Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 9948. Wien, Donnerstag, den 5. Mai 1892 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 9948. Wien, Donnerstag, den 5. Mai 1892 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 05.05.1892
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Zur Eröffnung der Musik- und Theater-Ausstellung.

Ed. H. Die Ausstellung, welche in fast unübersehbarem Reichthum sich übermorgen vor unseren Augen entfalten wird, ist aus einem ursprünglich bescheidenen Kern emporgewachsen. Zur hundertsten Wiederkehr von Mozart’s Todestag (1891) war in Wien eine Ausstellung von musikalischen Instru menten, Autographen, Drucken und Porträts geplant, welche etwa nach Art der Grillparzer-Ausstellung in den Localitäten des Rathhauses Platz gefunden hätte. Je tiefer man, be sprechend und berathend, in das Detail dieses Planes ein drang, desto mächtiger wuchs der Rahmen desselben in die Höhe und Breite. Warum nur die Geschichte der Musik illustriren und nicht auch die Entwicklung des Theaters? Und warum nicht über eine österreichische Musik- und Theater-Ausstellung hinausgreifen zu einer internatio nalen? So trieb in dem genialen Frauenkopf, welchem die erste Anregung entsprang, der Urgedanke immer neue Aeste und Zweige, bis in unbegreiflich kurzer Zeit eine in ihrer Art ganz einzige Ausstellung fertig stand. In ihrer Grund idee und Gestaltung hat sie weder Vorgänger noch Rivalen. Die letzten Pariser Weltausstellungen haben allerdings der „Histoire du travail“ — oder wie wir’s 1873 in Wien nannten, der „Additionellen Ausstellung“ — einige Pavillons oder Galerien eingeräumt, aber darin bildeten Musik- und Theater-Geschichte nur eine sehr dürftige Unterabtheilung, eine amüsante Beigabe zur Hauptsache: der Industrie-Aus stellung. Zum erstenmal haben wir jetzt eine ausschließlich musikalisch-theatralische Exposition, die gerade durch diese Beschränkung ihren Zweck in außerordentlicher Vollständig keit und wissenschaftlicher Gruppirung zu erreichen vermag. In Wien erschien 1873 die Tonkunst als Ausstellungs- Gegenstand auf die Instrumente beschränkt, während in Paris 1867 die Musik selbst sowol als schaffende Kunst (durch Compositionen) wie als reproducirende (durch Vocal- und Instrumental-Concerte) zu förmlichem Wettkampf aufgerufen war. Unsere diesjährige „Musik- und Theater-Ausstellung“

benützt mit Recht das Beispiel der Franzosen, indem sie auch der lebendigen Musik durch eine fortlaufende Reihe von Concerten und Opernvorstellungen außerordentliche Entfal tung gewährt. Daß damit nicht wie in Paris auch das Princip der Preisbewerbungen, dieser Brutstätte von Neid und Eifersucht, verbunden ist, erhöht den vornehmen Cha rakter des Unternehmens und kann jedem in derlei Aus stellungsturnieren Erfahrenen nur willkommen sein.

Das Publicum, das am 7. Mai staunend die herr lichen Räume durchwandeln wird, hat schwerlich eine richtige Vorstellung von der aufreibenden geistigen und physischen Arbeit, welche in dem Unternehmen steckt. Um nur von den Spitzen zu reden: die Fürstin Metternich und ihr zu nächst die Gräfin Kielmansegg haben monatelang ihr ganzes Denken und Thun dafür eingesetzt. Und als ich vor mehr als vier Wochen die noch gänzlich leere Rotunde be sichtigte, traf ich den Präsidenten der Ausstellung, Mark grafen Pallavicini, schon längst installirt in seinem kahlen Bureau und eifriger beschäftigt, als der letzte seiner Secretäre. Welches Kapital von Kenntnissen und Thatkraft hatten die Fachreferenten — speciell Pro fessor Adler für die Musik — aufzuwenden, um von überall her diese Unzahl werthvollster Objecte zu erlangen und nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu ordnen! Das wissenschaftliche Interesse ist in der Ausstellung streng ge wahrt, aber es wird keineswegs allein herrschen, sondern in glücklichster Verbindung mit dem Unterhaltenden und Ergötz lichen. Man kann das in Kürze so präcisiren: in der Rotunde die Belehrung, im Park das Amüsement und die Erholung. Genauere Beschreibung all des Schönen und Merkwürdigen in der Ausstellung wird den ganzen Sommer hindurch Theater- und Musikreferenten in Athem halten. Heute beschränkt sich meine Absicht darauf, den Leser auf einem flüchtigen Orientirungsgang durch die musikhisto rische Abtheilung in der Rotunde zu geleiten und ihn auf einige der werthvollsten Objecte aufmerksam zu machen.

