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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.
Ed. H. Das vortreffliche Feuilleton „
in der „
zu einem Worte speciellen Dankes. Die Stechfliegen der
neuesten Sprachreinigungs-Manie, welche, halb lächerlich,
halb ärgerlich uns täglich lästiger umschwirren, reizten mich
längst zu dem Versuche einer Abwehr. Gut, daß der ungenannte
Verfasser jenes Feuilletons mir zuvorgekommen und so
treffend, sachlich, geistvoll der Verdeutschungssucht zu Leibe
gegangen ist. Ich hätte wahrscheinlich etwas leidenschaftlicher
zugeschlagen und weniger resignirt geschlossen. Nimmermehr
könnte ich zugeben, daß auch für die schiefe und häßliche Ver
deutschung „Schriftleitung und Schriftleiter“ „die Stunde
des endgiltigen Sieges schlagen werde“. Nein. Es wird
gewiß immer ernsthafte
seit dem Bestande der Journalistik eingebürgerten, von allen
Nationen verstandenen Wörter Redaction und Redacteur bei
behalten werden. In jedem Zweige des Wissens und der
Technik haben sich Fremdwörter eingebürgert, die, zu techni
schen Ausdrücken geworden, durch rein
werden können und nicht ersetzt zu werden brauchen. Wenn
Mitglieder einer solchen „Schriftleitung“ unter sich sind,
fragen sie einander: Ist der Redacteur zugegen? Kommen
Sie aus der Redaction? Und ein paar Dutzend Leute,
die sich selber nicht an diese unnatürlichen Wörter — uns
fremdartiger als alle Fremdwörter — gewöhnen können,
wollen sie dem ganzen Volke aufdrängen? Es hat wirklich
etwas Naives, wenn man eine Sprache von dem reichen und
sicheren Besitzstand der
befestigen und schützen zu müssen. Diese Aengstlichkeit paßt
für die kleinen „interessanten Nationalitäten“, die sich eine
Schriftsprache und Literatur erst schaffen. Wer jedes Fremd
wort verbieten will, der macht unsere Sprache arm. Ich
kenne keinen einzigen guten Schriftsteller, der sich nicht ohne
weiters solcher Fremdwörter bediente, welche entweder längst
eingebürgert oder durch rein
geben sind. Die richtige Grenze dafür kann nur das Wissen
mandiren lassen sich Verdeutschungen weder durch Sprach
vereine, noch durch „Schriftleitungen“, noch selbst für die
nichtamtliche Literatur durch die Regierungen. Anerkannte
haben längst gegen die Caricatur der modernen Sprach
reinigungssucht ihre Stimme erhoben. Leider scheint man sie
nicht hören zu wollen und glaubt sich einer patriotischen
Rettungsthat zu rühmen, wenn man statt Billet „Fahrschein“,
statt Telegramm „Drahtnachricht“, statt Programm „Vor
tragsordnung“ sagt.
Jeder gute Schriftsteller wird, wie gesagt, solche Fremd
wörter aufnehmen, deren Bedeutung sich mit keinem ur
sprünglich
Motiv für die Wahl eines Fremdwortes, als des genauesten,
feinsten Ausdrucks unseres Gedankens, gibt es noch ein
zweites, von dem viel seltener die Rede ist und das ich
darum nachdrücklicher hervorheben möchte: ich meine den
Wohlklang. Ein Fremdwort ist häufig das beste, manch
mal das einzige Mittel, Mißklänge und Härten zu vermei
den, welche aus dem Zusammenstoß gewisser
insbesondere vielsylbiger, entstehen. Lieber drei Fremdwörter
nacheinander, wie „das kokette Programm dieses Concerts“,
als neu
Musik-Aufführung“. Wer gut schreiben will, muß auch gut
hören. Das scheint aber jenen Fanatikern versagt, die aus
Haß gegen ein wohlklingendes Fremdwort lieber eine unver
fälschte
Vor Kurzem erhielt ich einen recht liebenswürdigen
Brief von einem bekannten Poeten und eifrigen Leser meiner
Aufsätze, der nur Eines daran beklagt: „die vielen vorkom
menden Fremdwörter“. Ich glaubte, in diesem Punkt kein
großer Sünder zu sein, und habe gewiß nie einen Satz ge
schrieben, wie jüngst einer der bekanntesten
„
gänge waren nur Approchen zum eigentlichen Lebens
beruf. Dieser fromme Wunsch mußte cachirt werden.“
Allein den Gefallen kann ich meinem wohlwollenden Rath
geber doch nicht thun, die Wörter: Componist, Composition,
Production stets zu vermeiden und statt Sympathie „Zu
stimmung“, statt Broschüre „Heft“, statt produciren „dar
thun“, statt Conservatorium „Musikschule“ zu sagen, wie er
verlangt. Vollends unbegreiflich erscheint ihm aber, daß ich
einmal Componist, Composition, Production schreibe, nachdem ich
eine Zeile früher Tondichter, Tondichtung, Aufführung ge
sagt habe, also recht gut weiß, wie der
lautet. Ja, hören Sie denn nicht? möchte man solchen
Kritikern zurufen. Merken Sie wirklich nicht, daß ich ab
sichtlich einmal Componist, das anderemal Tondichter, einmal
Production, das anderemal Aufführung schreibe, um die
Monotonie des Klanges zu vermeiden?
