Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 9608. Wien, Mittwoch, den 27. Mai 1891 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 9608. Wien, Mittwoch, den 27. Mai 1891 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 27.05.1891
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Jenny Lind. II.

Ed. H. Es kann uns nicht beifallen, den Kunstreisen Jenny Lind’s auch nur entfernt mit der peinlichen Gewissen haftigkeit ihrer Biographen zu folgen. Die Triumphe, welche diese schildern, sind im Grunde überall dieselben und die zahlreichen Journal-Artikel, die sie abdrucken, gleichfalls. Mit Recht geben die Verfasser einem sachkundigen und liebens würdigen Kritiker wie L. Rellstab wiederholt das Wort; seine Berliner Urtheile über die Lind sind schon dadurch wichtig, daß sie die ersten in Deutschland erschienenen waren und wie eine stark angeschlagene Stimmgabel den Ton an gaben, der nun fort und fort weiterklingt. Aber viele hier aufgenommene Zeitungsartikel von unbekannten oder unbe deutenden Berichterstattern würden wir leicht entbehrt haben. Ueber die ersten Wiener Opern und Concerte der Jenny Lind im Jahre 1847 citirt das Buch ausschließlich Kritiken aus der kaiserlichen Wiener Zeitung. Ich weiß nicht, wer deren Verfasser war, wol aber, daß Wien zu jener Zeit einen ein zigen bedeutenden Musik-Kritiker besaß, den Dr. Alfred Becher, der sogar eine eigene Broschüre über die Lind ver öffentlichte. Und gerade von diesem nimmt das Buch keine Notiz. Neben den verschwenderisch ausgestreuten Journal citaten geben uns die Verfasser natürlich auch ihr eigenes, sehr eingehendes Urtheil über Jenny Lind’s Gesang. Die Schwierigkeit, den ganz eigenen Zauber der Lind mit Worten zu schildern, habe ich nur zu sehr an mir selbst erfahren. Nach ihren Wiener Concerten im Jahre 1854 meinte ich, es müßte dem Kritiker eigentlich ge stattet sein, über Erscheinungen von vollendeter Schönheit, wie sie günstigenfalls in hundert Jahren einmal kommen, nichts Anderes auszusprechen, als die Freude, sie mit erlebt zu haben. Die bedeutendsten Sängerinnen, die man damals in Wien hörte, machten uns den Eindruck, daß die Lind nicht nur mehr war, als jede andere, sondern geradezu anders; wir fühlten nicht blos eine Größendifferenz, son dern etwas wie einen Gattungsunterschied. Diese Durchgeisti gung und Durchfühlung jedes einzelnen Tones wie der ganzen Grundstimmung einer Composition waren weder nach zuahmen noch zu beschreiben. Auf eine fast räthselhafte Art offenbarte uns Jenny Lind die absolute Schönheit des Singens

an sich. Wie jener alte König verwandelte sie Alles, was sie berührte, in Gold. Wenn sie eine Arie aus „Beatrice di Tenda“ oder aus den „Puritanern“ sang — war das noch dieselbe Musik, die wir stets matt und süßlich gefunden? Wie warmer, duftiger Athem legte sie sich uns um Brust und Wangen. Wie ganz anders, wenn große Gesangs virtuosinnen wie die Viardot, Tadolini, La Grange der gleichen vortrugen! Jenny Lind’s Zaubereien erweckten in uns das Gefühl des Staunens nicht anders, als bereits getränkt von der Süßigkeit ruhigen Genießen. Wer hat ihre schwe dischen Volkslieder, wer ihren Vortrag des Taubert’schen Liedes: „Ich muß nun einmal singen“, je vergessen? Als beiläufige Nachahmung des Vogelgesangs hart an der Grenze der Musik stehend, wurden diese flötenden und schmetternden Solfeggien in Jenny’s Mund zur entzückenden Schönheit. Der ganze waldfrische Naturreiz jubelnden Vogelgesangs kam uns hier auf dem unbegreiflichen Wege der äußersten tech nischen Bravour entgegen. Ja wer könnte überhaupt irgend eine Gesangsleistung der Lind je vergessen, der so glücklich war, sie zu erleben! Es ist ein schönes Wort von Brahms, der einmal als Jüngling die Lind in der „Schöpfung“ ge hört hatte, daß ihm heute noch, wenn er die Partitur dieses Werkes aufschlage, die von Jenny Lind gesungenen Stellen wie in Goldglanz erscheinen. Ich selbst habe vor 45 Jahren Schumann’s „Nußbaum“ und Mendelssohn’s „Auf Flügeln des Gesanges“ von der Jenny Lind (mit Clavierbegleitung von Clara Schumann) gehört und kann seither keines dieser Lieder hören oder spielen, ohne daß nicht jeder Ton der Lind deutlich wie eine Vision vor mir auflebt. Damals war ich auch zum erstenmal Augenzeuge von dem Lampenfieber zweier großer Künstlerinnen. Clara Schumann, die im December 1846 mit ihrem Gatten in Wien verweilte, hatte ein Concert im großen Redoutensaal unter Mitwirkung von Jenny Lind angezeigt. Am Morgen des Concertes ersuchte sie mich, ins Künstlerzimmer zu kommen, um ihr nöthigen falls, wenn sie Angst bekäme, die Noten umzuwenden. Wirk lich wagte sie, im Moment des Heraustretens, nicht, ein hundertmal gespieltes Stück von Bach auswendig vorzu tragen — „es könnte ihr doch was passiren.“ Ich war ein junger Student, nicht wenig stolz auf diese Mission, und wir Beide machten unsere Sache gut. Nun kam die Reihe an Jenny Lind mit den genannten zwei Liedern. Unruhig, auf geregt schritt sie das Zimmer auf und ab, voll Besorgniß, ob sie auch gut singen würde. Ich konnte ein Wort fragender

