Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 9821. Wien, Dienstag, den 29. December 1891 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Rolandi, Sophie Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 9821. Wien, Dienstag, den 29. December 1891 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max 29.12.1891
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Hofoperntheater. (Schluß des Mozart-Cyklus: „Bastien und Bastienne.“ „Die Gärtnerin.“)

Ed. H. Ende gut, Alles gut? Nein; das Ende, aber nicht Alles, war gut in unserm Mozart-Cyklus. Man sah diesen „Festvorstellungen“ mit gesteigerten Ansprüchen ent gegen und fand doch in jeder von ihnen nur ein oder zwei ihrer Aufgabe vollkommen gewachsene Sänger; die übrigen kamen über eine gute Mittelmäßigkeit entweder im techni schen oder im poetischen oder auch in jedem Sinne nicht hinaus. Ueber die schonungslos von A bis Z cassierten Colo ratur-Passagen im „Idomeneo“ und „Titus“ würden wir uns noch getröstet haben, denn in diesem Punkt muß man heute mit der unzureichenden Technik der Sänger rechnen. Wäre nur alles Uebrige rein, mit edler Natürlichkeit und musikalischer Empfindung gesungen worden; dramatisch nicht entweder maßlos oder theilnahmslos. Herr Winkelmann bringt für die königlichen Gestalten des Titus und des Ido meneo seine durch charakteristische Masken gehobene Helden gestalt und ausdrucksvolle Declamation mit — also die werthvolle Mitgift seiner Wagner-Rollen; die Kunst, piano zu singen und eine Reihe von acht bis zehn Noten schön zu verbinden, hat er entweder nie besessen oder längst den Nibelungen geopfert. Herr Rokitansky war ehedem ein vortrefflicher Osmin; daß er dieser Aufgabe heute noch gewachsen sei, wird Niemand behaupten. Den Don Juan würden wir gern von Herrn Ritter hören. In den Opern Idomeneo“, „Don Juan“ „Titus“ ist die durch einen schweren Trauerfall zurückgehaltene Frau Materna schmerzlich vermißt worden; mit dem rohen Naturalismus ihrer Stellvertreterin kann sich jeder andere Componist eher abfinden, als Mozart. Am meisten befriedigte noch die Auf führung der „Zauberflöte“. Fräulein Lehmann ist unsere einzige Coloratur-Sängerin von guter alter Schule, also eine vollkommene „Königin der Nacht“, nur neuestens mit einiger Neigung zum Distoniren. Neben ihr wirkten als gute

Mozart-Sänger Frau Forster (Pamina) und Herr Müller (Tamino). Herr v. Reichenberg, ein imposanter Sarastro, bemüht sich mit Erfolg, allmälig in die Geheimnisse des bel canto einzudringen, und die Sängerinnen Artner, Ehrenstein,Kaulich — einzeln nicht immer stark genug, eine Oper zu tragen — vereinigten sich als Damen der Königin der Nacht zu reingestimmtem, klangvollem Dreiklang. Was der Zauber des Talentes vermag, zeigte Fräulein Renard in der kleinen Rolle des Kammermädchens Des pina. Am wenigsten konnten die Aufführungen des letzten Mozart-Cyklus jenen Hörern genügen, welche frühere vor treffliche Besetzungen der Mozart’schen Opern in treuem Gedächtniß bewahren. Seither ist der Stand der deutschen Opernbühne im Allgemeinen so sehr herabgestimmt, daß das Publicum kaum mehr gewohnt ist, Forderungen mitzu bringen, die das Materielle überschreiten, so daß es uns oft wie eine Ungerechtigkeit erscheint, einen Maßstab, der für das Ganze unbrauchbar geworden, an die Leistungen jedes ein zelnen Künstlers anzulegen.

