Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 10911. Wien, Dienstag, den 8. Januar 1895 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 10911. Wien, Dienstag, den 8. Januar 1895 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 08.01.1895
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Romeo und Julie“, dramatische Symphonie von H. Berlioz. (Erste Aufführung im Philharmonischen Concert am 6. Januar 1895.)

Ed. H. Ein halbes Jahrhundert ist verflossen, seit Berlioz seinen „Romeo“ in Wien dirigirt hat. Seither haben wir uns wiederholt an drei Bruchstücken dieser Composition erfreut — „Romeo allein“, „Liebesscene“ und „Fee Mab“ — das vollständige Werk jedoch war der heutigen Generation unbekannt geblieben. Ihr nachträglich zu dieser Bekanntschaft verholfen zu haben, ist ein Verdienst des Hof-Capellmeisters Richter. Ein glänzender, eigenartiger Geist wie Berlioz hat vollen Anspruch darauf, daß man sein Hauptwerk ganz, wie er es gedacht und geschaffen, kennen lerne. Das verpflichtet freilich nicht zu ewiger Lieb’ und Treue. Wahrscheinlich wird man das Gesammtwerk bald wieder achtungsvoll beiseite stellen und sich wie bisher mit den genannten drei Orchester stücken begnügen. Die Befriedigung, welche ein einheitliches, organisch zusammenhängendes Kunstwerk gewährt, vermag BerliozRomeo-Symphonie uns nimmermehr zu bieten. Sie interessirt uns als ein geistreiches Curiosum, um nicht zu sagen: als ein ästhetisches Monstrum. Die Bezeichnung „Symphonie dramatique“ ist offenbar nur ein Verlegenheitstitel für die neue Gattung, die Berlioz einführen und gründen wollte. Gesang und Instrumentalsätze, Erzählung, Empfindung und Ereigniß, sie lösen einander in buntem Wechsel ab, um den Gang der Shakespeare’schen Tragödie musikalisch nachzu schildern. Der Gedanke ist so unglücklich als möglich; fort während wird der Hörer aus einer bestimmten ästhetischen Voraussetzung in eine andere geschleudert und wieder zurück. In seiner „Symphonie fantastique“, die doch auch Programm- Musik ist, stand der Componist selbst in der Mitte der Situationen. Es lag nahe, daß er in ähnlicher Freiheit, rein instrumental, die Hauptmomente des Shakespeare’schen Dramas, dessen Bekanntschaft er bei allen Gebildeten voraussetzen durfte, vor uns hinstelle. Berlioz läßt sich aber auf den Verlauf der Handlung ein, die er doch nicht vollständig wiedergeben kann, und überläßt es dem Nothbehelf eines Prologs, diese Lücken auszufüllen. Wenn nun dieser gesungene „Prolog“ uns die Handlung des Trauerspiels zu erzählen beginnt, plötzlich von den Capulets und Montagues in dramatisch bewegten Chören unterbrochen wird, dann wieder

das Orchester allein lyrische Scenen in langen Symphonie sätzen ausmalt, bis schließlich das Finale ganz in der Oper aufgeht — dann weiß man am Ende nicht mehr, in welchem Vorstellungskreis man sich befindet. Anstatt zu wirkungsvoller Einheit zu verschmelzen, sondern sich die lyrischen, epischen und dramatischen Sätze in Berlioz’ „Romeo“ spröde von einander und bleiben Bruchstücke. Berlioz’ „dramatische Symphonie“ ist weder Symphonie noch Oper; ein haltloses und zukunftsloses Mittelding zwischen beiden. Dieser unförm liche Rahmen umschließt aber einzelne Bilder von großer Schönheit, von denen zu sprechen mir oft die erwünschte Gelegenheit wurde.

