Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 4762. Wien, Dienstag, den 27. November 1877 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Sanz-Lázaro, Fernando Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2026

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Nr. 4762. Wien, Dienstag, den 27. November 1877 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 27.11.1877
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Concerte.

Ed. H. Panier und Kennzeichen unserer Concertsaison ist noch immer die lebendige Erinnerung an Herbeck. Bis zur Stunde erschien jede große Musikaufführung zugleich als eine Gedächtnißfeier für den geliebten Todten. Wie der große Cid, als Leiche aufs Pferd gesetzt, noch eine Schlacht ge wann, so zieht jetzt Herbeck’s Schatten als Held und Sieger vor seinen treuen Schaaren. Sein Geist wandelte den Con certsaal zur Kirche, als die Notabeln der Wiener Tonkunst daselbst Mozart’s Requiem für Herbeck, den braven, von Allen betrauerten Menschen anstimmten. Die Pro gramme der „Gesellschaftsconcerte“ sind noch von Herbeck’s Hand — in ihnen waltet er übers Grab hinaus als „artistischer Director“; in der Arie aus „Graf von Gleichen“ erstand er uns als Entdecker und geistvoller Bearbeiter Schubert’scher Reliquien; die Philharmoniker feierten mit seinem letzten Orchesterwerke Herbeck den Tondichter, und was wir an Herbeck dem Dirigenten verloren haben, das klagte uns die jüngste Aufführung von Beethoven’s Chor-Symphonie.

Die im zweiten Philharmonischen Concert aufgeführte D-moll-Symphonie von Herbeck ist seine letzte Composition und in Bezug auf Gediegenheit und Concen tration der musikalischen Arbeit eine seiner hervorragendsten. Zunächst frappirt sie durch eine bis heute unerhörte Neue rung: die Mitwirkung der Orgel. Die Orgelstimme ist darin obligat und bestimmt von Haus aus den Charakter des ganzen Werkes. Den ersten Gedanken dazu gab augenscheinlich die große Orgel im Musikvereinssaal; einmal gefaßt, mußte er über Herbeck, den Freund neuer auserlesener Instrumental-Effecte, eine verführerische Gewalt gewinnen. Hatte doch Herbeck in seiner ersten Symphonie (C-dur) die Harfe in ähnlicher Weise alle vier Sätze hindurch obligat verwendet, nicht wie Berlioz im Dienste eines bestimmten poetischen Pro gramms, sondern um ihrer blendenden Klangeffecte willen. Zunächst lockte ihn, dort die Harfe, hier die Orgel, als eine

Quelle neuer, im Symphoniestyl noch unberührter Klang wirkungen. Beide Instrumente führen unerbittlich auf nicht symphoniegemäße Seitenwege: die Harfe zur Oper hin, die Orgel zur Kirche. Eine Harfen-Symphonie wird einiger maßen Meyerbeerisch, eine Orgel-Symphonie Bachisch klingen. Von diesen beiden fremdartigen Gästen ist Letzterer jedenfalls der vornehmere und mächtigere; die Orgel zwingt schon durch ihren bloßen Klang jeder Tondichtung einen tief ernsten, religiösen Charakter auf. Die großartige, mit nichts zu vergleichende Wirkung der Orgel als Füllstimme in Ora torien hatte Herbeck im Musikvereinssaal oft erfahren; ihre Verwendung für die Symphonie war eine naheliegende und doch neue, blendende Idee. Aber eine glückliche, wie mich dünkt, ist sie nicht. Als obligates Orchester-Instrument reißt die Orgel sofort die Herrschaft an sich, und diese Herrschaft ist für die Dauer einer viersätzigen Symphonie nur schwer zu tragen. Ihr mächtiges Brausen verschlingt wie eine gierige Flamme die übrigen Instrumente. Neben diesem akustischen Despotis mus übt die „Königin der Instrumente“ auch einen ästheti schen: ihr kirchlicher Charakter duldet keine Säcularisirung, er verbietet die reizende Beweglichkeit, den Wechsel der Stim mungen, das dramatische Leben, das wir von der modernen Symphonie verlangen. Der contrastirende Charakter der vier Sätze, das unbestrittenste Kunstgesetz in der Symphonie, wird durch die Orgel auf ein Minimum nivellirt. Herbeck hat diesen Uebelstand empfunden und läßt deßhalb im Scherzo die Orgel pausiren. Aber dadurch fällt wieder das Scherzo merklich aus dem Styl des Ganzen. Vielleicht hätte der Componist besser gethan, dieses Scherzo (den wenigst gelun genen von allen vier Sätzen) ganz wegzulassen und zu der alten Form der dreisätzigen Symphonie zurückzukehren. Prä ludium, Andante und Finale hätten ein viel einheitlicheres Ganzes gebildet und ein weniger ermüdendes. Wenn Berlioz seine „Symphonie fantastique“ in fünf Sätzen aufbaute, statt in den gebräuchlichen vier, warum sollte ein anderer Sohn der Neuzeit nicht auch einmal die Dreizahl wagen?

