Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4232. Wien, Donnerstag, den 8. Juni 1876 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2025

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Nr. 4232. Wien, Donnerstag, den 8. Juni 1876 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 08.06.1876
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Musikalische Neuigkeiten.

Ed. H. Es sind nicht Novitäten aus dem Opernhause oder dem Concertsaale, von denen wir heute zu erzählen haben. Unser öffentliches Musikleben liegt schon im Sommer schlafe; selbst das wiederholte Ankündigen und Absagen einer alten Oper wie „Des Teufels Antheil“ klingt wie ein stoß weises Sprechen aus dem Schlafe. Sei es nun eine weise Oekonomie im geistigen Haushalte der Natur, sei es glück licher Zufall — es fügt sich schön, daß gerade in solch ton losen Jahreszeiten die musikalische Literatur reichlichere Blüthen treibt. Selten vergeht ein Sommer ohne solche Gaben, und wenn Concerte fehlen, da stellt zu rechter Zeit ein Buch sich ein. Diesmal mehr als Eines, das die Theil nahme eines größeren Leserkreises verdient. Da grüßt uns zuerst eine neue Sammlung größerer und kleinerer Aufsätze von Ferdinand Hiller, unter dem Titel: „Musikali sches und Persönliches“. Offenbar verließ der Ver fasser den Titel der früheren drei Bändchen: „Aus dem Tonleben unserer Zeit“, wegen einiger nichtmusikalischer Auf sätze, wie die reizenden Reiseskizzen aus Skandinavien, die Schilderung der Madame Recamier und des Prinzen Louis Napoleon in Arenenberg.

Hiller bedarf keines musikalischen Stoffes, um den Leser viele Seiten lang auf das lebhafteste anzuregen, zu unter halten, zu belehren. Wichtiger sind uns natürlich seine Aufsätze über Musik, in welchen fachmännisches Wissen, reiches Erlebniß, alle Früchte der Belesenheit und langjähriger Praxis sich mit anmuthigster Darstellung zu einem Eindrucke verbinden, wie ihn nur sehr wenige Musikschriftsteller in Deutschland erreichen. Hiller schreibt nur, wann er etwas zu sagen hat, und dann sagt er es immer klar, präcis, mit anspruchslosem Geist und ungesuchter Grazie. Es ist begreiflich, daß ein solcher stylisti scher Gegensatz zu Richard Wagner von Letzterem scheel an gesehen wird. Wagner, der bekanntlich in seinen Schriften nicht nur alle Operncomponisten, sondern auch sämmtliche Musikschriftsteller (etwa mit Ausnahme des großen L. Nohl) bebend guillotinirt, verwirft Hiller’s schriftstellerische

Leistungen kurzweg als „Feuilleton-Geschwätze“ (Gesammelte Schriften, VIII., p. 277). Es stünde sehr schlimm, wenn Klarheit und Formschönheit der Darstellung das Kennzeichen der Oberflächlichkeit wären; bei Hiller trifft dies am we nigsten zu. Wir verdanken den vier schmächtigen Bändchen dieses Schriftstellers mehr reife und treffende Kritik, mehr gesunde Ansichten über die Pflege des öffentlichen Musik lebens, als wir in allen neun Bänden von Richard Wagner gefunden haben, die — selbst wenn sie allgemeine Themen be handeln — doch nur Schriften über und für ihn selbst sind. Nach diesen von Selbstvergötterung und bissigem Hochmuth dictirten Offenbarungen Wagner’s wüßten wir keine wohlthuendere Erholung, als die Lectüre der Hiller’schen Aufsätze. Man vergleiche die in ihrer Anspruchslosigkeit so liebenswürdigen Mittheilungen Hiller’s über Rossini mit Wagner’s Rossini-Artikel, in welchem Wagner fast nur von sich und für sich spricht, um schließlich das Resultat festzustellen, Rossini habe gewiß niemals einen boshaften Witz über ihn gemacht. Rossini müßte im Grabe lachen, wenn er das hören könnte!

Das werthvollste Stück der neuen Sammlung ist wol der (ursprünglich in Rodenberg’s „Deutscher Rundschau“ er schienene) Essay über Cherubini. Hiller, der bei dem alten Meister in besonderer Gunst stand und als Freund in dessen Familie aufgenommen war, erzählt viel Neues und Interessantes von Cherubini. Aber nicht blos ein sprechendes Bildniß nach dem Leben gibt uns dieser Aufsatz, sondern zu gleich das unbefangenste, feinste Urtheil über Cherubini’s Kunst. Hiller sucht klarzumachen, warum Cherubini’s popu läre Erfolge in keinem Verhältnisse stehen zu dem Ruhme, der seinen Namen umgibt, und zu seiner Wichtigkeit für die Entwicklung der Musik. Für die relativ geringe Lebensfähig keit der Cherubini’schen Opern gibt Hiller als wichtigsten und einfachsten Grund an, daß der Quell selbstständiger, tief empfundener, dabei einfacher und schöner Melodien bei Che rubini nicht reich genug floß. Die geistvolle Ausführung die ses Themas möge man bei Hiller selbst nachlesen, dessen Buch wir nicht ausschreiben, sondern zur Lectüre empfehlen wollen. Nur aus seinem Urtheil über Verdi’sRequiem drängt es uns, eine Stellen wörtlich zu citiren: ein

