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Ed. H. Sobald es sich um die Wahl einer Ballet-
Novität für das Hofoperntheater handelte, durfte die
„ Sylvia“ von Leo
fang des Ballets, wie sie, von der Jagd kommend, im
Walde Helm und Köcher ablegt, um mit ihrem jungfräu
lichen Gefolge auszuruhen und das gebräuchliche Opern-See
bad zu nehmen. Obwol die Ballet-Hydropathinnen dies
immer in voller Toilette, mit Schuhen und Strümpfen
thun, sind sie doch jedesmal tödtlich erschrocken, wenn sie
einen Sterblichen in der Nähe bemerken. Auch unser ver
liebter
fällt, von dem rächenden Pfeil
schwarzen Verehrer von unbändigem Temperament und
äußerst frechen Gewohnheiten, den Jäger
Liebesanträgen zurückgewiesen, packt er die
auf die Schulter und trägt sie in seine Felsengrotte. Hier
seufzt sie als Gefangene des schwarzen Unholds, bis sie ihn
endlich durch List unschädlich zu machen weiß. Sie preßt
nämlich den Saft aus einigen Weintrauben in eine Schale,
credenzt sie dem
umhertoben, endlich niedersinken. In der Regel pflegt süßer
Most eine etwas sanftere, nicht gerade nach dem Kopf
aufsteigende Wirkung hervorzubringen, wie sich in die
ser Jahreszeit jeder gute Oesterreicher überzeugen kann
— im Ballet muß man freilich auch physiologische Wunder
gläubig hinnehmen. Genug, das Ungethüm schnarcht in be
sinnungslosem Mostrausch, während
zu Hilfe ruft und von ihm auch richtig aus der Grotte be
freit wird. Derselbe
auch (zum Glück nicht auf die entsetzliche
als Arzt verkleidet und heilt den angeschossenen Schäfer
fieber. Letzteres treibt den Jüngling unverweilt über Berg
und Thal, die verschwundene
Commissionsreise geräth er auch mitten in ein heiteres
dende Gott
(wir hielten ihn für eine alte Krankenwärterin), und läßt
seine schönsten Sklavinnen dem
vortanzen. Allein nur Eine von Allen, dichtverschleiert oben
drein, fesselt durch ihre graziösen Stellungen unsern fein
schmeckerischen Ziegenhirten: es ist
raschung; wer hätte das vermuthet! Ihr nach kommt aber
der Mostschwärmer
sprungen und bedroht sie. Da erscheint die Göttin
auf der Schwelle ihres Tempels, streckt
vereinigt, auf gütliches Zureden
benden unter Assistenz vieler kleiner Amoretten in einem Meer
von farbigem elektrischen Licht.
Das ist Alles sehr schön, aber herzlich langweilig; wie
die mythologischen Ballet- und Opernstoffe überhaupt. Du
guter
lichen Liebespirouetten von Nymphen und Schäferinnen, die
begeisterten Bockssprünge unsauberer Faune, diese immer
sprungbereite Allmacht
haben sie noch ein dramatisches Interesse? Die Handlung des
neuen Ballets bringt keine Wendung, die uns überraschen,
rühren oder auch nur amüsiren könnte. Somit bleiben als
bewegende Kräfte des Erfolges nur die Ausstattung und die
Musik. Erstere hat es in mythologischen Balletten auch nicht
so leicht: Schäferinnen und Nymphen gehen bekanntlich
äußerst einfach gekleidet und halten sich meistentheils in
Wäldern auf — woher Abwechslung und Pracht hernehmen
für die Costüme und Decorationen? Da müssen denn allerlei
Lückenbüßer aushelfen. Hier ein Tanz
dort ein Piratenschiff, ein
weide unterbricht zwar vorübergehend die Monotonie der
geistlosen Handlung, aber retten könnte sie das Ballet
„
Unterstützung in der Musik des Herrn Delibes. Sie ge
feingezeichneten und mit der höchsten Sauberkeit colorirten Musik
ließ uns keinen Augenblick los. Der Geist der „
