Concerte.
Ed. H. Das letzte „Gesellschafts-Concert“ begann mit
den zwei einzig vorhandenen Sätzen von Schubert’s un
vollendeter H-moll-Symphonie und schloß mit Mozart’s
„Türkischem Marsch“ in der effectvollen Instrumentirung
von Herbeck. Zwischen diesen beiden Endpunkten des Pro
gramms standen zwei neue Erscheinungen: der Pariser
Violin-Virtuose Sauret und eine neue größere Compo
sition von Herbeck: „Lied und Reigen“. Herr Emil
Sauret entlockt seiner Geige leider nur ein kleines Ton
volumen von dünnem, fast spitzem Klang, erreicht daher in
der einfachen, auf breiten Vortrag berechneten Cantilene
keinen tieferen Eindruck auf den Hörer. Hingegen gehört er in
Bezug auf technische Bravour zu den Hexenmeistern. Die
Schnelligkeit und Reinheit, mit welcher dieser Virtuose Octa
ven- und Terzenläufe ausführt und in Passagen oder Trillern
bis in die höchsten Schneeregionen der Applicatur dringt,
erregt Staunen. Das Fis-moll-Concert von H. W. Ernst
(erster Satz) hatte Herr Sauret wahrscheinlich nur gewählt,
weil es dem Virtuosen derlei schwierige Aufgaben in Fülle
darbietet. Die Composition selbst ist trotz ihrer finstern Po
saunenstöße und Paukenwirbel, trotz ihrer angestrengt tragi
schen Miene doch sehr unbedeutend; am ehesten darf man
sie vom Standpunkt der Virtuosität loben. In früherer Zeit
gingen allerdings die Concert-Componisten gern zu weit in
der einseitigen Voranstellung der Bravour, welche aus ihrem
Passagen-Feuerwerk gar stolz auf das unterthänige Orchester
herabsah. Uns dünkt aber, daß unsere Modernen, wenn sie
Violin-Concerte schreiben, wieder zu wenig für den Virtuosen
thun, dem sie zwar harte, aber wenig lohnende Nüsse zu knacken
geben. Mit der Wahl von Ernst’s Fis-moll-Concert hat
Herr Sauret diesen Componisten fast aus völliger Ver
schollenheit gezogen. Und es ist doch nicht so lange her, daß
Ernst’s Othello-Phantasie auf allen Virtuosen-Programmen
stand, seine „Elegie“ jeden Violinspieler in eine Thränen
weide verwandelte und vollends der „Carneval von Venedig“,
von sämmtlichen Solo-Instrumenten annectirt, eine euro
päische Landplage bildete! Ernst selbst wußte freilich den
Adel und die Liebenswürdigkeit seiner Individualität jederzeit
in den Vortrag seiner eigenen Compositionen zu legen. Herr
Sauret, dessen weiteren Productionen wir mit Interesse
entgegensehen, wurde durch lebhaften Beifall und Hervorruf
ausgezeichnet. Herbeck’s „Lied und Reigen“ zeugt von
dem sinnigen Bestreben dieses Componisten, neue Formen
und Combinationen zu schaffen, gleich seiner jüngst aufge
führten „Künstlerfahrt“, die auch ihrem Inhalt nach dazu
ein Seitenstück bildet. Ein ländliches Fest mit Gesang und
Tanz — Lied und Reigen — spielt sich durch sechs kleine
Scenen vor uns ab, welche abwechselnd dem Chor und dem
Orchester zufallen. „Mailied“, „Traurige Kirmeß“, „Minne
lied“ (von Walther von der Vogelweide), endlich „Dorf
runde“ lauten die Titel der Chöre, von denen das Mailied
und das Minnelied rein vocal, die anderen vom Orchester
begleitet sind. Dazwischen erklingen drei Orchesterstücke:
„Unter der Linde“, „Fremde Spielleute“ und „Schlußreigen“.
