Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4738. Wien, Samstag, den 3. November 1877 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Sanz-Lázaro, Fernando Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2026

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Nr. 4738. Wien, Samstag, den 3. November 1877 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 03.11.1877
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Zur Erinnerung an Herbeck.

Ed. H. Bei der Nachricht von Herbeck’s Tode war uns zu Muthe, als habe der Puls unseres Musiklebens plötzlich zu schlagen aufgehört und stehe still. Herbeck war die be wegende Kraft, das Perpetuum mobile des Wiener Musik lebens durch zwanzig Jahre. Kaum ein einziger Zweig dieses vielgliederigen Kunstorganismus, der ihm nicht tief verpflichtet wäre. Die Gesellschaft der Musikfreunde, der Männergesang- Verein, der Singverein, die Hofcapelle — sie stehen als Waisen an seinem Grabe, denn ihm verdanken sie, wenn nicht das Leben selbst, so doch ein neues Leben. Herbeck war überall; darum fragen wir uns noch immer zweifelnd, ob wir ihm wirklich nirgends mehr begegnen sollen? Noch heute grüßt uns von allen Straßenecken sein Name, auf den An schlagzetteln des ersten Gesellschafts-Concerts; der Tod war schneller bei der Hand, als die sonst so flinken Abreißer ver fallener Anschlagzettel. Zum letztenmale sprach ich Herbeck am Sonntag vor seinem Tode. Er schilderte mit froher Be friedigung die gelungene Aufführung der Schubert’schen Es- dur-Messe, die er soeben in der Hofcapelle dirigirt hatte, erzählte von seinen Plänen für den Winter und ver sprach, in wenigen Tagen mir die Partitur seiner neuen Symphonie zu bringen. Zum erstenmale in seinem Leben hat er mir nicht Wort gehalten: er kam nicht und wird uns Allen nicht wiederkommen. Wie innig ganz Wien an ihm hing, wie sehr Herbeck nicht blos als Künstler hochgeehrt, sondern als herzvoller Mensch, als treuer Freund geliebt war, das hat seine Leichenfeier be wiesen. Bei solchen Anlässen neckt uns immer der traurige müßige Gedanke: Warum kann der Verstorbene, der für Ehren- und Liebeszeichen so Empfängliche, nicht einen Augen blick lang sehen und hören, wie man ihn feiert und betrauert!

Ich lernte Herbeck vor zwanzig Jahren in einer Soirée bei Vesque v. Püttlingen kennen, wo er mit gewohnter Ge

fälligkeit die Tenorpartie in einigen Vocalquartetten sang. Das geniale, offene Gesicht, das feurige Auge des jungen Mannes sprachen mich sofort sympathisch an. Es war eine Freude, ihn anzusehen; denn nie ließ er sich anmerken, daß er — damals und lange nachher noch — mit schweren Sorgen kämpfte. Es entspann sich bald zwischen uns ein freundschaftliches Verhältniß, während dessen langer Dauer Herbeck sich immer gleich treu, theilnahmsvoll und liebens würdig mir erwiesen hat. Selbst wenn ich ihn an seiner ver wundbarsten Seite verletzt hatte, durch eine, wie er glaubte, unverdient strenge Beurtheilung seiner Compositionen, gestand er mir zwar offen seinen Schmerz darüber, war aber sofort wieder der Alte und ließ nicht die leiseste Erkältung in unserem freundschaftlichen Verkehr aufkommen. Ich hebe diesen Charakterzug hervor, weil er sehr selten und an einem ehrgeizigen Künstler doppelt hoch zu schätzen ist.

Vor die Oeffentlichkeit trat Herbeck bekanntlich zuerst als Chormeister des Männergesang-Vereins, sodann des Singvereins. Vordem hatte er, der ehemalige Sängerknabe des Stiftes Heiligenkreuz, die bescheidene Stelle eines Chor- Regenten in der Piaristenkirche bekleidet. Diese Vorschule war nicht bedeutungslos für sein späteres Wirken. Die strenge Zucht geistlicher Musik, in der Herbeck aufgewachsen war, gab ihm, dem im Kampf mit dem Leben früh Gereiften, auch als Künstler jenen festen Halt und Ernst, ohne den wir einen Dirigenten großer classischer Musik uns nicht denken können. In der Leitung der Gesellschafts-Concerte, die vor Herbeck gerade an dem Mangel solchen Ernstes, an schwankem flitter haften Virtuosengeist gekrankt hatten, machte sich dieser Unter schied sofort bemerkbar. Daß Herbeck selbst Sänger war, gedieh ihm und den ihm anvertrauten Chor-Instituten zu großem Vortheil: er kannte alle Geheimnisse des Gesangs vortrags, schrieb immer sangbar und wirksam für die Stim men. Seine Chor-Aufführungen waren vielleicht das Beste, was er als Dirigent geleistet hat. Er besaß einen feinen, ausgebildeten Sinn für Klangschönheit und für rhythmische Belebung des Vortrags. Die einfachsten Chorlieder erziel

