Musik.
(Production der Opernschule. — Abschied der
italienischen Oper.)
Ed. H. Die jüngste Vorstellung der Opernschule
unseres Conservatoriums hatte wieder eine Menge Leute in
den kleinen Musikvereinssaal gelockt. Gelockt und zusammen
gepfercht in eng aneinandergeschobene, ewig rutschende Sessel
reihen. Es gehörte viel Interesse an der Opernschule und
einiger Opfermuth dazu, um es in dieser glühenden Luft
auszuhalten bei keineswegs ganz reinem Gesang. Für das
Publicum wäre die Uebertragung dieser Productionen aus
dem kleinen in den großen Musikvereinssaal ein entschiedener
Vortheil. Ob auch für die jugendlichen Sänger, steht freilich
dahin. Das ist ein leichtes Singen im kleinen Raume und
so unmittelbar ins Publicum hinein, aber auch ein leichtes
Täuschen über die Kraft und Tragfähigkeit von Stimmen,
die für große Opernhäuser geschult werden. Als größte und
anziehendste Nummer ragte in dem Programme Mendels
sohn’s einactiges Singspiel: „Die Heimkehr aus der
Fremde“ hervor. Es war eine glückliche Idee, mit Men
delssohn’s „Heimkehr“ ein Seitenstück zu Schubert’s
„Häuslichem Krieg“ zu geben, den die Eleven der Opern
schule jüngst erfolgreich dargestellt haben. Ganz so wie da
mals wirkte auch am letzten Sonntag die Aufführung eines
Ganzen, wenngleich eines kleinen Ganzen, sehr wohlthuend
nach den vorangegangenen Einzelscenen. Wie im „Häuslichen
Krieg“, so fanden jetzt in der „Heimkehr“ auch bescheidene
Kräfte ein Plätzchen, wo sie ihren Mann stellen und sogar
Applaus einernten konnten. An die Stelle der Einzel-
Virtuosität trat das geschickte Zusammenspiel, das Ensemble,
also jedenfalls die stärkere Seite in dem gegenwärtigen
Stande der Opernschule.
Die „Heimkehr aus der Fremde“, ein einactiges Sing
spiel, ist Alles, was das Opern-Repertoire in Deutschland
von Felix Mendelssohn besitzt. Selbst dieser Besitz ist
nicht strenge zu verstehen, da er von keiner Bühne festgehal
ten, vielmehr nach kurzer Innehabung überall wieder auf
gegeben wurde. Mendelssohn hat bekanntlich die „Heimkehr“,
sowie eine größere komische Oper: „Die Hochzeit des
Cammacho“, als Jüngling geschrieben. Letztere kam 1827 in
Berlin mit zweifelhaftem Erfolge zur Aufführung; die
„Heimkehr“ hatte Mendelssohn nur für eine Privatvorstel
lung im Familienkreise bestimmt und niemals selbst ver
öffentlicht. Von diesen Jugendwerken an geht durch Men
delssohn’s ganze Künstlerlaufbahn der glühende Wunsch nach
dramatischer Wirksamkeit und das rastlose Suchen nach
einem guten Operntexte. Er ist darüber gestorben. Daß
Mendelssohn, trotz der zahlreichen „dramatischen“ Züge in
seinen Oratorien und Cantaten, niemals ein großer Opern-
Componist geworden wäre, schien mir stets außer Zweifel,
Die „Heimkehr aus der Fremde“ bestärkte mich durchweg in
dieser Ansicht. An eine anspruchslose Jugendarbeit wird frei
lich Niemand den Maßstab legen, zu welchem allenfalls die
vollendete „Loreley“ (Dichtung von Em. Geibel) berechtigt
hätte; dennoch ist Mendelssohn’s Persönlichkeit so früh ent
wickelt, in seinen Jugendwerken schon so fest aus
geprägt, daß diese über die Hauptrichtungen sei
nes Talentes ein erheblich Wort mitsprechen dürfen.