Verwunderung nicht unterdrücken. „Da ist nichts zu ver wundern,“ lautete ihre Antwort — „nur ein Chorist hat keine Angst.“ Dieses Angstgefühl vor jeder Produc tion hat sie zeitlebens nicht verlassen; ihre Briefe und die Erzählungen intimer Freunde geben Zeugniß davon durch das ganze Buch.

Merkwürdig übereinstimmend sind alle die in der Bio graphie abgedruckten privaten und öffentlichen Urtheile darin, daß sie in den eigenartigen großen Wirkungen der Lind die sittliche Grundlage hervorheben oder doch herausfühlen, die veredelnde Kraft einer wahrhaften und reinen Seele. In der That, wie es Talente gibt, die vom Charakter aus geschädigt oder ruinirt wurden, so sehen wir die Kunst der Jenny Lind von ihrem Charakter aus gehoben und verklärt. Kein Musiker, sondern ein Dichter, Christian Andersen, war sich zuerst über diesen Eindruck klar geworden, indem er schrieb: „Man fühlt bei ihrem Auftreten auf der Bühne, daß es ein reines Gefäß ist, worin der heilige Trank uns gereicht wird. Mit dem vollen Gefühl eines Bruders schätze ich sie; ich fühle mich glücklich, daß ich eine solche Seele kenne und verstehe. Durch Jenny Lind habe ich zuerst die Heiligkeit der Kunst empfunden; durch sie habe ich gelernt, daß man im Dienste des Höheren sich selbst vergessen muß. Keine Bücher, keine Menschen haben besser und veredelnder auf mich als Dichter eingewirkt, als Jenny Lind.“ Aber das großartigste Zeugniß dünken uns die Worte Felix Mendels sohn’s: „Sie ist eine der größten Künstlerinnen, die je gelebt haben, und die größte, die ich kenne.“ Der herzliche, auf innigste Seelenverwandtschaft gegründete Freundschafts bund zwischen Jenny Lind und Mendelssohn bildet eine der erquickendsten Partien in dem Leben der Sängerin. Sie lernt Mendelssohn in Berlin kennen und freut sich auf jedes Zu sammentreffen mit ihm. „Das ist ein Mensch,“ schreibt sie „und zugleich das hervorragendste Talent. So muß es sein!“ Mehrere, meist sehr ausführliche Briefe Mendels sohn’s an die Lind finden wir in der Biographie zum ersten mal mitgetheilt. Er will eine Oper für die Lind schreiben, und der Director der Italienischen Oper in London, Lum ley, sendet ihm den Plan eines Librettos. Der Stoff war Shakespeare’s Drama „Der Sturm“ entnommen, und Frau Birch-Pfeiffer sollte das Opernbuch ausarbeiten. Sie kam, zaudernd und kränkelnd, nicht dazu, so sehr Jenny Lind und Lumley drängten. Da schlug Lumley, der die Sache mit großem Eifer betrieb, den Poeten Felice Romani vor, von

