Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4558. Wien, Samstag, den 5. Mai 1877 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Sanz-Lázaro, Fernando Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2026

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Nr. 4558. Wien, Samstag, den 5. Mai 1877 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 05.05.1877
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Musik. (Production der Opernschule. — Abschied der italienischen Oper.)

Ed. H. Die jüngste Vorstellung der Opernschule unseres Conservatoriums hatte wieder eine Menge Leute in den kleinen Musikvereinssaal gelockt. Gelockt und zusammen gepfercht in eng aneinandergeschobene, ewig rutschende Sessel reihen. Es gehörte viel Interesse an der Opernschule und einiger Opfermuth dazu, um es in dieser glühenden Luft auszuhalten bei keineswegs ganz reinem Gesang. Für das Publicum wäre die Uebertragung dieser Productionen aus dem kleinen in den großen Musikvereinssaal ein entschiedener Vortheil. Ob auch für die jugendlichen Sänger, steht freilich dahin. Das ist ein leichtes Singen im kleinen Raume und so unmittelbar ins Publicum hinein, aber auch ein leichtes Täuschen über die Kraft und Tragfähigkeit von Stimmen, die für große Opernhäuser geschult werden. Als größte und anziehendste Nummer ragte in dem Programme Mendels sohn’s einactiges Singspiel: „Die Heimkehr aus der Fremde“ hervor. Es war eine glückliche Idee, mit Men delssohn’s „Heimkehr“ ein Seitenstück zu Schubert’s Häuslichem Krieg“ zu geben, den die Eleven der Opern schule jüngst erfolgreich dargestellt haben. Ganz so wie da mals wirkte auch am letzten Sonntag die Aufführung eines Ganzen, wenngleich eines kleinen Ganzen, sehr wohlthuend nach den vorangegangenen Einzelscenen. Wie im „Häuslichen Krieg“, so fanden jetzt in der „Heimkehr“ auch bescheidene Kräfte ein Plätzchen, wo sie ihren Mann stellen und sogar Applaus einernten konnten. An die Stelle der Einzel- Virtuosität trat das geschickte Zusammenspiel, das Ensemble, also jedenfalls die stärkere Seite in dem gegenwärtigen Stande der Opernschule.

Die „Heimkehr aus der Fremde“, ein einactiges Sing spiel, ist Alles, was das Opern-Repertoire in Deutschland

von Felix Mendelssohn besitzt. Selbst dieser Besitz ist nicht strenge zu verstehen, da er von keiner Bühne festgehal ten, vielmehr nach kurzer Innehabung überall wieder auf gegeben wurde. Mendelssohn hat bekanntlich die „Heimkehr“, sowie eine größere komische Oper: „Die Hochzeit des Cammacho“, als Jüngling geschrieben. Letztere kam 1827 in Berlin mit zweifelhaftem Erfolge zur Aufführung; die Heimkehr“ hatte Mendelssohn nur für eine Privatvorstel lung im Familienkreise bestimmt und niemals selbst ver öffentlicht. Von diesen Jugendwerken an geht durch Men delssohn’s ganze Künstlerlaufbahn der glühende Wunsch nach dramatischer Wirksamkeit und das rastlose Suchen nach einem guten Operntexte. Er ist darüber gestorben. Daß Mendelssohn, trotz der zahlreichen „dramatischen“ Züge in seinen Oratorien und Cantaten, niemals ein großer Opern- Componist geworden wäre, schien mir stets außer Zweifel, Die „Heimkehr aus der Fremde“ bestärkte mich durchweg in dieser Ansicht. An eine anspruchslose Jugendarbeit wird frei lich Niemand den Maßstab legen, zu welchem allenfalls die vollendete „Loreley“ (Dichtung von Em. Geibel) berechtigt hätte; dennoch ist Mendelssohn’s Persönlichkeit so früh ent wickelt, in seinen Jugendwerken schon so fest aus geprägt, daß diese über die Hauptrichtungen sei nes Talentes ein erheblich Wort mitsprechen dürfen. Das Libretto gehört bei aller Bescheidenheit doch nicht zu den schlechtesten. In das idyllische Bild einer Familie, welche durch die Heimkehr des langvermißten Sohnes überrascht werden soll, drängt sich mit wirksamer Komik die wunder liche Gestalt eines Abenteurers, der, keck und harmlos zu gleich, sich für den Erwarteten ausgibt, natürlich nur um die ergötzlichsten Beschämungen zu ernten. In der Musik vermissen wir zunächst, was den Dramatiker anzeigt, das kräftige, entschiedene Colorit. Ueberall gebrochene, unbestimmte Farben. Der Mendelssohn eigene abgedämpfte Ton, die klei nen und kleinlichen Züge seiner Melodie hemmen überall die Entschiedenheit des Ausdruckes; Freude und Trauer er klingen in gleich energieloser Mäßigung. Für den Abenteurer

