Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 10448. Wien, Samstag, den 23. September 1893 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 10448. Wien, Samstag, den 23. September 1893 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 23.09.1893
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Hofoperntheater. („Der Templer und die Jüdin.“ „Don Juan.“ „Fra Diavolo.“)

Ed. H. Wer in so schwülen Septembertagen aus wür ziger Gebirgsluft nach Wien zurückkehrt, sieht sich — zumal wenn er ein Kritiker ist — bald umschwirrt von mitleidigem Zuspruch. Es müsse ihm doch furchtbar anthun, jetzt wieder eingefangen zu werden von Musik und Theater! Wirklich gewöhnt man sich schwer an die staubig dunstvolle Atmo sphäre und den barbarischen Lärm unserer steingepflasterten Straßen. Aber es gibt doch eine Luft und ein Geräusch in Wien, die ich selbst nach der balsamischen Stille des Wild bades gern wieder begrüße: die Luft im Operntheater und das Geräusch des Orchesters. Wer nach mehrmonatlichem Landaufenthalt gar kein Musikheimweh empfände, der hat Musik nie recht eigentlich geliebt. Und so eile ich denn be gierig, fast gierig ins Opernhaus, um die neu engagirten Sängerinnen Mark und Januschowsky zu hören und den wiedergewonnenen Reichmann. Mit offenen Armen, mit jubelnder Herzlichkeit feierte das Publicum die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Wenn Herr Reichmann, wie wir nicht zweifeln, ein ebenso loyales Mitglied bleiben will, als er ein hinreißender Sänger ist, so begrüßen wir seinen Wieder eintritt als einen Gewinn für das Institut. Nebenbei danken wir ihm auch eine Neubelebung des Repertoires. Durch Reichmann werden Marschner und Spohr — sobald wir einmal eine Jessonda haben! — wieder zu Worte kommen. In Partien, welche, wie Heiling, Vampyr, Templer, von düsterer, dämonischer Leidenschaft durchglüht sind, über ragt Reichmann alle Nebenbuhler. Ungern haben wir seit seinem Abgange die Marschner’schen Opern ver mißt. In vielen ihrer Phrasen und Melismen veraltet, häufig zerbröckelnd im Bau und überladen im Orchester, erfreut und ergreift uns doch Marschner’s Musik durch quellende musikalische Erfindung und kräftig dramatisches Leben. Von jenen Mängeln hält sich am meisten „Hanns Heiling“ frei, am wenigsten „Der Vampyr“; „Der Templersteht inmitten. Für den Templer bringt Herr Reichmann

alle Vorzüge mit, auf welche Dichter und Componist gezählt haben; imposante Persönlichkeit, leidenschaftlich bewegtes Spiel, die Fülle männlicher Stimmkraft wie die weichsten Schattirungen des Tones. An seinem herrlichen Organ habe ich keine Abnahme bemerkt. Der Künstler ist unverändert geblieben in seinen Vorzügen, allerdings auch in der bedenk lichen Gewohnheit des Schleppens und Retardirens, des absoluten Schwelgens im Klang seiner Stimme. Die glänzende Aufnahme der großen Arie im zweiten Act darf Herr Reich mann getrost auf seine Rechnung schreiben; das Stück selbst ist eines der ermüdendsten und schwächsten der ganze Oper.

Der Gesammt-Eindruck der vom Director Jahn diri girten Vorstellung wäre ein vortrefflicher zu nennen, stünde dem „Templer“ eine künstlerisch ebenbürtige „Jüdin“ zur Seite. Wien hat noch keine Rebekka gehört, welche der edlen und großartigen Leistung Louise Dustmann’s nahe ge kommen wäre. Ihre Nachfolgerinnen in dieser Rolle (Frau Kupfer, Fräulein Klein) glänzten mehr durch schmucke Er scheinung als durch Gesangskunst und geistvolles Spiel. Von Allen ist Fräulein Beeth die schönste und — die schwächste. Herr Winkelmann hebt alle heroischen Momente in der Rolle des Ivanhoe zu großer Wirkung: in den weichen, lyrischen Gesangsstücken wie im ersten Duett mit Rebekka stört das starke Absondern der Töne, die nachdrückliche Articula tion des Wortes, überhaupt der zu starke, offene Vortrag, welcher diesem eminenten Wagner-Sänger eigen ist. Alles Lob verdienen die Herren Reichenberg, Schitten helm, Grengg, sowie die Darsteller der zahlreichen, für das Ganze so wichtigen Nebenrollen. In dem Barfüßlerlied ist das berühmte „Ergo bibamus!“, welches ein monu mentaler Einfall unserer Theater-Censur an die Stelle von „Ora pro nobis!“ gesetzt hatte, jetzt wieder beseitigt, und der Waldbruder Tuck singt: „Ergo oremus!“ Ergo hat man sich dem richtigen Texte schon bedeutend genähert. Warum denn aber nicht lieber diesen selbst herstellen, das harmlose „Ora pro nobis“, welches ehedem anstandslos in Wien ge sungen wurde und noch auf allen Bühnen gesungen wird? Muß denn immer noch im vormärzlichen Geschmack ohne Noth und „justament“ censurirt werden?