Man sollte meinen, Musiker müßten das empfindlichste
Ohr besitzen, auch für die Harmonie des Styls. Leider erlebt
man oft das Gegentheil. In neuester Zeit betreiben einige
Musikzeitungen „national-
tung den Reinlichkeitssport mit auffallender Wichtigkeit. Ein
solches mir vorliegendes Blatt enthält eine fettgedruckte Auf
forderung an die Mitarbeiter und Correspondenten, sich ja
aller Fremdwörter zu enthalten. Da stolpert man in jedem
Satze über die süßen neuen Worte: Drahtnachricht, Sonder
bericht und selbstverständlich über Vortragsordnung (für
Programm), „Spielzeit“ (für Saison), „Spielplan“ (für
Repertoire) u. s. w. Ich frage, kann man auch sagen: der
neue Director entwickelte seine Vortragsordnung? Oder: die
Concertsängerin
wir sind jetzt in der todten Spielzeit? Das sind lauter Aus
drücke, die einander nicht decken; der
weiter oder enger, als das längst eingebürgerte Fremdwort.
Wie wird unsere Musikzeitung die in den
nalen wiederkehrende Theaternotiz übersetzen: „Les Dimanches
on joue le répertoire“? In diesen „musikalischen“ Sprach
reinigungs-Anstalten drängen sich gräulich klingende Satz
bildungen, von denen uns die Zähne und die Ohren
wehthun. Freilich bewies auch ihr Herr und Meister,
Richard
in seiner Prosa noch in seinen Dichtungen. Ich hatte das
berühmte Dedications-Exemplar der „
in Händen, welches Schopenhauer gesandt
Aber die musikalischen Deutschthümler gehen noch wei
ter; nicht blos aus den Musikkritiken, auch aus den Noten
heften wollen sie alles Fremdländische verbannen. Ein
und Musikverlegern das Ansinnen gestellt, die
Vortragszeichen durchaus zu verdeutschen. Also kein Allegro
und Andante mehr, kein Diminuendo und Crescendo! Es
ist unglaublich, mit welchem Leichtsinn Hand daran gelegt
wird, einen Jahrhunderte alten, unschätzbaren Culturbesitz
wegzufegen. Ihren schönsten Segen besitzt die Musik darin,
eine allgemein verständliche Sprache zu sein, eine kosmopo
litische Kunst. Dieser Vorzug der Allverständlichkeit erscheint
im praktischen Leben dadurch erhöht, daß nicht blos der
Klang einer bestimmten Sonate oder Symphonie, sondern
die bleibende Niederschrift derselben bis heute allen
Nationen gleich verständlich ist. Die Noten sind ohnehin für
Alle dieselben, und die Vortragsbezeichnungen haben Alle
von altersher aus
dernen musikalischen Cultur, übernommen. Wenn eine
Partitur nach
rung verschickt wird, so versteht dort jeder Capellmeister, wie
sie zu dirigiren, jedes Orchestermitglied, wie sie zu spielen ist.
Das soll nun aufhören; kein nicht
Vortragszeichen und ihre Abkürzungen. Wenn man aber
diese bequemen Abbreviaturen durch schwerfällige Verdeut
schungen ersetzt, statt pp. und fff. „sehr leise“ oder „so stark
als möglich“ hinschreibt, so kann der Ausländer sich dabei
nichts denken; die Partitur wird außerhalb
unbrauchbar. Folgerichtig müßten, dem Princip zuliebe, auch
die Namen der Compositionsformen und der Instrumente
verdeutscht werden. Sonate würde „Klangstück“, Symphonie
„Zusammenklangstück“, heißen, Oboë, Clarinette, Violoncell
müßten sich in „Hochholz“, „Hellholz“, „Kniegeige“ verwandeln.
