Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 9458. Wien, Mittwoch, den 24. December 1890 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 9458. Wien, Mittwoch, den 24. December 1890 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 24.12.1890
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Concerte.

Ed. H. Nachdem uns auf unserer Concert-Patrouille das „Tanzmärchen“ zwischen die Beine gelaufen ist, haben wir Allerlei nachzuholen, nicht Tanzbares, noch Märchen haftes, immerhin aber musikalisch Interessantes. Das Beste zu Anfang: die treffliche Aufführung von Mendels sohn’s Oratorium „Elias“ im großen Musikvereinssaal. Director Gericke hatte das Werk fein und sorgfältig ein studirt und dürfte durch die großartige Wirkung der Chöre und den stürmischen Beifall des Publicums sich belohnt ge fühlt haben für so angestrengte Arbeit. Die wichtigste der Solopartien, den Elias, sang Herr Scheidemantel vom Dresdener Hoftheater. Sein weicher, sonorer Bariton, seine edle Vortragsweise und musterhafte Aussprache hielten in schönstem Verein die Partie durchaus auf bedeutender künstlerischer Höhe. Neben Scheidemantel hatte Frau Materna den größten Erfolg. Leider ist im „Eliasdie Sopranstimme nicht so günstig bedacht, wie die anderen Solopartien; sie hat außer dem Duett der Witwe mit Elias nur eine einzige Arie („Höre Israel!“) im zweiten Theil. Frau Materna brachte beide Nummern durch Energie und Wärme des Ausdrucks zu ergreifender Wirkung. Der Tenor part wurde ohne Probe von dem tüchtigen und gefälligen Herrn Schittenhelm gesungen. Er hat den plötzlich heiser gewordenen Walter, welchen in solchen Aufgaben überhaupt Niemand ersetzen kann, wenigstens sehr anständig vertreten. Der Altistin Fräulein Mathilde Mayer gelang es, durch echt musikalischen, verständigen und innigen Vor trag uns von der Reizlosigkeit ihres Organs abzulenken. Auch die kleineren Soli und das Doppelquartett waren von Mitgliedern des „Singvereins“ gut besetzt. So genossen wir denn ungetrübt das schöne edle Werk. Die hochgehende Be geisterung, welche Mendelssohn’s „Paulus“ und „Elias“ bei ihrem Erscheinen vor einem halben Jahrhundert hervorriefen, macht sich heute freilich nicht mehr so stürmisch geltend. Abgesehen von der Entfremdung unserer Zeit gegen geist liche Stoffe überhaupt, ist auch ein theilweises Verblassen der Musik nicht wegzuleugnen. „Elias“ leidet an dem Uebelstand, daß der zweite Theil gegen den ersten an Wirkung entschie den zurücksteht. Die Handlung des ersten Theiles führt uns in Einem großen, dramatisch belebten Zuge von einem Höhen punkte zum andern: die Schilderung der Hungersnoth, der

Kampf mit den Baalspriestern, die Bitte um Regen mit dem sich anschließenden Dankgebet. Elias steht inmitten als Held, als siegreicher Streiter Gottes. Im zweiten Theil sehen wir ihn als trauernden Märtyrer, aus dem bewegtesten Volksleben heraus in die Wüste versetzt, thatlos, beschaulich, resignirt. Diese Wandlung schwächt auch die Musik, die nur in dem weihevollen Chor „Und der Herr ging vorüber“ die Kraft der ersten Abtheilung erreicht. Trotz der langen Dauer der Aufführung blieb das sehr zahlreiche Publicum bis zur letzten Note auf seinen Plätzen, bei der im Saale herrschen den Hitze kein geringer Beweis von Kunstsinn. Die neu eingeführte elektrische Beleuchtung zeigt leider nicht den ge hofften Einfluß auf die Temperatur im Musikvereinssaale; das Uebel steckt hauptsächlich in der mangelnden oder doch mangelhaften Ventilation. So lange nicht da eine Abhilfe gefunden ist, wird uns jedes längere Concert in diesen Räu men verbittert bleiben.