Der jüngsten „Don Juan“-Vorstellung verdanke ich die Bekanntschaft der beiden neuengagirten Sängerinnen Fräu lein Mark und Frau v. Januschowsky. Durchaus verschieden von einander, gereichen doch Beide unserer Oper zum Vortheile; sowol die junge herzige Mark als die nicht mehr so junge, auch nicht gerade herzige Januschowsky. Wenn Letztere auf der Scene erscheint, dann wird sich schwerlich Jemand sagen: so hat in meiner Phantasie Mozart’s Donna Anna mir vorgeschwebt! Es gibt Stumpf näschen, die unter schelmischen Augen und zwischen einem blühenden Wangenpaar sich in der komischen Oper recht lieblich ausnehmen — man denke an die reizende Minnie Hauck, meinethalben sogar an Fräulein Artner — aber große Schicksale, tragische Seelenkämpfe glaubt man ihnen nur mit Anstrengung. Eine poetische Illusion gewährt also die Persönlichkeit der Januschowsky nicht; ihr fehlt diese zwar nicht absolut unerläßliche, aber doch sehr wünschenswerthe Mitgift für Darstellerinnen idealer Frauengestalten. Solchen Mangel verdeckt theilweise — wie es bei der Wilt ein traf — eine ungewöhnliche Macht und Schönheit der Stimme. Auch diesen Zauber können wir dem Organ Frau Januschowsky’s heute nicht mehr nachrühmen. Nun aber die Lichtseite! Sie läßt sich in das Eine Wort zusammenfassen: Frau v. Januschowsky ist eine Meisterin des Gesanges, eine Künstlerin. Sie weiß zu singen und ver fügt mit souveräner Freiheit, technisch sicher und stets correct über ihre Mittel! In Mozart’s Gesangsstyl vollkommen ein gelebt, verräth sie in jeder Phrase, daß sie die Rolle nicht blos versteht, sondern fein und stark empfindet. Pathetisch, in großem Styl und vortrefflich declamirt waren ihre Reci tative, makellos die Verzierungen, das Spiel lebendig ohne Ueberladung. Die leidenschaftlichen Arien ließen allerdings mehr Kraft und Glanz der Stimme wünschen — aber wie selten ist das Alles beisammen! Wer einmal von der Doña Anna Fräulein Schläger’s betroffen worden ist, der wird nur mit aufrichtiger Genugthuung die Rolle (vorläufig) in Händen von Frau Januschowsky sehen. Immer seltener wer den die guten Mozart-Sängerinnen. Eine Doña Elvira — diese böse Sorge aller Operndirectoren — wie wir sie an Fräulein Leh mann besitzen, dürfte heute schwerlich aufzutreiben sein auf einer

deutschen Bühne. Fräulein Lehmann hat in der jüngsten Don Juan“-Vorstellung wieder einmal gezeigt, was es heißt: singen können, und wie Großes sich damit erreichen läßt, selbst ohne Jugendfrische des Organs und ohne be deutendes Darstellungstalent. Nennen wir noch Herrn Müller, der beide Arien des Don Ottavio mit guter Verwendung des Mezza voce und warmer Empfindung vor trug, so wird es erklärlich, daß wir das große Maskenterzett seit sehr langer Zeit nicht so vorzüglich gehört haben. Herr Ritter scheint sich den Don Juan Meister Faure’s zum Vorbild zu nehmen. Größe und dämonische Gewalt — Dinge, die man sich nicht geben kann — fehlen seinem Don Juan; aber der unwiderstehlich verführerische vornehme Cavalier findet in ihm einen der besten Repräsentanten. Gesungen war die Partie durchaus schön; der sympathische Wohlklang von Ritter’s Stimme entzückte insbesondere in dem Duett mit Zerline, dem Ständchen und dem mit heiterer Leichtigkeit vorgetragenen Champagnerlied. Herr Ritter ist der beste Don Juan, den Wien seit vielen Jahren besessen; Herrn Reichmann nicht ausgenommen und von Herrn Sommer gar nicht zu sprechen. In Herrn v. Reichenberg besitzen wir einen anerkannt tüchtigen Leporello, dem es nur (insbe sondere in der Kirchhofsscene) an natürlicher komischer Kraft fehlt. Herr Weiglein sang den Comthur. Das vordem so klangvolle Erz seiner Baßstimme fand ich stark abgenützt; wie matt klangen die hohen Töne, die in der Schlußscene mit erschütternder Gewalt wirken müssen! Auch sein Er scheinen in dieser Scene hatte nichts Geisterhaftes; nicht langsam und feierlich trat er bei Don Juan ein, sondern mit ungleichen, heftigen Schritten, wie ein grober Feld hüter. Uebrigens verliert die Schlußscene in ihrer jetzigen Anordnung durch den zu großen Raum; Don Juan mit zwei Dämchen und seinem Diener in diesem weiten, leeren Saal!