Kauz, die eigentliche Hauptfigur, fehlt der Mendelssohn’schen Musik jede Spur von Humor — schon seine erste Ariette verräth diesen Mangel. Mit der Entschuldigung, es handle sich hier um ein „Liederspiel“, das die Alleinherrschaft des Lyrischen gestatte, langt man hier nicht aus. Nicht nur ist der vom Autor gewählte Titel „Liederspiel“ sehr un genau für eine Operette, die zur guten Hälfte aus Duetten und Terzetten besteht, schließlich ein Finale enthält — auch die Qualität dieser Lyrik kann uns nicht befriedigen. Selbst als bloße „Lieder“ betrachtet, sind nämlich diese Ge sänge von gar dürftiger Erfindung, ohne rechtes Leben und Gefühl. Auch in Schubert’s „Häuslichem Krieg“ herrscht das lyrische Element vor, aber in welcher Originalität, Fülle und Farbenpracht! Schubert gehabt sich darin als ein reicher Herr, der mit vollen Händen in seinen Melodienschatz greift, gerade als ob das kleine Sing spiel sein erstes und letztes Werk bliebe. Mendelssohn hingegen gleicht in seiner „Heimkehr“ einem anständig be mittelten Mann, der sich sorgsam überwacht, ja nicht mehr auszugeben, als für den geringfügigen Anlaß eben passend sei. Geringfügige Motive sind, insbesondere im komischen Singspiele, nicht das Schlimmste, wenn nur ein rascher dramatischer Fluß sie trägt. Aber die Personen der „Heim kehr“ haben ebensowenig Temperament als individuelle Phy siognomie. Es singt Einer wie der Andere, in jener gebil deten, distinguirten, von artiger Romantik angehauchten Weise, welche in Mendelssohn’s Liedern und Clavierstücken einen fast typischen Ausdruck gefunden hat. Fast jede Num mer der „Heimkehr“ könnte irgend einem Heft „Lieder ohne Worte“ entnommen sein. Sogar das Mendelssohn’sche Elfen wesen ist bis ins Dorf gedrungen: der junge Soldat bringt der Schulzentochter ein von geheimnißvollen Violin-Pizzi catos umgaukeltes Ständchen, das seine Bekanntschaft mit dem „Sommernachtstraum“ außer Zweifel stellt. Ja die ver wünschte Bildung und Vornehmheit in dieser Dorfcomödie geht so weit, daß ihr Schluß, das Finale des ganzen Sing spiels, im Pianissimo ausklingt!