Tags vorher gab der Violin-Virtuose Herr Waldemar Meyer aus Berlin ein eigenes Concert mit Orchester. Schüler Joachim’s, erinnert er auch durch seine ruhige Hal tung und die solide Objectivität des Vortrages an den Meister. Seine Technik ist sehr bedeutend, sowol im raschesten Passagen werk wie ganz besonders im mehrstimmigen Spiel. Dem stets angemessenen und würdigen Vortrage hätten wir nur mehr Wärme und Farbe gewünscht. Herr Meyer erregt mehr Respect, als Sympathie oder Begeisterung. Von der schwär merischen Zärtlichkeit, ohne welche wir uns das Spohr’sche Adagio nicht gut denken können, leuchtete in Meyer’s Vortrag nur ein schwacher kühler Schimmer. Auch in dem Concert von Brahms sind wir gewohnt, manche entscheidende Stelle rhythmisch bedeutsamer, plastischer hervortreten zu sehen. Immerhin war gerade dieses Tonstück besonders geeignet, die Virtuosität des Künstlers in helles Licht zu setzen. Herr Meyer wurde nach jedem Stück lebhaft applaudirt und wiederholt gerufen. Nach den vorausgegangenen sensationellen Berichten der Zeitungen über die kostbare Straduari-Geige des Concert gebers hatte man sich von der Schönheit seines Tones wol übertriebene Vorstellungen gemacht. Daß ein großer Virtuose keineswegs einer alten Cremoneser Geige bedarf, um unser Ohr zu bezaubern, beweist Ondriček, der hier und in Prag auf einer neuen Violine des schnell berühmt gewordenen Wiener Instrumentenmachers Zach concertirte. In Herrn Meyer’s Matinée sang Fräulein Josephine Arnhold die Garten-Arie“ der Susanne mit frischer, hellklingender Sopran stimme, aber noch unausgereiftem, befangenem Vortrag.

Herr Ondriček hat in vier rasch aufeinanderfolgenden Concerten den großen Musikvereinssaal bis auf das letzte Plätzchen gefüllt — eine Thatsache, die an den Concertgebern nicht unbeachtet und ungewürdigt vorübergehen sollte. Ondriček spielte nämlich zu „volksthümlichen“, das heißt sehr mäßigen Preisen und hat damit sich und dem Publicum einen reellen Dienst erwiesen. Daß es den Wienern nicht an Kunstsinn, an Musikbegeisterung fehlt, haben diese Concerte gezeigt. Das Verlangen nach schöner Musik und vortrefflichen Künstlern herrscht hier in allen Schichten. Nicht den Concerten, sofern sie Gutes versprechen, weicht man aus, sondern den hohen Eintrittspreisen. Wenn unsere Virtuosen, falsches Ehr gefühl überwindend, dem Beispiel Ondriček’s folgen wollten, sie würden ein viel größeres und empfänglicheres Publicum, ein wirkliches, zahlendes Publicum heranziehen. Daß bei hohen Preisen ein Theil des Saales nur mittelst Freikarten gefüllt zu werden pflegt, ist männiglich bekannt. Und selbst das ist nicht immer leicht. Der große Concert- und Theater agent Hermann Wolff in Berlin, gewiß eine erste Auto rität in seinem Fach, hat vor mehreren Jahren in einem Salle comble“ überschriebenen Aufsatz dem Laien klar ge macht, wie schwer es heutzutage ist, selbst durch massen hafte Ausspendung von Freikarten den vom Concert geber gewünschten „vollen Saal“ herzustellen. Die Leute wollen in Concerte, die keine eigene Anziehungskraft haben, auch umsonst nicht mehr hineingehen. Berlioz erzählte gern von einem Pariser Virtuosen, welcher angekündigt hatte, es werde jedem Besucher seines Concerts eine Tasse Chocolade servirt werden. Der erste Herr, der sich Abends der Kasse näherte, that dies mit der höflichen Anfrage, ob man nicht die Chocolade bekommen könne, ohne das Concert an zuhören!

Das zweite Concert des Herrn Stavenhagen im Bösendorfer-Saale war abermals von glänzendem Erfolge begleitet. Das Publicum lohnte alle Vorträge dieses Vir tuosen mit rauschendem Beifalle, schien aber zumeist entzückt von der 13. „Ungarischen Rhapsodie“ von Liszt. Ich meine, jeder Liszt-Schüler und Liszt-Spieler sollte immer eine dieser Rhapsodien auf sein Programm setzen — die Aus wahl ist groß genug. In diesen farbenglühenden Improvisa tionen hat Liszt das Glänzendste und Originellste geschaffen, was wir von ihm besitzen. Der exotische Reiz derselben ist doch stets musikalischer Reiz, nicht ein blos malerischer oder symbolischer, welcher sich und uns um Dinge quält, die sich durch Musik nicht darstellen lassen. — Neben Stavenhagen

