Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11643. Wien, Donnerstag, den 21. Januar 1897 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
Georg-Coch-Platz 2 1010 Wien Österreich Wien
Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

Sie dürfen: Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten

Bearbeiten — das Material remixen, verändern und darauf aufbauen und zwar für beliebige Zwecke, sogar kommerziell.

Der Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten. Unter folgenden Bedingungen:

Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Diese Angaben dürfen in jeder angemessenen Art und Weise gemacht werden, allerdings nicht so, dass der Eindruck entsteht, der Lizenzgeber unterstütze gerade Sie oder Ihre Nutzung besonders.

Keine weiteren Einschränkungen — Sie dürfen keine zusätzlichen Klauseln oder technische Verfahren einsetzen, die anderen rechtlich irgendetwas untersagen, was die Lizenz erlaubt.

Hinweise:

Sie müssen sich nicht an diese Lizenz halten hinsichtlich solcher Teile des Materials, die gemeinfrei sind, oder soweit Ihre Nutzungshandlungen durch Ausnahmen und Schranken des Urheberrechts gedeckt sind.

Es werden keine Garantien gegeben und auch keine Gewähr geleistet. Die Lizenz verschafft Ihnen möglicherweise nicht alle Erlaubnisse, die Sie für die jeweilige Nutzung brauchen. Es können beispielsweise andere Rechte wie Persönlichkeits- undDatenschutzrechte zu beachten sein, die Ihre Nutzung des Materials entsprechend beschränken.

Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11643. Wien, Donnerstag, den 21. Januar 1897 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 21.01.1897
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Zum Schubert-Jubiläum. I. Die Ausstellung.

Ed. H. Ein Hauch freudiger Aufregung bewegt, täg lich anschwellend, die musikalischen Gemüther Wiens. Es gilt die hundertjährige Wiederkehr von Franz Schubert’s Geburtstag. Ist das wirklich schon so lange her? Wir älteren Leute, die wir in früheren Jahren noch mit Schubert’s intimen Freunden, mit Schwind, Bauernfeld, Lachner, Sonnleithner, verkehren durften, stutzen fast ungläubig vor dem Datum, das nur allzu genau stimmt. Kennen wir doch sein Leben bis ins Einzelne, als hätten wir’s mitgelebt. Die Erinnerung daran hat sich uns jetzt wunderbar aufgefrischt und bereichert durch einen Gang ins Künstlerhaus zur Schubert-Ausstellung“. Vier Bildersäle sind da in eine illustrirte Schubert-Biographie verwandelt; von den Wänden grüßen uns seine Freunde und Kunstgenossen und all die Landschaften, Häuser und Plätze, zwischen welchen sein kurzes Leben sich abgespielt hat.

Da sehen wir zuerst das einstöckige bescheidene Haus in der Nußdorferstraße, wo Franz Schubert am 31. Januar 1797 das Licht der Welt erblickt hat. Hier wuchs er mit seinen Eltern und Geschwistern in gar beschränkten Ver hältnissen auf. Sein Vater hatte eine kleine Schullehrerstelle und — neunzehn Kinder. Sein Porträt zeigt ihn als einen ernsten, kräftigen Mann von bäuerlichem Schlag. In früherer Zeit war der Schullehrer der vielseitigste, eifrigste Musik pfleger im Lande und jedes Schulhaus eine kleine Weg capelle musikalischer Andacht. Da wurde auch der junge Franz so recht von Haus aus musikalisch, ein früher Geiger, Clavierspieler und Sänger. Seine klare Sopranstimme er tönte bald in der kaiserlichen Hofcapelle und verschaffte ihm einen Zöglingsplatz im Convict. Die Abbildung dieses Ge bäudes zeigt uns die düstere Außenwand unverändert, wie sie noch heute an die alte Universität lehnt. Das Stadtconvict, obgleich den allgemeinen Humanitäts-Studien gewidmet, war

