Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11870. Wien, Mittwoch, den 8. September 1897 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11870. Wien, Mittwoch, den 8. September 1897 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 08.09.1897
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Zur Donizetti-Feier in Bergamo. I.

Ed. H. Das entzückende Landschaftsbild Bergamos ver gißt nicht so leicht Jemand, der, sei es auch nur auf der Durchreise, hingeschaut hat. J. V. Widmann, aller italienischen Städte und Städtchen bester Kenner und Schätzer, ruft beim Anblick von Bergamo aus: da möchte er den Rest seines Lebens zubringen! Dabei erzählt er uns (in „Jen seits des Gotthard“), wie ein französischer General durch einen Act der Barbarei zugleich ein Zeugniß für die reiz volle Lage der Stadt abgelegt hat. Auf einem wunderschönen Gemälde von Lorenzo Lotto, das jetzt noch eine Hauptzierde der Bildergalerie Bergamos bildet, ist die Madonna mit den Heiligen dargestellt; im Hintergrunde war die Stadt Bergamo hingemalt. Der General, welcher daheim den Seinigen gern zeigen mochte, wie märchenhaft schön die Stadt daliegt — Photographien gab es noch nicht zur Zeit der napoleonischen Kriege — schnitt kurzweg den ganzen landschaftlichen Hintergrund aus dem Gemälde heraus und nahm ihn mit. Man hat dann ein neues Stück Leinwand eingesetzt und es einfach mit dunklen Farben überstrichen. Jetzt werden die zahlreichen Fremden sich leichter und anständiger ein Bildniß der Stadt verschaffen können, in welcher vor hundert Jahren, am 29. November 1797, Gaëtano Doni zetti geboren wurde. Sein Vater wollte ihn zum Advocaten bestimmen, der Sohn hatte Lust zum Architekten — und so wurde er denn keines von beiden, sondern Componist.

Musiker und Musikfreunde gedenken in Bergamo nicht blos Donizetti’s, sondern auch seines Meisters Simon Mayr. Dieser einst gefeierte Componist zahlloser italienischer Opern war ein guter Deutscher, ein Organistensohn aus Ingolstadt in Bayern. Mit 23 Jahren finden wir ihn in Venedig als Schüler Bertoni’s; 18 Jahre später als Capell meister der Basilica di Santa Maria Maggiore in Ber gamo, wo er als Stifter der Unione Filarmonica, Director der Musikschule und unermüdlicher Componist bis an sein Lebensende thätig war. Er starb daselbst fast erblindet, 82 Jahre alt, im December 1845. Die dankbare Stadt

Bergamo hat ihm ein schönes Denkmal gesetzt. Italienische Opern zu schreiben war noch zu Anfang dieses Jahrhunderts ein besonders geschätzter und einträglicher Beruf deutscher Musiker. Man braucht nicht an Händel und Gluck zurück zudenken — nur an unsere älteren Zeitgenossen Weigl, Winter, Gyrowetz, Otto Nicolai. Simon Mayr, dessen italienische Opern — 46 große und 17 kleinere — längst vergessen sind, ja mit dem Auftreten Rossini’s so gut wie abgethan waren, galt den Italienern als ein hochbegabter, gediegener Meister. Auch unsere Nachschlagebücher, die gern aus jedem Verstorbenen einen Unsterblichen machen, sprechen von S. Mayr wie von einem Classiker. Stendhal, der lobpreisend oder schimpfend fast immer übertreibt, sobald er von italienischer Musik spricht, nennt Mayr „un voleur effronté“. Er war das nicht mehr oder weniger, als die meisten seiner Collegen, deren auf Dreiklängen wiegende Cantilenen und Rouladen einander zum Verwechseln ähnlich sahen. Viel Neues wußte Mayr freilich nicht zu sagen, aber er sagte es in correcter, logisch geordneter und wohlklin gender Sprache. Unstreitig hat er aus seiner deutschen Heimat einen ernsteren musikalischen Geschmack und (wie seine Kirchen-Compositionen zeigen) eine solidere Schulung und Technik mitgebracht.