ten durch ihn eine zauberische Wirkung. Wer könnte die von Herbeck für den Singverein arrangirte Allerseelen-Litanei von Schubert je vergessen oder seine „Kärntnerischen Volksliederfür fünfstimmigen Männerchor! Ein Strom von mil dem Wohllaut ergoß sich aus diesen Chören. Auch als Componist scheint mir Herbeck seine glücklichsten Einge bungen dem Singverein und dem Männergesang-Verein zu verdanken; seine schlicht anspruchslos auftretenden Chöre Wohin mit der Freud’?“ „Mailied“, dann der „Lands knecht“ und „Marschiren“ fanden größere Verbreitung und dürften sich vielleicht länger behaupten, als seine großen Orchesterwerke. Herbeck’s eminentes Dirigenten-Talent erkannte man am deutlichsten bei den Proben. Wie er da irgend einen neuen Chor aus der ersten rohen Correctheit zu immer be seelterem Ausdruck herauszuarbeiten verstand, bis das Ganze in feinsten Schattirungen und einheitlicher Rundung glänzte, das muß man selbst mit angesehen haben. Da Herbeck, keine Mühe scheuend, diese Probe doch nicht wie ein lästiges Ge schäft, sondern voller Lust und Liebe behandelte, so hin gen die Mitglieder seiner beiden Chorvereine mit unbedingter Folgsamkeit und einer fast zärtlichen Zuneigung an ihm. Durch die Leitung dieser Vereine hatte sich Herbeck auch eine werthvolle, unter uns älteren Oesterreichern nicht allzu häufige Eigenschaft ausgebildet: die Gabe, ohne Vorbereitung öffent lich zu reden. Bei Feierlichkeiten, Festliedertafeln, auf Kunst reisen mit dem Männergesang-Verein verstand er es, nicht blos musikalisch, sondern auch rhetorisch sich als das Haupt einer angesehenen Genossenschaft geltend zu machen.

Wie dem Musiker in den Proben, so imponirte Herbeck dem Publicum am meisten in der Beherrschung großer Massen, wie z. B. in jenem Monstre-Concerte in der Winter- Reitschule (1866), worin über 1600 Musiker zusammen wirkten. Wie wußte er diese Armee zu überschauen, zu sammenzuhalten, den Tactstock bald hoch aufschwingend wie den Säbel eines Reitergenerals, bald ihn, gleich einem Wurfspieß, gegen die stärksten Accente schleudernd! Jeder einzelne Musiker glaubte, daß Herbeckihn ansehe, und

fühlte sich zugleich geborgen und angefeuert. Als Dirigent großer Massen übte er eine geradezu demagogische Wirkung. Das läßt sich weder nachahmen noch aneignen; das Diri genten-Genie ist eine angeborene Gabe. Gehör, Gedächtniß, Ausdauer, Kenntnisse und Erfahrung — sie reichen nicht hin, trägt sie nicht wie bei Herbeck die große Mitgift: Per sönlichkeit. Mitunter ließ sich Herbeck in seinem Feuer fortreißen zu unschöner, häufig auch unnöthiger Gewaltsam keit des Tactirens; wir sahen ihn eine Haydn’sche Sym phonie mit demselben energischen Aufwande dirigiren, wie den Schlußchor der Neunten, eine singende Patrouille com mandiren, als wär’s ein stürmendes Reiter-Regiment. Dem enthusiastischen und stets nach Enthusiasmus dürstenden Naturell Herbeck’s fiel es schwer, hierin das rechte Maß zu halten, selbst wenn er nachträglich den Uebergriff einsah. Auch einen andern Vorwurf: daß er zu sehr auf den Effect hinarbeite, mußte er, mitunter nicht ganz ohne Grund, ver nehmen. Das Streben, aus jedem aufzuführenden Tonstücke die größtmögliche Wirkung zu ziehen, ist an sich ein Vorzug; er wird zum Fehler erst dann, wenn Wirkung um jeden Preis oder eine solche Wirkung gesucht wird, die in der Composi tion selbst nicht liegt, nicht liegen soll. Diese Tendenz nach Effect steckte, als Vorzug und als Fehler, tief in Herbeck’s Wesen, das mit aller Energie auf die Außenwelt gespannt war. Herbeck gehörte nicht in die Classe jener Künstler, die in innerem Schauen und Versenken leben, ihre Kraft aus dem geheimnisvollen, langsamen Reifen von Ideen und Empfindungen ziehen. Er zählte im Gegentheile zu jenen herrischen Charakteren, deren Signatur mehr der Wille als der Intellect ist, die überall rasch und muthig hervortretend handeln und kämpfen müssen. Diese Richtung mochte ihre Gefahren haben — mehr noch für den schaffenden als für den dirigirenden Tonkünstler — aber wir verdanken ihr ohne Frage die hinreißende Wirkung von Herbeck’s besten Aufführungen und sogar die fast räthselhafte Erfahrung, daß unter Herbeck’s Leitung selbst geringere Compositionen und nicht ganz fehlerfreie Aufführungen auf das Publicum