damals für die Zöglinge beinahe ein Conservatorium im kleinen Styl; gleichsam ein letzter weltlicher Nachklang jener segensreichen Sängerschulen, in denen früher Klöster und Domcapitel für die Heranbildung junger Sänger sorgten. Der enthusiastische Dilettantismus der Lehrer und Schüler brachte es hier zu überraschenden Resultaten. Der Convict- Director Lang (dessen Porträt einen Ehrenplatz einnimmt) hatte die musikalischen Uebungen ins Leben gerufen und wohnte täglich den Productionen der Zöglinge bei. Es wurde immer eine Ouvertüre (meistens Mozart, Cherubini, Weigl), dann eine Symphonie von Haydn oder Mozart gespielt, zum Schluß wieder eine Ouvertüre. Schubert dirigirte an der ersten Violine. Hier entstanden schon seine ersten Compositionen. Unermüdlich componirend, hatte er jederzeit mehr Ideen als Notenpapier. Sein besser dotirter Mitschüler Joseph v. Spaun versah ihn damit und blieb ihm überhaupt ein warmer, thatkräftiger Freund. Sein Brustbild ziert die Ausstellung, daneben auch das des Hofcapellmeisters Salieri, welcher, auf das Talent des jungen Schubert aufmerksam gemacht, ihm eine zeitlang Unterricht ertheilte. Wahrscheinlich dürfte Schubert von dem damals hochbetagten und deutscher Musik ab günstigen Hofcapellmeister nicht allzuviel gelernt haben, ganz wie vor ihm Beethoven. Fünf Jahre, von seinem 11. bis zum 16., blieb Schubert im Convict, dann kehrte er ins elterliche Haus zurück — als Schulgehilfe seines Vaters in der sogenannten ABC-Classe. An diese Zeit erinnert uns die Abbildung der Pfarrkirche in Lichtenthal, wo Schubert seine erste Messe (in F) aufgeführt hat, unter Mitwirkung des nachmals berühmten J. Mayseder. Drei Jahre hielt es Schubert aus, kleinen Kindern das Alphabet beizubringen, Pegasus im Joche. Sein Kopf schwärmte von berückenden süßen Melodien, welche gegen die Schulstube revoltirten. Es litt ihn da nicht länger. Mit dem Entschluß, sich ganz der Kunst zu widmen, beginnt der zweite Abschnitt von Schubert’s kurzem Leben. Der Inhalt desselben: ein ununterbrochener Strom musikalischen Schaffens.

Es war die Zeit der bescheidenen Liebhaberconcerte und regelmäßigen Hausmusiken. Als eine der vorzüglichsten

Stätten des Musikcultus in Wien galt die Wohnung des Advocaten Dr. Ignaz v. Sonnleithner. Sohn eines geachteten Rechtsgelehrten und Tonsetzers (Dr. Christoph Sonnleithner) und Vater eines solchen (des Dr. Leopold v. Sonnleithner) vereinigte auch Ignaz diese beiden Quali täten. Eine bedeutende Zahl von Dilettanten und Künstlern fand sich (1815 bis 1824) bei Sonnleithner zu regelmäßigen Musikproductionen ein. Hier wurden Schubert’s Lieder und Vocalquartette zuerst einem größeren Kreise bekannt. Unter den mitwirkenden Gästen Sonnleithner’s finden wir die Namen Caroline Ungher, Jansa, Bocklet, Schuppanzigh, Worzischek, Haizinger, Georg Hellmesberger u. A. Sie Alle, wie die Familie Sonnleithner, sind in der Schubert- Ausstellung durch gute Porträts repräsentirt. Um diese Zeit versammelten auch Vater Schubert und seine Söhne wöchentlich zweimal einige wenige Freunde zu musikalischer Unterhaltung, zumeist im Quartettspiel. Die bescheidene Schullehrerwohnung in Lichtenthal wurde bald zu klein dafür. In das gastfreundliche Haus des Kaufmanns Frischling, dann des Orchestergeigers Hatwig über tragen, erweiterte sich dieser Dilettantenkreis allmälig zu einem kleinen Orchester, das im Jahre 1818 schon hin reichend eingespielt war, um leichtere Symphonien, sogar die zwei ersten von Beethoven, vorzutragen. Eine Abbildung des „Gundelhofs“, wo dieser Privat-Musikverein sich versammelte, erinnert daran, daß Schubert für denselben eine kleine Symphonie in B-dur, eine größere in C und die schnell beliebt gewordene „Ouvertüre in italienischem Styl“ componirt hat. Schubert, der nie verheiratet war, genoß dafür den Segen eines geist- und gemüthvollen Freundeskreises. Eine Anzahl begabter, lebensfrischer, junger Dichter, Maler, Musiker schaarte sich in aufrichtiger Liebe und Anhänglichkeit um Schubert. Die Poeten Mayrhofer, Franz v. Schober, Bauernfeld regten ihn poetisch an, sie lieferten ihm Stoffe und Verse für seinen unerschöpflichen und unersättlichen Melodienstrom. Von Malern nehmen insbesondere Moriz v. Schwind, Leopold Kupelwieser und J. Danhauser eine bevorzugte Stelle in Schubert’s Leben ein. Jedem dieser drei Maler ist in der Schubert-