mal weil sie ein schönes Zeugniß geben von der Un befangenheit und dem Gerechtigkeitssinne, mit welchem Hiller auch über den angefochtensten der modernen Italiener ur theilt; sodann weil Aussprüche, in welchen gesunder Men schenverstand mit feinster Kunstanschauung so erquickend Hand in Hand geht, nicht weit genug verbreitet werden können. „Wohlthuend ist es,“ schreibt Hiller, „in dem Werke eines Meisters sich umzuthun, der mit souveräner Macht über seine Mittel gebietet — aber mit der Souveränetät des humanen Despotismus, der Jedem nur das zumuthet, was ihm zusteht und ansteht. Wohlthuend ist es, in dem Werke eines Meisters sich umzuthun, der fast nie von seiner Muse im Stiche gelassen wird, der weder Angst hat, zu kurz zu sein, noch zu weitschweifig zu werden, der sich aussingt mit der ganzen Fülle einer gesangvollen Seele. Wohlthuend ist es endlich, ein Werk kennen zu lernen, dessen volle und große Wirkung aus der bloßen Anschauung eines doch immerhin dürftigen Clavier-Auszuges mit unbedingter Sicher heit in das hörende Auge (oder sehende Ohr) springt.“ Und nach einer flüchtigen Analyse des Werkes schließt Hiller mit den Worten: „Man wird auch nach dem Clavier-Auszug keinen Augenblick im Zweifel darüber bleiben, daß Verdi sein Orchester zur vollsten Wirkung bringt, es auch an modernen, pikanten, aparten, glänzenden Instrumental-Effecten in diesem Requiem nicht fehlen lassen wird. Aber ebensowenig bleibt man darüber im Unklaren, daß der italienische Meister vor Allem seinen Singstimmen das in den Mund legt, was er zu sagen hat und zu sagen weiß. Sie singen — es sind tönende Seelen — keine Zwittergestalten zwischen musikalisch und unmusikalisch Redenden, die sich in Acht zu nehmen haben, nicht einem Horn oder einer Bratsche ins Gehege zu kommen. Mit der ganzen Herrlichkeit, die der göttlichen Menschenstimme innewohnt, treten sie auf. Freilich verlangt Verdi Sänger — und zwar in der vollsten Bedeutung — keine Stimmen ohne Schule — keine Virtuosen ohne Stimme — keine Declamatoren ohne Beides. Und das ist das Wohlthuendste in diesem Werke, daß es eine lebendige Pro testation ist gegen den immer mehr um sich greifenden Un sinn einer Vocalmusik, in welcher die Dienenden zu den Herrschern gemacht werden, in welcher der aus der Tiefe der

Brust und der Seele sich aussingende Mensch nur elende Worte klar machen soll, statt sein innerstes Herz erklingen zu lassen; ein Unsinn, der Unsinn ist und bleibt, wenn er auch noch so genial gehandhabt und noch so fanatisch be klatscht wird, und der, ehe man sich’s versieht, zurückgelegt werden wird in die colossale Rumpelkammer ästhetischer, philosophischer, poetischer und prosaischer Irrthümer, zu welchen auch eine so aufgeklärte Zeit wie die unsere ihr Con tingent zu liefern nicht ermangelt.“

