Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 10857. Wien, Dienstag, den 13. November 1894 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 10857. Wien, Dienstag, den 13. November 1894 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 13.11.1894
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Concerte.

Ed. H. Das erste Concert der Gesellschaft der Musik freunde hat uns ein einziges Stück bescheert: die F-moll- Messe von Anton Bruckner. Wenn damit nachträglich der 70. Geburtstag des Componisten gefeiert werden sollte, so versehen und billigen wir vollständig das Löbliche dieser persönlichen Rücksicht. Dieselbe hätte übrigens einige Rück sicht auf das Publicum nicht ausschließen müssen. Die Abonnenten, denen doch nur vier Gesellschaftsconcerte in der Saison geboten werden, sahen, etwas betroffen, gleich das erste gänzlich von Bruckner in Beschlag genommen. Obendrein von einer seiner Messen. Messen gehören in die Kirche — eine Regel, welche durch die beiden für Bach und Beethoven geltenden Ausnahmen nicht umgestürzt wird. Bach’sH-moll-Messe und Beethoven’sMissa solennis haben nicht blos durch ihre unsterblichen Namen und Alles überragende Genialität sich den Einlaß in die Concertsäle erzwungen, sondern auch durch die negative Eigenschaft, daß sie zu ausgedehnt und zu schwierig sind für den praktischen Gottesdienst. Bruckner’s F-moll-Messe ist, meines Wissens, sowol in der Augustinerkirche als in der Hofcapelle gesungen worden und hat überdies erst im vorigen Jahre eine Concert aufführung im großen Musikvereinssaal erlebt. Hätte man statt der Messe das Tedeum von Bruckner gewählt, so wäre der Componist durch sein bestes Chorwerk gefeiert und zugleich Raum gewonnen worden für andere, nicht Bruck ner’sche Compositionen. Denn auch solche zählen, wie man behauptet, noch immer zahlreiche Anhänger. Das Publicum hat zwar nach jedem Hauptabschnitt so lange applaudirt, bis der greise Componist sich dankend erhob und seinen charak teristischen Kaiser Claudius-Kopf nach allen Seiten vor neigte — aber der Eindruck der ganzen Messe schmeckte doch schließlich stark nach Müdigkeit und Enttäuschung. Sowol die Kirchenmusiken wie die Symphonien Bruckner’s enthalten großartige Anläufe und geniale Züge. Was wir darin vermissen, ist die musikalische Logik, das schöne Maß, vor Allem die Einheit des Styls. Manches erklärt sich aus

Bruckner’s eigenartigem Bildungsgang. In dürftigen Ver hältnissen hat er seine besten Jahre als Organist und Schul gehilfe in kleinen Orten verbracht; aufgewachsen in der Kirchenmusik Haydn’s, Mozart’s und ihrer Nachahmer, ist er selber mit rastlosem Fleiß allen Kunststücken des Contra punktes und der Fuge nachgegangen. So kam er nach Wien und überließ sich, von neuen Anschauungen überwältigt, plötzlich einer schwärmerischen Begeisterung für Wagner. Dieses Doppelwesen ist er nie ganz losgeworden. Neben Gedanken von schlichtester Bescheidenheit und verjährten contrapunkti schen Schulstückchen begegnen wir in seinen Werken Ausbrüchen grenzenloser Ekstase und verworrener Mystik — Albrechtsberger Arm in Arm mit Richard Wagner. Selten weiß uns Bruckner in der Stimmung zu erhalten; er fängt meistens vornehm und ruhig an, dann beginnt sein Geist zu schwärmen und streckt uns entweder durch einen unschönen Gewaltstreich nieder oder legt uns auf die Folter endloser tödtlicher Monotonie. Wie fromm und würdig, an den Anfang von BrahmsDeutschem Requiem erinnernd, beginnt das Kyrie, um bald in einen wild aufjubelnden Hymnus zu gerathen, den wir mit den Worten „Erbarme dich unser“ nicht zu reimen wissen. Wie diese Bitte um Erbarmen an ein Gloria erinnert, so könnte das „Gloria“ selbst mit seinem maßlosen Lärm und seinen einschneidenden Harmonien beinahe als Dies irae figuriren. Noch unersättlicher in jeder Hinsicht erscheint das Credo. Die dramatisirende und aus malende Composition dieses Meßtheils beruht auf einer falschen Auffassung, die sich freilich durch die ganze Meßliteratur hindurch zieht, also gleichsam durch Er sitzung geschützt ist gegen jeden Angriff. Das Credo ist einfach ein aufzählendes Glaubensbekenntniß. Aber nicht wie Jemand, der eine vorgeschriebene Reihe von Glaubens artikeln beschwört, tritt der Componist auf, sondern wie ein Augenzeuge, der überall dabei gewesen und nun lebhaft schildert: so ist Christus gekreuzigt und begraben worden, so ist er auferstanden und so gegen Himmel gefahren! Diese durch Tradition geheiligte, mißverständliche Auffassung entsprang einfach aus einem musikalischen Bedürfniß; der Componist vermochte ohne die Hilfsmittel des Ausmalens und Dramatisirens nichts anzufangen mit dieser langathmigen

