Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 12228. Wien, Donnerstag, den 8. September 1898 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 12228. Wien, Donnerstag, den 8. September 1898 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 08.09.1898
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Richard Wagner und Wendelin Weißheimer.

Ed. H. In einem eben erschienenen Buch von vierhundert Seiten erzählt uns der Componist und Musikdirector Wendelin Weißheimer seine Erlebnisse mit Richard Wagner. Erlebnisse mit R. Wagner, Liszt und vielen anderen Zeitgenossen nebst deren Briefen.“ Mit Facsimiles von Briefen Wagner’s, Liszt’s und Bülow’s. Von W. Weißheimer. (Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart. 1898. Zweite Auflage.) Man kennt den Verfasser als einen der werkthätigsten Anhänger und Bewunderer des Meisters von Bayreuth. Trotzdem wird sein ungemein interessantes Buch die Wagnerianer verdrießen, weil es Thatsachen enthält, die wieder einmal ein unerfreuliches Licht auf Wagner’s Cha rakter werfen. Warum, so fragen wir, hat Mr. Chamber lain, der streitbare Bischof der Wagner-Gemeinde, das Buch nicht einstampfen lassen, wie Ferdinand Präger’s Wagner, wie ich ihn kannte“? Das war ja die einfachste, handlichste Methode, einen Bericht aus der Welt zu schaffen, der Un günstiges, angeblich Irriges über Wagner enthielt. Die literarisch correcteste, nobelste Art der Widerlegung ist das freilich kaum. Nicht einmal die vortheilhafteste. Das Wagner- Syndicat hätte doch besser gethan, alle Unrichtigkeiten in Präger’s Buch standhaft zu widerlegen und das Endurtheil dem Publicum zu überlassen. Warum ein Buch mit der Stampfmühle vernichten, wenn man es mit der Feder ver mochte? Unwillkürlich denken wir an Heine’s Klage: „Schließlich stopft man mir den Mund mit einer Handvoll Erde — Aber ist das eine Antwort?“

Herr Weißheimer, gegenwärtig in Freiburg i. Br. an sässig, war als Student in Darmstadt durch die Auf führungen von „Tannhäuser“ und „Lohengrin“, „in ein völliges Wagner-Delirium gerathen“. Nur schwer erlangte er die Zustimmung seiner Eltern, sich ganz der Musik widmen zu dürfen. Nach absolvirten Studien am Leip ziger Conservatorium reiste er im Sommer 1858 mit einer Empfehlung Schindelmeisser’s zu Wagner nach Zürich. Zum letztenmale hat er Wagner im Juni 1868 in München in

der Königsloge des Hoftheaters gesehen. Den Inhalt dieser zehn Jahre bildete für Weißheimer die unermüdlichste, fast ausschließliche Thätigkeit im Interesse Wagner’s. Wir wollen hier in Kürze und möglichst wortgetreu das Wichtigste aus Weißheimer’s Erlebnissen mit Wagner nacherzählen.

