Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11801. Wien, Donnerstag, den 1. Juli 1897 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11801. Wien, Donnerstag, den 1. Juli 1897 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 01.07.1897
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Johannes Brahms. (Erinnerungen und Briefe.) III.

Ed. H. Siehe Nr. 11797 und Nr. 11799 der „Neuen Freien Pressevom 27. und 29. Juni. Bevor er ständiger Sommergast in Ischl ge worden, pflegte Brahms seinen Landaufenthalt abwechselnd in Baden-Baden, Wiesbaden, Thun (in der Schweiz), einigemale auch in Pörtschach und Mürzzuschlag zu neh men. Aus allen diesen Orten erhielt ich Lebenszeichen von ihm; Briefe oder Briefchen, die ohne den Anspruch auf bedeutenden Inhalt doch so manche interessante persönliche Mittheilung enthielten, manchen treffenden Ausspruch oder liebenswürdigen Charakterzug. Ich habe die Empfindung und folge ihr, daß unser Herz nach jedem schweren Ver luste sich gern an die bescheidensten Erinnerungszeichen klammert. Bei den nachfolgenden Briefen aus den Sechziger- und Siebziger-Jahren dachte ich zunächst an Brahms’ spe cielle Freunde und Verehrer, aber wo hätte er deren nicht!

Der erste Brief bezieht sich auf Brahms’ Erwählung zum Director der Wiener Sing-Akademie im Jahre 1863. Der Antrag traf ihn in Hamburg und fand ihn nicht gleich zur Annahme entschlossen. „Es ist,“ schrieb er der Vereinsleitung, „eben ein besonderer Entschluß, seine Frei heit das erstemal wegzugeben. Jedoch was von Wien kommt, klingt eben dem Musiker noch eins so schön, und was dorthin ruft, lockt noch eins so stark.“

Mir schrieb er darüber im Sommer 1863: „Mein lieber Freund! Du wirst dich wundern, daß die froheste, dankbarste Erwiderung nicht eiliger kommt, als dein und so mancher freundliche Brief zu mir. Ich komme mir aber vor wie ein unverdient Gelobter und möchte mich lieber eine Weile verkriechen. Habe ich doch beim Empfange der

telegraphischen Depesche (durch Flatz, der doch stets den Auftakt haben muß!) entschieden mit so ehrender Aufforde rung zufrieden sein wollen und die Götter weiter nicht ver suchen. Viel gewisser will ich jedoch jetzt annehmen und kommen. Und da weiter bei mir nichts in Frage kommt, als ob ich eben den Muth habe, „Ja“ zu sagen, so soll’s eben passiren. Hätte ich abgelehnt, meine Gründe wären nur fremd für die Akademie und für euch Wiener über haupt gewesen. Großen Dank muß ich dir noch sagen für dein vortreffliches Buch vom Musikalisch-Schönen, dem ich genußreichste Stunden, Aufklärung, ja förmlich Beruhigung verdanke. Jede Seite ladet ein, auf das Gesagte weiter fort zu bauen, die schönsten Durchführungen zu versuchen und da hiebei ja, wie du sagt, die Motive die Hauptsache sind, so verdankt man dir immer den doppelten Genuß. Für den aber, der seine Sache so versteht, gibt’s überall zu thun in unserer Kunst und Wissenschaft, und will ich wünschen, uns werde bald über Anderes so schöne Belehrung. Für heute mit herzlichstem Gruß und Dank dein Joh. Br.

Der folgende Brief vom August 1866 betrifft die mir gewidmeten Walzer zu vier Händen op. 39.