einen gewissen Effect machten, einen größeren Effect jeden falls, als sie unter einem andern Dirigenten erzielt hätten. Es liefen aus seiner Persönlichkeit elektrische Drähte nach allen Richtungen, ins Publicum wie ins Orchester.

Vom Chor stieg Herbeck auf zu den großen Orchester- Concerten. Die Brücke baute er sich im Männergesang- Verein, dessen Concertprogramme er durch große Tonwerke mit Orchesterbegleitung rühmlich erweiterte. Gestützt auf diese Er folge, vertraute die Gesellschaft der Musikfreunde, anfangs unter starkem Erzittern verschiedener Zöpfe in der Direction, Her beck die Leitung der Gesellschafts-Concerte. Vom 6. Novem ber 1859, wo Herbeck zum erstenmale als „artistischer Director“ fungirte, datirt eine neue Aera dieses altehrwür digen Instituts, eine Wiedergeburt unseres Concertwesens. Nicht ohne harten Kampf setzte Herbeck das Recht des guten Neuen durch, neben dem guten und gegen das schlechte Alte. Durch ihn hörten wir zum erstenmale Schumann’s Manfred“ und „Faust“-Musik, BrahmsDeutsches Requiem“ (erste Hälfte) und so viel anderes Neue von Be deutung. Durch ihn wurde unser Franz Schubert neu belebt, zum Theil neu entdeckt. Ein rastloser, feiner Spürsinn ließ ihn vergrabene, längst verloren geglaubte Schätze auffinden: die Cantate „Lazarus“, den „Häuslichen Krieg“, die H-moll- Symphonie und zahlreiche Gesangsstücke von Schubert. Dieses Decennium, 1859 bis 1870, bezeichnet die Blüthezeit von Herbeck’s Wirken und zugleich den größten Aufschwung des Wiener Concertwesens.

Nachdem Herbeck bereits mit einigen kleinen Chor-Com positionen Beifall errungen hatte, trat er als Componist in großem Style 1866 in einem eigenen Concert hervor, dessen Hauptnummer eine Symphonie in C-dur bildete. Für Her beck’s schöpferisches Talent konnte ich damals und kann ich noch heute nicht jene bewundernde Anerkennung finden, welche ihm von anderen Kritikern gespendet wurde. Combinations-Talent und geistreiche Behandlung des Technischen, namentlich der Instrumentirung, überwiegen in Herbeck’s Compositionen weit die Originalität und die schöpferische Kraft. Wir em

pfangen davon nicht sowol den Eindruck organischen Wer dens und Lebens, sondern den einer sehr geschickten, mosaik artigen Zusammenfügung. Weder kleinlich noch spielend, haben diese Werke einen Zug von Größe, von Energie — war ja der spätere Beethoven ihr Vorbild — aber es ist eine Energie des Wollens, oft des krampfhaft aufgestachelten Wollens, nicht des musikalischen Vollbringens.