Berlioz theilt seine Partitur in sieben große Stücke; über sichtlicher ist die gebräuchliche Eintheilung in „Prolog“ und zwei Theile, jeder zu drei Nummern. Die logische Confu sion des ganzen Aufbaues beginnt schon mit dem Anfang, denn Berlioz bringt noch vor dem Prolog, der uns die kommende Handlung erzählen soll, ein Orchesterstück, das schon mitten in der Handlung steht: „Kampf, Tumult und Intervention des Fürsten.“ Der Kampf der beiden feind lichen Gruppen wird durch ein fugirtes Allegro wiedergegeben; die beruhigende Dazwischenkunft des Fürsten durch ein langes, furchtbares Recitativ aus dem Schlunde der Posaunen und Hörner. Nur eine mimische Darstellung vermöchte dem Hörer diese Musik zu erklären. Hierauf beginnt der eigentliche Prolog, von einem kleinen Chor im klagenden Unisono ge sungen. Er unterbricht zweimal seine Erzählung, zuerst um eine Altistin zwei reizlose sentimentale Strophen singen zu lassen, in welchen das Glück der Liebe gepriesen und Shake speare ein geschmackloses Compliment gemacht wird; sodann um einem Tenor-Solo Platz zu machen, welches Mercutio’s Erzählung von der Fee Mab vorträgt — unbegreiflicher weise mit Chor. Und diese Fee Mab, auf die Shakespeare’s Trauerspiel nur einmal flüchtig anspielt, wird bei Berlioz später noch einmal, in dem bekannten großen Orchester-Scherzo, behandelt! Das Alles ist noch „Prolog“. Bekanntlich läßt Gounod vor seiner Oper den kurzen Shakespeare’schen Prolog (mit Weglassung der letzten sechs Zeilen) von den Personen des Stückes singen; schlicht und stimmungsvoll, ist dieser einfache Chorsatz viel eindringlicher als das verwirrte Prolog-Potpourri von Berlioz. Dieses bleibt für unvorbereitete Hörer unverständ lich, weil die Singstimmen bald erzählend, bald handelnd eintreten und überdies jeden Augenblick den Platz an das Orchester cediren. Die nun folgende Erste Abtheilung

enthält die drei bekannten Orchesterstücke, die Perlen der ganzen Partitur. Die Scene Romeo’s, der, allein im Garten Capulet’s, träumerischer Melancholie nachhängt — eine anhaltende Klage der Oboe — ist in ihrer ersten Hälfte sehr ausdrucksvoll, da Berlioz sich hier seinem Gefühle überlassen konnte und keine Geschichte zu erzählen hat. Die sich anschließende Ballmusik athmet eine recht triviale Lustigkeit, insbesondere wo die Melodie dem gemeinen Klang hochgeführter Clarinetten anvertraut ist. Schließlich wird, einem contrapunktischen Kunststücklein zuliebe, die Liebes klage Romeo’s von den Posaunen fortissimo geblasen und — eine echte Berlioz’sche Groteske — mit der Ballmusik vereinigt. Es folgt wieder ein Gesangstück. Die vom Balle heimkehrenden jungen Herren (zwei getrennte Chöre) preisen in vergnügt schleudernden Gesangsfragmenten die Genüsse der Ballnacht. Unmittelbar daran schließt sich die Balconscene (Scène d’amour), auf welche das Orchester-Scherzo „Fee Mab“ folgt. Jene ist gewiß die rührendste, seelenvollste Musik, dieses die glänzendste, genialste, die Berlioz über haupt geschrieben. Beide dürften seine übrigen Werke am längsten überleben.

Die zweite große Abtheilung enthält gleichfalls drei Stücke (Julie’s Leichenbegängniß, Romeo’s Tod, Versöh nung der Parteien durch Pater Lorenzo). Sie ist, wie der „Prolog“, vollständig neu für alle jene Glücklichen, die vor fünfzig Jahren noch nicht in Concerte gingen. Durchaus dramatisch gestaltet, hat diese Abtheilung gar nichts mehr zu schaffen mit symphonischer Musik. Der erste Satz, Trauer gesang um Julien, würde höchst ermüdend wirken, inter essirte er nicht durch den Rollentausch zwischen Chor und Orchester. In der ersten Hälfte psalmodirt der Chor bei leicht fugirter Begleitung auf Einem Ton, in der zweiten nimmt er das Motiv des Orchesters auf, und die Vio linen bemächtigen sich jenes Tones (e). Das folgende Orchesterstück, „Romeo am Grabe der Julie“, könnte man einen Exceß beschreibender Musik nennen, denn abge sehen von der schönen „Invocation“ (Englischhorn und Fagott) trachtet Berlioz hauptsächlich die allmäligen Wirkungen des Giftes zu malen, die Schmerzen und Krämpfe des sterbenden Romeo. Wieder eines von jenen Musikstücken, die, ohne Bühne und Schauspieler undenkbar, uns nur den Eindruck von etwas Häßlichem und Unver ständlichem zurücklassen. Das Finale ist eine breit ausge führte Scene Pater Lorenzo’s mit dem doppelten Chor der Montagues und Capulets. Von kurzen, energischen Zwischen

