Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11942. Wien, Sonntag, den 21. November 1897 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11942. Wien, Sonntag, den 21. November 1897 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 21.11.1897
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Hofoperntheater. Eugen Onegin“ von Tschaikowsky.

Ed. H. Peter Tschaikowsky, der begabteste und frucht barste Vertreter des musikalischen Jung-Rußland, ist uns in Wien bisher nur durch Instrumental-Compositionen be kannt worden. Davon haben nur die allerkleinste (das von Rubinstein gespielte Lied ohne Worte in F-dur) und die allergrößte (die Sinfonie pathétique) einen vollen, unge theilten Beifall errungen. Die Opern Tschaikowsky’s, fünf an der Zahl, sind der deutschen Bühne so gut wie fremd geblieben; um so größeren Dank schulden wir der Hofopern- Direction für die Aufführung von „Eugen Onegin“. In Rußland Gegenstand einer beispiellosen Popularität, muß diese Oper auch dort, wo die Voraussetzungen solcher Popu larität fehlen, lebhaftes Interesse hervorrufen. Die Carrière derselben ist wunderlich genug. Wie E. Zabel in seinem neuesten Buch über Rußland erzählt, hatte Tschaikowsky seinen Onegin ursprünglich nur einer Schüler-Production am Moskauer Conservatorium zugedacht, für welche sein Freund, der Director Nikolaus Rubinstein, etwas Neues wünschte. Zufällig lernte der verstorbene Kaiser von Ruß land die Oper aus dem Clavierauszug kennen und befahl ihre Aufführung im Hoftheater für den Winter 1884. Damit wurde Tschaikowsky der beliebteste Componist in Rußland. Diesen außerordentlichen Erfolg verdankte die Oper zunächst ihrem Sujet; hat doch Puschkin’s Roman in Versen „Eugen Onegin“ in Rußland ungefähr die Be deutung und Verbreitung wie bei uns Goethe’s „Faust“.

Die meisten russischen Componisten, jedenfalls die besten, folgten dem schönen Ehrgeiz, sich Stoffe aus den be rühmtesten Dichtungen ihres Vaterlandes zu holen. Das war immerhin mehr patriotisch empfunden, als musikalisch überlegt. Allen voranleuchtend griff zuerst Glinka nach den Dichtungen Puschkin’s. Brandes’ Ausspruch, es sei

erst mit Puschkin die russische Poesie eine selbstständige Macht geworden, läßt sich vollständig auf Glinka und die russische Musik anwenden. Glinka schuf 1842 aus Puschkin’s Mär chen „Rußlan und Ludmilla“ eine Oper, deren himmelblaue Romantik allerdings nicht den Erfolg seines erzmoskowiti schen „Leben für den Czar“ erreichte. Puschkin’s „Russalkaund „Der steinerne Gast“ lieferten den Stoff zu zwei Opern von Dargomijski, dessen jüngerer College Mus sorgsky wieder den „Boris Godunow“, Puschkin’s einziges großes Drama, componirte. Was Tschaikowsky betrifft, so hat er von Puschkin zwei Erzählungen aus dem modernen Gesellschaftsleben, „Die Pique-Dame“ und „Eugen Onegin“, für seine Opern bearbeitet. Wenn es sich darum handelte, uns in Wien mit einer russischen Oper bekannt zu machen, so war Tschaikowsky’s Onegin unstreitig die beste Wahl. Dem Componisten kommen wir bereits mit Vertrauen ent gegen, und seine Oper ist nur so weit specifisch russisch, als sie uns mit dem pikanten Reiz des Fremdartigen an spricht. Keineswegs stellt „Eugen Onegin“, so starke Zu muthungen an unser Verständniß oder unsern Köhler glauben, wie die meisten anderen Opern russischer Herkunft.

Eugen Onegin, ein russischer Landedelmann, ist eine Art Don Juan des Ruhestandes; blasirt, den Weibern ge fährlich und ihrer doch übersatt. Ein Mann von Geist, der jedoch nie etwas geleistet hat; ein Typus russischer Saloncultur mit dem einzigen Beruf, interessant zu sein. Puschkin hat Züge aus Lord Byron’s Charakter und aus seinem eigenen in diese Figur verwebt. Onegin wird von seinem Freunde Boris Lenski, einem gutmüthigen braven Jungen, bei Frau Larina, seiner Gutsnachbarin, eingeführt. Da sind zwei reizende Töchter, von denen die jüngere, Olga, mit Lenski verlobt ist. Ein musterhaft glückliches Liebespaar. Die ältere Schwester Tatjana, sinnend, träumerisch, durch die Einsamkeit des Landlebens und romantische Lectüre von unbestimmter Sehnsucht beunruhigt, schwärmt sofort für Onegin. Obwol Beider Gespräch im Garten keinerlei intime Wendung genommen, schreibt sie ihm Nachts einen langen Liebesbrief voll naiver Hingebung. Am nächsten Morgen lehnt Onegin mit kühler Aufrichtigkeit ihre Neigung ab; sein Herz sei für Liebe abgestorben; sie möge ver