Eine mäßige Transfusion verdünnten deutschen Blutes hat denn auch auf den jungen Donizetti eingewirkt, als er bei Simon Mayr studirte und vorzugsweise Messen schrieb. Mit zwanzig Jahren brachte er seine erste Oper zur Auf führung. Sie siegte ebensowenig wie die zwanzig nachfol genden. Unter diesen war auch „Sancia di Castiglia“ mit der pietätvollen Widmung „al celebre Sign. Maëstro Simone Mayr“. Diese Tragedia lirica zeichnet sich durch athemversetzende Rossini’sche Coloraturen und höchst kindische, terzenweis auf und ab hüpfende Chöre aus. Endlich gelangt Donizetti zu seinem ersten entschiedenen Erfolg in Italien mit der Oper „L’Esule di Roma“. Ueber die Grenzen seiner Heimat verbreitet sich sein Ruhm erst seit 1831 mit „Anna Bolena“. Eine Prager Aufführung dieser Oper mit Jenny Lutzer in der Titelrolle gehört zu meinen frühesten Theater-Erinnerungen. Ich weiß davon nur, daß ich vor Herzweh über die unglückliche Königin weinend einschlief. „Anna Bolena“ war Donizetti’s 32. Oper, und

doch hatte der allzu leicht schaffende Componist bis dahin nichts geliefert, was sich mit Bellini’s Opern zweiten Ranges messen konnte. Ganze und halbe Erfolge, auch ent schiedene Mißerfolge wechseln nun mit einander. Zu letzteren gehörte die Oper „Il Diluvio universale“. Donizetti tröstete sich über ihr Fiasco, indem er sich sogleich vornahm, alle Musikstücke aus dieser Partitur, ohne Ausnahme, in seine folgenden Opern allmälig einzuschalten. Die Oper ward ja in Einzelheiten applaudirt und nur als Ganzes ausgepfiffen. Donizetti hielt Wort: il Diluvio universale steckt vollständig in den zehn oder zwölf danach componirten Opern. Höchst charakteristisch für eine entschwundene Opern epoche, ist diese Thatsache doch keineswegs herabwürdigend für Donizetti, welcher nur die laxe ästhetische Moral seiner gesammten Umgebung theilte. Händel und Gluck hatten in diesem Punkte auch nicht scrupulöser gehandelt.

Ich beabsichtige nicht, den Lebenslauf Donizetti’s hier Schritt für Schritt, Oper für Oper zu beschreiben; von den Hauptwerken soll ohnehin später noch die Rede sein. Mit „Lucrezia Borgia“ (1833) stand Donizetti im Zenith seines Talentes und Ruhmes. Noch immer steigerte sich seine fabelhafte Productivität. Ein Vertrag mit Barbaja verpflichtete Donizetti, alljährlich vier Opern für die königlichen Theater in Neapel zu schreiben. Zur Composition des „Liebestrank“ brauchte er nur vierzehn Tage; für „Don Pasquale“ einen Tag weniger. Vom Jahre 1834 an, wo er nach Paris zur Aufführung seiner „Märtyrer“ berufen wurde, bereicherte Donizetti das italienische Theater noch mit fünfzehn neuen Opern, worunter „Lucia“, „Gemma di Vergy“, „Belisario“ u. A. Zum kaiserlich österreichischen Kammer-Componisten ernannt, ließ er noch für die Wiener Hofoper „Linda“ und „Maria di Rohan“ folgen. Im selben Jahre (1843) gab er der Pariser Großen Oper, für die er bereits „La Favorite“ geschrieben hatte, seinen „Dom Sebastian“. Im Laufe von sechsundzwanzig Jahren hatte Donizetti vierundsechzig Opern geschrieben. Ja, wäre mit dieser aufreibenden Geistesthätigkeit nur Alles gethan gewesen! In Italien muß aber der Componist stets an Ort und Stelle kommen, die Stimmen seiner Sänger studiren und die Oper dirigiren. Als Simon Mayr in Neapel (wo er die Eröffnungscantate für San Carlo aufführte) die Aeuße

rung that, er wolle nicht mehr reisen, so hieß das: er werde keine Oper mehr componiren. Einige Jahre früher bot die Administration der Scala dem berühmten Païsiello 10,000 Francs für eine neue Oper; er antwortete: mit 80 Jahren könne man nicht mehr herumreisen, er wolle jedoch seine Musik einsenden. Man lehnte dankend ab. Auch Donizetti mußte, um eine neue Oper heute in Rom, dann eine andere in Florenz, eine dritte in Neapel oder Mailand ein zustudiren und zu dirigiren, die italienische Halbinsel von einem Ende zum andern durchfahren — im Postwagen, denn Eisenbahnen gab es dort noch keine. Und kein Aus ruhen zwischen all diesen Reisen, Arbeiten, Gesellschaften und Vergnügungen. Donizetti wollte von Allem haben und überall dabei sein. So rastlose Thätigkeit und Genußfreude mußten allmälig seine Gesundheit untergraben. Donizetti wurde im Jahre 1844 wahnsinnig.

