Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 11968. Wien, Freitag, den 17. December 1897 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 11968. Wien, Freitag, den 17. December 1897 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 17.12.1897
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Neue Schriften über Brahms.

Ed. H. Zu Ende geht das Unglücksjahr, das uns Brahms geraubt hat. Als gälte es, ihn noch einmal fest und fester an uns zu drücken — es häufen sich die Kränze auf seinem Grabhügel, es drängen sich die musikalischen und literarischen Opfergaben. Aus seiner Vaterstadt vernehmen wir den Auf ruf zur Errichtung eines Brahms-Denkmals. In Wien, das Brahms seine Adoptivheimat nannte, planen wir gleich falls ein Monument — am liebsten nächst seinem Wohn haus in den Anlagen vor der Karlskirche. Nur unsere traurigen politischen Kämpfe und Krämpfe haben bis heute in Wien die Constituirung eines vorbereitenden Denkmal-Comités verhindert. Pietätvolle künstlerische Hingebung verlangt eine beruhigte Zeit und unverstörte Gemüther. Hoffen wir auf die Wiederkehr der ersehnten Empfänglichkeit und Samm lung. Inzwischen widerhallten den Sommer hindurch alle deutschen und englischen Musikfeste von Brahms’scher Musik; auch bei uns fehlt sie jetzt kaum in einem Concert dieser beginnenden Saison. Wir hatten immer die sichere Empfindung, daß die liebevolle Pflege seiner Tondichtungen nicht verlöschen werde zugleich mit den Kerzen auf seinem Katafalk. Meister wie Brahms sterben zur Unsterblichkeit. Die „Vier ernsten Gesänge“ — eine Todesahnung, wenn es denn eine gab — begannen, überall und immer wieder vor getragen, fast schon einen Verwesungsgeruch zu verbreiten in den Concertsälen. „O, Freunde, nicht diese Töne!“ möchte man mit Beethoven ausrufen. Sie sollen nicht ver schwinden, aber neben ihnen laßt uns vorläufig auch „andere, freudigere anstimmen“ aus dem reichen Schatze Brahms’scher Lieder.

Dauernder als diese verwehenden Klänge sind die verschie denen literarischen Monumente zu Ehren Brahms’. Da lockt uns zuerst ein prächtiges, reich illustrirtes Buch: „Johannes Brahms“ von H. Reimann. (Berlin1898, Verlags gesellschaft Harmonie.) Es bildet den ersten Band eines neuen Sammelwerkes „Berühmte Musiker“. BrahmsLebensgeschichte ist in zusammenhängender Darstellung vor

getragen; in jedem Capitel derselben erscheinen die dahin gehörigen Werke Brahms’ besprochen und durch charakteri stische Notenbeispiele erklärt. Gleich die beiden ersten Capitel „Jugendjahre in Hamburg“ und „Neue Bahnen“ über raschen uns mit Photographien noch nie veröffentlichter Bilder. So das Porträt des 19jährigen Brahms und mehrere von Frau Dr. Fellinger aufgenommene Bildnisse aus seiner letzten Zeit. Aus derselben Quelle stammen die photographischen Abbildungen der von Brahms zuletzt bewohnten drei Zimmer in der Karlsgasse. Ueberhaupt haben die Freunde Brahms’ eifrig aus ihrem Privatbesitze beigesteuert zu der Ausschmückung des vorliegenden Buches. Frau Bertha Faber verdanken wir das Autograph des ihr gewidmeten Wiegenliedes“, Simrock das „magyarische“ Lied aus op. 46, der königlichen Bibliothek in Berlin eine Partitur seite des „Triumphliedes“. Unbekannt waren uns bisher auch die Porträts von BrahmsVater und von seinem Lehrer Marxen, das hübsche Doppelbild der Jünglinge Brahms und Joachim, das alterthümliche Geburtshaus in Hamburg und Anderes. Auch mehrere der merkwürdigsten Blätter aus Max Klinger’sBrahms-Phantasien“ sind der Biographie an passender Stelle eingefügt. Ein reich haltiger „Anhang“ bringt Nachweise werthvoller literarischer Quellen, außerdem viele Briefe und Citate über Brahms. In diesem Verstecke wird man ganz merkwürdige Dinge auf stöbern; z. B. wie Richard Wagner das „Triumphlied“ durch Friedrich Nietzsche kennen gelernt. Die SchwesterNietzsche’s berichtet darüber: „Im Sommer 1874 hatten mein Bru der und ich im Baseler Münster das Triumphlied von Brahms gehört. Es war eine wunderschöne Aufführung, die Fritz sehr gut gefiel. Als er im August 1874 nach Bayreuth reiste, nahm er den Clavierauszug des Triumphliedes mit, anscheinend von dem naiven Glauben geleitet, daß sich Wagner daran freuen müsse. Ich sage „anscheinend“, weil ich doch auf den Gedanken später gekommen bin, daß dieses rothgebundene Triumphlied eine Art Versuchsobject war und deßhalb Wagner’s ungeheurer Zorn nicht ganz und gar grundlos gewesen zu sein scheint.“ Wagner selbst erzählt der SchwesterNietzsche’s: „Ihr Bruder legte das rothe Buch auf den Flügel; immer wenn ich in den Saal

