Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11114. Wien, Sonntag, den 4. August 1895 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2024

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11114. Wien, Sonntag, den 4. August 1895 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 04.08.1895
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Neue Bücher über Musik. (I. Wagneriana.)

Ed. H. Vor Allem unsern wärmsten Glückwunsch an Herrn Nikolaus Oesterlein! Er ist es glücklich losgeworden, das fressende Kapital, sein „Richard-Wagner-Museum“. An dreißig Jahre lang hat der unermüdliche Enthusiast dafür gearbeitet, daran gesammelt, bis er in seiner bescheidenen Wohnung immer weiter zurückgedrängt, kaum mehr eine Schlafstelle fand zwischen den unermeßlichen Bergen von Zeitungen, welche irgend ein Witzwort Wagner’s oder „eine Ansprache an das Orchester“ für die Ewigkeit aufbewahren. Nachdem er diesem kostspieligen Mittelding zwischen Sport und Götzendienst sein ganzes Vermögen geopfert hatte, mußte Herr Oesterlein wünschen, daß nun andere Hände es über nehmen und weiterführen möchten. Jedermann dachte zu nächst an Bayreuth, die prädestinirte Stätte für ein Wagner- Museum. Aber dort liebt man es nicht, Geld auszugeben, sondern nur einzunehmen. Es erschien eine Bro schüre: „Aufruf an die Wagnerianer“, welche mit angreifender Beredtsamkeit Beiträge für den Ankauf des Oesterlein’schen Museums forderte. Sie ruft „Zu neuen Thaten!“ und tummelt die alten Phrasen. Es handle sich um die gleichberechtigte Einfügung der Wagner’schen Sache in das altüberkommene Gefüge unseres Volkslebens“, „um die organische Verknüpfung der Wagner’schen Kunst als einer nothwendigen wich tigen Lebensäußerung des deutschen Volkes mit seinen anderen wichtigen Lebensäußerungen“. „Es gilt heranzutreten an die ganze Fülle und Macht des Bestehenden, an die ver schiedensten Bildungsanstalten und Behörden, zuletzt an die obersten Gewalten des Staates selbst... Dann feiert Alldeutschland, nicht blos ein äußerlich ausgebreitetes, sondern ein inneres Alldeutschland, in Bayreuth seine Eleusinischen Feste!“ Dieser schmetternde Unsinn scheint trotzdem keine namhaften Beiträge erzielt zu haben. Jetzt ist der Noth schrei der Broschüre antiquirt, denn ein reicher Bürger in

Thüringen hat bekanntlich die nöthige Summe unter der Bedingung gespendet, daß das Wagner-Museum in Eisenach aufgestellt und verwaltet werde. Dahin ist es denn auch glücklich abgegangen mit einem oder zwei Sternchen für die neueste Bädeker-Auflage. Als letzte eigene Arbeit hat Herr Oesterlein noch den vierten Band seines Museum-Kata logs (1895) dazu geliefert. „Es ist jetzt Ordnung in den Wirrwarr einer vergangenen großen Kunstbewegung ge bracht worden,“ sagt er im Vorwort. Ordnung? Ich glaube, an Wirrwarr fehlt es noch immer nicht. Wenn Oesterlein’s „Nachfolger in der Verwaltung“ die Samm lung in derselben systemlosen Vollständigkeit fortsetzen, so wird Eisenach sammt der Wartburg bald nicht Platz genug haben für den Coloß. Herr Oesterlein hält für unentbehrlich Alles, was mit Wagner’s Person und Kunst zusammen hängt. Der Begriff „Zusammenhang“ ist aber weit, ja dehnbar bis zum Lächerlichen. Bei Oesterlein streckt jedes Schlagwort tausend Polypenarme aus und packt das Aller entfernteste. Zum Beispiel: Wagner dirigirt in Riga zu seinem Benefice die Oper „Norma“; ein interessantes biogra phisches Moment. Der Theaterzettel mit Wagner’s lobpreisen der Empfehlung der „Norma“ gehört unstreitig in das Museum. Aber Florimo’s dickleibige „Memorie e lettere di Bellinigehören darum noch nicht hinein, ebensowenig die italieni schen Kritiken über Goldmark’s „Königin von Saba“, in welchen „Wagner erwähnt wird“. Weil Wagner in Venedig gestorben ist, stellt Oesterleindreiitalienische Werke über Venedig, zu 500, 594 und 558 Seiten in sein Museum! Die „Gedichte von Murad Effendi“ und das „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“ enthalten Verse an die Wart burg — mußten sie deßhalb für das Wagner-Museum an geschafft werden? Wir finden ferner in dem neuen Kataloge Tausend Jahre thüringischer Geschichte“, „Akustische Briefe von R. Pohl“, „Musikalische Winke und Lebensbilder von Elise Polko“, A. Grün’s „Nibelungen im Frack“, Kopisch’s Gedichte, Wolff’s Gedichte, ein Schauspiel „Die Mauren in Spanien“, Luther’s Leben von G. Pfizer, Mythologie der alten Indier, neun Werke über die griechische Tragödie und vielen ähnlichen Ballast. Was wollen endlich all die Concertprogramme über Aufführungen Liszt’scher Com positionen in dem Wagner-Museum? Die lustig fort strömende Vielschreiberei über Wagner — ein Dutzend