„Soeben den Titel zu vierhändigen Walzern schreibend, die nächstens erscheinen sollen, kam mir ganz wie von selbst dein Name mit hinein. Ich weiß nicht, ich dachte an Wien, an die schönen Mädchen, mit denen du vierhändig spielst, an dich selbst, den Liebhaber von derlei, den guten Freund und was nicht. Kurz ich fühle die Nothwendigkeit, dir es zu schreiben. Ist es dir recht, daß es dabei bleibe, so danke ich gehorsamst; wünschest du jedoch aus irgend einem Grund die Sache nicht, so wende ein Wort daran und der Stecher kriegt Gegenordre. Es sind zwei Hefte kleiner unschuldiger Walzer in Schubert’scher Form — willst du sie nicht und lieber deinen Namen auf einem gehörigen viersätzigen Stück, „befiehl, ich folge“. Nächster Tage gehe ich in die Schweiz. Soll ich dir vorklagen, daß ich diesen Winter nicht

in Wien war? Mein Kommen im nächsten Jahr kann’s deutlicher sagen. In etwelcher Eile und alter Freundschaft dein Joh. Br.

Hermann Goetz, der Componist der „Bezähmten Widerspenstigen“, hatte eine große Oper „Francesca di Rimini“ hinterlassen, welche von Ernst Franck vervoll ständigt am 30. September 1877 zum erstenmale in Mann heim zur Aufführung gelangte. Ueber die ziemlich ver breitete Meinung, daß auch Brahms an dieser Vervoll ständigung mitgeholfen, schrieb mir dieser aus Baden-Baden im October 1877:

„Liebster Freund! In der „N. Fr. Presse“ schreibt man, daß Franckund ich die „Francesca di Riminiergänzt haben. Dem ist nicht so; Franck allein hat die Ouvertüre und den 3. Act nach den Skizzen orchestrirt, ich habe nur seine Arbeit angesehen und mich aufs höchste gefreut über den schönen Ernst und den Fleiß, den ich ihm nicht zugetraut hätte. Schon bei Gelegenheit der „Wider spenstigen“ hat er übrigens gleiche hingebungsvolle Liebe gezeigt, damals und jetzt mit bestem Erfolg. Er ist wirklich nicht genug zu loben für das, was er für Goetz (seinen Götzen) gethan hat, und hättest du den vortrefflichen Men schen und höchst schätzenswerthen Künstler gekannt, du hättest deine helle Freude mit dem kleinen Franck, dem allein Goetz einen ruhigen Tod und seine Francesca das Leben verdankt. — Doch eben erwähnte Notiz findet sich in vielen Blättern, ich aber schreibe nicht gern, möchtest du nicht 2 Worte daran wenden? Daß ich’s so lange gehen ließ, kann ich nur damit entschuldigen, daß ich, läge der Fall anders herum, ich gewiß schweigen würde. ... Eigent lich hatte ich so eng geschrieben, weil ich dir recht behaglich plaudern wollte. Aber seitdem hat die Feder schon wieder Stunden geruht. Ich bin zum Briefschreiben verdorben. Einige schöne Herbsttage will ich noch hier in Liechtenthal (bei Baden-Baden) genießen. Lang aber wird’s nicht

dauern und die Karlsgasse und die Andern haben mich wieder. Dessoff kommt oft herüber und ist sehr vergnügt — auch wenn er neue Noten von mir sieht. Nun aber grüße schönstens in deinem und andern Häusern. Auf baldiges frohes Wiedersehen!“

