Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4450. Wien, Dienstag, den 16. Januar 1877 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
Georg-Coch-Platz 2 1010 Wien Österreich Wien
Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Sanz-Lázaro, Fernando Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2026

Sie dürfen: Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten

Bearbeiten — das Material remixen, verändern und darauf aufbauen und zwar für beliebige Zwecke, sogar kommerziell.

Der Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten. Unter folgenden Bedingungen:

Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Diese Angaben dürfen in jeder angemessenen Art und Weise gemacht werden, allerdings nicht so, dass der Eindruck entsteht, der Lizenzgeber unterstütze gerade Sie oder Ihre Nutzung besonders.

Keine weiteren Einschränkungen — Sie dürfen keine zusätzlichen Klauseln oder technische Verfahren einsetzen, die anderen rechtlich irgendetwas untersagen, was die Lizenz erlaubt.

Hinweise:

Sie müssen sich nicht an diese Lizenz halten hinsichtlich solcher Teile des Materials, die gemeinfrei sind, oder soweit Ihre Nutzungshandlungen durch Ausnahmen und Schranken des Urheberrechts gedeckt sind.

Es werden keine Garantien gegeben und auch keine Gewähr geleistet. Die Lizenz verschafft Ihnen möglicherweise nicht alle Erlaubnisse, die Sie für die jeweilige Nutzung brauchen. Es können beispielsweise andere Rechte wie Persönlichkeits- undDatenschutzrechte zu beachten sein, die Ihre Nutzung des Materials entsprechend beschränken.

Nr. 4450. Wien, Dienstag, den 16. Januar 1877 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Musik. (Concert von Door. Frau Nilsson als Gretchen und Valentine. Gastspiele von Frau Jaide und Fräulein Lehmann.)

Ed. H. Unter den vielen, einander fast unheimlich drängenden Concerten interessirte den Musiker zumeist die Soirée des Herrn Anton Door. Herrn Door’s glückliche Spürnase für interessante Musik-Raritäten sichert jedem seiner Concerte ein anziehendes Programm, ein erfreulicher Gegensatz zu dem stereotypen Repertoire der übrigen Virtuosen beiderlei Geschlechts. Diesmal brachte Door als Hauptnummer eine der frühesten Compositionen von J. Brahms: die noch niemals öffentlich gehörte F-moll-Sonate, op. 5. Eine ebenso zarte als glühende Phantasie webt in diesem Tongemälde, das mit manchem Fehler stürmischer Jugend auch alle Reize derselben birgt. Der ganze Brahms steckt schon darin, aller dings noch im Banne Schumann’s, dessen geniale Jugend werke unseren Componisten mit Zaubermacht umstrickt hatten. Die Eigenart der Melodien, das häufige Abspringen, das träumerische Durchsingen von Mittelstimmen, die seltsamen berückenden Harmonien, die weitgriffigen Accorde — das Alles erinnert an Schumann. Sogar gewisse poetische An spielungen, wie das Motto über dem Andante, das Ein flechten eines Burschenschafts-Liedes in das Finale (ähnlich dem „Großvatertanz“ in den „Davidsbündlern“) und dergleichen. Der erste Satz mit seiner drängenden Leidenschaftlichkeit hat etwas Berauschendes, worauf das liebeselige, innige Andante uns um so rührender anspricht. Auf das kecke, schwunghafte Scherzo (es könnte ohneweiters in den „Davidsbündler-Tänzen“ von Schumann stehen) folgt ein kurzes Intermezzo, „Rückblick“ überschrieben. Das As-dur-Thema des Andante klingt hier in Moll wieder: die Geschichte einer verstörten Liebe, fast mit der dramatischen Lebendigkeit eines scenischen Vorganges erzählt. Im Finale geht es etwas bunt und wild zu; die Motive häufen sich, die Entwicklung, bald stockend, bald über stürzend, will kein Ende finden; aber wie alle echte Leiden schaft, auch die thörichteste, nimmt sie mit ihrem Glauben an sich selbst auch den unseren gefangen. Man muß sich in dieses Werk eingelebt haben, um es ganz zu verstehen und zu ge nießen. Technisch gehört es zu den schwierigsten Clavierstücken, nicht Eine Passage liegt in der Hand. Herr Door, dem wir auch die erste Aufführung von BrahmsH-moll-Trio ver