Das Libretto gehört bei aller Bescheidenheit doch nicht zu
den schlechtesten. In das idyllische Bild einer Familie, welche
durch die Heimkehr des langvermißten Sohnes überrascht
werden soll, drängt sich mit wirksamer Komik die wunder
liche Gestalt eines Abenteurers, der, keck und harmlos zu
gleich, sich für den Erwarteten ausgibt, natürlich nur um
die ergötzlichsten Beschämungen zu ernten. In der Musik
vermissen wir zunächst, was den Dramatiker anzeigt, das
kräftige, entschiedene Colorit. Ueberall gebrochene, unbestimmte
Farben. Der Mendelssohn eigene abgedämpfte Ton, die klei
nen und kleinlichen Züge seiner Melodie hemmen überall
die Entschiedenheit des Ausdruckes; Freude und Trauer er
klingen in gleich energieloser Mäßigung. Für den Abenteurer
Kauz, die eigentliche Hauptfigur, fehlt der Mendelssohn’schen
Musik jede Spur von Humor — schon seine erste Ariette
verräth diesen Mangel. Mit der Entschuldigung, es handle
sich hier um ein „Liederspiel“, das die Alleinherrschaft des
Lyrischen gestatte, langt man hier nicht aus. Nicht nur ist
der vom Autor gewählte Titel „Liederspiel“ sehr un
genau für eine Operette, die zur guten Hälfte aus Duetten
und Terzetten besteht, schließlich ein Finale enthält — auch die
Qualität dieser Lyrik kann uns nicht befriedigen. Selbst
als bloße „Lieder“ betrachtet, sind nämlich diese Ge
sänge von gar dürftiger Erfindung, ohne rechtes
Leben und Gefühl. Auch in Schubert’s „Häuslichem
Krieg“ herrscht das lyrische Element vor, aber in welcher
Originalität, Fülle und Farbenpracht! Schubert gehabt
sich darin als ein reicher Herr, der mit vollen Händen in
seinen Melodienschatz greift, gerade als ob das kleine Sing
spiel sein erstes und letztes Werk bliebe. Mendelssohn
hingegen gleicht in seiner „Heimkehr“ einem anständig be
mittelten Mann, der sich sorgsam überwacht, ja nicht mehr
auszugeben, als für den geringfügigen Anlaß eben passend
sei. Geringfügige Motive sind, insbesondere im komischen
Singspiele, nicht das Schlimmste, wenn nur ein rascher
dramatischer Fluß sie trägt. Aber die Personen der „Heim
kehr“ haben ebensowenig Temperament als individuelle Phy
siognomie. Es singt Einer wie der Andere, in jener gebil
deten, distinguirten, von artiger Romantik angehauchten
Weise, welche in Mendelssohn’s Liedern und Clavierstücken
einen fast typischen Ausdruck gefunden hat. Fast jede Num
mer der „Heimkehr“ könnte irgend einem Heft „Lieder ohne
Worte“ entnommen sein. Sogar das Mendelssohn’sche Elfen
wesen ist bis ins Dorf gedrungen: der junge Soldat bringt
der Schulzentochter ein von geheimnißvollen Violin-Pizzi
catos umgaukeltes Ständchen, das seine Bekanntschaft mit
dem „Sommernachtstraum“ außer Zweifel stellt. Ja die ver
wünschte Bildung und Vornehmheit in dieser Dorfcomödie
geht so weit, daß ihr Schluß, das Finale des ganzen Sing
spiels, im Pianissimo ausklingt!
Die Lichtseiten Mendelssohn’scher Musik, die auch in der
„Heimkehr“ nicht fehlen, ja in Einzelheiten wie das A-dur-
Terzett sogar bis zum Glanze sich erheben, kennt Jeder.
