Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11560. Wien, Donnerstag, den 29. October 1896 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11560. Wien, Donnerstag, den 29. October 1896 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 29.10.1896
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Aus Robert Schumann’s letzten Tagen. Mit ungedruckten Briefen von ihm. II.

Ed. H. Siehe I. in Nr. 11558 der „Neuen Freien Presse“. Die folgenden Briefe Schumann’s an Brahms und Joachim bedürfen nur weniger Erläuterungen. Brahms hatte auf die Nachricht von Schumann’s Erkrankung sofort seinen Wohnsitz in Düsseldorf genommen, um in dieser schweren Prüfungszeit Frau Clara und ihren Kindern trost- und hilfreich zur Seite zu stehen. Schumann hatte zuerst an dem jungen Brahms das große Talent erkannt und anerkannt — jetzt bekam die Familie Gelegenheit, sein Herz kennen zu lernen. Brahms war der häufigste und will kommenste Besucher in Endenich; er kam wöchentlich ein- auch zweimal zu dem Kranken, der mit zärtlicher Liebe an ihm hing. Sein Erscheinen wirkte offenbar freundlich be ruhigend auf Schumann, mit dem er von dessen Angehörigen und über Musik sprach, auch vierhändig spielte. Sonst ge stattete der Arzt nur sehr selten nahen Freunden den Zutritt zu Schumann, dem jede Aufregung sorgsam fernzuhalten war. Clara selbst durfte ihn erst ganz kurz vor seinem Tode sehen, als er nicht mehr sprechen konnte. Joachim schreibt mir bei Uebersendung des letzten Schu mann-Briefes: „Ich habe Schumann dreimal in Endenich besucht; das erstemal hatte ich trostreiche Eindrücke, es war ganz sein freundlicher Blick, das liebreiche, tieftreue Auge, wie es uns auch aus so vielen seiner Notenreihen, von schönen Welten träumend, entgegenleuchtet. Er sprach viel und hastig freilich, frug nach Freunden und musikalischen Vorgängen und zeigte mir alphabetische Register von Städt namen, die er emsig zusammengestellt. Als ich fort wollte, nahm er mich noch geheimnißvoll in eine Ecke (obwol wir

unbeachtet waren) und sagte, daß er sich von da wegsehne; er müsse von Endenich weg, denn die Leute verständen ihn gar nicht, was er bedeute und wolle. Es schnitt mir ins Herz! Zum Abschiede begleitete er mich noch ein Stück auf die Chaussée und umarmte mich dann. (Ein Wärter war in der Ferne gefolgt.) Die beiden weiterenmale schwand leider jeder Hoffnungsschimmer; zusehends hatte er auch körperlich wie geistig abgenommen.“

Die in Schumann’s Briefen vorkommenden Compo sitionen von Brahms sind die Balladen op. 10, das Scherzo op. 4, die Sechs Gesänge op. 3, endlich die bereits gegen Clara wiederholt erwähnten Variationen in Fis-moll, op. 9. Die zehnte derselben (poco Adagio) enthält die „Er innerung, von welcher Clara schrieb“, nämlich eine Erinne rung an jenes Thema von Clara Wieck, das Schumann seinen poetischen „Impromptus“, op. 5, zu Grunde gelegt hat. Neben Brahms war es Joachim, auf dessen schöpfe rische Begabung Schumann große Stücke hielt. Die von Schumann so warm belobten und schön charakterisirten Varia tionen von Joachim sind als op. 10 bei Breitkopf erschienen.

Die Clavierbegleitungen zu Paganini’sCapriccios, von Schumann in Endenich niedergeschrieben, befinden sich als Manuscript im Besitz Joachim’s. „Sie sind,“ wie dieser mir schreibt, „ganz einfach harmonisch gehalten, ganz klar in der Schrift und logisch.“ Wir haben uns darunter keineswegs eine Fortsetzung der beiden Hefte „Studien nach Capriccios und Paganini für Clavier“ von Schumann, op. 9 und 10, zu denken, welche überwiegend freie, selbst ständige Erfindung sind.

Jan Albert van Eycken (geboren 1822 in Holland), nach dem Schumann sich bei Joachim erkundigt, hat von 1854 bis zu seinem Tode (1868) als Organist an der re formirten Kirche in Elberfeld gewirkt. — Elisabeth Kul mann, deren Gedichte Schumann verlangt, stammte aus einer deutschen Familie im Elsaß, war 1808 in Petersburg geboren und starb daselbst schon im Jahre 1825. Schumann, der für ihre (von K. F. Großheinrich1857 herausgegebenen) Gedichte eine schwärmerische Vorliebe empfand, hat von ihr in DüsseldorfMädchenlieder“ für zwei Sopranstimmen (op. 103) und „Sieben Lieder“ (op. 104) componirt.