Ausstellung ein eigener Saal gewidmet, wo wir ihre vor züglichsten Bilder vereinigt finden. Damit ist die Grenze einer „Schubert-Ausstellung“ allerdings etwas weit ge zogen, denn die wenigsten dieser Gemälde haben einen Zu sammenhang mit Schubert’s Musik oder eine Beziehung auf sein Leben. Diese Erweiterung ist trotzdem nicht zu be klagen, im Gegentheil danken wir ihr einen unerwartet hohen Genuß. Insbesondere von den Schwind-Bildern kann man sich nicht leicht trennen. Die künstlerische Würdigung der Bilder selbst sei einer berufeneren Stimme vorbehalten; diese Zeilen berühren nur, was in der Ausstellung unmittelbar Schubert angeht, sein Leben und seine Musik. Da fällt uns das Bild des Sängers Michael Vogl in die Augen; der feingebildete, seelen volle Künstler, der zuerst den „Erlkönig“ (1821), später auch andere Schubert’sche Lieder in den Concertsaal einge führt und damit Schubert über die ersten schwierigen An fänge erfolgreich hinübergeholfen hat. Der Liedercom ponistSchubert bietet der illustrirenden Kunst natürlich das weiteste und dankbarste Feld. Wir erfreuen uns an den ausgestellten reizenden Illustrationen Schubert’scher Lieder: Die schöne Müllerin“, „Die junge Nonne“, „Erlkönigu. s. w. Dankbar begrüßen wir auch die Bildnisse der Poeten, deren Gedichte Schubert in Musik gesetzt hat. Vor Allem Goethe, von dem Schubertsechzig Gedichte in Musik setzte. Schubert war nie so glücklich, den von ihm ver götterten Dichter persönlich kennen zu lernen, der übrigens, an die älteren, für unsern Geschmack längst abgestorbenen Singweisen eines Zelter, Reichard, Chr. Keyser gewöhnt, für Schubert kein Verständniß zeigte. Neben Goethe er blicken wir die Schubert-Dichter: Klopstock, Schiller, Hölty, Rückert, Pyrker, Claudius, Bauernfeld, Grill parzer, Th. Körner, Mayrhofer, W. Müller, Uhland, Heine, Rellstab. — Auch einige Componisten, welche als „Vorläufer Schubert’s“ im Liede bezeichnet sind, werden uns durch gute Bildnisse in Erinnerung gebracht: Bern hard Klein, Ludwig Berger, Zumsteg, J. Fr. Reichardt, Zelter, Naumann, Löwe, Conradin Kreutzer. In größerer Anzahl von Porträts und Büsten erscheinen Schubert und Beethoven. Schubert,

der Beethoven abgöttisch verehrte, ist niemals in per sönliche Berührung mit ihm gekommen, obgleich er nur wenige Straßen weiter zeitlebens dieselbe Stadt be wohnt hat.

Seiner Armuth lachend, besaß Schubert drei Schätze, die ihn reich und glücklich machten: seine Kunst, seine Freunde und die Liebe zur Natur. Wenn er in der Ferien zeit die herrlichen Thäler Oberösterreichs und Salzburgs durchwanderte — weiter ist er nicht gekommen — so fühlte er sich „frei wie ein Gott und aller Noth entladen“. An diese Ausflüge und längeren Sommeraufenthalte bei Freun den und in Klöstern erinnern uns die hübschen Landschafts bilder: Atzenbruck, Ochsenburg und Stadt Steyr. Ferner ein dickes altes Fremdenbuch aus Gastein, in welchem unter einander eingeschrieben stehen: Franz Schubert, Hof opernsänger Vogl und der Dichter Ladislaus Pyrker. Natürlich fehlt unter den Landschaftsbildern nicht Schloß Zelecz in Ungarn, wo Schubert als Clavierlehrer der Comtesse Esterhazy längere Zeit verweilte, ein bischen in seine jüngere Schülerin verliebt war und das reizende Ungarische Divertissement“ componirte.