hinunter kam, starrte mich das rothe Ding an — es reizte mich förmlich, gerade wie den Stier das rothe Tuch. Ich wußte wohl: Nietzsche wollte damit sagen: Sieh’ mal, das ist auch Einer, der was Gutes machen kann — na, und eines Abends bin ich losgebrochen, und wie losgebrochen!“

Auch die Heiratsfrage wird in den Anmerkungen einigemale gestreift. Nach einem von Brahms diri girten Concert in Hamburg (1880) fanden sich Abends die Musiker zu einem Festmal zusammen. Es gab da in heiterer Stimmung viel Trinksprüche, und der Organist Armbrust sprach die Hoffnung aus, den Componisten so vieler schöner Liebeslieder im nächsten Jahre an der Seite einer holden Gattin wiederzusehen, worauf Brahms mit den Schlußworten des Parzenliedes entgegnete: „Denkt Kinder und Enkel! und schüttelt das Haupt.“ Ausführlicher und vertraulicher lautete Brahms’ Bekenntniß gegen seinen Berner Freund J. V. Widmann: „In der Zeit, wo ich am liebsten geheiratet hätte, wurden meine Sachen in den Concertsälen ausgepfiffen oder wenigstens mit eisiger Kälte aufgenommen. Das konnte ich nun sehr gut vertragen, denn ich wußte genau, was sie werth waren und wie sich das Blatt schon wenden würde. Und wenn ich nach solchen Mißerfolgen in meine einsame Kammer trat, war mir nicht schlimm zu Muthe. Aber in solchen Momenten vor die Frau hintreten, ihre fragenden Augen ängstlich auf mich gerichtet zu sehen und ihr sagen zu müssen: „Es war wieder nichts“ — das hätte ich nicht ertragen. Denn mochte eine Frau mich noch so sehr lieben und auch, was man so nennt, an mich glauben, die volle Gewißheit meines end lichen Sieges konnte sie doch nicht haben. Und wenn sie gar mich hätte trösten wollen ... puh, ich mag nicht daran denken, was das für mich für eine Hölle ge wesen wäre.“

Eine Zierde des Buches bildet das Schlußcapitel: Brahms als Künstler und Mensch“, worin der Verfasser H. Reimann sein sympathisches Verständniß für Brahms nach beiden Richtungen hin auf das schönste kundgibt.

Von ähnlicher Tendenz, nur bescheidener in Aus stattung und Umfang, ist ein zweites neues Buch: Johannes Brahms; Erläuterung seiner bedeu

tendsten Werke, nebst einer Darstellung seines Lebens ganges“ (Frankfurt a. M. bei H. Bechhold). Es verfolgt einen mehr specifisch musikalischen Zweck und legt das Hauptgewicht auf die Analyse von Brahms’ bedeutendsten Compositionen, an der Hand zahlreicher Notenbeispiele. Eine Anzahl tüchtiger bewährter Mitarbeiter hat sich in diese Aufgabe getheilt. Richard Heuberger erklärt und zer gliedert das Clarinett-Quintett und Clarinett-Trio, das Violinconcert und die Nänie; Professor Knorr führt uns durch die beiden ersten Symphonien, Dr. Hugo Riemann durch die dritte und vierte. Als weitere Mitarbeiter sind die Herren Beyer, Sittard, Söhle und Witte genannt. Die biographische Einleitung (von A. Morin) bleibt in fortwährender Beziehung zur Chronologie der Brahms’schen Compositionen. Bei aller Gedrängtheit enthält doch diese Skizze manches wenig bekannte Datum. Brahms ist in Hamburg in den kleinsten, ärmlichsten Verhältnissen auf gewachsen; seine Mutter betrieb ein kleines Ladengeschäft mit holländischen Waaren. Der Vater, ein schlecht besoldeter Contrabaßspieler am Karl-Schulze-Theater, ließ die Kinder ohne höhere Schulbildung aufwachsen. Johannes hatte zwei Geschwister: einen Bruder, Fritz, der Musiklehrer wurde, längere Zeit in Caracas lebte und in seiner Vaterstadt an einem Gehirnleiden starb, und eine Schwester, Elise, die sich mit einem Uhrmacher verheiratete und gleichfalls lange todt ist. Johannes, dessen musikalisches Talent sich bald offenbarte, mußte als halbwüchsiger Knabe in niederen Unterhaltungslocalen oft die Nacht hindurch zum Tanz auf spielen. Am schmerzlichsten empfand er wol den Mangel an gutem Einvernehmen zwischen seinen Eltern. Die Mutter, der er mit zärtlicher Liebe anhing, war 20 Jahre älter als der Vater, ein bedenklicher Altersunterschied, der selten eine ganz glückliche Ehe zuläßt. Brahms hat bekanntlich seiner Mutter ein herrliches Denkmal errichtet in seinem „Deutschen Requiem“.

