Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 10514. Wien, Dienstag, den 28. November 1893 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 10514. Wien, Dienstag, den 28. November 1893 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 28.11.1893
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Concerte.

Ed. H. Das dritte Philharmonische Concert begann mit Schubert’s unvollendeter H-moll-Symphonie. Wer hätte sie nicht schon schmerzlich vermißt, die beiden fehlenden Sätze dieses köstlichen Torso! Heute dürfen wir in etwas anderem Sinne froh sein, daß man uns die un vollendete und nicht die neuestens „vollendete“ H-moll- Symphonie darbringt. Es hat nämlich ein Herr August Ludwig, der sich gleichzeitig mit musikalischer und literarischer Streberei beschäftigt, die zwei fehlenden Sätze aus Eigenem hinzucomponirt. Ich kenne sie nicht, kenne auch keinen Menschen, der sich rühmen könnte, sie gesehen zu haben. Aber vor mir liegt der gedruckte Prospect, in welchem der kühne Ludovicus Augustus uns die Nothwendigkeit seiner Mission beweist, einem so tiefgefühlten Bedürfnisse abzu helfen. Er sagt: „Etwas Unvollendetes fordert, zumal wenn es schön ist, Vollendung. Vollenden ist das eigentliche Amt des Tonkünstlers.“ Nun also, was braucht es mehr? Haben Mendelssohn, Schumann, Brahms ihres „Amtes“ nicht gewaltet, so muß es wol August Ludwig thun. Er ist auch Verfasser mehrerer ergötzlicher Broschüren, die ver müthlich seiner durch Hanns Pudor’s Lorbeern veran laßten Schlaflosigkeit ihr Dasein verdanken. Um so besser. Wir besitzen nun in der Musik-Literatur zwei Komiker an statt Einen.

Auf Schubert folgte Goldmark mit einer noch unge druckten Ouvertüre in Es-moll, betitelt: „Sappho“. Sie beginnt ganz stoff- und zeitgemäß mit einem breit ausgeführten Harfen-Solo. Daß die Harfe gleich mit einem dissonirenden Accord einsetzen werde, dürfte freilich nicht Jedermann ver muthet haben; beginnt doch selbst Smetana’s greiser Har fenist am Wyssehrad, trotz seiner großen Traurigkeit, mit dem reinen Es-dur-Dreiklange. Ein gefühlvolles Andante mit einem dissonirenden Accord anzufangen, ist immer bedenklich — etwa so, als begänne man ein lyrisches Gedicht mit dem Worte „Nichtsdestoweniger“. Ueber den Moll-Accorden der Harfe erhebt sich dann ein Gesangsthema der Oboe. Nach

diesen klagenden Triolenfiguren, übermäßigen Quarten und verminderten Sexten zu schließen, dürfte die griechische Dich terin ein Geschwisterkind der „Sakuntala“ und auch häufig in Palästina gewesen sein. In die elegische Einleitung stürzt sich mit überraschender Heftigkeit ein Allegro con fuoco. Es erweitert und verstärkt sich zu einem förm lichen Aufruhr, worauf das langsame erste Thema, von einer Solo-Violine vorgetragen, wiederkehrt. Nach abermaligem Aufgebot des stärksten Orchestersturmes endet die Ouvertüre feierlich mit einer Art Apothese. Die neue Ouvertüre ist eher Goldmark, Goldmark in Ueberlebensgröße; ein Feuermeer von Leidenschaft, ein Urwald von Dissonanzen, mehr gestreich als schön, mehr aufregend als erfreulich, im Ganzen „furchtbar interessant", wie die Berliner sagen. Die Orchestermittel sind enorm an Zahl und in eifrigster Bewegung. Wie ein verschwenderischer Cavalier macht Goldmark mit jedem Jahre größere Aus lagen: drei Flöten, Englisch-Horn, Baßclarinette, drei Trom peten, vier Hörner, vier Posaunen und Contrabaß-Tuba, drei Pauken u. s. w. Kein Wunder, wenn die Composition, auch nur von ihrer sinnfälligen Seite betrachtet, uns maßlos und übertrieben erscheint. Das sind freilich relative Begriffe; Goldmark, in dessen Phantasie sich Alles wie im Hohlspiegel vergrößert, empfindet seine Darstellung ohne Zweifel als natürlich und maßvoll. Um bloßen Effect ist es ihm ja nirgends zu thun; durchaus ehrlicher und gewissenhafter Künstler, malt er die Dinge, wie er sie sieht. Er will dem Hörer niemals Sand in die Augen streuen, liebt es aber, ihn lange Strecken durch heißen Sand zu schleifen. Mächtig packt uns die um Schönheit unbekümmerte Energie, mit welcher Goldmark das Liebesleid der Sappho schildert; ich glaube, es würde diese Musik für drei Sapphos ausreichen und bliebe noch etwas übrig für eine Medea oder eine ver lassene Ariadne. Die Ausleger finden da fröhliche Arbeit. Wenn einmal ein Instrumentalstück „Sappho“ über schrieben ist, dann fällt es nicht allzu schwer, den Phaon, die Melitta, Sappho’s Eifersucht und ihren Sturz vom leukadischen Fels herauszufinden. Der Scharfsinn der Aus- und Unterleger operirt leicht bei also gebundener Marsch route. Mit ernsten Gründen habe ich oft gegen diese Inter