Links vom Eingange durch das Südportal beginnt die Illustration der Entwicklung der Tonkunst von der ältesten bis zur neuesten Zeit, durch Handschriften, Drucke, Instrumente, Porträts, Medaillen u. s. w. Eine Art Vorhof dazu bildet die „Ethnographische Musik

ausstellung“: wunderliche, meist primitive Instrumente fremder Völkerschaften, ebenso interessant durch ihr hohes Alter wie durch ihre verschiedenartigen seltsamen Formen. Daran schließt sich die Ausstellung von Documenten der vorchristlichen Musik. Sie ist keineswegs reich haltig, birgt aber eine der größten Merkwürdigkeiten: ein Fragment des „Papyrus Erzherzog Rainer“. Diese Papyrusrolle (aus dem Beginne unserer Zeitrechnung) enthält Text und Partitur, Instrumental- und Vocal noten eines Chorliedes des „Orestes“ von Euripides und ist das älteste und einzige erhaltene Stück griechischer Musik. Griechenland ist außerdem durch die Werke seiner berühmtesten Musik-Theoretiker und Historiker ver treten. Einen viel kleineren Raum nimmt das alte Rom ein. Die Römer, diese Engländer des Alterthums, hatten zu viel mit Staatskunst, Jurisprudenz und Kriegswissenschaft zu thun, um sich besonders um Musik zu kümmern. Wir schreiten vorwärts zum Mittelalter. Mehr als hundert Bilder der heiligen Cäcilia verkünden hier gleichsam die Alleinherrschaft der geistlichen Musik. Wir betrachten alte Handschriften des Gregorianischen Gesanges, die ältesten Proben der Notenschrift — Neumen, Choralnoten, Mensural noten — Vieles mit kostbaren Miniaturen, wie zum Bei spiel das Antiphonar des Königs Mathias Corvinus. Näher stehen uns schon Minnegesang und Meistergesang. Unschätzbar sind die Lieder des Tiroler Minnesängers Oswald von Wolkenstein, ein prachtvoll ausgestatteter Band aus dem Privatbesitze des Kaisers. Zunftbücher, Tabu laturen und Gemälde versinnlichen uns die Thätigkeit der Meistersinger.

Nun beginnt die Musik in das Stadium des eigentlich kunstmäßigen Satzes, des Contrapunktes, einzutreten durch die Niederländer, deren Componisten und Sänger das fünfzehnte und sechzehnte Jahrhundert beherrschen. Zu den kostbarsten Monumenten dieser Kunst-Epoche gehört der vom Unterrichtsministerium ausgestellte „Tridentiner Codex“, eine der reichhaltigsten handschriftlichen Samm lungen niederländischer Compositionen des fünfzehnten Jahr hunderts, geschrieben von dem Trienter Bürger Johann Wiser. Lehrreich und übersichtlich dargestellt ist die Entwick lung des Notenstiches und Druckes. Da sehen wir

zuerst liturgische Werke, in welchen die Notenlinien gedruckt, die Noten aber geschrieben sind; dann werden die Linien ge druckt, die Noten gestempelt (Patronendruck); endlich versucht man es mit Holztafeldrucken. Dieses sehr kostspielige Verfahren — weil für jedes Notenbeispiel eine besondere, nicht weiter brauchbare Tafel geschnitten werden mußte — machte endlich der großartigen Erfindung Platz, mittelst beweglicher Metalltypen Noten zu drucken. Der Er finder, Ottavio Petrucci, erhielt 1498 das päpst liche Privilegium darauf und etablirte sich in Venedig. Nebst diesen feinen, eleganten Petrucci-Drucken, die zu den größten musikalischen Kostbarkeiten gehören, bietet die Ausstellung die ersten deutschen Notendrucke aus den Offi cinen in Augsburg, Mainz, Nürnberg, Prag. Den Abschluß machen die Notendrucke aus Kupferplatten. Aus dem sech zehnten Jahrhundert sehen wir die Werke der berühmtesten Theoretiker in Original-Ausgaben, dazu ein Cancionale der Hussiten und der Mährischen Brüder. Eine eigene Gruppe dieser Abtheilung bildet die protestantische Kirchenmusik; darunter das „Wittenbergisch deutsch geistlich Gesangbüch lein“ von Johann Walther, dem Freunde Luther’s, vom Jahre 1551.