Kurze Orchester-Zwischenspiele leiten, stets an das letzte
Hauptmotiv anknüpfend, unmittelbar in die nächste Num
mer über, eine Anordnung, die uns entschieden
dafür zu sprechen scheint, daß der ganze Cyklus in Einem
Zusammenhange gespielt werden und nicht nach jeder Num
mer durch Abklopfen unterbrochen werden sollte. Die Form
interessirt durch ihre Neuheit und dürfte bei einer glückliche
ren Zusammensetzung eine Zukunft haben. Dem Herbeck’
schen Cyklus fehlt, um gleich dessen schwache Seite zu nennen,
die rechte Einheit, welche den Hörer diese einzelnen Stücke
als etwas nothwendig Zusammengehöriges, organisch aus
einander sich Entwickelndes empfinden ließe. Einmal wird die
Einheit der Stimmung sogar grell unterbrochen: durch den
Chor „Traurige Kirmeß“, worin der Liebhaber „Kreuz und
Licht“ zum Sarge seiner todten Geliebten trägt. Für den
kleinen Rahmen dieser fröhlichen Idylle ist solch ein Contrast
zu gewaltsam, der allenfalls in einem Roman oder einem
Drama seine richtige Ausführung finden kann. Auch manche
andere Seltsamkeit befremdet den Hörer, wie das langaus
gesponnene Verklingen des „Schlußreigens“, der doch an
demselben Platz ausgetanzt wird, wo er begann, oder der Ruf
des Nachtwächters, der die guten Leute nach Hause tutet,
ehe sie noch angefangen haben, sich recht zu unterhalten.
Ueber alle diese Bedenken hinweg erfreuen wir uns jedoch
an zahlreichen schönen Einzelheiten der Composition, wie dies
von Herbeck nicht erst gesagt zu werden braucht. Von
seiner erprobten Kunst im Chorsatz, der immer stimmgemäß
und prächtig klingt, gibt insbesondere das „Minnelied“ neues
Zeugniß, während in den drei Orchesterstücken, insbesondere
dem „Schlußreigen“, die bei allem Farbenreichthum discrete
und elegante Instrumentirung den Hörer unausgesetzt erfreut.
Die Novität, in welcher unser „Singverein“ durch fein
schattirten Vortrag excellirte, wurde lebhaft applaudirt, der
Componist wiederholt gerufen.
Es war dies das jüngste, zugleich auch mit nur zwei
Ausnahmen das einzige größere, hervorragende Concert in
einer langen Reihe von Musik-Productionen. Unter jenen
erfreulichen Ausnahmen meinen wir das siebente Philharmo
nische Concert und Walter’s „Schubert-Abend“. Drei
reizende, vielleicht nur etwas zu nahe verwandte Tondich
tungen bildeten den Inhalt des Philharmonie-Concerts:
Schumann’s „Sinfonetta“ (Op. 52), Mendels
sohn’sMusik zum „Sommernachtstraum“ und Volk
mann’s dritte Serenade, deren Andante, eine melancholische
Puszta-Landschaft in Lenau’s Geschmack, durch den gesang
vollen Ton des Cellisten Hummer einen besonderen Reiz
erhielt. Der Tenorist Herr G. Walter, als Liedersänger
nach Gebühr anerkannt und gefeiert, hat in einem eigenen
Concert den ganzen Cyklus der Schubert’schen „Müllerlieder“
vorgetragen. Für die jüngere Generation unserer Concert
besucher ist dieses Experiment neu — es sind über zwanzig
Jahre her, daß Stockhausen es in Wien ersann — und
insoferne mag die Wiederholung desselben durch Walter ge
billigt werden. Aber gegen die Sache selbst hatten wir da
mals schon unsere Bedenken. Wir sprachen sie aus, unbeirrt
durch unsere Bewunderung für Stockhausen, dessen
individualisirende Kunst nicht nur jedes Lied in seiner
tiefsten Eigenthümlichkeit zu erfassen, sondern aus manchem
etwas geradezu Neues zu schaffen wußte. Stockhausen’s
Einfall erschien nach zwei Seiten hin bestechend. Fürs erste
gewann das Publicum die Anschauung von dem Zusammen
hange eines Werkes, das in vielen Theilen allbekannt, in
anderen auffallend zurückgesetzt ist. Sodann erzielte der
Sänger durch diesen Zusammenhang den Vortheil, das bis
her nur lyrisch Vereinzelte auch einmal dramatisch auffassen
zu können. Dennoch mußten wir damals abrathen von einer
Wiederholung des Experiments: die Nachtheile eines solchen
lyrischen Monstre-Concertes treten empfindlich hervor, sobald
der Reiz der Neuheit sie nicht mehr deckt. Der enge Kreis,
in welchem Dichter und Componist der „Müllerlieder“ ihre
idyllischen Bildchen ausführen, muß eine vollständige Abrol
lung derselben allmälig monoton werden lassen. Die „Schöne
Müllerin“ gehört zu dem Herzlichsten und Reizendsten, was
Schubert gesungen, was die deutsche Musik überhaupt besitzt.