und musikalisch unergiebigen Aufzählung von Glaubenssätzen. Daß Bruckner aus dieser Auffassung des Credo den erdenk lichsten Vortheil zieht, läßt sich bei seiner Vorliebe für starke Contraste und langgestreckte Ausführungen denken. Einem blendenden Effect zuliebe ignorirt er auch zuweilen den Sinn der Worte. „Expecto resurrectionem mortuorum“ (ich erwarte die Auferstehung der Todten) ist ein untrenn barer Satz, ein Ausruf freudiger Zuversicht. Bruckner jubelt auf das Wort „resurrectionem“ und bringt auf „mortuorum“ eine Art Begräbnißgesang. Das heißt einzelne Worte com poniren und nicht den Sinn des Ganzen. Den günstigsten, einheitlichsten Eindruck macht das „Benedictus“ mit seinem von Wohlklang gesättigten Solo-Quartett. In den früheren Sätzen haben die Solostimmen meist nur einzelne verlorene Worte („Eleïson“, „Credo“) in den Chor hineinzuwerfen und erscheinen neben diesem beinahe als entbehrlich.

Die verfängliche Frage nach der „Kirchlichkeit“ der Bruckner’schen Messe will ich lieber nicht berühren. Was in der Musik für kirchlich, für religiös gilt, ist zumeist conventionell und wurzelt in der Tradition. Jede Zeit, jedes Volk fühlt anders in dieser Hinsicht. Positive Regeln lassen sich dafür nicht aufstellen; nur unser Gefühl remon strirt dort, wo die Grenzen des Zulässigen zweifellos über schritten sind. Von der Kirchenmusik zu verlangen, sie solle sich gegen den Musikgeist der Gegenwart absperren, wäre eine Thorheit. Sie hat dies zu keiner Zeit vermocht. Pa lestrina, der uns jetzt als alleiniges Muster und Heilmittel angepriesen wird, hat nicht mehr im Styl seiner nieder ländischen Lehrmeister componirt; Leo oder Scarlatti nicht mehr in dem Palestrina’s. Haydn und Mozart verleugneten nicht die weltliche Musik ihrer Zeit und ihres Landes. Wer könnte von wirklich begabten Tondichtern der Gegenwart verlangen, sie sollen als Kirchencomponisten sich an den Styl des 17. oder 18. Jahrhunderts binden? Andererseits ist es aber sehr begreiflich, wenn der Kirche von ihrem Standpunkte angst und bange wird vor der fortschreitenden Modernisirung und Materialisirung der Kirchenmusik. Die Führer der neuen kirchenmusikalischen Richtung fühlen dies instinctiv selbst. Schon Beethoven ließ seine große Fest messe (drei Sätze) im Kärntnerthor-Theater aufführen;

Liszt reiste mit seiner Graner Messe von einem Concertsaal zum andern, Berlioz desgleichen mit seinem Requiem, und Bruckner, wie wir sehen, lebt als Kirchencomponist vor wiegend im Concertsaal. Diese Messen sind ob der Häufung ihrer Kunstmittel nicht blos ungeeignet für die Kirche, sie sind es auch in dem höheren Sinne, daß sie dem Gottes dienst sich nicht unterordnen, sondern ihn rücksichtslos be herrschen, die ganze Aufmerksamkeit der Gläubigen auf sich concentriren und so die Absichten der Kirche durchkreuzen. Kann es uns wundern, wenn eine angesehene Partei, die „Cäcilianer“, jetzt so weit geht, jede Instrumental-Musik aus der Kirche verbannen zu wollen? Ein Verlust, welcher am schwersten wol die katholische Kirche selbst treffen würde, welche in der Musik ein ganz unersetzliches Cultusmittel besitzt. Auf dem Lande und in kleineren Städten bildet die Instrumental-Messe überdies die einzige, musikalische Erhe bung der Bewohner. Es verschlägt nichts, wenn sie religiöse mit ästhetischer Andacht verwechseln und unbewußt mit dem Segen der Religion auch zugleich die Weihe des Schönen in sich aufnehmen. Das kommt schließlich, sei es auf einem Umweg, doch wieder der Kirche zugute. Sollten also unsere jüngeren Componisten die luxurirende Tendenz Liszt’s und Bruckner’s noch weiter steigern, so könnte es ihnen leicht widerfahren, daß sie die Kirchenmusik beseitigen, anstatt sie zu bereichern. Die Bruckner’sche Messe wurde unter Director Gericke’s Leitung vortrefflich aufgeführt. Mit schöner Pietät lösten die Solosänger (Fräulein Chotek, Fräulein Kusmitsch, Herr Erxleben und Herr Kraus) ihre keineswegs dankbaren Aufgaben, und der „Singverein“ wie das Orchester zeigten sich auch den stärksten Zumuthungen dieser Composition gewachsen.

