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Ed. H. Bei der Nachricht von
zu Muthe, als habe der Puls unseres Musiklebens plötzlich
zu schlagen aufgehört und stehe still.
wegende Kraft, das Perpetuum mobile des
lebens durch zwanzig Jahre. Kaum ein einziger Zweig dieses
vielgliederigen Kunstorganismus, der ihm nicht tief verpflichtet
wäre. Die Gesellschaft der Musikfreunde, der Männergesang-
Verein, der Singverein, die Hofcapelle — sie stehen als
Waisen an seinem Grabe, denn ihm verdanken sie, wenn
nicht das Leben selbst, so doch ein neues Leben.
überall; darum fragen wir uns noch immer zweifelnd, ob
wir ihm wirklich nirgends mehr begegnen sollen? Noch heute
grüßt uns von allen Straßenecken sein Name, auf den An
schlagzetteln des ersten Gesellschafts-Concerts; der Tod war
schneller bei der Hand, als die sonst so flinken Abreißer ver
fallener Anschlagzettel. Zum letztenmale sprach ich
am Sonntag vor seinem Tode. Er schilderte mit froher Be
friedigung die gelungene Aufführung der
dur-Messe
erzählte von seinen Plänen für den Winter und ver
sprach, in wenigen Tagen mir die Partitur seiner
neuen
Leben hat er mir nicht Wort gehalten: er kam
nicht und wird uns Allen nicht wiederkommen. Wie
innig ganz
blos als Künstler hochgeehrt, sondern als herzvoller Mensch,
als treuer Freund geliebt war, das hat seine Leichenfeier be
wiesen. Bei solchen Anlässen neckt uns immer der traurige
müßige Gedanke: Warum kann der Verstorbene, der für
Ehren- und Liebeszeichen so Empfängliche, nicht einen Augen
blick lang sehen und hören, wie man ihn feiert und betrauert!
Ich lernte
bei Vesque v.
fälligkeit die Tenorpartie in einigen Vocalquartetten sang.
Das geniale, offene Gesicht, das feurige Auge des jungen
Mannes sprachen mich sofort sympathisch an. Es war eine
Freude, ihn anzusehen; denn nie ließ er sich anmerken, daß
er — damals und lange nachher noch — mit schweren
Sorgen kämpfte. Es entspann sich bald zwischen uns ein
freundschaftliches Verhältniß, während dessen langer Dauer
würdig mir erwiesen hat. Selbst wenn ich ihn an seiner ver
wundbarsten Seite verletzt hatte, durch eine, wie er glaubte,
unverdient strenge Beurtheilung seiner Compositionen, gestand
er mir zwar offen seinen Schmerz darüber, war aber sofort
wieder der Alte und ließ nicht die leiseste Erkältung in
unserem freundschaftlichen Verkehr aufkommen. Ich hebe
diesen Charakterzug hervor, weil er sehr selten und an einem
ehrgeizigen Künstler doppelt hoch zu schätzen ist.
Vor die Oeffentlichkeit trat
als Chormeister des Männergesang-Vereins, sodann des
Singvereins. Vordem hatte er, der ehemalige Sängerknabe
des Stiftes Heiligenkreuz, die bescheidene Stelle eines Chor-
Regenten in der Piaristenkirche bekleidet. Diese Vorschule
war nicht bedeutungslos für sein späteres Wirken. Die strenge
Zucht geistlicher Musik, in der
gab ihm, dem im Kampf mit dem Leben früh Gereiften, auch
als Künstler jenen festen Halt und Ernst, ohne den wir einen
Dirigenten großer classischer Musik uns nicht denken können.