Daß ich vielleicht länger als billig bei den Schattenseiten des
Werkes verweilte, haben jene Stimmen auf dem Gewissen,
welche nach der freundlich ansprechenden Vorstellung der
Opernschule für eine Aufnahme der „Heimkehr“ ins Reper
toire des Hofoperntheaters plaidirten. Das wäre kein
guter Einfall, denn selbst das Hübsche und Gute in der
„Heimkehr“ bleibt Miniatur-Malerei, die von der Bühne
herab jeden Eindruck verfehlt. Die Aufführung des Sing
spieles ging recht flott von statten; Herr Lieban und
Fräulein Neuß wirkten durch ihre jugendfrischen Stimmen
und entschiedene Begabung für die Spieloper. Im Allge
meinen war, besonders bei den Damen, das Spiel lobens
werther als der Gesang. Im tragischen Fach präsentirte sich
am günstigsten Fräulein Stahl, deren schöne Altstimme
und gewandtes Spiel in der Sterbescene Romeo’s (aus der
Vaccaj’schen Oper) ein dankbares Feld vorfand.
Recht lustig und präcis wurden einige Scenen aus
Délibes’ komischer Oper: „Der König hat’s gesagt“ auf
geführt. Es ist doch seltsam, daß diese graziöse Oper, welche
in Wien zu rascher Beliebtheit gelangte, jetzt im Berliner
Hofoperntheater einen entschiedenen Mißerfolg erlebt hat.
Abermals eine Erfahrung mehr, wie verschiedenartig Berlin
und Wien in musikalischen Dingen empfinden. Wien
hat viel mehr Empfänglichkeit, Wohlwollen, wenn’s
noththut auch Nachsicht, für französische und italie
nische Opern-Novitäten, als irgend eine deutsche Stadt.
Deutschland scheint neuestens immer exclusiver zu werden in
seinem Operngeschmack, immer deutscher — eine patriotisch
löbliche Tendenz, wenn nur recht viele glänzende Operntalente
in Deutschland vorhanden wären, von dieser Strömung zu
profitiren. Außer dem Zauberer von Bayreuth, der auch nicht
nach aller Leute Geschmack ist, will sich sehr wenig in Deutsch
land zeigen, was besser wäre, als „Der König hat’s gesagt“,
„Mignon“, „Der Maskenball“, „Carmen“, „Aïda“ und
andere in deutschen Städten durchgefallene Opern aus Frank
reich und Italien. Unsere norddeutschen Brüder sind tugend
hafter als wir, indem sie derlei wälsche Früchte zur Hölle
senden — aber mit den „Folkungern“ möchten wir dafür auch
nicht im Paradiese sein. Délibes’ „Le roi l’a dit“ ist noch
einer der letzten Ausläufer der echt französischen komischen
Oper. Der Begriff der Opéra comique kommt den Fran
zosen immer mehr abhanden, und das Theater, welches diesen
Namen führt, wird bald seine werthvolle Bedeutung und
Tradition verloren haben. Mit Meyerbeer’s „Nordstern“ hat
sich schon Styl, Lärm und Prunk der Großen Oper in der
Opéra Comique niedergelassen; Bizet’s „Carmen“ brachte
den blutigen Ausgang einer Tragödie dahin. Immerhin war
noch durch den stark vertretenen Dialog und durch die Ab
wesenheit des großen Ballets einigermaßen die Tradition des
Hauses bewahrt. Jetzt ist man in Paris so weit ge
gangen, nicht nur Gounod’s „Faust“ in der Komischen
Oper zu geben, es ist von Gounod eigens für
dieses Theater ein neues Werk geschrieben worden, das
mit einer Opéra comique gar nichts mehr gemein hat. Wir
meinen die Oper „Cinq-Mars“, die jüngste und, wie wir
glauben, geringste Tochter seiner Muse. Die Oper (nach dem
gleichnamigen historischen Roman von Alfred de Vigny) ist
tragisch und schließt mit der Hinrichtung der beiden Freunde
Cinq-Mars und de Thon. Die wenigen Sätze gesprochener
Prosa können ganz wegbleiben, und den Mittelpunkt der
Ausstattung (zugleich das Beste der Partitur) bildet ein
großes Ballet. Diese Wendung der Opéra Comique ist merk
würdig und sehr beklagenswerth; das beste lyrische Theater
der Franzosen hört damit auf, zu sein, was es bisher ge
wesen und immerdar bleiben sollte: Bewahrerin und Fort
bildnerin einer eigenthümlichen, echt französischen Kunstgattung,
eines bestimmten Styls der Musik und der Darstellung. Auf
Gounod paßt aber recht eigentlich, was Dingelstedt
jüngst in der „Gegenwart“ von dem Unterschiede genialer
und blos talentvoller Bühnendichter mit Hinweisung auf
Mosenthal und Otto Nicolai ausgeführt hat. Gleich
diesem hat Gounod nur Einen ganzen und großen Erfolg
errungen („Faust“); sein „Romeo“ war nur mehr ein hal
ber, seine anderen Opern nicht einmal das. Wir wünschen,
daß er seinen Höhepunkt noch einmal wieder erklimmen
möchte, haben aber nach der Durchsicht von „Cinq-Mars“
keine allzu große Hoffnung darauf.