wird es natürlich den übrigen Pianisten recht schwer, sich geltend zu machen. Am annäherndsten gelingt dies der Frau Hopekirk, deren Virtuosität ich bereits im vorigen Jahre zu rühmen Gelegenheit hatte. Auch des Pianisten Heinrich Wottawa soll als eines vielversprechenden und ernst stre benden Talentes nach Verdienst gedacht sein. Es ist ein rechtes Unglück, daß ein Einzelner gottlob nicht alle Concerte besuchen kann. So muß ich in Bezug auf zwei Pianistinnen, Fräulein Ida Carsten und Fräulein Clotilde v. Bruns wick, den Aussagen befreundeter musikalischer Detectives vertrauen. Diese wollen in beiden jungen Damen ein schö nes Talent entdeckt haben, das sich — wie bei angehenden Concertisten meistens der Fall — vorläufig mehr nach der technischen Seite hinneigt. Sowol Fräulein Ida, als Fräu lein Clotilde hatte den guten Geschmack, nicht lauter Solo stückchen vorzuführen, sondern je mit einem Trio (von Beethoven und von Mendelssohn) zu beginnen.

Das Concert des Wiener Männergesang- Vereins ließ auf die unvergleichlich schöne Aufführung von Schubert’sNachthelle“ eine Reihe kleinerer Novitä ten folgen. Ein Chor von Attenhofer, „Die Mönche von Bangor“, erstrebt seinen Effect in dem Refrain „O mi serere Domine!“, den der Componist durch unmäßige Wie derholungen und Steigerungen zu einer förmlichen Opern scene ausweitet. Musikalisch gehaltvoller ist ein Chor von P. Cornelius, „Der alte Soldat“. Er leidet aber an dem Mißverhältnisse zwischen dem Stoffe und den aufgewen deten Mitteln; weder das achtzeilige Gedichtchen von Eichen dorff, noch der musikalische Gehalt des Themas motiviren die grandiose Ausdehnung und verwirrende Stimmenverflech tung dieser Composition. Einen frischen und freundlichen Eindruck, wie fast alle Kremser’schen Sachen, macht auch dessen Chor „Zwiegesang“. Es ist dasselbe Gedicht, das, von Taubert componirt, durch den wundervollen Vortrag der Jenny Lind halb Europa entzückt hat. Leider läßt Kremser in den Schlußversen beider Strophen die Männer stimme zu einem so erschütternden Fortissimo anschwellen, daß man nicht sowol „ein Vöglein“ und ein „Mägdlein“, als vielmehr zwei Feuerwehrlein mit einander duettiren zu hören glaubt. In Engelsberg’s reizendem kleinen Chor Leise zieht durch mein Gemüth“ waltet eine feinere Empfin dung; das ganze Lied klingt in gleichmäßig ruhiger Wärme aus, ohne Ekstase am Schluß. Die beiden Stücke von Kremser und Engelsberg mußten wiederholt werden. Keck und frisch, ohne Trivialität erklingt R. Heuberger’sWandergut

aus seinen eben erschienenen „Drei Chören“ (op. 38), die wol bald Eingang in alle Liedertafeln finden werden. Herr Ferdinand Hellmesberger spielte sein Lieblingsstück, die Träumerei“ von Schumann, wie immer sehr zart und wie immer zu langsam; einmal ausgeträumt, ermunterte er sich zu einer Concert-Polonaise von Popper. Als Vio loncell-Virtuose längst bewährt, hat Popper erst spät sich zur Composition gewendet; er bringt jetzt das Versäumte recht unbarmherzig ein. Beethoven’sQuintett, op. 16, für Clavier, Oboë, Clarinette, Fagott und Horn, begrüßte man gern auf dem Programm, weil es jetzt äußerst selten mehr auftaucht. Aber einen kräftigen Widerhall in unserer Seele zu wecken, dazu ist das Stück doch gar zu harmlos. Eine jener stillvergnügten, anspruchslosen Gesellschaftsmusiken des vorigen Jahrhunderts, welche den Privatcapellen kunstlieben der Cavaliere Gelegenheit gab, ihren Herrn zu erfreuen und sich selber auszuzeichnen.