Die Lichtseiten Mendelssohn’scher Musik, die auch in der Heimkehr“ nicht fehlen, ja in Einzelheiten wie das A-dur- Terzett sogar bis zum Glanze sich erheben, kennt Jeder. Daß ich vielleicht länger als billig bei den Schattenseiten des Werkes verweilte, haben jene Stimmen auf dem Gewissen, welche nach der freundlich ansprechenden Vorstellung der Opernschule für eine Aufnahme der „Heimkehr“ ins Reper toire des Hofoperntheaters plaidirten. Das wäre kein guter Einfall, denn selbst das Hübsche und Gute in der Heimkehr“ bleibt Miniatur-Malerei, die von der Bühne herab jeden Eindruck verfehlt. Die Aufführung des Sing spieles ging recht flott von statten; Herr Lieban und Fräulein Neuß wirkten durch ihre jugendfrischen Stimmen und entschiedene Begabung für die Spieloper. Im Allge meinen war, besonders bei den Damen, das Spiel lobens werther als der Gesang. Im tragischen Fach präsentirte sich am günstigsten Fräulein Stahl, deren schöne Altstimme und gewandtes Spiel in der Sterbescene Romeo’s (aus der Vaccaj’schen Oper) ein dankbares Feld vorfand.

Recht lustig und präcis wurden einige Scenen aus Délibes komischer Oper: „Der König hat’s gesagt“ auf geführt. Es ist doch seltsam, daß diese graziöse Oper, welche in Wien zu rascher Beliebtheit gelangte, jetzt im Berliner Hofoperntheater einen entschiedenen Mißerfolg erlebt hat. Abermals eine Erfahrung mehr, wie verschiedenartig Berlin und Wien in musikalischen Dingen empfinden. Wien hat viel mehr Empfänglichkeit, Wohlwollen, wenn’s noththut auch Nachsicht, für französische und italie nische Opern-Novitäten, als irgend eine deutsche Stadt. Deutschland scheint neuestens immer exclusiver zu werden in seinem Operngeschmack, immer deutscher — eine patriotisch löbliche Tendenz, wenn nur recht viele glänzende Operntalente in Deutschland vorhanden wären, von dieser Strömung zu profitiren. Außer dem Zauberer von Bayreuth, der auch nicht nach aller Leute Geschmack ist, will sich sehr wenig in Deutsch land zeigen, was besser wäre, als „Der König hat’s gesagt“, Mignon“, „Der Maskenball“, „Carmen“, „Aïda“ und

andere in deutschen Städten durchgefallene Opern aus Frank reich und Italien. Unsere norddeutschen Brüder sind tugend hafter als wir, indem sie derlei wälsche Früchte zur Hölle senden — aber mit den „Folkungern“ möchten wir dafür auch nicht im Paradiese sein. DélibesLe roi l’a dit“ ist noch einer der letzten Ausläufer der echt französischen komischen Oper. Der Begriff der Opéra comique kommt den Fran zosen immer mehr abhanden, und das Theater, welches diesen Namen führt, wird bald seine werthvolle Bedeutung und Tradition verloren haben. Mit Meyerbeer’s „Nordstern“ hat sich schon Styl, Lärm und Prunk der Großen Oper in der Opéra Comique niedergelassen; Bizet’sCarmen“ brachte den blutigen Ausgang einer Tragödie dahin. Immerhin war noch durch den stark vertretenen Dialog und durch die Ab wesenheit des großen Ballets einigermaßen die Tradition des Hauses bewahrt. Jetzt ist man in Paris so weit ge gangen, nicht nur Gounod’s „Faust“ in der Komischen Oper zu geben, es ist von Gounod eigens für dieses Theater ein neues Werk geschrieben worden, das mit einer Opéra comique gar nichts mehr gemein hat. Wir meinen die Oper „Cinq-Mars“, die jüngste und, wie wir glauben, geringste Tochter seiner Muse. Die Oper (nach dem gleichnamigen historischen Roman von Alfred de Vigny) ist tragisch und schließt mit der Hinrichtung der beiden Freunde Cinq-Mars und de Thon. Die wenigen Sätze gesprochener Prosa können ganz wegbleiben, und den Mittelpunkt der Ausstattung (zugleich das Beste der Partitur) bildet ein großes Ballet. Diese Wendung der Opéra Comique ist merk würdig und sehr beklagenswerth; das beste lyrische Theater der Franzosen hört damit auf, zu sein, was es bisher ge wesen und immerdar bleiben sollte: Bewahrerin und Fort bildnerin einer eigenthümlichen, echt französischen Kunstgattung, eines bestimmten Styls der Musik und der Darstellung. Auf Gounod paßt aber recht eigentlich, was Dingelstedt jüngst in der „Gegenwart“ von dem Unterschiede genialer und blos talentvoller Bühnendichter mit Hinweisung auf Mosenthal und Otto Nicolai ausgeführt hat. Gleich