Aus Pörtschach am Wörthersee in Kärnten, wo Brahms den Sommer 1878 verbrachte, stammt nach stehender Brief: „Ich bin dir von Herzen verbunden und zum Dank soll’s auch, wenn ich dir etwan den Winter eine Symphonie vorspielen lasse, so heiter und lieblich klingen, daß du glaubst, ich habe sie extra für dich oder gar für deine junge Frau geschrieben! Das ist kein Kunststück, wirst du sagen, Brahms ist pfiffig. Der Wörthersee ist ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, daß man sich hüten muß, keine zu treten. Uebrigens wollte ich dir von dort schon gelegentlich deiner Grillparzer-Aufsätze schreiben. Da du doch deine Sachen für spätere Leser aufbewahren mußt, so melde ich noch, daß unter den Grillparzer-Com ponisten Mendelssohn fehlt. In meiner jüngsten Jünglings zeit lag stets auf einem mir befreundeten Clavier jenes Lied Es-dur 6/8 und sang von Sehnsucht nach Italien. Nun aber: unten stand eine Notiz von Hoffmann v. Fallers leben, in der das Gedicht sehr despectirlich behandelt war, und ein besseres, von Hoffmann unterlegt! Verlag war wol Schlesinger in Berlin. Nun ist es seitdem nicht wieder vorgekommen, aber auf mein Gedächtniß kann ich mich ver lassen, und du auf das ganz interessante Factum. Lienau (der Chef der Geschäfte Haslinger und Schlesinger) ist dein ganz besonderer Verehrer und wird es dir gewiß ver schaffen. Ich bleibe nun noch von Tag zu Tag hier — sie sind nämlich schön, die Herbsttage. Beste Grüße deiner Frau und unseren gemeinsamen Freunden.“

Ein anderer Brief aus Pörtschach vom September 1878 bezieht sich auf das Hamburger Musikfest, womit das Jubiläum der dortigen „Philharmonischen Gesellschaft“ gefeiert werden sollte. Ich hatte eine Einladung dazu er halten, zugleich die dringende Bitte, dem Comité Nachricht zu geben, ob Brahms, von dem keine Antwort einge troffen, bestimmt in Hamburg erwartet werden könne. Auf meine Interpellation erwiderte Brahms:

Pörtschach am See, September 1878. Du hast mir schon einmal öffentlich Anstandslehre ge predigt; ich wünschte nicht, daß es ein zweitesmal ohne meine Schuld geschähe, und deßhalb erzähle ich dir, daß es an den Hamburgern liegt, wenn ich bei ihrem Feste nicht erscheine. Artigkeit und Dankbarkeit habe ich keine Gelegen heit zu beweisen; im Gegentheil wäre einige Grobheit am Platze, wenn ich Zeit und Lust hätte, mir damit die Laune zu verderben. Ich will aber auch nicht die deine stören durch ausführliche Mittheilungen und sage deßhalb nur, daß trotz Anfrage mit keinem Worte die Rede von Honorar oder irgend welcher Entschädigung war. Damit bin ich armer Componist doch bedenklich taxirt und verliere alles Recht, bei der Festtafel etwan neben deiner Frau zu sitzen! Also ich bitte diesmal um Nachsicht für meinen ohnehin lädirten Ruf als artiger Mann. Wegen der Symphonie bitte ich freilich nicht um Nachsicht — aber ich fürchte, wenn nicht Joachim, wie ich wünsche, die Direction an getragen wird, gibt’s eine miserable Aufführung. Nun, die Diners in Hamburg sind gut, die Symphonie hat eine günstige Länge — du kannst während deß dich nach Wien träumen! Ich denke recht bald nach Wien zu gehen, aber gefallen hat mir’s in Pörtschach wieder vortrefflich. Mit herzlichem Gruß an dich und deine Frau. Dein J. Br.

Trotz dieser stark zweifelhaften Antwort ist Brahms doch zu dem Fest gekommen, das glänzend und genußreich verlief. Clara Schumann, damals sechzig Jahre alt, spielte Mozart’s D-moll-Concert mit vollendeter Meister schaft und jugendlichem Feuer. Der folgende Abend brachte die zweite Symphonie von Brahms, welcher, mit Orchester tusch und Lorbeerkränzen empfangen, selbst dirigirte. Joachim spielte im Orchester die erste Violine. Nach der Symphonie warfen die Damen vom Chor und aus den ersten Sitzreihen Brahms ihre Blumensträußchen zu. Er stand da, wie es in seinem Wiegenlied heißt, „mit Rosen bedeckt, mit Nelken besteckt“. Zur Luftfahrt nach Blankenese fanden sich auf dem Verdeck des Dampfers viel interessante und berühmte Musiker in heiterem Gespräch zusammen: Brahms, Ferdinand Hiller, N. Gade, F. v. Flotow, Theodor Kirchner, J. Reinthaler u. A.