Der erste Satz der Symphonie, „Präludium“ über schrieben (Andante maestoso, Dreiviertel, D-moll), imponirt

durch einen Zug von Größe und Strenge das ganze Stück hindurch, dessen gleichmäßiger, im Rhythmus von drei Viertel noten einherschreitender Gang zum Schlusse auf einem effect voll aufgesparten langen Paukenwirbel zum majestätischen Sturm anwächst. Dieser Satz, in welchem die Orgel, in den tiefsten Bässen des Pedals erdröhnend, auf den Hörer mit der Gewalt einer ungeahnten Naturkraft einwirkt, scheint mir der wirksamste und zugleich charaktervollste; er würde sich zur Einzel-Aufführung in Concerten empfehlen. Das Andante (F-dur, vier Viertel), dessen sanfte, choralmäßige Melodie vom Streichquartett allein vorgetragen wird, bis endlich, von starken Orgel-Accorden unterbrochen, ein wilder Hagel von Triolen niedergeht, ist in rein melodischer Hinsicht vielleicht der gelungenste Satz; leider wirkt er als Andante nach einem Andante schon etwas abspannend. Das Scherzo, ein Allegretto grazioso (A-dur, Zweiviertel-Tact), ohne Originalität in der Erfindung, auch gegen die übrigen Sätze etwas leichtfertigen Charakters, läßt den Hörer kalt. Das Finale (Allegro maestoso, drei Viertel, D-moll) bringt nach kurzer Einleitung eine vierstimmige Fuge von rasch bewegtem, langathmigem Thema; der stockende Achtel-Rhythmus im fünften Tacte des Führers macht den jeweiligen Eintritt des Ge führten selbst ungeübten Ohren sehr deutlich. Die Unterbre chungen des fugirten Satzes durch wilde recitativisch abgerissene Violinfiguren haben etwas Willkürliches und Unverständliches. Das Ganze schließt mit dem Aufgebot aller Tonmassen auf einen langen Orgelpunkt der Tonica. Die ganze Symphonie imponirt durch ihren Ernst, ihre tüchtige musikalische Arbeit und interessirt durch geistreiches Detail. Wie Herbeck’s frühere Compositionen erscheint mir auch diese letzte mehr ein Product der Reflexion und der technischen Meisterschaft, als einer reichen, genialen Begabung. Eine große Energie des Willens, eine heroische Anstrengung, sich auf der Höhe und über dem Niveau des Gewöhnlichen zu erhalten, spricht aus jedem Tacte. Allein die schöpferische Kraft, die Unmittelbarkeit und Originalität der Erfindung hält nicht gleichen Schritt mit dem energischen Wollen. Ungleich bedeutender als Herbeck’s zuletzt aufgeführte Compositionen: „Künstlerfahrt“ und „Lied

und Reigen“ ist die neue Symphonie ohne Frage. Es wäre unbillig, ihren Werth nach dem Erfolg zu taxiren, den sie Sonntag hier errang: als Schlußnummer eines sehr langen Concertes fand sie ein bereits abgespanntes Publicum vor, welches denn auch — alle Pietät leider beiseite setzend — sich nach dem zweiten, noch mehr nach dem dritten Satze stark lichtete. Aufgeführt wurde das Werk unter der Leitung Hanns Richter’s ganz vorzüglich und — wie kaum be merkt zu werden braucht — genau nach den Angaben Her beck’s, der die erste Probe noch selbst dirigirt hatte. Durch ihren tragischen Zusammenhang mit Herbeck’s letzten Lebenstagen ist uns die D-moll-Symphonie am be deutungsvollsten. Es war ein geheimnißvoll divinatorischer Zug, der ihn im vorigen Sommer auf seiner Sommerfrische zu Mödling antrieb, dieses symphonistische Requiem zu schrei ben. Denn den entschiedenen Eindruck eines Requiems macht das Werk gleich anfangs mit seinen im düstern Orgel klang dahinbrausenden D-moll-Accorden unwillkürlich auf jeden Hörer. Das Adagio stimmt tröstlichere Klänge an, gleichsam eine hoffnungsselige Zuversicht auf ein künftiges Leben — ein Benedictus oder Agnus Dei — aber der Finalsatz entfesselt wieder den majestätischen Donner eines „Dies irae“. Die Herbeck’sche Symphonie ist ein Requiem ohne Worte, ein Requiem, das er — vielleicht in einer flüch tigen, verschwiegenen Vorahnung des Todes — für sich selbst geschrieben. Ich wüßte außer Mozart’s Requiem kein zweites Tonwerk, aus dem uns diese Beziehung mit so überzeugen der Kraft entgegentritt, als eben diese Herbeck’sche Symphonie, sein Schwanenlied.