Zum Glück hatte die Direction für den Schluß des Festcyklus zwei unseren Zeitgenossen völlig unbekannte Jugend opern Mozart’s vorbereitet: „Bastien und Bastienne“, hierauf „Die Gärtnerin“. Diese Opern bieten, selbst abgesehen von ihrem starken historischen Interesse, wahrhaftig liebenswürdige Musik. „Bastien und Bastienne“ ist eine Merkwürdigkeit schon als die Arbeit eines zwölfjährigen Knaben. Mozart schrieb das einactige Singspiel in Wien (1768), wo es nicht öffentlich, aber in dem kunstsinnigen Hause des Dr. Meßmer von Dilettanten aufgeführt wurde. Die Handlung ist im Grunde dieselbe, wie in J. J. Rousseau’s berühmtem Singspiel Le devin du village“ (der Dorfwahrsager), das für den Ausgangspunkt der französischen Opéra comique gelten kann. Dieses einfache Dorf-Idyll machte in Frankreich außerordent liches Glück und rief bald verschiedene Nachbildungen, so genannte „Parodien“ hervor. Wenn zu bekannten Melodien ein anderer Text oder eine ähnliche Handlung unterlegt wurde, so nannte man das eine Parodie. Daß mit diesem Wort nicht wie heutzutage eine Verspottung des Originals beab sichtigt war, beweist unter Anderem die Aeußerung des alten

Adam Hiller, es habe ihn Pergolese’s Stabat mater „in der Parodie des Herrn Klopstock“ zu Thränen gerührt. „Parodie“ bedeutete hier einfach Klopstock’s Uebersetzung des lateinischen Textes. „Bastien und Bastienne“ war eine solche von der berühmten Madame Favart verfaßte Parodie des „Devin du village“; sie wurde auch in Wien als deutsche Operette bearbeitet und von dem jungen Mozart in Musik gesetzt. Ein Bauernmädchen, Bastienne, betrübt sich über die Gleich giltigkeit und Untreue ihres Geliebten Bastien. Sie erholt sich Raths bei dem Schäfer Colas, der ihr empfiehlt, den Untreuen gleichfalls kalt und launenhaft zu behandeln. Das Mittel verfängt, und da Bastien’s Liebe zu dem vernach lässigten Mädchen ohnehin wieder erwacht ist, so preisen die Beiden, glücklich vereint, die vermeintliche Zauberkunst des alten Schäfers. Zu dieser kleinen Dorfgeschichte, in welcher der gesprochene Dialog vorherrscht, hat Mozart 15 Musik stücke geschrieben. Sie sind, seiner Jugend und dem Zeit geschmack entsprechend, sehr einfach, meist liedartig gehalten, aber von natürlicher Anmuth und nicht ohne feinere charakte ristische Wendungen. Die Anfangstacte der Orchester-Ein leitung werden dem Hörer durch ihre frappante Aehnlichkeit mit dem Hauptmotiv der „Eroica“ von Beethoven aufge fallen sein. Von der übergroßen Zahl der Arien hat Herr Hofcapellmeister Fuchs die unbedeutenderen (Nr. 5, 6, 8 und 11) zum Vortheile des Ganzen gestrichen. Den Dialog und die Gesangstexte, die im Original ebenso unfein wie holperig sind, hat Herr Max Kalbeck in musterhafter Sprache ganz neu bearbeitet. So vortrefflich aufgeführt wie im Hofoperntheater, macht das Singspiel des zwölfjährigen Mozart einen ungemein freundlichen Eindruck. Frau Forster singt die Bastienne. Wie angenehm hört es sich ihr zu, die jeden Ton rein und sicher anschlägt, die Töne schön verbindet, weder schreit noch tremolirt, stets anmuthig und natürlich bleibt! Herr Ritter ist ein schmucker, frischer Bastien und Herr Mayerhofer in Rollen wie dieser Schäfer Colas noch immer unvergleichlich und unersetzlich.

Die dreiactige italienische Opera buffa „La finta giardiniera“ ist für das Münchener Hoftheater geschrieben und daselbst im Januar 1775 zum erstenmale gegeben wor

