Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11614. Wien, Dienstag, den 22. December 1896 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11614. Wien, Dienstag, den 22. December 1896 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 22.12.1896
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Concerte.

Ed. H. Den Mittelpunkt unserer musikalischen Genüsse bildet gegenwärtig Edward Grieg. Das eigenartige, vor nehme Talent und die sympathische Persönlichkeit des nor wegischen Meisters drängen für den Augenblick jedes andere Interesse in Schatten. Drei Abende nacheinander waren ihm gewidmet — ein vierter steht noch bevor. Jüngst machte die Sängerin Gulbranson — leider ohne die versprochene Mit wirkung des Componisten — uns mit einer Auswahl Griegscher Lieder bekannt, denen zum erwünschten Erfolg nichts gefehlt hat, als eine deutsche Uebersetzung. Darauf folgte ein Kammermusikabend und endlich ein großes (nur allzu großes) Grieg-Concert mit Chor und Orchester im Musik vereinssaal. Edward Grieg ist nicht als ein Fremder bei uns eingezogen; waren doch die meisten seiner jetzt vorgeführten Compositionen uns aus früheren Auf führungen längst bekannt. So die Concert-Ouvertüre Im Herbst“, welche durch trübes, stürmisches October wetter uns zum Jagdvergnügen und schließlich zu einem Bauerntanz ins Wirthshaus führt. Wie fast alle groß an gelegten Compositionen Grieg’s, wirkt auch die Herbst ouvertüre mehr durch poetische Momente als durch zusammen gefaßte einheitliche Kraft des Ganzen. Grieg’s Talent offen bart sich am originellsten und liebenswürdigsten in kleineren Formen. Das beweist, nach der reizvollen ersten Peer- Gynt-Suite, am schönsten die jetzt wieder gehörte Holberg- Suite. Das zarte „Air“ in G-moll und das humoristisch abschließende Tanzstück „Rigaudon“ finden jedesmal den leb haftesten Anklang. Auch das von Herrn F. Busoni mit beispiellosem Erfolg vorgetragene Clavierconcert in A-moll gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Compositionen Grieg’s. Wir haben es in den letzten Jahren von drei Vir tuosinnen gehört: von Frau Stepanoff, von Therese

Careño und Dagmar Walle-Hansen. „Vor der Klosterpforte“ ist ganz eigentlich eine dramatische Scene und dürfte auf der Bühne lebendiger wirken als im Concertsaal. Hier ermüdet uns das übermäßig ausgedehnte Orchestervorspiel und am Schlusse der gleichfalls zu lange, monotone Chorgesang der Nonnen. Zwei uns bisher unbekannte junge Sängerinnen theilten sich in den Wechselgesang zwischen der Pilgerin und der Aebtissin. Fräulein Olga Vandero sang die Sopran partie mit zarter, sympathischer Stimme, tadelloser Technik und warmer Empfindung. Ihr secundirte in der nur wenige Tacte umfassenden Rolle der Aebtissin Fräulein Marianne Geyer mit einer gesunden kräftigen Altstimme, welcher künftig wol größere Aufgaben zufallen werden. Viel Beifall erntete Herr Sistermans für den Vortrag Grieg’scher Lieder. Bei aller Anerkennung für die Mehrzahl dieser zarten, fein empfundenen Stücke, hätte man sich doch mit ge ringeren Quantitäten begnügt. Ohnehin senkt sich auf ein langes, blos aus Grieg’schen Compositionen bestehendes Concert doch schließlich ein Schleier norwegischer Nebellandschaft. Am bedeutendsten erschien uns „Henrik Wergeland“; ein Gesang, mehr Opernscene als Lied, welcher durch die begleitende Harfe einen eigenthümlich poetischen Reiz empfängt. Da Henrik Wergeland, der norwegische Dichter und Patriot, uns eine völlig fremde Persönlichkeit ist, konnte leider nur der einseitig musikalische Reiz dieser Elegie auf das Publicum wirken. Das zweite Lied „Ein Schwan(Text von Ibsen) ist in der ungefügen deutschen Ueber setzung schwer verständlich, ein Uebelstand, dem die sehr pathetische Musik keineswegs abhilft. Ueberhaupt können wir einen Stoßseufzer über das schlechte Deutsch der Uebersetzungen fast aller Grieg’schen Lieder nicht unterdrücken. Wie erquickend wirkte in dieser ver mummten Gesellschaft das einzige original-deutsche Gedicht Dereinst, o Gedanke mein!“ von Geibel. Wer denkt dabei nicht an Schumann’s ergreifende Composition als Frauenduett im „Spanischen Liederspiel“ (op. 74), und wer beklagt nicht mit uns die Nacht ewiger Vergessenheit, welche in Wien diesen schönen Liedercyklus bedeckt! Das Opernhaus oder der große Musikvereinssaal sind freilich keine Stätte

