Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 9532. Wien, Dienstag, den 10. März 1891 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 9532. Wien, Dienstag, den 10. März 1891 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 10.03.1891
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Concerte.

Ed. H. „Liederabende“ und kein Ende! Während es noch zu Beethoven’s und Schubert’s Lebzeiten für unschicklich galt, in einem Concert auch nur ein einziges Lied mit Clavier begleitung vorzutragen, bilden heute die Liederabende, an zwanzig Nummern stark, die Majorität unserer Concerte. Hingegen ist die Arie, welche ehedem allein für concertfähig galt, völlig von dem Programm verschwunden. Wol mit Un recht, denn gerade jetzt, zur Zeit der Alleinherrschaft des Liedes, würde eine Arie die Monotonie des Programms glücklich unterbrechen. Wir besitzen aus halbvergessenen Opern der classischen wie der romantischen Epoche deutsche, fran zösische, italienische Arien genug, welche, von der Scene nicht schlechthin abhängig, heute ein neues Interesse erregen wür den. Freilich, wie wenige Sänger verstehen heute eine leidlich verzierte Arie zu singen! Die Liederabende beginnen bereits, wie alles Einseitige und Allzuhäufige, dem Publicum un bequem zu werden. Natürlich dann nicht, wenn Gesangs künstler wie Alice Barbi, Scheidemantel und Gura die Vortragenden sind. Diese drei Namen ver liehen der letzten Woche ihre musikalische Signatur. Alice Barbi gab uns in ihrem zweiten Concert Schumann’s Liederkreis „Dichterliebe“, hatte jedoch den guten Geschmack, ihn nicht vollständig, sondern mit Hinweg lassung von acht Nummern vorzutragen. Das unverkürzte Durchsingen eines sogenannten „Liedercyklus“, hat auch dann sein Bedenkliches, wenn es sich um einen wirklichen Cyklus, ein vom Dichter selbst als zusammenhängend gedachtes Ganze handelt, wie die „Schöne Müllerin“ oder die „Winterreise“. Wo dies nicht der Fall, da steigert sich die Bedenklichkeit und entfällt jede innere Nöthigung. Schumann hat aus Heine’s „Buch der Lieder“ sechzehn von Liebe handelnde Gedichte ausgewählt und unter dem Titel „Dichterliebe“ zu einem Strauß gebunden, dem einen untrennbaren Zusammen hang zu vindiciren dem Dichter nicht beigefallen wäre. Das selbe gilt von Schumann’s Liedersammlung „Myrthen“, seinem „Eichendorff’schen Liederkreis“ u. A. Sie zeigen

ebensowenig eine epische oder dramatische Entwicklung, sind ebensowenig „Cyklen“ im Sinne nothwendigen Zusammen hangs, wie die „Magellonen-Lieder“ von Brahms, deren vollständiges Durchsingen auch bereits in Deutschland Mode wird, eine falsche, mißverständliche Mode. Unmittelbar nach der Barbi hat Herr Gura und gleich nach diesem Herr Thiele die „Dichterliebevollständig gesungen. Warum nicht lieber jene Lieder ausscheiden, die musikalisch unbedeuten der sind und durch die Gleichartigkeit der Stimmung sich fast wie Doubletten ausnehmen? Diese leidige Vollständigkeit macht den Sänger und den Zuhörer zu Thränenweiden. Sechzehn liebeskranke Gedichte nach einander, und gerade diese Gedichte! Für meine Empfindung sind sie peinlich durch ihr unersättliches Heraushängen des zerrissenen Herzens, des übergroßen Wehs, der bitteren Thränen, kurz des ganzen Schmerzen-Apparates, an den man bei Heine, der so gerne mit sich selbst Tragödie spielte, nie recht glauben kann. Der Herausgeber der Hebbel-Correspondenz, Felix Bamberg, erwähnt darin, Heine habe ihm wiederholt versichert, „daß das innere Leben des Dichters mit seiner Poesie durch aus nichts zu schaffen hat“. Die lyrischen Gedichte Goethe’s, Schiller’s, Uhland’s stehen als lebendiger Protest gegen diese Theorie — auf Heine selbst paßt sie vortrefflich. Der witzige, ironische, satirische Heine ist ebenso wahr, über zeugend und unwiderstehlich, wie der „schmerzzerrissene mit dem großen Herzen“ kokett und verlogen. Alice Barbi ver rieth ein feines Verständniß in dem, was sie aus der „Dichter liebe“ ausließ. Darunter war freilich eines der allerbesten Lieder: „Ich grolle nicht“; aber die Sängerin fühlte ganz richtig, daß ihre Individualität dagegen reagirt. Aus demselben Grunde hätte sie füglich auch das letzte Lied — von dem Heidel berger Faß, das Heine für seine großen Schmerzen benöthigt — weglassen können; für den burschikosen Humor desselben paßt nur eine Männerstimme, und eine recht „aufbe gehrende“ obendrein. Braucht noch gesagt zu werden, daß die Barbi die Schumann’schen Lieder mit Zartheit und Wärme vortrug? Welch echter Schmerz klang aus den Schlußversen: „Doch wenn du sprichst: ich liebe dich! so muß ich weinen bitterlich.“ Wenn man sich erinnert, daß Heine zuerst „freudiglich“ geschrieben hatte, bevor ihm