Aus Simrock’s Verlag erhalten wir soeben ein dem Andenken Brahms’ gewidmetes Buch poetischen Inhalts: Brahms-Texte“. Der herrlich ausgestattete starke Band enthält eine vollständige Sammlung aller von Brahms componirten Dichtungen. Ein mit

Brahms befreundeter, hochgebildeter Musikfreund, nebenbei Richter in Crefeld, Herr G. Ophüls, hat mit muster haftem Fleiß diese Texte, nach den Dichtern geordnet, zu sammengestellt und mit literarischen und biographischen Notizen versehen. Er unterzog sich der recht mühevollen Arbeit aus Verehrung für Brahms, nachdem dieser einmal äußerte: „Ich habe mir öfter eine Sammlung meiner Texte gewünscht — an und für sich und dann, weil ich meine Musik nicht gern schärfer ansehe, beim Lesen der Texte sie mir aber bisweilen ganz gern durch den Kopf gehen lasse.“ Herrn Ophüls war es noch beschieden, Brahms mit dem Manuscript des jetzt gedruckt vorliegenden Buches eine letzte Freude zu bereiten. Brahms war in Bezug auf seine Lieder texte ungemein wählerisch; nicht jede wohlklingende oder geistreiche Strophe erschien ihm als musikfähig oder musik bedürftig, noch weniger lockte jedes Gedicht den musikalischen Funken gerade aus seiner Phantasie. Er selbst pflegte gerne hinzudeuten auf seine sorgsame Auswahl nur guter Gedichte. Der schöne Band „Brahms-Texte“ wird als werth voller Beitrag zur Kenntiß seiner künstlerischen Eigenart und seines Seelenlebens allen Sängern und Verehrern der Brahms’schen Lieder willkommen sein.

Eine andere Brahms-Novität aus Simrock’s Verlag ist nicht ebenso poetischen Inhalts, aber um so prakti scher, nützlicher für jeden Musiker und Musikfreund: das Supplement zu dem „Thematischen Katalog“. Dieser war 1887, also vor zehn Jahren, erschienen und enthielt Brahms’ Compositionen bis zu op. 101, dem Clavier-Trio in C-moll. Das jetzt veröffentlichte Supplement heft reicht von op. 102 bis op. 121, dem Schwanengesang Brahms’, und umfaßt die letzten zehn Jahre. Dem Musik historiker wie jedem Verehrer des Meisters bietet dieser Katalog nicht blos sachliche Auskunft, sondern auch mannig faltige Anregung. In den Blättern des Thematischen Katalogs sehen wir das Leben des Tondichters wie in treuen Schatten bildchen vorüberziehen. Mit der letzten Seite steht dessen gesammtes Wirken anschaulich wie eine Summe vor uns. Seine letzten zehn Jahre waren keineswegs sehr productiv; die ganze Ernte beträgt zwanzig Werke, somit durchschnittlich nur zwei in jedem Jahre. Brahms hatte zu viel Achtung

vor seiner Kunst, um sie invita Minerva in den Dienst zu zwingen. Er ward in den letzten Jahren immer scrupu löser und zurückhaltender mit Publicationen, umsomehr als er, sechzigjährig, ein Nachlassen der schöpferischen Kraft zu fühlen glaubte. Von dieser Besorgniß vermochte ihn nur der große, aufrichtige Erfolg seines Clarinett-Quintetts momentan zu heilen.

