Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 12217. Wien, Sonntag, den 28. August 1898 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 12217. Wien, Sonntag, den 28. August 1898 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 28.08.1898
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Neue Bücher über Liszt und Wagner.

Ed. H. Fr. David Strauß in seiner Biographie Ulrich’s von Hutten und Friedrich Vischer in seiner Kritik dieses Buches haben gezeigt, daß ein Biograph, bei aller Wärme für seinen Helden, doch nicht blindlings und kopf los in ihm aufgehen dürfe. Er müsse mit ruhigem Blute und weiser „Ironie“ über seinem Gegenstand stehen. Gegen dieses Gesetz verstoßen zumeist die Musiker-Biographen; nicht die älteren, wie Otto Jahn, Thayer, Max v. Weber, wol aber die neuesten. Wenn wir be haupten, daß Liszt und Wagner von ihren Biographen zu Halbgöttern erhoben werden, so sagen wir wirk lich nur die halbe Wahrheit. Die Vergötterung ar beitet natürlich am handgreiflichsten nach der Seite hin, wo der Held sie am nöthigsten hat. Also bei Wagner nach der rein menschlichen, bei Liszt nach der schöpferischen. Wagner’s Ruhm als Tondichter ist zu selbstbegründet, als daß seine Vertheidigung heute eines besonderen Kraftauf wandes bedürfte; dafür wird die Schönfärberei seines Charak ters mit heuchlerischer Emsigkeit betrieben und Wagner als der uneigennützigste Mensch, der hilfreichste College, der treueste Gatte, der verläßlichste Freund geschildert. Die Liszt-Biographen arbeiten in entgegengesetzter Richtung. An Liszt’s edlem Charakter nagt kein Zweifell; wer je mit ihm persönlich oder auch nur mit seinen gesammelten Briefen verkehrt hat, der kennt und verehrt ihn als stets hilfreichen, selbstlosen, warm herzigen Menschen. Da muß denn in der Vergötterungs- Biographie die andere Wagschale ausreichend belastet und Liszt als einer der größten Tondichter aller Zeiten dar gestellt werden. Dahin strebt unter Anderm das neueste von

Herrn Ed. Reuß verfaßte Buch. Franz Liszt.“ Ein Lebensbild von Eduard Reuß. Fünfter Band des Sammelwerkes „Männer der Zeit“. Dresden und Leipzig, 1898. Thatsächlich Neues haben wir nicht daraus erfahren. Ueber Liszt’s Lebensgang, insbesondere seine glorreiche Virtuosen-Laufbahn, benützt der Verfasser die bekannten Quellen; aus Eigenem spendet er uns seine schrankenlose Bewunderung der Liszt’schen Com positionen. Das ist sein gutes Recht, so lange er nur seine persön liche Meinung äußert. Aber ungerecht und obendrein geschmacklos ist es, wenn er in Bausch und Bogen jede abweichende An sicht über Liszt’s Compositionen als Bornirtheit und ge hässige Parteilichkeit brandmarkt. Gleich in dem Vorwort schlägt er einen gereizt polemischen Ton an und klagt, daß Liszt’s edelste Absichten verkannt, sein hochbedeutendes Schaffen verhöhnt werden. Ich weiß nicht, worauf gerade Herr Reuß den Anspruch auf Unfehlbarkeit gründet, gegen über Männern wie Ferdinand Hiller, Ehlert, Hauptmann, Otto Jahn, Fr. Hinrichs und so vielen Anderen, welche persön liche Freunde und Verehrer des Componisten, aber nicht seiner Compositionen waren. Es ist unsinnig, da von Neid und Feindseligkeit zu sprechen. Kaum hat je ein Künstler so günstiges Vorurtheil, so enthusiastische Sympathie für sich gehabt wie Franz Liszt, da er nach seiner unvergleich lichen Virtuosen-Laufbahn mit großen Orchester- und Chor werken hervortrat. Alle Concertvereine beeilten sich, dieselben würdig aufzuführen; das Publicum, überall nur aus Be wunderern Liszt’s bestehend, lauschte ihnen mit froher Er wartung. Wenn gleichwol die Compositionen des all gemeinen Lieblings nur laue Aufnahme fanden und trotz der „Liszt-Vereine“ immer seltener auf den Programmen erschienen, so muß die Schuld doch nicht allein an dem Publicum und der Kritik gelegen haben.