das bitterlich besser gefiel, so darf man wol sagen, die Barbi habe in diesen Liedern mehr wahre Empfindung ge zeigt, als Heine selbst. Zu ihren schönsten Vorträgen ge hörten auch vier Schubert’sche Lieder. Zwei fast unmerk liche feine Züge fielen mir auf. Im „Neugierigen“ der Vers: „das andre heißet Nein“, dann in der Ungeduld: „und sie merkt nichts von all dem bangen Treiben“ — da zog eine leichte Wolke ängstlich über ihren Ton, über ihr Gesicht, um schnell wieder zu verschwinden. Im ersten Con cert der Barbi hat die Kammervirtuosin Frau Frankl- Joël mit mehreren Chopin’schen Stücken lebhaften Bei fall erzielt. Die Namen der beiden fleißigen jungen Mädchen, welche im zweiten Concert die Zwischennummern besorgten, mögen lieber unerwähnt bleiben. Dergleichen unreife Pro ductionen gehören nicht vor die Oeffentlichkeit, wenigstens nicht in Wien, wo wir an guten Pianistinnen und Geige rinnen wahrlich keine Noth haben.

Herr Scheidemantel errang als Liedersänger einen großen und verdienten Erfolg. Wir kennen diesen Künstler, bei dem ein wohlgeschultes jugendliches Organ sich mit Ver stand und Empfindung zu schönem Einklang verbinden, bereits vom Hofoperntheater her. Dort schien er mir noch unmittelbarer zu wirken, vielleicht weil die berückende Romantik eines Heiling oder Zampa den Sänger mit einem starken Hauch von Poesie umgibt, der im Concertsaal ver schwindet. Scheidemantel’s Liedervorträge stehen auf der Höhe seiner vortrefflichen Gesangstechnik, bei stets richtiger Auf fassung und warmem Ausdruck. Hinreißend möchte ich sie kaum nennen. Das mag an dem etwas trockenen Klang seiner tieferen und mittleren Töne liegen, welche ja im deutschen Liede vor den hochliegenden Glanzstellen vorwiegen. Auch schien mir die feinste Blüthe der Poesie, ein letzter belebender Hauch von Temperament zu fehlen. Scheide mantel’s Vortrag hat, entsprechend seiner Persönlichkeit, etwas solid Verständiges, ruhig Gefaßtes. Das sehr selten gehörte Beethoven’sche Lied „Der Kuß“, das ein scherzhaftes Gedichtlein zu einer altmodischen Arie ausdehnt, interpretirte Herr Scheidemantel mit guter Laune. Das köstliche, so oft pathetisch mißverstandene Lied „Geheimes“ von Schubert sang er, wie es sein soll, mit leichtbewegter schallhafter Anmuth. „Sei

mir gegrüßt“ verliert in tieferer Stimmlage den ursprüng lichen unersetzlichen Schmelz. Dennoch konnte Scheidemantel damit Jedermann vollauf befriedigen, dem nicht, wie mir, der Vortrag Walter’s tief in Ohr und Herz eingeprägt ist. An Walter’s „Sei mir gegrüßt“, reicht für meine Empfindung kein zweiter Sänger heran. Zwischen den Ge sangsnummern hörten wir ein von Frau Schuster- Seydel geläufig und elegant gespieltes Violinstück „Sarabande et Tambourin“ von Leclair. Man glaubt es aus dieser zierlichen altfränkischen Tanzmusik fast herauszulesen, daß der Componist, Jean Marie Leclair, ursprünglich Tänzer und Balletmeister war. Der brave Mann starb durch Mörder hand in Paris, im selben Jahre wie Rameau (1764). Nicht so glücklich wie Frau Seydel als Violinspielerin, pro ducirte sich Herr Fritz v. Bose als Pianist. Unter seinen höflichen Leipziger Händen ereignete sich das Unglaubliche, daß Chopin’s geniale F-moll-Phantasie langweilig ward von einem Ende bis zum andern.