Wir haben unsere Umschau bei dem Geburtshaus Schubert’s begonnen; das Haus in der Kettenbrückengasse Nr. 6 mit der Gedenktafel: „In diesem Hause starb Franz Schubert am 19. November 1828“ schließt den Ring. Der streng biographische Theil der Ausstellung ist damit zu Ende, aber nicht diese selbst. Nach Schubert’s Tod sollten ja seine Werke erst recht zum Leben erwachen. Wir sehen diese Werke, die Schubert’s unerschöpfliche Phantasie in so kurzer Zeit geschaffen, theils in zahlreichen Manuscripten, theils in den stattlichen Bänden der monumentalen Breitkopf’schen Ge sammt-Ausgabe vor uns ausgebreitet. Die Manuscripte (größtentheils Eigenthum N. Dumba’s) zeigen eine kleine, saubere Notenschrift, fast ohne jegliche Correctur, an die Handschrift Mozart’s, auch Mendelssohn’s erinnernd — das gerade Gegenbild zu Beethoven’s wilden, gewaltsamen Schriftzügen. Schubert’s volle Bedeutung ist erst nach seinem Tode erkannt worden. Wie wenig das alte Wien bemüht war, Schubert’s Werke aufzuführen und zu verlegen, das ist ein trauriges Capitel, ja eine Reihe von traurigen

Capiteln, die wir in der festlichen und versöhnlichen Stim mung der heutigen Feier nicht neuerdings aufblättern wollen. Die Unterlassungssünden von Schubert’s Zeitgenossen können weder geleugnet noch beschönigt werden; immerhin dürfen wir an zwei mildernde Umstände erinnern. Fürs Erste war die Zeit von Schubert’s öffentlichem Wirken außerordentlich kurz; sie betrug von dem Erscheinen seines ersten Werkes (1821) bis zu seinem Tode (1828) nicht mehr als sieben Jahre. Der junge Componist war eben auf dem Wege, in Wien das große Publicum für sich zu gewinnen, nachdem er so viele Fami lienkreise für sich gewonnen und erfreut hatte — da raffte ihn in der ersten Blüthe des Mannesalters der Tod hin weg. Ferner hat Schubert gerade mit einer Kunstgattung begonnen und in ihr sein Schönstes geleistet, welche damals noch nicht in das öffentliche Concertleben aufgenommen war: dem Liede. Im Concertsaal herrschte noch unbe stritten die Arie, und zwar die italienische. Das Lied und das Vocalquartett (ebenso das Streichquartett) durchbrachen nur sehr langsam die Schranken häuslicher Musikpflege. Schubert’s Lieder und Vocalquartette gehören jedenfalls zu den ersten, welche überhaupt öffentlich (und zwar wiederholt mit großem Beifall) in Wien ge sungen wurden. Das Verdienst, seine Instrumental-Com positionen und größeren Chorwerke ans Licht gezogen und zu bleibender Wirkung befestigt zu haben, gebührt einer Reihe von Männern, in deren Bildnissen wir größtentheils schon Bekannte begrüßen. Allen voraus Robert Schu mann, der während seines Wiener ersten Aufenthaltes gleich Schubert’s Bruder Ferdinand aufsuchte. Er schreibt dar über am 6. Januar 1839 an Breitkopf & Härtel in Leipzig: „Ich war vor einigen Tagen bei dem Bruder von Franz Schubert und sah mit Verwunderung die Schätze, die in seinem Verwahr sind. Es sind einige Opern, vier große Messen, vier bis fünf Symphonien und vieles Andere. Auf mein Befragen, ob er (der Bruder) noch Niemandem davon zum Verlag angeboten hätte, antwortete er verneinend, „die Wiener Verleger hätten ohnedem noch viel aus seines Bru ders Nachlaß zu drucken“. Namentlich erlaube ich mir, Sie auf die höchst merkwürdigen Messen und Symphonien auf merksam zu machen. ... Am Honorar würden Sie be