In der Leitung der Gesellschafts-Concerte, die vor
gerade an dem Mangel solchen Ernstes, an schwankem flitter
haften Virtuosengeist gekrankt hatten, machte sich dieser Unter
schied sofort bemerkbar. Daß
gedieh ihm und den ihm anvertrauten Chor-Instituten zu
großem Vortheil: er kannte alle Geheimnisse des Gesangs
vortrags, schrieb immer sangbar und wirksam für die Stim
men. Seine Chor-Aufführungen waren vielleicht das Beste,
was er als Dirigent geleistet hat. Er besaß einen feinen,
ausgebildeten Sinn für Klangschönheit und für rhythmische
Belebung des Vortrags. Die einfachsten Chorlieder erziel
ten durch ihn eine zauberische Wirkung. Wer könnte die von
für fünfstimmigen Männerchor! Ein Strom von mil
dem Wohllaut ergoß sich aus diesen Chören. Auch
als Componist scheint mir
bungen dem Singverein und dem Männergesang-Verein zu
verdanken; seine schlicht anspruchslos auftretenden Chöre
„
knecht
dürften sich vielleicht länger behaupten, als seine großen
Orchesterwerke.
man am deutlichsten bei den Proben. Wie er da irgend einen
neuen Chor aus der ersten rohen Correctheit zu immer be
seelterem Ausdruck herauszuarbeiten verstand, bis das Ganze
in feinsten Schattirungen und einheitlicher Rundung glänzte,
das muß man selbst mit angesehen haben. Da
Mühe scheuend, diese Probe doch nicht wie ein lästiges Ge
schäft, sondern voller Lust und Liebe behandelte, so hin
gen die Mitglieder seiner beiden Chorvereine mit unbedingter
Folgsamkeit und einer fast zärtlichen Zuneigung an ihm.
Durch die Leitung dieser Vereine hatte sich
werthvolle, unter uns älteren Oesterreichern nicht allzu häufige
Eigenschaft ausgebildet: die Gabe, ohne Vorbereitung öffent
lich zu reden. Bei Feierlichkeiten, Festliedertafeln, auf Kunst
reisen mit dem Männergesang-Verein verstand er es, nicht
blos musikalisch, sondern auch rhetorisch sich als das Haupt
einer angesehenen Genossenschaft geltend zu machen.
Wie dem Musiker in den Proben, so imponirte
dem Publicum am meisten in der Beherrschung großer
Massen, wie z. B. in jenem Monstre-Concerte in der Winter-
Reitschule (
wirkten. Wie wußte er diese Armee zu überschauen, zu
sammenzuhalten, den Tactstock bald hoch aufschwingend wie
den Säbel eines Reitergenerals, bald ihn, gleich einem
Wurfspieß, gegen die stärksten Accente schleudernd! Jeder
einzelne Musiker glaubte, daß ihn ansehe, und
fühlte sich zugleich geborgen und angefeuert. Als Dirigent
großer Massen übte er eine geradezu demagogische Wirkung.
Das läßt sich weder nachahmen noch aneignen; das Diri
genten-Genie ist eine angeborene Gabe. Gehör, Gedächtniß,
Ausdauer, Kenntnisse und Erfahrung — sie reichen nicht hin,
trägt sie nicht wie bei Per
sönlichkeit. Mitunter ließ sich
einen gewissen Effect machten, einen größeren Effect jeden
falls, als sie unter einem andern Dirigenten erzielt hätten.
Es liefen aus seiner Persönlichkeit elektrische Drähte nach
allen Richtungen, ins Publicum wie ins Orchester.
Vom Chor stieg
Concerten. Die Brücke baute er sich im Männergesang-
Verein, dessen Concertprogramme er durch große Tonwerke
mit Orchesterbegleitung rühmlich erweiterte. Gestützt auf diese Er
folge, vertraute die Gesellschaft der Musikfreunde, anfangs unter
starkem Erzittern verschiedener Zöpfe in der Direction,
beck
ber
Director“ fungirte, datirt eine neue Aera dieses altehrwür
digen Instituts, eine Wiedergeburt unseres Concertwesens.