Zunächst beginnt Weißheimer seine Thätigkeit mit einer Reihe von Aufsätzen über „Tristan und Isolde“ für Brendel’s Musikzeitschrift. Dann hilft er dem von Paris nach Deutschland zurückgekehrten Wagner bei dessen Ueber siedlung von Mainz nach Biebrich. Das war keine Kleinig keit, denn eine ganze Wagenburg kam angefahren mit Wagner’s Kisten und Koffern. Nicht die Hälfte davon fand Raum in Wagner’s aus drei Zimmern bestehender Woh nung. Im ganzen Hause war kein Platz, und so brachte denn Weißheimer mit Hilfe des Wirthes die Kisten in einem benachbarten geräumigen Kelterhaus unter. Wagner ließ von einem Tapezierer die Fenster seiner Wohnung mit Vor hängen und die Thüren mit Portièren versehen, schlüpfte in einen seiner berühmten Sammtschlafröcke, setzte ein dazu passendes Barett auf und begann an den „Meister singern“ zu arbeiten. Mitten in dieser erregten Productionszeit wurde er durch den Besuch seiner Frau überrascht. Die gute Minna wollte ihm eine Freude machen und kam unvermuthet aus Dresden an, wo er seit einiger Zeit sie bei Tichatscheks untergebracht hatte. Wagner verhehlte nicht, wie ungelegen dieser gutgemeinte Ueberfall ihm komme. Was bei der großen Verschiedenartigkeit beider Ehehälften vorauszusehen war: schon nach Verlauf einer Woche reiste Frau Minna wieder zurück nach Dresden, um sich nie wieder sehen zu lassen. In Mainz besorgt Weißheimer alle erdenklichen Commissionen für Wagner, der in zahlreichen Briefchen ihn stets mit Liebster Wendelin, Liebster Freund, anredet. Weißheimer arbeitet für Wagner einen vierhändigen Clavier auszug des „Meistersinger“-Vorspiels aus, begleitet bei dem Besuch des Sängers Schnorr die Tristan-Scene aus der Partitur und was es sonst noch gab an musikalischen Freund schaftsdiensten. Aber diese waren noch die geringsten. Wagner befand sich fortwährend in Geldverlegenheit, was ihn freilich nicht hinderte, Champagner aufzutischen, dem Kutscher für eine Spazierfahrt einen Louisd’or zu geben u. s. w. Als Wagner nach Karlsruhe reist, um dort dem Großherzog die Meistersinger-Dichtung vorzulesen, schüttet ihm Weiß

heimer beim Einsteigen vorsichtshalber den ganzen Inhalt seines Portemonnaies in den Hut. Der Verleger Schott war des ewigen Vorauszahlens müde geworden und Wagner saß bald auf dem Trockenen. Weißheimer, der ihm wieder holt mit kleineren Beträgen ausgeholfen, sollte es nun mit einer größeren Summe. „Wagner wünscht eine General- Anleihe von 5000 fl.“ „Zunächst, liebster Freund,“ schreibt er an Weißheimer, „bedarf ich auf das dringendste 1500 fl. Sehen Sie, was Sie über ihren lieben Vater vermögen! Strengen Sie das Aeußerste an!“ Weißheimer reist eiligst nach Osthofen zu seinem Vater, dann nach Worms zu seinem Onkel; Beide können diesmal nicht aushelfen. Endlich erhält er zum Glück das Gewünschte von dem Bankier Bamberger und eilt nach Mainz zurück, wo bereits Wagner ungeduldig im Café Paris seiner harrt. Bei Empfang des Geldes fällt er seinem jungen Freunde weinend um den Hals. Zunächst mußte Wagner seine Wohnung in Biebrich bezahlen, denn ohne Zahlung durfte er in dieselbe nicht wieder hinein. Aber jede Summe zerrann in Wagner’s Händen. Kaum acht Tage später dringt er in Weißheimer, ihm um Himmelswillen noch etwa 300 fl. vorzustrecken; auch Bülow solle ein paar hundert Gulden auftreiben. Weißheimer reist nach Wiesbaden zu wohlhabenden Freunden (Wilhelmy und Rosenträger), welche geneigt schienen, Wagner zu helfen, falls er nicht zu hohe Anforderungen stellen würde. „Einmal in Wiesbaden,“ berichtet Weißheimer, „wollte ich es nicht versäumen, Alles aufzubieten und auf gut Glück für Wagner sogar auf den — Bettel zu gehen.“ So schwer es ihm wurde, Weißheimer sprach in der Nähe des Curhauses allerhand distinguirt aussehende Persönlichkeiten zu Gunsten Wagner’s an — holte sich aber lauter Körbe. Hierauf faßt er die Idee zu einer National-Sub scription für Wagner und correspondirt darüber eifrig mit Bülow. Dieser verhehlt sich nicht die vielen Bedenk lichkeiten der Sache, sieht aber doch keinen andern Ausweg und verspricht seine Mitwirkung. Inzwischen hilft Weißheimer immer wieder aus. „Sie sind wahrlich der Einzige,“ schreibt ihm Wagner, „der sich noch um mich bekümmert! Selbst Hans (Bülow) scheint’s aufgegeben zu haben.“ Letzterer hatte ihn keineswegs aufgegeben, stand aber den unaufhörlichen Geldforderungen Wagner’s rathlos gegenüber und nennt es unglaublich, was Wagner in vierzehn Tagen an Geld consumiren kann! „Haben Sie denn keine