Das Philharmonische Concert, dessen Schlußnummer die Herbeck’sche Symphonie bildete, wurde mit Mendelssohn’s „Melusina“-Ouvertüre eröffnet, die überaus fein, aber — für meine Empfindung — zu rasch gespielt wurde. Es folgte das Fragment der H-moll-Symphonie von Schubert und Litolff’sClavier-Concert in D-moll (Nr. 4, op. 102). Ein junger polnischer Pianist aus Liszt’s Schule, Herr Zarembsky, spielte das effectvolle, stellenweise geistreiche, aber äußerliche und jedenfalls zu lange Stück mit erstaun licher Kraft und Bravour.

Das erste Gesellschafts-Concert wurde, wie bereits erwähnt, vom Herrn Hofcapellmeister Hellmes berger dirigirt. Es brachte als Haupt- und Schlußnummer Beethoven’sNeunte Symphonie. Wer sich aller früheren Aufführungen dieses Werkes in Wien erinnert, von Otto Nicolai und Karl Eckert bis auf Herbeck und Dessoff, wird zugestehen, daß es noch niemals eine so matte Wiedergabe und eine so kühle, an Verstimmung gren zende Aufnahme gefunden, wie am vorigen Sonntag. Der erste Satz (wol die genialste und kunstvollendetste Schöpfung aus Beethoven’s letzter Periode) wurde fast in Einem Stärke grad ohne feinere Schattirung abgespielt, wie auf einer Probe. Das Scherzo ging schleppend und ohne jene rhythmische Sprungkraft und Schärfe, die ihm Lebensbedingung ist. Dem Adagio fehlte der seelenvolle Ausdruck, die Tiefe — es klang Alles wie von der Oberfläche glatt abgeschöpft. Und erst das Finale! Das war ein confuses Fegen und Wischen der Bässe, ein zerstreutes Durcheinanderspielen bis zu dem Momente, wo Rokitansky’s rettende Stimme mit dem fast ironisch klingenden „O, Freunde, nicht diese Töne!“ eingriff. Sehr tapfer hielt sich das von Beethoven so lebensgefährlich expo nirte Vocal-Quartett (Wilt, Gindele, Walter, Rokitansky), desgleichen der Chor des „Singvereins“. Aber von der Lust und Liebe, die man Letzterem sonst immer angesehen und angehört, war wenig zu merken; es schien Jeder mann nur mit Ehren fertig werden zu wollen. Solchen Eindrücken gegenüber mißtraue ich gerne dem eige nen Gefühle, das ja vielleicht durch irgend welche Verstim mung beirrt sein mag. Allein der bedenkliche Mangel an Beifall, der zwischen den einzelnen Sätzen gähnte, und die kritischen Aeußerungen, die von jeder Seite des hohen Hauses fielen, bewiesen mir, daß meine Empfindung die allgemeine war. Es sei keineswegs alle Schuld auf den Dirigenten allein zu laden, am wenigsten auf einen vermeintlichen Man gel an Eifer. Es gibt Dirigenten, die mit heißem Bemühen doch das letzte, beste Resultat nicht erreichen; ihr artiger oder strenger Zuspruch bei den Proben ersetzt nicht die fehlende künstlerische Autorität, ebensowenig als alle panto mimischen Darstellungen beim Tactiren die fehlende innere