Wir kommen nun zu den Anfängen der Oper und des Oratoriums. Die italienischen Madrigale und die Monodien, welche als die ersten Erscheinungen kunstmäßigen Sologesanges direct zur Entstehung der Oper, des „Drama in musica“, leiten, sind durch kostbare Sammlungen ver treten. Von der königlichen Bibliothek in Berlin wurden die ersten Opern, hochwichtige Marksteine in der Geschichte der Musik, eingeschickt: Caccini’s und Peri’sEuridice(beide aus dem Jahre 1600) und Monteverde’s Orfeo“ (1607). Auch die denkwürdige Hamburger Unternehmung ist nicht vergessen, die erste stehende deutsche Oper, an welcher Reinhard Kaiser, Matheson, Händel wirkten. Nebst den ältesten Hamburger Operntextbüchern finden wir da eine ganze Reihe Opern-Autographe von Reinhard Kaiser. Das anstoßende Gelaß repräsentirt die Blüthe der Musik am bayrischen Hofe im sechzehnten Jahrhundert und enthält vorzugsweise Compositionen von Orlando Lasso, dem berühmten Niederländer, der 1595 als Hof-Capellmeister des Herzogs Albert V. in München starb.

In den anstoßenden Räumen wird die Entwicklung der Instrumental-Musik im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert dargestellt. Zuerst der Orgel und des Claviers. Dann fesseln uns nicht weniger als vier Separat-Ausstellungen auserlesener alter Musik-Instrumente. Erstens das Ber liner königliche Instrumental-Museum; wol die Krone aller ähnlichen systematisch geordneten Sammlun gen. Daneben die schönen italienischen Streichinstrumente des Baron Nathaniel Rothschild. Ferner die kostbare Samm lung von Instrumenten des sechzehnten und siebzehnten Jahr hunderts aus dem Besitz des Erzherzogs Franz Ferdi nand von Este. Schließlich eine reiche Collection alter Instrumente, namentlich italienischer Geigen, welche der Wiener Instrumentenmacher Zach mit bedeutenden Opfern auf ausge dehnten Reisen erworben hat. Man wird gar nicht fertig, diese unschätzbaren vier Instrumenten-Sammlungen zu betrachten und zu studiren. Was die Entwicklung der Orgelmusik betrifft, so sehen wir die Werke zahlreicher bedeutender Or ganisten, getrennt nach norddeutschen und süddeutschen Schulen. Mit diesen ist der Uebergang zu Joh. Seb. Bach unmittelbar gegeben. Wir stehen andächtig bewundernd vor den beiden colossalen Säulen, welche eine große Musikepoche abschließen und zugleich eine neue einleiten: Händel und Bach! Porträts und Autographe versinnlichen uns die Persönlichkeit und das Wirken der beiden großen protestan tischen Meister. Selbstverständlich sind auch die SöhneBach’s nicht vergessen.

Als träten wir aus der feierlichen Erhabenheit eines gothischen Doms in die frühlingswarme, grüne Landschaft hinaus, so wird uns zu Muthe, wenn wir jetzt von Sebastian Bach zu den Meistern Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert gelangen, welche Wien zum Mittelpunkt der musikalischen Welt gemacht haben. Mit ihrer Musik sind wir aufgewachsen, ihre Melodien sind uns vertraut, wie ihre Gesichtszüge, die aus unzähligen Porträts und Büsten uns anblicken. Es versteht sich, daß die Wiener Ausstellung hierin besonders reich ist an Documenten und Erinnerungen. Wo hin nur zuerst blicken? Da sehen wir neben einem großen Original-Porträt von Haydn (dem Fürsten Esterhazy ge hörig), das Autograph seiner Nelson-Messe, seiner „Schöpfungund mehrerer Symphonien. Unter den zahlreichen Ehren