Allein die Liebe des guten Müllerburschen in all ihren
zwanzig Stadien auf Einem Sitze mit durchzumachen,
zwanzig Lieder hindurch in lauter zarten Empfindungen zu
schwelgen, muß man das nicht am Ende mit einer tiefen
Ermattung bezahlen? Dazu kommt, daß die frisch und
wohlgemuth anhebende Geschichte alsbald einem unglücklichen
Ausgange zusteuert und die Mühlräder nachgerade von
einer Thränenfluth getrieben werden. Die Dichtung geräth
aus warmer, ungeschminkter Empfindung häufig in falsche
Sentimentalität. Wenn es gegen das Ende so weit kommt,
daß der Mond sich hinter die Wolken versteckt, damit die
Welt seine Thränen nicht sehe, und daß die Engelein
sich alle Morgen die Flügel abschneiden, um zur
Erde zu gehen, dann darf man wol ungeduldig werden. Auf
welche himmlische Höhe Schubert’s Musik derlei Poesie ge
hoben hat, das ermißt man erst, wenn die von ihm nicht
componirten Gedichte des Cyklus dazu gesprochen werden.
Die unausstehlich gezierten Ansprachen „Prolog“ und „Epilog“
wurden von Fräulein Schratt mit jenem zauberhaften
Tone gemüthvoller Naivetät vorgetragen, den diese Schau
spielerin so sehr in ihrer Macht hat. Das Walter’sche Con
cert gehörte nach Besuch und Applaus zu den glänzendsten
der Saison.
Das übrige Concertwesen der letzten Wochen war ein
förmlicher Walkürenritt von Pianistinnen. Eine Anzahl
„junger, talentvoller“ Clavierspielerinnen, die zum Theil nicht
mehr jung, auch nicht gerade zum Ueberlaufen talentvoll
sind, bildet durch alljährliches Concertgeben hier eine Art
Kern, an welchen krystallartig immer neue jüngere Cla
vieroiden anschießen. Ihre Concerte sämmtlich zu besuchen,
gehört zu den Unmöglichkeiten, selbst wenn man, auf die Ge
fahr hin, stumpfsinnig zu werden, diesen Heroismus aus
üben wollte. Ich halte dies auch keineswegs für nothwendig
und die Musikreferenten großer politischer Blätter nicht dazu
verpflichtet. Dieser delicate Punkt muß einmal zur Sprache
kommen. Die meisten Concertgeber leben und sterben in der
Meinung, mit dem Anschlagen eines Concertzettels sei auch
für alle Musik-Kritiker die Verpflichtung gegeben, das Con
cert zu besuchen und zu besprechen. Wir lassen das höchstens
für Musikzeitungen gelten, welche, als ausschließlich der Ton
kunst dienstbare Organe, auch hierin eine gewisse Vollständig
keit anstreben müssen. Der Musikreferent eines großen poli
tischen Blattes kennt hingegen nur die Verpflichtung, die her
vorragenden, einen größeren Leserkreis interessirenden Concerte
zu beurtheilen. So halten es seit jeher die Pariser Zeitungen,
die in ihrem wöchentlichen oder vierzehntägigen Musik-
Feuilleton nur die großen Orchester-Concerte und die Pro
ductionen der berühmtesten Virtuosen besprechen, und auch das
blos als bescheidenen Anhang zu den Opern-Referaten. Die Er
ledigung der kleineren Concerte ist dort ausschließlich Sache
der Musikzeitungen und geschieht meistens nur mit
telst kurzer Notizen. In Wien hat das Concertwesen,
insbesondere das ansteckende Clavierfieber, dergestalt an Aus
dehnung gewonnen, daß wir uns dagegen wie die Pariser
Kritiker verhalten müssen. Ein halbwegs bedeutendes Talent
wird dadurch nicht unentdeckt bleiben. Ragt aus der Menge
junger Concertgeber ein wirklicher Virtuose empor, wie in
jüngster Zeit Grünfeld oder Joseffy, dann dringt die
Kunde rasch über den kleinen Freundeskreis hinaus, der meist
das ausschließliche Publicum eines ersten Concerts zu bilden
pflegt, und veranlaßt ein zweites. Wählt ein Concertgeber
wie Door regelmäßig interessante, durch Alter oder Neu
heit unbekannte Compositionen, dann wird die Kritik gleich
falls aus eigenstem Antriebe thun, was sie so oft nur aus
Zwang oder Gefälligkeit thut: hineingehen. Was kümmert
es hingegen einen großen Leserkreis, zu erfahren, wie die jugend
lichen Pianistinnen Fräulein A, B, C, D etc. das Fis-dur-Noc
turne von Chopin, den „Faust“-Walzer von Liszt, die Car
neval-Scenen von Schumann nebst den unvermeidlichen
Stückchen von S. Bach und Scarlatti fertig gebracht
haben? Aus dieser oder ganz ähnlicher Mischung bestehen
neun Zehntheile unserer Clavierconcerte. Zwischen diesen
Handarbeiten bescheeren uns jugendliche Sängerinnen im
mer dieselben zwei oder drei Lieder von Schumann, R.