rufen des Chors unterbrochen, erzählt Lorenzo (Baß) das tragische Geschick der Liebenden und ermahnt die feindlichen Stämme in einem immer gewaltiger gesteigerten Arioso zur Versöhnung. Der alte Zwist droht von neuem auszubrechen, aber Lorenzo’s Beredsamkeit, welche gleichzeitig das Studium Gluck’s und die melodische Dürftigkeit Berlioz’ verräth, siegt, und beide Chöre wiederholen mit höchster Energie, bei betäubender Orchester-Begleitung, den Schwur der Eintracht. Eine heftig aufstürmende Violin-Passage, welche diesen Chor satz eigensinnig durchkreuzt, habe ich zwar gesehen, in der Partitur nämlich, aber nicht gehört, da sie von dem dröh nenden Fortissimo aller Blechinstrumente rettungslos ver zehrt wird. Seltsam, daß selbst die größten Meister der Instrumentierung (auch Weber im „Oberon“ und der Euryanthe“) zeitweilig auf diese Gefahr vergessen. An haltend starke Posaunenaccorde sind eine Flamme, die alle ihr zu nahekommenden Violin-Passagen unbarmherzig frißt.

Das Werk erlebte unter Hanns Richter’s Leitung eine bewunderungswürdige Aufführung. Was das sagen will, möge man aus den eigenen Worten Berlioz’ entnehmen, welcher in seinen Memoiren schreibt: „Diese Symphonie bietet immense Schwierigkeiten der Aufführung, Schwierig keiten, die sowol mit der Form als mit dem Styl zusammen hängen und die nur durch langes Studium unter einem vollkommenen Dirigenten besiegt werden können. Zu ihrer guten Ausführung braucht es Künstler ersten Ranges, Capell meister, Spieler und Sänger, welche entschlossen sind, das Werk zu studiren, wie man in guten Theatern eine neue Oper studirt, das heißt: beinahe, als wenn man sie aus wendig aufführen sollte.“ Die Virtuosität, mit der unser Philharmonisches Orchester die „Liebesscene“ und „Fee Mab“ vorträgt, ist bekannt; auch diesmal haben diese beiden Orchesternummern den entschiedensten Sieg über alles Andere davongetragen und einen Sturm von Beifall entfesselt. Auch den Chören sind überaus häkelige, dabei undankbare Auf gaben gestellt. Berlioz war eine eminent instrumentale Natur; für die Singstimmen schreibt er unbequem, gesang widrig; seiner Melodie fehlt es an schönem Fluß, selbst an Seele. Um so größer ist das Verdienst der Sänger und Sängerinnen, die theils im Chor, theils als Solisten mitwirkten. Unter diesen hatte Herr van Dyck den allerkleinsten und zugleich schwierigsten Part: das „Scherzetto“ von der Fee Mab. Ein Sänger hat schon viel geleistet, wenn dieses tolle Geflüster und Gestotter nicht lächerlich wird. Es ist mein einziges Bedenken gegen diese

Aufführung, daß das Scherzetto viel zu schnell genommen wurde. Sei es noch allenfalls mit französischem Text, der sich so leicht von den Lippen löst. Aber die deutschen Worte „Botin der Träume und flüchtigen Bilder“ u. s. w. in so athemlos schnellen Achtelnoten deutlich herauszubringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und auf die Worte kommt es doch vor Allem an in diesem musikarmen Stück, welches, an das Instrumental-Scherzo „Fee Mab“ gehalten, uns recht deutlich den Unterschied zeigt zwischen der Domäne des Gesanges und jener des Orchesters; ferner zwischen dem Talente Berlioz’ für das Eine und für das Andere. Herr van Dyck ist für das persönliche Opfer, das er dem Ganzen gebracht, durch verdienten Beifall belohnt worden. Desgleichen Frau Kaulich für den Vortrag der beiden Strophen im „Prolog“, endlich Herr Grengg, dessen imposante Baßstimme von dem unglücklichen Finale gerettet hat, was überhaupt zu retten ist. Das Publicum hörte den Prolog mit mäßiger Theilnahme, erwärmte sich bis zum Enthusiasmus bei den Orchesterstücken der ersten Abtheilung, um wieder im Finale merklich zu erkalten. Die Aufführung der vollständigen Romeo-Symphonie war ein interessantes Experiment, für das wir dankbar sind, ohne uns nach Wiederholungen derselben zu sehnen.