Broschüren hat bereits die neueste Pariser „Tannhäuser“- Aufführung erzeugt — wird der Eisenacher Museums-Ver waltung heute schon genug nachzuschaffen geben, auch wenn sie strenger als Herr Oesterlein in der Auswahl verfährt.

Zu den willkommensten Novitäten gehören die „Fünf zehn Briefe von Richard Wagner, nebst Er innerungen und Erläuterungen von Eliza Wille“ (Berlin, Gebrüder Paetel, 1894). Das Landhaus des Ehepaares Wille, Mariafeld am Zürchersee, bildete in den Fünf ziger- und Sechziger-Jahren ein Asyl schönster Geselligkeit. Außer Wagner, der nach seiner Flucht aus Dresden seinen Aufenthalt in Zürich genommen hatte, verkehrten daselbst Herwegh, Mommsen, Semper, Gottfried Keller, Moleschott. Wagner gab sich dort ungezwungen und meist heiterer Laune. Frau Wille, welche sein besonderes Vertrauen genoß, spricht mit Liebe und Verehrung von ihm, ohne seine Schwächen zu übersehen. Daß Wagner in Zürich schwere Leiden des Exils gekannt, erklärt sie für eine Fabel: „Der Verbannte, den Alle hochhielten, den Viele verehrten, lebte in der Sicherheit des eigenen Herdes und hatte Freunde, die für ihn eintraten. Einer war darunter (Wesendonk), der wol selten seines gleichen findet.“ Im Mai 1864 traf ihn die Berufung nach München. Es ist ein bei Wagner nicht eben häufig vorkommender Zug von Dankbarkeit, daß er auch während seiner Münchener Glücksperiode mit Frau Wille eine zeitlang im Briefwechsel blieb. Gar schwärmerisch schreibt er ihr über den jungen König: „Von der Herrlichkeit dieses Verhältnisses haben Sie keinen vollen Begriff!“ Aber ein starkes Selbstgefühl färbt durch wegs diese Hingebung. „Welcher Energie bedürfte ich, um meinen jungen Freund für immer seiner Umgebung zu entreißen!“ Wagner erinnert sich lebhaft eines Traumes in seinen Jünglingsjahren, daß er Shakespeare leibhaftig sehe und spreche und nur noch die Sehnsucht empfinde, Beethoven zu sehen. „Etwas Aehnliches muß in diesem lieblichen Menschen (dem König) vorgehen, wenn er mich hat!“

Von hohem Interesse, doch ganz verschiedenen Cha rakters sind „Zwölf Briefe R. Wagner’s an August Röckel“. Wir danken ihre Veröffentlichung der fleißigen Schatzgräberin La Mara, welche in einem Vorwort uns über die Persönlichkeit und merkwürdigen Schicksale Röckel’s unterrichtet. Die Briefe stammen aus der ersten Zeit von

Wagner’s Schweizer Exil und zeigen sein ganzes Wesen in exaltirter Verbitterung. Er hat sich tief in pessimistische Schriften hineingelesen und sendet seinem unglücklichen Freunde Röckel in dessen Festungshaft lange redselige Vor träge über Feuerbach’sche und Schopenhauer’sche Philosophie.