Nicht ohne harten Kampf setzte
Neuen durch, neben dem guten und gegen das schlechte
Alte. Durch ihn hörten wir zum erstenmale
„ Brahms’ „
Nachdem
positionen Beifall errungen hatte, trat er als Componist in
großem Style
Hauptnummer eine
beck
heute nicht jene bewundernde Anerkennung finden, welche ihm
von anderen Kritikern gespendet wurde. Combinations-Talent
und geistreiche Behandlung des Technischen, namentlich der
Instrumentirung, überwiegen in
weit die Originalität und die schöpferische Kraft. Wir em
pfangen davon nicht sowol den Eindruck organischen Wer
dens und Lebens, sondern den einer sehr geschickten, mosaik
artigen Zusammenfügung. Weder kleinlich noch spielend, haben
diese Werke einen Zug von Größe, von Energie — war ja
der spätere
des Wollens, oft des krampfhaft aufgestachelten Wollens,
nicht des musikalischen Vollbringens.
Um jene Zeit lagen vereinigt in
Gesellschafts-Concerte, der Männergesang-Verein, der Sing
verein und die Hofcapelle. Letztere verdankt ihm gleichfalls
ihre künstlerische Wiedergeburt aus einem Zustand musika
lischer Entkräftung und Bequemlichkeit. Wie großer Arbeit
und Anstrengung bedurfte es, um solche Resultate zu errei
chen!
erhoben. Glücklicherweise fand sein Talent und seine Arbeits
kraft rasche und ausgezeichnete Anerkennung. Die Ernennung
des jungen Mannes zum ersten k. k. Hof-Capellmeister,
welche
ein unerhörter, alle Traditionen niederwerfender Vorgang.
Trotzdem wagte es höchstens der Neid, über eine Beförderung
zu murren, durch welche der Tüchtigste auf dem ihm gebüh
renden Platz angekommen war. Der gesetzlichen Vorschrift,
welche das Amt eines Hof-Capellmeisters nur einem durch
eigene Kirchen-Compositionen bekannten Musiker vorbehält,
entsprach
wir seine bedeutendste, gediegenste Arbeit nennen möchten. An
diesem großen, Kirche und Concertsaal, Chor- und Orchester
musik umfassenden Wirkungskreise, der seinen Neigungen und
Fähigkeiten wie kein zweiter entsprach, ließ sich
nicht genügen; er gab ihn auf, um Director des Hofopern
theaters zu werden. Nebst der Sorge für eine gesichertere Zukunft
seiner Familie war wol Ehrgeiz die entscheidende Triebfeder.
Sein künstlerisches Interesse an der Oper, am Theater über
haupt war stets ein sehr geringes gewesen. Man sah
früher nur selten in der Oper, und nach seiner Demission
ging er gar nicht mehr hin, nicht einmal in eine Aufführung
der „
oper. Aber erstaunlich schnell hatte er sich in den complicir
ten Theater-Mechanismus einstudirt und handhabte denselben
bald mit der Sicherheit eines alten Praktikers.
eben, ganz abgesehen von seinem musikalischen Talent, ein
ungemein begabter Mensch, von schneller Auffassungs- und
Assimilirungskraft. Ein heller Kopf, eine geschickte Hand und
ein zäher Wille arbeiteten bei ihm mit außerordentlicher
Energie und Gleichmäßigkeit zusammen. Bald hielt und lenkte
er mit sicherer Faust die Zügel der Oper, dabei nur den
Eifer übertreibend, mit dem er Alles selbst und Alles allein
machen wollte. Die Freunde gratulirten
neuen Würde nicht ohne innerliche Besorgniß. Das „Außer
ordentliche Concert“, mit dem sich
als Dirigent beim Publicum verabschiedete, hatte trotz aller
lärmenden Ovationen etwas Drückendes, Leichenschmausarti
ges. „Wird
Befriedigung und für die Hebung unseres Kunstlebens auch nur
annäherungsweise leisten können, was er im Concertsaale
geleistet hat? Einem sicheren großen Verluste sehen wir hier einen
unsicheren und minder wichtigen Gewinn gegenüber.“ So
schrieben wir nach jenem Abschiedsconcerte und hatten richtig
prophezeit. Nicht als ob wir das viele Gute unterschätzten,
das
geleistet hat. Wir verdanken ihm die Aufführung hervor
ragender Novitäten („
spenstige
belebung mancher classischen Oper, außerdem die Ausarbei
tung des Pensionsstatuts, eines neuen Theatergesetzes (das
unter Anderm den wieder eingerissenen Unfug des Hervor
rufes bei offener Scene abstellte) und manche andere Reform.