Idee,“ fragt Bülow, „wo er das Geld, das er sich immer im Nothfalle zu verschaffen weiß, so schnell hinbringt?“ Weißheimer gesteht, es nicht zu begreifen. Heute sei Wagner im Besitze von mehreren hundert Gulden und im Hand umdrehen seien sie fort. Seine Kunst im Geldausgeben sei räthselhaft. „Und mir ist räthselhaft,“ fährt Bülow fort, „daß er sich allemal das Nöthige wieder zu verschaffen weiß. Am Ende ist er ein noch größeres Finanzgenie, als er Dichter- und Musikgenie ist.“ Zunächst erprobt sich das Finanzgenie allerdings wieder an Weißheimer. „Machen Sie ihre Sachen gut,“ schreibt ihm Wagner, „erleichtern Sie mein Herz und beschweren Sie meinen Beutel!“ Durch Weißheimer, der seinen Vater neuerdings für Wagner an pumpt, erhält er schnell hundert Thaler, mit denen er nach Leipzig abreist, zur Veranstaltung eines Concertes Anfangs November 1862.

Nun folgt als interessante Episode Wagner’s Besuch in Wien. Hier gilt es, die Aufführung von „Tristan und Isolde“ und gleichzeitig ein paar Orchester-Concerte im Theater an der Wien vorzubereiten. Wagner braucht Geld und immer wieder Geld! Aus dem Hotel „Kaiserin Elisabeth“ schreibt er an Weißheimer, der in Leipzig die Copiaturen für ihn besorgt: „Geld kann ich bis dahin nicht zur Bezahlung der Copisten schicken. Sehen Sie doch um des Himmelswillen, wie Sie das machen!“ Wendelin’s Vater muß abermals Geld schaffen, und der Sohn reist Ende December 1862 selbst nach Wien, um Wagner von Früh bis Abends behilflich zu sein. Er studirt täglich mit Ander die Partie des Tristan und zugleich heimlich mit Walter; denn Ander’s schwankende Gesundheit machte eine Doppelbesetzung nothwendig, von welcher er aber nichts erfahren dürfe. Auch mit Hrabanek studirt er den Kurvenal und soll Beck in den König Marke einweihen. Beck ahnt aber, daß aus der „Tristan“- Aufführung nichts würde und ist nie zu Hause oder läßt sich verleugnen. Die beiden Concerte Wagner’s erregten unbeschreiblichen Jubel und brachten ihm eine Einnahme von 3000 Gulden. Außerdem schickte ihm die Kaiserin auf Veranlassung Dr. Standhartner’s 1000 Gulden. Und immer jammert er noch: „Ich armer, geplagter Mann!“ Da Ander’s Erkrankung den „Tristanins Unbestimmte hinausschob, reiste Wagner nach Peters