dem die besten italienischen Libretti (Norma, Sonnambula, Liebestrank etc.) herrühren. Bald darauf unterhandelt Lum ley in Paris mit Scribe, der das größte Interesse für die Arbeit äußerte. Wirklich kann Lumley wenige Wochen später Mendelssohn den Scribe’schen Text fast voll endet zuschicken; auch die Besetzung der Rollen ist bereits vorgesehen: Miranda, Jenny Lind; Prospero, Lablache; Caliban, Staudigl; Fernando, Gardoni oder Fraschini. Mendelssohn konnte sich aber mit der Art, wie Scribe den Shakespeare’schen Stoff behandelte, nicht befreunden. Ein langer Briefwechsel entspann sich zwischen dem Componisten und dem Textdichter. Obschon Scribe bereit war, in einigen Punkten nachzugeben, ver mochte er doch nicht so weit zu gehen, wie Mendelssohn’s Pietät für Shakespeare es verlangte, und so ward der ganze schöne Plan vereitelt. Welch großer Verlust für uns! Scribe’s Textbuch wurde von Halévy componirt und 1850 in Her Majesty’s Theatre mit der Sontag und La blache in den Hauptrollen gegeben. Mendelssohn aber entschloß sich zu einer deutschen Operndichtung, der „Loreleyvon Geibel, die er bekanntlich kaum zu componiren begonnen hatte, als ihn der Tod abrief.

Als Jenny Lind zur Aufführung der „Vielka“ nach Wien reiste, empfahl Mendelssohn sie besonders herzlich an seinen Freund, den Opernsänger und späteren Director des Münchener Conservatoriums, Franz Hauser. „Ich bilde mir ein,“ schreibt er, „es muß dir mit ihr so gehen, wie mir, dem sie eigentlich niemals wie eine Fremde, sondern wie Eine „von den Unsrigen“ (von der unsichtbaren Kirche, über die du mir sonst zuweilen schriebst) erschienen ist. Sie zieht mit uns Allen, die wir es redlich mit der Kunst meinen, Einen Strang, denkt an dasselbe, strebt nach dem selben, und darum ist alles Gute, was ihr in der Welt widerfährt, mir genau so schmeichelhaft, als wenn es mir selbst widerführe, und hilft mir und uns Allen ebensogut weiter. Und dir, dem Sänger, muß es noch gar eine beson dere Freude sein, diese Vereinigung von glücklichster Anlage, tiefstem Studium und innerster Herzlichkeit einmal endlich zu finden.“ Hauser aber antwortet gleich nach ihrem Auf treten: „Die Jenny Lind singt hier, und ich sage weiter nichts, als daß ich das Fieber habe, und zwar im höchsten Grade. So eine Stimme habe ich in meinem Leben nicht gehört, aber auch noch nie ein so geniales, weibliches musikalisches Wesen gesehen. Auf dem Theater ist es das

Liebenswürdigste, Keuscheste, Schönste, was man sehen und hören kann — dieser Reiz der Stimme ist mir bisher un bekannt gewesen; was auch alle Sängerinnen zu überwinden im Stande waren, wie potent auch ihre Darstellungen auf der Scene — die Lind ragt über Alle, aber durch nichts Vereinzeltes — diese Meisterschaft, die diese anima candida übt, wirkt den Zauber.“ Grillparzer’s Wort: „Hier ist nicht Körper, kaum noch Ton: ich höre deine Seele!“ klingt in den verschiedensten Wendungen durch alle diese Urtheile. Die bedeutendsten Männer erkennen die ver edelnde Wirkung ihrer Kunst und deren organischen Zusammenhang mit dem sittlichen Wesen der Sängerin. Jenny Lind war ein reiner und wahrhafter Charakter. Wer sie näher gekannt, fühlte sich tief und nachhaltig von ihrem Wesen berührt; wem sie einmal ihr Vertrauen, ihre Freund schaft geschenkt hatte, der konnte zeitlebens fest auf sie bauen. Etwas Herbes, streng Abgeschlossenes herrschte allerdings in ihrem Benehmen, und sie gab sich keine Mühe, es zu ver bergen. Liebevoll gegen alle ihr näher Befreundeten, war sie doch keineswegs „liebenswürdig“ im gebräuchlichen Sinne. Unsere Biographen verhehlen es nicht, „daß die sittliche Hoheit ihrem Verkehr mit Fremden und mit solchen, welche sie nicht genau kannten, einen Anstrich von Hochmuth gab. Da war ein abweisender Blick, ein Sichentziehen, eine scharfe Musterung des neuen Ankömmlings, was in späteren Jahren die Einführung bei ihr oft zu einem qualvollen Momente machte für diejenigen, welche von diesem Glück vielleicht stunden- oder tagelang zuvor geträumt hatten“. In diesem Punkt habe ich selbst eine kleine Erfahrung gemacht und darf wol das Geschichtchen erzählen. Als ich mit meinem Freunde C. F. Pohl (dem verstorbenen Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde) im Jahre 1862 zur Weltausstellung nach London reiste, hatten wir ein gemeinsames Empfehlungs schreiben an Frau Jenny Lind-Goldschmidt von einer ihrer intimsten Freundinnen mitbekommen. Wir erfuhren in London, daß die Lind mehrere Meilen weit, in Argyle-Lodges bei Wimbledon-Commons, wohne, und verschoben von Woche zu Woche den etwas umständlichen und unsicheren Besuch. Da erblicke ich eines Mittags im Gewühl der Regentstreet den Gemal der Sängerin, den ich aus seinen Wiener Concerten vom Sehen kannte. „Habe ich nicht die Ehre, Herrn Otto Goldschmidt zu sprechen?“ Er blickt mich eine Minute starr an und sagt endlich: „Warum?“ Ich mußte über die sonderbare Gegenfrage laut lachen, die