diplomen Haydn’s Ernennung zum Ehrenbürger von Wien (1804); ferner eine reizende Schreibcassette mit einem Aquarell, darstellend das denkwürdige „Liebhaber-Concert“ vom 27. März 1808, der letzten Musik-Aufführung, welcher Joseph Haydn beigewohnt hat. Von Gluck sind die Original-Ausgaben seiner Werke ausgestellt und das Autograph seiner Oper „Telemacco“. Mit Rührung betrachten wir zahlreiche Erinnerungen an Mozart. Sein Clavier, aus dem Nachlaß Liszt’s, und seine Stainer-Geige; die hand schriftliche Partitur des Requiems und der G-moll-Symphonie (Eigenthum J. Brahms). Ueber der ersten Ausgabe des Don Juan“ und dem ältesten Textbuch der „Zauberflötehängen die Original-Cartons von Schwind’s Fresken zur Zauberflöte“ im Hofoperntheater und die sorgsam ausge führte Original-Skizze (in Oel) von Munkacsy’s Gemälde Mozart’s letzte Stunden“. (Eigenthum des Herrn L. Lobmeyr.) Von Beethoven’s Handschrift sind Briefe und Compo sitionen ausgestellt, dann Büsten, Gesichtsmasken und zahl reiche Porträts, die zum Theil einander erstaunlich un ähnlich sind. Ein biographisch merkwürdiges Schriftstück ist die „Verbindungs-Urkunde“, in welcher der Erzherzog Rudolph, die Fürsten Kinsky und Lobkowitz dem Meister eine lebens längliche Pension aussetzen, blos um ihn an Oesterreich zu fesseln. Die Urkunde ist ausgefertigt im Jahre 1809, dem Todesjahr Haydn’s und Albrechtsberger’s — ein symbolischer Grenzstein zwischen dem zurücktretenden alten und einem die Weltherrschaft antretenden neuen Musik-Ideal. Die reizende Marmorbüste eines jungen Mädchens fesselt unsern Blick: die Gräfin Julia Guicciardi, die Muse der Cis-moll- Sonate! Beethoven’s Wandnachbar in der Rotunde wie in der Musikgeschichte ist Franz Schubert. Die schönsten seiner ausgestellten Autographe — so reinlich, correct und zierlich, wie die Beethoven’schen derb und unförmlich — sind Eigenthum Nikolaus Dumba’s. Darüber zwei humoristische „Schubertiaden“ von Schwind.

Reich vertreten ist das achtzehnte Jahrhundert durch Autographe, Bilder und Drucke seiner hervorragenden Componisten, nach Möglichkeit geordnet in Gruppen der Kammer-, Haus- und Orchestermusik, der Oper und des Oratoriums. Wir befinden uns da in der gewählten Gesell schaft von Hasse, Graun, Scarlatti, Boccherini, Porpora,

Salieri, Abbé Vogler, Tomaschek, Forkel, Zelter und Anderen. Im anstoßenden Gelasse befinden sich Stücke aus der Ge schichte der Oper in Wien, München und Dresden während des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, dann Auto graphe und Bilder der Componisten aus fürstlichen Häusern. An Schubert reihen sich (an der Hauptwand gegenüber den Classikern) die Romantiker: Weber, Mendelssohn, Schu mann, Spohr, Meyerbeer, Marschner, Löwe, Liszt und Chopin. Besonderes Interesse erweckt ein Porträt Meyer beer’s aus seinen Knabenjahren und das Autograph der Afrikanerin“; von Weber die „Euryanthe“ und Entwürfe zum „Oberon“; von Mendelssohn und Schumann zahlreiche Briefe und musikalische Autographe. Die Abthei lung „Liszt“ ist überaus reich beschickt von Budapest und Weimar. Herrlich ist das von W. Kaulbach gemalte lebensgroße Porträt Liszt’s in ganzer Figur und schwarzem Mantel. Richard Wagner ist der einzige Componist, für den ein eigener Bau im Parke errichtet ist, eine von Joseph Hofmann ausgeführte „Gibichungen-Halle“. Nebst dem Porträt von Lembach, der Büste von Zumbusch und vielen anderen Bildnissen finden wir hier die Autographe fast seiner sämmtlichen Musikdramen, theils aus Bayreuth, theils aus dem Nachlasse König Ludwig’s II. von Bayern.

