Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 10251. Wien, Dienstag, den 7. März 1893 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 10251. Wien, Dienstag, den 7. März 1893 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 07.03.1893
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Concerte.

Ed. H. Wien gedeiht auch im Musikgenuß immer groß städtischer und vergönnt sich nicht selten zwei Concerte an Einem Abend. Trifft da ein gutes mit einem uninteressanten zusammen, so freut sich des Kritikers „entmenschtes Herz“; das kleinere Concertchen bleibt ihm erspart. Geschieht es aber, wie in voriger Woche, daß das Abschiedsconcert des Böhmischen Quartetts“ mit dem ersten Auftreten einer der berühmtesten Sängerinnen, Madame Albani, zusammenfällt, dann empfinden wir es ganz ausnahmsweise als ein schmerzliches Geschick, nicht in zwei Concerten zugleich sein zu können. Die Neigung zog mich weit stärker zu dem „Böhmischen Quartett“, das ein neues Quartett von Grieg und Brahms’ herrliches Clavierquintett in F-moll spielte und damit, verläßlichem Bericht zufolge, das Publicum enthusiasmirt hat. Unserem Leserkreis ge bührte jedoch ein Bericht über Madame Albani, die, wie gesagt, noch niemals in Wien gesungen hat. Ich hatte bereits im Jahre 1886 Gelegenheit, sie in London zu hören: ebenso vortrefflich als Gretchen im „Faust“, wie als Oratorien-Sängerin in Gounod’s „Mors et Vita“. Die eine Seite ihres Talents, die dramatische, bleibt den Wienern leider vorenthalten; die andere, ihre Gesangskunst, hat in dem Concert vom 27. Februar vollständig gesiegt. Nach dem Andante der Casta Diva-Arie wußte Jedermann, daß er hier vor einer großen Künstlerin stehe; man brauchte noch gar nichts von ihrer brillanten Coloratur gehört zu haben. Denn mehr als diese ist der Vortrag einer einfachen, ausdrucksvollen Cantilene der richtigste Probirstein voll endeter Meisterschaft. Wie Jenny Lind und Adelina Patti, so dürfte auch die Albani heute vielleicht noch eher Rivalinnen in der Kehlenfertigkeit finden, als in dem schönen Vortrage eines Andante. Die Stimme der Albani ist ein hoher Sopran von weichem, flötenartigem Timbre, voll kommen ausgeglichen und tadellos geschult. Nicht mehr in der ersten Blüthe, scheint sie gegen Kraftanstrengungen sich zu wehren; doch klingt die Höhe im Piano und Mezza voce

noch immer rund und einschmeichelnd. Bewunderungswürdig ist der lange Athem der Albani, die edle Gleichmäßigkeit ihres Portamento, das allmälige Schwellen und Absterben des Tones. Ihr Vortrag hat echt musikalische Empfindung, ihre Coloratur zierliche Leichtigkeit; nur in dem Triller konnte man einigemale den genauen Abstand der beiden Töne vermissen. Die Arie aus Haydn’s „Schöpfungsang sie Englisch, das Duett aus dem „Fliegenden Holländer“ (mit dem tüchtigen ungarischen Bariton Herrn Ney) in deutscher Sprache. Abermals ein Beweis, daß gute Sänger und Sängerinnen in Erlernung fremder Sprachen einen unschätzbaren Vortheil besitzen an ihrem feinen musikalischen Gehör und der Geschmeidigkeit ihrer Sprechorgane. Wir haben dieselbe Erfahrung gemacht an der Artôt, die bei ihrem ersten Besuche in Wien sehr wenig Deutsch verstand und bald darauf große Rollen in deutscher Sprache sang; ähnlich an Herrn van Dyck. Madame Albani hat vor einigen Jahren in Berlin das Kunststück fertig gebracht, die Elsa im „Lohengrindeutsch zu singen, ohne Deutsch zu verstehen; es wurde ihr jedes Wort einzeln vorgesprochen, und sie behielt das schnell Gelernte so gut, daß ihre Aussprache tadellos geklungen haben soll. Neben dem außerordentlichen Erfolg der Albani hatte die in dem Concert mitwirkende Pianistin Fräulein Wilhelmine Bibl keinen leichten Stand. Wir haben wiederholt ihr zierliches und correctes Clavierspiel zu loben Anlaß gehabt; für Liszt’sUngarische Phantasie“ reichen diese friedlichen Qualitäten nicht aus. Fräulein Bibl brachte gewissenhaft alle Noten, aber nur die Noten und obendrein aus Noten. Die „Ungarische Phantasie“ ist ein Stück von hinreißender Wirkung, das aber hinreißend gespielt sein will, keck, tem peramentvoll, mit freiester, fast übermüthiger Beherrschung der technischen Schwierigkeiten. Nichts für Damen, höchstens für die Carreño oder für Sophie Menter.