Ein anderer längerer Aufsatz, „Dramen als Opern“, behandelt die Umwandlungen, welche ein Drama eingehen muß, um ein taugliches Opern-Libretto abzugeben. Die Ver gleichung von Gluck’sIphigenie in Aulis“ mit der gleich namigen TragödieRacine’s und von Mozart’sHochzeit des Figaro“ mit BeaumarchaisOriginal bietet dem Ver fasser einen sicheren, allgemein bekannten Boden für seine Entwicklungen. „Ueber das Auswendig-Dirigirenist Hiller schlecht zu sprechen. Er erklärt in dem also be titelten Aufsatz dem allzu wundergläubigen Concert-Publicum, wie wenig Zauberei zu diesem Auswendig-Dirigiren einer Symphonie gehört und wie wenig damit der Aufführung ge nützt sei. Ja, Hiller sieht in dieser neuen Mode nicht mit Unrecht ein unberechtigtes Vordrängen der Persönlichkeit des Dirigenten, eine Virtuosen-Eitelkeit. Einige Nekrologe (Fer dinand David, Sterndale-Bennett, Moriz Hartmann und Andere) lassen uns bedauern, daß Hiller diese für die Kölnische Zeitung rasch hingeworfenen Nachrufe nicht für sein Buch weiter ausgeführt hat. Von Hiller war doch über diese bedeutenden, ihm persönlich nahestehenden Männer Ein gehenderes und Individuelleres zu erwarten. Den Beschluß der Sammlung macht eine kurze, aber beredte Ankündigung der jetzt von Breitkopf und Härtel in Angriff genommenen Gesammt-Ausgabe von Mozart’s sämmtlichen Compo sitionen. Wir benützen mit Freuden diesen Anlaß, auf dieses großartige Unternehmen hinzuweisen, welches den hundert fünfzigjährigen Ruhm des Breitkopf’schen Musikverlags neuer dings erhöht. Mozart entbehrt noch heute — vierundachtzig Jahre nach seinem Ableben — des würdigsten Denkmals: einer vollständigen Ausgabe seiner Werke. Die genannte Firma hat es unternommen, ihm dieses Denkmal zu er richten, mit dessen Vorarbeiten die berufensten Kräfte Deutsch

lands (in Wien Brahms, Köchel, Nottebohm) vollauf beschäftigt sind. Von den Mühen und Kosten solchen Unternehmens, das seiner ganzen Anlage nach jeder Verlags- Speculation fernsteht, kann sich der Laie nur schwer einen Begriff machen. Ist doch von den sechshundertsechsund zwanzig authentischen Werken Mozart’s der dritte Theil, weit über zweihundert Nummern, niemals ver öffentlicht, die veröffentlichten jedoch vielfach mangel haft, mit unterschobenen vermischt, herausgegeben worden. Dieses National-Denkmal bedarf zu seiner Verwirklichung einer sehr werkthätigen Betheiligung der Verehrer Mozart’s, und diese alle Musikfreunde umfassende große Armee wird gewiß das Vertrauen der Unternehmer nicht täuschen. „Ein süßer Friede kommt auf mich,“ schreibt der treffliche Moriz Hauptmann, „wenn ich an Mozart nur denke; möglich, daß das alle fünfhundert Jahre wieder vorkommt; für mich, der ich nicht alle fünfhundert Jahre wieder komme, ist er einmal da für alle Ewigkeit, und ich schäme mich nicht, zu sagen, daß in diesem Augenblick, wenn ich an „Figaro“, an „Don Juan“, an die „Zauberflöte“ denke, mir die hellen Thränen über die Backen laufen.“ Es stammt dieses Citat aus einem zweiten neuen Buche, das wir heute unseren Lesern empfehlen möchten: „Briefe von Moriz Hauptmann, Cantor und Musikdirector an der Thomas schule zu Leipzig, an Ludwig Spohr und Andere. Heraus gegeben von Dr. Ferdinand Hiller“ (1876, Leipzig bei Breitkopf und Härtel). Es ergänzt dieser Band die früheren, von Dr. Alfred Schöne in zwei Bänden herausgegebenen BriefeHauptmann’s an Franz Hauser (1871). Haupt mann’s Briefe enthalten die kostbarsten Urtheile über Musik und Musiker, doppelt werthvoll dadurch, daß sie ohne jegliche Absicht auf Veröffentlichung, vollkommen rückhaltlos und un befangen geschrieben wurden. Ferdinand Hiller hat aus vier hundert Briefen Hauptmann’s eine nur kleine strenge Auswahl getroffen und einsichtsvoll alles Unwesent liche, Geschäftliche und dergleichen weggelassen. Die meisten dieser Briefe sind an L. Spohr gerichtet, der als Künstler und Mensch Hauptmann’s tiefste Zuneigung besaß. Kurze Zeit hatte Hauptmann in Gotha, hierauf in Wien mit Spohr gelebt, dann volle zwanzig Jahre lang in Kassel. Als junger Bau-Eleve hatte er eine Orchester-