Auch in dem letzten Philharmonischen Concert war eine Composition von Berlioz zur Aufführung gekommen, für die kaum eine Nöthigung vorlag: die sattsam bekannte, kindische Ouvertüre zu „Benvenuto Cellini“. Selbst in Paris, wo jetzt der unbedingte Berlioz-Cultus zu den chauvinistischen Glaubensartikeln gehört, ist man über die Bewunderung gerade dieser Ouvertüre bereits hinaus: „Elle est longue, bruyente, et les motifs en sont empreints de vulgarité,“ heißt es in der letzten Nummer des Ménéstrel, Berlioz selbst mochte später von dieser unreifen Jugendarbeit nichts wissen und hat aus ihrer Asche einen glänzenden Phönix aufsteigen lassen: die Ouvertüre Römischer Carneval“, der er dasselbe Saltarello-Thema zu Grunde legte. Diese Ouvertüre wird immer willkommen sein, vollends jetzt im Fasching. Ueberall und von jeher das beliebteste Stück von Berlioz, erlebte der „Römische Carneval“ nur in Petersburg das Mißgeschick, durchzufallen. „Wenn man das einem Wiener erzählte, er würde es nicht glauben!“, schreibt Berlioz im Jahre 1847. Die „Cellini“-Ouvertüre an der Spitze des letzten Programmes mußte umsomehr auffallen, als man erwartet hatte, eine Composition von Rubinstein werde diesen Platz ein

nehmen. Aber die Philharmoniker haben jetzt von dem Tode Rubinstein’s ebensowenig Notiz nehmen wollen, wie vor zwei Jahren von seinem fünfzigjährigen Künstlerjubi läum. In dieser fast demonstrativen Unterlassung stehen sie ganz allein da unter den Concert-Instituten Wiens. Rubinstein’s Orchesterwerke sind mir wahrlich nicht ans Herz gewachsen, aber daß seinen Manen ein musikalisches Todtenopfer gebracht werde, erschien mir als eine Pflicht künstlerischer Courtoisie, wenn schon nicht herzlicher Pietät. Die bedauerliche Zurückhaltung der Philharmoniker wurde vielfach dahin gedeutet, Hofcapellmeister Richter habe in Rubinstein noch nach dem Tode den Anti-Wagnerianer strafen wollen. Dem Hasse der Wagner-Partei ist zwar allerlei zuzutrauen (kürzlich hat in einer holländischen Zeitung der Rotterdamer Wagner-Vereins-Dirigent sogar die Echtheit der von mir veröffentlichten Billroth-Briefe verdächtigt!) aber nicht nur sieht Herrn Richter solche Animosität übers Grab hinaus nicht ähnlich, er hätte bei dieser Gesinnung auch die Ouvertüre von Berlioz nicht aufführen dürfen. Denn Rubinstein’s Aussprüche über Wagner sind unschuldige Milch gegen das Gift, das Berlioz mit wahrer Wollust gegen Wagner geschleudert hat in seinen Aufsätzen, noch mehr in den zwei Bänden seiner vertrauten Briefe, am meisten wol in seinen Randbemerkungen zur „Tristan“-Partitur, welche die Bibliothek des Pariser Conservatoriums besitzt. Nach dem Durchfalle des „Tannhäuser“ in Paris konnte Berlioz den Jubelschrei nicht unterdrücken: „Jetzt bin ich fürchterlich gerächt!“ Die Verbitterung über sein eigenes Künstlerlos hatte diesen so hellen Geist getrübt, sein Urtheil umnebelt. Berlioz verkannte in seinem Haß gegen die „Zu kunftsmusik“ die unleugbar nahe Verwandtschaft, die seine eigene Richtung mit jener verbindet. Anfangs waren es Berlioz’ Orchesterwerke, welche auf den jüngeren Wagner einwirkten, am Ende wird wieder, umgekehrt, Berlioz (in seiner Oper „Les Troyens“) von Wagner beeinflußt, wenn auch nicht von Wagner’s Musik, doch gewiß von dessen Grundsätzen. Berlioz’ prophetisches Auge blieb verschlossen für die mögliche Zukunft der „Zukunftsmusik“ in Frank reich. Ich war glücklicher im Prophezeien, als ich nach Berlioz’ Tode schrieb: „Die Zeit Wagner’s wird für Frankreich so sicher kommen, wie sie bereits für Italien gekommen ist.“ Man muß gegen das, was vorgeht oder herankommt, sich nicht blenden lassen, auch nicht durch die gründlichste Antipathie.