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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.
Ed. H. Wenn einem Sänger plötzlich die Stimme ver
sagt, dem Pianisten eine Taste stecken bleibt oder dem Violin-
Virtuosen eine Saite springt — so geschieht dies bekanntlich
fast immer in dem wichtigsten Tact, an der allerfatalsten
Stelle. Genau so pflegt es uns auch im Leben zu gehen mit
allerhand Mißgeschicken, die uns zumeist dadurch ärgern, daß
sie zu ihrem Besuche sich den allerunpassendsten Moment aus
wählen. Ein achttägiges Unwohlsein hätte ich zu anderer Zeit
mit christlicher Ergebung getragen, wo es mich etwa von acht
jugendlichen Clavier-Productionen absperren konnte; leider
besuchte mich der Unhold gerade, als im Gesellschaftsconcert
Stücke aus Schubert’s „
Im letzten Gesellschaftsconcerte haben einzelne Theile
aus der Oper „ Fierrabras“ von Franz
Singvereins durchaus nicht zur Ehre gereichen, nicht zur
Ausführung kommen. Herr Walter sang das Ständchen
Den
führung von Anton
thränenreichen Eintönigkeit bildet dieser Text für jeden Com
ponisten eine gefährliche Klippe.
des Contrastes entbehren konnte, hat aus dem Stabat mater
ein Musikstück gemacht und darin ein Muster erster Art
geschaffen. Je mehr wir uns von ihm gegen die Neuzeit ent
fernen, in welcher der Contrast in der Musik eines der ober
sten Kunstgesetze ist, desto mehr sehen wir die Componisten
in Verlegenheit einem Texte gegenüber, der an sich die Ein
förmigkeit selbst ist. Sie zerlegen den Text und suchen die
einzelnen Theile verschiedenartig zu gestalten. Je mehr sie
das erreichen, desto weniger folgen sie aber den Worten, die
doch bei einer Vocal-Composition die Hauptsache sind. Aus
diesem Dilemma ist kaum Einer glücklich herausgekommen,
so daß es scheint, als sollte man heutzutage überhaupt auf
geben, ein Stabat mater zu componiren. Am wenigsten darf
man es so sehr in die Breite gehen lassen, wie
Denn zur Composition eines Stabat gehört nicht nur tiefe
und wahre religiöse Empfindung und reiche musikalische Er
findungsgabe, sondern auch eine ganz besondere Gestaltungs
kraft, namentlich die Fähigkeit, einen langen, rhythmisch gleich
förmigen Text in die knappste musikalische Form zu fassen.
Von diesen Bedingungen erfüllt
seine Erfindungsgabe, dieses eigentliche musikalische Talent,
mit welchem er in reicherem Maße bedacht ist, als
irgend ein moderner Componist, und welches seinen
Werken so rasche Verbreitung erworben hat, ist geradezu
beneidenswerth; um so bedauernswerther ist sein Mangel
an Gestaltungskraft und an Selbstkritik. Er ist mit Leib und
Seele in seinem Werke befangen und hat nicht die Fähig
keit, sich über dasselbe zu erheben, es von einem freieren
Standpunkte zu überblicken, im Großen zu formen. Er ar
beitet das Detail aus und vergißt darüber die Hauptsache;
und weil er in ganz ausgezeichneter Weise das Orchester
zu behandeln versteht, so entfaltet er, unfähig dem Drang
seines Talentes zu widerstehen, seine Musikstücke aus dem
Orchester heraus, also durchaus instrumental. Das wird
bedenklich, wenn man einen Text zu componiren hat, dessen
metrische Gestalt ja die musikalische Erfindung leiten soll.
In
Instrumental-Motive auf die Singstimmen übertragen, gleich
viel ob sie sich zum Texte eignen oder nicht; zahlreiche
schlechte, sinnstörende Declamationen sind die Folge davon.
Die reiche, von so seltener Begabung zeugende Detailarbeit
ist es, die
Sie hält das Interesse eines aufmerksamen Zuhörers un
unterbrochen wach, aber einen künstlerischen Vollgenuß läßt
sie am Schlusse doch nicht aufkommen; denn für diesen reicht
das schönste Detail nicht aus, es ist stets nur das Ergebniß
eines wohlgeformten Ganzen. In empfindlicher Weise trat
dies beim
auf zehn langgedehnte, naturgemäß durchaus ruhig be
wegte Nummern vertheilt hat, ohne bestrebt zu sein, die
selben wenigstens in der Klangfarbe sich von einander
abheben zu lassen. Jedoch nicht nur allgemeinen musikalischen,
sondern auch ästhetischen Anforderungen genügt das Werk
nicht. Es ist in seiner ursprünglichen Anlage verfehlt, denn
es fehlt ihm die für den Ernst des Textes nothwendige
Polyphonie, und seine Melodik ist von ganz weltlicher Art.