Nach Escudier’s Erzählung waren die ersten Anzeichen von Geistesstörung an Donizetti während einer Aufführung seines „Dom Sebastian“ in Paris bemerkt worden. Madame Stolz, welche als launenhafte, unumschränkte Primadonna damals die Große Oper tyrannisirte, wollte nicht (wie es die Handlung erfordert) auf der Scene blei ben, während Camoëns hinter der Coulisse seine Barcarole singt. Als man sie endlich dazu bewogen hatte, verlangte sie, geärgert von dem Beifalle, der dem Sänger des Ca moëns nach der Barcarole zu Theil wurde, wenigstens die Kürzung dieses Gesangstückes. Donizetti, der sonst sanfte und freundliche Mann, ergriff wüthend seine Partitur und schleuderte sie unter den heftigsten Invectiven der Sängerin vor die Füße. Schäumend vor Wuth und seiner nicht mehr mächtig, mußte er von drei Freunden nach Hause gebracht werden. Er erholte sich bald, und durch lange Zeit fanden seine Freunde nicht das mindeste Anzeichen einer drohenden Krankheit an ihm.

Eines Morgens, als Donizetti gegen seine Gewohnheit seinem Diener noch immer nicht geläutet hatte, drang dieser, geängstigt, ungerufen ein und fand seinen Herrn bewußtlos auf der Erde hingestreckt. Man rief eiligst mehrere Aerzte. Donizetti kam bald zu sich und antwortete auf die

Fragen der Aerzte mit ungewöhnlicher, befremdender Red seligkeit. Er erklärte ihnen unter Anderm, daß er zwei Quellen der Begeisterung in sich habe, deren Sitz er ganz genau fühle: links wäre die Quelle für seine heitere Musik, rechts die andere für die tragische. Sobald er zu componiren anfange, fühle er eine Art Klappe sich öffnen, rechts oder links, je nach der Gattung Musik, welche er eben producire, und nach einem arbeitsvollen Tag fühle er sich stundenlang entweder an der rechten oder an der linken Seite seines Körpers schmerzlich ermüdet.

Nach einiger Zeit schien Donizetti wieder geistig und körperlich sich zu erholen, die Lust zur Arbeit erwachte wieder, und er beschäftigte sich lebhafter als je mit seinem Lieblingsproject, den „Sganarelle“ von Molière (von Girauditalienisch bearbeitet) für die Komische Oper zu componiren. Aber der fruchtbare Componist, der den Liebestrank“ in vierzehn Tagen geschrieben hatte, war nicht mehr im Stande, auch nur mit Einer Scene fertig zu werden. Die Aerzte constatirten eine gefährliche Ueber reizung der Nerven bei Donizetti und untersagten ihm das Arbeiten. Sein Zustand verschlimmerte sich rasch; man erkannte für unumgänglich nothwendig, den Kranken in eine Irrenanstalt zu bringen, am besten in jene des Dr. Moreau zu Ivry. Allein wie Donizetti dazu bewegen? Wie ihn überhaupt von Paris fortbringen? Die Freund schaft macht erfinderisch. Man fingirte einen Brief aus Wien, der unter dem Couvert der Gesandtschaft Donizetti zugestellt wurde. Der Kaiser von Oesterreich beauftragte darin den Maëstro, nach Wien zurückzukehren und seine Functionen als k. k. Hof-Compositeur aufzunehmen. Die sen ausgezeichneten Posten, welcher Donizetti, bekanntlich nach der ersten Vorstellung der „Linda von Chamounixverliehen wurde, soll er nach Escudier’s Mittheilungen der Verwendung Rossini’s, der in freundschaftlicher Corre spondenz mit Metternich stand, verdankt haben.

Der arme Kranke ging vollständig in die Falle. Er vergaß auf sein Leiden und gab seinem Diener Antonio Befehl, die Koffer zu hacken. Donizetti’s Wagen, mit zwei Postpferden bespannt, rollte fort. Ein anderer Wagen folgte

