Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 9877. Wien, Dienstag, den 23. Februar 1892 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 9877. Wien, Dienstag, den 23. Februar 1892 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 23.02.1892
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Musik. Die Glocke“ von Max Bruch. — Concert des Philharmonischen Vereins „Nicolai“. — „Das Glockenspiel,“ Ballet von J. Massenet.)

Ed. H. Die „Gesellschaft der Musikfreunde“ hat in ihrem dritten Concert Bruch’sComposition der Schillerschen Glocke — eine Novität für Wien — zur Aufführung gebracht. Kein zweites Gedicht ist der deutschen Nation so sehr ans Herz gewachsen, wie „die Glocke“; ihre goldenen Sprüche begleiten und führen uns von Kindheit auf durch’s ganze Leben. Die unermeßliche Popularität dieser Dichtung drängte nach jeder Art von Illustration; man wollte „die Glocke“ in Zeichnungen und Gemälden nachgenießen, man führte sie theatralisch „mit lebenden Bildern“ auf, man ver langte sie auch gesungen zu hören. Triftige Bedenken sprechen gegen die musikalische Eignung dieses Gedichtes; aber auf jeden abmahnenden Aesthetiker kommt ein muthiger Com ponist, welcher mit dem lebendigen Experiment die Theorie entwaffnet. Wie verlockend für den Musiker ist die Mannigfalt von Situationen und Empfindungen, durch welche der Dichter hier alle bedeutenden Verhältnisse der Menschen erschöpft: Kindheit, Jugend, Liebe, Ehe, Ver nichtung durch Tod und durch Feuersbrunst, Ordnung und Friede, Krieg und Revolution! Daß diese Einzelbilder wol dem Inhalt, aber nicht der Form nach musikalischem Aus druck zugänglich sind; daß sie durch musikfeindliche Zwischen glieder — die realistische Schilderung des Glockengießens und die lehrhaften Sentenzen — jeden Augenblick unterbrochen werden, davor schlossen die Componisten lieber die Augen. Lindpaintner suchte dieser Schwierigkeit auszuweichen, indem er den auf zwei Declamatoren vertheilten Stoff mit vollem Orchester melodramatisch durchbrach und begleitete. Da ließen sich die ungefügen reflectirenden Reden dem Decla mator ohne Unterbrechung zutheilen, also rasch erledigen, während bei den beschreibenden Schilderungen die sympho nische Musik sich beliebig frei ausbreiten durfte. Die ge hoffte Wirkung blieb aber aus; ein Opfer der Zwitternatur jedes längeren Melodrams. Für den Gesang ist didaktische Poesie ebenso wenig geeignet, wie beschreibende; rein lyrische Stellen finden sich aber nicht viele in der „Glocke“. Trotz dem hat ein Musiker nach dem andern das Gedicht zu einer vollständigen Cantate geformt. In allen großen und kleinen Städten erfreute man sich noch vor fünfzig Jahren an

Andreas Romberg’s leicht ausführbarer, philiströs gemüth licher Composition. Ihm folgte Karl Haslinger in Wien und versetzte die Glocke in etwas moderneren, aber nicht weniger kraftlosen und langweiligen Schwung. In neuester Zeit haben Bernhard Scholz und Max BruchSchiller’s Gedicht als große Concert-Cantaten neu behandelt. Diese wiederholten Versuche beweisen, daß unsere Tondichter trotz aller von dem Gedicht abmahnenden und ihnen gewiß nicht verborgenen Schwierigkeiten immer von neuem auf günstigen Erfolg hoffen. Und nicht ohne Grund; denn Schiller’s Ge dicht wurzelt so fest in der allgemeinen Liebe und Ver ehrung, daß das Publicum es in allen Gestalten als einen theuren Jugendfreund begrüßt und auch schwächere musikalische Glockengießer nicht fallen läßt.