Die Sprache, die es spricht, ist nicht die Sprache religiöser
Empfindung, sondern die sinnlicher Empfänglichkeit und Un
befangenheit; sie ist die Sprache der irdischen Liebe, nicht
der göttlichen. Das Werk ist ebensowenig ein kirchliches, wie
das
über die ganze musikalische Welt gemacht hat, so verhalfen
ihm dazu glänzende äußerliche Eigenschaften, die dem
in
der Musikfreunde bewogen zu haben, das Werk in
zur Aufführung zu bringen. Aber der Erfolg blieb bei uns
aus und konnte so weder die Wahl des Werkes noch die
sorgfältige Aufführung unter Hanns Richter lohnen, unter
dessen Leitung Orchester, Chor und Soli (Fräulein Forster,
Obiger Bericht unseres Gewährsmannes läßt nichts zu
wünschen übrig, als eine kleine Bemerkung über die unheilvolle
Zusammenstellung des Programms.
ist so lang, daß es allein eine gewöhnliche Concertdauer ganz
gut ausfüllt. Indem Herr Hanns Richter demselben vier
Von den zahlreichen eben flügge gewordenen Clavier
jünglingen ist Herr Karl Prohaska einer, der uns auf
In dem Philharmonischen Concert vom letzten Sonntag
bekamen wir die neue Goldmark zu hören. Der große Erfolg, der sie bereits
den. Der Satz schließt leise ausklingend. Auch dieses Andante
ist reich an einzelnen geistreichen Zügen und Orchester-
Effecten, entläßt uns aber schließlich unklar und unbefriedigt,
weil es eben kein organisches Ganzes ist. Man möchte es
fast einer Opernscene vergleichen, zu welcher uns der Text
fehlt. Das Scherzo, ein fliegend rascher Sechsachteltact
(E-dur), ist das Effectstück par excellence in dieser
phonie
schien auch hier durch stürmischen Beifall seine Wiederholung
erzwingen zu wollen. Ein glitzerndes, flimmerndes Bravour
stück, bei dessen Glanz uns förmlich die Augen übergehen,
ein Orchester-Feuerwerk von blendendem Effect und äußerstem
Raffinement. Aus diesem Gesichtspunkte mag man das Scherzo
bewunderungswürdig finden. Sein eigenster musikalischer
Gehalt scheint uns trotzdem nicht schwerwiegend: es sind die
wohlbekannten Elfen
in noch viel reicherem und wunderlicherem Instrumental
gewand (natürlich mit Triangel in den Händen und Sor
dinen auf dem Nacken) vor uns im Wirbeltanze kreisen.
Das langsamere Trio klingt nach der raffinirten Phan
tastik des Scherzosatzes recht spießbürgerlich: ein populärer
liedmäßiger Satz, von der Solotrompete geblasen! Spielt
die
schwermüthiges Andante, das uns flüchtig den chroma
tischen Jammer von
niß ruft, leitet rasch in das eigentliche Es-dur-Finale. Auch
dieser Zusammenhang will uns durchaus nicht klar werden.
Das Hauptmotiv des Finales — drei vom ganzen Orchester
gehämmerte Es-Viertelnoten, die ein flatterndes Band von
Geigentriolen nach sich ziehen — ist rhythmisch sehr glücklich
erfunden. Es scheint eine ähnliche lebensfrohe Stimmung,
wie der erste Satz, anzukündigen, nur gesteigerter, enthu
siastischer. Dieser energische Frohsinn überschlägt aber bald
in eine zornig verbissene Heftigkeit, die uns in dem
Maße abkühlt, als sie sich selber erhitzt. Im Ganzen ist die
Wirkung dieses wasserfallartig hinabstürzenden und weislich
kurz gehaltenen Finales eine recht kräftige, äußerlich packende.
Als Symphoniker ist
zeugend, mehr blendend als schöpferisch; auf dramatischem
Gebiet erscheint er echter und reicher. Das Philharmonische
Orchester hat unter Hanns Richter’s Leitung mit der
glänzenden Ausführung der
bereitet.
Kammersänger Walter hat in seinem zweiten Concert
Componisten ohne lebhafte Anerkennung entlassen. Gleich das
erste zartempfundene Lied von Robert Fuchs, „