Gounod führt uns wie von selbst auf Adelina Patti,
welche am Vorabend ihres Scheidens die „Margherita“ als
Benefice-Vorstellung gab. „Don Pasquale“ war unmittelbar
vorhergegangen, „Il Trovatore“ ist als letzte italienische Vor
stellung gestern nachgefolgt. Diese drei Aufführungen boten
im Kleinen ein vollständiges Bild von den Leistungen der
diesjährigen italienischen Saison. Nur der Tenorist Masini
war in keiner dieser Vorstellungen beschäftigt, zum unverho
lenen Bedauern des Publicums, das ihn gern öfter gehört und
namentlich mit der Patti zusammen gehört hätte. Allein die
Sympathien und Antipathien hinter der Scene siegten wieder
einmal über jene im Parquet, und Masini kam zu keiner
weiteren Rolle neben der Patti. Eine der gelungensten Vor
stellungen — für unseren Geschmack die genußreichste von
allen — war Donizetti’s „Don Pasquale“. Die Patti als
Norina sang wie eine Lerche und spielte wie ein kleiner Teufel.
Eine Leistung von entzückender Vollendung. Zucchini, trotz
seiner Jahre noch immer ein prächtiger Baßbuffo, macht
aus dem „Don Pasquale“ ein komisches Meisterstück. Minder
gelungen war die Vorstellung des „Faust“ („Margherita“).
Zwei Hauptrollen, Faust und Mephisto, waren auf das
übelste repräsentirt. Herrn Nicolini wollen wir es nicht
zu hoch anschreiben, daß sein Faust im ersten Acte eine
Caricatur war in Erscheinung, Spiel und Gesang — leider
haben die wenigsten seiner Collegen einen Begriff davon.
Und doch scheint es so leicht einzusehen, daß der Faust, der
sich nach Lebensgenuß und Frauenliebe sehnt, kein neunzig
jähriger Greis ist, und daß, wenn man trotzdem einen
solchen darstellt, man nicht brüllen darf wie ein junger
Stier. Aber auch nach Faust’s Verwandlung war nichts
schön an Herrn Nicolini, als er selbst. Sein Gesang, ein
theils dröhnendes, theils lispelndes Tremoliren, ließ die
besten Stellen nicht zu ihrem Rechte kommen; der Eindruck
war geradezu unangenehm. Wie schade um dieses ursprüng
lich so schöne Material! Der Mephisto des Signor Fio
rini erreichte glücklicherweise einige Höhepunkte unabsicht
licher Komik. Was er Alles im Dom (wohin er gar nicht
gehört) an diabolischen Lazzi neben dem armen Gretchen
trieb, das läßt sich nicht beschreiben. Von „Uebertreibung“
kann man da nicht sprechen, denn dieser Ausdruck setzt doch
etwas Richtiges voraus, was übertrieben wird — nein, die
lange stumme Pantomime Fiorini’s im Dom war etwas
ganz Selbstständiges, Neues, eine Einlage, und zwar eine
Einlage aus der Affencomödie. Wir paßten nur darauf, daß
dieser Mephisto zum Schluß durch einen Purzelbaum den
Sieg der Hölle illustriren werde; nur eine plötzliche Muskel
schwäche kann ihn an diesem Effect verhindert haben. Es
versteht sich, daß in dieser komischen Extra-Production Me
phisto’s der ganze Effect Gretchen’s in der Domscene
rettungslos ertrank. — Herrn Fiorini’s erstes Auftreten
als Graf Rudolph in der „Sonnambula“ erregte uns schon
böse Ahnungen; sie gingen in Erfüllung, als er den Pater
Lorenzo in „Romeo“ sang, und wurden schließlich weit übertroffen
durch seinen Mephisto, welcher die Darwinianer belehrte, daß
nicht blos der Mensch, sondern auch der Teufel vom Affen stamme.