diesem hat Gounod nur Einen ganzen und großen Erfolg errungen („Faust“); sein „Romeo“ war nur mehr ein hal ber, seine anderen Opern nicht einmal das. Wir wünschen, daß er seinen Höhepunkt noch einmal wieder erklimmen möchte, haben aber nach der Durchsicht von „Cinq-Marskeine allzu große Hoffnung darauf.

Gounod führt uns wie von selbst auf Adelina Patti, welche am Vorabend ihres Scheidens die „Margherita“ als Benefice-Vorstellung gab. „Don Pasquale“ war unmittelbar vorhergegangen, „Il Trovatore“ ist als letzte italienische Vor stellung gestern nachgefolgt. Diese drei Aufführungen boten im Kleinen ein vollständiges Bild von den Leistungen der diesjährigen italienischen Saison. Nur der Tenorist Masini war in keiner dieser Vorstellungen beschäftigt, zum unverho lenen Bedauern des Publicums, das ihn gern öfter gehört und namentlich mit der Patti zusammen gehört hätte. Allein die Sympathien und Antipathien hinter der Scene siegten wieder einmal über jene im Parquet, und Masini kam zu keiner weiteren Rolle neben der Patti. Eine der gelungensten Vor stellungen — für unseren Geschmack die genußreichste von allen — war Donizetti’s „Don Pasquale“. Die Patti als Norina sang wie eine Lerche und spielte wie ein kleiner Teufel. Eine Leistung von entzückender Vollendung. Zucchini, trotz seiner Jahre noch immer ein prächtiger Baßbuffo, macht aus dem „Don Pasquale“ ein komisches Meisterstück. Minder gelungen war die Vorstellung des „Faust“ („Margherita“). Zwei Hauptrollen, Faust und Mephisto, waren auf das übelste repräsentirt. Herrn Nicolini wollen wir es nicht zu hoch anschreiben, daß sein Faust im ersten Acte eine Caricatur war in Erscheinung, Spiel und Gesang — leider haben die wenigsten seiner Collegen einen Begriff davon. Und doch scheint es so leicht einzusehen, daß der Faust, der sich nach Lebensgenuß und Frauenliebe sehnt, kein neunzig jähriger Greis ist, und daß, wenn man trotzdem einen solchen darstellt, man nicht brüllen darf wie ein junger Stier. Aber auch nach Faust’s Verwandlung war nichts schön an Herrn Nicolini, als er selbst. Sein Gesang, ein