Das von Clara an Schumann „im Original“ geschickte Gedicht von Friedrich Rückert war gleichsam ein Dank des Dichters für die von Robert und Clara Schumann ge meinsam herausgegebenen zwei Liederhefte (op. 37) aus Rückert’s „Liebesfrühling“. Das wenig bekannte Gedicht darf wegen seiner intimen Beziehung auf Schumann und als ein Virtuosenstück Rückert’scher Reimkunst hier wol ein Plätzchen finden.

An Robert und Clara Schumann. Lang ist’s, lang, Seit ich meinen Liebesfrühling sang; Aus Herzensdrang, Wie er entsprang, Verklang in Einsamkeit der Klang. Zwanzig Jahr’ Wurden’s, da hört’ ich hier und dar Der Vogelschaar Einen, der klar Pfiff einen Ton, der dorther war. Und nun gar Kommt im einundzwanzigsten Jahr Ein Vogelpaar, Macht erst mir klar, Daß nicht ein Ton verloren war. Meine Lieder, Singt ihr wieder, Mein Empfinden Klingt ihr wieder, Mein Gefühl Beschwingt ihr wieder, Mich, wie schön Verjüngt ihr wieder: Nehmt meinen Dank, wenn auch die Welt, Wie mir einst, ihren vorbehält.

Briefe von Robert Schumann an Brahms. Endenich, 27. November 1854. Lieber! Könnt’ ich selbst zu Ihnen, Sie wieder zu sehen und zu hören und Ihre herrlichen Variationen, oder von meiner Clara, von deren wundervollem Vortrage mir Joachim geschrieben. Wie das Ganze so einzig ab rundet, wie man Sie kennt in dem reichsten phantastischen Glanz und wieder in tiefer Kunst, wie ich Sie noch nicht

kannte, verbunden, die Thema hie und da auftauchend und sehr geheim, dann so leidenschaftlich und innig. Das Thema dann wieder ganz verschwindend, und wie so herrlich der Schluß nach der vierzehnten, so kunstreichen in der Secunde canonisch geführten, die fünfzehnte in Ges-dur mit dem genialen zweiten Theile und die letzte. Und dann hab’ ich Ihnen, theurer Johannes, zu danken für alles Freundliche und Gütige, was Sie meiner Clara gethan; sie schreibt mir immer davon. Gestern hat Sie, wie Sie vielleicht wissen, zwei Bände meiner Compositionen und die Flegeljahre von Jean Paul zu meiner Freude geschickt. Nun hoffe ich doch auch von Ihnen, wie mir Ihre Handschrift ein Schatz ist, sie bald in anderer Weise zu sehen. Der Winter ist ziemlich lind. Sie kennen die Bonner Gegend, ich erfreue mich immer an Beethoven’s Statue und der reizenden Aussicht nach dem Siebengebirge. In Hannover sahen wir uns zum letztenmale. Schreiben Sie nur bald Ihrem verehrenden und liebenden R. Schumann.

Endenich, 15. December 1854. Theurer Freund! Könnt’ ich zu Weihnachten zu euch! Einstweilen hab’ ich durch meine herrliche Frau Ihr Bild empfangen, dein wohlbekanntes, und weiß die Stelle recht gut in meinem Zimmer, recht gut — unter dem Spiegel. Noch immer erhebe [ich mich] an deinen Variationen; viele möcht’ ich von dir und meiner Clara hören; ich beherrsche sie nicht vollständig, namentlich die zweite, die vierte nicht im Tempo, die fünfte auch nicht; aber die achte (und die langsameren) und die neunte — — Eine Erinnerung, von der mir Clara schrieb, steht wol S. 14, woraus ist sie? Aus einem Lied? — und die zwölfte — — o könnt’ ich von euch hören! Clara hat mir auch das Gedicht von Rückert an uns gesandt, das Original; das thut mir leid, obgleich es mich sehr erfreut, da sie es aus dem Album genommen hat. Sie schrieb mir auch von Balladen von dir; was ist denn von dir während unserer Trennung erschienen? Das Scherzo nicht? Gewiß. Wie würde es mich freuen, wenn ich von deinen neuen etwas kennen lernen. Schreibe mir bald wieder, lieber Johannes, und auch von unseren Freunden. Daß die in Hamburg sich an mich erinnert haben, hat mich sehr erfreut. Könnt’ die Stadt,

die ich eine zeitlang nach dem Brand gesehen, wieder sehen. Jetzt wirst du wol in Düsseldorf wieder sein; seit Hannover haben wir uns nicht gesehen. Das waren wol fröhliche Zeiten. Ueber meine Mädchen Marie, Elise, Julie und ihre bedeutenden Talente freue ich mich sehr gern. Hörst du sie manchmal? Lebe wohl, du treuer Freund; sprecht von mir und schreibt weiter. Dein innig ergebener Robert Schumann.