Dem ersten Bariton der Dresdener Oper folgte schnell als Concertgeber sein College vom Münchener Hoftheater, Herr Eugen Gura. Seltsam, daß dieser seit einem Vierteljahrhundert in ganz Deutschland bekannte und hoch geschätzte Künstler — ein Deutschböhme von Geburt — nie mals in Wien gesungen hat. Als Jüngling lebte er eine zeitlang hier, um sich an der Akademie zum Maler auszu bilden. Dann zog er nach München an die Malerschule, wo er bereits Aufmerksamkeit zu erregen begann, als seine schöne Stimme plötzlich bei Künstlerfesten entdeckt wurde. Es ist nicht undenkbar, daß sein malerisches Talent ihm für den musikalischen Farbenreichthum zu statten kam, den er im Vortrag der Löwe’schen Balladen entfaltet. Auf diesem Ge biet ist Gura Meister, ja der größte, den wir kennen. Das hat er gleich in seiner ersten Vortragsnummer „Edwardbewiesen, einer der schönsten Balladen Löwe’s, zugleich einer der schwierigsten Aufgaben für den Sänger. Abgesehen von dem ungewöhnlichen Stimmumfang und der Ausdauer, die sie verlangt, erfordert das scharfe Auseinanderhalten der beiden Rollen (Mutter und Sohn), dann die reißend an schwellende dramatische Steigerung einen Sänger ersten Ranges.

Mit gleicher Kunst der Auffassung, der Darstellung, der Aussprache ließ GuraDer Wirthin Töchterlein“, den „Erl könig“ und das Goethe’sche „Hochzeitslied“ von Karl Löwe folgen. Der epische Gesang, der Balladenvortrag, bildet ohne Frage in dem weiten Ring der Liederkunst dasjenige Gebiet, welches vorzugsweise der Baß- und Baritonstimme zufällt. Auch im Vortrag der Schumann’schen „Dichterliebe“ — Herr Gura sang in einem Zug alle sechzehn Lieder — er wies er sich als denkender und warmfühlender Künstler; die Wirkung war aber lange nicht so unmittelbar und hinreißend, wie die der Balladen. Die Zeit raubt den Baß- und Bariton stimmen viel früher den Timbre als die Kraft — und Gura ist kein Jüngling mehr. Seine Stimme klingt stark und voll, läßt aber im Piano, in anhaltend sentimentalem Gesang, Weichheit und Schmelz vermissen. Darum singt auch Gura meistens stark, nicht zum Vortheil der eigenthümlich dämmern den, halbverschleierten Empfindung der Schumannschen Heine-Lieder. Dazu tritt noch der früher be rührte Uebelstand, daß die meisten für Tenor oder Sopran geschriebenen Liebeslieder durch Transponirung für tiefe Männerstimmen an Reiz verlieren. Von unbeschreib licher Wirkung war Gura’s Vortrag des „Archibald Douglasund „Prinz Eugen“, diesen Perlen aus Löwe’s Balladen schatz. Die Leute riefen und applaudirten wie toll, bis Gura den „Prinz Eugen“ wiederholte, und er hätte bald dasselbe mit dem „Douglas“ thun müssen. Er wurde zum Schlusse wol gegen zwanzigmal herausgerufen. Allgemein wurde der Wunsch laut, Gura möchte diese beiden Balladen in seinem zweiten Concerte wiederholen und womöglich diesem zweiten ein drittes folgen lassen. Herrn Gura’s Vorträge wurden von Herrn Professor Giehrl sehr sorgfältig begleitet. Herr Giehrl gilt in München für einen der vorzüglichsten Clavier lehrer. Hoffentlich beginnt er seinen Unterricht mit dem Rath, die Schüler mögen ja nicht so viel Pedal nehmen, wie er selbst. Rheinberger’sToccata“ und Rubinstein’s C-dur-Etüde (op. 23) spielte er mit ausreichender Kraft und Geläufigkeit, wenngleich mit etwas hartem Anschlag — aber was da Alles mit- und durcheinander klang bei stets ge hobener Dämpfung! An Beifall hat es Herrn Giehrl nicht

gefehlt, ebensowenig wie jüngst Herrn v. Bose — wir sind nur leider etwas verwöhnt.