Franz und Brahms, Componisten, von deren hochauf
gethürmten Liederschatz sie keine Ahnung zu haben scheinen.
Blättern wir am Schlusse der Saison die Programme unserer
jugendlichen Concertgeber durch, so haben wir fast den Ein
druck, daß sie Alles einander nachspielen und nachsingen.
Eine seltenere öffentliche Besprechung dieser kleinen Virtuosen-
Concerte kann auch dazu beitragen, deren erschreckende Zu
nahme einigermaßen zu hemmen, was wir allen Ernstes als
eine Wohlthat nicht nur für die concerthörende, sondern auch
für die concertgebende Welt ansehen. In unserer clavierüber
sättigten Zeit vermag nur mehr ein musikalisch hochbegabter
und technisch vollendeter Spieler sich eine angesehene und
lohnende Stellung zu erringen. Die halben, unausgereiften
Talente, die nicht gottbegnadeten, sondern nur wohlabgerich
teten gehen durch diese Berufswahl meistens einem düstern
Lose entgegen, das in gerader Linie zum musikalischen Pro
letariat führt.
Unter den concertirenden Pianisten der letzten vierzehn
Tage stand Herr Joseph Rubinstein obenan durch Bra
vour und Feinheit des Spieles. Im weiblichen Lager thaten
sich Frau Toni Raab durch Virtuosität, Fräulein E.
Goldberger durch ungewöhnliches Gedächtniß, Fräulein
P. Dürnberger durch Zartheit hervor. Zwei neu auf
gehende Claviersternlein, Emilie Eisler und Sophie
Dudos, wurden von dem Publicum freundlichst begrüßt.
Von den mitwirkenden Sängerinnen fanden den meisten Bei
fall die Fräulein Papperitz, Shell, Leeder und
A. Fischek. Die Freunde des höheren Zitherspieles
wußte in drei gut besuchten Concerten Herr August Huber
mit seinem „Wiener Zitherquartett“ bestens zu unterhalten.
Recht anziehend gestaltete sich die jüngste Production der
Opernschule des Conservatoriums auf der Probe
bühne des kleinen Musikvereinssaales. Gerne besuchen und
besprechen wir diese dramatischen Miniatur-Aufführungen,
doch niemals ohne die Mahnung, daß sie nur dann inter
essant für das Publicum und unschädlich für das Institut
bleiben, wenn sie möglichst selten stattfinden. Denn jede solche
lang vorbereitete Opern-Production der Schüler unterbricht
auf das nachtheiligste die Stetigkeit und Ruhe des Studiums,
arbeitet somit gegen den eigentlichen Zweck des Conserva
toriums. Das Auswendiglernen der Opernpartien, die zer
streuenden und anstrengenden Proben, die Beschaffung des
Costüms, dazu die vorzeitig entfesselten Leidenschaften des
Ehrgeizes, der Eifersucht, des Rollenneides — dies Alles
birgt große Gefahren für Schüler, die vorläufig nur zu ler
nen, nicht zu gaukeln haben, und lediglich nach dem Beifall
ihrer Lehrer, nicht aber des Publicums geizen sollen.