nünftig sein, sich überwinden. Abends gibt es einen Hausball bei Frau Larina. Onegin langweilt sich und will sich für die Einladung zu diesem „faden Ball“ an Lenski rächen. Auf fällig bemüht er sich um Olga und tanzt nur mit ihr. Der zurückgesetzte Bräutigam geräth immer heftiger in Eifersucht, schmäht Onegin vor der ganzen Gesellschaft einen Verführer und fordert ihn, als beiderseits die Beleidigungen überlaufen, zum Zweikampf. In dem Duell, das sich vor uns in einem Wäldchen abspielt, fällt Lenski von der Kugel seines Freundes. Von reuevoller Unruhe getrieben, begibt sich Onegin auf Reisen. Wir begegnen dem nach mehreren Jahren Heim gekehrten erst wieder in Petersburg auf einem Ball beim Fürsten Gremin. Dieser stellt den fremden Gast seiner jungen Frau vor — Tatjana! So sieht denn Onegin das einst von ihm verschmähte bescheidene Mädchen jetzt als Fürstin wieder, als glänzende gefeierte Schönheit. Er geräth unverweilt in Feuer und Flammen. Am nächsten Tage dringt er in ihr Empfangszimmer, wirft sich ihr zu Füßen und fleht leidenschaftlich um Gegenliebe. Zwar entringt er ihr das Geständniß, daß sie nie aufgehört habe, ihn zu lieben, aber ihr Pflichtgefühl siegt rasch über diese Aufwallung. Tatjana befreit sich aus seinen umklammernden Armen und entflieht. Onegin bleibt in wenig beneidens werthem Zustande allein auf der Bühne. Der Vorhang fällt. Wirklich zum letzten-, zum allerletzten Mal? So spät es schon geworden, die Zuschauer sehen einander doch zweifelnd an, ob man fortgehen oder noch bleiben soll? Der Abschluß ist unbefriedigend, über’s Knie gebrochen möchte ich sagen, läge nicht in dem Ausdruck etwas Energisches, Entschiedenes, was gerade der Schlußscene des „Onegin“, so empfindlich fehlt. Der pikante Ausgang einer psychologisch zerfasernden Novelle, aber ein unmöglicher Opernschluß. Ich kenne kein zweites Beispiel in der Opern-Literatur. Dieses ungeschickte Ende, eigentlich ein nervöses Ohnmächtigwerden der Handlung, schadet dem Totaleindruck der Oper um so empfindlicher, als bereits mit dem zweiten Aufzuge die so sympathischen Charaktere Olga und Lenski aus dem Stücke verschwunden sind.

Also „Ende gut, Alles gut“ können wir von Tschai kowsky’s Oper nicht sagen; wol aber „Ende nicht gut“ und trotzdem alles Frühere voll Reiz und Interesse. Wer im

Eugen Onegin“ nicht ein stark bewegtes, dramatisch geschlossenes Bühnenstück erwartet, sondern, wie der Componist selbst ge wollt, eine Reihe lyischer Scenen, der wird seine Rechnung gewiß finden und, vielleicht etwas unbefriedigt vom ersten Hören, ein zweites nicht lange aufschieben.