Ein sehr umfangreiches Werk, Glasenapp’sWagner- Biographie, erscheint jetzt in dritter, gänzlich neu bearbeiteter Auflage. Vorläufig ist der etwa 400 Seiten starke erste Band heraus; er umfaßt die Jahre 1813 bis 1843, reicht also von der Geburt Wagner’s bis zu seiner Berufung an die Dresdener Hofoper. „Der höchste Lohn,“ heißt es im Vorwort, „bestand für den Verfasser darin, daß der Meister selbst die Leistung einer freundlichen und er muthigenden Beachtung für werth hielt.“ Das glauben wir gern, denn Herrn Glasenapp’s Buch ist eine schrankenlose Vergötterung Wagner’s, des Menschen wie des Künstlers. Die Biographie beginnt mit einer höchst weitschweifigen Ge schichte von Wagner’s Vorfahren. Auf Seite 18 ist der Ver fasser endlich bei dem Vater Wagner’s angelangt und sieht hier „den Durchbruch aus der erdrückenden Masse des Stofflichen unserer modernen Bildung in das freie Reich der künstlerischen Gestaltung in dem überragenden Künstler geist Richard Wagner’s mit dem Staunen tiefster Ergriffen heit sich vollziehen“. Das „Staunen tiefster Ergriffenheit“ gehört bekanntlich zu Wagner’s stylistischem Hausgebrauch und ist so wie die „allerdeutlichste Bestimmtheit“ und Aehnliches bereits von allen Wagnerianern bis zum Ueberdruß abgenützt. Aber auch den athembeklemmenden Periodenbau hat Glasenapp dem „Meister“ abgeguckt. Nachdem er uns die acht älteren Geschwister Richard Wagner’s aufgezählt, fährt er fort: „Halten wir bei solcher Vergegenwärtigung des Wagner’schen Familienbestandes den Gesichtspunkt der darin sich kund gebenden Bedingungen für die Erzeugung des Genius aus seiner Mitte im Auge, so springt uns daraus in recht auffälliger Weise eine überaus sprechende Thatsache entgegen: das Inslebentreten der außerordentlichen Erscheinung stellt sich uns recht greifbar als das Endergebniß einer ganzen Reihe vorausgegangener Geburten dar, in deren stetiger Folge die Natur, wie zum Zwecke ihrer Hervorbringung durch das dazu erlesene Paar ihre Kräfte gleichsam geübt oder auch gesammelt und aufgespart hat. Ja selbst das an

fängliche Vorwiegen männlicher, dann aber fast aus schließlich weiblicher Geburten will uns im Hinblick auf die so ausgesprochen männliche Natur des Richard Wagner’schen Genius durchaus bedeutsam er scheinen.“ Durchaus bedeutsam erscheint Herrn Glasenapp an dem kleinen Richard allerlei, was jeder andere Junge auch treibt: Hosenzerreißen, auf dem Treppengeländer hinab gleiten, einen verlaufenen Hund mit nach Hause nehmen, in der Küche die Cotteletten anbeißen und dergleichen Genie blitze mehr. Für diese Erinnerungen aus Richard’s Kinder zeit findet Herr Glasenapp in seiner tiefsten Ergriffenheit die sinnige Bezeichnung, es seien „Schmetterlinge mit ab gestreiftem Flügelstaub“! Auch geheimnißvolle chronologische Beziehungen weiß er auf Schritt und Tritt aufzufinden, zum Beispiel daß der Vater Richard Wagner’s mitten in der sommerlichen Höhe des Beethoven-Jahres1770 ge boren wurde, daß die erste Dresdener Aufführung von Weigl’s „Schweizerfamilie“ am fünften Geburtstage Richard Wagner’s stattfand, daß dieser seinen neunten Ge burtstag um die Zeit feierte, als C. M. Weber sich zur Composition der „Euryanthe“ anschickte. Alles höchst be deutungsvoll!

Endlich ist der Verfasser mit den Knabenjahren fertig und spricht die Hoffnung aus, „das Außerordentliche der Er scheinung des Genius bereits in seiner frühesten Entwick lung überzeugend vergegenwärtigt zu haben“. Von der Leip ziger Universitätszeit Wagner’s erfahren wir nicht viel mehr, als daß er „von der Gelegenheit, sich durch philosophische und ästhetische Collegien zu bilden“ wenig profitirte. Hin gegen „habe er bei Cantor Weinlig den Contrapunkt und dessen schwierigste Aufgaben in weniger als einem halben Jahre spielend erlernt.“ Demnach muß der alte Weinlig wirklich ein Wundermann gewesen sein. In Würzburg1833 componirt Wagner seine erste Oper „Die Feen“ und über reicht sie dem Leipziger Theater. Glasenapp donnert gegen die „bornirte Schrullenhaftigkeit“ dieser Theater-Directon, welche Auber’s neue Oper „Der Maskenball“ dem Erstlingswerk des jungen Wagner vorzog. Dieser kommt als Musikdirector nach Magdeburg, dann nach Königsberg, wo er die schöne Schauspielerin Minna Planer heiratet. „Kein Zweifel,“ sagt Glasenapp, „daß er wirkliche Liebe auch unter