Max Bruch hat bis heute den Sieg über alle seine Rivalen festgehalten. Seit Jahren erprobt seine Glocke in deutschen Concertsälen, namentlich am Rhein, ihre Zugkraft. Ihre Einführung in Wien erschien umsomehr gerechtfertigt, als die großen Singvereine sehr wenig Auswahl haben an modernen Cantaten weltlichen Inhalts. Man kennt die un bestrittenen und nachhaltigen Erfolge Max Bruch’s; die besten Geigen-Virtuosen Europas spielen seine drei Violin- Concerte, und alle deutschen Gesangvereine führen Bruch’sche Chöre in ihrem Repertoire. Eine Musik von genialer Ursprünglichkeit, gedankentief und hinreißend, wird Niemand von diesem Componisten erwarten; das ist auch seine „Glockenicht. Aber als erfahrener, feingebildeter und effectkundiger Musiker hat er sich auch an diesem Stoff bewährt. Da Sangbar keit der Melodien sich immer seltener bei deutschen Componisten findet, so sei vorerst hervorgehoben, daß Bruch immer stimm gemäß und dankbar für die Sänger schreibt. Seinen Chören insbesondere ist selbst bei geringfügigem Ideengehalt eine schöne Klangwirkung sicher. Das Gleiche gilt vom Orchester, dessen Wirkungen Bruch mit sicherer Hand vorzubereiten und zu steigern versteht. Der beste Theil der Partitur liegt in den Chören und den mehrstimmigen Gesängen. Gleich zu Anfang fand der melodiöse Chor „Denn mit der Freude Feierklängen“ lebhaften Beifall. Weniger behagen uns die sentimentalen Sologesänge; trotz aller Form- und Klangvorzüge ist doch ihr Grundzug: elegante Trivialität. Von großer dra matischer Lebendigkeit ist die Schilderung der Feuersbrunst, von schöner Wirkung der Chor „Heilige Ordnung“ und das Terzett „Holder Friede“. Die Schwierigkeit, reflectirende Stellen in Musik aufzulösen, hat auch Bruch nur nothdürftig bewältigt. Trockene Recitative sind uns immer noch lieber, als die

biedermännische Sentimentalität des „Meisters“ in Bruch’s Glocke. Die Aufführung ging befriedigend von statten. Herr Gericke dirigirte, die Solopartien waren im Besitze von Fräulein Artner, Frau Körner, Herrn Walter und Herrn Ritter, also in den besten Händen. Herrn Ritter, der vielfach an die Vorzüge Reichmann’s erinnert, warnen wir blos vor dessen Fehler, die gleichgiltigsten Dinge mit über strömendem Gefühl und überströmender Stimme zu singen. Das Publicum, anfangs etwas kühl, erwärmte sich im Ver laufe des Werkes immer mehr und zeichnete die schönen Leistungen des Singvereines und der Solisten durch leb haften Beifall aus.

Das Concert der Philharmoniker zum Besten ihres Unterstützungsvereins „Nicolai“ begann mit Dvořak’s dramatischer Ouvertüre „Husitska“ (die Hussitische). Es ist dies eine groß angelegte Composition von gewaltiger, fast unheimlich drängender Energie. Aus der langsamen Ein leitung, deren Thema einem altböhmischen Kirchenlied ent stammt, tritt uns die schwermüthige Andacht, aus dem Allegro die ganze Wildheit und Kampfbegier der Hussiten leibhaftig entgegen. Das Stück klingt so fanatisch, als wenn es stellen weise mit Aexten, Sensen und Morgensternen instru mentirt wäre. In Wien wird die Hussiten-Ouvertüre keinen Schaden anrichten; bei einer Volksversamm lung auf dem Ziskaberg möchten wir sie aber nicht ausspielen lassen. Von rein musikalischem Standpunkt be trachtet, verräth die Composition trotz ihrer Ueberfülle und ihres Ueberlärms eine geniale Begabung und große technische Herrschaft. Dvořak verfällt nicht in die Formlosigkeit und die Jagd nach falschen Contrasten, die uns in den „drama tischen“ Symphonien so vieler neudeutscher Componisten ab stößt. Dieser Slave kennt gründlicher als mancher Deutsche seinen Beethoven, dessen Coriolan und Egmont nicht ganz ohne Einwirkung auf die „Husitska“ geblieben sind. So werthvoll und interessant uns auch diese neue Bekannt schaft war — für Wien und just für die Faschings zeit hätte sich eine Auswahl aus Dvořak’sNeuen Slavischen Tänzen“ (op. 72) besser empfohlen. Es sind dies reizend erfundene und glänzend instrumentirte Stücke, die man überall kennt — nur in Wien nicht. Zum erstenmal hörten wir auch die „Sommernächte“ von Hektor Berlioz, eine Reihe von sechs (nicht zusammen hängenden) Sologesängen mit Begleitung eines kleinen Orchesters. Sie halten zwischen Romanzenform und dra matischer Scene ungefähr die Mitte und gehören zu den an