burg, wo seine Aufführungen von glänzendstem künstlerischen und pecuniären Erfolg gekrönt waren. Auch Wagner’s Con certe in Prag und in Pest (er selbst rühmt ihren „un glaublichen Erfolg“) hatten große Summen eingebracht. „Aber eine Summe, mit welcher jeder Andere einige Jahre sorgenfrei leben und schaffen konnte, ward von Wagner in wenigen Wochen verbraucht.“ Von Petersburg wendet sich Wagner wieder nach Wien oder genauer: nach Penzing. Dort miethet er die leerstehende Villa des Baron Rochow und läßt sie vollständig neu einrichten. Inzwischen ist der treue Wendelin unausgesetzt für ihn thätig, in Frank furt, in Darmstadt, in Rotterdam, um in Vorberei tung von Concerten den Boden für Wagner zu ebnen. Noch wähnt er diesen in Penzing ruhig bei der Arbeit, als ihn (in Leipzig) ein Telegramm Wagner’s plötzlich nach Stuttgart beruft. Wagner war im März 1864 heimlich von Penzing geflüchtet. Den Miethzins, die kostspielige Ein richtung und sonstige Schulden für ihn zu bezahlen, überließ er ohneweiters seinen ahnungslosen Freunden, die, wie z. B. Karl Tausig, für ihn Bürgschaft geleistet hatten. Von da an wird die Geschichte immer romanhafter; die Begebenheiten überstürzen sich in immer schnellerem Tempo. Wagner eilt von Wien zunächst nach Zürich zu Frau Wille, von da nach Stuttgart. Ihm nach — nicht seine Gläubiger, sondern sein Retter: der bayrische Hofsekretär v. Pfister meister, der im Auftrage des jungen Königs Ludwig II. Wagner ausfindig machen und nach München bringen soll. Er sucht den Flüchtling vergebens in Wien, vergebens in Zürich; endlich erhascht er ihn in Stuttgart, gerade als Weißheimer ihm die Koffer packen hilft zur raschen Weiterreise. „Ich bin am Ende,“ sagt Wagner, „ich muß irgendwo von der Welt verschwinden. Können Sie mich nicht davor be wahren?“ Diesmal ist es Weißheimer zu seinem Leidwesen unmöglich, da er noch nicht in dem Besitz seines zu er wartenden Vermögens und sein Vater der vielen Opfer müde geworden war. „Nun, so muß ich auf einige Zeit ver schwinden, aber Sie müssen mich begleiten!“ Wendelin sagt dies zu; Wagner möge unter allen Umständen auf ihn rechnen. „Nun so verschwinden wir in die Rauhe Alb!“ — Da erscheint als rettender Engel der königliche Abgesandte und nimmt Wagner sofort nach München mit. Noch in der Abschiedsstunde vermag Wendelin ihm einen letzten Dienst

zu erweisen. Wagner war nämlich eiligst in den Waggon eingestiegen, ohne eine Fahrkarte gelöst zu haben; da rennt Wendelin zur Kasse, löst das Billet nach München und reicht es noch rechtzeitig Wagner durchs Waggonfenster.

Wir finden Wagner als allmächtigen Günstling des jungen Königs wieder. Nun hat er die Dienste seines treuen Wendelin nicht mehr nöthig, und so ist denn auch schnell vergessen, was dieser durch volle zehn Jahre in unermüd licher Aufopferung für ihn geleistet. Als Wendelin seinen Besuch in Starnberg anzeigt, antwortet ihm Wagner, er könne ihn nicht aufnehmen, da seine Gasträume in den nächsten Tagen besetzt sein würden. Zu Weißheimer’s Hoch zeit verspricht Wagner nach Augsburg zu kommen; ja er will nach der Trauung sogleich mit dem jungen Ehepaare nach München fahren und ihm hier das Hochzeitsdiner geben. Wendelin ist entzückt über diese Auszeichnung, erhält aber im letzten Augenblicke ein Telegramm von Wagner, daß er nicht kommen könne, und daß auch das versprochene Hoch zeitsdiner in München unmöglich sei. So schmerzlich Weiß heimer diese grausame Ueberraschung treffen mußte, er unter drückt jede Empfindlichkeit, hofft er doch, Wagner werde ihm wenigstens einen einzigen, für seine ganze Zukunft entscheidenden Freundschaftsdienst nicht versagen. Es handelte sich um die Annahme seiner Oper „Theodor Körner“ am Münchener Hoftheater. Eine einfache Empfehlung Wagner’s hätte hin gereicht, um vom König den gewünschten Auftrag zu er wirken. Ein Wort von Wagner war genügend, um Weiß heimer wenigstens eine Audienz beim König zu ver schaffen. Wagner hat beides abgelehnt. Ja, er ließ sich nicht einmal herbei, sich von Weißheimer einige Hauptpartien der Oper vorspielen zu lassen. Nur in das Textbuch hatte er Einsicht genommen und dessen „revolutionäre Tendenz“ getadelt. Und doch muß Wagner, wie zahlreiche Stellen in seinen Briefen beweisen, von dem Talent Weißheimer’s eine sehr günstige Meinung gehegt haben. Als Liszt die Oper auf das wärmste an die Berliner General-Intendanz empfiehlt, schreibt Wagner am 15. Januar 1868: „Herzlichen Dank, lieber Wendelin! Alles Glück sei mit Ihnen und Herrn Körner. Es kann ein sehr glücklicher Fall sein und — ich hoffe es!“ Selbst rührte er aber keinen Finger für seinen früheren Wohlthäter. Wir wollen hier nicht dem ganzen Leidens