Eine jüngere italienische Sängerin hat Wien auf ihrem ersten künstlerischen Ausflug berührt: Maria Palloni. Sie ist die Tochter des kürzlich in Rom verstorbenen Com ponisten und Dirigenten Palloni, von dem die Tagliana vor zwanzig Jahren eine Arie in Wien gesungen hat. Fräulein Palloni’s tiefer Mezzosopran besticht durch jugend

liche Frische in tiefer und hoher Lage, während das Medium einen etwas heiseren Beiklang hat. Sie besitzt die beste italienische Methode und excellirt besonders im Triller. Was man jedoch von einer Italienerin fast als selbstverständlich erwartet, Temperament, Glanz und Leidenschaft, war gerade in Fräulein Palloni’s Vortrag nicht zu finden. Es mag an einer zufälligen Verstimmung gelegen haben. Die talentvolle junge Künstlerin, die auch an ihrer Erscheinung einen werthvollen Empfehlungsbrief besitzt, wurde auf das lebhafteste ausgezeichnet. Sie hat ohne Zweifel eine schöne Zukunft. Herr Hugo Becker, in dessen Concert Fräulein Palloni gesungen hat, begann mit der großartigen Violoncell-Sonate op. 102 von Beethoven. Frau v. Zacharias (unter ihrem Mädchennamen Lotte Eisl rühmlich bekannt) spielte den Clavierpart gut musikalisch, mit sicherer Auffassung und Technik. Nur die linke Hand hätten wir kräftiger hervor tretend gewünscht. Das melodieführende Violoncell klingt, besonders unter den Händen eines Becker, so voll und stark, daß der Pianist nicht zu fürchten hat, es zu decken; es bedarf im Gegentheil eines sehr festen harmonischen Unter baues. Sehr schön spielte Herr Becker ein neues brillantes und doch nicht fades Concertstück von Antonio Bazzini, der in seinem hohen Alter jetzt einen merkwürdigen Com positions-Johannestrieb erlebt.

Das Waldhorn, gleich dem Violoncell eine Lieblings stimme der musikalischen Romantik, ist ihm auch darin ver wandt, daß es aus seinem eigentlichen Bereich, dem Orchester, losgelöst, als Concert-Instrument leicht ermüdet. Herr L. Savart hat in seinem Concert dieses Uebel nach Mög lichkeit getilgt, sowol durch seine künstlerische Behandlung des Waldhorns, wie durch sein interessantes Programm, das sehr wenig bekannte Compositionen von Händel, Mozart und Weber ans Licht förderte. ... Die unserem Publicum be reits vortheilhaft bekannte Violin-Virtuosin Fräulein Irene v. Brennerberg hat mit dem Vortrage von Vieux tempsD-moll-Concert einen neuen großen Erfolg erzielt. ... In Herrn Labor schätzen wir einen unserer gediegensten und feinsten Musiker. Als solchen und als vortrefflichen Orgelspieler hat ihn neuerdings sein Concert im großen Musikvereinssaal unanfechtbar hingestellt. Mit seiner Schülerin

Fräulein Margarethe Demelius, einer Tochter des unver geßlichen Rechtsgelehrten und Universitäts-Professors, spielte Herr Labor zwei Impromptus für zwei Claviere; eines von Thieriot, das andere von Reinecke. Fräulein Demelius erwies sich mit ihrer soliden Technik und ihrem feinen Ge schmack als Labor’s würdige Partnerin.

Auf dem Programm des fünften Quartett-Abends von Rosé prangte zwar kein neues Werk, wol aber ein neuer Pianist: Max Pauer. Er ist geborener Clavier- Virtuose und Clavier-Professor, nämlich ein Sohn unseres seit 40 Jahren in London thätigen Landsmannes Ernst Pauer, und diesem an Talent und Länge nachgerathen. Der Name Pauer bedeutet eine gute Empfehlung und nicht blos für Wien. Max Pauer ist mit 21 Jahren Professor am Kölner Conservatorium geworden und zählt in Deutsch land bereits zu den besten Meistern seines Instruments. Bei Rosé hat er Schumann’s Es-dur-Quintett mit außer ordentlichem Beifall gespielt. Sein demnächst stattfindendes eigenes Concert wird uns reicheren Stoff bieten zu einem Urtheil über seine künstlerische Individualität.