Einmal, höchstens ausnahmsweise zweimal im Jahre
sollten solche öffentliche Productionen der Opernschüler statt
finden, und womöglich nur, wenn einige ausgezeichnete, der
praktischen Opern-Carrière schon nahestehende Eleven vorhan
den sind. An auffallend schönen Stimmen und hervorragen
den dramatischen Talenten hat die letzte Production keines
wegs großen Reichthum entfaltet. Desto verständiger war deß
halb der Gedanke, eine vollständige kleine Oper zum Haupt
stück des Abends zu machen: Schubert’s reizenden „Häus
lichen Krieg“. Mittlere Kräfte pflegen in Arien und Duetten
wenig Lorbeern zu ernten; in ein größeres Ensemble
gestellt, ergänzt und deckt Einer den Andern. In
Werken, wie dieser „Häusliche Krieg“ überwiegt oben
drein der unwiderstehliche Reiz der Composition so sehr, daß
man auch einer nicht durchaus vollkommenen Darstellung sich
dankbar verpflichtet fühlt. In dieser Aufführung entfalteten
Fräulein Zips als komische Alte, Fräulein Neuß als
naive Zofe ein sehr hübsches Spieltalent. Unter den Herren
ragte der Tenorist Zobel durch Stimmfülle und gewandtes
Spiel hervor; ihm zunächst der Bassist Herr Rix durch
gute Haltung und verständigen Vortrag, endlich Herr Schau
mann durch den Wohlklang seiner noch etwas ungelenken
Tenorstimme. Zwei Scenen aus „Aïda“ und „Zampa“ gin
gen dem Schubert’schen Singspiel voraus. Die Darstellerin
der Amneris, Fräulein Stahl, war jedenfalls die hervor
stechendste Erscheinung des Abends, durch Kraft und Wohl
laut ihres tiefen Mezzosoprans, wie durch ihre einnehmende
Persönlichkeit. Letzterer Vorzug, an dem man allerdings selbst
kein Verdienst hat, ist so wichtig für die Bühnencarrière, daß
wir immer von neuem staunen, wie viele Damen von unvor
theilhaftem Aeußern und nicht viel besserer Stimme sich
gerade der Oper widmen. Herr Mattachich brachte für
das Fragment aus „Zampa“ (zweiter Act) eine hübsche Ba
ritonstimme, aber noch nicht die erforderliche Leichtigkeit und
Eleganz mit. Vortrefflich wirkten die vielen jugendfrischen
Stimmen in den Chören des „Häuslichen Kriegs“. Mit
außerordentlicher Sorgfalt und bestem Gelingen hatte Herr
Hofschauspieler Leo Friedrich die Eleven im Spiel unter
wiesen und die Vorstellung in Scene gesetzt. Daß die Aus
bildung der jungen Sängerinnen der Frau v. Marchesi
und jene des wohlgeschulten Orchesters Herrn Director Hell
mesberger zu danken ist, brauchen wir unseren Lesern
nicht erst zu sagen. Die oben genannten Sänger gehören
theils der Gesangsclasse des Professors V. v. Rokitansky,
theils jener des Professors Gänsbacher an.
Minder glücklich oder vielmehr unverblümt unglücklich
war der Akademische Gesangverein mit seinem
letzten Concert. Es bestand aus Chören zu Aeschylos’ Tra
gödie: „Die Perser“ von der Composition des Erb
prinzen von Sachsen-Meiningen. Das Concert war gut
besucht, blieb es aber nicht lange. Erheiternd war es zu
beobachten, wie anfangs (schon sehr anfangs) Einzelne, die
genug hatten, sich davonschlichen, dann Gruppen von drei,
vier, fünf Zuhörern, bis schließlich die Flucht vor den Per
sern und deren mit tödtlicher Langweile vergifteten Pfeilen
bataillonsweise vor sich ging. Die Liebe zur classischen Litera
tur und die Beschäftigung mit Musik ernsthaftesten Inhalts
sind zwei Vorzüge, die wir an einem Erbprinzen hochschätzen
und die uns für sein künftiges Wirken von günstigster Vor
bedeutung scheinen. Wahrscheinlich dürften die künftigen Unter
thanen des Herzogs auch seine Perser-Chöre mit Loyalität
und ohne Revolutions-Gedanken anhören. Wir sind aber nicht
in Meiningen und verlangen, daß unsere Concert-Dirigenten
sich vor keiner andern Hoheit bücken möchten, als vor der
künstlerischen. Die Wahl solcher ganz unpassender, unreifer
Studien für sein statutenmäßiges Concert discreditirt unsern
sonst so beliebten Akademischen Gesangverein, und wenn sein
Chormeister nicht den Muth hatte, dies dem erlauchten Ton
dichter unter vier Augen zu sagen, so muß er sich’s jetzt selber
Schwarz auf Weiß sagen lassen.