er nachträglich mit der Erklärung entschuldigte, man müsse in London immer auf der Huth sein, wenn man Deutsch an gesprochen werde. Einige Tage darauf erhielten wir, Pohl und ich, eine sehr artige Einladung von Herrn und Frau Goldschmidt zum Dejeuner, mit dem Beifügen, daß sie der späten Heimfahrt wegen Niemanden zum Diner zu bitten wagen. Wir langten an einem sonnigen Junimorgen in der stattlichen, gartenumtränzten Villa an. Otto Goldschmidt führte uns in den prächtigen Salon, wo uns Frau Jenny mit kurzem Kopfnicken begrüßte. Neben ihrem Sofa erhob sich, von Palmgewächsen beschattet, eine Marmorbüste der Königin Victoria, ihr zu Häupten hing ein lebensgroßes Brustbild F. Mendelssohn’s. Nach einer Pause nahm Jenny das Wort und fragte mich in trockenem Tone: „Haben Sie schon in London Musik gehört?“ — „Ja,“ entgegnete ich; „ich hatte das Glück, Sie in der „Schöpfung“ zu hören.“ Ein finsterer Blick — ich fürchtete schon, sie werde auch „Warum?“ rufen, dann die zurechtweisenden Worte: „Wollen Sie meine Person gänzlich aus dem Spiele lassen!“ Das war in einem Ton gesagt und mit einer Miene, daß es mir kalt über den Rücken lief. Ich sprach keine Sylbe mehr und unterhielt mich während des langen, opulenten Dejeuners ausschließlich mit Herrn Otto Goldschmidt, den ich dann in den Garten begleitete, wo die beiden hübschen Kinder, Walter und Jenny, mit dem noch unberühmten Arthur Sullivan Cricket spielten. Der Hausherr benahm sich gegen mich sehr liebenswürdig, obgleich ich gerade ihn in meinen Kritiken im Jahre 1854 recht unliebenswürdig behandelt hatte. Das brüske Benehmen seiner Frau schien ihn selbst ein wenig zu geniren, er murmelte einige entschuldigende Worte. Vielleicht mochte er ihr selber einen Wink gegeben haben, denn als wir in den Salon zurückkehrten, wo Frau Jenny mit Karl Klingemann (dem Dichter vieler Mendelssohn’scher Lieder) sich unterhielt, richtete sie das Wort an mich und sprach über Sänger und Sängerinnen. Ihre Urtheile lauteten ziemlich scharf. „Die jetzigen Sängerinnen haben alle mit Jahren keine Stimme mehr, sie haben zu wenig studirt und schreien zu viel. Ich selbst habe niemals viel Stimme besessen, aber ich habe sie vollkommen erhalten, ja ich singe mit noch größerer Leichtigkeit als sonst.“ Als große italienische Sänger ließ sie nur Rubini und Lablache gelten, allenfalls die Persiani; die Pasta hatte sie nie gehört. „Zu Hause,“ erzählte sie, „singe ich keinen Ton, da bin ich nur Hausfrau und arbeite wie ein Pferd.“ (Schluß folgt.)