danken, hat mit der Erweckung dieser, gleichfalls seit zwanzig Jahren gedruckten und ignorirten F-moll-Sonate von Brahms sich ein neues Verdienst erworben. Wenn sein Vortrag dieser Sonate der rechten Unmittelbarkeit und Innigkeit des Ge fühls ermangelte, so traf er um so glücklicher Ton und Styl verschiedener kleinerer Charakterstücke. Besonders brillant spielte Door eine neue Gavotte (Es-dur, op. 129) von Reinecke, die wir zu den frischesten, anmuthigsten Eingebun gen des Leipziger Gewandhaus-Directors zählen. Reinecke hat sich neuester Zeit mit Vorliebe instructiven Arbeiten zu gewendet, aus welchen wir Schülern und Lehrern besonders die „vierundzwanzig Etüden“ (op. 121) empfehlen, als unschätz bar für die Ausbildung des gleichmäßigen Zusammenwirkens beider Hände im Clavierspiel. Eine überaus zarte, fein sinnige „Berceuse“ von Laskowsky interessirt als merk würdige Vorausnahme Chopin’s. Der verstorbene Componist, vor mehr als vierzig Jahren General in Rußland und völlig unbekannt mit dem eben auftauchenden Chopin, offenbart in seiner „Berceuse“ eine ganz auffallende Verwandtschaft mit diesem. Es soll noch eine Menge gedruckter Compositionen von Laskowsky geben, die selbst in seinem Vaterlande so gut wie unbekannt geblieben. Unter diesen zwei reizenden Genre bildchen klang Raff’sEclogue“ in C-dur recht trocken und äußerlich. Ein brillantes Clavierstück von Graun, dem Tod-Jesu-Graun“, zu hören, der durch seine italienischen Opern Friedrich den Großen und später wahrscheinlich Nie manden mehr entzückte, mußte das Publicum überraschen — diese lebhaft dahinfließende „Gigue“ von Graun ist uns wenigstens lieber, als seine berühmten Opern-Arien. Von einheimischen Componisten spielte Herr Door eine Toccata von Lewy und ein Phantasiestück von Brüll, Beides mit entschiedenem Erfolge. Fräulein Marie Ambros, die Tochter des kürzlich verstorbenen Musikschriftstellers Pro fessor Ambros, trat in Door’s Concert zum ersten male als Sängerin vor die Oeffentlichkeit. Große Be fangenheit hat sie wahrscheinlich an der Entfaltung ihrer Stimm-Mittel gehindert; die Empfindung, mit der sie eine alte italienische Arie und zwei deutsche Lieder vortrug, er warb ihr jedoch den lauten Beifall der Versammlung und wiederholten Hervorruf. Was wir bei der Production von Fräulein Ambros am schwersten vermißten, war — ihr Vater. Noch können wir uns nicht daran gewöhnen, in keiner Oper, in keinem Concert mehr das von Geist und Heiterkeit strah lende Gesicht unseres Ambros auftauchen zu sehen, der, be

ständig von lebhaftem Antheil bewegt, selbst überall Leben und Bewegung verbreitete. Möge sein Name und Andenken der Tochter hilfreich sein auf ihrer neuen künstlerischen Laufbahn!

Im Hofoperntheater sang unser gefeierter Gast Chri stine Nilsson die Margarethe und die Valentine. Daß sie als die lieblichste Verkörperung Gretchens in Gounod’s Faust“ uns entgegentreten werde, ließ sich nach ihrer Ophe lia vorhersagen. Und schon ihre erste Erscheinung im Zauber spiegel war von schönster, entscheidender Vorbedeutung für die ganze Rolle, beinahe eine Art stummer Ouvertüre, welche den Charakter der einzuleitenden Oper und ihre Haupt momente ankündigt. In ihrem anschmiegenden weißen Kleide vor dem Spinnrad sitzend, war sie das echte und doch ideale Gretchen; und nicht als regungslose Wachsfigur, wie sonst üblich, erscheint sie hier dem entzückten Faust, sie spinnt und dreht das Rädchen, von dem Ausdruck ungetrübten Frie dens zu nachdenklichem Sinnen und tiefer Traurigkeit übergehend. Die Begegnung mit Faust im zweiten Act wollte uns nicht recht befriedigen; sie war zu vornehm, zu gefaßt und erhielt durch das langgezogene Gis in der Schluß phrase einen Anhauch von ruhiger Ueberlegenheit, welche zu unserem deutschen Gretchenbild nicht stimmt. Durch das ele gante Französisch, mit dem sie die deutsche Ansprache Faust’s beantwortete, mußte dieser Zug noch mehr hervortreten. Man darf nicht vergessen, daß von Goethe’s Gretchen manche Cha rakterzüge in dem Operntexte ganz fehlen und die übrigen vielfach modificirt erscheinen durch das Medium französischer Musik. Deutsche Sängerinnen, welche das Goethe’sche Drama oft darstellen gesehen, wissen auch in der Oper das Naive, Bürgerliche, Realistische Gretchens mehr hervorzuheben, „einer Seele, deren Einfalt nicht salzlos ist“, wie Vischer hervor hebt. Die Lichtgestalt der Nilsson hat aber in ihrer Weise auch Recht, wir möchten den leichten Heiligenschein nicht an fechten, der ihr Gretchen von Anfang bis zu Ende umschwebt. Denn von Anfang bis zu Ende ist die Rolle wahr und echt gefühlt, edel und einheitlich gestaltet, sogar mit Verzicht auf manchen schlagenden Effect. Zu den vollendetsten Leistungen der Nilsson gehört die Schmuckscene, sie strahlt von reizend sten Gesangsdetails, die, den Worten sich eng anschmiegend, nirgends kokett vordrängen. Ueberraschend gelingt ihr in Ton und Miene die Verbindung von leichtem Schrecken und geheimer Freude über den Schmuck. Die Liebes scenen sang sie überaus keusch und innig; schon auf ihren