in einiger Entfernung. Der NeffeDonizetti’s, ein oder zwei Freunde und der treue Antonio saßen darin. In Ivry angelangt, macht der Postillon die Pferde plötzlich bäumen, springt, lästerlich fluchend, vom Kutschbock und weckt den ein geschlummerten Donizetti mit der Meldung, es sei die Achse gebrochen und es bleibe jetzt, mitten in der Nacht, nichts Anderes übrig, als sich in das glücklicherweise ganz nahe Hotel zu verfügen. Halbverschlafen steigt unser Maëstro aus, der Director des Irrenhauses, M. Moreau, den Wirth spielend, empfängt ihn mit den gasthausüblichen Begrüßungen. Man richtet Donizetti in einem bequemen Zimmer ein. Am folgenden Tage erscheinen der Neffe, die Freunde und Antonio, angeblich in Folge einer ihnen den Unfall berichtenden Depesche, um Donizetti zu besuchen. Man be stimmt ihn, noch einen Tag zu verweilen, dann noch einen, und einen dritten und vierten, bis endlich der Doctor voll ständig Herr des Patienten und von einem Fortgehen keine Rede mehr ist. Die sorgfältigste ärztliche Behandlung ver mochte aber leider nicht mehr, das zur Gehirn-Erweichung vorgeschrittene Uebel zu heilen. Aus dem Irrenhause zu Ivry brachte man den armen, unheilbar Kranken zuerst in ein freundliches Landhaus bei den Champs Elysées, von da endlich nach Bergamo, seiner Vaterstadt. Sein Neffe Andrea hatte die größten Schwierigkeiten, diese Heimkehr zu ermög lichen. Obgleich die Mehrzahl der zum Consilium berufenen Aerzte die Reise für ungefährlich erklärte, wurde sie von der Pariser Polizei kurzweg verboten. Unter dem Vorwand, Andrea wolle seinen kranken Oheim heimlich entführen, schreckte die Behörde nicht vor der Brutalität zurück, bei Donizetti’s Portier Polizeimannschaft einzuquartieren, welche sogar eine vom Arzt angeordnete Spazierfahrt des Kranken verhinderte. Andrea wendete sich zur Abwehr dieser Eigen mächtigkeit an drei der berühmtesten Pariser Advocaten, Marié, Cremieux und Berryer. Die Autorität dieser Männer und die Bemühungen seines eigens herbei geeilten Bruders Francesco scheinen Donizetti’s Ueber führung nach Bergamo endlich ermöglicht zu haben. Nach Briefen Andrea Donizetti’s an Dr. L. Herz in Wien, veröffentlicht von Angelo Eisner v. Eisenhof. 1897.

Wenige Minuten vor seinem Tode — Donizetti hatte seit Langem theilnahmslos und ohne Jemanden wieder zu erkennen, hingeträumt — spielte eine Straßenorgel vor seinem Fenster das Final-Sextett aus der „Lucia“. Eine plötzliche Klarheit leuchtete aus dem erloschenen Auge des Kranken, ein leises Lächeln glitt über seine Züge, sein Kopf sank auf das Kissen zurück, und Donizetti hatte aufgehört zu leben.

In Wien machte der Tod Donizetti’s keinen Eindruck. Kein Todtenamt, keine Gedächtnißfeier, kaum ein Zeitungs artikel. Der Mann, der an vielhundert Abenden vieltausend Menschen entzückt hatte, wie ein Triumphator von einer Huldigung zur andern ziehend, er ist still und unbemerkt gestorben. Man erfuhr in Wien die Todesnachricht spät, durch ein Journal, das man zufällig zur Hand nahm, oder durch eine flüchtige Erwähnung, unter dem Lärm der Waffen, in dem Gedränge einer Volksversammlung. Ein Jahr vorher freilich, als noch die Tagespresse wöchentliche Bulletins brachte, welche das Publicum von Europa von dem Be finden des armen Wahnsinnigen in Kenntniß erhielten, da hätte es Niemand für möglich gehalten, daß der Gefeierte bald darauf ohne die mindeste Sensation sterben könne! Das Räthsel ist leicht gelöst: Donizetti verschied am 8. April 1848. — Er hatte eine ungünstige Zeit gewählt. Die Zeit war gut zum Leben, doch nicht zum Sterben. Es waren die Flitterwochen nach dem großen deutschen Freiheitsfeste, und wenn man mit Millionen Brüdern in begeistertem Hochzeitsjubel schwelgt, so übersieht man wol leicht den ein zelnen Sarg, der indeß still vorübergetragen wird.

Jetzt trachtet eine politisch beruhigtere Generation gut zumachen, was wir im Frühjahre 1848 unfreiwillig ver säumen mußten. Seine schönsten Melodien — das wissen wir jetzt — haben manches Ideal überlebt, wofür wir jungen Achtundvierziger geschwärmt haben. In Bergamo werden sich von Nah und Fern, auch aus Wien, Abgesandte ein finden, das Andenken des einst so hellstrahlenden und viel geliebten Künstlers zu feiern. Wer nur Eine Melodie Donizetti’s je im Herzen gehegt, sie in Leid oder Freud’ vor sich hingesungen, der steht in seiner Schuld und wird diese Schuld gern abtragen durch ein dankbares Erinnern.