Endenich, 11. März 1855. Theurer Freund! Haben Sie Dank für die Sendung. Die Binde paßt gut. Und die „Signale“ haben mir viel Freude gemacht. Ich schrieb es schon an Clara und Joachim, daß mir das Alles neu war. Wie kommt’s, daß gerade der jetzige Jahr gang 1855 so unvollkommen ist? Nur die Nr. 6, 8, 10, 11 und eben bekomme durch Kreuzcouvert 12.

Ich habe in Absicht, so bald als möglich an Dr. Härtel zu schreiben und ihm Einiges anzubieten. Ich weiß nicht genau, ob die Stücke für Violoncello und Pianoforte Phantasiestücke“ heißen. Ueber Eines, das letzte, bin ich im Zaudern, obgleich es mir das Bedeutendste scheint; es geht aus D-dur, das erste Trio in A-dur mit wunderbaren Bässen (das Violoncell klang sehr gut, die Violine aber nicht). Ich wollte auch bitten, mir das Stück von Fuchs abschreiben zu lassen und mir schicken. Dann möchte ich Dr. Härtel wegen der Balladen angehen und ihm sagen nach der Wahrheit, in aller Bescheidenheit, wenn es noch Zeit ist. Das Scherzo war auch ein Stück, das gedruckt [werden] mußte, aber eines Ihrer schwersten im Tempo. Ich habe es neulich nach Genüge, wie ich wollte, ausgeführt. Und die Trios! Und der Schluß! Scherzo! Ist keine Sonate in Fis-moll mehr da, d. h. zum Leihen? Wollen Sie Clara an die Capricci von Paganini erinnern, daß sie mir sie bald sendet und, wenn ich bitten darf, Noten papier (12liniges, eigentlich 12fünfliniges). Ich freue mich sehr darauf. Bei Simrock in Bonn ist jetzt der vierhändige Clavierauszug zur Festouvertüre über das Rheinweinlied erschienen. Meine Frau schrieb mir, daß sie vielleicht jetzt noch einen neuen Band binden könne. Nach der Opus

nummer 123 müßte sie zum Anfang kommen; aber auf dem Rücken die Opuszahlen, die fortlaufen.

Der Spaziergang neulich war nicht weit, er hätte viel ferner sein müssen. Ganz fort von hier! Ueber ein Jahr seit dem 4. März 1854 ganz dieselbe Lebensweise, und die selbe Aussicht nach Bonn. Wo anders hin! Ueberlegt es euch! Benrath ist zu nah, aber Deutz vielleicht, oder Mühlheim.

Schreibt mir bald! Sie sagen, ich möchte mich Ihrer, lieber Johannes, manchmal erinnern — manchmal von Früh bis Abends. So, auf baldiges Wiedersehen Ihr R.

Endenich, März 1855. Ihre zweite Sonate, Lieber, hat mich Ihnen wieder viel näher gebracht. Sie war mir ganz fremd; ich lebe in Ihrer Musik, daß ich sie vom Blatte halbweg gleich, einen Satz nach dem andern, spielen kann. Dem bring’ ich Dank opfer. Gleich der Anfang, das pp., der ganze Satz — so gab es noch nie einen. Andante und diese Variationen und dieses Scherzo darauf, ganz anders, als in den anderen, und das Finale, das Sostenuto, die Musik zum Anfange des zweiten Theiles, das Animato und der Schluß —, ohne Weiteres einen Lorbeerkranz dem anderswo her kommenden Johannes. Und die Lieder, gleich das erste, das zweite schien ich zu kennen; aber das dritte — das hat (zum Anfang) eine Melodie, wo gute Mädchen schwärmen, und der herrliche Schluß. Das vierte ganz originell. Im fünften Musik so schön — wie das Gedicht. Das sechste von den anderen ganz verschieden. Die Melodie-Harmonie auf Rauschen, Wipfeln, das gefällt mir.

Nun haben Sie Dank für die Besorgungen, für die Capricci von Paganini und das Notenpapier. Einige (fünf) harmonisirt’ ich schon. Es scheint aber die Arbeit schwerer, als meine freie Bearbeitung von früher. Der Grund ist, in der Violine liegt so oft der Baß nach seiner Weise. Jedenfalls würden meine älteren Piano-Solo- Arrangements mir die jetzige Arbeit sehr erleichtern. Kennen Sie, lieber Johannes, die Variationen für Piano forte und Viola von Joachim genau? Haben Sie sie viel leicht gehört von Clara und Joachim? Das ist ein Werk, das neben seinen Ouvertüren, seinen Phantasiestücken für

>Violine und Pianoforte noch über die emporragt, durch die phantasirend-abwechselndsten Regionen sich fortschwingt. Der Viola, auch dem Pianoforte, sind Geheimnisse abgelauscht; gleich die erste Variation möchte ich von Joachim hören — welche Melodie! Wie anders die zweite, die Viola in tieferen Chorden. Die vierte wie ein Traum. In der fünften der Gegensatz — sehr ernst (zum Schlusse trefflicher Orgelpunkt). Merkwürdig die sechste durch das Thema im Baß; die anderen Stimmen spielen darinnen mit dem Anfange des selben Thema. Die neunte, die zehnte (Zigeuner- und Ungarncharakter, so national nur möglich sein kann) und die Schlußvariation vollenden das Werk zu einem der größten meisterhaften.