Wärme und Energie ersetzen. Solche Dirigenten pflegen nach einigen verunglückten Concert-Campagnen die Macht über Spieler und Hörer eingebüßt zu haben; man traut ihnen nicht recht, ihrem Talente wol, aber nicht ihrem Ernste, ihrer aufrichtigen, begeisterten Hingebung an die Sache, ins besondere an eine Sache wie die Neunte Symphonie. Ich verhehle es nicht: ich war voreingenommen gegen Herrn Hellmesberger als Dirigenten der Neunten Symphonie. Aber nur voreingenommen auf Grund seiner früheren Leistun gen in diesem Fache. Man erinnert sich an Hellmes berger’s Direction der Gesellschafts-Concerte in den Fünfziger- Jahren; wäre sie auch nur genügend gewesen, es hätte das talentvolle Enfant gâté des musikalischen Wien den Platz nicht haben räumen und dem noch wenig bekann ten Herbeck abtreten müssen. „Man kann ein vortrefflicher Geiger und doch ein mittelmäßiger Dirigent sein,“ schrieb damals ein einflußreicher Kritiker, und alle Welt begriff das. Schwerer schon läßt sich begreifen, wie ein „mittelmäßiger Dirigent“ nach einer Generalpause von achtzehn Jahren wie der als guter Dirigent, ja als berufenster Nachfolger Her beck’s aufwachen könne, da man ja, wie derselbe geehrte Kritiker jüngst so überzeugend aussprach, zum Dirigenten „geboren“ sein muß. In der That würde unserem seither so hoch gesteigerten Concertwesen kein Dienst damit erwiesen, wenn Herr Hellmesberger die Direction der Gesell schafts-Concerte anders als provisorisch, für die kürzeste Zeit der größten Noth, behielte. Und ihm selbst, dem stets über Aufregung, Nervosität und erdrückende Geschäftslast Klagen den, erweist man ihm einen Dienst mit dieser neuen, ge fährlichen Bürde?

Die Wendungen in Hellmesberger’s Carrière beginnen immer seltsamer zu werden. Er, der stets ein ausgezeichneter Violinist war, ist und bleiben wird, soll nun durchaus sein Instrument niederlegen, um ausschließlich Conservatoriums- Leiter und Concert-Dirigent zu sein, was er mit Auszeich nung niemals war, nicht ist und nicht sein wird. Als Prim geiger glänzte Hellmesberger als die erste Zierde und Stütze seines Orchesters. Die Gesellschaft der Musikfreunde begeht zum zweitenmale den doppelten Mißgriff, ihn dem Orchester

zu rauben und ans Dirigentenpult zu stellen. Hervorragend und gefeiert wie als Virtuose war Hellmesberger ferner als Lehrer des Violinspiels, ein Magnet für zahllose junge Geiger, die seinetwegen ans Conservatorium kamen — man enthebtHellmesberger auf seinen Wunsch dieser Professur und betraut ihn lediglich mit der obersten Leitung des Con servatoriums! Nun heißt es gar, Hellmesberger werde oder müsse oder wolle als neu ernannter Hofcapellmeister auch seine trefflichen Quartett-Productionen aufgeben und seine Thätigkeit als Solospieler in der Hofoper. Im letzten Phil harmonischen Concert sahen wir wirklich an Hellmesberger’s Violinpult bereits einen Stellvertreter sitzen. So wird ein in Wien geradezu unersetzlicher Geiger durch lauter Huldi gungen und Avancements aus seiner besten Thätigkeit hinaus gehuldigt und hinausavancirt. Ein Mann in voller jugend frischer Rüstigkeit, der mit seinem Spiel die Wiener wol so lange erfreuen könnte, wie Böhm und Mayseder! Wir ken nen und schätzen die vielen Vorzüge, welche, auch abgesehen von seinem Violinspiel, diesen trefflichen Musiker und feinen, witzigen Kopf auszeichnen; aber es muß geradeheraus gesagt sein: Was Hellmesberger seit so langer Zeit für Wien ge wesen und als einzig in seiner Art noch ist, das ist er nur durch die Geige und mit der Geige. In dieser Hinsicht könnten wir kaum etwas Neues hinzufügen zu dem, was wir schon hundertmal zu Hellmesberger’s Preise gesagt haben. Nur an den jüngsten Triumph des Violinspielers Hellmes berger möchten wir hier erinnern: an sein wundervolles Spiel in der von ihm für Orchester arrangirten Bach’sche Sonate im ersten Philharmonie-Concert. Wie enthusiastisch und einhellig brauste da der Beifall des entzückten Publi cums auf — wie kleinlaut und verzagt klangen hingegen die vereinzelten Bravos, die sich nach der Neunten Symphonie für den Dirigenten hervorwagten! Welche „Hausse“ auf den Gesichtern der Zuhörer bei jener ersten, welche „Baisse“ bei jener andern Leistung! Dergleichen spricht deutlich genug, wir möchten nur, daß diese deutliche Sprache auch gehört und beherzigt werde. Es ist gewiß ein allgemeiner Wunsch, daß Hellmesberger für seine Zaubergeige nicht einen dürren Stab eintauschen möchte, der ohne ein neues Tannhäuser- Wunder in seinen Händen doch nimmermehr grünen wird.