Man kann im Großen und Ganzen nicht behaupten, daß
unter
als Unterhaltungsanstalt vielleicht, als Kunst-Institut gewiß
nicht. Wol die meisten Unterlassungssünden
nicht ihm, sondern der General-Intendanz zur Last, die ihn
mit kleinlicher Strenge überall bevormundete. Wie viele
„unterthänige Berichte“ an die General-Intendanz hat mir
führung einer neuen Oper, zum Abschlusse eines Engage
ments oder eines Gastspiels bittet — ausführliche, wohl
begründete Memoires, welche mit einem einfachen „Nein“
erledigt oder auch gar nicht erledigt wurden. So oft
ich aber zu seiner eigenen Rechtfertigung dergleichen öffentlich
besprechen wollte, hat er mich flehentlich, es zu unterlassen
und nur ja nicht seine vorgesetzte Behörde anzugreifen.
war da von einer rührenden Beamtentreue, aber der Beamte
in ihm begann den Künstler zu überwuchern. Oft suchte ich
ihm das Unhaltbare, ja Unwürdige seiner Stellung unter
solcher Vormundschaft vorzuhalten, er glaubte immer, es
würde sich das Verhältniß noch bessern, und trug still dul
dend seine Last weiter. Mit Hoftheater-Directoren ist es aber
wie mit Ministern: am besten regieren diejenigen, welche
jeden Augenblick bereit stehen, ihr Portefeuille niederzulegen.
liche Meinung feierte zwar den unverhofften Triumph, daß
die General-Intendanz aufgehoben, somit
frei wurde — aber wenige Wochen später empfing er selbst,
der Hofopern-Director im „Reiche der Unwahrscheinlichkeit“,
seine Demission. Zum Bedauern aller seiner Künstler, der
dürftigen insbesondere, für die er wie ein Vater gesorgt hatte,
schied
Andere gern mit der Versicherung, froh zu sein ob dieses
Wechsels, der ihm nun wieder Muße zum Componiren und
die Rückkehr zu seiner geliebten Concertmusik gestatte. In
Wahrheit hat er seine Enthebung von der Hofopern-Direction
nie verschmerzt, wenn er auch zu stolz war, es einzugestehen.
Mit dieser nagenden Bitterniß im Herzen trat nun
Seine Kunstbegeisterung, seine aufopfernde Pflichttreue, ja
seine Energie waren die alten geblieben, nur schien mir diese
Energie zuletzt einen Anflug von wunder Heftigkeit anzuneh
men, die auf gesteigerte krankhafte Reizbarkeit hindeutete. Er
hatte die freudige Genugthuung, jedesmal mit Jubel begrüßt
zu werden und zuletzt noch mit den herrlichen Aufführungen
von
Triumphe zu feiern. Als Componist sahen wir ihn zuletzt
einen neuen, feinem Talent gemäßeren Weg einschlagen:
während seine früheren Tondichtungen in großen Dimensio
nen und leidenschaftlichem Pathos sich bewegten, großentheils
an den späteren
nunmehr die gemüthvolle, einfachere Melodik
zum Vorbild. So in den Compositionen „
„
Die feinsten Instrumental-Effecte putzen darin den nicht eben
bedeutenden Gedankengehalt so zierlich auf, daß der Total-
Eindruck ein gefälliger und freundlicher bleibt.
Silberstein) findet sich in