Ein Virtuose, der keine Kritiken mehr nöthig hat, ist Alfred Grünfeld. Ein Blick auf den gedrängt vollen großen Musikvereinssaal und das jubelnde Publicum hätten jeden Zweifel an Grünfeld’s beispielloser Beliebtheit sofort zer streuen müssen. Grünfeld belebt mit und ohne Clavier die besten Kreise der Wiener Gesellschaft als liebenswürdig moussirendes Element, als guter Geist der Unterhaltung, als Classiker des Anekdotenvortrages. Das ist so bekannt wie seine glänzende Technik, sein sprühender Rhythmus, sein klang voller Anschlag, sein unerschöpfliches Gedächtniß. Man braucht darum nicht mit Allem einverstanden sein, was in seinem letzten Concert vorkam. Wenn Grünfeld die E-moll-Fuge von Mendelssohn wie ein melancholisch verträumtes Notturno auszittern läßt; wenn er Schumann’s anspruchs lose „Träumerei“ (aus den Kinderscenen) in fast unhör barem Pianissimo, mit Verschiebung, vor sich hinflüstert und auf dem zweigestrichenen A des sechsten Tactes so lange liegen bleibt, daß jeder Zusammenhang verloren geht; wenn er in einem Beethoven’schen Rondo, das nur klar und freundlich gespielt sein will, stellen weise schmachtet, fiebert, träumt, wo nichts zu schmachten, zu fiebern, zu träumen ist — so verdient ein solches Ein

schmuggeln modernster Virtuosen-Manieren schwerlich An erkennung. Unwillkürlich mußte ich an Alexander Dreyschock denken, welcher, gereizt durch das stereotype Lob seiner colossalen Bravour, später in jedem Stück „Gefühl“ produ cirte, immer viel zu viel und an unrechtem Orte. Am bestechendsten wirkt Grünfeld’s Individualität, wo rhyth mischer Schwung der Musik mit seiner eigenen frischen guten Laune zusammenströmen, wie in seiner „Tanz- Arabeske“, seiner „Ungarischen Rhapsodie“ und Chopin’s (in seiner Echtheit nicht ohne Grund bestrittenem) E-moll- Walzer. Auch die Transscription des Feuerzaubers aus der Walküre“ wird ihm kaum Jemand nachspielen. Grünfeld’s außerordentlicher Erfolg spiegelte sich in dem stürmischen Beifalle wie in dem fast unersättlichen Verlangen des Publi cums nach Wiederholungen und immer neuen Zugaben.

Noch sind zwei Componisten-Concerte, ein polnisches und ein russisches, zu verzeichnen: Herr Ladislaus Zelenski, Director des Krakauer Conservatoriums, hatte für seine musikalische Exposition den großen Musikvereins saal, Herr Adolph Barjansky aus Odessa den kleinen gewählt. In ihrer künstlerischen Höhe verhalten sich diese beiden Componisten ungefähr zu einander wie ihre Concert locale. Freilich hat weder der Pole den großen, noch der Russe den kleinen Saal zu füllen vermocht, es dürften Beide ihre heimatlichen Erfolge in deren Wirkung auf Wien über schätzt haben. Herr Zelenski, ein gründlich geschulter, sehr tüchtiger Musiker, beherrscht die musikalischen Formen, die contrapunktischen und harmonischen Mittel mit der Sicher heit des erfahrenen Praktikers. Sein Styl erinnert zumeist an Mendelssohn, über welchen hinaus er nicht weiter ins Moderne vordringt. Ein französischer Schriftsteller hat un längst gesagt, Genie sei Arbeit und Geduld. Ein schönes Wort, das man auf jedes Manuscript von Beethoven setzen könnte. Wie hat sich dieser Mann geplagt, mit welcher Geduld an seiner Arbeit geschaffen und gebessert, bis er die Werke hervorbrachte, die wir nicht genug bewundern können. Aber dieses Wort ist so hoch, daß es auch nur auf solche Leute paßt. Denn Arbeit und Geduld machen doch das Genie nicht aus; das thut nur der „göttliche Funke“. Sonst wären Zelenski’s Waldklang“ — eine Concert-Ouvertüre nach Mendels sohn’schem Zuschnitt — beinahe ein „geniales“ Werk. Außer