dafür, so wenig wie für Brahms gleichfalls halbvergessene Zigeunerlieder. Ein neues, größeres Werk von Grieg be kamen wir leider nicht zu hören. Eines der merkwürdigsten ist „Bergliot“, ein gesprochener Frauenmonolog mit Orchester-Begleitung, welche aber niemals die Declamation deckt oder durchkreuzt, sondern nur in charakteristischen Zwischenspielen sie ausmalt und belebt. Vielleicht er innert man sich bei einer künftigen Gelegenheit dieser un gemein dramatischen, einer nordischen Legende entnommenen Erzählung. Grieg’s Bestes, Eigenthümliches ist intime Musik. Wir fühlten uns darum dem Componisten noch näher gerückt in dem Kammermusik-Abend des „Böhmischen Quartetts“, als im großen Musikvereinssaal. Freilich, nach dem G-moll-Quartett, op. 27, quälte uns keine besondere Sehnsucht; wir haben es vor einigen Jahren bei Rosé gehört und namentlich dem ersten Satz eine leicht gruselnde Erinnerung bewahrt. Wie viel ab sichtlich Mißklingendes paradirt in diesem endlosen Satz, mit auffallendem Haschen nach melodisch und harmo nisch Bizarrem, nach verrenkten Rhythmen und falschen Contrasten! Gleich einer duftigen Blume erhebt sich aus diesem versengten Boden die „Romanze“, ein Gesang im lieblichsten Volkston, dessen Poesie uns sogar mit dem un motivirt wilden Mittelsatz versöhnen kann. Aufrichtige Freude hat uns dagegen die Violin-Sonate in C-moll be reitet, welche Grieg mit dem Primarius des Böhmi schen Quartetts, Joseph Hoffmann, hinreißend spielte. Von seinen drei Violin-Sonaten schätzen wir die in C-moll zuhöchst, ja als das vollkommenste Kammermusikstück, das wir von Grieg kennen. Von dem Componisten Edward Grieg hatten wir Alle viel gelesen, nicht aber von dem Clavierspieler; so sah man denn mit hochgespannter Neugierde seinen Solovorträgen entgegen. Grieg wählte eine Anzahl seiner wohlbekannten Lyrischen Stücke“; anspruchslose, sinnige Genrebilder, theils sentimentalen Inhalts („In der Heimat“, „Einsamer Wanderer“, „Erotik“, „Frühling“), theils voll graziöser Heiterkeit, wie „Schmetterling“, „Vöglein“, „Norwegischer Brautzug“. Sein Clavierspiel ist von bezaubernder Weich

heit und Anmuth, dabei ganz individuell. Er spielt wie ein bedeutender Tondichter, der mit dem Clavier vollkommen vertraut, weder dessen Tyrann noch Sklave ist — nicht wie ein reisender Virtuose, welcher nebenbei componirt. Dabei ist seine Technik tadellos, gepflegt und gerundet. Grieg dürfte es wol mit manchem Virtuosen noch auf nehmen; aber er begnügt sich mit dem vollendeten Vortrag „lyrischer Stücke“ und läßt sich keine Paradepferde auf zäumen. Unwillkürlich mußte ich an einen Brief von R. Schumann denken, der im Jahre 1839 von Mendels sohn und Benett schreibt: „Wie spielen sie Beide Clavier! Wie Engel, fast anspruchslos wie Kinder.“ Ueberhaupt, wie oft mußte ich Schumann’s gedenken bei Grieg’s „Lyrischen Stücken“. Den „Chopin des Nordens“ nannte ihn Bülow, und einige verwandte Züge (zum Beispiel in dem Passagenwerk des Concerts) sind nicht zu übersehen, aber der Zusammen hang mit Schumann ist der ungleich stärkere. In keinen anderen Tondichter hat Grieg sich so tief und innig einge lebt, wie in Schumann. Das thut seiner Originalität keinen Abbruch. Niels Gade, ehedem das Oberhaupt der skandi navischen Musik, wie heute Grieg, hat überwiegend Mendelssohn’sche Elemente in sich aufgenommen; Grieg dankt die stärksten Anregungen den Compositionen Schumann’s.