theils dröhnendes, theils lispelndes Tremoliren, ließ die besten Stellen nicht zu ihrem Rechte kommen; der Eindruck war geradezu unangenehm. Wie schade um dieses ursprüng lich so schöne Material! Der Mephisto des Signor Fio rini erreichte glücklicherweise einige Höhepunkte unabsicht licher Komik. Was er Alles im Dom (wohin er gar nicht gehört) an diabolischen Lazzi neben dem armen Gretchen trieb, das läßt sich nicht beschreiben. Von „Uebertreibung“ kann man da nicht sprechen, denn dieser Ausdruck setzt doch etwas Richtiges voraus, was übertrieben wird — nein, die lange stumme Pantomime Fiorini’s im Dom war etwas ganz Selbstständiges, Neues, eine Einlage, und zwar eine Einlage aus der Affencomödie. Wir paßten nur darauf, daß dieser Mephisto zum Schluß durch einen Purzelbaum den Sieg der Hölle illustriren werde; nur eine plötzliche Muskel schwäche kann ihn an diesem Effect verhindert haben. Es versteht sich, daß in dieser komischen Extra-Production Me phisto’s der ganze Effect Gretchen’s in der Domscene rettungslos ertrank. — Herrn Fiorini’s erstes Auftreten als Graf Rudolph in der „Sonnambula“ erregte uns schon böse Ahnungen; sie gingen in Erfüllung, als er den Pater Lorenzo in „Romeo“ sang, und wurden schließlich weit übertroffen durch seinen Mephisto, welcher die Darwinianer belehrte, daß nicht blos der Mensch, sondern auch der Teufel vom Affen stamme. In der vorigen Saison herrschte die zweckmäßige Einrichtung, daß auch einige erste Mitglieder des Hofoperntheaters in der italienischen Oper mitwirkten. Hätte man diesmal Herrn Rokitansky den Pater Lorenzo und Mephisto singen lassen, so wäre dem „Faust“ und „Romeo“ das Schlimmste erspart geblieben; mit Frau Dillner als Amneris wäre ferner die „Aïda“-Vorstellung leicht zu Stande gekommen, die dem Publicum zugesagt und von ihm besonders gewünscht war. Das Gretchen der Patti hat uns auch diesmal weniger befriedigt, als ihre übrigen Rollen. Gesungen war Alles außerordentlich schön, aber es stand immer die Patti vor uns, nicht das Gretchen. Wir sind nicht so kurzsichtig, dies der Künstlerin schlechtweg zur Last legen und etwa als

eine Lücke ihrer Kunst auffassen zu wollen, was im natür lichen Zusammenhange mit ihrer persönlichen Erscheinung und nationalen Empfindungsweise steht. Die schwarzen Haare meinen wir nicht, da wäre ja mit einer Perrücke allem Uebel abgeholfen; allein die scharfgeschnittenen Züge der Patti sind fast immer in einer leidenschaftlichen Bewegung, welche dem Bilde unseres deutschen Gretchen’s widerspricht. Schon bei dem schwächsten Ausdrucke von Leid oder Freude bekommt das Gesicht der Patti etwas Heftiges, Aufgeregtes — bei wirklicher Leidenschaft sogar etwas Wildes. Wir sehen sie da mit weitgeöffneten, glühenden Augen, mit lauernd vorgebeugtem Haupt und leicht herabgezogenen Mundwinkeln, ein prächtiges Bild südlicher Leidenschaft — aber der Gegensatz zu dem stillen, tiefen Gemüthsleben Gretchen’s. Der Ausdruck ruhiger, seelenvoller Innigkeit, mädchenhafter Schüchternheit ist ihr nicht gegeben. Wie in der italienischen Musik dringt bei ihr jede Erregung gleich auf die Oberfläche, und auch darin gleicht sie, die echte Ita lienerin, der Musik ihrer Heimat, daß beide das einfach Rüh rende nur selten und ausnahmsweise vorbringen. Eine wun dervolle Gesangsleistung ist ihr Schmuckwalzer, sie spielt und singt die Scene nur viel zu sehr ins Publicum hinein — das ist wieder italienisch. In den Momenten höchsten Affects (bei der Leiche Valentin’s, im Dome) agirt die Patti zwar sehr viel und leidenschaftlich, aber wir können diesen krampf haft ringenden Gesten, dieser stereotyp schmerzverzerrten und trotzdem nicht beredten Miene nicht recht glauben. Es gab während der Vorstellung allerlei Discussionen, auch Inter pellationen über das Gretchen der Patti und der Nils son. Wir haben keine Ursache, der Frage aus dem Wege zu gehen, und bekennen, daß wir der Leistung Frau Nils son’s unbedingt den Vorzug einräumen. Dem Gretchen der Patti haben wir mit Vergnügen und Bewunderung gelauscht, das Gretchen der Nilsson hat uns nicht nur erfreut, sondern gerührt und ergriffen. Sie ist eine geborene Margarethe und Ophelia; die Patti eine geborene Rosina, Leonora, Violetta. Jener gehört der Norden, dieser der Süden.