weg des immer von neuem hingehaltenen und getäuschten armen Wendelin schrittweise nachgehen — genug, daß er nach unsäglicher Mühe und Zeitverlust von Frau Cosima schließlich die gnädige Entscheidung empfing: Wagner werde, falls der König die Aufführung der Oper aus freien Stücken bewilligen sollte, nicht dagegen sprechen! Thatsache ist, daß Weißheimer’s Werk, das an einer andern Bühne einen guten Erfolg errungen, in Münchennicht zur Aufführung gelangt ist. Das also war der Lohn für Weißheimer’s zehnjährige unermüdliche Aufopferung. Er sah nunmehr ein, daß von dem mächtig ge wordenen Wagner durchaus nichts zu hoffen sei, und verließ München, um eine Capellmeisterstelle in Augsburg, dann in Berlin (bei Kroll), in Düsseldorf und Würzburg anzu nehmen. In jeder dieser Stellungen galt sein schönster Eifer der Aufführung von Wagner’s Opern! Von Wagner selbst empfing er nie wieder ein Lebenszeichen, seit er diesen zuletzt 1868 flüchtig in München gesehen — neben dem König in der Hofloge bei der Première der „Meistersinger“.

Verschiedene Kritiker rügen an Weißheimer, daß er auch von seinen eigenen Compositionen spricht und von der Aner kennung, die Männer wie Liszt, Bülow, Tausig, Cornelius, Dräsecke und Perfall ihnen gezollt haben. Es ist ihm, nach meiner Empfindung, die einzige bescheidene Genugthuung vom Herzen zu gönnen; Eine zweite Oper Weißheimer’s „Meister Martin und seine Gesellen“, hat in Frankfurt am Main einen großen Erfolg errungen unter der Leitung Dessoff’s, der die Novität seinerzeit angelegent lich zur Aufführung in Wien empfahl. ja, die Berufung auf das Lob der genannten Künstler war fast nothwendig, um den Leser vor dem Irrthum zu bewahren, Weißheimer sei eben nicht mehr und nichts Anderes gewesen, als in Einer Person der Lohn diener und der Geldgeber Wagner’s. Die geschworene Parteigänger des Letzteren werden tadelnde Worte voraus sichtlich nur gegen Weißheimer erheben. Für sie bleibt ja Wagner der Idealmensch, ja nach Zeugniß des Herrn v. Wizewa schlechtweg der Heiland. Sie ignoriren den kleinen Unterschied, daß dieser „Heiland“ immer Andere sein Kreuz schleppen und die Dornenkrone tragen läßt, ohne daß es ihm beifiel, die armen Schächer dann mit sich ins Para dies zu nehmen.