ersten Tönen lag das Morgenroth zärtlicher Schmerzen. In der Domscene versinnlicht sie die ringende Trostlosigkeit Gretchens vor dem Madonnenbild mit ergreifendem, dabei stets malerisch schönem Geberdenspiel. Sie verharrt aber nicht durchwegs in Verzweiflung; stellenweise beruhigt sich ihr Auf ruhr durch das Bewußtsein innerer Schuldlosigkeit, und sie singt die C-dur-Stelle mit dem Ausdruck kräftigsten Gott vertrauens, bis schließlich der Anblick Mephisto’s sie nieder wirft. In Paris wird diese Scene richtiger und poetischer so gegeben, daß Gretchen den bösen Geist, der, von ihr unge sehen, ganz nahe hinter einem Pfeiler singt, beim Hinaus gehen erblickt. Der Anblick des unbeweglich an dem Pfeiler lehnenden Mephisto wirft sie nieder, ohne daß er sein bruta les „Sei verflucht!“ ihr direct ins Gesicht schleudert. In der Kerkerscene markirt die Nilsson den Wahnsinn Gretchens nur wenig und mildert ihn zu einer traumartigen leichten Trübung des Bewußtseins, das sie beim Eintritt Mephisto’s vollständig wiedergewinnt. Wir wollen diese Auffassung der Nilsson durchaus nicht als die schlechtweg oder allein richtige hinstellen, haben wir doch von bedeutenden Künstlerinnen die Scene weit greller und doch auch überzeugend wahr spielen sehen. Aber die Darstellung der Nilsson fließt nicht blos aus ihrem obersten ästhetischen Princip, das Häßliche, Ver zerrte überall zu mildern, soweit es nur die dramatische Wahrheit erlaubt, sondern auch aus ihrer eigenthümlichen und stylvoll durchgeführten Auffassung der ganzen Rolle. Ihr ist das Gretchen der Schlußscene bereits ein mit Gott versöhn tes, halb schon dem Himmel angehörendes Wesen, deren gei stige Störung nicht grell und nicht bis ans Ende vorherrschen darf. Wer so lange, zusammenhängende, innige Gebete spricht, wie Gretchen in der dreimal sich steigernden Strophe „Anges purs!“ (wieder eine bedeutende Abweichung Gounod’s von dem Goethe’schen Original), der ist nicht mehr wahnsinnig. An realistischem Detail und Theater-Effect ist die Kerkerscene der Nilsson zu übertreffen, aber die verklärende Darstellung des Ausganges schließt, harmonisch zum Anfange zurück deutend, das Ganze zu einem idealen Ring. Gesang, Spiel und Erscheinung der Nilsson schaffen aus Gounod’s „Mar garethe“ eine Lichtgestalt, die Niemand vergessen kann, der aus ihrem Zauberkreis getreten. Wenn ich gegen Einzelheiten Bedenken äußerte, so that ich es mehr, um zu erzählen, als um zu tadeln. In Christine Nilsson begegnet uns die seltene Erscheinung einer nur aus innerster Ueberzeugung

heraus schaffenden, immer wahren und reinen Künstlerin. Das Recht einer solchen Persönlichkeit achte ich so hoch, daß ich, von Einzelheiten ihrer Auffassung beirrt oder befremdet, lieber die Schuld in mir selbst, als in ihr suchen mag.