Gleich zu Anfang des neuen Supplementheftes stehen die vierstimmigen „Zigeunerlieder“ (op. 103) und drei Hefte zu je fünf Liedern (op. 105, 106, 107), aus welchen Brahms’ melodische Erfindung und feiner Humor noch so frisch wie je hervorblühen. Man denke an die von Walter eingeführten Lieder „Der Mond steht über den Bergen“, Schwalbe, sag’ mir an“, „Wie Melodien“ und andere. Anfangs der Neunziger-Jahre sehen wir Brahms mit Vor liebe an Instrumentalwerken thätig: er gibt uns sein letztes Streichquartett in G-dur und seine Violin-Sonate in D-moll; hierauf die Kammermusikstücke mit Clari nette (das berühmte Quintett op. 115, dann das Trio und die beiden Sonaten). In den Jahren 1892 und 1893 erfüllt er mit einer längeren Reihe von Clavierstücken einen immer dringender geäußerten Wunsch der Clavier spieler: die „Phantasien“, „Intermezzi“, „Clavierstückeop. 116 bis 119. Die „Vier ernsten Gesänge“ endlich haben in dem Katalog die letzte Opuszahl: 121. Wir besitzen aber aus Brahms’ letzter Zeit auch noch mehrere werthvolle überaus erfolgreiche Arbeiten, welche trotzdem keine Opus zahl tragen. Sie erscheinen im Anhang des Katalogs als „Bearbeitungen“; so die sechs Hefte „Deutsche Volks lieder“ (1894), welche durch Brahms’ meisterhafte Begleitung beinahe etwas Neues geworden sind, analog den von ihm bearbeiteten „Ungarischen Tänzen“. In dem Nachtragskatalog der letzten zehn Jahre finden wir alle von Brahms früher bearbeiteten Kunstformen wieder vertreten — nur kein einziges großes Orchester- oder Chorwerk. Dafür schien er sich nicht mehr die volle Kraft zuzutrauen. Auch in seiner Abneigung gegen Dedicationen finden wir Brahms unverändert; von den zwanzig Werken seines letzten Decenniums sind nur drei mit einer Wid mung versehen: die Violin-Sonate op. 108 an Bülow

die „Fest- und Gedenksprüche“ an den Bürgermeister von Hamburg (ein Dank für das Ehrenbürgerrecht), end lich die „Vier ernsten Gesänge“ an den Maler Max Klin ger. — Brahms waren acht Lebensjahre mehr beschieden als Beethoven; 18 Jahre mehr als Schumann; trotzdem ist die Anzahl seiner Compositionen (121) kleiner als die Beethoven’s (137) oder Schumann’s (143).

Und nun zum Abschied ein Gruß von J. V. Wid mann in Bern, dem treuen Freunde und Reisegefährten unseres Brahms! Nach meinem trockenen Literaturbericht greife der Leser zu Widmann’s „Erinnerungen an Brahmsim October- und Novemberheft der „Deutschen Rundschau“. Wer Victor Widmann aus persönlichem Verkehre oder auch nur aus seinen Schriften kennt, der hat ihn unbedingt liebgewonnen. Und das war Brahms’ Fall. An Widmann’s italienischen und Schweizer Schilderungen — („Jenseits des Gotthard“, „Sommerwanderungen und Winterfahrten“, Spaziergänge in den Alpen“) — erfreute uns oft und nachhaltig diese glücklichste Mischung von Ernst und Humor, von Naturfreude und Kunstbegeisterung. So oft Brahms sich zu einer Erholungsreise entschloß, immer zog es ihn wieder nach Italien. Aber er war der Sprache nicht mächtig, überhaupt etwas linkisch auf fremdem Boden. Ja, Wid mann müßte mit! Das war vor Allem ins Reine zu bringen. Drei längere italienische Reisen hat Brahms in Gesellschaft Widmann’s unternommen. Von diesen Aus flügen, dann von Brahms’ Aufenthalt in der Schweiz, in Baden-Baden, in Meiningen und wo sonst noch die Beiden heitere Tage verlebt haben, erzählen uns Widmann’s Erinnerungen“. Aber auch in seinem allerneuesten Buche „Sicilien und andere Gegenden Italiens(Frauenfeld bei J. Huber, 1898) spielt Brahms als Mitreisender eine anziehende Nebenrolle. Ihm sollte das Buch noch bei Lebzeiten zukommen und Freude machen. Zu spät! Die Widmung an Brahms „in treuer Erinnerung an herzliche Freundschaft und Reisekameradschaft“ kann jetzt nur im Herzen seiner Freunde erklingen. Diese werden dem trefflichen Poeten wenigstens als Leser treue Reisekamerad schaft halten auf seiner „Frühlingsfahrt durch Sicilien“.