Um jene Zeit lagen vereinigt in Herbeck’s Hand die Gesellschafts-Concerte, der Männergesang-Verein, der Sing verein und die Hofcapelle. Letztere verdankt ihm gleichfalls ihre künstlerische Wiedergeburt aus einem Zustand musika lischer Entkräftung und Bequemlichkeit. Wie großer Arbeit und Anstrengung bedurfte es, um solche Resultate zu errei chen! Herbeck hatte sich aus sich selbst herausgefunden und erhoben. Glücklicherweise fand sein Talent und seine Arbeits kraft rasche und ausgezeichnete Anerkennung. Die Ernennung des jungen Mannes zum ersten k. k. Hof-Capellmeister, welche 1866 wie aus den Wolken fiel, war in Oesterreich ein unerhörter, alle Traditionen niederwerfender Vorgang. Trotzdem wagte es höchstens der Neid, über eine Beförderung zu murren, durch welche der Tüchtigste auf dem ihm gebüh renden Platz angekommen war. Der gesetzlichen Vorschrift, welche das Amt eines Hof-Capellmeisters nur einem durch eigene Kirchen-Compositionen bekannten Musiker vorbehält, entsprach Herbeck glänzend durch seine „Große Messe“, die wir seine bedeutendste, gediegenste Arbeit nennen möchten. An diesem großen, Kirche und Concertsaal, Chor- und Orchester musik umfassenden Wirkungskreise, der seinen Neigungen und Fähigkeiten wie kein zweiter entsprach, ließ sich Herbeck leider nicht genügen; er gab ihn auf, um Director des Hofopern theaters zu werden. Nebst der Sorge für eine gesichertere Zukunft seiner Familie war wol Ehrgeiz die entscheidende Triebfeder. Sein künstlerisches Interesse an der Oper, am Theater über haupt war stets ein sehr geringes gewesen. Man sah Herbeck früher nur selten in der Oper, und nach seiner Demission ging er gar nicht mehr hin, nicht einmal in eine Aufführung der „Walküre“. Theatralisch unerfahren kam er an die Hof

oper. Aber erstaunlich schnell hatte er sich in den complicir ten Theater-Mechanismus einstudirt und handhabte denselben bald mit der Sicherheit eines alten Praktikers. Herbeck war eben, ganz abgesehen von seinem musikalischen Talent, ein ungemein begabter Mensch, von schneller Auffassungs- und Assimilirungskraft. Ein heller Kopf, eine geschickte Hand und ein zäher Wille arbeiteten bei ihm mit außerordentlicher Energie und Gleichmäßigkeit zusammen. Bald hielt und lenkte er mit sicherer Faust die Zügel der Oper, dabei nur den Eifer übertreibend, mit dem er Alles selbst und Alles allein machen wollte. Die Freunde gratulirten Herbeck zu seiner neuen Würde nicht ohne innerliche Besorgniß. Das „Außer ordentliche Concert“, mit dem sich Herbeck im Mai 1870 als Dirigent beim Publicum verabschiedete, hatte trotz aller lärmenden Ovationen etwas Drückendes, Leichenschmausarti ges. „Wird Herbeck als Operndirector für seine künstlerische Befriedigung und für die Hebung unseres Kunstlebens auch nur annäherungsweise leisten können, was er im Concertsaale geleistet hat? Einem sicheren großen Verluste sehen wir hier einen unsicheren und minder wichtigen Gewinn gegenüber.“ So schrieben wir nach jenem Abschiedsconcerte und hatten richtig prophezeit. Nicht als ob wir das viele Gute unterschätzten, das Herbeck während seiner fünfjährigen Opern-Direction geleistet hat. Wir verdanken ihm die Aufführung hervor ragender Novitäten („Genovefa“, „Die bezähmte Wider spenstige“, „Aïda“, „Die Königin von Saba“); die Wieder belebung mancher classischen Oper, außerdem die Ausarbei tung des Pensionsstatuts, eines neuen Theatergesetzes (das unter Anderm den wieder eingerissenen Unfug des Hervor rufes bei offener Scene abstellte) und manche andere Reform. Man kann im Großen und Ganzen nicht behaupten, daß unter Herbeck’s Nachfolger die Oper besser geworden sei — als Unterhaltungsanstalt vielleicht, als Kunst-Institut gewiß nicht. Wol die meisten Unterlassungssünden Herbeck’s fallen nicht ihm, sondern der General-Intendanz zur Last, die ihn mit kleinlicher Strenge überall bevormundete. Wie viele „unterthänige Berichte“ an die General-Intendanz hat mir