scheidene Forderungen antreffen. Ganz auf Honorar ver zichten könne aber Schubert’s Bruder nicht, da er gänzlich unbemittelt, Vater von acht Kindern und der Nachlaß seine ganze Habe ist.“ Durch Schumann’s Vermittlung verkaufte Ferdinand Schubert die große C-dur-Symphonie an Breit kopf um 180 Gulden. Mehr wollte dieser vornehmste deutsche Verleger durchaus nicht geben! Von Schumann ent deckt, von Mendelssohn dirigirt, erlebte die C-dur-Sym phonie ihre erste vollständige Aufführung im Leipziger Gewandhausconcert am 22. März 1839. Die Reihe der Wiener Musiker, welche seit dem Jahre 1850 sich um Schubert hoch verdient gemacht, eröffnet Joseph Hell mesberger. Er hat als blutjunger Director der Gesellschaftsconcerte uns die erste vollständige Aufführung von Schubert’s großer C-dur-Symphonie bescheert (1850) und in seinen Quartettsoiréen vor Allem Schubert’sche Compositionen gepflegt. Sein Vortrag des D-moll-Quartetts bleibt uns unvergeßlich. Neben Hellmesberger’s Porträt hängt das Johann Herbeck’s, des unermüdlichen und einflußreichsten Schubert-Apostels, dem wir die Entdeckung der Lazarus-Cantate, des „Häuslichen Kriegs“, des „Fiera bras“ und zahlreicher Schubert’scher Chöre und Instru mentalwerke (H-moll-Symphonie!) verdanken. Otto Dessoff hat im Hofoperntheater die ersten Aufführungen des „Häus lichen Kriegs“ und der Oper „Alfonso und Estrella“ dirigirt. Wir wenden uns nun von den Dirigenten zu den Schrift stellern: Heinrich v. Kreißle, dem wir die erste quellen mäßige Schubert-Biographie, Gustav Nottebohm, dem wir den Thematischen Katalog verdanken, ihnen zur Seite Georges Grove, A. Reißmann, Max Friedländer. Es folgen die Bildnisse der berühmten Schubert-Sänger: Frei herr v. Schönstein, General Haizinger, Julius Stock hausen, Gustav Walter, Alois Ander, Olsch baur, Helene Magnus u. A. Ein großes Gesammt bild vereinigt die Köpfe der Männer, von welchen die kürzlich vollendete große Gesammt-AusgabeSchubert’s an geregt oder ausgeführt worden ist. In den letzten Jahren war es besonders Eusebius Mandyczewski, welcher um die Redaction und Drucklegung der Schubert-Manuscripte sich das größte Verdienst erworben hat.

Fünfundzwanzig Jahre vor der Vollendung dieses musi kalischen Monuments, der Gesammt-Ausgabe, haben die Wiener ihrem Schubert ein plastisches Denkmal im Stadt park gesetzt. Während das Project eines Denkmals für Gluck, Haydn, Mozart und Beethoven sich seit Decennien herumzog, faßte der Wiener Männergesang-Ver ein den rühmlichen Entschluß, ein Schubert-Monument ohne Säumen und auf eigene Faust auszuführen. Bekannt lich sind die Kosten dieses von Kundmann so herrlich gestalteten Denkmals — einige freiwillige Privatbeiträge abgerechnet — aus den Concert-Erträgnissen des Vereines bestritten worden. „Schubert’s Lieder haben Stein auf Stein gefügt zu diesem Monumente,“ sagte Nikolaus Dumba in seiner Festrede am 15. Mai 1872. Wir Alle wissen, daß ohne Dumba’s Anregung und sehr ausgiebige materielle Hilfe weder das Denkmal noch die Gesammt-Ausgabe so bald ans Licht ge treten wären. Schade nur, daß der excellenteste Schubert-Sänger gemeiniglich zu singen aufhört, wenn er Excellenz wird. Es war ein sinniger Gedanke, Dumba’s Porträt neben jenes von Kundmann zu hängen — zwei sympathische Künstlerköpfe, die sich in dem schöpferischen Ge danken eines Schubert-Denkmals begegnen und vereinigen. Ein einziges Porträt, das noch in diesen Saal gehören würde, hat Herr Director Karl Glossy auszuhängen unter lassen: sein eigenes. Nur seine außerordentliche Kenntniß des gesammten österreichischen Kunst- und Literaturlebens, verbunden mit einer ebenso außerordentlichen Arbeitskraft und Hingebung, vermochten die schwierige und mühsame Auf gabe einer umfassenden Schubert-Ausstellung so glänzend zu lösen. Welche Mühsal, diese unzähligen, meist vergessenen oder versteckten Gegenstände zu erforschen und aus allen Winkeln Deutschlands und Oesterreichs nach Wien zu bringen! Der an 3000 Nummern zählende Katalog mit seinen lehr reichen historischen Notizen und vorzüglichen Abbildungen hat einen weit über die Gelegenheit hinausreichenden, bleiben den Werth. Man wird nicht müde werden, die Schubert- Ausstellung zu besuchen, genießend und lernend. Wir schauen da durch ein einziges reiches Kunstleben leibhaftig in ein großes Stück österreichischer Culturgeschichte.