Gleich das Vorspiel mit seiner weichen Schwermuth und der die Scene eröffnende zarte Zwiegesang der beiden Mädchen führt uns unmittelbar in die landschaftliche Stim mung, welche den ersten Act beherrscht. Wie frisch klingt der echt nationale Chor und Tanz der Schnitter, wie innig Lenski’s Liebeserklärung an Olga! Die dazwischen liegenden Conversations-Scenen zerbröckeln allerdings den Gesang, zum Nachtheil der Melodie und der Deutlichkeit des Wortes; dafür fesselt die einheitlich geführte, reizvolle Orchester- Begleitung fortdauernd unser Interesse. Die Scene ver wandelt sich in Tatjana’s Schlafgemach. Eine beklemmende Schwüle liegt in der Musik; sie wird von der ermüdenden Erzählung der alten Amme nur zeitweilig gelindert. Sobald sich Letztere entfernt hat, bricht das Gewitter los: Tatjana’s leidenschaftlicher Ausbruch ihrer Liebe zu Onegin. Sie be ginnt, ihm zu schreiben. Die Briefscene dünkt uns die Perle der ganzen Oper. So weit dieser Monolog sich auch ausbreitet, er beschäftigt und fesselt ununterbrochen unser Hören und Mitfühlen. Wie entzückend die Orchester-Melodie in D-moll, welche in Gruppen von je zwei herabgleitenden Noten zwischen Flöte, Clarinette und Horn vertheilt, jeden Tact mit einem leisen Harfenaccord abschließt! Und dann, als Tatjana den unterbrochenen Brief wieder aufnimmt, die seelenvolle Des-dur-Melodie, die, zuerst von der Oboë und dem Horn angekündigt, Tatjana’s Liebesklage begleitet: „Bist du mein Glück aus Himmelshöhen, bist du zum Leide mir ersehen?“ Wir gelangen nun wieder in den Garten der Frau Larina und lauschen einem einfachen Mädchenchor von heiter nationalem Charakter. Onegin er theilt der ihm entgegen zitternden Tatjana seinen ablehnenden Bescheid und schließt den Act mit einer Arie in schleppendem Zwölf-Achtel-Tact, welche nicht dazu beiträgt, ihn besonders interessant oder gefährlich erscheinen zu lassen. Aus der Naturstimmung und der zarten psychologischen Detail malerei des ersten Actes führt uns der Componist

in das bunte Gesellschaftsleben russischer Landedelleute. Ein feiner Zug ist es, daß er das Vorspiel wieder mit dem sehnsüchtigen Motiv Tatjana’s beginnt, welches allmälig in das Walzertempo mündet. Die theilweise vom Chor secundirte Tanzmusik bringt frisches Leben auf die Bühne; ein Anklang an den Walzer aus Gounod’s „Faust“ schadet ihr nicht allzusehr. Der Tanz und ein von Monsieur Triquetfranzösisch gesungenes Strophenlied unterstützen die Porträt-Aehnlichkeit dieses russischen Gesellschaftsbildes vom Jahre 1830. Es erklingt eine rauschende Mazurka; in ihre Schlußtacte mischt sich der Streit zwischen Onegin und dem eifersüchtigen Lenski. Ihr leidenschaftlich aufstürmender Wortwechsel und die Herausforderung bedurften einer packenderen Musik; an dem Verpassen dieser in der ganzen Oper nicht wiederkehrenden Gelegenheit verräth und rächt sich der Mangel an dramatischer Energie bei Tschaikowsky. Auch das darauffolgende Duell hätte eine weit stärkere Wirkung vertragen; sie geht uns nur so weit an die Nerven, wie der Anblick eines jeden Pistolenduells mit seinem langsamen Avanciren, dem Signal zum Loschießen und dem jähen Tod eines der beiden Kämpfer. Eine empfindungsvolle, wenn auch nicht sehr originelle Cantilene Lenski’s verräth, wie noch manch andere, Tschai kowsky’s nie ganz verwelkte Liebe zur italienischen Musik. (Man erinnere sich an Tatjana’s Des-dur-Melodie „Sollt’ ich auch untergeh’n“, an Lenski’s Liebeserklärung im ersten Act, an Onegin’s B-dur-Allegro im dritten u. s. w.) Der dritte Act bringt als Gegenstück zu der ländlichen Tanz unterhaltung bei Frau Larina ein vornehmes Ballfest beim Fürsten Gremin in Petersburg. Die Polonaise rauscht farbenprächtig, Aug’ und Ohr erfrischend, an uns vorüber. Eine Arie des Fürsten, der in dem salbungsvoll biederen Ton älterer französischer Couplets sein Eheglück preist, ver mag uns ebenso wenig zu begeistern, wie Onegin’s kaltes Feuerwerk: „Es ist kein Zweifel mehr, ich liebe!“ Die Scene in Tatjana’s Empfangszimmer ist genau so disponirt wie die Schlußscene des vierten Actes der „Hugenotten“: zuerst ein schmerzlich bewegter Monolog der Fürstin, hierauf ihr Duett mit dem sie leidenschaftlich bestürmenden Onegin. Hier stockt leider Tschaikowsky’s Erfindung. Wenn man mit

einem Duett einen langen Act schließt, geschweige denn eine ganze Oper, so muß dasselbe den musikalischen Reichthum und die gewaltige dramatische Triebkraft besitzen, wie das Duett zwischen Raoul und Valentine. Daß Tschaikowsky an diesem entscheidenden Punkt zurückgeblieben ist, er muß es an dem Totaleindruck seiner Oper büßen.