Die Philharmoniker, welche im vorigen Jahre gleichfalls ein ganzes Concert mit einer Bruckner’schen Riesensymphonie ausgefüllt haben, sind diesmal menschen freundlicher aufgetreten. Sie begnügten sich mit Beethoven’s Achter Symphonie, die nur den vierten Theil des Programms in Anspruch nahm, für Leute also, welche Tondichtungen nach der Klafter abschätzen, nicht halb so großartig ist, wie

eine Bruckner’sche. Zwischen der herrlich ausgeführten „Oberon“-Ouvertüre und der Beethoven’schen Symphonie stan den zwei interessante Novitäten von Robert Fuchs und Smetana. Die „Serenade für kleines Orchester“ hat R. Fuchs zu Ehren Johann Strauß componirt, in dessen Wohnung sie auch zuerst vor den versammelten Freunden des vielgefeierten und vielgeliebten Jubilars ge spielt worden ist. Fast möchte ich vermuthen, daß Robert Fuchs bei den ersten drei Sätzen noch gar nicht an Strauß gedacht hat: man kann darin keinerlei persönliche Beziehung oder musikalische Verwandtschaft entdecken. Eher könnte das in Liebeskummer sich chromatisch abhärmende Adagio eine Huldigung für Tristan und Isolde vorstellen. Erst in den folgenden zwei Sätzen erkennen wir unseren Robert Fuchs wieder, wenngleich er mit aller Grazie und Kunstfertigkeit uns diesmal wenig Neues zu sagen weiß. Allerliebst ist das Finale, eine geistreiche Phantasie über den „Fledermaus“- Walzer von Strauß. Wie kunstreich und dabei ungezwungen wechseln die beiden Motive die verschiedensten contrapunkti schen und harmonischen Gestalten, wie frisch und unaufhalt sam strömt das ganze Stück dahin! Es besitzt, was wir in den anderen Sätzen vermissen: Temperament. Für dieses Finale sind Robert Fuchs und Johann Strauß sich gegen seitig zu herzlichem Dank verpflichtet.

Smetana’sScharka“ ist eine mit genialem Wurf skizzirte und blendend colorirte Orchester-Rhapsodie; noch formloser und poetisch abhängiger als Liszt’s Symphonische Dichtungen. Das ist nicht mehr symphonische Programm- Musik, sondern Theatermusik, die wir uns im Orchester ge spielt denken, während oben auf der Bühne die Handlung vor sich geht. Ohne Kenntniß dieser Handlung steht der Hörer ziemlich rathlos vor Smetana’s Composition. Der Sage nach (wie sie Karl Egon Ebert in seinem einst vielgelesenen Epos „Wlasta“ erzählt), war Scharka, eine der tapfersten und gewandtesten böhmischen Amazonen, von Wlasta auserwählt worden, den ihr feindlichen Fürsten Ctirad durch List zu umgarnen und zu überwältigen. In einem Walde, den Ctirad mit seinem Gefolge passiren muß,