Sehr irrthümlich rechnet es Herr Reuß zu den beson deren Verdiensten Liszt’s, daß er „für die Compositionen Chopin’s und Schumann’s, die noch kaum dem Namen nach bekannt waren (!), gewirkt und diese damit vor dem Fluche des Verkanntwerdens zu ihren Lebzeiten bewahrt habe“. Chopin hat für seinen Ruhm am besten selbst gesorgt, und was Schumann betrifft, so ist er von Liszt total ignorirt worden. Das hat Liszt selbst mit rühmenswerther Auf

richtigkeit öffentlich und reuig einbekannt. Ebenso falsch ist Reuß’ Behauptung, daß gleich anfangs „alle europäischen Concertthüren sich vor Liszt’s Werken verschlossen haben, weil seine bisherigen guten Freunde, denen er zu groß ge worden, gegen ihn auftraten“.

Die Bewunderung des Verfassers beginnt natürlich gleich bei Liszt’s Opus 1 (den 24 Etuden) und steigert sich mächtig bei den „Apparitions“, deren dritte Nummer bekanntlich einem köstlichen Walzer von Schubert ihren Reiz ver dankt. „Wol haben die Raben, die Eulen und die Geier“ (Reuß möchte auch den milden Schumann dazu zählen) Liszt umkreist und mit gieriger Wuth auf seine Vernich tung gewartet, aber aus dem Staube, in dem er wie einst Mazeppa niederstürzen sollte, hat er sich erhoben als König u. s. w.“ Natürlich muß Herr Reuß auch einen Stein auf die unglückliche Gräfin d’Agoult werfen, wie dies bei den hypnotisirten Liszt-Anbetern Mode geworden. Von ihr, die Alles verlassen hat, um in leidenschaftlicher Hingebung Liszt zu folgen, heißt es: „Sie verstand ihm durch ihr melancholisches Wesen eine Schlinge zu legen, in die er hineingerathen mußte. Liszt’s Zurückhaltung reizte die Gräfin, diesen Eroberer der ganzen Kunstwelt zu ihren Füßen zu haben.“

Liszt hat für seine Concertvorträge virtuose Clavier stücke geschrieben, die man effectvoll, glänzend, interessant nennen kann, denen aber kein Einsichtsvoller eine bleibende hohe Bedeutung zuspricht. Um die große Mehrzahl derselben kümmert sich thatsächlich kein Mensch mehr, seitdem sie nicht mehr Liszt selber spielt. Aber welchen Opferrauch entzündet Herr Reuß vor der Robert-Phantasie! Nicht Meyerbeer, sondern erst Liszt habe den Themen ihre richtige tiefe Be deutung gegeben und den ganzen dämonischen Zauber her vorgerufen, den der Robert selbst nicht enthält. Der Ver fasser entdeckt darin „ein Meisterstück contrapunktischer Kunst, wie ein solches die größten Contrapunktiker nicht besser geschrieben haben“. Und dieser blindbegeisterte Liszt-Schwärmer klagt (S. 30) über „die blinde Begeisterung Otto Jahn’s für Mozart“.

Sprichwörtlich war der ans Kindische grenzende Liszt-Enthusiasmus der Berliner im Jahre 1842. Diese tolle Schwärmerei mußte endlich einen Rückschlag erfahren

und von dem ruhigeren Theile der Presse belächelt werden. Nach Herrn Reuß hat diese Presse, welche den Berlinern ihre warmen Gefühle für Liszt zuletzt verleidete, sich einen unheilvollen Fehler zu Schulden kommen lassen. Sie vereitelte, daß Berlin der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Musik in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts geworden ist.“ Dieser Ausspruch ist bezeichnend für die geschichtliche Auffassung des Herrn Reuß. Nach seiner Begeisterung über Liszt’s Clavierstücke kann man sich ungefähr ausmalen, welches Delirium den Autor angesichts der symphonischen Dichtungen befällt. Man lese den Abschnitt über die Faust-Symphonie und speciell über den dritten Satz, den „Mephisto“, welcher die Themen Faust’s und Gretchen’s höhnisch verunstaltet — ein unmusikalisches, widermusikalisches Verfahren, wenn es je eines gab. Dieser dritte Satz bildet nach E. Reuß „nicht blos ein, sondern das Meisterwerk musikalischer Charakterzeichnung; es gibt kein anderes, das ihm an die Seite gestellt werden könnte“. Selbstverständlich kann Herr Reuß sich nicht entgehen lassen, neben Liszt’s Symphonie „die als Ganzes und namentlich im Schlußchor ganz verfehlte Faust-MusikSchumann’s“ zu verwerfen. Gounod’sFaust vollends habe „noch viel schlimmeres Unheil als der Schumann’sche angerichtet“.