Herbeck vorgelesen, worin er um die Bewilligung zur Auf führung einer neuen Oper, zum Abschlusse eines Engage ments oder eines Gastspiels bittet — ausführliche, wohl begründete Memoires, welche mit einem einfachen „Nein“ erledigt oder auch gar nicht erledigt wurden. So oft ich aber zu seiner eigenen Rechtfertigung dergleichen öffentlich besprechen wollte, hat er mich flehentlich, es zu unterlassen und nur ja nicht seine vorgesetzte Behörde anzugreifen. Herbeck war da von einer rührenden Beamtentreue, aber der Beamte in ihm begann den Künstler zu überwuchern. Oft suchte ich ihm das Unhaltbare, ja Unwürdige seiner Stellung unter solcher Vormundschaft vorzuhalten, er glaubte immer, es würde sich das Verhältniß noch bessern, und trug still dul dend seine Last weiter. Mit Hoftheater-Directoren ist es aber wie mit Ministern: am besten regieren diejenigen, welche jeden Augenblick bereit stehen, ihr Portefeuille niederzulegen. Herbeck klammerte sich zu lange an das seinige. Die öffent liche Meinung feierte zwar den unverhofften Triumph, daß die General-Intendanz aufgehoben, somit Herbeck künstlerisch frei wurde — aber wenige Wochen später empfing er selbst, der Hofopern-Director im „Reiche der Unwahrscheinlichkeit“, seine Demission. Zum Bedauern aller seiner Künstler, der dürftigen insbesondere, für die er wie ein Vater gesorgt hatte, schied Herbeck von der Oper. Er selbst täuschte sich und Andere gern mit der Versicherung, froh zu sein ob dieses Wechsels, der ihm nun wieder Muße zum Componiren und die Rückkehr zu seiner geliebten Concertmusik gestatte. In Wahrheit hat er seine Enthebung von der Hofopern-Direction nie verschmerzt, wenn er auch zu stolz war, es einzugestehen. Mit dieser nagenden Bitterniß im Herzen trat nun Herbeck 1875 wieder an das Dirigentenpult der Gesellschafts-Concerte. Seine Kunstbegeisterung, seine aufopfernde Pflichttreue, ja seine Energie waren die alten geblieben, nur schien mir diese Energie zuletzt einen Anflug von wunder Heftigkeit anzuneh men, die auf gesteigerte krankhafte Reizbarkeit hindeutete. Er hatte die freudige Genugthuung, jedesmal mit Jubel begrüßt zu werden und zuletzt noch mit den herrlichen Aufführungen

von Haydn’s „Schöpfung“ und von Mozart’s „RequiemTriumphe zu feiern. Als Componist sahen wir ihn zuletzt einen neuen, feinem Talent gemäßeren Weg einschlagen: während seine früheren Tondichtungen in großen Dimensio nen und leidenschaftlichem Pathos sich bewegten, großentheils an den späteren Beethoven sich anlehnend, nahm sich Herbeck nunmehr die gemüthvolle, einfachere Melodik Schubert’s zum Vorbild. So in den Compositionen „Tanzmomente“, Orchester-Variationen“, „Künstlerfahrt“, „Lied und Reigen“. Die feinsten Instrumental-Effecte putzen darin den nicht eben bedeutenden Gedankengehalt so zierlich auf, daß der Total- Eindruck ein gefälliger und freundlicher bleibt. Herbeck’s letztes Lied (auf einen sinnigen Text von August Silberstein) findet sich in Vogl’s Volkskalender für 1878. Seine letzte größere Composition, zugleich, wie es heißt, seine be deutendste, eine Symphonie mit obligater Orgel, wollte Herbeck im nächsten Philharmonie-Concert selbst dirigiren. Leider sollte er diese Freude nicht mehr erleben. Jeder Nach folger, und wäre er der beste Musiker, wird einen ungleichen Kampf mit der Erinnerung an Herbeck zu bestehen haben. Es könnte die Seele Herbeck’s in diesen Nachfolger über gewandert sein, man würde doch seine Aufführungen matter und kühler finden. Er müßte auch Herbeck’s Körper anneh men können, seinen malerischen Kopf, sein feuriges Auge, seinen kühn ausgreifenden Arm, um dem Publicum zu ge nügen. Herbeck hat dafür gesorgt, zwanzig Jahre lang dafür gearbeitet, daß er nicht vergessen werde. So lange nicht auf den Bänken des Orchesters wie auf jenen der Zuhörer im Musikvereinssaale eine ganz neue Generation Platz nimmt, so lange wird man in jedem Concerte mit Schmerz und Liebe Herbeck’s gedenken. Er war der lodernde Feuergeist des Wiener Musiklebens, der sich allzu früh in der eigenen Gluth verzehrte. Auf seinen Denkstein aber dürfen wir die Worte des Dichters setzen:

Was vergangen, kehrt nicht wieder: Aber ging es leuchtend nieder, Leuchtet’s kange noch zurück.