Damit wäre das Chaos glücklich fertig. Selbst in
land
formirten Musik. Auswärts aber dürfte der heute so eigen
sinnig hochgesteigerte Nationalsinn ohne Zweifel dem bösen
Beispiel folgen und dieselben sprachlichen Zollschranken in
der Musik gegen uns aufrichten. Dann wird ein Musikstück
aus
Musiker vortragen, kein Capellmeister dirigiren können. An
gesichts solcher Versuche, eine durchaus kosmopolitische Kunst
national zu knebeln und abzusperren, tröstet uns der Ge
danke, daß einseitige Attentate auf einen uralten Culturbesitz
leichter vorzuschlagen als durchzuführen sind. Eine Germani
sirung des
Interessen schädigen, vom gesunden Menschenverstand ganz
zu schweigen.
Die Verdeutschung der musikalischen Ausdrücke ist übrigens
auch eine alte Mode, aus der deutschthümelnden Zeit nach den Freiheits
kriegen; sie wird heute nur mit größerer Selbstgefälligkeit als damals
getragen. Beethoven wollte das Fremdwort Pianoforte durch
Da ich nun einmal im Raisonniren bin, so möchte ich
noch eine zweite moderne Errungenschaft berühren, die zwar
nicht mit den „Verdeutschungen“, aber doch mit der neuesten
oder Unsitte, auf den Theaterzetteln die Darsteller ohne die
Bezeichnung Herr, Frau oder Fräulein zu nennen, hingegen
durchwegs mit ihren Vor- und Zunamen. Auf diese Mode,
die bereits von
etwas einbilden. Keine von den Nationen, die in Theater
dingen unsere Lehrer gewesen, kennt diese Manier, die mir
geschmacklos und unpassend vorkommt. Franzosen und Ita
liener nennen ihre Schauspieler auf dem Personenverzeichniß,
wie es sich gehört, Monsieur und Madame, Signor und
Signora. Der Herausgeber des Theaterzettels, der seine Mit
glieder vorstellende Hausherr, ist doch immer der Director;
die Künstler haben den Anspruch, von ihm mit „Herr“
oder „Frau“ titulirt zu werden. In dem Weglassen
des Titels „Herr“ steckt etwas eigenthümlich Zwiespäl
tiges, es weist über oder unter das gesellschaft
liche Niveau. Schlechtweg mit ihrem Namen nennt
man entweder berühmte Männer oder Leute in untergeord
neter Dienststellung. Wir sprechen kurz von
vini
aber auch Kellner und Dienstmädchen nicht „Herr“ oder
„Fräulein“. Man emancipirt sich also von der Titulatur
demjenigen gegenüber, der sie nicht braucht oder dem sie
nicht gebührt. Die Franzosen, Meister der Höflichkeit, nennen
in ihren Zeitungen jeden Lebenden, und sei er der be
rühmteste: „Monsieur“. Sie schrieben bei Lebzeiten dieser
Männer nie anders als Mr.
Mr.
Mr.
und die
ein Theater-Director gerade die Berühmtheit seiner ersten
Mitglieder durch das Weglassen des Titels „Herr“ zu be
zeichnen, dann darf er es nicht auch auf die Darsteller von Be
dientenrollen anwenden. Dem Theaterzettel geziemt aber
gleiche Höflichkeit gegen Alle. Diese Gleichstellung üben
die modernen
sie alle Darsteller, auch die letzten Figurantinnen,
mit ihrem vollen Vor- und Zunamen aufführen.
Nichts Komischeres und zugleich Lästigeres, als so ein langer
Theaterzettel mit großem Personal, der uns nöthigt, anstatt
zwanzig oder dreißig Eigennamen ihrer vierzig oder sechzig
herabzuwürgen. Das langweilt den Leser, den es nicht im
mindesten interessirt, ob der zweite Jäger im
Wenzel oder Johann Polivka, der dritte Chorknabe im
pheten
auch eine Folge dieser neuen Mode, daß die kindischen Kose
namen auf den Theaterzetteln überhand nehmen. Tini, Poldi,
Mietzi, Fritzi sind keine Namen, sondern Abkürzungen von
Namen und deßhalb unpassend auf öffentlichen Kund
machungen. Für die Kritiker erwächst daraus überdies die
Unbequemlichkeit, nicht zu wissen, ob „Mietzi Müller“ und
„Tini Mayer“ Frau oder Fräulein zu tituliren ist, denn
glücklicherweise hält die
Höflichkeit fest, welche die Theater-Directoren über Bord ge
worfen haben. Optimist, der ich nun einmal bin, hege ich
die fröhliche Zuversicht, daß jede unvernünftige und geschmack
lose Mode bald in Vergessenheit fällt. Man kann sich in
mitten all des Lächerlichen und Aergerlichen doch immer über
irgend etwas freuen. Und die gleiche Freude, die ich an dem
Fortbestehen der „Redaction“ und des „Redacteurs“ der
„
unsere großen
ihre Mitglieder und gegen ihr Publicum, um jene „Herr“
und „Frau“ zu nennen und dieses mit den Vornamen von
Statisten und Figurantinnen zu verschonen.