Auch Hans v. Bülow, der doch mehr als irgend ein anderer Künstler für die Verbreitung Liszt’scher Com positionen gethan, bekommt am Ende des Buches noch eine schlechte Note, „weil er, anstatt seine Stellung in Hannover zu benützen, um seine alten Glaubenssätze weiter zu ver kündigen, den verglimmenden Funken der Brahms- Verehrung zu einer neuen Flamme angefacht hat“. Herr Reuß bezweifelt sogar, daß Bülow’s Eintreten für Brahms ganz ehrlich und aufrichtig gemeint war. Wer auch nur einige von Bülow’s intimen Briefen an Brahms und über Brahms gelesen hat, könnte den Verfasser über diesen Punkt vollständig beruhigen. Die Wendung vom Liszt-Cultus zu Brahms ist nur zu leicht erklärlich. Umgekehrt wird man aber schwerlich einen hervorragenden Musiker citiren können, der von Brahms sich zu Liszt bekehrt hat.

Wenden wir uns von dem jüngsten Liszt-Schwärmer zu dem neuesten Wagner-Enthusiasten. Die hellen Trompeten

stöße, mit welchen Mr. Téodor de Wyzewa Téodor de Wyzewa, „Beethoven et Wagner“. (Paris, 1898. Librairie académique.) seine lange Abhandlung eröffnet, gelten aber nicht Wagner, sondern dessen Biographen und Ausleger Herrn Houston Cham berlain. Die beiden ersten Capitel sind gänzlich der Ver herrlichung Chamberlain’s gewidmet. Das erspart uns eigentlich, weiter zu lesen, was Mr. de Wyzewa selbst über Wagner vorbringen werde. Der Pole und der Engländer, sie sind Eins in grenzenloser Anbetung Wagner’s. In Auerbach’s Keller, Leipzig1884, treffen sich die beiden Bayreuthpilger, zehn Jahre bevor Chamberlain nach Wy zewa’s Versicherung „in ganz Europa der unbestrittene Meister der Wagner-Literatur geworden“. Chamberlain’s Buch „Le drame Wagnérien“ sei nach Jahresfrist bereits classisch geworden in Deutschland und habe alle anderen Werke über Wagner überflüssig gemacht. (Armer Glasenapp!) „Wenn ihr Wagner’s Werke nicht kennt, Chamberlain allein wird sie euch kennen lernen; und wenn ihr sie schon kennt, so wird Chamberlain eure Kenntniß vollenden.“ Natürlich feiert der Verfasser den „Tristan“-Componisten als specifischen Dramatiker. Allein in welche Widersprüche geräth ein dilettantischer Schwärmer! Wyzewa gesteht (pag. 125), daß eine Beethoven’sche Sonate — von einer Mozart’schen Oper oder von „Fidelio“ ganz zu schweigen — ihm einen stärkeren dramatischen Effect macht, als die „Meistersinger“! Er findet in jenen „mehr wahres Leben und tiefere Leiden schaft“. Im nächsten Capitel bespricht der Verehrer Chamber lain’s dessen zweites Buch: „Richard Wagner. 1896“, ein wahres Festgeschenk mit ebensoviel Illustrationen als Text und zwanzig Wagner-Porträts. Vergleicht man die früheren Wagner-Bildnisse Lenbach’s von 1874 mit den letzten von 1883, so werde man inne, „daß der Held ein Gott geworden“. Wenn aber Wagner ein Gott ist, so versteht es sich von selbst, daß seine Jünger Heilige werden. Also zum Beispiel Herr v. Wolzogen, welchem ein eigenes Capitel gewidmet ist. „Wolzogen nimmt in der Wagner’schen Kirche eine ähnliche Stelle ein, wie der auferweckte Lazarus in der ersten Kirche Jesu. Er ist das lebende Zeugniß für das Wunder. Von Wagner ist er

erweckt worden, nicht vom Tode, aber aus der schlim meren Finsterniß des Anti-Wagnerismus. Er stand auf, wanderte gegen Bayreuth, und den ganzen Weg ent lang pries er den neuen Gott, der ihn gerufen. Seine Eltern, seine Jugendfreunde, sogar die Philologie hat er verlassen, um sich in Bayreuth neben Wagner’s Hause anzusiedeln. Da wurde er des Meisters getreuer Apostel und rief dessen vegetarianische Lehre ins wirkliche Leben.“ (Das heißt: er nährte sich und seine Mitapostel von Gemüse, während der Meister unentwegt bis an sein Ende Fleisch aß.) „Wolzogen rührt sich nicht weg von Bayreuth, so völlig versunken ist er in den Cultus seines Heilands!“ Das ist ja Alles höchst erbaulich. Aber einige Zweifel streichen dennoch über Herrn Wyzewa’s Glauben an den ewigen Bestand seiner Kirche. Er klagt, daß die Adepten der Wagner’schen Kirche, Herr v. Wolzogen mag thun, was er will, von Tag zu Tag seltener werden. Schon bilden die Nordamerikaner die Majorität in Bayreuth, bald werden es die Südamerikaner, und schließlich wird der reine Thor vor einem Parterre von Negern singen!