den. Der damals 19jährige Mozart war mit seinem Vater zur Einstudirung der Oper nach München gereist, wo nach deren glänzendem Erfolg Hof und Publicum ihn mit Beifall und Ehren überhäuften. Ein seltsamer Zufall machte den Erzbischof von Salzburg, der auf Besuch bei dem Kurfürsten von Bayern verweilte, zum Zeugen dieser Lobeserhebungen. „Er war dabei,“ wie Leopold Mozart berichtet, „so verlegen, daß er mit nichts als einem Kopf neigen und Achsel-in-die-Höhe-ziehen antworten konnte.“ Der Salzburger Erzbischof Hieronymus v. Colloredo spielt bekanntlich im Leben Mozart’s eine schlechte Rolle; gewiß ist, daß er das Genie seines jungen Concert meisters nicht erkannt, ihn hinter die Italiener zurück gesetzt und recht ungnädig behandelt hat. Mit Un recht wird jedoch immer verschwiegen, was die ärger liche Stimmung des Erzbischofs einigermaßen entschuldigen konnte. Die Kunstreisen, die Leopold Mozart mit seinem Sohne machte, nahmen zehn volle Jahre abseits vom Hofdienst und auswärts in Anspruch. Das mußte den anfangs nachsichtigen Fürst-Erzbischof für die Interessen seiner Angestellten kühler und schließlich unwillig machen. Leopold Mozart schreibt selbst einmal an seine verheiratete Tochter: „Der Erzbischof schlug die Erlaubniß (zu einer Münchener Reise) nicht mit Heftigkeit und ohneweiters ab, sondern er äußerte sich: daß, da die Hofmusik jetzt seine einzige Unterhaltung ist, er gerne sähe, daß wir (Vater und Sohn) von einer solchen Bitte abstehen möchten, indem er diese ganze Zeit keine ordentliche Musik hören könne.“ Director Engl constatirt obendrein in seiner jüngst erwähnten Festschrift, daß die in Folge längerer Urlaube erfolgten Gehaltseinstellungen immer im Gnaden wege vom Erzbischof wieder aufgehoben worden sind.

Was den Inhalt der dreiactigen Opera buffa betrifft, so möchte ich den Leser am liebsten auf Otto Jahn ver weisen, der nach der langen ausführlichen Erzählung des Sujets gleichsam athemschöpfend ausruft: „Es kostet Mühe, diesen ungeschickt aneinandergereihten, selten eigentlich komischen Situationen, aus denen keine zusammenhängende Handlung zu Stande kommt, auch nur zu folgen.“ Und doch war dieses Liberetto dem Geschmack jener Zeit sehr zu

sagend und wurde von mehreren namhaften Componisten, wie Anfossi, bearbeitet. Als dessen „Finta giardinieraund ähnliche „komische“ Opern in Paris auf dem Reper toire standen, äußerte Ludwig XVI., er müßte, wenn er in die Oper ginge, dagegen „cabaliren“, denn, setzte er hinzu: „Je ne sais rien de plus insipide, que des bouffons, qui ne savent pas faire rire.“ Zwei liebende Paare — Belfiore und Sandrina, Ramiro und Arminda — irren halb ver zweifelt durch die Oper, bis das erstgenannte Paar ganz verzweifelt und allen Ernstes in Wahnsinn verfällt. Wie so Absurdes und Widerwärtiges einmal Beifall finden konnte, wird uns heute schwer begreiflich. Zum Glück ist das von Mozart componirte Libretto nur zum Theil das selbe, das wir im Operntheater zu hören bekommen. Max Kalbeck, dem das Hofoperntheater die besten Ueber setzungen verdankt, die es überhaupt besitzt, hat nicht blos den Text völlig frei und vortrefflich bearbeitet, es gelang ihm auch, alle anstößigen Situationen, vor Allem die Wahnsinns scenen, so geschickt auszulösen, daß der dramatische Zusammen hang nirgends leidet und das Ganze entschieden gewinnt. Durch Ausscheidung dieser bedenklichen Scenen und Hinweg lassung von acht Arien der Original-Partitur ist es möglich geworden, die ursprünglichen drei Acte in zwei zusammenzu drängen. Wer das unverkürzte und unveränderte Mozart’sche Original kennen lernen will, das jetzt durch die Vergleichung mit der Wiener Bearbeitung doppelt interessant wird, dem empfehlen wir den soeben bei Bartholf Senff in Leipzig erschienenen neuen Clavierauszug mit Text: „Die Gärtnerin aus Liebe“. Aber nicht blos die Menge der Arien, auch die große Länge derselben weist auf eine völlig überwundene Ge schmacksrichtung hin. Hofcapellmeister Fuchs hat mit ge schickter und bescheidener Hand die nöthigen Kürzungen daran vorgenommen, ferner die Buffo-Partie des Podestà dem Baß und die Kastraten-Rolle des Ramiro dem Tenor zugetheilt. In der Orchestrirung, die meistens nur das Streichquartett beschäftigt, hat Fuchs mit Rücksicht auf das große Opernhaus einige ausfüllende Harmoniestimmen beigefügt, die jedoch selbst in den stärksten Stellen niemals den Umfang des Mozart’schen Orchesters im „Figaro“ überschreiten. Die Herren Kalbeck und Fuchs haben durch ihre vereinte Bemühung dem