Ouvertüre von Spohr gehört, die ihn sympathisch völlig in Beschlag nahm. „Ein schöner Sommertag, im achtzehnten Jahre, kein kritisches Gesperre, kein Beobachten, wie etwas gemacht ist, wie es später dem geraden Eingang zum Gefühl sich in den Weg staut — der Eindruck ist mir noch wie heut’! Diese Ouvertüre ist eigentlich Ursache, daß ich Musiker geworden bin, die Architektur mit der Musik vertauschte.“ Außer den Briefen an Spohr, diesem schönen Freundschafts denkmal, enthält die neue Sammlung Zuschriften an Selmar Bagge, Franz v. Holstein, Ferdinand Hiller, Otto Jahn, Julius Rietz, Wilhelm Speyer und Andere. Technischen, pädagogischen, ästhetischen Erörterungen gehen treffende Bemerkungen über classische und moderne Compo nisten zur Seite, die kernigsten darunter über Gluck, Mozart, Cherubini. Heute dürfte wol dasjenige zumeist interessiren, was Hauptmann von dem ersten Eindruck Wagner’scher Musik berichtet. Er hatte im Jahre 1853 den „Tannhäuserim Leipziger Theater, dann vom „Lohengrin“ größere Bruch stücke im Concert gehört und schreibt darüber an Spohr: „Es ist recht gut, daß diese Sachen zur Aufführung kommen, daß man nicht nur immer die Kritik passionirt dafür und passionirt dagegen zu vernehmen hat und die Sache selbst kennen lernt. Brendel bedauert allein, daß Alles, was uns sonst Freude in der Musik gemacht hat, nun todt und begraben sei; aber es sei nun nicht anders. Es kommt mir wie die Linke im Frankfurter Parlament vor, die den Adel und anderes lang Bestandene abschaffte — der Adel ist aber noch da, und die Linke ist abgeschafft worden oder hat sich durch Unvernunft selbst abgeschafft. . . . Wenn Gluck sagt, daß er, wenn er eine Oper componire, vor Allem zu ver gessen suche, daß er Musiker sei, so ist er eben in solchem, wo es ihm gelungen ist, das zu vergessen, vereinzelt stehen geblieben. Etwas Aehnliches wie Gluck hat auch Wagner zur Intention. Auch einen ähnlichen Hochmuth dabei. Es gibt nichts Hochmüthigeres als das Vorwort an seine Freunde vor dem Abdruck seiner drei Operntexte. Eine kleine Bedenk lichkeit könnte immer dabei sein, daß die, welche keine recht selbstständige oder, wie sie es nennen, „absolute Musik“ machen wollten, auch nie gezeigt haben, daß sie eine solche machen konnten. Rafael hat wol nie vergessen wollen, daß er Maler war. Wie kann man auch vergessen, was man

ist!. . . Die unausgesetzte Spannung, mit der solch eine Musik („Tannhäuser“) uns entgegenkommt, eine Oper, an welcher der Componist Monate gearbeitet, die wir aber in drei Stunden hören sollen — er hat Stunden und Tage der Erholung dazwischen gehabt, uns wird nicht ein Augen blick gewährt — das kann nur Abspannung im Hörer her vorbringen. . . . Das poetische Element ist gewiß sehr be deutend; es fehlt aber an einem Kunst-Element, das leiden schaftlich auf uns Lastende zu tragen, das ohne Form, als eine bloße Realität uns drückt und quält. Wenn man aus einer Oper wie zerschlagen kommt, ist’s doch noch nicht das Rechte damit. . . Ich habe von Haus aus kein rechtes Ver trauen zu einem Componisten, der sich seinen Text selbst dichtet — ich habe es in der Idee der Sache nicht und finde, wo es geschehen ist, noch nirgends ein Resultat, das mich widerlegte. Es ist mir, so schlecht der Vergleich ist, als wenn Einer sich selbst heiraten sollte.“

Da es zufällig lauter Novitäten von Breitkopf und Härtel sind, die uns heute unter die Feder kamen, so er wähnen wir zum Schlusse auch noch einer im selben Verlage erschienenen Broschüre: „Die Fabrication musikali scher Instrumente im königlich sächsischen Vogtlande. Von Th. Berthold und Moriz Für stenau.“ Sie berührt zwar zunächst ein speciell sächsisches Interesse, hinter dem jedoch eine für Oesterreich wichtige Analogie steht. Was Markneukirchen und Klingenthal für Sachsen, das sind für OesterreichGraslitz und Schönbach, diese kleinen, wichtigen Colonien der Instrumenten-Fabrica tion in Böhmen. Wir haben bei Gelegenheit der Wiener Weltausstellung ausführlicher davon erzählt und die Freude erlebt, daß manche für die Entwicklung dieser Industrie geäußerte Wünsche durch die Liberalität des österreichischen Handelsministers und das eifrige Interesse des Ministerial raths Dr. E. v. Hermann ganz oder theilweise realisirt worden sind. Sehr Vieles, was in dem genannten Berichte von Berthold und Fürstenau im Interesse der sächsischen Instrumenten-Fabrication bemerkt und angerathen ist, läßt sich mit Nutzen auch für unser Graslitz anwenden, und aus diesem Grunde wollten wir die Aufmerksamkeit der be treffenden musikalischen und bureaukratischen Kreise in Oester reich darauf gelenkt haben.