Für seine tiefe Kenntniß und Verehrung Schumann’s spricht auch ein literarisches Document, das sehr anziehend und wenig bekannt ist: ein EssayGrieg’s über Schumann in einer amerikanischen Zeitschrift „The ninetinth century“. Grieg knüpft seine Bemerkungen an die Thatsache, daß die Verehrer Schumann’s immer nur Einzelne waren, nie zu einer Phalanx, wie die Wagnerianer, sich zusammengeschlossen haben. Schumann hatte keine andere Propaganda, als die in seinen Werken steckte. Er war ein Komet ohne Schweif, demungeachtet einer der merkwürdigsten am Firmament der Kunst. Der Einfluß Schumann’s auf die moderne Musik sei gar nicht hoch genug anzuschlagen. In Verbindung mit Chopin und Liszt beherrscht er gegenwärtig die gesammte Clavier-Literatur, während die früher auf Unkosten Schu mann’s hochgepriesenen Clavierstücke Mendelssohn’s von den Concertprogrammen zu verschwinden beginnen. Mendelssohn habe bei Lebzeiten mehr als die gebührende Bewunderung im

vorhinein empfangen; Schumann weniger als ihm ge bührte. Die Nachwelt gleicht jetzt diese Rechnungen aus. Grieg verwahrt sich ausdrücklich gegen jede Unterschätzung Mendelssohn’s; nur in der Claviermusik und im Liede sei dieser unterlegen gegen Schumann. Als Orchester-Componist behauptet Mendelssohn seinen alten Platz, mit Schumann als Ebenbürtigem an seiner Seite. Grieg ist empört über die Anmaßung der Wagnerianer, welche Schumann als Orchester-Componisten von oben herab behandeln. Muthig bekämpft er diese „von maßlosem Selbstgefühl aufgeblähten Enthusiasten, welche Alles herabdrücken, was nach ihrer Meinung der Alleinherrschaft ihres Bayreuther Meisters sich in den Weg stellt“. Diese Verschwörung der Wagnerianer gegen Schumann datire von dem berüchtigten Artikel in den Bayreuther Blättern“, welcher von Joseph Rubinstein unterzeichnet, aber ganz unzweifelhaft von R. Wagner inspirirt „und wahrscheinlich mehr als blos inspirirt“ war. Obwol Grieg in jenen Angriffen auf Schumann nur eine armselige Witzelei (a poor witticism) erblickt, geht er dem Herausforderer doch sehr gründlich und glücklich zu Leibe. Diese Aufwallung edlen Zornes, wir möchten sie in dem schönen, nur von Liebe und Verehrung für Schumann dictirten Aufsatz nicht missen. Grieg beweist, daß er für seinen Lieblingscomponisten nicht blos zu schwärmen, sondern auch zu kämpfen weiß. Sein Aufsatz über Schumann ge hört nothwendig zur Charakteristik Grieg’s, des Menschen und Künstlers, und macht ihm nicht weniger Ehre als manches „lyrische Stück“.

Rühmende Erwähnung verdient das erste Concerte des Conservatoriums vom 15. d. M. Diese Produc tionen, welche ehedem nur das Interesse für die Fortschritte der Schüler befriedigten, sind jetzt auch in ihren Programmen gewählter und bedeutender geworden, seit unser trefflicher J. N. Fuchs das Conservatorium leitet. Da erfreute uns gleich als erste Nummer die seit Jahren nicht gehörte D-dur-Serenade für großes Orchester von Brahms. Freilich, wie ist Brahms seither gewachsen als Orchester- Componist! Aber wie wir nach Beethoven’s Symphonien zeitweilig gar gerne sein Septett hören (das auch auf die Serenadenform zurückweist), so haben wir auch mit Brahms

D-dur-Serenade ein fröhliches Wiedersehen gefeiert und wünschen uns ein gleiches mit seiner kleinen Serenade in A-dur. Es waltet darin so viel friedliches Genügen und verliebte Gartenstimmung, wie wir sie in den mächtigeren Schöpfungen aus Brahms’ späterer Zeit nur selten und schnell vorübergehend antreffen. Für das jugendliche Zöglingsorchester war die Serenade, in welcher die Blas instrumente so bedeutend hervortreten, eine schwierige Probe. Sie ward glänzend bestanden. Auch die Solo vorträge (Gesang, Violine, Clavier) fanden lebhaften Beifall.