Nach den Liederabenden bleibt noch das vierte „Ge sellschafts-Concert“ vom vorigen Sonntag zu be sprechen. Es war, ganz im Vertrauen gesagt, eigentlich lang weilig. Ist es möglich? Werke von Haydn, Schubert, Wag ner nebst einer Novität von Herrn Arnold Krug? Ja, es gibt eben Langweile von verschiedenartiger Farbe, Stärke und Ausdehnung. Man kann sich pietätvoll oder rücksichts los langweilen, bußfertig oder wüthend, vorübergehend oder unvergeßlich. Die B-dur-Symphonie des 19jährigen Schu bert, das war die gemüthliche Langweile; man konnte da bei nicht bös werden. Sie spielt sich ohne jegliche Ueber raschung und Aufregung, so bürgerlich bequem und selbstverständlich ab, daß wir den Schöpfer der späteren großen C-dur-Symphonie kaum erkennen. Freilich liegen zwölf Jahre zwischen beiden — für Schubert’s wunderbar schnelles Wachsthum ein halbes Jahrhundert. Nur das Scherzo in G-moll verräth unsern Franz Schubert, in dem es an spätere, bessere Scherzos von ihm an klingt; vorübergehend auch das Andante, wo es nach dem Abschluß des Hauptsatzes in Es-dur unver mittelt den E-dur-Accord packt und einige schüchterne romantische Klänge anschlägt. Alles Uebrige, zumal der ganze erste und letzte Satz, schmeckt wie ein schwacher Abguß von Haydn und Mozart. Man weiß immer je vier Tacte voraus, ohne den vier vorhergegangenen gerade nachzuweinen. Das Geheimniß der musikalischen Wirkung besteht aber im Grunde darin, daß in der Composition Alles so kommt, wie es kom men muß, und doch ganz anders, als wir erwarteten ... Der Sturm“ von Haydn, ein bekanntes Chorstück, das ehedem im Wiener Concertleben eine große Rolle gespielt hat, ist für London im Jahre 1792 componirt. Seit diesen 99 Jahren haben wir ganz andere „Stürme“ erlebt, in der Musik, in der Poesie, in der Weltgeschichte, im eigenen Seelenleben. Wenn Haydn nach dem kurzen Ge witter die Bitte „Komm’ doch wieder, sanfte Ruh’“ unzäh ligemale lang ausdehnend wiederholt, dann beginnt ganz sanft die „sanfte Ruh’“ in sanfte Langweile zu gerinnen.

... Der „Symphonische Prolog zu Shakespeare’s Othellovon Arnold Krug ist durchaus modern und demgemäß auch unsere Langweile eine moderne, gereizte, nervöse. Weder die finster brütende Einleitung, noch das ausgebrütete C-moll-Allegro, mit Othello’s Eifersucht und dem contrastiren den Desdemona-Motiv — einem auf Harfen-Arpeggien schwimmenden Oboë-Solo — gewinnen überzeugende Macht über den Hörer. Daß der Componist schließlich zum Er drosseln der armen Desdemona dreimal so viel Zeit und Anstrengung verbraucht, als Othello selbst, das mag ihm das gequälte Opfer verzeihen — wir können’s nicht. Vor drei Jahren brachten die Gesellschafts-Concerte eine kleine Cantate von Krug: „Die Maien-Königin“, der man zwar keine originellen Ideen, aber doch gute Klangwirkung und eine gewisse gefällige Lyrik nachrühmen konnte. Der „Sym phonische Prolog zu Othello“ (sonst nannte man das einfach eine Ouvertüre) scheitert an der gewaltigen tragi schen Aufgabe, welche die Kraft des Componisten übersteigt und mit aufgeregten Phrasen und billigen Orchester-Effecten nicht zu erledigen ist. Es lag keine Nöthigung vor, zu diesem erfindungsarmen Werke zu greifen, während in Wien so viele interessante Orchester-Compositionen von Saint-Saëns, Svendsen, Tschaikowsky, Richard Strauß u. A. unbekannt sind. ... Zum Schlusse: die „Gralsfeier“ aus Wagner’s Parsifal“. Im Bayreuther Theater hat sie gewiß noch Niemanden gelangweilt, im Concertsaale nimmt sie sich diese Freiheit. Dort bewundern wir an dem Stücke die unerschöpf liche malerische Phantasie, die theatralische Inspiration Wagner’s, welche in jedem Bühnenwerke immer neue fesselnde Bilder zu schaffen weiß. Der ganz eigenartige, im posante Eindruck dieser Gralsfeier haftet aber unablösbar an dem scenischen Vorgange. Indem man diese Scene in den Concertsaal überträgt, wo sie farblos, sinnlos, unver ständlich und ermüdend ist, leistet man weder dem Werke noch dessen Urheber einen Dienst, sondern höchstens der Neu gierde des Publicums. Diese hat bereits durch ein Gral- Concert unter H. Richter (1887) ihr Opfer erhalten; jede Wiederholung kann den Irrthum dieser Verpflanzung und Verkrüpplung des Originals nur noch auffälliger machen.