Im Frühjahr 1880 als Juror zu einem Wettkampf von Militärmusiken nach Brüssel geladen, wollte ich die

Gelegenheit nicht versäumen, auf dem Rückweg ein Stück Holland kennen zu lernen. Ich wußte, daß Brahms dort große Verehrung genoß und mit den besten Musikern persön lich befreundet war; ihn bat ich deßhalb um ein’ oder die and’re Empfehlung. Er antwortete mit folgendem Briefe:

„Lieber Freund! Ich habe ein unglückselig schlechtes Gedächtniß für Personen und Namen. Das ist mein kleinster Fehler, aber er ist am stärksten ausgebildet. Wie viel freund liche liebe Leute stehen mir jetzt, mehr oder weniger deutlich, vor der Seele. Ernstlich beschämt fühle ich mich, roh und undankbar — ich suche vergebens ihre Namen.

Nun wirst du dich in Amsterdam und Haag nur kurz aufhalten, da glaube ich, daß inliegende Karten dir alles Nöthige auf die angenehmste Weise schaffen werden.

Verhulst (M. Dr. in Amsterdam, wohnt im Haag), versäume nicht, möglichst kennen zu lernen. Ausge zeichneter Musiker, Freund von Mendelssohn und Schu mann, höchst origineller Mensch, vortrefflich gut, kindlich zart und weich. Er muß dich sehr interessiren — bis zu seinen Liedern, die, wie es recht ist, ihn bisweilen sehr hübsch photographiren. Mit ihm fahre auch nach Scheveningen; trinkt dort auch einen „Advocaten“ mit ihm und Herrn Zilken, geht auch ins Casino zu einem Diner oder Souper.

Für Amsterdam empfehle ich nachfolgende drei sehr gute Führer: Herr Sillem (Junggeselle, höchst liebens würdig und gebildet) wird dir der beste und angenehmste Begleiter sein, von Morgens bis Abends und wohin es dich ziehen mag. NB. Hier und im Haag verstehen sich die herrlichen Galerien und die vielen historischen Erinnerungen von selbst!

Wenn du irgend behagliche Tage in Amsterdam bleibst, so wird Herr Sillem dich auch in Häuser und Familien führen, wo es dir so wohlig sein muß wie nur irgendwo. Wenn du ihm zum Beispiel den Namen des größten Kaffee händlers entlocken könntest — ohne mich allzusehr zu blamiren — bitte, frage so unter der Hand, als ob ich dir erzählt hätte und du der Vergeßliche wärst! Die Karten an Röntgen und de Lange schickst du ihnen vielleicht und schreibst dein Hotel und eine Stunde dazu? Zunächst könnten sie, falls Sillem nicht dort sein sollte, seine Führerstelle vertreten. Röntgen (von holländischer Abkunft, in Leipzig geboren) war ein sehr merkwürdiges Wunderkind und ist einstweilen ein sehr tüchtiger, schön begeisterter Musiker ge

worden. De Lange ist einer der besten holländischen Musiker, Cellist, fruchtbarer Componist, Kritiker und an genehmer Mensch — wie dies ja bisweilen der Fall. Ich denke mir, du wirst in Brüssel schon einige Holländer kennen lernen, zum Beispiel Nicolai aus Haag, Herausgeber der „Caecilia“, an den du natürlich keine Karte brauchst, Hol aus Utrecht, der wol der tüchtigste junge Director und Musiker im Haag ist. In Utrecht wirst du dich nicht aufhalten? Professor Engelmann träfst du wol auch nicht mehr; an ihn und Herrn Riemsdyk machtest du die schönsten Bekanntschaften und bitte ich, im günstigen Fall nur meinen Gruß zu sagen.