In der Mitte des Westtransepts sind alle hier nicht ge nannten musikalischen Größen des neunzehnten Jahr hunderts vertreten. Die älteren Besucher werden an den Porträts der vormärzlichen Componisten, Virtuosen, Sänger und Sängerinnen ihre schönsten Erinnerungen aufleben sehen. Die nächste Wand hält uns mitten in der Gegenwart fest. Unser erster Blick fällt auf die von Michalek so charak teristisch aufgefaßten Brustbilder von Brahms, Joachim, Goldmark und Dvořak. Daneben lauter liebe gute Bekannte aus der Oper und dem Concertsaal. Hier dürfte das Publi cum, das sich um die Meßbücher und Instrumente des sechzehnten Jahrhunderts weniger kümmert, mit Vorliebe verweilen.

Zuletzt betreten wir eine Sammlung von so vornehmer und allerseltenster Art, wie sie wol noch keinem Ausstel lungs-Publicum geboten worden ist: das „Intérieur Habsburg-Lothringen“. Es enthält die Porträts, Autographe, Compositionen und Instrumente derjenigen öster

reichischen Monarchen, welche theils selbstschaffende Componisten, theils hervorragende Kenner und Förderer der Tonkunst waren. Eine Reihe von Oelgemälden, sämmtlich Privateigenthum des Kaisers, zeigt uns die Bildnisse dieser Herrscher: Maximilian I. und II., Ferdinand I., II. und III. Leopold I., Joseph I., Karl VI., Maria Theresia, Joseph II., Franz I. Wir sehen da Autographe von Leopold I. und dem Cardinal-Erzbischof Rudolph, dem musikalisch hochbegabten Schüler Beethoven’s. Daneben Compositionen mehrerer öster reichischer Kaiser im Original und in der jüngst von uns besprochenen Prachtausgabe von Professor Guido Adler. Ein interessantes Stück ist die Partitur der Fux’schen Oper Elisa“, aus welcher Karl VI. die Aufführung im Jahre 1725 dirigirte. Neben einander stehen das Spinett Kaiser Joseph’s II. und jenes der Kaiserin Maria Theresia. Welch bescheidene, enge, tonarme Claviere im Vergleiche zu un seren heutigen! Mit Wehmuth betrachten wir die reichver zierte Harfe der unglücklichen Marie Antoinette. Die Lauten- Tabulatur gehörte Kaiser Joseph I., dessen Lieblings instrument die Laute war. Aus neuerer Zeit stammt das Clavier, welches die Stadt München der Kaiserin Carolina Augusta1816 als Hochzeitsgeschenk verehrte; desgleichen das Streichquartett ihres Gemals, des Kaisers Franz, endlich die Zither unserer Kaiserin Elisabeth. Ein Ehrenplatz in dieser erlauchten Gesellschaft ist dem Original von Haydn’s Volks hymne gewidmet.

Neben und gegenüber den hier besprochenen Samm lungen befinden sich die Ausstellungen von Frankreich, Italien, Rußland, England und die Abtheilung für musikalische Päda gogik und Vereinswesen. In dem vorliegenden Aufsatze ist nur das Allerwichtigste und Auffallendste berührt, was die österreichische und deutsche musikhistorische Ausstellung dem Beschauer bietet. Tagelang, wochenlang wird man an ihr zu schauen, zu studiren haben. Schon aus unserer so knappen, nothgedrungen flüchtigen Ueberschau dürfte der Leser ent nommen haben, daß die Musikausstellung in der Rotunde etwas ganz Einziges und ebenso lehrreich ist für den Fach musiker wie höchst interessant für jeden Gebildeten. Gegen wärtig interessirt sich ja doch für die Geschichte der Musik, wer immer als Fachmann oder Liebhaber Musik treibt — und Musik treibt heutzutage so ziemlich Jedermann.