dem gab es von größeren Compositionen Zelenski’s einen Männerchor mit Orchesterbegleitung, der 46. Psalmanspruchsvoller und doch weniger gehaltvoll als Kößler’s jüngst gehörte Composition desselben Textes — dann eine Baßarie aus der Oper „Conrad Wallenrodt“. Sie ist in alter Form (Recitativ, langsamer und schneller Satz) und in jenem altmodischen Geist componirt, der uns mit Anstand langweilt. Merkwürdigerweise fehlte in allen diesen Werken vollständig jenes Element, das wir am sichersten er wartet hatten: das nationale. Nicht der leiseste Hauch polnischen Musikgeistes streift diese Compositionen; sie könnten von einem Autor herrühren, der niemals aus Leipzig oder Braunschweig herausgekommen ist. Nach diesen umfangreichen Probestücken redseliger Capellmeistermusik wirkten mehrere von Fräulein Beeth sehr hübsch gesungene polnische Lieder ganz erquickend. Sie haben auch den stärksten Beifall gefunden. Könnten Zelenski’s Werke, wegen ihres Mangels an Originalität, hier keinen starken Eindruck machen, so danken wir ihnen doch die Bekanntschaft eines Mannes, der als musikalischer Organisator, Lehrer und Di rigent sich so große Verdienste um das Kunstleben seiner Vaterstadt gesammelt und die höchste Achtung seiner Lands leute errungen hat. Der letzte geniale polnische Tondichter von bleibender Bedeutung war Chopin. Der talentvolle Moniuszko hat nie über sein Land hinaus gewirkt und wird nie europäische Bedeutung erlangen. Seitdem ist Alles still. Die Czechen und die Russen haben neuestens in der Musik einen großen Vorsprung über die Polen gewonnen.

Neben Zelenski, dem solid geschulten, erfahrenen Fach musiker, spielt Herr Barjansky mehr die Rolle des kunstbegeisterten, liebevollen Dilettanten. Er ist, dem Ver nehmen nach, ein reicher Kaufmann, dem sein Geschäft hin reichende Muße gönnt, die Tonkunst mit ernster Hingebung zu pflegen. Von seinen jüngst aufgeführten Werken haben wir eine Violoncell-Sonate und ein Streichquartett gehört, aus denen musikalische Empfindung und ein glückliches, rein gestimmtes Gemüth sich in einfachen Worten ausspricht. Der Styl gehört einer früheren Epoche an, deren bescheidene Genügsamkeit uns unwiederbringlich verloren ist. Bar jansky’s Kammermusik dürfte heute wenige Zuhörer finden, die bei den zahllosen Wiederholungen ein und desselben Motivs, bei der Einförmigkeit seiner Begleitungsfiguren und

der Schüchternheit seiner Modulationen nicht ungeduldig werden. Verschrobenes, Unlogisches oder gar Häßliches findet sich nirgends in diesen Compositionen. Man kann ihnen deßhalb auch nicht gram werden; ihre stillvergnügte Bescheiden heit hat vielmehr etwas Rührendes. Herr Barjansky, der sich auch als sehr tüchtiger Pianist erwies, möge sich nicht abschrecken lassen von weiterem gedeihlichen Fortschreiten.

Herr Director Gericke erfreute uns in dem letzten Gesellschaftsconcerte mit einer sorgfältigen Aufführung von Schumann’s Cantate „Das Paradies und die Peri“. Wie hoch die „Peri“ in der Liebe des Publicums steht, bewies der enorme Andrang zu diesem Concerte. Die zarten, ele gischen Gesänge dieses Werkes sind von bezauberndem Duft; es sind ihrer nur zu viele neben einander und der Duft schließlich von narkotischer Schwere. Vielleicht ist es nur ein individueller Eindruck, daß mir die „Peri“ in ihrer Ge sammtwirkung nicht mehr ganz die frühere Begeisterung zu wecken schien. An der Spitze der Solisten standen unsere be währtesten Gesangs-Notabilitäten: Frau Materna und Herr Walter. Frau Materna, deren prachtvolle Leistung als Peri vom Jahre 1888 noch in Aller Erinnerung fortlebt, stand diesmal unter dem Drucke eines kaum überstandenen Unwohlseins, das sie aber siegreich nieder kämpfte. In dem schönen Solo „Schlaf’ wohl“ hörten wir den weichsten Klang, in der anstrengenden Schlußarie die volle Kraft ihres Organs. Herr Walter hat schon vor fünfunddreißig Jahren zum erstenmale die Tenorpartie gesungen! Er ist noch immer der Unübertroffene, Unersetz liche. Unter den kleineren Partien ragte Baronin Leonore Bach hervor durch den sympathischen Klang ihres Soprans und ihren poesievollen Vortrag. Fräulein Bertha Wider mann, ein Liebling des Grazer Concertpublicums, sang die Partie des Engels mit kleiner, aber wohlklingender Stimme, reiner Intonation und musterhaft deutlicher Aus sprache. Alles Lob gebührt den Chören unseres Sing vereins und dem Soloquartett: Fräulein Chotek, Fräulein Salter, Herrn Erxleben und Herrn Eugen Weiß. Die Baritonpartie war einem jungen Sänger zu getheilt, dessen Intelligenz sich leider machtlos erwies gegen die Sprödigkeit seines klanglosen Organs. Für die nächste Saison hoffen wir auf ein Händel’sches Oratorium oder eine bedeutendere neue Tondichtung. Dicht gesät sind die Novi täten allerdings nicht auf diesem Felde.