Orchester, nicht auf der Bühne. Von der schleuderhaften
Praxis der gewöhnlichen Ballet-Compositionen hat sich
völlig losgemacht, ohne deßhalb die Grundlagen dieser Gat
tung umzuwühlen und das Experiment eines nagelneuen Zu
kunftsballet-Styls probiren zu wollen. Er geht an seine Auf
gabe zunächst als dramatischer Tondichter, als Opern
componist, der nebenbei dem Balletwesen Neigung und In
teresse entgegenbringt. Dramatisch im besten Sinne behandelt
er alles Scenische und Mimische in der „
für Schritt folgt die Musik illustrirend den Bewegungen und
Affecten der Darsteller, dabei stets bedacht, die formale Ein
heit, die musikalische Entwicklung der Motive möglichst zu
wahren. Unscheinbaren Melodien weiß
reiche Instrumentirung Glanz und Bedeutung zu geben, öfter
wiederkehrenden Motiven leiht er neuen Reiz durch verän
derte, pikante Harmonisirung. Aengstlicher Harmoniker darf
man freilich nicht sein; Delibes treibt (wie
ziöser Gesang der Violine und des Waldhorns. Ein leb
hafteres Gegenstück dazu bildet das Divertissement der
im letzten Act. Diese Perlenschnur von pizzikirten Sech
zehntel-Figuren der Violinen ist eine getreue Uebersetzung von
Musikalisch noch bedeutender ist der Tanz der Jägerinnen
im ersten Act mit seinem echt symphonischen Hauptmotiv,
einer von vier Hörnern unison geschmetterten Fanfare, der
die Pauken antworten. Durch sehr originelle Instrumentirung
wirkt der Bauerntanz in C-dur (Flöte und Piccolo in Terzen,
über einen dudelsackartig brummenden, von Tambourinschlägen
aufgestachelten Baß), durch echt pastorale Lieblichkeit die erste
Scene des Schäfers
den Musiker interessirende Einzelheiten können wir hier nicht
eingehen; nur eines einzigen geistreichen und stimmungsvollen
Zuges wollen wir noch gedenken; des Hornrufs beim Heran
nahen
unmittelbar nach Des-dur herabgleitet.
Im Vergleich mit „
größer in den Dimensionen und den Ansprüchen, uns bleibt
trotzdem jenes kleine
als diese „historische Landschaft mit mythologischer Staffage“.
„
sich in der Automaten-Scene des zweiten Actes überaus ergötz
lich entwickelt; die ganze Handlung dieses Ballets, ihr
„Costüm“ im weitesten Sinn, ist natürlicher, heiterer und
treibt auch die Musik zu leichterem und rascherem Fluß an.
Hingegen ist von der scenischen Monotonie der „
eine gewisse Einförmigkeit der Musik kaum zu trennen. Es
kommt darin zu keiner herzhaften, gesunden Fröhlichkeit.
Daran ist zur Hälfte, wie gesagt, das Textbuch schuld, zur
Hälfte aber die Eigenart von Delibes’ Talent, welches
fast das Recht bestreiten, sich anders als ganz vorübergehend
dem Ballet zu widmen. In drei Balletten hat
als Meister der musikalischen Taubstummensprache bewährt;
möge er nunmehr zur lebendigen Rede, zum tönenden Gesang
zurückkehren und statt getanzter Götterfabeln uns Lust und
Leid wirklicher Menschen schildern in Melodien, zu welchen
nicht die Fußspitze, sondern das Herz den Tact schlägt.
Das Ballet „
einer vortrefflichen Aufführung und der günstigsten Aufnahme.
Aufmerksamer als gewöhnlich lauschte das Publicum der
Musik und rief den persönlich anwesenden Componisten nach
den Actschlüssen und sogar bei offener Scene hervor. Man
ches reizend componirte und virtuos gespielte Orchesterstück
wurde mit einem Beifall ausgezeichnet, in welchen sich
liche Orchester theilen mögen. In der Titelrolle glänzte
Fräulein Linda durch Bravour und Grazie des Tanzes;