pretations-Kunststücke gefochten, welche auf der falschen Vor aussetzung einer exacten Ausdrucksfähigkeit reiner Instru mentalmusik fußen. In scherzhafter Weise hat Niemand sie ergötzlicher widerlegt, als Alexander Moszkowski in seiner Humoreske „Romeo oder Bismarck“. Ein junger Componist sendet an fünf verschiedene Kritiker eine und die selbe Ouvertüre mit je einem anderen Titel: „Romeo“, Bismarck“, „Columbus“, „Roskolnikow“, „Prometheus“. Der Scherz gelingt vollständig: jeder der fünf Kritiker er kennt in seiner Ouvertüre nicht blos ein im Allgemeinen gelungenes Porträt des Titelhelden, sondern in den verschie denen Themen, Modulationen, Absätzen ganz entsprechende Erlebnisse oder Charakterzüge Romeos, Bismarck’s, Co lumbus’ u. s. w. Dieser geistreiche Aufsatz, der eine große Wahrheit in humoristischer Maske ausspricht, steht in Anton Notenquetschers neuen Humoreskenvon Alexander Moszkowski, denen jeder Freund gesunden Humors einige angenehme Stunden verdanken wird. ... Darüber wollen wir nicht vergessen, daß Goldmark’s Sappho“ im Philharmonischen Concert ungemein ge fallen und dem hochgeschätzten Componisten die Auszeichnung wiederholten Hervorrufs eingetragen hat.

Die vier jungen Prager Musiker, die sich als „Böhmi sches Streichquartett“ constituirt und im vorigen Jahre hier so ausnehmend gefallen haben — Karl Hofmann, Joseph Suk, Oskar Nedbal und Otto Berger — erfreuen uns jetzt mit einem neuen Cyklus. Ihre Vorzüge finden wir unversehrt wieder: die glockenreine Intonation, die all seitig ausgebildete solide Technik, vor Allem die natürliche, unaffectirte, dabei stets warme, jugendfrische Empfindung. Ja, die Klangwirkung dieses Quartetts erscheint diesmal noch erhöht, indem die Spieler ihre früheren Instrumente mit sehr werthvollen italienischen Geigen vertauscht haben. Ihr erstes Concert eröffneten sie mit einem Streichquartett in Es-dur von Dvořak (op. 51), das zu den erfreulichsten, frischesten Werken dieses Componisten gehört. Welch zauber hafter Klang gleich in den Anfangstacten des ersten Satzes, der so klar und gesangvoll sich entwickelt! Das Andante in G-moll, ein zwischen der ersten Geige und der Viola ge theilter elegischer Gesang, wird von einem tanzartigen Vivace