Das vierte Philharmonische Concert hat uns zwischen der Melusinen-Ouvertüre und Beethoven’s A-dur- Symphonie einen neuen Clavier-Virtuosen und eine neue symphonische Dichtung von Dvořak bescheert. Der Clavier- Virtuose, ein junger Russe Namens Ossip Gabrilowitsch, entwickelte in Tschaikowsky’s B-moll-Concert eine staunens werthe Technik. Seine Finger arbeiteten mit der Kraft und Accuratesse einer vollkommenen, unfehlbaren, unheimlich menschenähnlichen Maschine. Andere musikalische Qualitäten höherer Ordnung, wie unser Russe sie gewiß besitzt, konnten wir aus dieser einzigen Production höchstens ahnen, denn die technische Bewältigung des Tschaikowsky’schen Con certes ist eine so furchtbare Arbeit, daß sie alle Kräfte des Spielers, geistige und physische, gnadenlos consumirt und höchstens stellenweise ihm ein Wetterleuchten von falschem Geist gestattet. Schade um das unleugbare Talent, das auch in dem wüsten Durcheinander dieses Concertes sich offenbart und in krankhafter Genialitätssucht aufreibt. Herr Gabrilowitsch hatte einen außerordentlichen Erfolg. Wer in den letzten Tagen hintereinander Busoni und Gabrilo witsch gehört, der staunt wol, zu welcher Höhe der Technik unsere jungen Virtuosen es gebracht haben. ... Am meisten gespannt war man auf Dvořak’s symphonische Dich tung „Die Mittagshexe“. Eine Bäuerin sucht ihr schreiendes Kind mit allerhand Spielzeug zu beruhigen; als aber der kleine Schreihals immer ungeberdiger plärrt, droht sie ihm mit der „Mittagshexe“. Diese, ein böses altes Weib, stellt sich auch wirklich ein und bemächtigt sich des Kindes. Der Vater, der von der Feldarbeit guter Dinge nach Hause kommt, findet sein Weib ohnmächtig auf der

Erde liegen und das Kind — todt. Also wieder eine idyllisch beginnende und grausig endende Geschichte, wie Dvořak’s jüngst besprochener „Wassermann“. Nur ist der Stoff des letzteren entschieden musikalischer und die Aus führung unvergleichlich gelungener als in der „Mittags hexe“. Die Tonmalerei, welche die ganze „Wassermann“- Symphonie durchzieht, schöpft aus musikalisch verwendbaren und bereits oft verwendeten Naturlauten: dem Rauschen des Wassers, das vom leisen Gemurmel bis zur tosenden Brandung einen fast unerschöpflichen Klangreichthum dem Componisten entgegenbringt. Was die „Mittagshexe“ ihm an Naturlauten bietet, das Schreien eines ungezogenen Kindes, ist für reine Instrumentalmusik unbrauchbar und desto abstoßender, je genauer es nachgeahmt wird. Nun hat Dvořak für das greinende Kind, das, zweimal besänftigt, immer wieder zu schreien anhebt, allerdings einige sehr ge lungene musikalische Witze, wahre Klangbonmots, ersonnen, die als sparsame Würze in einem humoristischen Ganzen uns ergötzen würden. Dem Reiz einer geistreichen Ton malerei widersteht Niemand, von den kindlich heiteren Klangbildern in Haydn’s „Schöpfung“ und „Jahreszeitenangefangen bis zu den genialen Tongemälden der Roman tiker und Wagner’s berückendem Feuerzauber. Aber die Nachahmung des schreienden Kindes ist eine Spielerei, die schon bei der ersten Wiederholung geschmacklos wird und nur als Motiv für ein komisches Genrebild am rechten Platze stünde. Seltsame Passion Dvořak’s, sich jetzt dem Gräßlichen, Widernatürlichen, Gespenstischen hinzugeben, das seinem echt musikalischen Sinne, seiner liebenswürdig menschlichen Natur so wenig entspricht! Im „Wassermannder Kobold, welcher dem eigenen Kinde den Kopf abhaut und diesen der unglücklichen Mutter zuschleudert, in der Mittagshexe“ ein weibliches Ungeheuer, in dessen Fäusten das unschuldige Kind verathmet. Was wir vom allgemein ästhetischen Standpunkte jüngst gegen Dvořak’s „Wasser mann“ vorgebracht, gilt auch für die „Mittagshexe“, nur führt dort die geniale, reizvolle Musik ein glänzendes Plai doyer gegen die Anklage, während uns die „Mittagshexeeine gleiche künstlerische Entschädigung für die Barbarei der Stoffwahl schuldig bleibt.