den schwierigsten Verhältnissen ihr bewahrt hat.“ Wer von den einsamen letzten Jahren dieser armen Frau Kenntniß hat, muß über so kühne Behauptung staunen. Einen breiten Raum füllt nach Fug und Recht Wagner’s erster Aufenthalt in Paris. Die Schriften von Laube, Heine, Fr. Pecht und von Wagner selbst haben dafür das beste Material geboten. Herrn Glasenapp ganz allein gehört jedoch der Eingang: „Es gibt einen Vorgang, der sich mit Wagner’s dreijähriger erster Pariser Periode vergleichen läßt: Luther’s Auf enthalt in Rom! Hier wie dort ward die Zerstörung des guten Glaubens eines deutschen Idealisten zum Ausgangs punkt einer reformatorischen That.“ Für Herrn Glasenapp hat ein „Musikdrama“ dieselbe weltgeschichtliche Bedeutung wie die Reformation und Wagner mindestens die gleiche Charakterstärke wie Luther. Ein Unterschied, auf den Glasenapp vergißt, besteht nur darin, daß Wagner später doch wieder nach dem musikalischen Babel pilgerte und den verachteten Parisern seinen „Tannhäuserfranzösisch vorführte, während von Luther nicht bekannt ist, daß er nach seinem Bruch mit dem Papstthum sich neuerlich nach Rom begeben und dort Messe gelesen habe. In dem Capitel Paris mußte für unseren Biographen der Name Meyerbeer ein Stein des Anstoßes werden. Durch materielle Unterstützung und zahlreiche Empfehlungen wurde Meyerbeer in Paris bekanntlich Wagner’s Wohlthäter, was dieser auch niemals leugnete. „Lassen Sie doch,“ schrieb er an R. Schumann nach Leipzig, „Meyerbeer nicht mehr so herunterreißen: dem Manne verdank’ ich Alles!Meyerbeer’s allmächtiges Fürwort hat die erste Aufführung des „Rienzi“ in Dresden bewirkt und dadurch mittelbar Wagner’s Ernennung zum Hofcapellmeister; auch in Berlin war die erste Aufführung des „RienziMeyerbeer’s eigenstes Werk. Das sind historische Thatsachen, ebenso wie die späteren maßlosen Angriffe Wagner’s gegen Meyerbeer. Ein anstän diger Biograph durfte hier bei aller Vorliebe für Wagner der Wahrheit nicht ins Gesicht schlagen; er durfte nicht die Undankbarkeit des Einen verherrlichen und das werkthätige Wohlwollen des Anderen verhöhnen. Nicht Wagner’s späterer Undank, im Gegentheil nur seine frühere Ergebenheit gegen seinen Wohlthäter findet Herr Glasenapp einer Entschul digung bedürftig. „Der junge Künstler hatte ja noch Vieles

an sich selbst zu erleben, bis er zu einem vorurtheilslosen und unbestochenen Urtheil über den wahren Werth des großen Opern musikkönigs gelangte.“ Dieser war nur „ein kalter Speculant, über dessen wahre Gesinnung Wagner schon aus dem Grunde sich immer wieder täuschen mußte, weil er zu ihrer richtigen Beurtheilung in seinem Innern auch nicht den mindesten Maßstab fand“. Meyerbeer habe Wagner stets nur dahin empfohlen, „wo er eine Erfolglosig keit seiner Empfehlung mit Bestimmtheit vor aussehen konnte“! Genug. Eine solche Gemüthsroheit, wie sie Glasenapp in diesem auf Haß und Lüge aufgebauten Urtheil über Meyerbeer bekundet, ist uns selten begegnet. Nicht nur der Historiker, auch der Mensch Glasenapp erregt unsern Widerwillen. Ja, rufen seine Anhänger, mußte denn Wagner die Musik Meyerbeer’s loben, weil er ihm persön lich Dank schuldete? Gewiß nicht. Wir lassen hier die Com positionen Meyerbeer’s, über die Wagner nach Belieben denken mochte, völlig beiseite. Nichts nöthigte ihn, sie zu loben, wie er anfangs (siehe Lippmannsohn’s Autographen- Katalog) mit demüthiger Schmeichelei gethan; aber noch weniger war er später gezwungen, Meyerbeer öffentlich zu verunglimpfen, wie er es in seinem „Judenthum in der Musik“ gethan. Natürlich erfreut Herr Glasenapp seinen Leserkreis auch reichlich mit den ausgesuchtesten antisemitischen Delicatessen. Er rügt es, daß Wagner in seinem Aufsatze „De la musique allemandeMeyerbeer als Deutschen behandelt hat. „Der physiologische und ethno logische Gegensatz zwischen deutschem und jüdischem Wesen war dem siebenundzwanzigjährigen Künstler eben noch nicht in voller Klarheit aufgegangen.“ Heine wird mit Gänsefüßchen ein „deutscher“ Dichter genannt, Mendels sohn-Bartholdy „eine vollends undeutsche Erschei nung“, der berühmte Schauspieler Dessoir erscheint mit eingeklammertem „Dessauer“ und dem angehängten Spott ruf: „Ex oriente lux!“

Genug von dieser widerwärtigen Parteischrift. Wenn ich nicht irre, war es L. Ehlert, der die erste Auflage der selben mit dem Ausspruche abgefertigt hat, man lese auf der ersten Seite, daß Herr Glasenapp kein Musiker, auf der zweiten, daß er kein Biograph ist. Dieses Urtheil bleibt auch für die neueste Umarbeitung aufrecht.