im Dreiachteltact, G-dur, unterbrochen. So plötzliches Ueberspringen von Schwermuth in übermüthige Lust kommt in slavischen, insbesondere südslavischen Gesängen häufig vor. In BrahmsViolin-Sonate in A-dur begegnen wir demselben unvermittelten Wechsel im Andantesatz, welcher eigentlich Andante und Scherzo in Einem Rahmen vereinigt. Für meine Empfindung hat dieser jähe Wechsel etwas Störendes: je edler, seelenvoller ein langsamer Satz beginnt, desto unlieber sehen wir ihn durch plötzliche Humor sprünge, die immer etwas Gekünsteltes haben, beiseite ge worfen. An Stelle des Scherzo bringt Dvořak eine „Ro manze“ von lieblichem, ungesucht originellem Gesang und reizender Klangwirkung. Das Finale, ein fröhliches Allegro assai in Zweivierteltact, erlaubt sich einige stark populäre Wendungen, die wir der Lebendigkeit des Ganzen zugute halten. Wie eine blitzende Cascade stürzt das Hauptmotiv herab; seine Herkunft aus dem Scherzo von Schumann’s C-dur-Symphonie dürfte Dvořak beim Niederschreiben eben sowenig wahrgenommen haben, als es Brahms eingefallen ist, daß das Hauptthema seiner Violin-Sonate, op. 100, an das Preislied in den „Meistersingern“ mahnt und das zweite E-dur-Motiv an sein eigenes Lied: „Wie Melodien“. Zwei interessante Beiträge zu dem Capitel der unbewußten Reminiscenzen, die so häufig von Splitterrichtern als „Ent lehnungen“ denuncirt werden. Dvořak’s Es-dur-Quartett hat so vollständig eingeschlagen, daß hoffentlich unsere Wiener Quartettspieler es auch nicht länger ignoriren werden. Brahms sonnenhelle Violin-Sonate in A-dur wurde von Herrn Hofmann und unserer classischen Pianistin Fräulein Marie Baumayer mit schöner Hingebung gespielt. Der genußreiche Abend schloß mit Beet hoven’sE-moll-Quartett aus der Rasumowsky-Trilogie. So vorzüglich das Stück studirt war, es konnte mich, be sonders im Adagio, nicht wie sonst erwärmen. Mußte ich doch unwillkürlich an Joseph Hellmesberger denken, welcher diese ergreifende Elegie mit so tief leiden schaftlichem Gefühle vorgetragen hat, wie wir sie weder vor noch nach ihm jemals gehört. Bei Hellmesberger vibrirte nicht blos der Finger an der linken Hand, es vibrirte seine ganze Seele. Von seinen letzten, bereits krankhaft aficirten

Productionen abgesehen, haben wir an Hellmesberger, dem Quartettspieler, einen Verlust erlitten, der gar nicht hoch genug anzuschlagen ist. So ganz mit Leib und Seele bei der Sache, so mit musikalischem Schönheitssinn und feinster Nervosität ausgestattet wie Hellmesberger ist zur Stunde Keiner. Ihm war sorgsamste Vorbereitung in zahlreichen Proben eine Gewissenssache und Musiciren keine Arbeit, sondern eine Wonne. Das hat man seinem Spiel auch sofort angehört. Glücklich, wer ihn in seiner vollen Kraft als Quartettspieler regelmäßig hören konnte. Ich danke ihm fünfundzwanzig Jahre musikalischer Erkenntniß und künstle rischen Genusses.

Im zweiten Philharmonischen Concert hat Fräulein Ella Pancera das B-dur-Concert von Brahms ge spielt, das mit jedem Jahre an Verbreitung und Verehrung gewinnt. Fräulein Pancera, eine Virtuosin von glänzender und kraftvoller Technik, verdient für ihr muthiges Wagestück die aufrichtigste Anerkennung. Sie hat das überaus schwierige Concert auswendig und mit tadelloser Sicherheit vorge tragen. Es bleibt deßhalb nicht weniger ausgemacht, daß die beiden Clavierconcerte von Brahms sich eigentlich an Hand und Kopf sehr männlicher Spieler wenden. Liszt oder Rubinstein würde der Individualität Fräulein Pancera’s jedenfalls besser entsprochen haben. ... Als Novität gab man „Wyssehrad“, eine der zwölf symphonischen Dichtungen, welche Smetana unter dem Gesammttitel „Mein Vaterland“ zu einer patrio tisch-musikalischen Bilderreihe vereinigt hat. Zwei dieser Orchesterstücke, „Die Moldau“ und „Aus Böhmens Hain und Flur“, sind bereits früher von Hanns Richter zu erfolg reicher Aufführung gelangt. Das dritte, „Wyssehrad“, von außen nicht weniger glänzend, scheint mir in seinem musi kalischen Kern doch viel dürftiger zu sein. Der Zauber romantischer Stimmung, die volle Farbenpracht des modernen Orchesters wirkt auch in dieser Composition; zudem der Vorzug aller Smetana’schen Musik: klar zu sein, klar in ihrer Hauptabsicht wie in den feineren Beziehungen der ein zelnen Theile. Smetana verfällt nicht in Geheimnißthuerei, Versteckenspiel und Grübeln; frank und frei singt er heraus, was sein Herz bewegt. Es lebt noch ein wohlthuendes Stück