Und dennoch, dennoch — die Oper berührt uns un gemein sympathisch und entläßt uns, trotz zahlreicher Schwächen, mit dem Verlangen, sie wieder zu hören. Das vermag, im Zusammenklang mit Geist und Anmuth, nur künstlerische Ehrlichkeit. Nichts ist dem bloßen Effect zuliebe hingeschrieben. Der Componist läßt überall seine natürliche zarte Empfindung sprechen. Wo sie nicht ausreicht, ver schmäht er wenigstens, sie mit gemeinen Surrogaten zu fälschen. Tschaikowsky mahnt hin und wieder an italienische Cantilenen, an französische Conversations-Musik, an die selbstständig singende Orchesterbegleitung Wagner’s. Aber nirgends kann man ihn directer Nachahmung zeihen; er bleibt immer er selbst, gibt nur, was und wie er empfindet. Er ist voll schwermüthiger Sehnsucht wie Tatjana, heiter und naiv wie Olga, herzenswarm wie Lenski. Nur für die ironische Ueberlegenheit des unwiderstehlichen Onegin fehlen ihm die entsprechenden Accente. Da muß allerdings die Persönlichkeit und das schauspielerische Talent des Darstellers stark nachhelfen. Ueberwältigende Wirkung liegt dieser Musik fern; sie ist keineswegs „dramatisch“ in dem superlativen Sinn, den man heute mit dem Worte verbindet. Aber den feinen aromatischen Duft ihrer lyrischen Blüthen schätzen wir höher und athmen ihn lieber, als die scharfe giftige Dramatik unserer modernsten Opern. Tschaikowsky theilt mit seinem Dichter Puschkin den ange borenen aristokratischen Zug. Er bewährt ihn in den Gesangspartien, noch mehr in der Instrumentirung, deren unvergleichlicher Beredsamkeit und Klangschönheit wir uns willig hingeben, wo stellenweise das auf der Bühne Gesungene nicht unser volles Interesse erringt.

Das Publicum hat bei der ersten Aufführung dem fremdartig anmuthenden Werke so lebhaftes Interesse und Verständniß entgegengebracht, daß wir ein vorzeitiges Ver schwinden des „Eugen Onegin“ nicht zu befürchten haben.

Er wird sich die Theilnahme der Zuhörer bewahren, wenn auch der krampfhafte Jubel, der gestern gleich nach dem ersten Bilde und sogar nach der Duellscene von den Galerien tobte, später ruhigere Formen annehmen dürfte. Die Auf führung der Novität gehört zu den glänzendsten des Hofopern theaters. Der erste Dank dafür gebührt Herrn Director Mahler, dessen ruhiger, scharfer Blick gleicherweise das Orchester wie das Bühnenbild durchdringt und beherrscht. Von den Darstellern war es Fräulein Renard, welche als Tatjana den größten Triumph feierte. Das Publicum, das immer freudig aufgeregt scheint, wenn die Renard in einer neuen großen Rolle auftritt, ward nicht müde, sie bei offener Scene und nach jedem Actschlusse auszuzeichnen. Vortrefflich als Sängerin und Schauspielerin, hat Fräulein Renard uns im „Onegin“ überdies als graziöse unermüd liche Tänzerin überrascht. Die kleinere Gestalt der Olga um gibt Fräulein Michalek mit dem Reiz ihrer natürlichen Anmuth und unverbrauchten Jugend. Man hat sie noch in jeder Partie gern gesehen und gehört. „So oft sie kam, erschien mir die Gestalt — So lieblich wie das erste Grün im Wald,“ heißt es bei Lenau. Herrn Schrödter’s erquickende Stimme und warmer seelenvoller Vortrag machten seinen Lenski zu einer überaus sympathischen Figur. Nur gegen die ihn entstellende, scheußliche Perrücke möchten wir Protest einlegen. Herr Ritter bemühte sich mit bestem Erfolg, der mehr schwierigen als dankbaren Partie des Onegin die besten Seiten abzugewinnen. Rauschenden Beifall erntete Herr Hesch (Fürst Gremin) für seinen überraschend maßvollen Vortrag der Strophen im dritten Act. Herr Schitten helm (Mr. Triquet) sang die französischen Couplets mit parodistischer Laune und gutem Effect. Die nicht unwichtigen kleineren Rollen der Larina und Filipjewna werden von Frau Kaulich und Frau Baier sorgfältig gegeben. Nur möchten wir die beiden Damen bitten, in der ersten Scene ihre Stimmen zu mäßigen; das Duett Olga’s mit Tatjana wird durch sie vollständig gedeckt. Nennen wir noch den immer tüchtigen und verläßlichen Herrn Frei als Major Saretzky, so ist hoffentlich Niemand vergessen, der zu dem genußreichen Abend beigetragen hat.