Nun wären wir bei Fräulein Mark angelangt, dem jüngsten Liebling unseres Publicums. Ich habe von ihr nur die Zerline in „Don Juan“ und deren Namensschwester in Fra Diavolo“ gehört; meine Erfahrungen sind somit noch lückenhaft. Doch scheinen sie mir hinreichend, um in Fräu lein Mark einen werthvollen Gewinn für unsere Oper zu erkennen. Das erst vor drei Jahren dem Conservatorium

entwachsene junge Mädchen jetzt schon als große Künst lerin zu feiern, scheint mir verfrüht; man muß ihr doch an Lob und Ruhm etwas übrig lassen für die Zukunft. Aber sie ist ein Talent, eine Natur, und das ist gerade in der Oper seltener, als man glaubt. Unsere Bühne zumal zählt mehr Nützlichkeiten, als Ursprünglichkeiten; tüchtige, fleißige, auch schöne Sängerinnen, die man nach Verdienst schätzt, ohne sich für sie zu erwärmen. Fräulein Mark steht dem Leben noch so ungeprüft, mit so kindlicher Unbefangenheit gegenüber, daß eine Fortentwicklung ihres echten Talentes nach der Tiefe und Breite hin mit Zu versicht zu erwarten ist. Ihre physische Kraft wie ihre künst lerische haben ihren Culminationspunkt noch vor sich. Was Fräulein Mark’s Persönlichkeit betrifft, so gehört sie nicht zu den blendenden Erscheinungen, die sofort alle Blicke auf sich ziehen. Kleine, noch etwas unentwickelte Gestalt, auf schlankem Hals ein wohlgeformtes Köpfchen, dunkler Teint, ein scharfer Zug um den Mund, endlich — das Schönste und Ent scheidendste zuletzt — ein Paar große schwarze Augen, die von Leben und Intelligenz leuchten. Ihre Stimme, ein leichtflüssiger hoher Sopran von der süßen, noch etwas herben Morgenfrische der Jugend, spricht uns hell und fröhlich an. Der erste Eindruck dieser Stimme ist ebensowenig ein „phänomenaler“, als der ihrer ganzen Persönlichkeit. Aber je länger Fräulein Mark singt und spielt, desto sicherer zieht sie den Hörer zu sich herüber und hält ihn fest. Fräulein Mark — nebenbei auch eine preisgekrönte Pianistin — ist durch und durch musikalisch. Ebenso groß, vielleicht noch auffallender, als ihr musikalisches Talent ist ihr schauspielerisches. So fühlt man ihr’s denn nach den ersten Tacten an, daß, was sie singt und darstellt, ihr Eigen ist, als eine Aeußerung wirk lichen Erlebens hervorströmt. Von ihren beiden Zerlinen hat mich die Auber’sche noch lebhafter angesprochen, als die von Mozart. Nicht daß ich letzterer irgend etwas auszustellen wüßte; sie war ebenso rein und correct gesungen, wie an muthig gespielt. Allein die Rolle in „Fra Diavolo“ bot Fräulein Mark ungleich mehr Gelegenheit, zwei ihrer wesentlichen Vorzüge leuchten zu lassen; ihre klangvoll kräftige Höhe und ihre perlende Coloratur. Auch als Schau

spielerin konnte sich Fräulein Mark diesmal bedeutender hervorthun, denn Auber’s Zerline durchmißt einen größeren Kreis verschiedenartiger Empfindungen und Situationen als die Zerline in „Don Juan“. In „Fra Diavolo“ spielte sie nicht blos die Soloscenen mit Geist und natürlicher Anmuth, auch im Ensemble und im stummen Spiele zeigte sie, bei bescheidenster Zurückhaltung, stets jenen Antheil an der Handlung, der ein Kennzeichen des guten Darstellers ist. Fräulein Mark’s Erfolg im „Fra Diavolo“ erfüllt uns mit der Befriedigung, ein schönes, hier lange vernachlässigtes Rollenfach, insbesondere in der französischen und italienischen Lustspiel-Oper, wieder erfreulich ausgefüllt zu sehen. Ich könnte aus Fräulein Mark’s Zerline so manche glück liche Einzelheit hervorheben, will aber lieber nicht zu nach drücklich auf ihrem Lob verweilen. Das Wiener Publicum hat ohnehin die liebenswürdige, nicht ungefährliche Neigung, sich sehr rasch für ein neues Talent zu begeistern, es durch enthusiastischen Beifall zu heben, zu verhätscheln und dann früher als nothwendig zu vernachlässigen. Ich möchte für Fräulein Mark Ersteres nicht wünschen, um ihr Letzteres zu ersparen.