spruchslosesten und liebenswürdigsten Stücken dieses sonst nur in schwerer Rüstung auftretenden Tondichters. Alle sind durchaus warm empfunden und fein ausgeführt, freilich nicht ohne harmonische und rhythmische Sonderbarkeiten. Durch die bedauerliche Verhinderung der Frau Ellen Forster entfiel das erste Stück dieser Liederreihe, zugleich das einzige von idyllisch heiterem Charakter. Die fünf übrigen Gesänge, von überwiegend düsterem und schmerzlichem Inhalt, waren abwechselnd der Frau Kaulich, den Herren Walter und Ritter zugetheilt. Mit rühren dem Ausdruck sang Herr Walter das geisterhafte Mond scheingemälde „Auf dem Friedhof“. Magisch wirken darin einige Terzengänge der Flöten über den gedämpften Streich instrumenten, desgleichen die harmonischen Flageolettöne einer Violine und einer Bratsche zu den Worten: „Leuchtend in schwankem Licht“. Dem Klaggesang „Auf den Lagunen“ lieh Herr Ritter seine schöne Stimme und weiche Empfindung. Frau Kaulich, die wir als eine außergewöhnlich musikalische Sängerin schätzen, war in den „Sommernächten“ nicht ganz auf ihrem Platze. „Der Geist der Rose“, „Das unbekannte Land“ und vor Allem die „Trennung“, dieses schönste Lied der ganzen Sammlung, verlangen eine Stimme von sympa thischem Wohllaut und einen sehr zarten, innigen Vortrag. In der von Hellmesberger für Streichorchester bear beiteten Bach’schen Violin-Sonate feierten unsere vortreff lichen Geiger einen Triumph. Großen Beifall erntete unser jüngster Kammer-Virtuose, Herr Marcello Rossi, für seinen eleganten Vortrag des D-moll-Violinconcerts von Vieux temps. Zum Schluß übte die unter Hanns Richter’s Leitung glänzend ausgeführte zweite Rhapsodie von Liszt ihre unfehlbare berauschende Wirkung.

Massenet und van Dyck sind nach der für Beide so erfolgreichen Werther-Aufführung abermals auf der Bühne des Hofoperntheaters erschienen; der Eine als Autor eines Ballet-Librettos, der Andere als Componist desselben. Beide Herren dürften darin einig sein, daß „das Glockenspiel“ nicht zu ihren Heldenthaten zählt, welcher Ansicht wir unbedingt zustimmen. Die Handlung stützt sich auf eine flandrische Heiligen-Legende, welche Herr van Dyck aus seiner Heimat mitgebracht und folgendermaßen gestaltet hat. Bertha, das schöne Wirthstöchterlein (Fräulein Cerale), wird von zwei abgeschmackten reichen Freiern bedrängt, die, wie das schon üblich ist, dem Vater, aber nicht der Tochter gefallen. Sie liebt einen jungen Uhrmacher, Karl (Herr Frappart). Dieser ist emsig damit beschäftigt, das unbrauchbar gewordene

alte Glockenspiel der St. Martinskirche in Courtray in Stand zu setzen, als man den feierlichen Einzug des Herzogs Philipp von Burgund für den nächsten Tag verkündigt. Der Herold entrollt ein Pergament, worauf zu lesen ist: „Wenn morgen um 6 Uhr beim Einzuge des Herzogs, das Glockenspiel nicht erklingt, wandert Meister Karl ins Gefängniß.“ Nun gehören Glockenspiele bekanntlich zu den Instru menten, die viel schneller verdorben als reparirt sind; Karl hat somit allen Grund, zu verzweifeln. In dieser Gemüths verfassung wirft er sich in stiller Nacht vor der Statue des heiligen Martin betend auf die Kniee. Da zeigt sich der steinerne Heilige plötzlich von hellem Licht umflossen und nickt verständnißvoll mit dem Kopfe; zugleich sieht man oben im Thurme die Glocken, die von Engeln geschlagen werden. Freudestrahlend theilt Karl diese Vision seiner Bertha mit. Die beiden von ihr verschmähten Freier, der Bäckermeister Jef (Herr Price) und der Vorstand der Kaminfegerzunft, Pit (Herr van Hamme), geben aber ihre Sache nicht auf und beschließen, um ja der Einkerkerung Karl’s sicher zu sein, das Glockenspiel gänzlich zu zertrümmern. Heimlich erklettern sie den Thurm, und unter ihren Hammerschlägen stürzt das Glockenspiel krachend zusammen. Der Morgen bricht an, und Schlag 6 Uhr erklingt das Glockenspiel! Der heilige Martin hat es wieder hergestellt und die beiden Uebelthäter in mechanische Figuren verwandelt, die mit ihren Hämmern auf die großen Glocken schlagen. Karl ist gerettet; an seinem Halse hängt Bertha und obendrein eine schwere goldene Kette als Geschenk des Herzogs.