In den Signalen hab’ ich gelesen, daß die städtische Verwaltung in Düsseldorf ein Concurrenz-Ausschreiben nach einem neuen Musikdirector gestellt. Wer könnte der sein? Sie nicht? Vielleicht hätte Verhulst Lust, wenn der Antrag ihm gestellt würde. Das sollte man thun.

Noch eine Bitte nach den Gedichten von Elisabeth Kulmann und nach einem Atlas; wenn ich nicht irre, hat Herr Schuberth von Hamburg vielleicht vor zwei Jahren zwei Atlas noch mit sehr vielen anderen Büchern als Geschenk zugesandt.

Lieber und verehrter Freund, Sie schreiben im letzten Briefe: „Sie wissen wol, ein Dichter bittet nicht gern zu kargem Tische“. Wie meinst du denn das? Auf baldiges Wiedersehen. Robert.

An Joseph Joachim in Hannover. Endenich, 10. März 1855. Hochverehrter Meister! Ihr Brief hat mich ganz freudig gestimmt, Ihre sehr großen Lücken in Ihrer künstlerischen Ausbildung und das sogenannte Violinen-Auge und die Anrede, nichts konnte mich mehr belustigen. Dann dachte ich nach: Hamlet-Ouver türeHeinrich-OuvertüreLindenrauschen, Abend glocken, BalladenHeft für Viola und Pianoforte — die merkwürdigen Stücke, die Sie mit Clara in Hannover im Hotel einmal Abends spielten, und wie ich weiter nachsann, kam ich an diesen Briefanfang: Theurer Freund, hätt’ ich doch die drei voll machen können! Reinick erzählte mir

immer von dieser Stadt. Auch nach Berlin wäre ich gerne nachgeflogen. Johannes hat mir den vorigen Jahrgang der Signale gesandt zu meinem großen Vergnügen. Denn mir war Alles neu, was während vom 20. Feber geschehen. Und so ein musikalischer Winter und der folgende von 1854/55 gab noch nie; so ein Reisen, Fliegen von Stadt zu Stadt — Frau Schröder-Devrient, Jenny Lind, Clara, Wil helmine Clauß, Therese Milanolla, Fräulein Agnes Bury, Fräulein Jenny Ney, J. Joachim, Bazzini, Ernst, Vieuxtemps, die beiden Wieniawski, Jul. Schulhoff und als Componist Rubinstein. Und was noch für eine große Masse Salon- Virtuosen und anderer bedeutenderer, wie H. v. Bülow.

Sehr gefreut hat’s mich, daß Reinecke als Musik director nach Barmen gekommen. Barmen und Elberfeld sind zwei musikalische Städte. Wissen Sie vielleicht, ob Van Eycken in Elberfeld angestellt ist? Er spielt ganz herrlich; in Rotterdam hab’ ich ihn gehört Fugen von Bach, auch BACH-Fugen, die erste und die letzte auf einer Orgel, die ihm würdig war. Nun schau’ ich auf Sie aus; kommen Sie bald, wär’s mit der Leuchte in der Hand. Das würde mich erfreuen. In Absicht hab’ ich es, die Capricci von Paganini, und nicht auf canonisch-complicirte Weise wie die A-moll-Variationen, sondern einfach zu harmonisiren, und deßhalb an eine gewisse geliebte Frau geschrieben, die sie im Verschluß hat. Ich fürchte, sie sorgt, es würde mich vielleicht etwas anstrengen. Ich hab’ schon viel bearbeitet, und es ist mir nicht möglich, eine Viertelstunde unthätig zu bleiben, und meine Clara sendet mir immer, daß ich mich geistig unterhalten kann.

So komm’ ich tiefer in des Johannes Musik. Die erste Sonate als erstes erschienenes Werk war eines, wie es noch nie vorkam, und alle vier Sätze ein Ganzes. So dringt man immer tiefer in die anderen Werke, wie in die Balladen, wie auch noch nie etwas da war. Wenn er nur, wie Sie, Verehrter, nur jetzt in die Massen träte, in Orchester und Chor. Das wäre herrlich.

Wir wollen, wie wir in Gedanken an welche, die uns in Weihestunden so oft ergreifen, gerade denken, uns für heute Lebewohl sagen — auf baldiges Wiedersehen Ihr sehr ergebener R. Schumann.