Aus Wolzogen’s Buch citirt der Verfasser einen höchst auffallenden Ausspruch Wagner’s: „Ich bin in der In strumentirung ein Reactionär; ich gehe nicht weiter als Beethoven.“ Sollte Wagner wirklich so gesprochen haben, so sind seine Worte durch die That widerlegt. Man denke nur an das Orchester des Walkürenrittes, des Feuerzaubers, an die sechs Harfen im Rheingold, an die von Wagner eingeführten Tuben u. s. w. Kein Vernünftiger wird ihm daraus einen Vorwurf machen; eine fortgeschrittene Zeit braucht größere Mittel und eine complicirtere Technik. Wenn Wagner blen dende dramatische Wirkungen, wie den „Feuerzauber“ er reichen wollte, so konnte er nicht bei Beethoven’s Orchester stehen bleiben. Entscheidend ist, daß er den gewollten über wältigenden Effect wirklich erreicht hat mit den neuen Mitteln. Auch Mozart ist über die Gluck’sche Instrumentirung, Beet hoven über Haydn’s weit hinausgegangen. Ebenso Wagner über das Orchester nicht blos Beethoven’s, sondern sogar über das von Berlioz.

Das Interessanteste an dem Buche unseres Wagner- Schwärmers ist das Schlußcapitel, ein Hymnus auf —

Mozart! Im Jahre 1897 (das Datum ist wichtig) hält er in Paris einen Vortrag und eröffnet ihn mit dem Be kenntniß, er sei in der Musik, in der Malerei und ein wenig auch in der Literatur „profondément, passionnément, réactionnaire“. Nicht als ob er theoretisch die Ver dienste der gegenwärtigen Musik leugnen wolle; aber er habe für die neuen Bestrebungen alles Interesse verloren; selbst Wagner übe nicht mehr auf ihn die frühere starke Wirkung. „Die Nervositäten Tristan’s und Isoldens rühren mich nicht mehr wie einst, noch mag ich mir durch vier Abende hintereinander von zehn Personen die Geschichte von einem Ring, zwei Zwergen und einem großen Schloß er zählen lassen. Was mich heute noch an Wagner’s Musik rührt, das ist eigentlich die Erinnerung an meine eigene Jugend, an 10, 15 Jahre meines Lebens, in welchen Wagner mich entzückt hat. Noch vor wenigen Wochen war ich in Bayreuth. Gleich vielen von den früheren Freunden fühlte ich mich dort enttäuscht, obwol die Sänger und das Orchester ebenso gut waren wie früher. Woran lag die Schuld? Ich habe mich in classische Musik vertieft und bin jetzt unfähig, eine andere zu lieben. Mozart!“ Der Verfasser betitelt seinen Aufsatz: „Un Mozart inconnu“ und will damit sagen, daß (mit einziger Ausnahme des „Don Juan“) Mozart in Paris so gut wie unbekannt, aus dem musikalischen Gesichtskreis der Franzosen verschwunden sei. Da Mozart allgemein anerkannt und be rühmt ist, bemühe sich Niemand, ihn aufzuführen; er, der größte aller Tondichter, sei heute vielleicht der unbekannteste. „Ich aber,“ schließt der Verfasser, „vermag es gar nicht auszudrücken, welche unerschöpfliche Quelle von Trost und süßem Vergessen diese Musik für mich geworden seit dem Tage, wo ein wahres Wunder sie mir entdeckt hat.“ Mr. de Wyzewa ist nicht der Erste, noch weniger der Letzte, dem es also ergangen ist. Das Wort: „on revient toujours à ses premiers amours“ gilt nicht immer für den Musikfreund. Richard Wagner hieß die erste Liebe Wyzewa’s und wol der meisten seiner Zeitgenossen; nicht zu ihr kehren sie in späteren Jahren zurück, sondern zu der Liebe ihrer Väter: zu Mozart und Beethoven, Weber und Schubert.