Der heilige Martin, den wir bisher nur als barm herzigen Halbirer seines rothen Mantels kannten, hat das größte Verdienst um das neue Ballet. Es ist ein Wunder werk — nämlich von Seite des heiligen Martin. Textdichter und Componist haben nichts Uebernatürliches geleistet. Die Grundidee mit der Glockenspiel-Legende ist recht poetisch und wirkt sehr hübsch in der Hauptscene auf dem Glockenthurme. Was sich unter demselben, auf der Straße, begibt, enthält hingegen wenig Neues und erinnert an ähnliche Balletscenen und Figuren. Auf der französischen Partitur ist „Le Carillon“ nicht als Ballet, sondern mit ungewöhnlicher Vor nehmheit als „Légende mimée et dansée“ bezeichnet, was ungefähr bedeuten soll, daß der Tanz hier untergeordnet sei der pantomimischen Handlung. In der That hat Massenet sein Augenmerk vorwiegend auf eine dramatisch erklärende, den Vorgängen sich genau anpassende Musik gerichtet und diese Aufgabe mit all der Feinheit und Schärfe gelöst, die

man von dem Componisten der „Manon“ erwarten durfte. Aber eine jedem scenischen Detail auf das genaueste fol gende Musik muß darum noch keineswegs reizend sein. Und das ist auch Massenet’s „Carillon“ nur in wenigen Momenten. Meistentheils ist sie bizarr, trocken und ver künstelt, ohne die gesunde natürliche Heiterkeit und melodiöse Frische, welche wir an einer Balletmusik nicht gern vermissen. Im „Glockenspiel“ kommen nur zwei eigentliche Tanzstücke vor: gleich anfangs eine Art schwerfälliger Walzer über einem ermüdend festsitzenden Grundbaß, dann gegen den Schluß ein „Vlämischer Tanz“ in Allabreve-Tact von er drückender Monotonie; beides sonderbare, melodiehungrige Fremdlinge in einem Lande, wo Johann Strauß herrscht. Dann gibt es zwei festliche, in Tanzbewegungen ausschwingende Aufzüge der Kaminfeger und der Bäcker; aus Furcht, gewöhnlich zu werden, charakterisirt Massenet diese friedlichen Gewerbe mit einer ungewöhnlich verzwickten und unlustigen Musik. Insbesondere der Bäckertanz, eine abge härmte Melodie, unter welcher die Pauke durch 24 Tacte einen Orgelpunkt auf F (zu drei gleichen Schlägen in jedem Tact) hämmert, macht den Hörer nervös. An starkes Gewürz hinlänglich gewöhnt, wird es uns, vollends in Tanzmusik, doch zu viel, immer nur übermäßige und verminderte Dreiklänge, absichtlich verkrüppelte Rhythmen und dissonirende Querstände zu vernehmen. Einmal jedoch unterbricht der Componist diesen musikalischen haut-goût durch ein längeres Musikstück von zartem natür lichen Duft. Wir meinen den „Liebesdialog“, der auf der Bühne von Karl und Bertha, im Orchester von einer Violine und einem Violoncell geführt wird. Diese zärtliche Melodie über leise pizzikirten Accorden hebt sich erquickend aus dem Ganzen. Auch wo es auf musikalischen Witz und virtuose Technik ankommt, hat Massenet vortreffliche Einfälle; z. B. in der Nachahmung der krähenden Hähne und gackernden Hühner am frühen Morgen; dann in der Verwendung des Glocken spiels. Das dürftige Thema dieses flandrischen Carillon hat Massenet aus antiquarischer Pietät unverändert gelassen; er hat es nicht ohne Mühe aufgefunden und entziffert — in Dijon. Dorthin hat nämlich der Herzog Philipp von Bur gund (der in der Schlußscene zu Pferde erscheint) thatsächlich das Glockenspiel aus der Stadt Courtray mitgeschleppt. Auch in Dijon ist es längst nicht mehr im Gang. Hoffen wir, daß es zur Freude der beiden liebenswürdigen Autoren in Wien desto länger nachklingen werde.