Dir sagt nun mein langes Schwätzen, daß mich deine Fahrt genug interessirt und beschäftigt. Daß ich nicht mit Namen um mich werfen kann, ist eine Schande. Aber ich hoffe und meine, mit inliegenden Karten kommst du schon weiter und auch zu Menschen weiter! Ich denke, du wirst nachher Land und Leute loben.

Mit besten Grüßen und Wünschen den herzlich er gebener J. Brahms.“

Im Mai 1880 hatte ich in Karlsbad das neueste Liederheft (op. 84) von Brahms erhalten und ihm sehr ent zückt über das „Vergebliche Ständchen“ geschrieben. Er antwortete mir aus Ischl:

„Voller Vergnügen muß ich dir für deinen Brief danken, denn er war mir wirklich ein ganz besonderes, und ich bin höchst gut gelaunt durch den gut gelaunten! Unser einer kann nicht ein großes NB. dazu machen, wenn er — meint, in der Lage zu sein, aber es ist die angenehmste Schmeichelung, wenn’s ein And’rer thut.

Und diesmal triffst du in mein Schwärzestes! Für das eine Lied gebe ich die andern alle und noch das W.-Album dazu. Von dir aber ist mir die Bestätigung ernstlich werth! Ich weiß lange, daß dein vortreffliches Schnüffel-Organ sich keinen wirklich guten Bissen entgeh’n läßt (beim Austernessen ist das schon ärgerlicher).

Mit Widmungen bin ich nun schlimm daran, ich schulde so viele, mehr oder weniger, daß ich mich scheue, mit dem Auszahlen anzufangen. Ich muß mir einen be sondern Modus ausdenken, vielleicht einen thematischen Katalog herausgeben, wo neben jeder Nummer ein schöner Name steht!? Besprich das einmal mit Simrock. —

Das wäre nun sehr schön, wenn du nach Ischl kämst; es ist doch prachtvoll hier und höchst genußvoll zu spazieren.

Ob ich wol eigentlich nach Bayreuth gehe? Auch Bülow, der im August mit seiner Braut hingeht, will mich verführen oder fragt mich vielmehr, ob ich mich anschließen will. Wenn du etwa zuweilen im Begriff bist, eine Bay reuther Broschüre ärgerlich wegzuwerfen, dann thue lieber ein Kreuzband darum und schicke sie hieher; uns ist so was exotisch und interessant.

Simrock, Dvořak bitte schönstens zu grüßen und deine Sängerin noch schöner. Du aber sei nochmals herzlichst bedankt für deine freundlichen Worte.“

Gleichfalls aus Karlsbad hatte ich Brahms herzlich ge dankt für das dritte und vierte Heft seiner vierhändigen Ungarischen Tänze“, die ich mit meiner Frau so gerne und oft dort gespielt. In diesen beiden Heften wirkt Brahms thatsächlich kleine Wunder der Harmonisirung und Rhythmik, welche die Kunst des „Setzers“ hoch über die des un bekannten „Sängers“ dieser einfachen Volksmelodien erhebt. Man gebe irgend einem andern Componisten diesen melo dischen Rohstoff, wie er Brahms vorlag, und sehe zu, was der Andere daraus macht. Es sind übrigens zwei dieser Stücke vollständig Brahms’ eigene Erfindung, ohne daß er es für wichtig genug hielt, sich dessen zu berühmen. Brahms antwortete mir aus Ischl. „Ich bin so vergnügt über deine vergnügten und lieben Worte, daß ich dir’s gleich sagen muß. Du weißt, daß mir die Sachen ausnahmsweise selber einigen Spaß machen. Wie freut’s mich also, wenn’s Anderen auch so geht und wenn sie gar so lieb sind, es nicht zu verschweigen! Mit besten Grüßen an dein zweites Selbst und an dein zweites Händepaar herzlichst den J. Brahms.“

Aus Crefeld sendete mir Brahms im Februar 1884 folgende Zeilen:

Crefeld, 26. Februar 1884. Geliebter Freund! Es ist ernstlich unrecht, daß ich nicht bisweilen ganz behaglich und herzlich zu dir oder euch plau dere, aber es geht nicht. Ich hatte hier in Crefeld sogar einige angenehmste Ruhetage — aber wie viel durchaus nöthige Correspondenz hat mir auch hier die Lust am Schreiben verdorben! So soll denn dies auch nur ein flüch

tiger Gruß sein und dir nebenbei sagen; daß sich der Weg nach Haus leider noch ein wenig hinzieht! Mitte März — früher komme ich nicht zurück. Eigentlich ist es schade, daß ich dir nicht Allerlei erzähle und beschreibe. Da du mich doch gewiß nicht für eitel hältst, so würdest du Freude haben, wenn ich dir von den manchen ernstlichen und schönen Freuden erzählte, die ich so unterwegs erlebe. Hier am Rhein wie in Berlin, Wiesbaden, Meiningen u. s. w.

Von Holland (ich gehe nur für ein Concert nach Amsterdam) möchte ich dir einen wohlschmeckenderen Gruß senden — könnte ich nur behalten, für welchen geistlichen Braten und Schnaps du so besondere Neigung hast. Von Billroth hörte ich gern, daß er recht fröhlich ist, vielleicht spendirst du eine Karte? Im Uebrigen bin ich kein Schwarz seher und denke, du und ganz Wien spaziert so vergnügt weiter, wie wir es trotz Allem gewohnt sind. Sei recht vom Herzen gegrüßt. Dein J. Brahms.“

Im Sommer 1884 verbrachte ich eine Woche auf dem Semmering, wo mich Brahms von Mürzzuschlag aus be suchte. Er versprach, auf unserer Rückfahrt nach Wien uns im Bahnhofe von Mürzzuschlag zu begrüßen, verspätete sich aber. Darauf beziehen sich die folgenden zwei Billette und die Nachschrift des dritten aus Mürzzuschlag:

„Liebster Freund! Da steh’ ich nun mit Rosen und Gelbveigelein, das heißt mit einem Körbchen voll Früchten, Liqueuren und Kuchen! Er und Sie sind aber wol mit dem früheren sonntäglichen Extrazug durchgefahren? Ich habe am Bahnhofe schönen und seltenen Effect gemacht als artiger Mann! Jetzt jubeln die Kinder über den Kuchen — für die nationalen Schnapse aber opfert sich dein J. Br.

„Liebster Freund! Deine Karte freut mich besonders, weil ich dir doch endlich sagen kann, wie schlecht ich den Tag eurer Durchreise verlebte. Ihr habt euch vielleicht so beiläufig vergebens und verdrießlich nach mir umgesehen. Mir aber war es so selbstverständlich, daß ich euch am Bahnhofe sehen würde — ich konnte mir doch nicht Mühe geben wollen, daran zu denken, es konnte mir nicht bei fallen, mich besonders daran erinnern zu wollen — ja, leider war es so selbstverständlich, daß — ich eine Viertel stunde zu spät daran dachte!

Wie so eine Dummheit Einem den Tag verderben und hernach der Gedanke daran immer wieder kommen und Einen plagen kann; hoffentlich kennst du das nicht so gründlich wie ich, der ich mir nur zu oft so ärgerlichen Katzenjammer bereite. Es wäre gar freundlich, wenn du eure nächste Durchfahrt meldetest, vielleicht ruht ihr gar hier eine Nacht aus? Vom Herzen dein Brahms.“

„Lieber Freund! Wenn dich dieser Tage Herr Robert Hausmann aus Berlin besucht, so sieh’ ihn doch. Du wirst dich in jeder Beziehung des jungen Mannes erfreuen, auch ohne sein vortreffliches Violoncell. Hausmann wohnt mit seiner Mutter bei Fellingers. Du kennst die Leute, so viel ich weiß, nicht. Ich glaube aber, du bist neuen Be kanntschaften gegenüber so wenig mobil wie ich. Sonst wäre es hübsch, wenn du bei der Gelegenheit die Bekanntschaft der sehr netten Leute machtest. Frau Fellinger ist eine Tochter von Josephine Lang-Köstlin und eine gar reizende und talentvolle Frau.