Im „Philharmonischen Concert“ kam die dritte Sym phonie (D-moll) von Bruckner zur Aufführung; dieselbe, die im Gesellschaftsconcert vom 16. December 1877 unter der Leitung des Componisten gespielt worden ist. Herbeck hatte sie zur Aufführung angenommen, diese aber nicht mehr erlebt. Bruckner unterzog das Werk später einer Umarbeitung, in welcher es jetzt in Partitur und Stimmen bei Th. Rättig in Wien erschienen und von den Philharmonikern gespielt worden ist. Diese Neubearbeitung unterscheidet sich nicht wesentlich von der ersten Fassung. Sie weist einzelne kleine Striche auf und an manchen Stellen Aenderungen in den verbrämenden Violin-Passagen. Einen einzigen ausgiebigen Strich bemerken wir im Finale; derselbe war aber schon in der ersten Ausgabe durch ein „Vide“ dem einsichtsvollen Dirigenten nahegelegt worden. Nur die Schlußpartie des letzten Satzes hat der Componist gründlich geändert. Der beste Satz ist jedenfalls das Scherzo, ein rasch fortströmen der Dreivierteltact, von einer bei Bruckner seltenen Consistenz der Form. Auch dem gesangvollen Adagio in Es-dur können wir eine geraume Zeit mit Vergnügen folgen, so lange es sich klar und ohne unmotivirte grelle Ab sprünge entwickelt. Diese bleiben später nicht aus und trüben, zusammen mit der unleidlichen Ausdehnung des Satzes, den guten Eindruck der ersten Hälfte. Der erste Satz, in welchem sich Nachklänge aus der Neunten Symphonie mit etlichen Venusberg-Motiven kreuzen, dann das lärmende Finale sind Stücke, die sich in lauter falschen Contrasten bewegen und zersplittern. Sie haben mir denselben unkünst

lerischen Eindruck gemacht, wie die übrigen in Wien gehörten Compositionen von Bruckner, in welchen geistreiche, kühne und originelle Einzelheiten mit schwer begreiflichen Gemein plätzen, leeren, trockenen, auch brutalen Stellen, oft ohne erkennbaren Zusammenhang wechseln. Wie helle Blitze leuchten hier vier, dort acht Tacte in reiner und eigenartiger Schön heit auf; dazwischen liegt wieder verwirrendes Dunkel, müde Abspannung und fieberhafte Ueberreizung. Und Alles zu einer Länge ausgedehnt, welche dem geduldigsten Gemüth zur Qual wird. In Bruckner’s Compositionen vermissen wir das logische Denken, den geläuterten Schönheitssinn, den sichtenden und überschauenden Kunstverstand. Daß die D-moll-Symphonie lebhaftesten Beifall fand, wäre viel zu wenig gesagt. Es wurde gestampft, getobt, geschrien; nach jedem Satze mußte der Componist wieder und wieder dankend vortreten. Bruckner ist zwar noch nicht eigentlich Mode geworden — das Parquet lichtete sich schon nach dem ersten Satz und sehr bedenklich nach dem zweiten und dritten — aber er ist Armeebefehl geworden für eine gewisse Partei. Diese tobte auf der Galerie und im Stehparterre mit ihren jungen Händen und Füßen noch fort, nachdem der Saal sich bereits geleert hatte und die Lampen abgedreht wurden. Von Herzen gönne ich dem mir seit dreißig Jahren befreundeten, begabten und ehrenwerthen Mann diesen Jubel, in welchen miteinzu stimmen mir unmöglich ist. Ich gönne ihm auch den jüngsten Münchener Triumph, dessen Herolde es nur hätten unter lassen können, Oesterreich zu verlästern und Wien ob der „beispiellosen Vernachlässigung der Bruckner’schen Werke“ ab zukanzeln. Thatsache ist, daß in WienHanns Richter allein mehr Aufführungen Bruckner’scher Werke geleitet hat, als seine sämmtlichen Collegen im deutschen Reich zu sammen. Der Bruckner’schen Symphonie ging ein Violin concert in D-dur von H. Grädener voraus, das Herr Adolph Brodsky mit großer Bravour vortrug. Das Stück ist sehr schwer, sehr lang und nicht sehr interessant. Das Beste daran sind die zahlreichen sehr feinen, sich graziös herumwindenden Violin-Passagen. Zu diesem zierlichen Geranke fehlt aber der gesunde musikalische Stamm. Die Herren Grädener und Brodsky wurden übrigens anhaltend applaudirt und gerufen. Ich schließe diesen Bericht mit der hocherfreu lichen Meldung, daß neben Bruckner und Grädener auch Beethoven einen guten Applaus gehabt hat für seine von den Philharmonikern herrlich gespielte zweite Leonoren- Ouvertüre.