Andenken Mozart’s einen Dienst erwiesen und die „Gärt nerin“, die in der Originalgestalt heute einfach unmöglich wäre, für die Bühne gerettet.

Das schönste Kennzeichen Mozart’scher Musik, Anmuth, Klarheit und vollendetes Ebenmaß, ist auch der „Gärtnerinaufgeprägt. Die ernsten Nummern — und sie bilden die Mehrzahl — athmen warme, natürliche Empfindung, die sich momentan zu schmerzlichen Accenten steigert, ohne doch in das leidenschaftliche Pathos der tragischen Oper zu verfallen. Man höre nur die Arie, in welcher Sandrina, im öden Wald allein zurückgelassen, ihre Angst und Verzweiflung aus drückt. Bei aller Süßigkeit der Melodie tritt der dramatische Nerv doch schon so stark hervor, daß man ohneweiters auf den späteren, reifen Mozart rathen könnte. Auch zeigt sich hier schon die veränderte Rolle, welche Mozart dem Orchester anweist, indem er dasselbe aus blos dienendem Accompagnement zu selbstständiger und charakterisirender Be deutung erhebt. Geringfügiger sind die Sologesänge Ramiro’s und Arminda’s. Als entschieden komische Figur wirkt der Pod està sowol im Ensemble, wie in seiner Buffo-Arie „Ha dieser Frevel!“ In feinerer Komik bewegen sich die ver liebten Neckereien des dienenden Pärchens Serpetta und Nardo. Merkwürdig ist die Freiheit und Sicherheit, mit welcher schon der junge Mozart die großen Ensembles ge staltet. Ein Beispiel liefert gleich die Introduction der Oper, in welcher die fünf Hauptpersonen sich in fröhlichem Chorsatz vereinigen, dann aber jede einzelne ihre eigenste Stimmung charakteristisch ausspricht, während die Musik in ununter brochenem Fluß weiterströmt. Noch ausgeführter und bedeu tender sind das erste und noch mehr das zweite Finale: die Scene vor der Grotte, wo die Personen im Dunkeln tappend auf einander stoßen; wahre Meisterstücke und in jedem Betracht Mozart’s würdig. Manche Vorausklänge an „Figaro’s Hoch zeit“ werden den Hörern eine angenehme Ueberraschung ge währt haben. Neben vielem Schönen und Eigenartigen fehlt natürlich auch der unvermeidliche Tribut an den Zeitgeschmack nicht: veraltete Wendungen, Wiederholungen und leere For meln, wie sie zu den Traditionen der alten Opera buffa ge hörten. Aber auf dem Ganzen liegt der leuchtende Glanz der Jugend und des Genies.

Die Gärtnerin“, spielt sich im Hofoperntheater frisch und lebendig ab. Zuerst muß wieder Frau Forster ge nannt werden, welche das neugierige Kammermädchen Ser petta allerliebst singt und agirt. Ihre Scenen mit Herrn Ritter (Nardo) gehören zu den ergötzlichsten dieses Theater-Abends. An Herrn Ritter’s klangschönem Organ und lebensvollem Vortrag hat man immer seine Freude. Nur thäte er als Kammerdiener Nardo gut daran, in Ton und Haltung nicht so oft an den Heldenspieler zu erinnern. Herr Müller singt die lyrische, Herr Schrödter die komische Tenorpartie, Beide sind vollkommen auf ihrem Platze, desgleichen Herr Felix als Podestà. Fräulein v. Artner, deren kräftiger hoher Sopran besonders im Ensemble günstig wirkt, weiß die unsympathische Rolle der Arminda, bis auf starke Uebertreibungen im Spiel, recht lebendig zu gestalten. Die musikalisch wie dramatisch weitaus bedeutendste Rolle ist Sandrina, die als Gärtnerin verklei dete Gräfin. Fräulein Lola Beeth wirkt gleich beim Auf ziehen des Vorhanges durch den Zauber ihrer bestrickend schönen Erscheinung. Wer nur auch mit den Augen hören könnte! Den würde das unausgesetzte Tremoliren, der un saubere, verwischte Tonansatz, die klägliche Einfärbigkeit eines jeder Phrasirung entbehrenden Vortrages nicht sonderlich stören. ... Die beiden uralten neuen Opern, insbesondere Bastien und Bastienne“, haben eine glänzende Aufnahme gefunden und dürften weit über den Rahmen des Mozart- Jubiläums hinaus noch fröhlich fortgedeihen. Es wird man chem Musikfreund wohlthun, einmal nach vielen Jahren Opern ohne Posaunen und Tuben, ohne Trompeten und Pauken, ohne Becken und große Trommel zu hören und keinen Augenblick diese jetzt unentbehrlich gewordenen Instru mente zu vermissen.