Herr Schrödter gab den Fra Diavolo. Der gesunde Klang seiner ebenso kräftigen wie einschmeichelnden Stimme und seine vollendete Bühnengewandtheit kamen ihm für diese schwierige Aufgabe sehr zu statten. Trotzdem gehört Fra Diavolo nicht zu Schrödter’s besten Rollen. Von Natur zu niedlich gebaut für einen Räuberhauptmann, gefällt sich Herr Schrödter überdies darin, dem Fra Diavolo in den beiden ersten Acten jeden Zug kräftiger Männlichkeit abzustreifen und ihn als einen tändelnden faden Gecken darzustellen. Auch in seiner Maske als Marquis soll Fra Diavolo wenigstens die Möglichkeit durchschimmern lassen, daß ein Bandit, ein Gewaltthätiger dahinter stecke. Aber dieses fortwährende lächelnde Einkneifen des Monocles! Ich will gar nicht den pedantischen Einwand erheben, daß zu Fra Diavolo’s Zeit das Monocle noch nicht bekannt gewesen, am wenigsten in den Abruzzen. Aber dieses Lieblingsinstrument in Herrn Schrödter’s Lustspiel-Instrumentirungen ist an sich wider wärtig und doppelt abgeschmackt in dem Auge eines Fra Diavolo. Auf unseren tonangebenden Bühnen sehen wir es

auch nur mehr verwendet, wenn es gilt, einen neumodischen Stutzer lächerlich zu machen. Lebhaft zu bedauern ist ferner, daß Herr Schrödter eines der reizendsten Musikstücke der Oper, die Romanze im zweiten Acte, wegläßt, welche Fra Diavolo vor der Thür der Lady Pamela singt, um damit den Banditen das Zeichen zum Hereinsteigen zu geben. Herr Schrödter schenkt uns zwar die Geschmacklosigkeit, Auber’s geistvolle Composition durch ein affectirtes deutsches Lied zu ersetzen, wie er in Prag zu thun pflegte, aber auch die Unter lassungssünde wiegt für sich schwer genug. Das englische Ehepaar wird von Frau Ida Baier und Herrn Mayer hofer mit viel Humor gegeben. Wer kennt nicht Mayer hofer’s köstlichen Lord Kockburn? Ich habe dieses Ver gnügen schon an die vierzig Jahre. Wie viele Fra Diavolos, wie viele Zerlinen sind seither verschwunden, von den Banditen, den Dragonern, den Wirthen gar nicht zu reden! Mayerhofer hat sie alle an sich vorbeipassiren lassen und ist Lord Kockburn geblieben, er allein das einzig Dauernde im Wechsel! Und wahrlich, er ist im schönsten Sinne des Wortes der Alte geblieben. Herr Dippel sang zum erstenmale den Lorenzo. Schmucke Erscheinung, ge wandtes Spiel und ein jugendliches Organ eignen ihn vor züglich für diese Rolle, die ihm auch (nach den Couplets im dritten Act) verdienten Beifall eintrug. Die kleineren Partien wurden von den Herren Stoll, Felix und Werthner sorgfältig gegeben. Es ist ein altes Privilegium der beiden Ban diten, durch immer neue komische Zuthaten für die Unterhaltung lachlustiger Zuschauer zu sorgen. Dieses Vorrecht scheint mir aber doch bereits mißbraucht zu werden. Das verkehrte Vor lesen des Briefchens zwischen den beiden Spießgesellen dauerte fast so lang, wie der ganze übrige dritte Act. Durch so maßlose Ausdehnung und Wiederholung verliert selbst ein besserer Spaß seine Wirkung. Einen sehr erfreulichen Anblick bot nicht nur die Bühne, sondern auch der Zuschauerraum an diesem „Fra Diavolo“-Abend. Das Theater war gedrängt voll und das Publicum theilnehmend und beifallslustig wie bei einer erfolgreichen Novität. Ein Beweis, daß man in Wien keineswegs den Geschmack an der Spieloper verloren hat, sondern sie immer willkommen heißt, sobald der Theater zettel deren treffliche Aufführung gewährleistet.