In der vorigen Saison herrschte die zweckmäßige Einrichtung,
daß auch einige erste Mitglieder des Hofoperntheaters in der
italienischen Oper mitwirkten. Hätte man diesmal Herrn
Rokitansky den Pater Lorenzo und Mephisto singen
lassen, so wäre dem „Faust“ und „Romeo“ das Schlimmste
erspart geblieben; mit Frau Dillner als Amneris wäre
ferner die „Aïda“-Vorstellung leicht zu Stande gekommen,
die dem Publicum zugesagt und von ihm besonders gewünscht
war. Das Gretchen der Patti hat uns auch diesmal
weniger befriedigt, als ihre übrigen Rollen. Gesungen war
Alles außerordentlich schön, aber es stand immer die Patti
vor uns, nicht das Gretchen. Wir sind nicht so kurzsichtig,
dies der Künstlerin schlechtweg zur Last legen und etwa als
eine Lücke ihrer Kunst auffassen zu wollen, was im natür
lichen Zusammenhange mit ihrer persönlichen Erscheinung
und nationalen Empfindungsweise steht. Die schwarzen Haare
meinen wir nicht, da wäre ja mit einer Perrücke allem
Uebel abgeholfen; allein die scharfgeschnittenen Züge der
Patti sind fast immer in einer leidenschaftlichen Bewegung,
welche dem Bilde unseres deutschen Gretchen’s widerspricht.
Schon bei dem schwächsten Ausdrucke von Leid oder Freude
bekommt das Gesicht der Patti etwas Heftiges, Aufgeregtes
— bei wirklicher Leidenschaft sogar etwas Wildes. Wir
sehen sie da mit weitgeöffneten, glühenden Augen, mit
lauernd vorgebeugtem Haupt und leicht herabgezogenen
Mundwinkeln, ein prächtiges Bild südlicher Leidenschaft —
aber der Gegensatz zu dem stillen, tiefen Gemüthsleben
Gretchen’s. Der Ausdruck ruhiger, seelenvoller Innigkeit,
mädchenhafter Schüchternheit ist ihr nicht gegeben. Wie in
der italienischen Musik dringt bei ihr jede Erregung gleich
auf die Oberfläche, und auch darin gleicht sie, die echte Ita
lienerin, der Musik ihrer Heimat, daß beide das einfach Rüh
rende nur selten und ausnahmsweise vorbringen. Eine wun
dervolle Gesangsleistung ist ihr Schmuckwalzer, sie spielt und
singt die Scene nur viel zu sehr ins Publicum hinein —
das ist wieder italienisch. In den Momenten höchsten Affects
(bei der Leiche Valentin’s, im Dome) agirt die Patti zwar
sehr viel und leidenschaftlich, aber wir können diesen krampf
haft ringenden Gesten, dieser stereotyp schmerzverzerrten und
trotzdem nicht beredten Miene nicht recht glauben. Es gab
während der Vorstellung allerlei Discussionen, auch Inter
pellationen über das Gretchen der Patti und der Nils
son. Wir haben keine Ursache, der Frage aus dem Wege
zu gehen, und bekennen, daß wir der Leistung Frau Nils
son’s unbedingt den Vorzug einräumen. Dem Gretchen der
Patti haben wir mit Vergnügen und Bewunderung gelauscht,
das Gretchen der Nilsson hat uns nicht nur erfreut, sondern
gerührt und ergriffen. Sie ist eine geborene Margarethe und
Ophelia; die Patti eine geborene Rosina, Leonora, Violetta.
Jener gehört der Norden, dieser der Süden.