Naivetät in den czechischen Componisten; die Russen, welche doch gleichfalls eine noch unverbrauchte Nation sind, treten in ihren modernen Musikern, z. B. Tschai kowsky, weit reflectirter auf. Die Titelvignette zum Wyssehrad“ zeigt uns einen Barden, der, zur alten Herzogs burg aufschauend, schwermüthigen Blickes in die Harfe greift. Darin spiegelt sich vollständig die poetische Idee der Com position. Harfen-Arpeggien leiten sie ein; Harfen-Accorde tragen allein das langsame, rhythmisch monotone Hauptthema, das im Verlaufe bis zur Ermüdung oft wiederholt wird. Dann verdrängen Trompeten-Fanfaren die ernsten Harfen klänge: der Barde schaut, dem Vorwort zufolge, die stolze Vergangenheit der alten Burg mit ihren Turnieren und Kriegsgesängen; in strahlendem Fortissimo des ganzen Orchesters schwingt sich ein national anklingendes Thema (C-dur) empor und sinkt dann allmälig in das Largo des Anfangs zurück. Nach dem Glanze — der Verfall.

Wie verschiedenen Hörern aus derselben Musik ver schiedene Bilder auftauchen, so mag umgekehrt der bloße Titel eines Musikstückes uns Ideen zuführen, die von der Absicht des Componisten weit abliegen. Das Wort „Wysse hrad“ drängt mir die Erinnerung an zwei Dichtungen auf, die mich auch mächtig befangen, so oft ich in Wirklichkeit die alte Felsenburg an der Moldau wiedersehe. Eine der schönsten Novellen Ferdinand v. Saar’s, „Innocenz“, spielt auf dem Wyssehrad. Dort lebte das Original jenes gemüthvollen Pfarrers, mit welchem Saar, damals als junger Lieutenant in die Citadelle commandirt, freundschaft lich verkehrte. Die ganze Erzählung ist in einen Duft von Stille und Friedlichkeit getaucht, der wie Musik wirkt. Die edle Gestalt des Pater Innocenz lebt vor uns und bleibt jedem Leser unvergessen. Und wie kunstvoll, fast unmerklich, sind in der Schilderung militärische mit landschaftlichen Motiven verbunden! „Dichter, glänzender Graswuchs über kleidet alle Gräben und Böschungen, und um die ein gesunkenen Kanonen-Lafetten sprießen Veilchen und Primeln. Immer bunter schmückt sich der Rasen, und manche Schießscharte wird durch einen wilden, in voller Blüthe stehenden Rosenstrauch verdeckt, den ein langjähriger Frieden hart am Gemäuner wachsen ließ.“ ... Der andere Poet,

den ich meine, dürfte der jetzigen Generation bereits fremd sein: Friedrich Bach, ein Prager, der in seinen „Sen sitiven“ ein ungemeines lyrisches Talent offenbarte, aber bald verstummt ist. Ich habe den herzensguten, im Leben recht prosaischen und verwahrlosten Mediciner oft mit Joseph Bayer auf Spaziergängen begleitet, die, gegen Emaus hin, mit dem Ausblick auf den Wyssehrad endeten. Bald nach meinem Abgang von Prag wurde Friedrich Bach als Bezirksarzt in einem weltvergessenen Flecken des Temeser Banates angestellt und galt seit Jahren für verschollen. Da plötzlich gibt er ein Lebenszeichen, das erste und letzte aus seiner Verbannung: ein Gedicht „Ex Ponto“, das in einem jetzt gleichfalls verschollenen Dichter-Album zur Ver mälung unserer Kaiserin erschienen ist. Die Sehnsucht des armen Prager Dichters nach den „Frühlingsrosen am Fels von Wyssehrad“ hat etwas tief Rührendes, für mich Ergreifenderes, als die Harfen-Accorde und Turnier-Visionen Smetana’s. Sei es ausnahmsweise einmal gestattet, die trockene Prosa eines Concertberichtes poetisch ausklingen zu lassen! Das Gedicht Friedrich Bach’s (aus Steierdorf bei Oravitza da tirt) lautet:

Gestörte Jubeltänze — Vernüchtertes Gemüth — Unausgeblühte Lenze — Unausgesung’nes Lied — Erzwungenes Entsagen — Und mißverstand’nes Sein — Dies Alles kann ich tragen; Nur Ein’s möcht’ ich allein: Weit über die grünen Höhen, Weit über die lachenden Au’n Weit über die blauen Seen Möcht’ ich hinüberschau’n; Auf rollenden Wettern reiten Ins schöne Vaterland, Auf schaukelnder Woge gleiten Um steile Bergeswand — Wenn Schwalben selig ziehen Hoch über die Moldaustadt, Und Frühlingsrosen blühen Am Fels von Wyssehrad!