läßt sich Scharka mit Stricken an einen Baum binden. Ctirad hört ihr jämmerliches Hilferufen und bindet das Mädchen los, das ihm nun eine lange Geschichte vorlügt. Von ihrer Schönheit bezaubert, spricht der Ritter ihr zärt lich zu, während seine Begleiter, von Meth berauscht, in tiefem Schlafe liegen. Auch ihn selbst übermannt endlich der Schlaf. Da eilen auf ein Hornsignal Scharka’s die im Walde versteckten fünfzig Jungfrauen herbei und metzeln das schlafende Gefolge nieder. Ctirad wird gefesselt fortge führt und angesichts der Herzogsburg aufs Rad geflochten. Scharka selbst fällt in einem späteren Kampfe von der Hand Mil’s, der seinen Bruder Ctirad an der Verrätherin rächt. Einmal in Kenntniß von diesen Begebenheiten deutet man sich unschwer die einzelnen Theile der Smetana’schen Com position. Ihrer elementarischen Gewalt wird sich kaum Jemand entziehen. In dem Cyklus von sechs symphonischen Dichtungen, welche Smetana unter dem Gesammttitel Mein Vaterland“ zusammenfaßt, ist „Scharka“ die dritte. Vorher haben wir bereits im Philharmonischen Concert „Die Moldau“, „Wyschehrad“ und „Aus Böhmens Wald und Flur“ gehört. Die noch folgenden „Tabor“ und „Blanikwerden uns hoffentlich nicht vorenthalten bleiben. In unseren Tagen theils schwächlichen, theils raffinirten Musikmachens begrüßen wir mit Freude jede Schöpfung, die von einem echten, starken Talente stammt.

An Sonntag-Nachmittagen veranstaltet Herr Dues berg volksthümliche Kammermusik-Productionen, welche ein zahlreiches und sehr dankbares Publicum versammeln. Ein noch größeres als dieses musikalische Verdienst scheint aber Herr Duesberg um die Säuberung der deutschen Sprache anzustreben. Auf seinem Anschlagszettel zeigt er nicht etwa ein Concert an, Gott bewahre, sondern ein „Tonspiel“. Die „Vortragsordnung“ belehrt uns, daß „Eintrittscheine“ an der „Zahlstelle“ ausgefolgt werden und „Anmeldungen zu Lehr gängen in der Kammertonkunst an den Leiter des volks thümlichen Vierspiels“ zu richten sind. Der Leiter des „Vierspiels“ sieht sich aber doch genöthigt, sein Programm ein „classisches“ zu nennen und darin „Quartette“ und

„Trios“ aufzuzählen. Das ist ja das Erheiterndste an allen solchen Deutschreinigungs-Anstalten, daß die Säuberung immer unvollständig bleibt und wälsche Flecken, die um nichts besser sind als die ausgemerzten, hartnäckig stehen bleiben. Herr Duesberg kennt kein Violoncell, sondern nur eine „Kniegeige“; diese ganz ungewohnte und lächerliche Bezeichnung klingt wahrscheinlich — schönerer. Das gebräuch lichere Wort „Bratsche“ ist auch nur ein italienischer Krüppel (von Braccio) und klingt neben dem melodischen Viola ebenso barbarisch, wie neben dem Telephon die neu erfundene „Fernsprechstelle“, ein Wort, an dem man sich alle Zähne ausbrechen kann. Musikalisches Gehör scheint überhaupt diesen Reinigungsdeutschen versagt; sie machen unsere Sprache mit Gewalt noch unmelodischer, als sie es schon ist. Uebrigens sind Programm, Kasse, Con cert und ähnliche jetzt geächtete Ausdrücke längst keine Fremdwörter mehr, sondern durch jahrhundertelangen Ge brauch uns völlig angeeignet. Die Hetzjagd auf dergleichen angeblich fremdes Wild ist unbeschreiblich kindisch. Sie ist obendrein — veraltet. Zur Zeit der Befreiungskriege be trieb man schon diesen sprachlichen Befreiungskrieg, und viel gründlicher. Es existirt aus jenen Burschenschaftskreisen eine Verdeutschungsliste aller musikalischen Kunstausdrücke, worin die Oboë „Hochholz“, das Fagott „Tiefholz“, die Trompete „Schmettermessing“, das Pianoforte „Leisestark spiel“ heißt. Das fremdländische „Clavier“, konnte Herr Duesberg nicht beseitigen; warum schreibt er aber regel mäßig „Clavierkünstler“ statt Clavierspieler? Man künstelt doch nicht Clavier, man spielt Clavier. Noch wunder licher figuriren aber auf dem Programm der „Kunstsänger“ Herr N. und die „Kunstsängerin“ N. N. Es versteht sich doch von selbst, daß in einem Concert nicht Canarienvögel oder Zeisige auftreten. Der günstige Erfolg seiner „Ton spiele“ wird hoffentlich Herrn Duesberg über den Kummer hinwegtrösten, daß er an die Spitze seiner „Vortrags ordnung“ mit großen Lettern drucken muß: Im Saale des Ingenieur- und Architekten-Vereins. Zwei Fremd wörter in Einem Athem, zwei Dolche zu gleicher Zeit!