Ich hoffe, die Damen vom Professor Schmidt schil dern meine Promenade mit dem Körbchen nicht gar zu lebhaft in Wien! Sonst möchten meine sonstigen, bis jetzt wenig verwöhnten Freundinnen aufhören, so anspruchslos zu sein.“

Für den September 1889 war wieder ein drei tägiges Musikfest in Hamburg angezeigt, wo Brahms (als neuer Ehrenbürger der Stadt) mehrere noch ungedruckte Chöre zur ersten Aufführung bringen sollte. Mein Plan, hinzufahren, ward übrigens vereitelt. Auf meine Anfrage antwortete Brahms aus Ischl: „Liebster Freund! Ich begreife zwar die Hamburger Nachlässigkeit nicht. ... Aufrichtig aber, ich verstehe auch nicht dein gar so eifriges Drängen nach diesen Concerten, die, nebenbei gesagt, auch durchaus nicht mit Titel und Anspruch eines Musikfestes auftreten. So weit das nun aber mich angeht, macht es mich verlegen. Du erwartest am Ende wunder was von meinen ganz kleinen und simplen Sprüchen Fest- und Gedenksprüche für achtstimmigen Chor“, op. 109. und weißt

und bedenkst nicht, daß ich nur gern gerade jetzt eine kleine Aufmerksamkeit zeigte und dazu die Worte, der Inhalt der Sprüche geeignet ist. Dich aber als Nicht-Lutheraner und Nicht-Norddeutscher kann nicht einmal dieses interessiren! Vielleicht kann ich dir indeß einen andern kleinen musikali schen Spaß in Hamburg machen.

Dem Bülow aber gehen die Einfälle nicht aus! Einst weilen hat er im (wie es scheint, noch geheimen) Kriegsplan, zum Schluß des dreitägigen Musikfestes drei Walzer von Joh. Strauß zu machen!

Deine Rührigkeit beschämt mich und deine Reiselust weckt vielleicht meine. Bis jetzt suche ich nur nach einem Vorwand, wegbleiben zu dürfen! ... Willst du mir die Freundschaft thun und in Bremen den Musikdirector Rein thaler aufsuchen oder durch Karte von deinem Kommen benachrichtigen? Außerdem hast du den besten und gescheite sten Führer an ihm.“

Weit mehr noch hatte ich zu bedauern, daß es mir nicht vergönnt war, einer sehr lockenden Einladung nach Meiningen zu folgen. Brahms schreibt mir von dort am 1. December 1891:

„Ich habe die Tage über viel und herzlich an dich ge dacht — „Pazmann Die Oper von Johann StraußRitter Pazmann“. hätte dir erlaubt, sie mitzugenießen, und sie wären dir ein Genuß gewesen in jeder Beziehung. Ich will dich nicht neidisch machen — nur deßhalb beschreibe ich nicht ausführlicher, was dich Alles interessirt und er freut haben würde. Nur das Eine melde ich, daß ich erst vierzehn Tage später (am 14. December) anfangen kann, dir zu erzählen. Das kommt daher, daß Joachim die Jung fräulichkeit seines Quartetts meiner neuesten Sache preis gegeben hat. Bis jetzt hat er das keusche Heiligthum sorglich gehütet, und jetzt, so sehr ich dagegen gesprochen, verlangt er, daß ich mit Clarinett und Clavier eindringe, mit Trio und Quintett. Am 12. December passirt das, und zwar mit dem Meininger Clarinettisten.

Mandyczewski sage (oder lass’ ihn lesen), daß das Quintett „Adagio con sordini“ so oft und lange ge spielt wurde, wie es der Clarinettist nur aushalten konnte.“ (Schluß folgt.)