Allerdings darf man nicht vergessen, daß die holde Eigenart dieser Künstlerin nicht allen Aufgaben gleich günstig entgegenkommt, ja daß der Umkreis dessen, was sie ganz vollendet zu verkörpern vermag, ein begrenzter ist. Aussehen, Stimme, Temperament der Nilsson schließen sie zwar nicht aus von hochdramatischen Rollen, sie werden aber nicht hin reichen, wo nur durch Gewalt der Stimme und ungestüme Leidenschaftlichkeit zu wirken ist. Dies ist der Fall in Meyer beer’s „Hugenotten“. Schon in dem ziemlich eng gezo genen Rollenkreise der Jenny Lind bezeichnete Valentine den Punkt, wo der vollendetsten Virtuosität und edelsten Empfindung nicht mehr die volle Wirkung antwortete. Auch die Valentine der Nilsson ist ein seelenvolles, fein aus geführtes Bild, das aber mit lauter lichten Farben gemalt scheint. Wo der Gegenstand ein brennendes Dunkelroth, ein mitternächtiges Schwarz erheischt, da versagt die höchste Kunst eines Malers, auf dessen Palette gerade diese Farben fehlen. Wie wir seinerzeit nach der „Hugenotten“-Vorstel lung der Lind die Rede gerne auf ihre Amina oder Vielka ablenkten, so antworten wir auf die Frage nach der Valen tine der Nilsson am liebsten: Hört sie als Ophelia, als Gretchen! Und doch war die ganze Rolle edel und liebens würdig dargestellt und überaus schön gesungen. Dennoch haben wir Sängerinnen, welche die Kunst der Nilsson nicht entfernt erreichen, gerade die Valentine mit ungleich packen derer Wirkung singen hören. Der überwältigende Liebesdrang und all die heroischen Entschlüsse, die aus Valentinens unge heuren Erlebnissen wie Feuersäulen aufsteigen, sie verlangen eherne Stimmen und ein bis zur Rücksichtslosigkeit leiden schaftliches Spiel. Die Wiener zumal sind so sehr gewöhnt, diese Rolle von stimmgewaltigen und passionirten Sängerinnen zu hören, daß sie sich hier eher mit dem Hohlspiegel der Ueber treibung befreunden, als mit einer mild und maßvoll ab schwächenden Darstellung. Daß es des Schönen noch vollauf gab in dieser jüngsten Leistung der Nilsson, bedarf ebensowenig der Versicherung, als daß das Publicum es mit Begeisterung aufnahm.

Von der Unterstützung, welche Frau Nilsson als Gret chen und Valentine fand, gibt es wenig Neues zu berichten.

Herr Rokitansky befriedigte von Allen am meisten, zu mal als Marcell, dessen Charakteristik ihm vollkommen natürlich ist, während er zum Mephisto sich zwingen muß. Mit Freuden bemerkten wir, daß er diesen Zwang sich wenig stens weit mehr angelegen sein ließ, als früher, und nament lich den ersten und zweiten Act lebendiger spielte. Im Ge sang war Alles lobenswerth, bis auf das bellende offene D in der Kirchenscene und das unmotivirte Ritardando in der Serenade. Als Marcell hat Herr Rokitansky gegenwärtig kaum einen Nebenbuhler. Herr Walter sang die Romanze und das Liebesduett im Garten so gefühlvoll, daß man ihm seine Verlegenheit und seine abscheuliche weiße Perrücke im Studirzimmer gern nachsah. Herrn v. Bignio, unserem bewährten Valentin, möchten wir nur empfehlen, in der Schwerterscene seine Stimme nicht so übermäßig zu forciren, sie intonirt dann meistens zu hoch. „Die Hugenotten“ be sitzen in Fräulein Tagliana eine reizende Königin, in Frau Dillner einen ganz vortrefflichen Pagen. Ohne Herrn Alexy’s sehr anständige Leistung als Nevers schmä lern zu wollen, vermißten wir doch die elegante Repräsenta tion des Herrn Bignio in dieser Rolle.

Zwei mit der Bayreuther Kriegsmedaille geschmückte Sängerinnen gastiren gegenwärtig abwechselnd mit der Nilsson am Hofoperntheater: die Altistin Frau Jaide aus Darmstadt und die Sopranistin Fräulein Marie Leh mann aus Köln. Frau Jaide, eine sehr verständige, gut geschulte und in manchen Momenten excellent drama tische Sängerin wurde als Azucena und Amneris mit verdienter Anerkennung aufgenommen, ohne jedoch mit ihrem bereits verblühenden Organ einen tieferen Eindruck hervorzubringen. Fräulein Lehmann, im Vortheil durch ihre einnehmende, jugendlich schlanke Erscheinung, beein trächtigte ihre recht angenehme Stimme durch häufiges Tre moliren und hatte mit Verdi’s „Gilda“, welche ein süd licheres Temperament verlangt, keine glückliche Wahl ge troffen für ihr erstes Debüt. Was diesen beiden, in Deutschland sehr beliebten Sängerinnen überdies schadete und schaden mußte, ist die Gleichzeitigkeit ihres Gastspiels mit dem der gefeierten Nilsson. Durch diesen unerforsch lichen Rathschluß der Direction, welcher das allgemeine Interesse zerstreut, das Publicum abstumpft und die Kritik ermüdet, waren von vornherein die beiden deutschen Sängerinnen in den Schatten der allgemeinen Theilnahmslosigkeit gestellt.