Die jüngsten Mozart-Aufführungen haben uns will kommenen Anlaß gegeben, Sänger und Sängerinnen, Vir tuosen und Dirigenten ob ihrer pietätvollen Leistungen zu preisen. Es drängt uns schließlich, im gleichen Sinn zweier Männer zu gedenken, welche als Musikschriftsteller hohe und bleibende Verdienste um Mozart sich erwarben: Otto Jahn und Ludwig v. Köchel. Wie oft sind ihre Werke gerade in diesen Festtagen gelesen und benützt worden! Otto Jahn’s

Mozart-Biographie gehört zu jenen Meisterwerken der musikalischen Literatur, die keines Lobes mehr bedürfen. Das Buch hat zur Erkenntniß und Würdigung Mozart’s un endlich viel beigetragen; es hat noch nie einen Fragenden im Stich gelassen und wird seinen Werth, seinen Einfluß behalten, so lange man Mozart studirt. Ein Arbeiter in bescheidenerer Sphäre, aber ein ebenso rüstiger, gewissenhafter, opferwilliger Arbeiter war Ludwig v. Köchel, der Verfasser des großen „Chronologisch-thematischen Katalogs von Mozart’s sämmtlichen Werken“. Er war Erzieher der Söhne des Erzherzogs Karl und hatte nach Vollendung dieser Mission sich vollständig musikhistorischen Studien, insbesondere bezüglich Mozart’s, hingegeben. Vor Köchel’s Katalog besaß man keine halbwegs vollständige Evidenz der riesigen Thätigkeit Mozart’s. Zwanzig Jahre rastloser Arbeit und mühsamer, kostspieliger Reisen verwendete Köchel darauf, alle Manuscripte, Original- Ausgaben und Abschriften Mozart’scher Compositionen aufzustö bern als Bausteine für sein großes, Otto Jahn gewidmetes Werk. Wie viel Nutzen hat es nicht wieder in den letzten Tagen der Musikwelt gebracht! Zu Mozart’s Zeiten war die Be zeichnung der Compositionen mit fortlaufenden Opuszahlen noch nicht Sitte. Nun hat Mozart beispielsweise 13 Sym phonien in derselben Tonart D-dur, 4 Clavierconcerte in C-dur, 4 Streichquartette in G-dur, ebenso viele in B-dur geschrieben. Wie war es möglich, auf einem Concertpro gramm oder in einer Kritik eines dieser Werke genau zu bezeichnen? Jetzt nennt man einfach die Nummer, unter welcher die betreffende Composition in Köchel’s Katalog verzeichnet steht. Dem Leser wird in den jüngsten Mozart- Aufführungen der Beisatz „K.-Nr. ...“ auf vielen Concert programmen aufgefallen sein — ein dankenswerther Finger zeig für diejenigen, die etwa das Stück vor der Aufführung sich verschaffen und durchspielen wollten. Hoffentlich läßt man diese neue lobenswerthe Einrichtung auf den Concert programmen nicht wieder einschlafen. Otto Jahn ist in Göttingen1869, L. v. Köchel in Wien1877 gestorben. Das Andenken beider Männer soll uns theuer und ehr würdig bleiben, denn sie haben Mozart ein Monument er richtet, das jedes marmorne überdauern wird.