruf: „Il Trovatore? Io fremo!“ fast wie eine musikalische Kritik klang. In der Mittellage und bei ruhigem Vortrag melden sich die Uebelstände dieses Tenoristen am auffallendsten; es bleiben somit nur die derben Kraft effecte, wie das in der Wachtparaden-Arie des dritten Actes herausgestoßene hohe h (Nicolini hatte sie von C- nach H-dur transponirt), was auch die Wiederholung der Nummer zur betrübenden Folge hatte. Signor Mariano de Padilla (Luna) ist den Wienern als Gemal der trefflichen Désirée Artôt und selbst als vorzüglicher Sänger bekannt. Mit seiner stattlichen Persönlichkeit und eleganten Haltung harmo nirt das nicht mächtige, aber wohlklingende, schmiegsame Organ und der edle, maßvolle Vortrag dieses Sängers. Wir wünschten nur, daß seine rühmliche Opposition gegen das Schreien ihn nicht ins Extrem, zum bloßen Säuseln,

verleiten möchte, wie er es — obendrein sehr gegen den Charakter des Luna — in der B-dur-Arie producirte. Die Baß- und Baritonstimme ist die Stimme des Mannes, des Helden κατ’ ἐξοχήν, es kleidet sie schlecht, wenn sie sich in die Schmachtlappen süßer Mondschein-Tenoristen wickelt. Signor Padilla fand stürmischen Beifall, mußte seine Arie wie derholen und dürfte sich als ein Liebling unseres Publicums bewähren. Maestro Arditi, der Componist des Allerwelts- Bacio, dirigirte den „Faust“ wie den „Trovatore“ mit Ruhe und Accuratesse, vielleicht nur mit zu großer Vorliebe für schnelle Tempi. Der Chor sang in beiden Opern deutsch, ein Uebelstand, den wir sehr beklagen, wenngleich wir die Einwendung nicht wider legen können, es sei unmöglich, den Chor zum italienischen Vortrag von so vielen rasch aufeinanderfolgenden Opern zu verhalten. Aber verlangen darf und muß man, daß eine Nebenperson, wie Fernando im „Trovatore“, nicht im ersten Acte deutsch und im zweiten italienisch singe. Herr Habla wetz — er war der sprachenkundige Haushofmeister — hätte sich seine Collegen, Fräulein Tremel und Herrn Lay, zum Beispiel nehmen sollen, welche ihre kleinen Partien durchaus italienisch sangen.

Gehen wir von der Oper zur „Opernschule“ über. Dieses bereits vielbewährte Institut unseres Conservatoriums gab am 7. d. M. eine sehr zahlreich besuchte Vorstellung im Musikvereinssaale. Bei der lebhaften Theilnahme, mit der wir die Leistungen der Opernschule stets verfolgt haben, muß es uns hart ankommen, diesmal Ungünstiges darüber sagen zu müssen. Aber gesagt muß es werden, im Interesse des Instituts selbst und seiner Zukunft, die wir nicht durch un reife und voreilige Schaustellungen compromittirt sehen möch ten. Der außerordentlich günstige Ruf, den sich die Opern schule des Conservatoriums durch ihre dramatischen Vorstel lungen im vorigen und vorvorigen Jahre rasch eroberte, er könnte leicht wieder verloren gehen, wenn mehrere Auffüh rungen wie die jüngste einander folgen sollten. Im vorigen Jahre konnte die Opernschule eine Anzahl talentvoller und stimmbegabter Novizen von meistens respectabler Ausbil dung vor die Oeffentlichkeit stellen, und der Erfolg glückte über alle Erwartung. Die besten Lehrer können aber

nicht jederzeit ein gleich günstiges Material zur Verfügung haben; diesmal sind allerdings die Lehrer die besten geblie ben, nicht aber die Schüler. Diese Eleven, welche weder durch ihre Stimme, noch durch ihre technische Ausbildung, noch durch ihr dramatisches Talent derzeit berufen erschienen, vor einem zahlenden Publicum und einer eigens geladenen Kritik aufzutreten, hätte man lieber auf eine häusliche Prüfungs- Production beschränken sollen. Da erst vor einigen Wochen eine öffentliche Production der Opernschule stattfand („Lucia von Lammermoor“), so lag keine Nothwendigkeit vor, so schnell eine zweite folgen zu lassen. Obendrein hatte die Direction mit dem ersten Acte von Beethoven’s „Fidelio“, welcher die erste Nummer des überlangen Programms bildete, diesen Zöglingen eine viel zu schwierige, ja die denkbar schwierigste Aufgabe gestellt. Nur der Darsteller des Rocco, Herr Waldner (ein Schüler von Fräulein C. Pruckner), und der in manchen Aeußerlichkeiten an Beck erinnernde Herr Naviasky (Pizarro) machten sich verhältnißmäßig vor theilhaft bemerkbar. Selbst das so vortreffliche Zöglings- Orchester vermochte (in den Blas-Instrumenten) die Schwie rigkeiten der großen Leonore-Ouvertüre nicht zu bewältigen. Es folgten Scenen aus der „Afrikanerin“, „Linda von Cha mounix“, „Der Waffenschmied“, „Das Glöckchen des Ere miten“, „Die Regimentstochter“. Den meisten Beifall erntete Fräulein Baier (Irmentraud), die als komische Alte ihre Strophen mehr gesprochen als gesungen, aber wenigstens deutlich gesprochen hat. Außerdem erfreute Fräulein Leeder (Pierotto) durch natürliche Frische und Fräulein Kell (Rose Friquet) durch gewandtes Spiel, bei allerdings mäßigen Stimm-Mitteln. Fräulein Riegel konnte als Regiments tochter wenigstens ihre leichte Coloratur glänzen lassen. Ueber die anderen jungen Sänger und Sängerinnen decken wir den Mantel christlicher Liebe und erwähnen nur noch die namhaften Verdienste zweier Nichtsänger: des Directors Hellmesberger, der das Orchester leitete, und des Hofschauspielers Leo Friedrich, welcher als Regisseur des kleinen Interim-Theaters und als dramatischer Exercir meister einer noch ganz ungeübten Truppe das Menschenmög liche geleistet hat.